Table.Briefing: ESG

Stadtwerke hadern mit Energiewende + EU-Kommission verfehlt Zeitplan bei strategischen Rohstoff-Projekten

Liebe Leserin, lieber Leser,

im November stehen wichtige Entscheidungen an, die die Zukunft der sozial-ökologischen Transformation beeinflussen werden. Ab Montag stellen sich die designierten EU-Kommissare dem Parlament vor. Die Fraktionen rechnen mit Konflikten darüber, ob die neue Kommission den Green Deal als Clean Industrial Deal fortsetzt – oder aber abwürgt.

Am Dienstag sind die US-Amerikaner zur Präsidentschaftswahl aufgerufen. Kamala Harris würde den Kurs von Joe Biden beim Klimaschutz wahrscheinlich weiterführen. Donald Trump hält hingegen nichts davon. Wie die Wahl ausgeht, dürfte wiederum direkte Folgen für die 29. Weltklimakonferenz haben, die am 11. November in Baku, Aserbaidschan, startet. Wird Trump gewählt, sind Fortschritte unwahrscheinlich.

Gleichzeitig könnte es in Deutschland zum Bruch der Regierungskoalition kommen – falls sich die Ampel-Parteien am 14. November nicht auf den Haushalt für 2025 einigen. Die Union bereitet sich darauf bereits vor. Nächste Woche etwa stellt sie ihre Energie-Agenda vor. Über wichtige Entwicklungen werden wir Sie gründlich und aktuell informieren.

Heute geht es im ESG.Table jedoch erst einmal um den Status-Quo. Welche Probleme Stadtwerke bei der Umsetzung der Energiewende vor Ort haben – darüber berichtet Anna Gauto. Warum die EU-Kommission ihren Zeitplan für zentrale Rohstoffprojekte verfehlen wird, hat Leonie Düngefeld recherchiert. Im Standpunkt schließlich schlagen die Sozialdemokraten Philipp Türmer und Daniel Schönfelder ihre Ideen vor, um das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz zu erhalten und gleichzeitig zu verbessern.

Ihr
Nicolas Heronymus
Bild von Nicolas  Heronymus

Analyse

Dekarbonisierung: Warum Stadtwerke mit der Energiewende hadern

Das warme Abwasser der Kläranlagen des Chemiekonzern BASF wäre eigentlich eine Luxussituation für die Stadtwerke im Frankenthal.

Von Anna Gauto

Eigentlich hat Volkmar Langefeld, Geschäftsführer der Stadtwerke im rheinland-pfälzischen Frankenthal, eine Luxussituation. Denn in seinem Netzgebiet betreibt der Chemiekonzern BASF eine der größten industriellen Kläranlagen der Welt. Das Abwasser ist selbst im Winter 20 Grad warm – die ideale Wärmequelle. Ab 2027 könnten die Stadtwerke damit 18.000 Gebäude in Frankenthal und dem benachbarten Ludwigshafen mit CO₂-freier Fernwärme versorgen. Geplant ist dazu der Bau einer Großwärmepumpe auf dem Gelände der BASF-Kläranlage.  

Dieses riesige Transformationsprojekt beschreiben die Partner BASF, die Technischen Werke Ludwigshafen (TWL) und die Stadtwerke Frankenthal als industrielle “Win-Win-Win-Situation”. Doch für Langefeld bedeutet das auch: Er benötigt auf einen Schlag eine Anschubinvestition von 100 Millionen Euro, um die Wärmequelle zu erschließen, Transportleitungen zu bauen, ein neues Fernwärmenetz zu legen. “Dafür müssen wir halb Frankenthal aufreißen”. 

Kommunen haben mitunter ehrgeizige Klimaziele und sind oftmals mehrheitlich an ihren Stadtwerken beteiligt. Stadtwerke sehen sich etwa vor der Aufgabe, ihre Netzgebiete mit sauberem Strom und grüner Wärme auszustatten. Betreiben sie auch Netze, müssen sie diese für die Dekarbonisierung ausbauen. Somit gelten sie als zentrale Akteure der Energiewende vor Ort. Dafür braucht es aber riesige Investitionen. Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) schätzt, dass bis 2030 allein in der deutschen Energiewirtschaft 721 Milliarden Euro notwendig werden, bis 2035 weitere 493 Milliarden Euro. Für Frankenthal würden die nötigen Investitionen, “mindestens eine Verdreifachung unseres Eigenkapitals bedeuten”, sagt Langefeld. 

Stadtwerken fehlt Geld für die Umsetzung 

Andere Stadtwerke sind in ähnlicher Lage. Sie können die Investitionen in Netze oder grüne Erzeugungsanlagen nicht aus eigenen Mitteln stemmen – was auch daran liegt, dass mit der Dekarbonisierung die Gewinne aus dem Gasgeschäft entfallen, die einen Teil der nötigen Investitionen finanzieren könnten. Dazu kommt: Stadtwerke müssen oft die Verlustsparten ihrer unterfinanzierten Kommunen wie Parkhäuser durchschleppen. Doch Banken und andere Kapitalgeber zieren sich, wenn sie erst nach 15 bis 20 Jahren Rendite erwarten können – das sind die Zeithorizonte für solche Infrastrukturprojekte. 

Entsprechend verschnupft reagiert die Branche auf Dekarbonisierungsziele. Wie andere hält auch Langenfeld es “für ausgeschlossen”, dass Deutschland bis 2045 klimaneutral wird. “Nicht, weil wir nicht wollen. Aber allein das, was wir zubauen müssen, führt zu mindestens zehn Jahren Verspätung. Man kann nur eine gewisse Kilometerleistung an Leitungen im Jahr stemmen.”

Stadtwerke kämpfen noch mit anderen Schwierigkeiten. So fehlt es auch an Personal für den Ausbau und an Informatikern für die Digitalisierung. Langefeld kritisiert zudem, dass die Politik Wärmepumpen in klassischen Fernwärmegebieten fördere. “So konterkariert die Politik die Energiewende.” Für ihn rentiere sich ein Ausbau der Fernwärme nur, wenn sich genug Kunden anschließen ließen.

Experte: Es fehlt an Garantien für Investitionen 

Das Geld für die Energiewende in den Kommunen wäre eigentlich da“, sagt Benjamin Köhler, Energieexperte beim Ökoinstitut. Doch um an Fremd- oder Beteiligungskapital zu kommen, braucht es Sicherheiten, Garantien. Dagegen steht, dass wichtige Instrumente wie die Bundesförderung für effiziente Wärmenetze (BEW) in den kommenden Jahren auslaufen. Da sie an den Bundeshaushalt gekoppelt ist, ist unklar, ob in klammen Zeiten Fördergelder fließen. Wer will unter diesen Bedingungen investieren? Für das industrielle Großprojekt in Frankenthal macht die BEW-Förderung 40 Prozent der Gesamtinvestitionen aus. “Mit der Förderung steht und fällt alles“, sagt Langefeld. 

Köhler kann die Kritik an fehlenden Finanzierungsinstrumenten nachvollziehen. Die Politik müsse nachsteuern, um mehr Investitionssicherheit für die Energiewende vor Ort zu schaffen. So könne die staatliche Förderbank KfW bessere Kredite zur Verfügung stellen. Mit Spannung schaut die Branche zudem auf einen Vorschlag des BDEW, einen Energiewende-Fonds aufzulegen. Dieser könnte Energieunternehmen mit privatem Eigenkapital ausstatten. 

“Projektgesellschaften” für innovative Finanzierung 

Dennoch glaubt Köhler, “dass die Wärmewende gelingen kann”. Dafür müssten Stadtwerke aber bei der Finanzierung auch neue Wege gehen. “Etwa privates Kapital von lokalen Unternehmen oder Bürgerinnen und Bürgern einbinden.” In Heidelberg zum Beispiel können Interessierte sich über das Finanzprodukt “Heidelberg Klima-Invest” an den Stadtwerken Heidelberg mit Genussrechten beteiligen. Zwischen zwei und drei Millionen Euro sollen so zunächst zusammenkommen.

Das Beratungsunternehmen PwC schlägt vor, Energiewendeprojekte wie Kraftwerke oder Fernwärmeanlagen in Projektgesellschaften zu finanzieren. Neben Investoren könnten sich auch weitere Stadtwerke anschließen. 

Die Projektgesellschaft Neuland Hambach GmbH gilt als ein innovatives Beispiel. In der einstigen Braunkohlehochburg Hambach in NRW haben die sechs Anrainerkommunen in Kooperation mit dem Energieversorger RWE “Neuland Hambach” gegründet. Die Partner wollen den Tagebau unter anderem ab 2030 in eine Seelandschaft zur Naherholung umwandeln. Zudem liefern auf dem Gelände schon jetzt Solarfelder jährlich Grünstrom für bis zu 14.500 Haushalte.

Auch die Zusammenarbeit mit langfristig orientierten Anlegern kann finanziellen Spielraum für Infrastrukturprojekte bieten. So beteiligen die Stadtwerke Münster mit der Investmentboutique Palladio Partners einen strategischen Finanzpartner an ihrem Glasfaserausbau. Das Kapital stammt etwa von Pensionskassen.

