Table.Briefing: ESG

+++ Table.Alert: Lieferketten: Gutachter für staatliche Überprüfung der Zertifizierer + Studie: Arbeitsrechtsverletzungen bei pakistanischen Lieferanten +++

Liebe Leserin, lieber Leser,

seit Anfang des Jahres gilt das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) in Deutschland und in Brüssel könnte Mitte nächster Woche die Entscheidung für eine europäische Lieferkettenregelung fallen. Einige Hindernisse haben die Spanier, die gerade die europäische Ratspräsidentschaft innehaben, aus dem Weg geräumt. Gerungen wird nach Table.Media-Information noch um die Frage, ob die Finanzdienstleister unter die Richtlinie fallen und wie umfassend die unternehmerische Haftung aussehen soll.

Eine wichtige Vorbildfunktion hatte in Brüssel bei den Verhandlungen das deutsche LkSG, bei dem Experten mittlerweile Nachbesserungen fordern, ihm aber auch Wirkungen attestieren. So sieht der wissenschaftliche Beirat für Agrarpolitik, Ernährung und gesundheitlichen Verbraucherschutz Lücken und Fallstricke in der bestehenden deutschen und geplanten europäischen Gesetzgebung zu Sorgfaltspflichten im Bereich der Agrar- und Ernährungswirtschaft. In einem Gutachten – adressiert an das BMEL – fordert der Beirat Kontrollmechanismen, speziell beim deutschen Lieferkettengesetz. Sinnvoll fänden die Gutachter eine staatliche Überwachung der Zertifizierung, die private Unternehmen erbringen.

Vier gewerkschaftliche und zivilgesellschaftliche Organisation haben eine Studie über die Arbeitsbedingungen in der Textilindustrie in Pakistan erstellt. Fazit: Es gibt in großem Umfang Arbeitsrechtsverletzungen, vor allem bei der Entlohnung. Zufrieden zeigen sich die Organisationen damit, dass einige international tätige Unternehmen auf die Vorgänge reagierten und ernsthaft bemüht seien, die Missstände abzustellen.

Ihr
Caspar Dohmen
Bild von Caspar  Dohmen
  • Europapolitik
  • Lieferketten

Analyse

Gutachter fordern bessere Kontrollen bei Lieferketten

Sorgfaltspflichten sollen sicherstellen, dass Unternehmen Arbeits- und Menschenrechte entlang der Wertschöpfungskette global einhalten. Bei der Beschaffung von Bananen wurden bereits Verstöße gemeldet.

Mit der Europäischen Lieferkettenrichtlinie (CSDDD) und dem Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) in Deutschland sehen sich viele Akteure der Agrar- und Ernährungswirtschaft mit einem Paradigmenwechsel konfrontiert. Die Gesetzesentwicklungen in diesem Bereich hat der Wissenschaftliche Beirat für Agrarpolitik, Ernährung (WBAE) beim Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) nun für den Sektor untersucht und sieht dringenden Handlungsbedarf.

In seinem Gutachten identifiziert der WBAE Risiken und Nebeneffekte bei der Implementierung der Sorgfaltspflichten im Bereich der Agrar- und Ernährungswirtschaft, die Unternehmen dazu anhalten sollen, Umwelt und Menschenrechte besser zu schützen. Die Autoren drängen hierbei darauf, die Regelungen wirksamer und effizienter auszugestalten und umzusetzen, und sie sprechen eine Reihe von Empfehlungen aus. Ein Appell ist das gerade auch an Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir, dem Vertreter des WBAE das Gutachten heute virtuell überreicht haben.

Kontrolle für wirksame Sorgfaltspflichtenregelungen entscheidend

Wirksamkeit und Effizienz der Sorgfaltspflichtenregelungen, so heißt es in dem Gutachten, würden wesentlich von Kontrolle abhängen. Es bestehe aber die Gefahr, dass die staatliche Kontrolle der Sorgfaltspflichten lediglich eine “Papierkontrolle von Bemühenspflichten” werde, mahnt der Vorsitzende des WBAE und Autor des Gutachtens, Achim Spiller. Denn: Die Situation bei den Lieferanten vor Ort zu überprüfen, sei für staatliche Behörden kaum umsetzbar.

