der Textildiscounter KiK gilt unter Fachleuten schon länger als ambitioniert, wenn es um die Verbesserung seiner textilen Lieferketten hinsichtlich von Menschen- und Arbeitsschutzrechten geht. Auch NGO und Gewerkschaften attestieren dem Unternehmen, dass es seit den schweren Fabrikunglücken in den 2010er Jahren in Asien dazu gelernt hat. KiK bezog sowohl Waren aus dem Fabrikgebäude Rana Plaza in Bangladesch, bei dessen Einsturz mehr als 1130 Menschen starben, als auch aus der Fabrik Ali Enterprises in Pakistan. Bei deren Brand starben 258 Menschen.
Große Hoffnungen hegen Fachleute deswegen auch in Bezug auf das Abkommen, dass KiK mit Zulieferern in Pakistan geschlossen hat, um die Situation der Beschäftigten zu verbessern. Genau schauen auch seine Konkurrenten hin. KiK selbst spricht von einem historischen Projekt.
Nun kritisieren die Partner – die NGOs FEMNET und ECCHR sowie der pakistanische Gewerkschaftsdachverband NTUF die Umsetzung des Abkommens in Pakistan und wollen sich aus dem Projekt verabschieden. Mit dem Sachverhalt beschäftige ich mich in einer Analyse – außerdem habe ich KiK sechs Fragen gestellt.
Soziale Innovationen könnten zur Lösung gesellschaftlicher Probleme beitragen, den öffentlichen Haushalt entlasten und zur Erreichung der globalen Nachhaltigkeitsziele beitragen – deshalb sollte der Staat sie gezielter als bisher fördern und das Thema zur Chefsache im Kanzleramt erklären. Das ist die Forderung eines neuen Papiers des Internationalen Beirats für Soziale Innovationen des BMBF, das Table.Briefings vorab vorliegt. Marc Winkelmann berichtet.
Empfehlen möchte ich Ihnen den bereits im vergangenen ESG.Briefing angekündigten Podcast mit Alexander Birken, dem Vorstandschef der Otto Group. Seine Plattform Otto.de will sich unter anderem durch eine Ausrichtung auf Nachhaltigkeit von der Konkurrenz absetzen. Die Transformation soll nicht nur ein Schlagwort bleiben, sondern die wirtschaftliche Zukunft sichern. Kann das allerdings auch gegen die chinesischen Billiganbieter Temu und Shein gelingen? Und wie wird Künstliche Intelligenz die Otto Group verändern?
Das Vorhaben des Textildiscounters KiK zur Schaffung besserer Arbeitsbedingungen bei seinen pakistanischen Zulieferern steht in der Kritik. Nach Ansicht von drei Kooperationspartnern funktioniert die Umsetzung in der Praxis nicht. Es sei “keine Verbesserung der Arbeits- und Gewerkschaftsrechte in Sicht”, heißt es bei den NGOs FEMNET und ECCHR sowie dem Nationalen Gewerkschaftsdachverband Pakistans (NTUF). Die drei Organisationen wollen deswegen die Kooperation beenden.
Auslöser ist die Situation bei einem Zulieferer. Er hatte im Februar ein Abkommen mit dem NTUF geschlossen. Die Firma erlaubte der Gewerkschaft damit während der Arbeitszeit Zugang zu den Beschäftigten, was normalerweise im Land verboten ist. Beide Seiten wollten zudem ein Gremium gründen, um die Vereinbarung umzusetzen und Konflikte zu schlichten. Das Abkommen ging über das pakistanische Arbeitsrecht hinaus.
