+++ Table.Alert: CSDDD-Abstimmung erneut verschoben +++
Liebe Leserin, lieber Leser,
wenig spricht dafür, dass die EU die Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD) noch beschließen wird, nachdem heute der zweite Anlauf im Rat missglückt ist. Der belgischen Ratspräsidentschaft kann man das Scheitern nicht vorwerfen. Sie hat sich intensiv bemüht, eine Einigung herbeizuführen. Es ist eine Niederlage für Deutschland, für die EU, für verantwortungsvoll wirtschaftende Unternehmen, vor allem aber für die Menschen in den Lieferketten.
Deutschland hatte den Prozess für ein europäisches Lieferkettengesetz angestoßen und maßgeblich vorangetrieben. Damit hat die Bundesregierung auch die besondere Verantwortung angenommen, die Deutschland als einer der großen Gewinner der Globalisierung hat. Aber auf den letzten Metern gab die Bundesregierung die Unterstützung für die CSDDD auf – wegen des Widerstands der FDP.
Für die EU ist das eine Blamage. Oft sprechen ihre Vertreter über Menschenrechte und Werte sowie deren Bedeutung, wenn es etwa um Handelsabkommen mit anderen Regionen geht. Die CSDDD wäre ein Beweis dafür, dass die EU ihren Worten entlang der Wertschöpfungsketten auch Taten folgen lässt, zumindest mit Mindestanforderungen. Um mehr geht es schließlich nicht, denn Unternehmen sollen durch die CSDDD nur verpflichtet werden, sich mit menschenrechtlichen Risiken in ihren Lieferketten zu beschäftigen.
Verlierer sind auch all die Unternehmen, die bereits in sozial-ökologischere Lieferketten investieren – sie werden weiterhin Wettbewerbsnachteile gegenüber den Konkurrenten haben, die das nicht tun.
Hauptverlierer sind die mehr als zwei Milliarden Menschen, die in den globalen Wertschöpfungsketten arbeiten und viel zum Wohlstand in Europa beitragen.
Aber auch die Mehrheit der EU-Bürger, die ein Lieferkettengesetz befürwortet, verliert. Eine Tatsache, die Regierungen vieler EU-Mitgliedsländer bei ihrer Entscheidung nicht berücksichtigt haben.
Ihr Caspar Dohmen
Lieferkettengesetz
Analyse
CSDDD: Erneutes Scheitern der Abstimmung laut Berichterstatterin “ein Skandal”
Lara Wolters, Berichterstatterin für das Lieferkettengesetz im Parlament, fordert Klarheit vom Rat.
Im Ausschuss der Ständigen Vertreter (AStV) hat die Trilogeinigung über das EU-Lieferkettengesetz am heutigen Mittwoch keine qualifizierte Mehrheit erhalten. “Trotz der Bemühungen des Ratsvorsitzes wurde die notwendige Unterstützung nicht gefunden”, schrieb die belgische Ratspräsidentschaft auf X. “Wir müssen nun den Stand der Dinge prüfen und werden sehen, ob es möglich ist, die von den Mitgliedstaaten vorgebrachten Bedenken in Absprache mit dem Europäischen Parlament zu berücksichtigen“, heißt es weiter.
Viele Mitgliedstaaten hätten während der Aussprache im AStV I ihre Enthaltung angekündigt, erklärte ein Sprecher. Zu den Gründen gehörten Rechtsunsicherheit, der Verwaltungsaufwand sowie die Befürchtung, es könnten ungleiche Wettbewerbsbedingungen auf globaler Ebene entstehen. Die Ratspräsidentschaft sei jedoch der Meinung, “dass unter den Mitgliedstaaten ein klarer Wille besteht, Rechtsvorschriften zu diesem sehr wichtigen Thema zu erlassen.”