Der WBAE drängt deshalb in dem Gutachten darauf, privatwirtschaftliche Zertifizierungsunternehmen stärker einzubeziehen. Da solche Zertifizierungssysteme bislang aber noch deutliche Schwachstellen aufwiesen, müsse deren Qualität staatlich abgesichert werden, fordert Spiller. Insbesondere beim deutschen LkSG, dessen Steuerungswirkung aufgrund einer fehlenden Haftungsregelung ohnehin begrenzt sei, sieht der WBAE diesbezüglich Verbesserungsbedarf und gibt in dem Gutachten deshalb auch Empfehlungen für eine staatliche Anerkennung und Überwachung der Zertifizierung.

Bessere Unterstützung statt Rückzug

Verstöße gegen die Sorgfaltspflichten stark zu sanktionieren – wie im LkSG vorgesehen – halten die Autoren des Gutachtens hingegen für schwierig. Seien die Sanktionen zu hoch, könnte es für Unternehmen attraktiver sein, sich aus Regionen oder Ländern zurückzuziehen, die mit höheren Menschenrechts- und Umweltrisiken verbunden sind, warnen die Autoren des Gutachtens. Wichtig sei deshalb, Sanktionen auf zielgerichtete und substantielle Gesetzesverstöße auszurichten. Zudem sollte der Staat auch positive Anreize setzen, wie etwa durch Projektförderungen und Preise sowie durch Vorteile in öffentlichen Vergabeverfahren, fordert der WBAE.

Um zu verhindern, dass sich Unternehmen aus Ländern oder Regionen zurückziehen, die höhere Menschenrechts- und Umweltrisiken bergen, hält der WBAE außerdem einen intensiven Dialog mit internationalen Handelspartnern und bessere Unterstützungsmaßnahmen für erforderlich. Dies sei auch im Sinne des Prinzips “Befähigung statt Rückzug”. Denn ein Rückzug von Unternehmen sei zwar die einfachste Lösung, löse aber nicht die zugrundeliegenden Menschenrechts- und Umweltprobleme in der Produktion, so die Autorin des Gutachtens Christine Wieck.  

WBAE fordert Monitoring und Wirkungsüberprüfung

Um zu sehen, ob die Gesetze ihre anvisierten Ziele erreichen, ob es zu negativen Auswirkungen oder zu Umsetzungsproblemen kommt, sei es zudem wichtig, dass sowohl ein begleitendes Monitoring aufgebaut, als auch eine Wirkungsüberprüfung eingeplant werde, so Wieck weiter. Beides ist im LkSG bislang nicht explizit vorgesehen. Beim Monitoring und bei der Wirkungsprüfung der Gesetze gelte es zudem, eine Zusammenarbeit mit den Handelspartnern anzustreben. “Von dem Erfahrungswissen der Akteure vor Ort können diese Prozesse nur profitieren”, ist sich Wieck sicher.

Mit Blick auf die Verhandlungen zur CSDDD mahnt Achim Spiller schon jetzt: “Die größte Lücke entsteht dann, wenn am Schluss nur die EU solche Sorgfaltspflichten einführen würde. Dann käme es nämlich zu Marktspaltungen.” Das heißt: Die “gute” Ware gehe in die EU, die “schlechte mit Kinderarbeit” in andere Regionen der Welt, prognostiziert Spiller. Es sei also zentral, dass sich die EU um die Verbreitung des Ansatzes in möglichst vielen wichtigen Handelsregionen dieser Welt bemühe.

EU-Lieferkettengesetz weitgehender als deutsche Gesetzgebung

Zur Erinnerung: Das deutsche Lieferkettengesetz, das seit Jahresbeginn 2023 für Unternehmen ab 3.000 Mitarbeitenden gilt, verpflichtet Firmen dazu, ihre eigenen Arbeitsprozesse und Lieferketten auf Verstöße gegen Menschenrechte sowie auf Umwelt- und Arbeitsschutz zu durchleuchten. Zudem sind die Unternehmen angehalten, Maßnahmen zu definieren, um diese Risiken einzudämmen. Ab 2024 gilt das Regelwerk bereits für Unternehmen ab 1.000 Mitarbeitenden.