Neben Finanzgarantien und neuen Wegen bei der Finanzierung wäre zudem hilfreich: 

  • Dass Stadtwerke frühzeitig mit ihren kommunalen Gesellschaftern eine Strategie für die Transformation erarbeiten und nicht erst auf die kommunale Wärmeplanung warten.
  • Dass sie neben Finanzierungsfragen laut Köhler einen klaren Fokus auf neue, nachhaltige Geschäftsfelder legen, statt weiter aufs Gasgeschäft zu setzen, wie es nach wie vor in vielen EU-Ländern der Fall ist. Laut einer aktuellen Correctiv-Recherche haben viele Stadtwerke ihr Geschäftsmodell kaum verändert.
  • Dass sie wichtige Instrumente wie die BEW-Förderung fortführen und vom Haushaltsvorbehalt befreien. Der Think-Tank Agora Energiewende zählt weitere Verbesserungen beim Förderrahmen auf. 
  • Dass der Staat Kommunen bei der Daseinsvorsorge stärker unterstützt, um Stadtwerke hier zu entlasten.  

Auch Reiner Timmreck, Geschäftsführer der Stadtwerke Iserlohn bei Dortmund, glaubt nicht, dass im aktuellen politischen Rahmen die Dekarbonisierung bis 2045 gelingt.

Dennoch setzt er auch in Gesprächen mit der Politik “alles” daran, für seine Kunden aus der lokalen Wirtschaft baldmöglichst die Infrastruktur für grüne Energien bereitzustellen. “Das Thema verschwindet nicht mehr und die Weiterentwicklung der Infrastruktur ist die Grundlage künftigen Wohlstands in der Region.” Das 2045-Ziel sei dennoch sinnvoll. “Verschieben wir es weiter, gefährden wir damit den Wirtschaftsstandort in Deutschland”. 

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Strategische Rohstoffe: Kommission verfehlt eigenen Zeitplan für zentrale Projekte

Deutschland bleibt von Rohstoffen aus China abhängig: Magnesiumbarren in einem Lager der Firma Fugu Taida Chemical in Shaanxi.
Magnesiumbarren aus China: Der Critical Raw Materials Act soll die EU unabhängiger von Importen machen. Nun wurden zahlreiche Projekte eingereicht.

Die Auswahl der ersten strategischen Rohstoffprojekte auf Grundlage des Critical Raw Materials Acts (CRMA) verzögert sich. Statt bis spätestens Dezember, wie ursprünglich von der EU-Kommission geplant, wird der Prozess laut dem neuen Zeitplan bis Mitte März 2025 dauern, wie Table.Briefings erfuhr. 

“Aufgrund der hohen Zahl der eingereichten Anträge hat die Kommission in der Tat den ursprünglich vorgesehenen Zeitrahmen für die Bearbeitung aller Anträge überarbeitet”, erklärte eine Sprecherin der Kommission. 170 Anträge seien bis zur Frist am 22. August eingegangen – ursprünglich hatte die Kommission mit rund 50 Anträgen gerechnet. Wie viele Projekte am Ende tatsächlich ausgewählt werden, stehe noch nicht fest.   

Laut Informationen von Table.Briefings hat die Überprüfung der Anträge erst im Oktober begonnen; Anfang Februar 2025 will die Kommission eine vorläufige Auswahl vorlegen. Die finale Entscheidung soll bis zum 15. März fallen. 

13 Projektanträge aus Deutschland 

Im Jahr 2023 war der CRMA im Eiltempo verhandelt und verabschiedet worden. Denn für die Versorgung mit strategisch wichtigen Rohstoffen für die Energiewende und Digitalisierung, etwa Lithium und Nickel für E-Auto-Batterien, ist die EU bislang stark von Importen abhängig, insbesondere aus China. Das Gesetz soll den Aufbau von Bergbau-, Verarbeitungs- und Recyclingkapazitäten in der EU regeln und anreizen, und so die einheimische Produktion und Importdiversifizierung von Rohstoffen voranbringen.  

Strategische Projekte erhalten Vorrang bei der Genehmigung in den Behörden: Bei Bergbauprojekten etwa darf das Genehmigungsverfahren nicht länger als 27 Monate dauern, bei Verarbeitungs- und Recyclingprojekten nicht länger als 15 Monate. Die Projekte stehen rechtlich zudem im “überragenden öffentlichen Interesse”, wodurch Einwände aufgrund von Umwelt- oder Denkmalschutz vor Gericht erschwert werden. 

Die Auswahl der ersten strategischen Projekte hatte die damalige Berichterstatterin im EU-Parlament, Nicola Beer, für den Sommer 2024 in Aussicht gestellt. Doch das Arbeitstempo bei der Anwendung hängt nun der hohen Geschwindigkeit des Gesetzgebungsverfahrens hinterher. 

Beinahe drei Viertel der bis August bei der Kommission eingegangenen Projektanträge stammen aus der EU.  Etwa ein Viertel reichten Partnerländer von außerhalb der EU ein. Nach Informationen von Table.Briefings stammen 13 der Anträge aus Deutschland, darunter Projekte aus allen vier Wertschöpfungsstufen. 

Rohstoffgesetz: “Wir haben einen Nerv getroffen” 

Die Kommission sei nicht auf die hohe Anzahl an Anträgen vorbereitet gewesen, kritisiert Hildegard Bentele, EVP-Abgeordnete, die den CRMA mitverhandelt hat. Gerade wurde sie zur Vertreterin des Parlaments im Critical Raw Materials Board ernannt, das die EU-Kommission in der Projektauswahl berät und als Austauschplattform der Mitgliedstaaten dient. Das erste Arbeitstreffen findet im November statt; die Arbeit der Untergruppen hat bereits begonnen. 

Die Verlängerung des Auswahlprozesses, so Bentele, sei nun notwendig, um jeden Antrag ausreichend prüfen zu können. “Die Verzögerung ist natürlich ärgerlich – gerade für die Projekte, die noch in der Finanzierungsphase stecken und Planungssicherheit brauchen”, sagte sie Table.Briefings. “Allerdings ist die Verschiebung auch Ausdruck des Erfolgs des Rohstoffgesetzes, denn die unerwartet hohe Anzahl an Anträgen zeigt, dass wir einen Nerv getroffen haben.” 

Kritik: Bewertung fußt allein auf Eingaben der Unternehmen” 

“Wir bräuchten viel mehr Tempo”, fordert Anne Lauenroth, stellvertretende Abteilungsleiterin für Rohstoffe beim Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI). “Der Aufbau europäischer Rohstoffkapazitäten, der mit Blick auf die Reduzierung unserer Abhängigkeiten eigentlich höchste Priorität haben sollte, verlangsamt sich.”  

Michael Reckordt, Referent für Rohstoffpolitik bei der NGO Powershift, kritisiert fehlende Transparenz im Auswahlprozess: Es sei nicht klar, wie die EU-Kommission die Kriterien anwendet – ob sie also Versorgungssicherheit oder das Ziel, möglichst viele Projekte vorzuweisen, höher gewichtet als soziale und ökologische Kriterien.  

“Informationen zu Bewerbungen erhalten wir als Zivilgesellschaft nur über Social Media-Seiten der Unternehmen“, erklärt er. “Die EU-Kommission hingegen ist vollkommen intransparent.” Dies hindere andere Akteure, weitere Informationen zu einzelnen Projekten einzubringen. “Die Bewertung der Projekte scheint auf den Eingaben der Unternehmen zu fußen. Das untergräbt die öffentliche Akzeptanz für diese Projekte noch weiter”, sagt Reckordt. 

Zudem mangelt es aus seiner Perspektive an neutralen Experten: “Es gibt den berechtigten Verdacht, dass viele Gutachterinnen und Gutachter für die Bergbauindustrie tätig sind oder waren und daher in einem Interessenskonflikt stehen.” Dies erhöhe die Gefahr, gerade bei ökologischen und sozialen Themen weniger genau hinzusehen und Gefälligkeitsgutachten zu schreiben, erklärt er.

Lauenroth hält die Beteiligung von Experten auch aus der Industrie für sinnvoll: “Das Kriterium der Versorgungssicherheit sollte bei der Auswahl der strategischen Projekte im Fokus stehen”, sagt sie. 

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News

Treibhausgase: Wo die Emissionen 2023 in der EU gesunken sind

Der Ausstoß von Treibhausgasen in der EU ist vorläufigen Zahlen zufolge im vergangenen Jahr kräftig gesunken. Laut einem Bericht der Europäischen Umweltagentur (EEA) gingen die Netto-Treibhausgasemissionen in der EU 2023 im Vergleich zum Vorjahr um acht Prozent zurück. Das sei der größte jährliche Rückgang seit Jahrzehnten – mit Ausnahme des Corona-Jahres 2020.

Die Wirtschaftszweige Energie und Industrie, die dem europäischen Emissionshandelssystem ETS unterliegen, hätten maßgeblich zu dem guten Ergebnis beigetragen. Die Reduzierung der Emissionen ist laut EEA zur Hälfte auf die Entwicklung des Energiesektors zurückführen. Dazu beigetragen habe

  • der erhebliche Rückgang des Kohleverbrauchs in der EU,
  • der Ausbau erneuerbarer Energien,
  • und der gesunkene Stromverbrauch.

Auch im Industriebereich führten Effizienz- und Prozessverbesserungen zu einem Rückgang um sechs Prozent in 2023.

Nationale Minderungsziele eher unwirksam

Andere Sektoren hätten hingegen Nachholbedarf bei der Emissionsreduktion.