Viele Mitgliedstaaten haben sich noch nicht klar positioniert
Damit verschiebt sich die endgültige Abstimmung erneut, nachdem sie ursprünglich bereits am 9. Februar stattfinden sollte. Bereits vor drei Wochen hatte sich keine qualifizierte Mehrheit im Rat abgezeichnet. Die Ratspräsidentschaft hatte deshalb versucht, mit den Mitgliedstaaten nochmal “an dem Gesetz zu arbeiten”. Da die Enthaltung der deutschen Bundesregierung als sicher gilt, liegt der Fokus auf Italien und weiteren bevölkerungsstarken Mitgliedsländern.
Viele Delegationen haben sich indes immer noch nicht klar positioniert und eine Enthaltung angedeutet. Dies könne aber auch eine Strategie sein, um sich Verhandlungsspielraum zu bewahren, sagte ein EU-Diplomat zu Table.Media.
Die französische Delegation hatte in der heutigen Sitzung eine Begrenzung des Anwendungsbereichs als Kompromiss vorgeschlagen. So könnte die Schwelle auf 5.000 Beschäftigte angehoben werden, um zögernden Mitgliedstaaten entgegenzukommen. Dadurch würden erheblich weniger Unternehmen betroffen sein: Die von Rat, Parlament und Kommission verhandelte Einigung legt die Schwelle auf mehr als 500 Beschäftigte fest. Dabei handele es sich jedoch lediglich um einen von vielen Lösungsvorschlägen, um zu einer Einigung zu gelangen, erklärte ein französischer Sprecher. Er dementierte Medienberichte, laut denen Frankreich eine Einschränkung des Anwendungsbereichs “fordere”. Frankreich unterstütze das Gesetz.
Wolters: “Parlament als Mitgesetzgeber missachtet”
Lara Wolters (S&D), Berichterstatterin im EU-Parlament, bezeichnete die Entwicklung als besorgniserregend. “Der Text, der dem AStV vorlag, war das Ergebnis von mehr als zwei Jahren sorgsamer Verhandlungen“, erklärte sie bei einer kurzfristig anberaumten Pressekonferenz. “Dass die Mitgliedstaaten erneut daran gescheitert sind, dieser Vereinbarung zuzustimmen, ist für mich ein Skandal.” Viele Unternehmen bereiteten sich bereits auf das Gesetz vor.
Alle seien während des Verhandlungsprozesses aufmerksam angehört worden und hätten insbesondere in den späteren Phasen ihren Beitrag leisten können, sagte Wolters. “Zusagen nach der Einigung wieder zurückzunehmen oder weitere Forderungen zu stellen, zeugt von einer eklatanten Missachtung des Europäischen Parlaments als Mitgesetzgeber.”
Sie sieht diese Entwicklung als Teil eines breiteren Trends, der die bisherige Art der vertrauensvollen Zusammenarbeit untergrabe: “Wenn wir uns per Handschlag auf eine politische Einigung geeinigt hatten, war der Rest nur noch eine Formalität”, sagte sie. “In den letzten Monaten ist dies eindeutig nicht mehr der Fall.” Damit spielte sie auf ähnliche Blockaden im Rat an, die zuletzt zum Beispiel die Richtlinie zur Plattformarbeit betrafen.
“Situation im Rat chaotisch”
Die Situation im Rat bezeichnete sie als chaotisch und forderte Klarheit. Bislang habe das Parlament keine konkreten Änderungsvorschläge erhalten. Stattdessen nutzten Politiker in den Mitgliedstaaten die Situation, um sich in den Medien zu profilieren. Sollten konkrete Anfragen vom Rat vorliegen, würde das Parlament “konstruktiv zusammenarbeiten wie bisher auch”, erklärte Wolters.
Der Ratspräsidentschaft bleibt nun nicht mehr viel Zeit, um eine Einigung zu bewirken. Im April muss das EU-Parlament final über das Ergebnis abstimmen. Laut einem EU-Diplomaten hätten die Belgier die Hoffnung noch nicht aufgegeben. Vermutlich versuchten sie in den kommenden Tagen, auf informeller Ebene mit einzelnen Mitgliedstaaten zu sprechen und gleichzeitig auch das Parlament einzubeziehen. Möglich wäre, dass der AStV I am Mittwoch oder Freitag der kommenden Woche wieder über das Thema berät. Sicher ist zurzeit wohl nichts.
wenig spricht dafür, dass die EU die Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD) noch beschließen wird, nachdem heute der zweite Anlauf im Rat missglückt ist. Der belgischen Ratspräsidentschaft kann man das Scheitern nicht vorwerfen. Sie hat sich intensiv bemüht, eine Einigung herbeizuführen. Es ist eine Niederlage für Deutschland, für die EU, für verantwortungsvoll wirtschaftende Unternehmen, vor allem aber für die Menschen in den Lieferketten.