Das EU-Lieferkettengesetz sieht nach den Plänen der Kommission vor, dass in der EU ansässige Unternehmen mit mindestens 500 Mitarbeitenden und einem Nettojahresumsatz ab 150 Millionen Euro die Bestimmungen umsetzen müssen. Bestimmte Risikosektoren, zu denen auch die Agrarwirtschaft sowie Produzenten und Händler von Lebensmitteln zählen, sollen demnach schon ab 250 Mitarbeitenden und 40 Millionen Euro Umsatz unter den Geltungsbereich des Gesetzes fallen. Noch sind die Trilogverhandlungen zur CSDDD nicht abgeschlossen. Aller Voraussicht nach werden die Regelungen der CSDDD aber weit über die des LkSG hinausgehen.

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News

Textilunternehmen reagieren auf Arbeitsrechtsverletzungen in Pakistan

Vier gewerkschaftliche und zivilgesellschaftliche Organisationen haben in einer Studie schwere Arbeitsrechtsverletzungen bei Zulieferern internationaler Modeunternehmen festgestellt, die deutschen NGO ECCHR und FEMNET sowie der Gewerkschaftsdachverband National Trade Union Federation und die Home-Based Women Workers Federation aus Pakistan. Befragt wurden seit April 2023 insgesamt 357 Beschäftigte, die für internationale Marken produzieren. Die Ergebnisse zeigen gravierende Arbeitsrechtsverletzungen auf.

  • 97 Prozent der Befragten haben demnach keine schriftlichen Arbeitsverträge.
  • 80 Prozent erhalten keine Lohnabrechnungen, sodass es schwierig ist, ihren Verdienst nachzuvollziehen.
  • 28 Prozent erhalten keinen gesetzlichen Mindestlohn.
  • Von den Arbeitenden mit gesetzlichem Mindestlohn werden viele nur unzureichend für Überstunden entlohnt, bekommen keinen oder zu wenig Urlaub oder ihnen wird ein höherer Lohn verwehrt, obwohl sie aufgrund ihrer Tätigkeit darauf eigentlich Anspruch hätten.
  • 64 Prozent sind nicht sozialversichert und nur 15 Prozent haben eine Rentenversicherung.
  • 73 Prozent der Befragten berichteten über das Fehlen aktiver Gewerkschaften.

Die Bekleidungsindustrie ist der zweitgrößte industrielle Arbeitgeber in Pakistan und beschäftigt rund 15 Millionen Menschen, etwa 38 Prozent der Arbeitskräfte im verarbeitenden Gewerbe. Der Mindestlohn variiert je nach Region, liege aber in allen Fällen “weit unter dem geschätzten existenzsichernden Lohn”, heißt es in der Studie. Die schlechten Arbeitsbedingungen in dem Land sind bekannt. Im Globalen Rechtsindex des Internationalen Gewerkschaftsbundes wird das Land hinsichtlich der Achtung der Menschenrechte auf einer fünfstufigen Skala in der schlechtesten Kategorie eingestuft. Die Bedingungen haben sich seit Jahren nicht verbessert. Nach dem deutschen Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (§2 Abs. 2Nr. 8 LkSG) müssen Unternehmen das Recht auf einen angemessenen Lohn schützen.

Einige Unternehmen reagieren auf die Aufdeckung der Missstände. Diese würden “sich ernsthaft bemühen, Arbeitsrechtsverletzungen zu untersuchen und wirksame Maßnahmen zu ergreifen, um diese abzustellen“, sagt Miriam Saage-Maaß, Legal Director der Menschenrechtsorganisation ECCHR. “Das war in der Vergangenheit oftmals nicht der Fall und zeigt, dass das LkSG bereits jetzt positiv wirkt.” Bei Unternehmen, die nicht reagierten, behalte man sich vor, Beschwerde bei der zuständigen Kontrollbehörde BAFA einzulegen, sagt Sina Marx, Referentin bei Femnet und Mitautorin der Studie.