  • Die Landwirtschaft habe seit 2005 kaum Fortschritte gemacht, da Effizienzgewinne durch größere Produktion egalisiert worden seien. Der Rückgang von 2022 bis 2023 liege bei nur zwei Prozent.
  • Im Transportbereich sind die Emissionen heute sogar höher als noch 1990. Der Rückgang zwischen 2022 und 2023 lag geschätzt bei nur einem Prozent.

Landwirtschaft und Transport sind durch die Lastenverteilungsverordnung ESR mit nationalen Minderungszielen belegt. Unter den großen ESR-geregelten Sektoren sei einzig im Baubereich ein signifikanter Rückgang um sechs Prozent zu verzeichnen, der allerdings eher durch moderate Wetterbedingungen mit weniger Heiz- und Kühlungsbedarf als durch die Installation von Wärmepumpen erreicht worden sei.

Die EU hat sich das Ziel gesetzt, bis 2050 weitgehend klimaneutral zu sein. Bis 2030 sollen die Emissionen verglichen mit denen des Jahres 1990 um 55 Prozent zurückgehen. Basierend auf bisherigen und geplanten Klimaschutzmaßnahmen erreicht die EU den Prognosen zufolge allerdings nur 43 bis 49 Prozent weniger Emissionen. av/mit dpa

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Stromspeicher: “Batterien auf Rädern” sollen Milliarden sparen

Elektrofahrzeuge können einen wichtigen Beitrag zur stabilen Versorgung der Stromnetze mit erneuerbaren Energien leisten, so eine Studie von Fraunhofer ISI und ISE für den Verkehrsverband Transport & Environment (T&E). Der Schlüssel dazu ist die Vehicle-to-Grid-Technologie (V2G), also das bidirektionale Laden, bei dem Autobatterien nicht nur Strom aufnehmen, sondern auch wieder ins Netz abgeben. 

Bedarf an stationären Batteriespeicher würde massiv sinken 

Die Möglichkeit der Zwischenspeicherung von Wind- und Solarenergie ist für den Ausbau der erneuerbaren Energien wichtig, um Phasen des Über- und Unterangebots zu puffern. Doch der teure Aufbau einer Großspeicher-Infrastruktur steht erst am Anfang. Laut Studie stellt bidirektionales Laden eine kostengünstige und schnell umsetzbare Alternative dar. 

Die Forscher gehen davon aus, dass auf diese Weise der Zubau von stationären Batteriespeichern in der EU bis 2040 um bis zu 92 Prozent reduziert werden könnte. Das durchschnittliche Einsparpotenzial liege dadurch allein in Deutschland bei 8,4 Milliarden Euro pro Jahr. EU-weit wären es 22 Milliarden Euro. 

“Das bidirektionale Laden wird uns kostenlos Batterien auf Rädern zur Verfügung stellen”, sagt Kim Kohlmeyer von T&E. Damit sinke der Druck, Energiespeicher für überschüssigen Wind- und Solarstrom zu bauen. Allerdings brauche es bessere Rahmenbedingungen, so Kohlmeyer. 

V2G sorgt für eine längere Lebensdauer der Batterien 

Als problematisch sieht T&E, dass die Automobilindustrie derzeit unterschiedliche technische Ansätze bei V2G verfolgt. Für die Interoperabilität sei es notwendig, dass in Zukunft möglichst jedes Fahrzeug an jedem Ladepunkt geladen und entladen werden kann. Hier seien Vorgaben der Politik notwendig. 

Die Befürchtung von Elektroautobesitzern, dass sich V2G negativ auf die Batterie auswirkt, ist laut Studie unbegründet. Da die Batterie durch die Technik in einem optimalen Ladezustand gehalten wird, könne sich die Lebensdauer sogar verlängern. ch 

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Lachgas: Bericht warnt vor Verfehlung von Paris-Zielen

Wird der Ausstoß von Lachgas nicht eingedämmt, kann das 1,5-Grad-Limit des Pariser Klimaabkommens nicht erreicht werden. Dies geht aus der ersten umfassenden globalen Bewertung des Schadstoffs hervor, die am Donnerstag veröffentlicht wurde. Erstellt wurde das Global Nitrous Oxide Assessment von der Climate and Clean Air Coalition, einem Zusammenschluss von über 180 Regierungen, NGOs und internationalen Organisationen.

Lachgas (N₂O) ist das am dritthäufigsten vorkommende Treibhausgas und vielfach klimaschädlicher als CO₂. Zudem schädigt Lachgas die Ozonschicht. N₂O-Emissionen entstehen vor allem durch den Einsatz von Kunstdünger und Gülle in der Landwirtschaft. Sie sind laut Bericht seit 1980 weltweit um 40 Prozent gestiegen und würden ohne Gegenmaßnahmen bis 2050 voraussichtlich um 30 Prozent über das Niveau von 2020 ansteigen.

Die Einsparung von Lachgas ist allerdings herausfordernd. Geschicktere Düngung oder digitale Innovationen können laut dem Agrarwissenschaftler Bernhard Osterburg vom Thünen Institut die Emissionen verringern. Deutschland habe hier bereits Fortschritte erzielt. Osterburg sieht auch die Überdüngung zur Absicherung von Erträgen kritisch. Die EU-Kommission will daher im Rahmen ihrer Farm-to-Fork-Strategie den Einsatz von Düngemitteln bis 2030 um 20 Prozent und Nährstoffverluste um 50 Prozent verringern.

Globale Maßnahmen zur Verringerung der N₂O-Emissionen könnten bis zum Jahr 2100 das Äquivalent von bis zu 235 Milliarden Tonnen an CO₂-Emissionen vermeiden, heißt es weiter im Bericht. Die Einsparungen überstiegen somit das vom MCC-Institut berechnete Kohlenstoffbudget für das 1,5-Grad-Limit. Umgekehrt hieße das: Ohne Einsparungen scheitert das 1,5-Grad-Limit alleine schon an den Lachgasemissionen. rtr/lb

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Die Woche im Bundestag: COP29, CO₂-Speicherung und das Verbrenner-Aus

Am Montag befasst sich Ausschuss für Klimaschutz und Energie in einer öffentlichen Expertenanhörung mit dem Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Beschleunigung von Genehmigungsverfahren für Erdwärmeanlagen, Wärmepumpen und Wärmespeicher. Durch die Verkürzung behördlicher Fristen, die Reduzierung der Anforderungen und die Digitalisierung soll die Verfahrensdauer halbiert werden. 

Für Mittwoch hat der Ausschuss für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung einen öffentlichen Tagesordnungspunkt zur bevorstehenden Weltklimakonferenz COP29 in Baku angesetzt. Nach einer Unterrichtung durch die Bundesregierung findet ein Gespräch mit Harjeet Singh von der Kampagne für einen Vertrag über die Nichtverbreitung fossiler Brennstoffe und Kira Vinke von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik statt. 

Kurz darauf beginnt der Ausschuss für Klimaschutz und Energie mit einer öffentlichen Anhörung zur Novelle des Kohlendioxid-Speicherungsgesetzes. Es soll die dauerhafte Speicherung von CO₂ in großem Maßstab ermöglichen und einheitliche Zulassungskriterien für Kohlendioxidleitungen schaffen. 

Am Donnerstag debattiert der Deutsche Bundestag gleich zweimal das Thema Verbrenner-Aus. Zuerst widmen sich die Abgeordneten dem Antrag “Technologieoffener Klimaschutz im Straßenverkehr” der CDU/CSU-Fraktion. Danach befassen sie sich mit dem BSW-Antrag “Verbrenner-Aus stoppen”. Beide Anträge werden abschließend beraten. 

Auf der Tagesordnung für Freitag steht schließlich in erster Lesung eine Anpassung des Treibhausgas-Emissionshandelsgesetzes an die geänderte EU-Richtlinie. Der Entwurf der Bundesregierung soll Zuteilungsregeln für Emissionszertifikate vereinfachen. ch 

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Must-Reads

Unser Beton soll grüner werden – Die Zeit
Heidelberg Materials setzt so viel Kohlendioxid frei wie kein anderer Dax-Konzern. Carola Böttcher beschreibt, wie das Unternehmen sein Zementwerk in Geseke emissionsärmer machen will. Ein wichtiges Element ist eine neue Chemiefabrik, die CO₂ verflüssigen soll, damit es im Boden verpresst werden kann. Zum Artikel

Kohlendioxidpreis wirkt effektiver als Subventionen – Frankfurter Allgemeine Zeitung
Die OECD zieht eine positive Bilanz der CO₂-Bepreisung. Die weltweit 75 Steuer- und Emissionshandelssysteme deckten ein Viertel des globalen Ausstoßes ab und hätten sich als wirksam erwiesen – bislang vor allem in Staaten mit hohem Einkommen, schreibt Sabine Balk. Ärmere Länder würden aber nachziehen. Zum Artikel

Opel-Chef Huettl: Wir investieren weiter in Deutschland – Augsburger Allgemeine
Das abrupte Ende der Elektroauto-Förderung im vergangenen Jahr kritisiert Opel-Chef Florian Huettl im Interview mit Stefan Stahl. Während sich der Markt in anderen europäischen Ländern weiter positiv entwickele, befinde sich Deutschland seither im Wartestand. Dennoch ist er überzeugt: “Elektroautos sind die besseren Autos.” Zum Artikel

