der Rat für Nachhaltige Entwicklung braucht einen neuen Generalsekretär. Wie Marc-Oliver Pahl uns bestätigt hat, wird er das Gremium Ende des Jahres verlassen, nach fast fünf Jahren. Was genau er ab 2025 macht, könne er noch nicht verraten – das grobe Ziel steht aber schon fest. Mehr dazu in unseren News.
Eine andere Nachricht kam gestern aus Karlsruhe. Wie der Bundesgerichtshof entschied, darf Katjes seine “Grün-Ohr-Hasen” nicht mehr als “klimaneutral” bewerben. Warum das Unternehmen ohnehin schon auf das Label verzichtet hat, erklären Lisa Kuner und Nicolas Heronymus.
Außerdem blicken wir nach England. Dort stehen Wahlen an – und Philippa Nuttall ist der Frage nachgegangen, welche Rolle die Transformation darin spielt.
Und dann möchte ich Ihnen noch unseren Podcast Table.Today empfehlen. Am morgigen Samstag ist Alexander Birken zu Gast, der Vorstandschef der Otto Group. Seine Plattform Otto.de will sich unter anderem durch eine Ausrichtung auf Nachhaltigkeit von der Konkurrenz absetzen – das ist aber nicht so leicht. Die Kunden möchten Birken zufolge zwar das gute Gefühl eines nachhaltigen Produkts haben. Zugleich seien sie vielfach jedoch nicht bereit, mehr dafür auszugeben. Eine Verkleinerung des Angebots auf ausschließlich nachhaltige Waren kommt für ihn nicht infrage. “Wir wollen kein Nischenplayer werden, sondern auch im Massenmarkt das Thema Nachhaltigkeit vorantreiben”, sagt Birken.
Hören Sie doch mal rein.
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat die Werbung des Süßwarenherstellers Katjes mit dem Begriff “klimaneutral” für irreführend erklärt. Das Unternehmen darf seine Produkte also nicht mehr auf diese Weise vermarkten. Katjes hatte allerdings schon vor dem Urteil darauf verzichtet.
Geklagt hatte die Wettbewerbszentrale dagegen, dass Katjes seine “Grün-Ohr-Hasen” mit dem Slogan bewirbt: “Seit 2021 produziert Katjes alle Produkte klimaneutral.” Ihr Argument: Es bestehe die Gefahr, dass der Begriff so verstanden würde, als dass der Herstellungsprozess selbst klimaneutral sei. Deshalb brauche es zumindest die Ergänzung, dass Klimaneutralität durch Kompensation entstehe.
In seinem Urteil gibt der BGH der Wettbewerbszentrale nun recht. Der Begriff könne “sowohl im Sinne einer Reduktion von CO₂ im Produktionsprozess als auch im Sinne einer bloßen Kompensation von CO₂ verstanden werden”, heißt es in der Pressemitteilung des Gerichts. Gleichzeitig sei die Irreführungsgefahr bei umweltbezogener Werbung sehr groß, weshalb besonderer Aufklärungsbedarf bestünde.
Um “klimaneutral”-Siegel auf Produkten gibt es schon länger Streit. Der Vorwurf: Die Siegel würden den Verbraucher irreführen und suggerieren, dass bei der Produktion der Produkte keine Emissionen entstanden sind. “Klimaneutralitätssiegel sind unhaltbar”, sagt dazu Carsten Warnecke vom Thinktank New Climate Institute zu Table.Briefings. Die Siegel hätten keine Aussagekraft darüber, welche Anstrengungen Firmen zum Klimaschutz unternehmen, weil sie nichts über Emissionsreduzierung und Restemissionen aussagen. Stattdessen sollten Unternehmen ihre Bemühungen detaillierter und transparenter kommunizieren. Dass Katjes inzwischen – anders als die Konkurrenz – fast ausschließlich vegane Fruchtgummis produziere, sei sicher ein Schritt in die richtige Richtung, das Siegel “klimaneutral” dagegen nicht. Der Begriff ergebe für Staaten Sinn, die Restemissionen durch Kohlenstoffsenken ausgleichen könnten, für Produkte allerdings nicht, so Warnecke.
Ende 2023 haben etwa die Verbraucherzentralen Klimaaussagen auf 87 Produkten untersucht. Sie registrierten dabei eine Vielzahl von unterschiedlichen Siegeln und Formulierungen und kamen zu dem Ergebnis, dass eine “sichere Beurteilung der Aussagekraft und Zuverlässigkeit von Klimaaussagen durch Verbraucher:innen derzeit nahezu unmöglich” sei. “Wir müssen uns von der naiven Annahme verabschieden, dass freiwillige Initiativen zur Selbstregulierung für Klimaschutz sorgen”, meint Warnecke. “Stattdessen brauchen wir staatliche Regulierung”.
Noch vor der Entscheidung im Katjes-Fall hatte die EU bereits Klarheit geschaffen: Ende März 2024 trat ein Gesetz gegen Greenwashing in Kraft, durch das irreführende Werbung mit Umweltversprechen verboten wird. Produkte, die Emissionen durch Kompensation ausgleichen, dürften dann beispielsweise nicht mehr als “klimaneutral”, “zertifiziert CO₂-neutral” oder “CO₂-positiv” bezeichnet werden. Die Staaten haben nun zwei Jahre Zeit, diese Regelung in nationales Recht umzusetzen. “Auf Produkten wird der Claim klimaneutral dann wohl nicht mehr verwendet werden”, meint Johanna Wurbs vom Umweltbundesamt zu Table.Briefings.
