+++ Table.Alert +++ Ampel schwächt Lieferkettengesetz ab
Liebe Leserin, lieber Leser,
der Haushalt steht und auf ein Wachstumspaket konnte sich nach langem Ringen und Nachtsitzungen auch geeinigt werden – das verkündeten heute Vormittag die Spitzen der Ampel-Parteien, Finanzminister Christian Linder, Wirtschaftsminister Robert Habeck und Bundeskanzler Olaf Scholz. Mit Erläuterung erster Details im Verlaufe der Pressekonferenz kamen sie dann auch auf das Lieferkettengesetz zu sprechen.
Was sie verkündeten, hatte es in sich: Um Unternehmen hinsichtlich ihrer Bürokratie zu entlasten, wird das Gesetz nämlich abgeschwächt. Zum Teil ist vorgesehen, dass Firmen erst ab 2029 berichten müssen. Mein Kollege Caspar Dohmen hat sich angesehen, was das konkret bedeutet und erste Reaktionen eingefangen.
Ihr Marc Winkelmann
Analyse
LKSG: Wie die Bundesregierung zwei von drei Unternehmen freistellt
In der Bundespressekonferenz erklärten die Ampel-Spitzen Christian Lindner, Olaf Scholz und Robert Habeck, dass sie das Lieferkettengesetz abschwächen
Die Ampel will das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) deutlich abschwächen: Zwei Drittel der bisher erfassten Unternehmen würden ab Anfang 2025 nicht mehr darunterfallen, sagte Bundesfinanzminister Christian Lindner am Freitag. Damit wären weniger als tausend Unternehmen betroffen. Zudem können Unternehmen selbst entscheiden, ob sie die ursprünglich im LkSG vorgeschriebenen Risikoberichte verfassen oder nicht. Wenn Unternehmen keine Berichte verfassten, werde dies “nicht sanktioniert”, erfuhr Table.Briefings aus Regierungskreisen.
In diesem Punkt hatte die Bundesregierung bereits zuvor das LkSG abgeschwächt. Bis zur Einführung der europäischen Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD) sollen die Unternehmen weiter selbst entscheiden können, ob sie freiwillig berichten oder nicht. Dabei haben sie die Wahl, ob sie dies nach dem LkSG oder der europäischen Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) machen. Lindner sprach mit Blick auf die Unternehmen von einer “deutlichen Entlastung bei den Bürokratiekosten”. Andere Regierungsvertreter sprechen von einer Entlastung mittelständischer Unternehmen vor “überschießenden nationalen Regeln”.
Umsetzung soll spätmöglichst erfolgen
Nachdem die EU am heutigen Freitag die CSDDDim Amtsblatt veröffentlicht hat, tritt sie in 20 Tagen in Kraft. Für die Umsetzung der Richtlinie haben die 27 EU-Mitgliedstaaten zwei Jahre Zeit. Die Bundesregierung will sich beeilen: Noch in dieser Legislaturperiode, also bis Herbst nächsten Jahres, soll die Richtlinie in deutsches Recht umgesetzt werden, “so bürokratiearm wie möglich”, heißt es.
Außerdem will die Bundesregierung verhindern, dass die CSDDD für deutsche Unternehmen früher gilt als für Unternehmen aus anderen EU-Ländern. Die CSDDD werde bis zum “europarechtlich spätmöglichsten Zeitpunkt umgesetzt”, sagte Lindner. Konkret bedeutet dies laut einer Sprecherin des Bundesjustizministeriums:
für Unternehmen mit mehr als 5.000 Beschäftigten weltweit und 1.500 Millionen Euro Umsatz ab 2027;
für Unternehmen mit mehr als 3.000 Beschäftigten weltweit und 900 Millionen Euro Umsatz ab 2028;
und für Unternehmen mit mehr als 1.000 Beschäftigten weltweit und 450 Millionen Euro Umsatz ab 2029.
Kritik an den Plänen der Ampel
Zudem will die Bundesregierung festlegen, welche Informationen große Unternehmen von kleinen und mittelständischen Firmen abfragen dürfen. “Wir werden verbindliche Standards festlegen”, teilte eine BMJ-Sprecherin auf Table.Briefings-Anfrage mit. Auf diese Weise wolle man vielen kleinen Unternehmen, “die nur nachgelagert betroffen sind, spürbare Erleichterung verschaffen”.
