Table.Briefing: ESG

+++ Table.Alert: ESG-Investoren setzen Volkswagen unter Druck +++

Table.Alert: ESG-Investoren setzen Volkswagen unter Druck

Liebe Leserin, lieber Leser,

China ist für Volkswagen von großer Bedeutung. Kein Markt weltweit verspricht mehr Umsätze als dieser. Deshalb hält der Autohersteller an seinem Werk in der Provinz Xinjiang fest – trotz zahlreicher Vorwürfe, dass Chinas Führung die dort lebenden Uiguren verfolgt und in Lagern umerzieht.

Jetzt aber befassen sich auch immer mehr Investoren mit dem Thema. Nachdem Deka Investments im März erklärte, den Konzern aus seinen Nachhaltigkeitsfonds zu nehmen, denken weitere Anleger wie Union Investment über Konsequenzen nach. Sie befürchten, dass der Konzern von Menschenrechtsverletzungen in seiner Lieferkette profitieren könnte. Lesen Sie dazu die Analyse von Marcel Grzanna

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Ihr,
Marc Winkelmann

Analyse

Xinjiang wird zur Belastungsprobe für deutsche Autobauer

Chinas Menschenrechtsverbrechen in Xinjiang werden für die Auto-Industrie zur Belastungsprobe. Anfang Mai müssen die Vorstände von Volkswagen, BMW und Mercedes-Benz ihren Aktionären bei den Hauptversammlungen Rede und Antwort stehen. Vor allem bei Volkswagen wird am 10. Mai in Berlin das Thema Lieferketten und Zwangsarbeit prominent zur Sprache kommen.

Unter anderem wird der Dachverband Kritische Aktionäre seine Redezeit dem Weltkongress der Uiguren (WUC) zur Verfügung stellen. Dessen Vertreter in der Hauptstadt, Haiyuer Kuerban, will die wenigen Minuten dazu nutzen, um vor den versammelten Teilhabern die dramatische Situation der muslimischen Minderheit und die hohe Wahrscheinlichkeit von Zwangsarbeit in VW-Lieferketten aufzuzeigen.

“VW nicht mehr investierbar”

Noch unangenehmer für Konzernchef Oliver Blume könnten mögliche Fragen von Fondsgesellschaften werden. Nachdem bereits die Deka kürzlich VW-Wertpapiere aus ihren Nachhaltigkeitsfonds geschmissen hatte, weil sie unter dieser Kennung “nicht mehr investierbar” seien, nehmen auch andere Investoren die Einstufung der Aktien oder Anleihen des Herstellers genau unter die Lupe.

Bei Union Investment wird die Vermarktung von Volkswagen-Titeln im Nachhaltigkeitsbereich dem Vernehmen nach zunehmend kritisch hinterfragt. Die Fondsgesellschaft der DZ Bank, an der auch die Volks- und Raiffeisenbanken Anteile halten, will sich vor der Hauptversammlung zum Thema China zwar nicht öffentlich äußern, hat aber eine mündliche Stellungnahme für den 10. Mai angekündigt.

“Seitens der Deka war das ein radikaler Schritt, der eine gewisse Nervosität bei Fondsanbietern widerspiegelt. Man möchte seine Nachhaltigkeits-Fonds nicht mit Titeln belasten, die in der Öffentlichkeit Fragen aufwerfen”, sagt der Finanzprofessor Henry Schäfer, der mit seinem Beratungsunternehmen EccoWorks nachhaltige Anlagestrategien entwickelt und begleitet. Einen Dominoeffekt, der auch andere Investoren zum Rauswurf der VW-Papiere aus den Nachhaltigkeitsklassen bewegt, könne er nicht ausschließen.

Red Flag von US-Ratingagentur

Zurzeit ist Union Investment über elf Nachhaltigkeitsfonds in Volkswagen investiert. Ohnehin erfüllt kein einziger davon laut EU-Offenlegungsverordnung die Kriterien für die höchsten Nachhaltigkeitsklassen. Doch auch die Latte für die Fonds mit den geringsten Anforderungen scheint Volkswagen wegen des Verdachts auf Zwangsarbeit in den Lieferketten zu reißen. Die US-Ratingagentur MSCI hatte VW-Aktien im Herbst vergangenen Jahres mit einer Red Flag im Bereich Soziales versehen und damit eine unverzügliche Warnung an alle Investoren veröffentlicht.