Leider sei schnell deutlich geworden, “dass der Zulieferer nicht willens war, an einer Verbesserung der Situation für die Beschäftigten zu arbeiten”, kritisieren die Organisationen. Bereits kurz nach der Unterzeichnung der finalen Vereinbarung habe der Zulieferer versucht, “durch eine vorgetäuschte Wahl eine vermeintliche Arbeiter*innenvertretung in der Fabrik zu installieren”. Kurz darauf habe er über 140 Arbeiter entlassen und damit gegen arbeitsrechtliche Vorschriften verstoßen, heißt es. Darunter seien Beschäftigte gewesen, die sich über die vorgetäuschte Wahl beschwert hätten. Proteste seitens NTUF gegen das Vorgehen habe der Zulieferer “als ungebührliche Einmischung abgetan”. Wiederholte Versuche, KiK einzubeziehen, um ihre Zulieferer zur Einhaltung der Vereinbarung zu bewegen, seien gescheitert, erklären die Organisationen. Sie hatten den Prozess zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen bei KiK-Zuliefern ins Rollen gebracht.
2023 führten sie eine Umfrage bei Zulieferern von Textilunternehmen in Pakistan durch, darunter auch einem KiK-Zulieferer. Das Ergebnis: Fast kein Arbeiter erhielt einen existenzsichernden Mindestlohn, mehr als zwei Drittel keinen gesetzlichen Mindestlohn, die meisten hatten keine schriftlichen Arbeitsverträge, was ihnen de facto die gewerkschaftliche Organisation versperrt. Über die Arbeitsrechtsverstöße informierten die Organisationen die europäischen Auftraggeber der Textilfabriken. Namen nannten sie nicht.
KiK reagierte als einziges der angesprochenen Unternehmen und forderte im Oktober 2023 sogar ein Gewerkschaftsabkommen für Pakistan. Im März diesen Jahres schloss das Unternehmen dann ein Abkommen mit seinen Zuliefern in Pakistan. Ziel: Gewerkschaften den Zugang zu Zuliefern ermöglichen, faire Tarifverhandlungen und die Einhaltung des örtlichen Arbeitsrechts.
Nach Ansicht der drei Organisationen hätte KiK dem Abkommen selbst beitreten müssen, um etwas zu bewirken. “Ohne das Engagement des Einkäufers und seine Unterstützung, bleibt eine solche Vereinbarung bloß ein Lippenbekenntnis”, sagt Gisela Burckhardt von FEMNET. Als es zu Schwierigkeiten vor Ort gekommen sei, habe KiK “erneut auf unzuverlässige Sozialaudits” gesetzt, “statt im Geiste der Vereinbarung gemeinsam mit der Gewerkschaft und seinem Zulieferer im Dialog nach Lösungen zu suchen”. “KiK hat hier eine bedeutende Chance vertan”, sagt Annabell Brüggemann von ECCHR.
“Wir sind überrascht und enttäuscht, dass sich ECCHR, FEMNET und NTUF aus unserem gemeinsamen Projekt für verbesserte Sozialstandards in der pakistanischen Textilindustrie zurückziehen”, sagt KiK-CEO Patrick Zahn. KiK habe den Prozess “stets konstruktiv vorangetrieben” und mit unabhängigen Audits sichergestellt, dass eine belastbare gemeinsame Arbeitsgrundlage besteht”. Man habe immer deutlich gemacht: “Dieser historische Prozess ist kein Sprint, sondern ein Marathon”, sagt Zahn. KiK werde diesen Weg unbeirrt weitergehen, um die Arbeitsbedingungen in Pakistan zu verbessern.
Die Firma will sich neue Partner suchen, wäre aber auch bereit, die Zusammenarbeit mit den bisherigen Partnern fortzusetzen. Aktuell setzten fünf von 25 KiK-Lieferanten das Gewerkschaftsabkommen um, heißt es. Sie wählten dafür unter den lokalen Gewerkschaften konkret Partner, mit denen sie zusammenarbeiten. Ein neu geschaffenes Kontrollgremium solle sicherstellen, dass die Zusammenarbeit reibungslos funktioniert.