Bislang reichen viele Unternehmen ihre Verpflichtungen an Lieferanten weiter, obwohl dies das LkSG untersagt. Die europäische Richtlinie ist hier noch deutlicher. Trotzdem akzeptierten viele Zulieferer die Vorgaben ihrer großen Auftraggeber, oft aus Angst, Aufträge zu verlieren.
Kritik an dem Vorgehen der Ampel kommt von der Initiative Lieferkettengesetz. “Wir kritisieren scharf die angekündigte Einschränkung des deutschen Lieferkettengesetzes auf nur noch ein Drittel der betroffenen Unternehmen”, sagte Heike Drillisch. Damit knicke die Bundesregierung vor den Wirtschaftsverbänden ein. Zufrieden ist das zivilgesellschaftliche Bündnis, hinter dem rund 130 Organisationen stehen, mit der anvisierten schnellen Umsetzung des EU-Lieferkettengesetzes. “Die Umsetzung muss allerdings europarechtskonform und ambitioniert erfolgen”, heißt es. Bestehende nationale Schutzstandards aus dem deutschen Gesetz dürften nicht abgesenkt werden.
Gesetz ist für Bürger ein Anliegen
Das Lieferkettengesetz “soll massiv aufgeweicht werden”, kritisierte der Wirtschaftsweise Armin Truger auf X. Dass dadurch Menschenrechte in Entwicklungsländern gegen angeblichen Bürokratieabbau ausgespielt werden, “ist ein Erfolg für einige Lobbyisten und wahrlich kein Ruhmesblatt für die Koalition!” Der BDA sah sich aufgrund vieler Anfragen außerstande, auf Anfrage von Table.Briefings zu antworten. Gesamtmetall antwortete ebenfalls nicht.Beide Verbände hatten zuvor massive Kritik sowohl an dem LkSG als auch an der CSDDD geäußert.
Entschiedene Befürworter des LkSG in der Bundesregierung sagten Table.Briefings hinter vorgehaltener Hand, dass die Zahl der Abgeordneten in den Ampelfraktionen, denen das Lieferkettengesetz ein Anliegen sei, gesunken sei. Allerdings ist der Schutz von Menschen in den Lieferketten gegen Menschen- und Umweltrechtsverletzungen weiter ein Anliegen für viele Bürger. Bei einer Umfrage sprachen sich im Februar noch zwei Drittel der Befragten in Deutschland für ein europäisches Lieferkettengesetz aus.
der Haushalt steht und auf ein Wachstumspaket konnte sich nach langem Ringen und Nachtsitzungen auch geeinigt werden – das verkündeten heute Vormittag die Spitzen der Ampel-Parteien, Finanzminister Christian Linder, Wirtschaftsminister Robert Habeck und Bundeskanzler Olaf Scholz. Mit Erläuterung erster Details im Verlaufe der Pressekonferenz kamen sie dann auch auf das Lieferkettengesetz zu sprechen.
Was sie verkündeten, hatte es in sich: Um Unternehmen hinsichtlich ihrer Bürokratie zu entlasten, wird das Gesetz nämlich abgeschwächt. Zum Teil ist vorgesehen, dass Firmen erst ab 2029 berichten müssen. Mein Kollege Caspar Dohmen hat sich angesehen, was das konkret bedeutet und erste Reaktionen eingefangen.
Ihr Marc Winkelmann
Analyse
LKSG: Wie die Bundesregierung zwei von drei Unternehmen freistellt
In der Bundespressekonferenz erklärten die Ampel-Spitzen Christian Lindner, Olaf Scholz und Robert Habeck, dass sie das Lieferkettengesetz abschwächen
Die Ampel will das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) deutlich abschwächen: Zwei Drittel der bisher erfassten Unternehmen würden ab Anfang 2025 nicht mehr darunterfallen, sagte Bundesfinanzminister Christian Lindner am Freitag. Damit wären weniger als tausend Unternehmen betroffen. Zudem können Unternehmen selbst entscheiden, ob sie die ursprünglich im LkSG vorgeschriebenen Risikoberichte verfassen oder nicht. Wenn Unternehmen keine Berichte verfassten, werde dies “nicht sanktioniert”, erfuhr Table.Briefings aus Regierungskreisen.
In diesem Punkt hatte die Bundesregierung bereits zuvor das LkSG abgeschwächt. Bis zur Einführung der europäischen Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD) sollen die Unternehmen weiter selbst entscheiden können, ob sie freiwillig berichten oder nicht. Dabei haben sie die Wahl, ob sie dies nach dem LkSG oder der europäischen Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) machen. Lindner sprach mit Blick auf die Unternehmen von einer “deutlichen Entlastung bei den Bürokratiekosten”. Andere Regierungsvertreter sprechen von einer Entlastung mittelständischer Unternehmen vor “überschießenden nationalen Regeln”.