Wie groß das Risiko für die Hersteller tatsächlich ist, förderte Ende vergangenen Jahres eine Studie der Sheffield Hallam University zutage. Die Untersuchung lokalisierte konkrete Gefahrenherde in den Lieferketten und verengte den Spielraum der Konzerne, sich mit unscharfen Erklärungen oder dem Verweis auf das Wettbewerbsrecht aus der Verantwortung zu ziehen. Insider gehen davon aus, dass die Hersteller in der Öffentlichkeit gerne ihre Sorgfalt betonen, während sie in Wahrheit kein gesteigertes Interesse haben zu erfahren, was tatsächlich in ihren Lieferketten passiert.

Redezeit für Uiguren-Vertreter

“Unsere Empfehlung an die Versammlung ist: Entlastet den Vorstand nicht”, sagt Tilman Massa von den Kritischen Aktionären, die seit den 1980er-Jahren mit den gesammelten Stimmrechten von mehr als 1.000 Kleinaktionären den Vorständen gegenüber unternehmenskritische Positionen vertreten. “Volkswagen stellt nicht glaubhaft dar, dass es präventiv bei seinen Zulieferern tätig ist, um jeden Verdacht möglicher Zwangsarbeit abzuwenden”, sagt Massa.

Der Dachverband nutzt nicht nur die Hauptversammlungen für seine Anliegen, sondern sucht in langfristiger Kampagnenarbeit das Gespräch mit den Unternehmen oder kooperiert mit NGOs aus den Bereichen Umweltschutz oder Menschenrechte. Volkswagen soll gezwungen werden, sich immer wieder mit dem Thema Zwangsarbeit auseinanderzusetzen. Um seinen Interessen Nachdruck zu verleihen, hat der Verband nun entschieden, seine Redezeit an den WUC abzutreten.

Dass auch Union Investment öffentlich Stellung beziehen wird, halten die Kritischen Aktionäre bereits für eine hohe Eskalationsstufe, gerade weil institutionelle Investoren einen anderen Zugang zum Unternehmen hätten und wesentlich subtilere Mittel anwenden könnten. “Diese Öffentlichkeit schafft erhebliche Aufmerksamkeit für das Problem und könnte auch das Land Niedersachsen als einen der Ankerinvestoren zu deutlich kritischeren Nachfragen bewegen”, glaubt Massa.

  • Lieferketten
  • Menschenrechte
  • Weltkongress der Uiguren

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ESG.Table Redaktion

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    China ist für Volkswagen von großer Bedeutung. Kein Markt weltweit verspricht mehr Umsätze als dieser. Deshalb hält der Autohersteller an seinem Werk in der Provinz Xinjiang fest – trotz zahlreicher Vorwürfe, dass Chinas Führung die dort lebenden Uiguren verfolgt und in Lagern umerzieht.

    Jetzt aber befassen sich auch immer mehr Investoren mit dem Thema. Nachdem Deka Investments im März erklärte, den Konzern aus seinen Nachhaltigkeitsfonds zu nehmen, denken weitere Anleger wie Union Investment über Konsequenzen nach. Sie befürchten, dass der Konzern von Menschenrechtsverletzungen in seiner Lieferkette profitieren könnte. Lesen Sie dazu die Analyse von Marcel Grzanna

    Sollte Ihnen der ESG.Table gefallen, leiten Sie uns bitte weiter. Wenn Ihnen diese Mail zugeschickt wurde: Hier können Sie das Briefing, das regulär immer mittwochs erscheint, kostenlos testen.

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    Marc Winkelmann

    Analyse

    Xinjiang wird zur Belastungsprobe für deutsche Autobauer

    Chinas Menschenrechtsverbrechen in Xinjiang werden für die Auto-Industrie zur Belastungsprobe. Anfang Mai müssen die Vorstände von Volkswagen, BMW und Mercedes-Benz ihren Aktionären bei den Hauptversammlungen Rede und Antwort stehen. Vor allem bei Volkswagen wird am 10. Mai in Berlin das Thema Lieferketten und Zwangsarbeit prominent zur Sprache kommen.

    Unter anderem wird der Dachverband Kritische Aktionäre seine Redezeit dem Weltkongress der Uiguren (WUC) zur Verfügung stellen. Dessen Vertreter in der Hauptstadt, Haiyuer Kuerban, will die wenigen Minuten dazu nutzen, um vor den versammelten Teilhabern die dramatische Situation der muslimischen Minderheit und die hohe Wahrscheinlichkeit von Zwangsarbeit in VW-Lieferketten aufzuzeigen.