How Volkswagen Lost its Way in China – The New York Times
Ein brutaler Preiskampf bei Elektroautos, eine schwächelnde Nachfrage und Menschenrechtsprobleme hätten Volkswagen in China ins Straucheln gebracht. Dabei war das Unternehmen dort 40 Jahre lang Marktführer. Doch heute gelte VW bei vielen Verbrauchern als “König von gestern” und werde mit Gleichgültigkeit gestraft, berichtet Keith Bradsher. Zum Artikel

Wie das Lieferkettengesetz Unternehmen belastet – Süddeutsche Zeitung
Pepperl+Fuchs-Chef Gunther Kegel ist Präsident des Verbands der Elektro- und Digitalindustrie und ärgert sich laut Elisabeth Dostert über das deutsche Lieferkettengesetz wie auch das europäische Pendant: zu aufwendig, ohne die Ziele zu erreichen. Vor allem die zivilrechtliche Haftung, die das EU-Gesetz einführt, sieht er kritisch. Zum Artikel

Die Vision von einem Supermarkt, in dem niemand schlecht aussteigt – Der Standard
Knapp 800 Mitglieder konnten bereits gewonnen werden für einen nachhaltigen und sozialen Genossenschafts-Supermarkt in Wien namens “Mila” – der Mitmach-Laden. Er soll im ersten Halbjahr 2025 eröffnet werden. Erklärtes Ziel: ein sozialer Gegenentwurf zum profitorientierten Lebensmittelhandel. Denn bei Mila würden die Eigentümer gleichzeitig Mitarbeiter und Kunden sein, so Lukas Kapeller. Zum Artikel

Standpunkt

Wie das Lieferkettengesetz zum Erfolg wird

Von Philipp Türmer und Daniel Schönfelder
Philipp Türmer (links) und Daniel Schönfelder (rechts).

Das Lieferkettengesetz ist erneut in aller Munde. Es gelte, das Bürokratiemonster zu erlegen, von Kettensägen und vom Wegmachen wird gesprochen. Die Bedenken sind teilweise berechtigt. Die Analyse ist aber verkürzt und es abzuschaffen, grundlegend falsch. Es braucht einen realistischen Blick auf Stärken, Schwächen und mögliche Verbesserungen. Politik und vor allem sozialdemokratische Politik sollte sich nicht darauf einlassen, Menschenrechte gegen wirtschaftlichen Erfolg auszuspielen. 

Sozialdemokratie steht für globale Wirtschaft mit fairen Regeln 

Die globalisierte Wirtschaft bedingt Deutschlands Wohlstand. Aber ohne Regeln für den Wettbewerb setzt sich derjenige durch, der so billig wie möglich produziert – der für Investoren so biegsam wie möglich ist. Wer die geringsten Arbeitsstandards anbietet, wer die meisten Umweltzerstörungen erlaubt, wer das Kapital mit Steuerdumping anlockt. Diesen zerstörerischen Wettbewerb können soziale Demokratien nicht gewinnen. Sozialdemokraten glauben an eine Wirtschaftsordnung, die auf Respekt und Solidarität fußt. Respekt für die Leistungen anderer Menschen, die fair entlohnt werden müssen. Solidarität für die Menschen, die in Notsituationen im kapitalistischen Wettbewerb unter die Räder geraten. Um das auch in einer globalisierten Wirtschaft sicherzustellen, braucht es faire Regeln. 

Das Lieferkettengesetz hat bereits positive Wirkung entfaltet 

Das deutsche Lieferkettengesetz (LkSG) adressiert genau diese Missstände. Und erste Erfolge zeigen sich bereits. Gewerkschaftsvertreter aus Bangladesch etwa berichten, dass das Gesetz ihre Stimme stärkt und Käuferunternehmen sie jetzt deutlich ernster nehmen. Der Economist berichtete, das LkSG habe die Gewerkschaftsbildung in den südlichen US-Bundesstaaten unterstützt. Ausgebeutete Lkw-Fahrer in Deutschland konnten sich auf das LkSG berufen, um ihnen vorenthaltene Löhne zu bekommen. Die chinesische Arbeitsrechts-NGO China Labour Bulletin berichtet, dass das deutsche Gesetz ihnen bei der Bekämpfung von Ausbeutung hilft. Die Textil-NGO Inkota aus Indien beruft sich auf das Lieferkettengesetz, um die Rechte von Textilarbeiterinnen zu stärken. Die Behauptung, beim Lieferkettengesetz würde nur zusätzliche Bürokratie verursacht ohne tatsächlich positive Auswirkungen, lässt sich also nicht aufrechterhalten. 

Es gibt Potenzial für Verbesserungen des Gesetzes 

Gleichzeitig gibt es Ansatzpunkte, um das Lieferkettengesetz zu verbessern. Die Anwendungspraxis vieler Unternehmen verfolgt aktuell einen “One-size fits all”-Ansatz: Alle Unternehmen füllen die gleichen Standardfragebögen aus, egal ob es um T-Shirts, Bananen oder Maschinenbaukomponenten geht. Mit sogenannten “Supplier Code of Conducts” versuchen marktmächtige Unternehmen, alle Risiken und Verantwortung auf kleinere Zulieferer abzuwälzen. Diese Praxis beruht auf einer Fehlinterpretation des Gesetzestextes, wie das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) auch bereits klargestellt hat. Trotzdem wäre hier eine gesetzliche Klarstellung wünschenswert, um kleine und mittlere Unternehmen nicht übermäßig zu belasten.

Deutschland sollte das Lieferkettengesetz wohlüberlegt überarbeiten, sodass es dem eigentlichen Ziel, Menschenrechte wirksam zu schützen und internationale Standards zu setzen, wirksam dient, ohne aber überflüssigen bürokratischen Aufwand zu verursachen. Die Erfahrungen der vergangenen zwei Jahre können dafür eine gute Grundlage sein. Fragebögen müssen zielgenauer auf branchentypische Risikoszenarien eingehen. Das reduziert auch den Verwaltungsaufwand für die Unternehmen, denn solche Fragebögen können kürzer und gleichzeitig relevanter auf konkrete Risikosituationen und Gegenmaßnahmen eingehen. Für Branchen, die sich als besonders anfällig für Menschenrechtsverletzungen gezeigt haben, könnten das BAFA und die Ministerien spezifischere Standards vorgeben, inklusive Fragebögen und Empfehlungen für Maßnahmen zur Verbesserung der Lieferkette.

Zusätzliche Entlastungen für KMU würden helfen

Zusätzliche Entlastungen für kleine und mittlere Unternehmen würden ebenfalls helfen. Dazu zählen etwa Standards für fairere Vertragsklauseln, die auf Kooperation und gemeinsame Verantwortung anstatt auf Abwälzung setzen. Klarere Vorgaben dazu, welche Rolle KMU-Zulieferer im Sorgfaltspflichtenprozess einnehmen, braucht es ebenfalls – etwa zum Zusammenwirken von Käufer und Zulieferer bei der Risikoanalyse, bei Maßnahmen zur Bewältigung von Verletzungen und beim Zugänglichmachen von Beschwerdemechanismen.  

Zudem sollte berücksichtigt werden, wie das Lieferkettengesetz mit anderen Nachhaltigkeitsgesetzen zusammenwirkt. Hier gilt es, Doppelbelastungen durch Parallelstandards zu vermeiden und für einheitliche Prozesse und Synergien zu sorgen. Es braucht nicht eine Risikoanalyse nach dem LkSG und eine Wesentlichkeitsanalyse nach der CSRD, sondern gemeinsame Prozesse. In Polen wird zum Beispiel gefordert: CSRD und CSDDD sollen gemeinsam und aufeinander abgestimmt umgesetzt werden: nicht nur ein Bericht, sondern auch eine Risikoanalyse. 

Das Lieferkettengesetz kann Wettbewerbsvorteil sein 

Lieferkettengesetze haben das Potenzial, weltweit Ausbeutung zu bekämpfen. Kluge Anpassungen können die bürokratische Belastung senken, ohne die Wirkung infrage zu stellen. Eine ersatzlose Streichung bis zu einer Umsetzung der Europäischen Lieferkettenrichtlinie wäre falsch. Deutschland hat einen First-Mover-Vorteil: Indem die Bundesregierung und die deutsche Wirtschaft und Zivilgesellschaft innovative Umsetzungslösungen entwickeln, können sie Umsetzungsstandards definieren, an denen sich ganz Europa orientiert. Gut umgesetzt, kann dies ein klarer Wettbewerbsvorteil auch für hiesige Unternehmen sein. Eine Aussetzung des Lieferkettengesetzes würde demgegenüber Unternehmen bestrafen, die jetzt bereits Strukturen zur Umsetzung geschaffen haben. Je frühzeitiger die Bundesregierung eine nationale Gesetzgebung zur Umsetzung der Europäischen Richtlinie schafft, desto besser für Unternehmen, die langfristige Planungssicherheit brauchen und für die effektive Durchsetzung von Menschenrechten entlang der gesamten Lieferkette.

Philipp Türmer ist Bundesvorsitzender der Jusos. Daniel Schönfelder arbeitet als Lead European Legal Advisor beim Responsible Contracting Project.