Mit der Green-Claims-Regelung der EU sollen Werbeaussagen außerdem in Zukunft vergleichbarer und zuverlässiger werden; über sie wird demnächst im EU-Parlament diskutiert. Agnes Sauter von der Deutschen Umwelthilfe (DUH) hofft, dass eine ambitionierte Fassung der Green-Claims-Regulierung verabschiedet wird. Insbesondere sei dafür wichtig, dass die ex ante Verifizierung von solchen Behauptungen realisiert werde. Das bedeutet, dass Claims vor Veröffentlichung von unabhängigen Prüfstellen gegengecheckt werden.
Gleichzeitig soll der Begriff Klimaneutralität an robuste Standards geknüpft werden. Dazu wurde Ende 2023 die ISO 14068-1 Norm zu “carbon neutrality” veröffentlicht. “Eine wichtige Richtlinie”, meint Wurbs. “Erstmals wird Klimaneutralität damit weltweit als Standard definiert”. Zwar sei die Diskussion innerhalb der EU auf Produktebene weitgehend beendet, auf Unternehmensebene gehe sie aber weiter. Für das Umweltbundesamt hat die Norm aber auch Schwächen. In einem Factsheet schreibt es beispielsweise, theoretisch könnten auch “Unternehmen mit hohen THG-Emissionen und Unternehmen mit einem auf fossiler Energienutzung basierenden Geschäftsmodell die Norm erfüllen”.
Der deutsche Gesetzgeber drücke sich – anders als die EU – davor, eine aktive Rolle einzunehmen, um diese Missstände anzugehen, meint Warnecke. Es entstehe der Eindruck, die Verbraucherschutzministerien überließen es Verbänden wie der Deutschen Umwelthilfe (DUH), mit viel Aufwand und Ressourcen Klagen gegen Unternehmen zu führen, und schauten selbst nur zu.
Gegen Katjes hat im aktuellen Fall aber nicht die DUH geklagt, sondern die Wettbewerbszentrale, die sich für fairen Wettbewerb einsetzt. Obwohl es inzwischen die neuen gesetzlichen Regelungen gibt, legte die Wettbewerbszentrale im Fall Katjes Revision vor dem BGH ein. “Wir wollen damit mehr Rechtssicherheit für die Werbung mit umweltbezogenen Begriffen schaffen”, erklärte Ulrike Gillner von der Wettbewerbszentrale vor dem Urteil im Gespräch mit Table.Briefings. Klimaneutralität sei ein unscharfer Begriff, daraus gehe nicht hervor, ob Unternehmen tatsächlich selbst Treibhausgase einsparen oder bloß Zertifikate kaufen.
Bisher hatten deutsche Gerichte zur Verwendung des Siegels “klimaneutral” unterschiedlich geurteilt. Im Juli 2023 entschied beispielsweise das Landgericht Karlsruhe, dass die Drogeriemarktkette “dm” bestimmte Seifen damit nicht bewerben darf. Im selben Monat hatte das Oberlandesgericht Düsseldorf allerdings Katjes erlaubt, seine Produkte weiterhin mit dem Label “klimaneutral” anzupreisen. Aus Sicht des BGH zu Unrecht: Ein Unterschied zwischen den Fällen ist zwar, dass Katjes auf die Website des Zertifizierers Climate Partner verwiesen hat, wo sich die Kriterien zur Zertifizierung nachlesen lassen – während dieser Hinweis bei dm fehlte. Nach Auffassung des Gerichts muss “bereits in der Werbung selbst erläutert werden, welche konkrete Bedeutung” des Begriffs “klimaneutral” entscheidend ist.
“dm” hatte schon während des Verfahrens reagiert und erklärt, Produkte in Zukunft nicht mehr so bewerben zu wollen. Auch die Drogeriemarktkette Rossmann hatte sich schon Anfang 2023 entschieden, nicht mehr mit Klimaneutralität zu werben. “Das Label ist im Grunde tot“, hatte Geschäftsführer Raoul Roßmann damals der Zeit erklärt. Selbst der Zertifizierer Climate Partner scheint das so zu sehen: Er hat den Begriff “klimaneutral” inzwischen durch das Label “Finanzieller Klimabeitrag” ersetzt. Mitarbeit: Nicolas Heronymus
Vor den britischen Parlamentswahlen am 4. Juli haben mehr als 400 Wissenschaftler die Vorsitzenden der politischen Parteien aufgefordert, “sich zu einem ehrgeizigen klimapolitischen Programm zu verpflichten”. Doch im Wahlkampf zeigten die Parteien bislang nur wenig Klima-Ehrgeiz. Einzig die britischen Grünen haben den Klimawandel zu einem zentralen Thema ihrer Kampagne gemacht. Umfragen sehen sie aber nur bei sechs Prozent der Stimmen und maximal vier Sitzen im Unterhaus.
Für die beiden großen Parteien – die noch regierenden Konservativen und die derzeitige Labour-Opposition – dominieren Themen wie Einwanderung, Lebenshaltungskosten und der Zustand des nationalen Gesundheitsdienstes. Labour könnte Umfragen zufolge über 40 Prozent der Stimmen auf sich vereinen. Dieser Anteil würde vermutlich leicht für eine absolute Mehrheit im Parlament reichen.