Deutschland hatte den Prozess für ein europäisches Lieferkettengesetz angestoßen und maßgeblich vorangetrieben. Damit hat die Bundesregierung auch die besondere Verantwortung angenommen, die Deutschland als einer der großen Gewinner der Globalisierung hat. Aber auf den letzten Metern gab die Bundesregierung die Unterstützung für die CSDDD auf – wegen des Widerstands der FDP.
Für die EU ist das eine Blamage. Oft sprechen ihre Vertreter über Menschenrechte und Werte sowie deren Bedeutung, wenn es etwa um Handelsabkommen mit anderen Regionen geht. Die CSDDD wäre ein Beweis dafür, dass die EU ihren Worten entlang der Wertschöpfungsketten auch Taten folgen lässt, zumindest mit Mindestanforderungen. Um mehr geht es schließlich nicht, denn Unternehmen sollen durch die CSDDD nur verpflichtet werden, sich mit menschenrechtlichen Risiken in ihren Lieferketten zu beschäftigen.
Verlierer sind auch all die Unternehmen, die bereits in sozial-ökologischere Lieferketten investieren – sie werden weiterhin Wettbewerbsnachteile gegenüber den Konkurrenten haben, die das nicht tun.
Hauptverlierer sind die mehr als zwei Milliarden Menschen, die in den globalen Wertschöpfungsketten arbeiten und viel zum Wohlstand in Europa beitragen.
Aber auch die Mehrheit der EU-Bürger, die ein Lieferkettengesetz befürwortet, verliert. Eine Tatsache, die Regierungen vieler EU-Mitgliedsländer bei ihrer Entscheidung nicht berücksichtigt haben.
Ihr Caspar Dohmen
Lieferkettengesetz
Analyse
CSDDD: Erneutes Scheitern der Abstimmung laut Berichterstatterin “ein Skandal”
Lara Wolters, Berichterstatterin für das Lieferkettengesetz im Parlament, fordert Klarheit vom Rat.
Im Ausschuss der Ständigen Vertreter (AStV) hat die Trilogeinigung über das EU-Lieferkettengesetz am heutigen Mittwoch keine qualifizierte Mehrheit erhalten. “Trotz der Bemühungen des Ratsvorsitzes wurde die notwendige Unterstützung nicht gefunden”, schrieb die belgische Ratspräsidentschaft auf X. “Wir müssen nun den Stand der Dinge prüfen und werden sehen, ob es möglich ist, die von den Mitgliedstaaten vorgebrachten Bedenken in Absprache mit dem Europäischen Parlament zu berücksichtigen“, heißt es weiter.
Viele Mitgliedstaaten hätten während der Aussprache im AStV I ihre Enthaltung angekündigt, erklärte ein Sprecher. Zu den Gründen gehörten Rechtsunsicherheit, der Verwaltungsaufwand sowie die Befürchtung, es könnten ungleiche Wettbewerbsbedingungen auf globaler Ebene entstehen. Die Ratspräsidentschaft sei jedoch der Meinung, “dass unter den Mitgliedstaaten ein klarer Wille besteht, Rechtsvorschriften zu diesem sehr wichtigen Thema zu erlassen.”
Viele Mitgliedstaaten haben sich noch nicht klar positioniert
Damit verschiebt sich die endgültige Abstimmung erneut, nachdem sie ursprünglich bereits am 9. Februar stattfinden sollte. Bereits vor drei Wochen hatte sich keine qualifizierte Mehrheit im Rat abgezeichnet. Die Ratspräsidentschaft hatte deshalb versucht, mit den Mitgliedstaaten nochmal “an dem Gesetz zu arbeiten”. Da die Enthaltung der deutschen Bundesregierung als sicher gilt, liegt der Fokus auf Italien und weiteren bevölkerungsstarken Mitgliedsländern.