Umsetzung soll spätmöglichst erfolgen
Nachdem die EU am heutigen Freitag die CSDDDim Amtsblatt veröffentlicht hat, tritt sie in 20 Tagen in Kraft. Für die Umsetzung der Richtlinie haben die 27 EU-Mitgliedstaaten zwei Jahre Zeit. Die Bundesregierung will sich beeilen: Noch in dieser Legislaturperiode, also bis Herbst nächsten Jahres, soll die Richtlinie in deutsches Recht umgesetzt werden, “so bürokratiearm wie möglich”, heißt es.
Außerdem will die Bundesregierung verhindern, dass die CSDDD für deutsche Unternehmen früher gilt als für Unternehmen aus anderen EU-Ländern. Die CSDDD werde bis zum “europarechtlich spätmöglichsten Zeitpunkt umgesetzt”, sagte Lindner. Konkret bedeutet dies laut einer Sprecherin des Bundesjustizministeriums:
für Unternehmen mit mehr als 5.000 Beschäftigten weltweit und 1.500 Millionen Euro Umsatz ab 2027;
für Unternehmen mit mehr als 3.000 Beschäftigten weltweit und 900 Millionen Euro Umsatz ab 2028;
und für Unternehmen mit mehr als 1.000 Beschäftigten weltweit und 450 Millionen Euro Umsatz ab 2029.
Kritik an den Plänen der Ampel
Zudem will die Bundesregierung festlegen, welche Informationen große Unternehmen von kleinen und mittelständischen Firmen abfragen dürfen. “Wir werden verbindliche Standards festlegen”, teilte eine BMJ-Sprecherin auf Table.Briefings-Anfrage mit. Auf diese Weise wolle man vielen kleinen Unternehmen, “die nur nachgelagert betroffen sind, spürbare Erleichterung verschaffen”.
Bislang reichen viele Unternehmen ihre Verpflichtungen an Lieferanten weiter, obwohl dies das LkSG untersagt. Die europäische Richtlinie ist hier noch deutlicher. Trotzdem akzeptierten viele Zulieferer die Vorgaben ihrer großen Auftraggeber, oft aus Angst, Aufträge zu verlieren.
Kritik an dem Vorgehen der Ampel kommt von der Initiative Lieferkettengesetz. “Wir kritisieren scharf die angekündigte Einschränkung des deutschen Lieferkettengesetzes auf nur noch ein Drittel der betroffenen Unternehmen”, sagte Heike Drillisch. Damit knicke die Bundesregierung vor den Wirtschaftsverbänden ein. Zufrieden ist das zivilgesellschaftliche Bündnis, hinter dem rund 130 Organisationen stehen, mit der anvisierten schnellen Umsetzung des EU-Lieferkettengesetzes. “Die Umsetzung muss allerdings europarechtskonform und ambitioniert erfolgen”, heißt es. Bestehende nationale Schutzstandards aus dem deutschen Gesetz dürften nicht abgesenkt werden.
Gesetz ist für Bürger ein Anliegen
Das Lieferkettengesetz “soll massiv aufgeweicht werden”, kritisierte der Wirtschaftsweise Armin Truger auf X. Dass dadurch Menschenrechte in Entwicklungsländern gegen angeblichen Bürokratieabbau ausgespielt werden, “ist ein Erfolg für einige Lobbyisten und wahrlich kein Ruhmesblatt für die Koalition!” Der BDA sah sich aufgrund vieler Anfragen außerstande, auf Anfrage von Table.Briefings zu antworten. Gesamtmetall antwortete ebenfalls nicht.Beide Verbände hatten zuvor massive Kritik sowohl an dem LkSG als auch an der CSDDD geäußert.
Entschiedene Befürworter des LkSG in der Bundesregierung sagten Table.Briefings hinter vorgehaltener Hand, dass die Zahl der Abgeordneten in den Ampelfraktionen, denen das Lieferkettengesetz ein Anliegen sei, gesunken sei. Allerdings ist der Schutz von Menschen in den Lieferketten gegen Menschen- und Umweltrechtsverletzungen weiter ein Anliegen für viele Bürger. Bei einer Umfrage sprachen sich im Februar noch zwei Drittel der Befragten in Deutschland für ein europäisches Lieferkettengesetz aus.