Labours wichtigster Wahlkampfschwerpunkt mit Klimabezug ist die Energiewende. Die Partei verspricht, Großbritannien zu einer “Supermacht für saubere Energie” zu machen. Herzstück soll ein neues staatliches Energieunternehmen namens “Great British Energy” (GBE) werden. Finanzierungsvolumen in der nächsten Legislaturperiode: 8,3 Milliarden britische Pfund. GBE werde Großbritannien helfen, die Onshore-Windkapazität zu verdoppeln, die Solarenergiekapazität zu verdreifachen und die Offshore-Windkapazität zu vervierfachen, so Labour.
Zusätzliche 6,6 Milliarden Pfund will Labour investieren, um die Energieeffizienz von fünf Millionen Haushalten zu verbessern. Ein “Warm Home Plan” soll Zuschüsse und zinsgünstige Darlehen für Isolierung und andere Maßnahmen wie Solarmodule und Batterien anbieten, um den weit verbreiteten Sorgen der Bevölkerung bezüglich steigender Lebenshaltungskosten durch Klimamaßnahmen zu begegnen.
Wie Labour die Pläne finanzieren will, ist noch unklar. Ursprünglich hatte die Partei angekündigt, jährlich 28 Milliarden Pfund für grüne Energie auszugeben. Im Februar kündigte sie jedoch an, diese Summe aus Gründen der Haushaltsdisziplin deutlich zu kürzen. Schuld sei die konservative Regierung, welche den Staatshaushalt in einem schlechten Zustand hinterlasse.
Die jetzige Regierung hatte sich verpflichtet, die Stromversorgung bis 2035 vollständig zu dekarbonisieren, sofern die Versorgungssicherheit gewährleistet ist. Dennoch kritisierten Experten für erneuerbare Energien die konservative Regierung, weil sie an einem Verbot von Onshore-Windkraftanlagen festhielt und Lizenzen für die Ausbeutung neuer Öl- und Gasfelder in der Nordsee genehmigte.
Labour will die Dekarbonisierung der Energieversorgung fünf Jahre früher erreichen. Claire Coutinho, jetzige Ministerin für Energie und Netto-Nullenergie, behauptete, dieses Versprechen würde “fast 100 Milliarden Pfund” mehr kosten als die Pläne ihrer eigenen konservativen Partei. Chris Stark, ehemaliger Vorsitzender des offiziellen Beratergremiums Climate Change Committee, sagte hingegen, das Ziel einer sauberen Energieversorgung sei erreichbar, aber Labour müsse im Falle einer Wahl “alles dafür tun”.
Ähnlich sieht es bei der Frist für den Verbrenner-Ausstieg aus: Nachdem der konservative Premierminister Rishi Sunak diese Frist auf 2035 verschoben hatte, will Labour nun wieder zurück zum ursprünglich avisierten Jahr 2030. Diese Ankündigung deckt sich mit den Plänen der Liberaldemokraten, die als Koalitionspartner infrage kommen würden, sollte es für keine Labour-Mehrheit reichen.
In Bezug auf die Klima- und Naturpolitik insgesamt sieht Greenpeace die Grüne Partei an erster Stelle, gefolgt von den Liberaldemokraten und erst dann der Labour-Partei. Einer der Gründe, warum Labour vergleichsweise schlecht abschneidet (20,5 von 40 Punkten gegenüber 39 für die Grünen und 31,5 für die Liberaldemokraten), ist die heikle Frage, wie die Partei von Keir Starmer ihre Versprechen finanzieren will.
“Ihre Investitionen in den grünen Wandel gehen nicht weit genug”, sagt Greenpeace. “Mit Kleingeld kann man keinen echten Wandel herbeiführen. Die Sanierung unserer bröckelnden öffentlichen Dienste, die Wiederherstellung der Natur und die Unterstützung gefährdeter Gemeinden, die mit den Auswirkungen des Klimawandels konfrontiert sind, erfordern mehr staatliche Investitionen.”
Doch Labour tut sich schwer, weitere Mittel für höhere Ausgaben zu finden. Insgesamt müsse man im Labour-Manifest nicht “nach großen Zahlen suchen”, kommentierte Paul Johnson, Direktor der Forschungseinrichtung “Institute for Fiscal Studies”, die Ankündigungen zur Haushalts- und Steuerpolitik. Das größte Versprechen im Hinblick auf den viel gerühmten “grünen Wohlstandsplan” beläuft sich auf nicht mehr als fünf Milliarden Pfund pro Jahr, die zum Teil durch Kreditaufnahme und zum Teil durch eine Übergewinnsteuer auf Öl- und Gasgewinne finanziert werden sollen.
Die konservativen Tories, die laut der Vorhersagen mit den Liberaldemokraten um die Position als größte Oppositionspartei kämpfen, plädieren für einen “pragmatischen” Umgang mit dem Klimawandel. Labours geplanter Energiepolitik spricht Ministerin Coutinho solchen Pragmatismus ab. Auf der Plattform “X” sah sie darin “verrückte Pläne”, die eine “Bedrohung für Tausende von Arbeitsplätzen und die Energiesicherheit des Vereinigten Königreichs” darstellen würden.
Radikaler als die Tories zeigt sich hingegen die rechtsextreme Partei Reform UK unter Nigel Farage. Sie würde Pläne für Net-Zero komplett streichen. Wie viele Sitze Reform UK erhalten könnte, ist unklar. Die Vorhersagen für den Stimmenanteil liegen bei ungefähr 15 Prozent.