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Climate.Table – Smart Meter: Warum viele Verbraucher noch lange darauf warten müssen: Intelligente Stromzähler gelten als wichtige Voraussetzung für den Fortgang der Energiewende, doch Deutschland hinkt bei ihrer Nutzung weit hinterher. Ein neuer Gesetzentwurf dürfte dafür sorgen, dass der Ausbau auch im nächsten Jahr langsamer vorankommt als derzeit geplant. Zum Artikel

China.Table – E-Auto-Zusatzzölle: Welche Investitionen in der EU nun platzen könnten: Peking leitet Schritte gegen die EU-Zusatzzölle auf chinesische E-Autos bei der Welthandelsorganisation ein. Die EU-Kommission verteidigt ihre Entscheidung, sieht aber weiterhin eine Lösungsmöglichkeit. China soll indes seine Autobauer vor Investitionen in den EU-Ländern gewarnt haben. Zum Artikel

Africa.Table – Folgen des Goldabbaus werden Wahlkampfthema in Ghana: Ghana ist der größte Goldproduzent in Afrika und kämpft mit den Folgen des illegalen Bergbaus. Die Bevölkerung will die Umweltschäden nicht länger hinnehmen. Neun Gründe haben bisher eine Besserung verhindert. Zum Artikel

ESG.Table Redaktion

ESG.TABLE REDAKTION

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    Liebe Leserin, lieber Leser,

    im November stehen wichtige Entscheidungen an, die die Zukunft der sozial-ökologischen Transformation beeinflussen werden. Ab Montag stellen sich die designierten EU-Kommissare dem Parlament vor. Die Fraktionen rechnen mit Konflikten darüber, ob die neue Kommission den Green Deal als Clean Industrial Deal fortsetzt – oder aber abwürgt.

    Am Dienstag sind die US-Amerikaner zur Präsidentschaftswahl aufgerufen. Kamala Harris würde den Kurs von Joe Biden beim Klimaschutz wahrscheinlich weiterführen. Donald Trump hält hingegen nichts davon. Wie die Wahl ausgeht, dürfte wiederum direkte Folgen für die 29. Weltklimakonferenz haben, die am 11. November in Baku, Aserbaidschan, startet. Wird Trump gewählt, sind Fortschritte unwahrscheinlich.

    Gleichzeitig könnte es in Deutschland zum Bruch der Regierungskoalition kommen – falls sich die Ampel-Parteien am 14. November nicht auf den Haushalt für 2025 einigen. Die Union bereitet sich darauf bereits vor. Nächste Woche etwa stellt sie ihre Energie-Agenda vor. Über wichtige Entwicklungen werden wir Sie gründlich und aktuell informieren.

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    Dekarbonisierung: Warum Stadtwerke mit der Energiewende hadern

    Das warme Abwasser der Kläranlagen des Chemiekonzern BASF wäre eigentlich eine Luxussituation für die Stadtwerke im Frankenthal.

    Von Anna Gauto

    Eigentlich hat Volkmar Langefeld, Geschäftsführer der Stadtwerke im rheinland-pfälzischen Frankenthal, eine Luxussituation. Denn in seinem Netzgebiet betreibt der Chemiekonzern BASF eine der größten industriellen Kläranlagen der Welt. Das Abwasser ist selbst im Winter 20 Grad warm – die ideale Wärmequelle. Ab 2027 könnten die Stadtwerke damit 18.000 Gebäude in Frankenthal und dem benachbarten Ludwigshafen mit CO₂-freier Fernwärme versorgen. Geplant ist dazu der Bau einer Großwärmepumpe auf dem Gelände der BASF-Kläranlage.  

    Dieses riesige Transformationsprojekt beschreiben die Partner BASF, die Technischen Werke Ludwigshafen (TWL) und die Stadtwerke Frankenthal als industrielle “Win-Win-Win-Situation”. Doch für Langefeld bedeutet das auch: Er benötigt auf einen Schlag eine Anschubinvestition von 100 Millionen Euro, um die Wärmequelle zu erschließen, Transportleitungen zu bauen, ein neues Fernwärmenetz zu legen. “Dafür müssen wir halb Frankenthal aufreißen”. 

    Kommunen haben mitunter ehrgeizige Klimaziele und sind oftmals mehrheitlich an ihren Stadtwerken beteiligt. Stadtwerke sehen sich etwa vor der Aufgabe, ihre Netzgebiete mit sauberem Strom und grüner Wärme auszustatten. Betreiben sie auch Netze, müssen sie diese für die Dekarbonisierung ausbauen. Somit gelten sie als zentrale Akteure der Energiewende vor Ort. Dafür braucht es aber riesige Investitionen. Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) schätzt, dass bis 2030 allein in der deutschen Energiewirtschaft 721 Milliarden Euro notwendig werden, bis 2035 weitere 493 Milliarden Euro. Für Frankenthal würden die nötigen Investitionen, “mindestens eine Verdreifachung unseres Eigenkapitals bedeuten”, sagt Langefeld. 

    Stadtwerken fehlt Geld für die Umsetzung 

    Andere Stadtwerke sind in ähnlicher Lage. Sie können die Investitionen in Netze oder grüne Erzeugungsanlagen nicht aus eigenen Mitteln stemmen – was auch daran liegt, dass mit der Dekarbonisierung die Gewinne aus dem Gasgeschäft entfallen, die einen Teil der nötigen Investitionen finanzieren könnten. Dazu kommt: Stadtwerke müssen oft die Verlustsparten ihrer unterfinanzierten Kommunen wie Parkhäuser durchschleppen. Doch Banken und andere Kapitalgeber zieren sich, wenn sie erst nach 15 bis 20 Jahren Rendite erwarten können – das sind die Zeithorizonte für solche Infrastrukturprojekte. 

    Entsprechend verschnupft reagiert die Branche auf Dekarbonisierungsziele. Wie andere hält auch Langenfeld es “für ausgeschlossen”, dass Deutschland bis 2045 klimaneutral wird. “Nicht, weil wir nicht wollen. Aber allein das, was wir zubauen müssen, führt zu mindestens zehn Jahren Verspätung. Man kann nur eine gewisse Kilometerleistung an Leitungen im Jahr stemmen.”

    Stadtwerke kämpfen noch mit anderen Schwierigkeiten. So fehlt es auch an Personal für den Ausbau und an Informatikern für die Digitalisierung. Langefeld kritisiert zudem, dass die Politik Wärmepumpen in klassischen Fernwärmegebieten fördere. “So konterkariert die Politik die Energiewende.” Für ihn rentiere sich ein Ausbau der Fernwärme nur, wenn sich genug Kunden anschließen ließen.

    Experte: Es fehlt an Garantien für Investitionen 

    Das Geld für die Energiewende in den Kommunen wäre eigentlich da“, sagt Benjamin Köhler, Energieexperte beim Ökoinstitut. Doch um an Fremd- oder Beteiligungskapital zu kommen, braucht es Sicherheiten, Garantien. Dagegen steht, dass wichtige Instrumente wie die Bundesförderung für effiziente Wärmenetze (BEW) in den kommenden Jahren auslaufen. Da sie an den Bundeshaushalt gekoppelt ist, ist unklar, ob in klammen Zeiten Fördergelder fließen. Wer will unter diesen Bedingungen investieren? Für das industrielle Großprojekt in Frankenthal macht die BEW-Förderung 40 Prozent der Gesamtinvestitionen aus. “Mit der Förderung steht und fällt alles“, sagt Langefeld. 

    Köhler kann die Kritik an fehlenden Finanzierungsinstrumenten nachvollziehen. Die Politik müsse nachsteuern, um mehr Investitionssicherheit für die Energiewende vor Ort zu schaffen. So könne die staatliche Förderbank KfW bessere Kredite zur Verfügung stellen. Mit Spannung schaut die Branche zudem auf einen Vorschlag des BDEW, einen Energiewende-Fonds aufzulegen. Dieser könnte Energieunternehmen mit privatem Eigenkapital ausstatten. 

    “Projektgesellschaften” für innovative Finanzierung 

    Dennoch glaubt Köhler, “dass die Wärmewende gelingen kann”. Dafür müssten Stadtwerke aber bei der Finanzierung auch neue Wege gehen. “Etwa privates Kapital von lokalen Unternehmen oder Bürgerinnen und Bürgern einbinden.” In Heidelberg zum Beispiel können Interessierte sich über das Finanzprodukt “Heidelberg Klima-Invest” an den Stadtwerken Heidelberg mit Genussrechten beteiligen. Zwischen zwei und drei Millionen Euro sollen so zunächst zusammenkommen.

    Das Beratungsunternehmen PwC schlägt vor, Energiewendeprojekte wie Kraftwerke oder Fernwärmeanlagen in Projektgesellschaften zu finanzieren. Neben Investoren könnten sich auch weitere Stadtwerke anschließen. 

    Die Projektgesellschaft Neuland Hambach GmbH gilt als ein innovatives Beispiel. In der einstigen Braunkohlehochburg Hambach in NRW haben die sechs Anrainerkommunen in Kooperation mit dem Energieversorger RWE “Neuland Hambach” gegründet. Die Partner wollen den Tagebau unter anderem ab 2030 in eine Seelandschaft zur Naherholung umwandeln. Zudem liefern auf dem Gelände schon jetzt Solarfelder jährlich Grünstrom für bis zu 14.500 Haushalte.

    Auch die Zusammenarbeit mit langfristig orientierten Anlegern kann finanziellen Spielraum für Infrastrukturprojekte bieten. So beteiligen die Stadtwerke Münster mit der Investmentboutique Palladio Partners einen strategischen Finanzpartner an ihrem Glasfaserausbau. Das Kapital stammt etwa von Pensionskassen.