Einfluss ausüben können die einkaufenden Unternehmen, indem sie die Zahlung höherer Preise an höhere Löhne knüpfen. Das funktioniert allerdings in der Praxis meist nur, wenn ein Unternehmen eine Fertigungsfirma zu großen Teilen auslastet oder sich mehrere beauftragende Firmen zusammentun, was schwierig ist. Zudem hatten viele Unternehmen in der Pandemie die Einkaufspreise deutlich gedrückt. Fachleute gehen davon aus, dass der Schlüssel für eine nachhaltige Verbesserung der Situation eine Stärkung unabhängiger Gewerkschaften wäre, was in Ländern wie Pakistan aber schwierig ist. cd

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  • Pakistan

ESG.Table Redaktion

ESG.TABLE REDAKTION

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    seit Anfang des Jahres gilt das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) in Deutschland und in Brüssel könnte Mitte nächster Woche die Entscheidung für eine europäische Lieferkettenregelung fallen. Einige Hindernisse haben die Spanier, die gerade die europäische Ratspräsidentschaft innehaben, aus dem Weg geräumt. Gerungen wird nach Table.Media-Information noch um die Frage, ob die Finanzdienstleister unter die Richtlinie fallen und wie umfassend die unternehmerische Haftung aussehen soll.

    Eine wichtige Vorbildfunktion hatte in Brüssel bei den Verhandlungen das deutsche LkSG, bei dem Experten mittlerweile Nachbesserungen fordern, ihm aber auch Wirkungen attestieren. So sieht der wissenschaftliche Beirat für Agrarpolitik, Ernährung und gesundheitlichen Verbraucherschutz Lücken und Fallstricke in der bestehenden deutschen und geplanten europäischen Gesetzgebung zu Sorgfaltspflichten im Bereich der Agrar- und Ernährungswirtschaft. In einem Gutachten – adressiert an das BMEL – fordert der Beirat Kontrollmechanismen, speziell beim deutschen Lieferkettengesetz. Sinnvoll fänden die Gutachter eine staatliche Überwachung der Zertifizierung, die private Unternehmen erbringen.

    Vier gewerkschaftliche und zivilgesellschaftliche Organisation haben eine Studie über die Arbeitsbedingungen in der Textilindustrie in Pakistan erstellt. Fazit: Es gibt in großem Umfang Arbeitsrechtsverletzungen, vor allem bei der Entlohnung. Zufrieden zeigen sich die Organisationen damit, dass einige international tätige Unternehmen auf die Vorgänge reagierten und ernsthaft bemüht seien, die Missstände abzustellen.

    Ihr
    Caspar Dohmen
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    Gutachter fordern bessere Kontrollen bei Lieferketten

    Sorgfaltspflichten sollen sicherstellen, dass Unternehmen Arbeits- und Menschenrechte entlang der Wertschöpfungskette global einhalten. Bei der Beschaffung von Bananen wurden bereits Verstöße gemeldet.

    Mit der Europäischen Lieferkettenrichtlinie (CSDDD) und dem Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) in Deutschland sehen sich viele Akteure der Agrar- und Ernährungswirtschaft mit einem Paradigmenwechsel konfrontiert. Die Gesetzesentwicklungen in diesem Bereich hat der Wissenschaftliche Beirat für Agrarpolitik, Ernährung (WBAE) beim Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) nun für den Sektor untersucht und sieht dringenden Handlungsbedarf.

    In seinem Gutachten identifiziert der WBAE Risiken und Nebeneffekte bei der Implementierung der Sorgfaltspflichten im Bereich der Agrar- und Ernährungswirtschaft, die Unternehmen dazu anhalten sollen, Umwelt und Menschenrechte besser zu schützen. Die Autoren drängen hierbei darauf, die Regelungen wirksamer und effizienter auszugestalten und umzusetzen, und sie sprechen eine Reihe von Empfehlungen aus. Ein Appell ist das gerade auch an Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir, dem Vertreter des WBAE das Gutachten heute virtuell überreicht haben.

    Kontrolle für wirksame Sorgfaltspflichtenregelungen entscheidend

    Wirksamkeit und Effizienz der Sorgfaltspflichtenregelungen, so heißt es in dem Gutachten, würden wesentlich von Kontrolle abhängen. Es bestehe aber die Gefahr, dass die staatliche Kontrolle der Sorgfaltspflichten lediglich eine “Papierkontrolle von Bemühenspflichten” werde, mahnt der Vorsitzende des WBAE und Autor des Gutachtens, Achim Spiller. Denn: Die Situation bei den Lieferanten vor Ort zu überprüfen, sei für staatliche Behörden kaum umsetzbar.