Sollten sie die einschlägigen Gesetze nicht ändern, würden die Wahlgewinner aufgrund des Klimaschutzgesetzes von 2008 auf jeden Fall Maßnahmen ergreifen müssen. Das Gesetz verpflichtet die Regierung, fünfjährige Kohlenstoffbudgets einzuhalten. Im Mai gewannen die Non-Profit-Organisationen ClientEarth, Friends of the Earth und das Good Law Project eine Klage vor dem Obersten Gerichtshof. Dieser stellte fest, dass die derzeitige Strategie zum Kohlenstoffbudget gegen das Klimawandelgesetz verstößt. Auch der Vorgänger des Plans wurde von den Gerichten als rechtswidrig eingestuft. Philippa Nuttall
Der Generalsekretär des Rats für Nachhaltige Entwicklung (RNE), Marc-Oliver Pahl, gibt seinen Posten Ende des Jahres auf. Das bestätigte Pahl auf Anfrage von Table.Briefings. Demnach wolle er im kommenden Jahr zurück nach Nordrhein-Westfalen gehen und für die dortige Landesregierung arbeiten. Angaben zu seiner neuen Tätigkeit könne er noch nicht machen, sagt Pahl. Als Beamter von NRW sei er für die Aufgaben in Berlin beim Rat für Nachhaltige Entwicklung beurlaubt und nutze nun sein Rückkehrrecht.
Pahl ist seit März 2020 Generalsekretär des RNE. Zuvor war er neun Jahre lang in Düsseldorf Referatsleiter Nachhaltige Entwicklung und Umwelttrends im Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft, Naturschutz und Verbraucherschutz von NRW. Sein Vorgänger beim RNE, Günther Bachmann, hatte den Posten 19 Jahre inne – so lange hätte er, Pahl, den Job aber ohnehin nie machen wollen. Er rechnet damit, dass die freiwerdende Stelle in Kürze neu ausgeschrieben wird.
Zusammen mit seiner Geschäftsstelle unterstützt der Generalsekretär den Rat für Nachhaltige Entwicklung, der wiederum die Bundesregierung zur Nachhaltigkeitspolitik berät. Dem Rat gehören 15 Personen des öffentlichen Lebens an. Der Ratsvorsitzende ist Reiner Hoffmann. maw
Nur in einem Punkt geht es mit der Energiewende in Deutschland gut voran: Beim Ausbau des Stroms aus erneuerbaren Energien, der im vorigen Jahr 51,6 Prozent des deutschen Verbrauchs ausmachte (grünes Symbol in der Grafik). In allen anderen Bereichen, warnt die Expertenkommission zum Energiewende-Monitoring in ihrem am Mittwoch vorgestellten Bericht, sei unsicher, ob die Ziele erreicht werden (gelb) oder eine Verfehlung wahrscheinlich ist (rot). “Eine sichere und preisgünstige Energieversorgung bei gleichzeitiger Erreichung der Klimaschutzziele in Deutschland bis 2045 ist kein Selbstläufer”, sagte der Kommissionsvorsitzende Andreas Löschel.
Dringend müssten vor allem die Netze für Strom und Wasserstoff ausgebaut werden. Auch müssten mehr als die bislang geplanten zehn bis 15 GW an Gaskraftwerken (die auf Wasserstoff umzurüsten sind) gebaut werden und ein Kapazitätsmarkt etabliert werden. Beim dringend benötigten Ausbau der Stromleitungen könne es Kosten sparen, wieder auf Freileitungen statt auf Erdkabel zu setzen. Mit den richtigen politischen Leitplanken werde der Kohleausstieg durch steigende Preise schon gegen 2030 kommen, dringend nötig seien der Ausbau der Wasserstoff-Infrastruktur und Importpläne für den Energieträger.
Die Kommission lobte die Bundesregierung für die Finanzierung der EEG-Umlage aus staatlichen Mitteln und die Senkung der Stromsteuer für Gewerbe. Diese Steuer müsse aber auch für private Verbraucher sinken, um den Umstieg auf elektrische Mobilität und Wärme zu erleichtern. Nötig sei eine “CO₂-basierte Energiepreisreform“, die fossile Energien teurer und erneuerbare billiger mache. bpo
Insgesamt fünf Umweltverbände wollen zusammen mit einigen Einzelpersonen vor das Bundesverfassungsgericht ziehen, um gegen das novellierte Klimaschutzgesetz (KSG) und die Klimaschutzpolitik der Bundesregierung zu klagen. Beteiligt sind die Deutsche Umwelthilfe (DUH), Germanwatch, Greenpeace, der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) und der Solarenergie-Förderverein Deutschland (SFV). Das novellierte Klimaschutzgesetz ist Mitte Mai von der Bundesregierung beschlossen worden, aber noch nicht rechtskräftig. Im letzten Schritt fehlt noch die Unterschrift von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. Die Verbände fordern ihn auf, die Gesetzesänderung nicht zu unterschreiben. Andernfalls wollen sie Verfassungsbeschwerden einlegen.
“Aktuell droht eine Vollbremsung in der Klimapolitik”, sagt Anwältin Roda Verheyen, die Germanwatch und Greenpeace juristisch vertritt. Die aktuelle Politik der Bundesregierung sei das Gegenteil von dem, was das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) 2021 mit seinem historischen Urteil für mehr Klimaschutz gewollt habe. In seiner damaligen Entscheidung hatte das BVerfG geurteilt, dass eine ehrgeizige Klimapolitik nötig sei, um die Freiheitsrechte künftiger Generationen zu schützen. Die Umweltverbände sind der Auffassung, dass das novellierte KSG unter anderem durch die Abschaffung der Sektorziele dagegen verstößt. Zudem müsse die Regierung nach dem neuen Gesetz erst viel zu spät auf eine unzureichende Klimapolitik reagieren. So müssten zum Beispiel dem novellierten Gesetz zufolge in der laufenden Legislaturperiode keine weiteren Klimaschutzmaßnahmen mehr beschlossen werden, obwohl der Expertenrat für Klimafragen Anfang Juni festgestellt hatte, dass die Klimaziele bis 2030 derzeit nicht eingehalten werden.