    Neben Finanzgarantien und neuen Wegen bei der Finanzierung wäre zudem hilfreich: 

    • Dass Stadtwerke frühzeitig mit ihren kommunalen Gesellschaftern eine Strategie für die Transformation erarbeiten und nicht erst auf die kommunale Wärmeplanung warten.
    • Dass sie neben Finanzierungsfragen laut Köhler einen klaren Fokus auf neue, nachhaltige Geschäftsfelder legen, statt weiter aufs Gasgeschäft zu setzen, wie es nach wie vor in vielen EU-Ländern der Fall ist. Laut einer aktuellen Correctiv-Recherche haben viele Stadtwerke ihr Geschäftsmodell kaum verändert.
    • Dass sie wichtige Instrumente wie die BEW-Förderung fortführen und vom Haushaltsvorbehalt befreien. Der Think-Tank Agora Energiewende zählt weitere Verbesserungen beim Förderrahmen auf. 
    • Dass der Staat Kommunen bei der Daseinsvorsorge stärker unterstützt, um Stadtwerke hier zu entlasten.  

    Auch Reiner Timmreck, Geschäftsführer der Stadtwerke Iserlohn bei Dortmund, glaubt nicht, dass im aktuellen politischen Rahmen die Dekarbonisierung bis 2045 gelingt.

    Dennoch setzt er auch in Gesprächen mit der Politik “alles” daran, für seine Kunden aus der lokalen Wirtschaft baldmöglichst die Infrastruktur für grüne Energien bereitzustellen. “Das Thema verschwindet nicht mehr und die Weiterentwicklung der Infrastruktur ist die Grundlage künftigen Wohlstands in der Region.” Das 2045-Ziel sei dennoch sinnvoll. “Verschieben wir es weiter, gefährden wir damit den Wirtschaftsstandort in Deutschland”. 

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    Strategische Rohstoffe: Kommission verfehlt eigenen Zeitplan für zentrale Projekte

    Deutschland bleibt von Rohstoffen aus China abhängig: Magnesiumbarren in einem Lager der Firma Fugu Taida Chemical in Shaanxi.
    Magnesiumbarren aus China: Der Critical Raw Materials Act soll die EU unabhängiger von Importen machen. Nun wurden zahlreiche Projekte eingereicht.

    Die Auswahl der ersten strategischen Rohstoffprojekte auf Grundlage des Critical Raw Materials Acts (CRMA) verzögert sich. Statt bis spätestens Dezember, wie ursprünglich von der EU-Kommission geplant, wird der Prozess laut dem neuen Zeitplan bis Mitte März 2025 dauern, wie Table.Briefings erfuhr. 

    “Aufgrund der hohen Zahl der eingereichten Anträge hat die Kommission in der Tat den ursprünglich vorgesehenen Zeitrahmen für die Bearbeitung aller Anträge überarbeitet”, erklärte eine Sprecherin der Kommission. 170 Anträge seien bis zur Frist am 22. August eingegangen – ursprünglich hatte die Kommission mit rund 50 Anträgen gerechnet. Wie viele Projekte am Ende tatsächlich ausgewählt werden, stehe noch nicht fest.   

    Laut Informationen von Table.Briefings hat die Überprüfung der Anträge erst im Oktober begonnen; Anfang Februar 2025 will die Kommission eine vorläufige Auswahl vorlegen. Die finale Entscheidung soll bis zum 15. März fallen. 

    13 Projektanträge aus Deutschland 

    Im Jahr 2023 war der CRMA im Eiltempo verhandelt und verabschiedet worden. Denn für die Versorgung mit strategisch wichtigen Rohstoffen für die Energiewende und Digitalisierung, etwa Lithium und Nickel für E-Auto-Batterien, ist die EU bislang stark von Importen abhängig, insbesondere aus China. Das Gesetz soll den Aufbau von Bergbau-, Verarbeitungs- und Recyclingkapazitäten in der EU regeln und anreizen, und so die einheimische Produktion und Importdiversifizierung von Rohstoffen voranbringen.  

    Strategische Projekte erhalten Vorrang bei der Genehmigung in den Behörden: Bei Bergbauprojekten etwa darf das Genehmigungsverfahren nicht länger als 27 Monate dauern, bei Verarbeitungs- und Recyclingprojekten nicht länger als 15 Monate. Die Projekte stehen rechtlich zudem im “überragenden öffentlichen Interesse”, wodurch Einwände aufgrund von Umwelt- oder Denkmalschutz vor Gericht erschwert werden. 

    Die Auswahl der ersten strategischen Projekte hatte die damalige Berichterstatterin im EU-Parlament, Nicola Beer, für den Sommer 2024 in Aussicht gestellt. Doch das Arbeitstempo bei der Anwendung hängt nun der hohen Geschwindigkeit des Gesetzgebungsverfahrens hinterher. 

    Beinahe drei Viertel der bis August bei der Kommission eingegangenen Projektanträge stammen aus der EU.  Etwa ein Viertel reichten Partnerländer von außerhalb der EU ein. Nach Informationen von Table.Briefings stammen 13 der Anträge aus Deutschland, darunter Projekte aus allen vier Wertschöpfungsstufen. 

    Rohstoffgesetz: “Wir haben einen Nerv getroffen” 

    Die Kommission sei nicht auf die hohe Anzahl an Anträgen vorbereitet gewesen, kritisiert Hildegard Bentele, EVP-Abgeordnete, die den CRMA mitverhandelt hat. Gerade wurde sie zur Vertreterin des Parlaments im Critical Raw Materials Board ernannt, das die EU-Kommission in der Projektauswahl berät und als Austauschplattform der Mitgliedstaaten dient. Das erste Arbeitstreffen findet im November statt; die Arbeit der Untergruppen hat bereits begonnen. 

    Die Verlängerung des Auswahlprozesses, so Bentele, sei nun notwendig, um jeden Antrag ausreichend prüfen zu können. “Die Verzögerung ist natürlich ärgerlich – gerade für die Projekte, die noch in der Finanzierungsphase stecken und Planungssicherheit brauchen”, sagte sie Table.Briefings. “Allerdings ist die Verschiebung auch Ausdruck des Erfolgs des Rohstoffgesetzes, denn die unerwartet hohe Anzahl an Anträgen zeigt, dass wir einen Nerv getroffen haben.” 

    Kritik: Bewertung fußt allein auf Eingaben der Unternehmen” 

    “Wir bräuchten viel mehr Tempo”, fordert Anne Lauenroth, stellvertretende Abteilungsleiterin für Rohstoffe beim Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI). “Der Aufbau europäischer Rohstoffkapazitäten, der mit Blick auf die Reduzierung unserer Abhängigkeiten eigentlich höchste Priorität haben sollte, verlangsamt sich.”  

    Michael Reckordt, Referent für Rohstoffpolitik bei der NGO Powershift, kritisiert fehlende Transparenz im Auswahlprozess: Es sei nicht klar, wie die EU-Kommission die Kriterien anwendet – ob sie also Versorgungssicherheit oder das Ziel, möglichst viele Projekte vorzuweisen, höher gewichtet als soziale und ökologische Kriterien.  

    “Informationen zu Bewerbungen erhalten wir als Zivilgesellschaft nur über Social Media-Seiten der Unternehmen“, erklärt er. “Die EU-Kommission hingegen ist vollkommen intransparent.” Dies hindere andere Akteure, weitere Informationen zu einzelnen Projekten einzubringen. “Die Bewertung der Projekte scheint auf den Eingaben der Unternehmen zu fußen. Das untergräbt die öffentliche Akzeptanz für diese Projekte noch weiter”, sagt Reckordt. 

    Zudem mangelt es aus seiner Perspektive an neutralen Experten: “Es gibt den berechtigten Verdacht, dass viele Gutachterinnen und Gutachter für die Bergbauindustrie tätig sind oder waren und daher in einem Interessenskonflikt stehen.” Dies erhöhe die Gefahr, gerade bei ökologischen und sozialen Themen weniger genau hinzusehen und Gefälligkeitsgutachten zu schreiben, erklärt er.

    Lauenroth hält die Beteiligung von Experten auch aus der Industrie für sinnvoll: “Das Kriterium der Versorgungssicherheit sollte bei der Auswahl der strategischen Projekte im Fokus stehen”, sagt sie. 

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    Treibhausgase: Wo die Emissionen 2023 in der EU gesunken sind

    Der Ausstoß von Treibhausgasen in der EU ist vorläufigen Zahlen zufolge im vergangenen Jahr kräftig gesunken. Laut einem Bericht der Europäischen Umweltagentur (EEA) gingen die Netto-Treibhausgasemissionen in der EU 2023 im Vergleich zum Vorjahr um acht Prozent zurück. Das sei der größte jährliche Rückgang seit Jahrzehnten – mit Ausnahme des Corona-Jahres 2020.

    Die Wirtschaftszweige Energie und Industrie, die dem europäischen Emissionshandelssystem ETS unterliegen, hätten maßgeblich zu dem guten Ergebnis beigetragen. Die Reduzierung der Emissionen ist laut EEA zur Hälfte auf die Entwicklung des Energiesektors zurückführen. Dazu beigetragen habe

    • der erhebliche Rückgang des Kohleverbrauchs in der EU,
    • der Ausbau erneuerbarer Energien,
    • und der gesunkene Stromverbrauch.

    Auch im Industriebereich führten Effizienz- und Prozessverbesserungen zu einem Rückgang um sechs Prozent in 2023.