    Der WBAE drängt deshalb in dem Gutachten darauf, privatwirtschaftliche Zertifizierungsunternehmen stärker einzubeziehen. Da solche Zertifizierungssysteme bislang aber noch deutliche Schwachstellen aufwiesen, müsse deren Qualität staatlich abgesichert werden, fordert Spiller. Insbesondere beim deutschen LkSG, dessen Steuerungswirkung aufgrund einer fehlenden Haftungsregelung ohnehin begrenzt sei, sieht der WBAE diesbezüglich Verbesserungsbedarf und gibt in dem Gutachten deshalb auch Empfehlungen für eine staatliche Anerkennung und Überwachung der Zertifizierung.

    Bessere Unterstützung statt Rückzug

    Verstöße gegen die Sorgfaltspflichten stark zu sanktionieren – wie im LkSG vorgesehen – halten die Autoren des Gutachtens hingegen für schwierig. Seien die Sanktionen zu hoch, könnte es für Unternehmen attraktiver sein, sich aus Regionen oder Ländern zurückzuziehen, die mit höheren Menschenrechts- und Umweltrisiken verbunden sind, warnen die Autoren des Gutachtens. Wichtig sei deshalb, Sanktionen auf zielgerichtete und substantielle Gesetzesverstöße auszurichten. Zudem sollte der Staat auch positive Anreize setzen, wie etwa durch Projektförderungen und Preise sowie durch Vorteile in öffentlichen Vergabeverfahren, fordert der WBAE.

    Um zu verhindern, dass sich Unternehmen aus Ländern oder Regionen zurückziehen, die höhere Menschenrechts- und Umweltrisiken bergen, hält der WBAE außerdem einen intensiven Dialog mit internationalen Handelspartnern und bessere Unterstützungsmaßnahmen für erforderlich. Dies sei auch im Sinne des Prinzips “Befähigung statt Rückzug”. Denn ein Rückzug von Unternehmen sei zwar die einfachste Lösung, löse aber nicht die zugrundeliegenden Menschenrechts- und Umweltprobleme in der Produktion, so die Autorin des Gutachtens Christine Wieck.  

    WBAE fordert Monitoring und Wirkungsüberprüfung

    Um zu sehen, ob die Gesetze ihre anvisierten Ziele erreichen, ob es zu negativen Auswirkungen oder zu Umsetzungsproblemen kommt, sei es zudem wichtig, dass sowohl ein begleitendes Monitoring aufgebaut, als auch eine Wirkungsüberprüfung eingeplant werde, so Wieck weiter. Beides ist im LkSG bislang nicht explizit vorgesehen. Beim Monitoring und bei der Wirkungsprüfung der Gesetze gelte es zudem, eine Zusammenarbeit mit den Handelspartnern anzustreben. “Von dem Erfahrungswissen der Akteure vor Ort können diese Prozesse nur profitieren”, ist sich Wieck sicher.

    Mit Blick auf die Verhandlungen zur CSDDD mahnt Achim Spiller schon jetzt: “Die größte Lücke entsteht dann, wenn am Schluss nur die EU solche Sorgfaltspflichten einführen würde. Dann käme es nämlich zu Marktspaltungen.” Das heißt: Die “gute” Ware gehe in die EU, die “schlechte mit Kinderarbeit” in andere Regionen der Welt, prognostiziert Spiller. Es sei also zentral, dass sich die EU um die Verbreitung des Ansatzes in möglichst vielen wichtigen Handelsregionen dieser Welt bemühe.

    EU-Lieferkettengesetz weitgehender als deutsche Gesetzgebung

    Zur Erinnerung: Das deutsche Lieferkettengesetz, das seit Jahresbeginn 2023 für Unternehmen ab 3.000 Mitarbeitenden gilt, verpflichtet Firmen dazu, ihre eigenen Arbeitsprozesse und Lieferketten auf Verstöße gegen Menschenrechte sowie auf Umwelt- und Arbeitsschutz zu durchleuchten. Zudem sind die Unternehmen angehalten, Maßnahmen zu definieren, um diese Risiken einzudämmen. Ab 2024 gilt das Regelwerk bereits für Unternehmen ab 1.000 Mitarbeitenden.