Unbestritten ist unter Fachleuten, dass eine Verbesserung der Situation der Beschäftigten maßgeblich davon abhängt, dass die Gewerkschaften einen besseren Zugang zu Betrieben erhalten. In Pakistan ist viel zu tun: Der Internationale Gewerkschaftsbund stuft das Land in seinem Rechtsindex für Arbeitnehmerrechte in einer sechsstufigen Skala in die zweitschlechteste Kategorie ein.
1. Was war die ursprüngliche Motivation von KIK?
“Ziel des Abkommens ist es, die pakistanischen Gewerkschaften – darunter den Gewerkschaftsdachverband NTUF – in die Lage zu versetzen, Arbeitnehmervertretungen zu gründen und die Bezahlung von Mindestlöhnen sowie die Einhaltung des örtlichen Arbeitsrechts sicherzustellen. Damit soll der Sozialdialog in Pakistan unterstützt werden. KiK hat als erstes deutsches Unternehmen ein solches Abkommen gefordert und ermöglicht.”
2. Hat KiK seinen Einfluss auf die Zulieferer in Pakistan überschätzt, was die Öffnung der Zuliefererbetriebe für die NTUF anbelangt?
“KiK hat sich in zahlreichen Gesprächen und Terminen vor Ort dafür eingesetzt, eine Öffnung der Zuliefererbetriebe zu erreichen. Alle KiK-Lieferanten in Pakistan haben sich dazu verpflichtet, mit Gewerkschaftspartnern zusammenzuarbeiten. Die NTUF war von den im Prozess beteiligten NGOs favorisiert worden – es ist aber nicht die einzige Gewerkschaft, mit denen die Zulieferer im Sinne des Abkommens kooperieren können.”
3. Welche Erfahrungen hat KIK selbst mit den beiden involvierten NGOS und der Gewerkschaft NTUF gemacht?
“Bisher war die Zusammenarbeit von KiK mit den beteiligten NGOs und der Gewerkschaft vom gemeinsamen Ziel getragen, echte Verbesserungen für die Arbeitsbedingungen in der pakistanischen Textilindustrie zu erreichen. Diesem Ziel fühlt sich KiK weiterhin verpflichtet und findet es umso bedauerlicher, dass sich ECCHR, FEMNET und NTUF aus dem Prozess zurückziehen wollen, zumal die Argumente dafür nicht überzeugen.
KiK sieht auch, dass die nötigen Kapazitäten von den Gewerkschaften vor Ort bisher nicht in dem Umfang geschaffen wurden, wie sie im Sinne des Abkommens notwendig wären. Aus unserer Sicht ist das eine vertane Chance der Gewerkschaften bzw. der NTUF. Für KiK steht aber fest, dass der begonnene Weg weiter gegangen wird und das Gewerkschaftsabkommen auch mit anderen Partnern erfolgreich umgesetzt werden kann.”
4. Stimmen die Vorwürfe hinsichtlich eines Zulieferers, in puncto einer vorgetäuschten Wahl einer vermeintlichen Arbeitnehmervertretung und die Entlassung von 140 Arbeitern, die sich über die vorgetäuschte Wahl beschwert hatten?
“Diesen Vorwürfen sind wir durch unabhängige Audits konsequent nachgegangen. Dabei wurde ermittelt, dass die Vorwürfe nicht zutreffend sind.”
5. Warum hat KiK selbst die Vereinbarung nicht unterzeichnet?
“Aus KiK-Perspektive ist es wichtig, dass zwischen den lokalen Akteuren eine verbindliche Vereinbarung besteht, wie Arbeitsbedingungen in den Fabriken verbessert werden können. Wir brauchen dafür Gewerkschaften vor Ort, die anerkannt sind und nicht von Dritten (weder Unternehmen noch NGOs) beeinflusst werden. Den Weg dahin und den weiteren Prozess begleitet KiK gemäß den Anforderungen des LkSG.”
6. Laut Femnet, ECCHR und NTUF wird KiK mit “seinem Vorgehen den Verpflichtungen nach dem LkSG nicht gerecht” – wie sehen Sie das?