    Nationale Minderungsziele eher unwirksam

    Andere Sektoren hätten hingegen Nachholbedarf bei der Emissionsreduktion.

    • Die Landwirtschaft habe seit 2005 kaum Fortschritte gemacht, da Effizienzgewinne durch größere Produktion egalisiert worden seien. Der Rückgang von 2022 bis 2023 liege bei nur zwei Prozent.
    • Im Transportbereich sind die Emissionen heute sogar höher als noch 1990. Der Rückgang zwischen 2022 und 2023 lag geschätzt bei nur einem Prozent.

    Landwirtschaft und Transport sind durch die Lastenverteilungsverordnung ESR mit nationalen Minderungszielen belegt. Unter den großen ESR-geregelten Sektoren sei einzig im Baubereich ein signifikanter Rückgang um sechs Prozent zu verzeichnen, der allerdings eher durch moderate Wetterbedingungen mit weniger Heiz- und Kühlungsbedarf als durch die Installation von Wärmepumpen erreicht worden sei.

    Die EU hat sich das Ziel gesetzt, bis 2050 weitgehend klimaneutral zu sein. Bis 2030 sollen die Emissionen verglichen mit denen des Jahres 1990 um 55 Prozent zurückgehen. Basierend auf bisherigen und geplanten Klimaschutzmaßnahmen erreicht die EU den Prognosen zufolge allerdings nur 43 bis 49 Prozent weniger Emissionen. av/mit dpa

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    Stromspeicher: “Batterien auf Rädern” sollen Milliarden sparen

    Elektrofahrzeuge können einen wichtigen Beitrag zur stabilen Versorgung der Stromnetze mit erneuerbaren Energien leisten, so eine Studie von Fraunhofer ISI und ISE für den Verkehrsverband Transport & Environment (T&E). Der Schlüssel dazu ist die Vehicle-to-Grid-Technologie (V2G), also das bidirektionale Laden, bei dem Autobatterien nicht nur Strom aufnehmen, sondern auch wieder ins Netz abgeben. 

    Bedarf an stationären Batteriespeicher würde massiv sinken 

    Die Möglichkeit der Zwischenspeicherung von Wind- und Solarenergie ist für den Ausbau der erneuerbaren Energien wichtig, um Phasen des Über- und Unterangebots zu puffern. Doch der teure Aufbau einer Großspeicher-Infrastruktur steht erst am Anfang. Laut Studie stellt bidirektionales Laden eine kostengünstige und schnell umsetzbare Alternative dar. 

    Die Forscher gehen davon aus, dass auf diese Weise der Zubau von stationären Batteriespeichern in der EU bis 2040 um bis zu 92 Prozent reduziert werden könnte. Das durchschnittliche Einsparpotenzial liege dadurch allein in Deutschland bei 8,4 Milliarden Euro pro Jahr. EU-weit wären es 22 Milliarden Euro. 

    “Das bidirektionale Laden wird uns kostenlos Batterien auf Rädern zur Verfügung stellen”, sagt Kim Kohlmeyer von T&E. Damit sinke der Druck, Energiespeicher für überschüssigen Wind- und Solarstrom zu bauen. Allerdings brauche es bessere Rahmenbedingungen, so Kohlmeyer. 

    V2G sorgt für eine längere Lebensdauer der Batterien 

    Als problematisch sieht T&E, dass die Automobilindustrie derzeit unterschiedliche technische Ansätze bei V2G verfolgt. Für die Interoperabilität sei es notwendig, dass in Zukunft möglichst jedes Fahrzeug an jedem Ladepunkt geladen und entladen werden kann. Hier seien Vorgaben der Politik notwendig. 

    Die Befürchtung von Elektroautobesitzern, dass sich V2G negativ auf die Batterie auswirkt, ist laut Studie unbegründet. Da die Batterie durch die Technik in einem optimalen Ladezustand gehalten wird, könne sich die Lebensdauer sogar verlängern. ch 

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    Lachgas: Bericht warnt vor Verfehlung von Paris-Zielen

    Wird der Ausstoß von Lachgas nicht eingedämmt, kann das 1,5-Grad-Limit des Pariser Klimaabkommens nicht erreicht werden. Dies geht aus der ersten umfassenden globalen Bewertung des Schadstoffs hervor, die am Donnerstag veröffentlicht wurde. Erstellt wurde das Global Nitrous Oxide Assessment von der Climate and Clean Air Coalition, einem Zusammenschluss von über 180 Regierungen, NGOs und internationalen Organisationen.

    Lachgas (N₂O) ist das am dritthäufigsten vorkommende Treibhausgas und vielfach klimaschädlicher als CO₂. Zudem schädigt Lachgas die Ozonschicht. N₂O-Emissionen entstehen vor allem durch den Einsatz von Kunstdünger und Gülle in der Landwirtschaft. Sie sind laut Bericht seit 1980 weltweit um 40 Prozent gestiegen und würden ohne Gegenmaßnahmen bis 2050 voraussichtlich um 30 Prozent über das Niveau von 2020 ansteigen.

    Die Einsparung von Lachgas ist allerdings herausfordernd. Geschicktere Düngung oder digitale Innovationen können laut dem Agrarwissenschaftler Bernhard Osterburg vom Thünen Institut die Emissionen verringern. Deutschland habe hier bereits Fortschritte erzielt. Osterburg sieht auch die Überdüngung zur Absicherung von Erträgen kritisch. Die EU-Kommission will daher im Rahmen ihrer Farm-to-Fork-Strategie den Einsatz von Düngemitteln bis 2030 um 20 Prozent und Nährstoffverluste um 50 Prozent verringern.

    Globale Maßnahmen zur Verringerung der N₂O-Emissionen könnten bis zum Jahr 2100 das Äquivalent von bis zu 235 Milliarden Tonnen an CO₂-Emissionen vermeiden, heißt es weiter im Bericht. Die Einsparungen überstiegen somit das vom MCC-Institut berechnete Kohlenstoffbudget für das 1,5-Grad-Limit. Umgekehrt hieße das: Ohne Einsparungen scheitert das 1,5-Grad-Limit alleine schon an den Lachgasemissionen. rtr/lb

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    Die Woche im Bundestag: COP29, CO₂-Speicherung und das Verbrenner-Aus

    Am Montag befasst sich Ausschuss für Klimaschutz und Energie in einer öffentlichen Expertenanhörung mit dem Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Beschleunigung von Genehmigungsverfahren für Erdwärmeanlagen, Wärmepumpen und Wärmespeicher. Durch die Verkürzung behördlicher Fristen, die Reduzierung der Anforderungen und die Digitalisierung soll die Verfahrensdauer halbiert werden. 

    Für Mittwoch hat der Ausschuss für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung einen öffentlichen Tagesordnungspunkt zur bevorstehenden Weltklimakonferenz COP29 in Baku angesetzt. Nach einer Unterrichtung durch die Bundesregierung findet ein Gespräch mit Harjeet Singh von der Kampagne für einen Vertrag über die Nichtverbreitung fossiler Brennstoffe und Kira Vinke von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik statt. 

    Kurz darauf beginnt der Ausschuss für Klimaschutz und Energie mit einer öffentlichen Anhörung zur Novelle des Kohlendioxid-Speicherungsgesetzes. Es soll die dauerhafte Speicherung von CO₂ in großem Maßstab ermöglichen und einheitliche Zulassungskriterien für Kohlendioxidleitungen schaffen. 

    Am Donnerstag debattiert der Deutsche Bundestag gleich zweimal das Thema Verbrenner-Aus. Zuerst widmen sich die Abgeordneten dem Antrag “Technologieoffener Klimaschutz im Straßenverkehr” der CDU/CSU-Fraktion. Danach befassen sie sich mit dem BSW-Antrag “Verbrenner-Aus stoppen”. Beide Anträge werden abschließend beraten. 

    Auf der Tagesordnung für Freitag steht schließlich in erster Lesung eine Anpassung des Treibhausgas-Emissionshandelsgesetzes an die geänderte EU-Richtlinie. Der Entwurf der Bundesregierung soll Zuteilungsregeln für Emissionszertifikate vereinfachen. ch 

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    • Digitalisierung

    Must-Reads

    Unser Beton soll grüner werden – Die Zeit
    Heidelberg Materials setzt so viel Kohlendioxid frei wie kein anderer Dax-Konzern. Carola Böttcher beschreibt, wie das Unternehmen sein Zementwerk in Geseke emissionsärmer machen will. Ein wichtiges Element ist eine neue Chemiefabrik, die CO₂ verflüssigen soll, damit es im Boden verpresst werden kann. Zum Artikel

    Kohlendioxidpreis wirkt effektiver als Subventionen – Frankfurter Allgemeine Zeitung
    Die OECD zieht eine positive Bilanz der CO₂-Bepreisung. Die weltweit 75 Steuer- und Emissionshandelssysteme deckten ein Viertel des globalen Ausstoßes ab und hätten sich als wirksam erwiesen – bislang vor allem in Staaten mit hohem Einkommen, schreibt Sabine Balk. Ärmere Länder würden aber nachziehen. Zum Artikel

    Opel-Chef Huettl: Wir investieren weiter in Deutschland – Augsburger Allgemeine
    Das abrupte Ende der Elektroauto-Förderung im vergangenen Jahr kritisiert Opel-Chef Florian Huettl im Interview mit Stefan Stahl. Während sich der Markt in anderen europäischen Ländern weiter positiv entwickele, befinde sich Deutschland seither im Wartestand. Dennoch ist er überzeugt: “Elektroautos sind die besseren Autos.” Zum Artikel