Konkret kündigt das Bündnis drei verschiedene Verfassungsbeschwerden an, die sich inhaltlich ähneln. “Es ist eine Medaille mit zwei verschiedenen Seiten”, sagt Remo Klinger, der die DUH in diesem und anderen Verfahren repräsentiert. Auf der einen Seite verstoße das neue KSG gegen den Beschluss des BVerfG, auf der anderen Seite wendeten sich die Verfassungsbeschwerden auch gegen bestimmte Klimaschutzmaßnahmen, die unzureichend seien, zum Beispiel im Verkehrssektor. An der Verfassungsbeschwerde von Greenpeace und Germanwatch können sich auch Privatpersonen beteiligen. Die DUH sammelt symbolisch Unterschriften, um ihre Verfassungsbeschwerde zu unterstützen. seh
Sozialunternehmen spielen in Deutschland eine zunehmend größere Rolle. Trotzdem fühlen sich die Gründerinnen und Gründer häufig weiter unverstanden und nicht ausreichend unterstützt. Zu diesem Fazit kommt eine nicht repräsentative Umfrage unter 329 Sozialunternehmen, die das Social Entrepreneurship Netzwerk Deutschland (SEND) zusammen mit Partnern wie der Bertelsmann Stiftung, SAP und der Uni Magdeburg für den “Deutschen Social Entrepreneurship Monitor 2024″ durchgeführt hat.
Die größte Herausforderung ist demnach die Finanzierung. Anders als herkömmliche Start-ups sind Sozialunternehmen oft auf Spenden und öffentliche Gelder angewiesen. Um sich etablieren und wachsen zu können, bräuchten sie jedoch Finanzinstrumente, die langfristig angelegt und auf ihre Bedürfnisse ausgerichtet sind – sowie Investoren, die keine Maximierung der Gewinne und ihrer Rendite erwarten.
Daran fehle es aber laut der Erhebung. 69 Prozent der Befragten wünschen sich deshalb von der Politik spezifische Angebote und warten den Autoren zufolge “mit großer Spannung” auf die Umsetzung der Nationalen Strategie für Soziale Innovationen und gemeinwohlorientierte Unternehmen. Diese wurde im Herbst 2023 veröffentlicht und sieht eine Öffnung bestehender öffentlicher Programme vor. Außerdem bräuchte es ihrer Meinung nach eine “strukturelle Verankerung” und eigene Referate im Bundeswirtschafts- und Bundesforschungsministerium sowie “ressortübergreifende Leitungsrunden zwischen verschiedenen Ministerien”.
Als Social Entrepreneurs verstehen sich Firmen, die gesellschaftliche Missstände mit unternehmerischen Mitteln anpacken wollen, was, laut Definition von SEND, in innovativen Lösungen resultiert. Dem neuen Monitor zufolge, der alle zwei Jahre neu erhoben wird, sind aktuell 31 Prozent in der Bildungsarbeit tätig und 22 Prozent im Sozial- und Gesundheitswesen. 41 Prozent von ihnen adressieren Kinder und Jugendliche, 33 Prozent zielen auf Frauen und Mädchen ab, 30 Prozent auf Personen mit Migrationsgeschichte. maw
Die EU-Kommission wird heute über den aktuellen Stand ihres Anti-Dumping-Verfahrens gegen China berichten. Dem Land wird vorgeworfen, Biodiesel zu künstlich niedrigen Preisen in die EU zu exportieren.
Sollte sich der Verdacht bestätigen, wäre dies ein Verstoß gegen internationales Handelsrecht. Ähnlich wie im Fall der Elektroautos aus chinesischer Produktion könnte die EU dann Strafzölle gegen China verhängen.
Biodiesel gilt als umweltfreundliche Alternative zu fossilen Kraftstoffen und spielt eine wichtige Rolle bei der Verkehrswende. Ein großer Teil davon wird aus gebrauchten Ölen und Fetten gewonnen. Darüber hinaus wird in Europa in großem Umfang Raps für die Biodieselproduktion angebaut. Den Wert des jährlich in der EU gehandelten Biodiesels beziffert die Kommission auf rund 31 Milliarden Euro. Ein wachsender Teil davon kommt aus China.
Auslöser des Antidumping-Verfahrens war eine Beschwerde des European Biodiesel Board (EBB). Der Branchenverband hatte sich im November 2023 an die EU-Kommission gewandt und Wettbewerbsverzerrungen beklagt. Daraufhin wurde Ende Dezember ein offizielles Untersuchungsverfahren eingeleitet. In einem Schreiben von Anfang Juni dieses Jahres drängte der Verband noch einmal auf ein sofortiges Handeln der Kommission.
“Die EU muss jetzt handeln, um den Zusammenbruch der EU-Industrie und des vorgelagerten Agrarsektors sowie dramatische Auswirkungen auf die Beschäftigung in der gesamten EU zu verhindern”, heißt es in dem Papier.