“Diesen Vorwurf weisen wir entschieden zurück. KiK geht rechtskonform und im Einklang mit dem Lieferkettengesetz alle notwendigen Schritte. Grundsätzlich sollte jede und jeder die Möglichkeit nutzen, nach Erlangen des Wissens über angebliche Rechtsverletzungen unmittelbar das BAFA zu kontaktieren.”
Die Fragen stellte Caspar Dohmen
Soziale Innovationen können gesellschaftliche Probleme lösen, den öffentlichen Haushalt entlasten und zur Erreichung der globalen Nachhaltigkeitsziele beitragen – deshalb sollte der Staat sie gezielter als bisher fördern und das Thema zur Chefsache im Kanzleramt erklären. Das ist die Forderung eines neuen Papiers des Internationalen Beirats für Soziale Innovationen des BMBF, das Table.Briefings vorab vorliegt.
Die 18 Mitglieder, die im November berufen wurden, geben im Kern drei Ziele für das Jahr 2030 aus.
Das Papier verweist zum Teil auf Vorbilder in anderen Ländern, darunter Portugal, Frankreich, Spanien oder Finnland, die beispielhaft sind. Zudem sollte die Wirkungsmessung sozialer Leistungen ausgebaut und standardisiert werden, um die Vergleichbarkeit zu erleichtern.
Im vergangenen Herbst hatte die Bundesregierung erstmals eine Nationale Strategie für Soziale Innovationen und gemeinwohlorientierte Unternehmen vorgestellt. Darin erkannte sie an, dass es nicht nur technologische Innovationen gibt, sondern diese auch vom sozialen und nachhaltigen Sektor geschaffen werden. Wie der gerade vorgelegte “Deutsche Social Entrepreneurship Monitor 2024” zeigt, haben Sozialunternehmer aber nach wie vor kaum Zugang zu privatem Kapital, um ihre Start-ups zu finanzieren. maw
der Textildiscounter KiK gilt unter Fachleuten schon länger als ambitioniert, wenn es um die Verbesserung seiner textilen Lieferketten hinsichtlich von Menschen- und Arbeitsschutzrechten geht. Auch NGO und Gewerkschaften attestieren dem Unternehmen, dass es seit den schweren Fabrikunglücken in den 2010er Jahren in Asien dazu gelernt hat. KiK bezog sowohl Waren aus dem Fabrikgebäude Rana Plaza in Bangladesch, bei dessen Einsturz mehr als 1130 Menschen starben, als auch aus der Fabrik Ali Enterprises in Pakistan. Bei deren Brand starben 258 Menschen.
Große Hoffnungen hegen Fachleute deswegen auch in Bezug auf das Abkommen, dass KiK mit Zulieferern in Pakistan geschlossen hat, um die Situation der Beschäftigten zu verbessern. Genau schauen auch seine Konkurrenten hin. KiK selbst spricht von einem historischen Projekt.
Nun kritisieren die Partner – die NGOs FEMNET und ECCHR sowie der pakistanische Gewerkschaftsdachverband NTUF die Umsetzung des Abkommens in Pakistan und wollen sich aus dem Projekt verabschieden. Mit dem Sachverhalt beschäftige ich mich in einer Analyse – außerdem habe ich KiK sechs Fragen gestellt.
Soziale Innovationen könnten zur Lösung gesellschaftlicher Probleme beitragen, den öffentlichen Haushalt entlasten und zur Erreichung der globalen Nachhaltigkeitsziele beitragen – deshalb sollte der Staat sie gezielter als bisher fördern und das Thema zur Chefsache im Kanzleramt erklären. Das ist die Forderung eines neuen Papiers des Internationalen Beirats für Soziale Innovationen des BMBF, das Table.Briefings vorab vorliegt. Marc Winkelmann berichtet.