    How Volkswagen Lost its Way in China – The New York Times
    Ein brutaler Preiskampf bei Elektroautos, eine schwächelnde Nachfrage und Menschenrechtsprobleme hätten Volkswagen in China ins Straucheln gebracht. Dabei war das Unternehmen dort 40 Jahre lang Marktführer. Doch heute gelte VW bei vielen Verbrauchern als “König von gestern” und werde mit Gleichgültigkeit gestraft, berichtet Keith Bradsher. Zum Artikel

    Wie das Lieferkettengesetz Unternehmen belastet – Süddeutsche Zeitung
    Pepperl+Fuchs-Chef Gunther Kegel ist Präsident des Verbands der Elektro- und Digitalindustrie und ärgert sich laut Elisabeth Dostert über das deutsche Lieferkettengesetz wie auch das europäische Pendant: zu aufwendig, ohne die Ziele zu erreichen. Vor allem die zivilrechtliche Haftung, die das EU-Gesetz einführt, sieht er kritisch. Zum Artikel

    Die Vision von einem Supermarkt, in dem niemand schlecht aussteigt – Der Standard
    Knapp 800 Mitglieder konnten bereits gewonnen werden für einen nachhaltigen und sozialen Genossenschafts-Supermarkt in Wien namens “Mila” – der Mitmach-Laden. Er soll im ersten Halbjahr 2025 eröffnet werden. Erklärtes Ziel: ein sozialer Gegenentwurf zum profitorientierten Lebensmittelhandel. Denn bei Mila würden die Eigentümer gleichzeitig Mitarbeiter und Kunden sein, so Lukas Kapeller. Zum Artikel

    Standpunkt

    Wie das Lieferkettengesetz zum Erfolg wird

    Von Philipp Türmer und Daniel Schönfelder
    Philipp Türmer (links) und Daniel Schönfelder (rechts).

    Das Lieferkettengesetz ist erneut in aller Munde. Es gelte, das Bürokratiemonster zu erlegen, von Kettensägen und vom Wegmachen wird gesprochen. Die Bedenken sind teilweise berechtigt. Die Analyse ist aber verkürzt und es abzuschaffen, grundlegend falsch. Es braucht einen realistischen Blick auf Stärken, Schwächen und mögliche Verbesserungen. Politik und vor allem sozialdemokratische Politik sollte sich nicht darauf einlassen, Menschenrechte gegen wirtschaftlichen Erfolg auszuspielen. 

    Sozialdemokratie steht für globale Wirtschaft mit fairen Regeln 

    Die globalisierte Wirtschaft bedingt Deutschlands Wohlstand. Aber ohne Regeln für den Wettbewerb setzt sich derjenige durch, der so billig wie möglich produziert – der für Investoren so biegsam wie möglich ist. Wer die geringsten Arbeitsstandards anbietet, wer die meisten Umweltzerstörungen erlaubt, wer das Kapital mit Steuerdumping anlockt. Diesen zerstörerischen Wettbewerb können soziale Demokratien nicht gewinnen. Sozialdemokraten glauben an eine Wirtschaftsordnung, die auf Respekt und Solidarität fußt. Respekt für die Leistungen anderer Menschen, die fair entlohnt werden müssen. Solidarität für die Menschen, die in Notsituationen im kapitalistischen Wettbewerb unter die Räder geraten. Um das auch in einer globalisierten Wirtschaft sicherzustellen, braucht es faire Regeln. 

    Das Lieferkettengesetz hat bereits positive Wirkung entfaltet 

    Das deutsche Lieferkettengesetz (LkSG) adressiert genau diese Missstände. Und erste Erfolge zeigen sich bereits. Gewerkschaftsvertreter aus Bangladesch etwa berichten, dass das Gesetz ihre Stimme stärkt und Käuferunternehmen sie jetzt deutlich ernster nehmen. Der Economist berichtete, das LkSG habe die Gewerkschaftsbildung in den südlichen US-Bundesstaaten unterstützt. Ausgebeutete Lkw-Fahrer in Deutschland konnten sich auf das LkSG berufen, um ihnen vorenthaltene Löhne zu bekommen. Die chinesische Arbeitsrechts-NGO China Labour Bulletin berichtet, dass das deutsche Gesetz ihnen bei der Bekämpfung von Ausbeutung hilft. Die Textil-NGO Inkota aus Indien beruft sich auf das Lieferkettengesetz, um die Rechte von Textilarbeiterinnen zu stärken. Die Behauptung, beim Lieferkettengesetz würde nur zusätzliche Bürokratie verursacht ohne tatsächlich positive Auswirkungen, lässt sich also nicht aufrechterhalten. 

    Es gibt Potenzial für Verbesserungen des Gesetzes 

    Gleichzeitig gibt es Ansatzpunkte, um das Lieferkettengesetz zu verbessern. Die Anwendungspraxis vieler Unternehmen verfolgt aktuell einen “One-size fits all”-Ansatz: Alle Unternehmen füllen die gleichen Standardfragebögen aus, egal ob es um T-Shirts, Bananen oder Maschinenbaukomponenten geht. Mit sogenannten “Supplier Code of Conducts” versuchen marktmächtige Unternehmen, alle Risiken und Verantwortung auf kleinere Zulieferer abzuwälzen. Diese Praxis beruht auf einer Fehlinterpretation des Gesetzestextes, wie das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) auch bereits klargestellt hat. Trotzdem wäre hier eine gesetzliche Klarstellung wünschenswert, um kleine und mittlere Unternehmen nicht übermäßig zu belasten.

    Deutschland sollte das Lieferkettengesetz wohlüberlegt überarbeiten, sodass es dem eigentlichen Ziel, Menschenrechte wirksam zu schützen und internationale Standards zu setzen, wirksam dient, ohne aber überflüssigen bürokratischen Aufwand zu verursachen. Die Erfahrungen der vergangenen zwei Jahre können dafür eine gute Grundlage sein. Fragebögen müssen zielgenauer auf branchentypische Risikoszenarien eingehen. Das reduziert auch den Verwaltungsaufwand für die Unternehmen, denn solche Fragebögen können kürzer und gleichzeitig relevanter auf konkrete Risikosituationen und Gegenmaßnahmen eingehen. Für Branchen, die sich als besonders anfällig für Menschenrechtsverletzungen gezeigt haben, könnten das BAFA und die Ministerien spezifischere Standards vorgeben, inklusive Fragebögen und Empfehlungen für Maßnahmen zur Verbesserung der Lieferkette.

    Zusätzliche Entlastungen für KMU würden helfen

    Zusätzliche Entlastungen für kleine und mittlere Unternehmen würden ebenfalls helfen. Dazu zählen etwa Standards für fairere Vertragsklauseln, die auf Kooperation und gemeinsame Verantwortung anstatt auf Abwälzung setzen. Klarere Vorgaben dazu, welche Rolle KMU-Zulieferer im Sorgfaltspflichtenprozess einnehmen, braucht es ebenfalls – etwa zum Zusammenwirken von Käufer und Zulieferer bei der Risikoanalyse, bei Maßnahmen zur Bewältigung von Verletzungen und beim Zugänglichmachen von Beschwerdemechanismen.  

    Zudem sollte berücksichtigt werden, wie das Lieferkettengesetz mit anderen Nachhaltigkeitsgesetzen zusammenwirkt. Hier gilt es, Doppelbelastungen durch Parallelstandards zu vermeiden und für einheitliche Prozesse und Synergien zu sorgen. Es braucht nicht eine Risikoanalyse nach dem LkSG und eine Wesentlichkeitsanalyse nach der CSRD, sondern gemeinsame Prozesse. In Polen wird zum Beispiel gefordert: CSRD und CSDDD sollen gemeinsam und aufeinander abgestimmt umgesetzt werden: nicht nur ein Bericht, sondern auch eine Risikoanalyse. 

    Das Lieferkettengesetz kann Wettbewerbsvorteil sein 

    Lieferkettengesetze haben das Potenzial, weltweit Ausbeutung zu bekämpfen. Kluge Anpassungen können die bürokratische Belastung senken, ohne die Wirkung infrage zu stellen. Eine ersatzlose Streichung bis zu einer Umsetzung der Europäischen Lieferkettenrichtlinie wäre falsch. Deutschland hat einen First-Mover-Vorteil: Indem die Bundesregierung und die deutsche Wirtschaft und Zivilgesellschaft innovative Umsetzungslösungen entwickeln, können sie Umsetzungsstandards definieren, an denen sich ganz Europa orientiert. Gut umgesetzt, kann dies ein klarer Wettbewerbsvorteil auch für hiesige Unternehmen sein. Eine Aussetzung des Lieferkettengesetzes würde demgegenüber Unternehmen bestrafen, die jetzt bereits Strukturen zur Umsetzung geschaffen haben. Je frühzeitiger die Bundesregierung eine nationale Gesetzgebung zur Umsetzung der Europäischen Richtlinie schafft, desto besser für Unternehmen, die langfristige Planungssicherheit brauchen und für die effektive Durchsetzung von Menschenrechten entlang der gesamten Lieferkette.

    Philipp Türmer ist Bundesvorsitzender der Jusos. Daniel Schönfelder arbeitet als Lead European Legal Advisor beim Responsible Contracting Project.

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    ESG.Table Redaktion

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