So hätten unfaire Importe aus China die Erlöse der Rapsbauern von rund 625 Euro auf etwa 410 Euro pro Tonne gedrückt. “Die EU kann nicht zulassen, dass die Nachfrage nach Produkten, die zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen im gesamten Verkehrssektor benötigt werden, durch unfaire und möglicherweise betrügerische Importe gedeckt wird – jetzt und in Zukunft”, so der EBB.
In der Biodieselbranche arbeiten EU-weit rund 3.700 Menschen. ch
Zunächst berichtet die Bundesregierung am Mittwochmorgen im Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung zum Sustainable Development Goal 6 der UN-Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung. Ziel von SDG 6 ist es, einen nachhaltigen und inklusiven Zugang zu sauberem Wasser, Sanitärversorgung und Hygiene für alle zu erreichen.
In diesem Zusammenhang finden Gespräche mit Sareen Malik vom African Civil Society Network on Water and Sanitation (ANEW) und Alexia Knappmann, die für das WASH-Netzwerk und Water Aid arbeitet, statt.
Am Mittwochvormittag befasst sich der Ausschuss für Klimaschutz und Energie dann mit einem Antrag der CDU/CSU-Fraktion. Danach sollen ungenutzte Potenziale der Wärme aus Abwasser erschlossen werden. Studien zufolge könnten bis zu 15 Prozent des Wärmebedarfs im Gebäudesektor durch Abwasserwärme gedeckt werden.
Am Mittwochnachmittag widmet sich der Tourismusausschuss dem Thema “Mobilitätswende im Tourismus – Wie stellen sich die Mobilitätsdienstleister der wachsenden Nachfrage nach nachhaltiger Mobilität?”. Themenschwerpunkte sind unter anderem die Anbindung ländlicher Räume an den Schienenverkehr und die Mobilität vor Ort, insbesondere die erste und letzte Meile.
Am Mittwochabend tagt schließlich traditionell der Parlamentarische Beirat für nachhaltige Entwicklung. Diesmal steht ein Fachgespräch zum Thema “Nachhaltiger Tourismus” auf dem Programm.
Die Tagesordnungen der Plenarsitzungen vom 3. bis 5. Juli lagen zu Redaktionsschluss noch nicht vor. Die relevanten Tagesordnungspunkte werden in der Mittwochsausgabe nachgereicht. ch
Der neue Preis des Fliegens – FAZ
Die Lufthansa erhebt seit dieser Woche für Starts in der EU, Großbritannien, Norwegen und der Schweiz einen Preisaufschlag für die wachsenden Umweltauflagen. Mit den Plänen der EU-Kommission könnte sich der Preis noch weiter erhöhen, schreibt Dyrk Scherff. Fluglinien sollen demnach für Nicht-CO₂-Emissionen zahlen. Die Kommission werde 2027 einen Vorschlag machen, wie diese in den Emissionshandel integriert werden können. Zum Artikel
Europe’s largest renewable producer scales back plans for wind and solar plants – Financial Times
Der staatliche norwegische Stromproduzent Statkraft schrumpft seine Pläne zum Ausbau von Windkraft, Solar und Batterien. Damit folgt der größte europäische Produzent erneuerbarer Energie einem größeren Trend. Erneuerbarer Strom sei zu billig, damit Investitionen sich bei steigenden Kosten lohnen, schreiben Rachel Millard and Mari Novik. Zum Artikel
Investors and activists demand an end to funding for lobby groups that oppose climate legislation – Green Biz
Investoren und Aktivisten üben Druck auf Unternehmen aus, ihre Lobbyarbeit und -finanzierung im Hinblick auf deren Haltung zu Klimaschutzgesetzen zu überprüfen. Hintergrund sind wachsende Widersprüche zwischen Unternehmenszielen zur CO2-Reduktion und der Lobbyarbeit von Industrieverbänden wie der US-Handelskammer, die sich häufig gegen Klimaschutz ausspricht. Zum Artikel
Folge der Konzernverantwortungsinitiative – Kinderarbeit wird “so weit wie möglich” vermieden – Baseler Zeitung
Seit diesem Jahr müssen große Konzerne in der Schweiz berichten, wie sie mit Kinderarbeit, Umweltverschmutzung und Korruption umgehen. Diese Regeln sollen nun auf kleinere Firmen ausgedehnt werden. Charlotte Walser und Konrad Staehelin haben sich angesehen, was sie bisher bewirkt haben. Zum Artikel
Europe Needs an Industrial Development Fund – Project Syndicate
Der frühere polnische Umweltminister Marcin Korolec spricht sich in Ergänzung zum Green Deal der EU für einen “Industrial Deal” aus. Statt sich an der Agenda der Rechtspopulisten zu orientieren und Themen wie Migration zu diskutieren, solle Europa der Industriepolitik der USA und Chinas folgen und entsprechende Förderprogramme auflegen, um die Transformation zu einer ökologisch nachhaltigen Wirtschaft zu unterstützen. Zum Artikel
AI Obsession Obscures Bigger Promise of Climate Tech – Bloomberg
Während hohe Summen für die Klimafinanzierung benötigt werden, ist es die KI, die die Aufmerksamkeit der Investoren auf sich zieht, kritisiert Alastair Marsh. Zwar könne KI auch zum Klimaschutz beitragen, allerdings sei ihre Entwicklung energieintensiv. Der Finanzprofessor Markus Leippold weist darauf hin, dass KI und Klimalösungen sich nicht gegenseitig ausschließen würden. Dennoch müsse “AI-Greenwashing” verhindert werden – eine Praxis, bei der Investoren in KI-Projekte investieren, ohne deren tatsächliche Wirkungen zu prüfen. Zum Artikel