Empfehlen möchte ich Ihnen den bereits im vergangenen ESG.Briefing angekündigten Podcast mit Alexander Birken, dem Vorstandschef der Otto Group. Seine Plattform Otto.de will sich unter anderem durch eine Ausrichtung auf Nachhaltigkeit von der Konkurrenz absetzen. Die Transformation soll nicht nur ein Schlagwort bleiben, sondern die wirtschaftliche Zukunft sichern. Kann das allerdings auch gegen die chinesischen Billiganbieter Temu und Shein gelingen? Und wie wird Künstliche Intelligenz die Otto Group verändern?
Das Vorhaben des Textildiscounters KiK zur Schaffung besserer Arbeitsbedingungen bei seinen pakistanischen Zulieferern steht in der Kritik. Nach Ansicht von drei Kooperationspartnern funktioniert die Umsetzung in der Praxis nicht. Es sei “keine Verbesserung der Arbeits- und Gewerkschaftsrechte in Sicht”, heißt es bei den NGOs FEMNET und ECCHR sowie dem Nationalen Gewerkschaftsdachverband Pakistans (NTUF). Die drei Organisationen wollen deswegen die Kooperation beenden.
Auslöser ist die Situation bei einem Zulieferer. Er hatte im Februar ein Abkommen mit dem NTUF geschlossen. Die Firma erlaubte der Gewerkschaft damit während der Arbeitszeit Zugang zu den Beschäftigten, was normalerweise im Land verboten ist. Beide Seiten wollten zudem ein Gremium gründen, um die Vereinbarung umzusetzen und Konflikte zu schlichten. Das Abkommen ging über das pakistanische Arbeitsrecht hinaus.
Leider sei schnell deutlich geworden, “dass der Zulieferer nicht willens war, an einer Verbesserung der Situation für die Beschäftigten zu arbeiten”, kritisieren die Organisationen. Bereits kurz nach der Unterzeichnung der finalen Vereinbarung habe der Zulieferer versucht, “durch eine vorgetäuschte Wahl eine vermeintliche Arbeiter*innenvertretung in der Fabrik zu installieren”. Kurz darauf habe er über 140 Arbeiter entlassen und damit gegen arbeitsrechtliche Vorschriften verstoßen, heißt es. Darunter seien Beschäftigte gewesen, die sich über die vorgetäuschte Wahl beschwert hätten. Proteste seitens NTUF gegen das Vorgehen habe der Zulieferer “als ungebührliche Einmischung abgetan”. Wiederholte Versuche, KiK einzubeziehen, um ihre Zulieferer zur Einhaltung der Vereinbarung zu bewegen, seien gescheitert, erklären die Organisationen. Sie hatten den Prozess zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen bei KiK-Zuliefern ins Rollen gebracht.
2023 führten sie eine Umfrage bei Zulieferern von Textilunternehmen in Pakistan durch, darunter auch einem KiK-Zulieferer. Das Ergebnis: Fast kein Arbeiter erhielt einen existenzsichernden Mindestlohn, mehr als zwei Drittel keinen gesetzlichen Mindestlohn, die meisten hatten keine schriftlichen Arbeitsverträge, was ihnen de facto die gewerkschaftliche Organisation versperrt. Über die Arbeitsrechtsverstöße informierten die Organisationen die europäischen Auftraggeber der Textilfabriken. Namen nannten sie nicht.
KiK reagierte als einziges der angesprochenen Unternehmen und forderte im Oktober 2023 sogar ein Gewerkschaftsabkommen für Pakistan. Im März diesen Jahres schloss das Unternehmen dann ein Abkommen mit seinen Zuliefern in Pakistan. Ziel: Gewerkschaften den Zugang zu Zuliefern ermöglichen, faire Tarifverhandlungen und die Einhaltung des örtlichen Arbeitsrechts.