    Das EU-Lieferkettengesetz sieht nach den Plänen der Kommission vor, dass in der EU ansässige Unternehmen mit mindestens 500 Mitarbeitenden und einem Nettojahresumsatz ab 150 Millionen Euro die Bestimmungen umsetzen müssen. Bestimmte Risikosektoren, zu denen auch die Agrarwirtschaft sowie Produzenten und Händler von Lebensmitteln zählen, sollen demnach schon ab 250 Mitarbeitenden und 40 Millionen Euro Umsatz unter den Geltungsbereich des Gesetzes fallen. Noch sind die Trilogverhandlungen zur CSDDD nicht abgeschlossen. Aller Voraussicht nach werden die Regelungen der CSDDD aber weit über die des LkSG hinausgehen.

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    Textilunternehmen reagieren auf Arbeitsrechtsverletzungen in Pakistan

    Vier gewerkschaftliche und zivilgesellschaftliche Organisationen haben in einer Studie schwere Arbeitsrechtsverletzungen bei Zulieferern internationaler Modeunternehmen festgestellt, die deutschen NGO ECCHR und FEMNET sowie der Gewerkschaftsdachverband National Trade Union Federation und die Home-Based Women Workers Federation aus Pakistan. Befragt wurden seit April 2023 insgesamt 357 Beschäftigte, die für internationale Marken produzieren. Die Ergebnisse zeigen gravierende Arbeitsrechtsverletzungen auf.

    • 97 Prozent der Befragten haben demnach keine schriftlichen Arbeitsverträge.
    • 80 Prozent erhalten keine Lohnabrechnungen, sodass es schwierig ist, ihren Verdienst nachzuvollziehen.
    • 28 Prozent erhalten keinen gesetzlichen Mindestlohn.
    • Von den Arbeitenden mit gesetzlichem Mindestlohn werden viele nur unzureichend für Überstunden entlohnt, bekommen keinen oder zu wenig Urlaub oder ihnen wird ein höherer Lohn verwehrt, obwohl sie aufgrund ihrer Tätigkeit darauf eigentlich Anspruch hätten.
    • 64 Prozent sind nicht sozialversichert und nur 15 Prozent haben eine Rentenversicherung.
    • 73 Prozent der Befragten berichteten über das Fehlen aktiver Gewerkschaften.

    Die Bekleidungsindustrie ist der zweitgrößte industrielle Arbeitgeber in Pakistan und beschäftigt rund 15 Millionen Menschen, etwa 38 Prozent der Arbeitskräfte im verarbeitenden Gewerbe. Der Mindestlohn variiert je nach Region, liege aber in allen Fällen “weit unter dem geschätzten existenzsichernden Lohn”, heißt es in der Studie. Die schlechten Arbeitsbedingungen in dem Land sind bekannt. Im Globalen Rechtsindex des Internationalen Gewerkschaftsbundes wird das Land hinsichtlich der Achtung der Menschenrechte auf einer fünfstufigen Skala in der schlechtesten Kategorie eingestuft. Die Bedingungen haben sich seit Jahren nicht verbessert. Nach dem deutschen Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (§2 Abs. 2Nr. 8 LkSG) müssen Unternehmen das Recht auf einen angemessenen Lohn schützen.

    Einige Unternehmen reagieren auf die Aufdeckung der Missstände. Diese würden “sich ernsthaft bemühen, Arbeitsrechtsverletzungen zu untersuchen und wirksame Maßnahmen zu ergreifen, um diese abzustellen“, sagt Miriam Saage-Maaß, Legal Director der Menschenrechtsorganisation ECCHR. “Das war in der Vergangenheit oftmals nicht der Fall und zeigt, dass das LkSG bereits jetzt positiv wirkt.” Bei Unternehmen, die nicht reagierten, behalte man sich vor, Beschwerde bei der zuständigen Kontrollbehörde BAFA einzulegen, sagt Sina Marx, Referentin bei Femnet und Mitautorin der Studie.

    Einfluss ausüben können die einkaufenden Unternehmen, indem sie die Zahlung höherer Preise an höhere Löhne knüpfen. Das funktioniert allerdings in der Praxis meist nur, wenn ein Unternehmen eine Fertigungsfirma zu großen Teilen auslastet oder sich mehrere beauftragende Firmen zusammentun, was schwierig ist. Zudem hatten viele Unternehmen in der Pandemie die Einkaufspreise deutlich gedrückt. Fachleute gehen davon aus, dass der Schlüssel für eine nachhaltige Verbesserung der Situation eine Stärkung unabhängiger Gewerkschaften wäre, was in Ländern wie Pakistan aber schwierig ist. cd

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