Ressourcenfluch: Macht Rohstoffreichtum arm? – Klimareporter
Wenn ein Land große Vorkommen an Bodenschätzen entdeckt, erscheint das wie ein Lottogewinn. Doch nur wer den neuen Reichtum weise nutzt, hat langfristig etwas davon. Anderenfalls erschweren die Rohstoffe die wirtschaftliche Entwicklung. Christian Mihatsch ist der Sache nachgegangen. Zum Artikel
Kampf gegen Brandenburger Windmühlen – taz
Claudius Prößer spricht in Brandenburg mit Umweltschützern, die gegen Wind- und Solaranlagen klagen. Zurzeit seien es drei Projekte, die der Naturschutzbund Deutschland (NABU) gerichtlich verhindern möchte, um die Artenvielfalt zu erhalten. Schließlich habe die UN-Biodiversitätskonferenz beschlossen, weltweit knapp ein Drittel der Landfläche langfristig unter Schutz zu stellen. Zum Artikel
Sharp rise in number of climate lawsuits against companies, report says – The Guardian
Antonia Langford berichtet über eine Studie, aus der hervorgeht, dass die Zahl der Klimaklagen gegen Unternehmen weltweit zunimmt und dass die meisten dieser Klagen zugunsten der Kläger entschieden werden. Demnach wurden seit 2015 etwa 230 Klimaklagen gegen Unternehmen und Handelsverbände eingereicht. Immer öfter gehe es dabei um Vorwürfe des Greenwashing und ähnliche kommunikative Tricks, so der Bericht. Zum Artikel
Research.Table – Wie die Wissenschaft klimafreundlicher werden kann: Auch die Forschung belastet die Atmosphäre mit Treibhausgasen, etwa durch dienstliche Flugreisen. Alle großen Forschungsorganisationen haben sich Ziele gesetzt, die Pläne sind ambitioniert. Dabei steckt selbst in Forschung für mehr Klimaschutz viel Energie. Zum Artikel
Climate.Table – Was beim Übergang des nationalen Emissionshandels in den ETS II wichtig ist: Deutschland verpasst Ende Juni mit hoher Wahrscheinlichkeit die EU-Frist für die Anmeldung neuer Bestimmungen, die den Übergang des nationalen Emissionshandels ins ETS II regeln. Ein Vertragsverletzungsverfahren könnte folgen. Experten warnen vor einem Preisschock. Zum Artikel
Europe.Table – Digitaler Binnenmarkt – was die Verbände zum Weißbuch der Kommission sagen: Bis zum 30. Juni haben Interessierte Gelegenheit, das Weißbuch zur digitalen Infrastruktur der EU-Kommission zu kommentieren. Mehr als 80 Stellungnahmen sind bereits eingegangen – auch von ETNO und CCIA. Zum Artikel
der Rat für Nachhaltige Entwicklung braucht einen neuen Generalsekretär. Wie Marc-Oliver Pahl uns bestätigt hat, wird er das Gremium Ende des Jahres verlassen, nach fast fünf Jahren. Was genau er ab 2025 macht, könne er noch nicht verraten – das grobe Ziel steht aber schon fest. Mehr dazu in unseren News.
Eine andere Nachricht kam gestern aus Karlsruhe. Wie der Bundesgerichtshof entschied, darf Katjes seine “Grün-Ohr-Hasen” nicht mehr als “klimaneutral” bewerben. Warum das Unternehmen ohnehin schon auf das Label verzichtet hat, erklären Lisa Kuner und Nicolas Heronymus.
Außerdem blicken wir nach England. Dort stehen Wahlen an – und Philippa Nuttall ist der Frage nachgegangen, welche Rolle die Transformation darin spielt.
Und dann möchte ich Ihnen noch unseren Podcast Table.Today empfehlen. Am morgigen Samstag ist Alexander Birken zu Gast, der Vorstandschef der Otto Group. Seine Plattform Otto.de will sich unter anderem durch eine Ausrichtung auf Nachhaltigkeit von der Konkurrenz absetzen – das ist aber nicht so leicht. Die Kunden möchten Birken zufolge zwar das gute Gefühl eines nachhaltigen Produkts haben. Zugleich seien sie vielfach jedoch nicht bereit, mehr dafür auszugeben. Eine Verkleinerung des Angebots auf ausschließlich nachhaltige Waren kommt für ihn nicht infrage. “Wir wollen kein Nischenplayer werden, sondern auch im Massenmarkt das Thema Nachhaltigkeit vorantreiben”, sagt Birken.
Hören Sie doch mal rein.
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat die Werbung des Süßwarenherstellers Katjes mit dem Begriff “klimaneutral” für irreführend erklärt. Das Unternehmen darf seine Produkte also nicht mehr auf diese Weise vermarkten. Katjes hatte allerdings schon vor dem Urteil darauf verzichtet.
Geklagt hatte die Wettbewerbszentrale dagegen, dass Katjes seine “Grün-Ohr-Hasen” mit dem Slogan bewirbt: “Seit 2021 produziert Katjes alle Produkte klimaneutral.” Ihr Argument: Es bestehe die Gefahr, dass der Begriff so verstanden würde, als dass der Herstellungsprozess selbst klimaneutral sei. Deshalb brauche es zumindest die Ergänzung, dass Klimaneutralität durch Kompensation entstehe.