Nach Ansicht der drei Organisationen hätte KiK dem Abkommen selbst beitreten müssen, um etwas zu bewirken. “Ohne das Engagement des Einkäufers und seine Unterstützung, bleibt eine solche Vereinbarung bloß ein Lippenbekenntnis”, sagt Gisela Burckhardt von FEMNET. Als es zu Schwierigkeiten vor Ort gekommen sei, habe KiK “erneut auf unzuverlässige Sozialaudits” gesetzt, “statt im Geiste der Vereinbarung gemeinsam mit der Gewerkschaft und seinem Zulieferer im Dialog nach Lösungen zu suchen”. “KiK hat hier eine bedeutende Chance vertan”, sagt Annabell Brüggemann von ECCHR.
“Wir sind überrascht und enttäuscht, dass sich ECCHR, FEMNET und NTUF aus unserem gemeinsamen Projekt für verbesserte Sozialstandards in der pakistanischen Textilindustrie zurückziehen”, sagt KiK-CEO Patrick Zahn. KiK habe den Prozess “stets konstruktiv vorangetrieben” und mit unabhängigen Audits sichergestellt, dass eine belastbare gemeinsame Arbeitsgrundlage besteht”. Man habe immer deutlich gemacht: “Dieser historische Prozess ist kein Sprint, sondern ein Marathon”, sagt Zahn. KiK werde diesen Weg unbeirrt weitergehen, um die Arbeitsbedingungen in Pakistan zu verbessern.
Die Firma will sich neue Partner suchen, wäre aber auch bereit, die Zusammenarbeit mit den bisherigen Partnern fortzusetzen. Aktuell setzten fünf von 25 KiK-Lieferanten das Gewerkschaftsabkommen um, heißt es. Sie wählten dafür unter den lokalen Gewerkschaften konkret Partner, mit denen sie zusammenarbeiten. Ein neu geschaffenes Kontrollgremium solle sicherstellen, dass die Zusammenarbeit reibungslos funktioniert.
Unbestritten ist unter Fachleuten, dass eine Verbesserung der Situation der Beschäftigten maßgeblich davon abhängt, dass die Gewerkschaften einen besseren Zugang zu Betrieben erhalten. In Pakistan ist viel zu tun: Der Internationale Gewerkschaftsbund stuft das Land in seinem Rechtsindex für Arbeitnehmerrechte in einer sechsstufigen Skala in die zweitschlechteste Kategorie ein.
1. Was war die ursprüngliche Motivation von KIK?
“Ziel des Abkommens ist es, die pakistanischen Gewerkschaften – darunter den Gewerkschaftsdachverband NTUF – in die Lage zu versetzen, Arbeitnehmervertretungen zu gründen und die Bezahlung von Mindestlöhnen sowie die Einhaltung des örtlichen Arbeitsrechts sicherzustellen. Damit soll der Sozialdialog in Pakistan unterstützt werden. KiK hat als erstes deutsches Unternehmen ein solches Abkommen gefordert und ermöglicht.”
2. Hat KiK seinen Einfluss auf die Zulieferer in Pakistan überschätzt, was die Öffnung der Zuliefererbetriebe für die NTUF anbelangt?
“KiK hat sich in zahlreichen Gesprächen und Terminen vor Ort dafür eingesetzt, eine Öffnung der Zuliefererbetriebe zu erreichen. Alle KiK-Lieferanten in Pakistan haben sich dazu verpflichtet, mit Gewerkschaftspartnern zusammenzuarbeiten. Die NTUF war von den im Prozess beteiligten NGOs favorisiert worden – es ist aber nicht die einzige Gewerkschaft, mit denen die Zulieferer im Sinne des Abkommens kooperieren können.”
3. Welche Erfahrungen hat KIK selbst mit den beiden involvierten NGOS und der Gewerkschaft NTUF gemacht?
“Bisher war die Zusammenarbeit von KiK mit den beteiligten NGOs und der Gewerkschaft vom gemeinsamen Ziel getragen, echte Verbesserungen für die Arbeitsbedingungen in der pakistanischen Textilindustrie zu erreichen. Diesem Ziel fühlt sich KiK weiterhin verpflichtet und findet es umso bedauerlicher, dass sich ECCHR, FEMNET und NTUF aus dem Prozess zurückziehen wollen, zumal die Argumente dafür nicht überzeugen.