    “VW nicht mehr investierbar”

    Noch unangenehmer für Konzernchef Oliver Blume könnten mögliche Fragen von Fondsgesellschaften werden. Nachdem bereits die Deka kürzlich VW-Wertpapiere aus ihren Nachhaltigkeitsfonds geschmissen hatte, weil sie unter dieser Kennung “nicht mehr investierbar” seien, nehmen auch andere Investoren die Einstufung der Aktien oder Anleihen des Herstellers genau unter die Lupe.

    Bei Union Investment wird die Vermarktung von Volkswagen-Titeln im Nachhaltigkeitsbereich dem Vernehmen nach zunehmend kritisch hinterfragt. Die Fondsgesellschaft der DZ Bank, an der auch die Volks- und Raiffeisenbanken Anteile halten, will sich vor der Hauptversammlung zum Thema China zwar nicht öffentlich äußern, hat aber eine mündliche Stellungnahme für den 10. Mai angekündigt.

    “Seitens der Deka war das ein radikaler Schritt, der eine gewisse Nervosität bei Fondsanbietern widerspiegelt. Man möchte seine Nachhaltigkeits-Fonds nicht mit Titeln belasten, die in der Öffentlichkeit Fragen aufwerfen”, sagt der Finanzprofessor Henry Schäfer, der mit seinem Beratungsunternehmen EccoWorks nachhaltige Anlagestrategien entwickelt und begleitet. Einen Dominoeffekt, der auch andere Investoren zum Rauswurf der VW-Papiere aus den Nachhaltigkeitsklassen bewegt, könne er nicht ausschließen.

    Red Flag von US-Ratingagentur

    Zurzeit ist Union Investment über elf Nachhaltigkeitsfonds in Volkswagen investiert. Ohnehin erfüllt kein einziger davon laut EU-Offenlegungsverordnung die Kriterien für die höchsten Nachhaltigkeitsklassen. Doch auch die Latte für die Fonds mit den geringsten Anforderungen scheint Volkswagen wegen des Verdachts auf Zwangsarbeit in den Lieferketten zu reißen. Die US-Ratingagentur MSCI hatte VW-Aktien im Herbst vergangenen Jahres mit einer Red Flag im Bereich Soziales versehen und damit eine unverzügliche Warnung an alle Investoren veröffentlicht.

    Wie groß das Risiko für die Hersteller tatsächlich ist, förderte Ende vergangenen Jahres eine Studie der Sheffield Hallam University zutage. Die Untersuchung lokalisierte konkrete Gefahrenherde in den Lieferketten und verengte den Spielraum der Konzerne, sich mit unscharfen Erklärungen oder dem Verweis auf das Wettbewerbsrecht aus der Verantwortung zu ziehen. Insider gehen davon aus, dass die Hersteller in der Öffentlichkeit gerne ihre Sorgfalt betonen, während sie in Wahrheit kein gesteigertes Interesse haben zu erfahren, was tatsächlich in ihren Lieferketten passiert.

    Redezeit für Uiguren-Vertreter

    “Unsere Empfehlung an die Versammlung ist: Entlastet den Vorstand nicht”, sagt Tilman Massa von den Kritischen Aktionären, die seit den 1980er-Jahren mit den gesammelten Stimmrechten von mehr als 1.000 Kleinaktionären den Vorständen gegenüber unternehmenskritische Positionen vertreten. “Volkswagen stellt nicht glaubhaft dar, dass es präventiv bei seinen Zulieferern tätig ist, um jeden Verdacht möglicher Zwangsarbeit abzuwenden”, sagt Massa.

    Der Dachverband nutzt nicht nur die Hauptversammlungen für seine Anliegen, sondern sucht in langfristiger Kampagnenarbeit das Gespräch mit den Unternehmen oder kooperiert mit NGOs aus den Bereichen Umweltschutz oder Menschenrechte. Volkswagen soll gezwungen werden, sich immer wieder mit dem Thema Zwangsarbeit auseinanderzusetzen. Um seinen Interessen Nachdruck zu verleihen, hat der Verband nun entschieden, seine Redezeit an den WUC abzutreten.

    Dass auch Union Investment öffentlich Stellung beziehen wird, halten die Kritischen Aktionäre bereits für eine hohe Eskalationsstufe, gerade weil institutionelle Investoren einen anderen Zugang zum Unternehmen hätten und wesentlich subtilere Mittel anwenden könnten. “Diese Öffentlichkeit schafft erhebliche Aufmerksamkeit für das Problem und könnte auch das Land Niedersachsen als einen der Ankerinvestoren zu deutlich kritischeren Nachfragen bewegen”, glaubt Massa.

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    • Menschenrechte
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