Viele Delegationen haben sich indes immer noch nicht klar positioniert und eine Enthaltung angedeutet. Dies könne aber auch eine Strategie sein, um sich Verhandlungsspielraum zu bewahren, sagte ein EU-Diplomat zu Table.Media.
Die französische Delegation hatte in der heutigen Sitzung eine Begrenzung des Anwendungsbereichs als Kompromiss vorgeschlagen. So könnte die Schwelle auf 5.000 Beschäftigte angehoben werden, um zögernden Mitgliedstaaten entgegenzukommen. Dadurch würden erheblich weniger Unternehmen betroffen sein: Die von Rat, Parlament und Kommission verhandelte Einigung legt die Schwelle auf mehr als 500 Beschäftigte fest. Dabei handele es sich jedoch lediglich um einen von vielen Lösungsvorschlägen, um zu einer Einigung zu gelangen, erklärte ein französischer Sprecher. Er dementierte Medienberichte, laut denen Frankreich eine Einschränkung des Anwendungsbereichs “fordere”. Frankreich unterstütze das Gesetz.
Wolters: “Parlament als Mitgesetzgeber missachtet”
Lara Wolters (S&D), Berichterstatterin im EU-Parlament, bezeichnete die Entwicklung als besorgniserregend. “Der Text, der dem AStV vorlag, war das Ergebnis von mehr als zwei Jahren sorgsamer Verhandlungen“, erklärte sie bei einer kurzfristig anberaumten Pressekonferenz. “Dass die Mitgliedstaaten erneut daran gescheitert sind, dieser Vereinbarung zuzustimmen, ist für mich ein Skandal.” Viele Unternehmen bereiteten sich bereits auf das Gesetz vor.
Alle seien während des Verhandlungsprozesses aufmerksam angehört worden und hätten insbesondere in den späteren Phasen ihren Beitrag leisten können, sagte Wolters. “Zusagen nach der Einigung wieder zurückzunehmen oder weitere Forderungen zu stellen, zeugt von einer eklatanten Missachtung des Europäischen Parlaments als Mitgesetzgeber.”
Sie sieht diese Entwicklung als Teil eines breiteren Trends, der die bisherige Art der vertrauensvollen Zusammenarbeit untergrabe: “Wenn wir uns per Handschlag auf eine politische Einigung geeinigt hatten, war der Rest nur noch eine Formalität”, sagte sie. “In den letzten Monaten ist dies eindeutig nicht mehr der Fall.” Damit spielte sie auf ähnliche Blockaden im Rat an, die zuletzt zum Beispiel die Richtlinie zur Plattformarbeit betrafen.
“Situation im Rat chaotisch”
Die Situation im Rat bezeichnete sie als chaotisch und forderte Klarheit. Bislang habe das Parlament keine konkreten Änderungsvorschläge erhalten. Stattdessen nutzten Politiker in den Mitgliedstaaten die Situation, um sich in den Medien zu profilieren. Sollten konkrete Anfragen vom Rat vorliegen, würde das Parlament “konstruktiv zusammenarbeiten wie bisher auch”, erklärte Wolters.
Der Ratspräsidentschaft bleibt nun nicht mehr viel Zeit, um eine Einigung zu bewirken. Im April muss das EU-Parlament final über das Ergebnis abstimmen. Laut einem EU-Diplomaten hätten die Belgier die Hoffnung noch nicht aufgegeben. Vermutlich versuchten sie in den kommenden Tagen, auf informeller Ebene mit einzelnen Mitgliedstaaten zu sprechen und gleichzeitig auch das Parlament einzubeziehen. Möglich wäre, dass der AStV I am Mittwoch oder Freitag der kommenden Woche wieder über das Thema berät. Sicher ist zurzeit wohl nichts.