KiK sieht auch, dass die nötigen Kapazitäten von den Gewerkschaften vor Ort bisher nicht in dem Umfang geschaffen wurden, wie sie im Sinne des Abkommens notwendig wären. Aus unserer Sicht ist das eine vertane Chance der Gewerkschaften bzw. der NTUF. Für KiK steht aber fest, dass der begonnene Weg weiter gegangen wird und das Gewerkschaftsabkommen auch mit anderen Partnern erfolgreich umgesetzt werden kann.”
4. Stimmen die Vorwürfe hinsichtlich eines Zulieferers, in puncto einer vorgetäuschten Wahl einer vermeintlichen Arbeitnehmervertretung und die Entlassung von 140 Arbeitern, die sich über die vorgetäuschte Wahl beschwert hatten?
“Diesen Vorwürfen sind wir durch unabhängige Audits konsequent nachgegangen. Dabei wurde ermittelt, dass die Vorwürfe nicht zutreffend sind.”
5. Warum hat KiK selbst die Vereinbarung nicht unterzeichnet?
“Aus KiK-Perspektive ist es wichtig, dass zwischen den lokalen Akteuren eine verbindliche Vereinbarung besteht, wie Arbeitsbedingungen in den Fabriken verbessert werden können. Wir brauchen dafür Gewerkschaften vor Ort, die anerkannt sind und nicht von Dritten (weder Unternehmen noch NGOs) beeinflusst werden. Den Weg dahin und den weiteren Prozess begleitet KiK gemäß den Anforderungen des LkSG.”
6. Laut Femnet, ECCHR und NTUF wird KiK mit “seinem Vorgehen den Verpflichtungen nach dem LkSG nicht gerecht” – wie sehen Sie das?
“Diesen Vorwurf weisen wir entschieden zurück. KiK geht rechtskonform und im Einklang mit dem Lieferkettengesetz alle notwendigen Schritte. Grundsätzlich sollte jede und jeder die Möglichkeit nutzen, nach Erlangen des Wissens über angebliche Rechtsverletzungen unmittelbar das BAFA zu kontaktieren.”
Die Fragen stellte Caspar Dohmen
Soziale Innovationen können gesellschaftliche Probleme lösen, den öffentlichen Haushalt entlasten und zur Erreichung der globalen Nachhaltigkeitsziele beitragen – deshalb sollte der Staat sie gezielter als bisher fördern und das Thema zur Chefsache im Kanzleramt erklären. Das ist die Forderung eines neuen Papiers des Internationalen Beirats für Soziale Innovationen des BMBF, das Table.Briefings vorab vorliegt.
Die 18 Mitglieder, die im November berufen wurden, geben im Kern drei Ziele für das Jahr 2030 aus.
Das Papier verweist zum Teil auf Vorbilder in anderen Ländern, darunter Portugal, Frankreich, Spanien oder Finnland, die beispielhaft sind. Zudem sollte die Wirkungsmessung sozialer Leistungen ausgebaut und standardisiert werden, um die Vergleichbarkeit zu erleichtern.
Im vergangenen Herbst hatte die Bundesregierung erstmals eine Nationale Strategie für Soziale Innovationen und gemeinwohlorientierte Unternehmen vorgestellt. Darin erkannte sie an, dass es nicht nur technologische Innovationen gibt, sondern diese auch vom sozialen und nachhaltigen Sektor geschaffen werden. Wie der gerade vorgelegte “Deutsche Social Entrepreneurship Monitor 2024” zeigt, haben Sozialunternehmer aber nach wie vor kaum Zugang zu privatem Kapital, um ihre Start-ups zu finanzieren. maw