In seinem Urteil gibt der BGH der Wettbewerbszentrale nun recht. Der Begriff könne “sowohl im Sinne einer Reduktion von CO₂ im Produktionsprozess als auch im Sinne einer bloßen Kompensation von CO₂ verstanden werden”, heißt es in der Pressemitteilung des Gerichts. Gleichzeitig sei die Irreführungsgefahr bei umweltbezogener Werbung sehr groß, weshalb besonderer Aufklärungsbedarf bestünde.
Um “klimaneutral”-Siegel auf Produkten gibt es schon länger Streit. Der Vorwurf: Die Siegel würden den Verbraucher irreführen und suggerieren, dass bei der Produktion der Produkte keine Emissionen entstanden sind. “Klimaneutralitätssiegel sind unhaltbar”, sagt dazu Carsten Warnecke vom Thinktank New Climate Institute zu Table.Briefings. Die Siegel hätten keine Aussagekraft darüber, welche Anstrengungen Firmen zum Klimaschutz unternehmen, weil sie nichts über Emissionsreduzierung und Restemissionen aussagen. Stattdessen sollten Unternehmen ihre Bemühungen detaillierter und transparenter kommunizieren. Dass Katjes inzwischen – anders als die Konkurrenz – fast ausschließlich vegane Fruchtgummis produziere, sei sicher ein Schritt in die richtige Richtung, das Siegel “klimaneutral” dagegen nicht. Der Begriff ergebe für Staaten Sinn, die Restemissionen durch Kohlenstoffsenken ausgleichen könnten, für Produkte allerdings nicht, so Warnecke.
Ende 2023 haben etwa die Verbraucherzentralen Klimaaussagen auf 87 Produkten untersucht. Sie registrierten dabei eine Vielzahl von unterschiedlichen Siegeln und Formulierungen und kamen zu dem Ergebnis, dass eine “sichere Beurteilung der Aussagekraft und Zuverlässigkeit von Klimaaussagen durch Verbraucher:innen derzeit nahezu unmöglich” sei. “Wir müssen uns von der naiven Annahme verabschieden, dass freiwillige Initiativen zur Selbstregulierung für Klimaschutz sorgen”, meint Warnecke. “Stattdessen brauchen wir staatliche Regulierung”.
Noch vor der Entscheidung im Katjes-Fall hatte die EU bereits Klarheit geschaffen: Ende März 2024 trat ein Gesetz gegen Greenwashing in Kraft, durch das irreführende Werbung mit Umweltversprechen verboten wird. Produkte, die Emissionen durch Kompensation ausgleichen, dürften dann beispielsweise nicht mehr als “klimaneutral”, “zertifiziert CO₂-neutral” oder “CO₂-positiv” bezeichnet werden. Die Staaten haben nun zwei Jahre Zeit, diese Regelung in nationales Recht umzusetzen. “Auf Produkten wird der Claim klimaneutral dann wohl nicht mehr verwendet werden”, meint Johanna Wurbs vom Umweltbundesamt zu Table.Briefings.
Mit der Green-Claims-Regelung der EU sollen Werbeaussagen außerdem in Zukunft vergleichbarer und zuverlässiger werden; über sie wird demnächst im EU-Parlament diskutiert. Agnes Sauter von der Deutschen Umwelthilfe (DUH) hofft, dass eine ambitionierte Fassung der Green-Claims-Regulierung verabschiedet wird. Insbesondere sei dafür wichtig, dass die ex ante Verifizierung von solchen Behauptungen realisiert werde. Das bedeutet, dass Claims vor Veröffentlichung von unabhängigen Prüfstellen gegengecheckt werden.
Gleichzeitig soll der Begriff Klimaneutralität an robuste Standards geknüpft werden. Dazu wurde Ende 2023 die ISO 14068-1 Norm zu “carbon neutrality” veröffentlicht. “Eine wichtige Richtlinie”, meint Wurbs. “Erstmals wird Klimaneutralität damit weltweit als Standard definiert”. Zwar sei die Diskussion innerhalb der EU auf Produktebene weitgehend beendet, auf Unternehmensebene gehe sie aber weiter. Für das Umweltbundesamt hat die Norm aber auch Schwächen. In einem Factsheet schreibt es beispielsweise, theoretisch könnten auch “Unternehmen mit hohen THG-Emissionen und Unternehmen mit einem auf fossiler Energienutzung basierenden Geschäftsmodell die Norm erfüllen”.
Der deutsche Gesetzgeber drücke sich – anders als die EU – davor, eine aktive Rolle einzunehmen, um diese Missstände anzugehen, meint Warnecke. Es entstehe der Eindruck, die Verbraucherschutzministerien überließen es Verbänden wie der Deutschen Umwelthilfe (DUH), mit viel Aufwand und Ressourcen Klagen gegen Unternehmen zu führen, und schauten selbst nur zu.
Gegen Katjes hat im aktuellen Fall aber nicht die DUH geklagt, sondern die Wettbewerbszentrale, die sich für fairen Wettbewerb einsetzt. Obwohl es inzwischen die neuen gesetzlichen Regelungen gibt, legte die Wettbewerbszentrale im Fall Katjes Revision vor dem BGH ein. “Wir wollen damit mehr Rechtssicherheit für die Werbung mit umweltbezogenen Begriffen schaffen”, erklärte Ulrike Gillner von der Wettbewerbszentrale vor dem Urteil im Gespräch mit Table.Briefings. Klimaneutralität sei ein unscharfer Begriff, daraus gehe nicht hervor, ob Unternehmen tatsächlich selbst Treibhausgase einsparen oder bloß Zertifikate kaufen.
Bisher hatten deutsche Gerichte zur Verwendung des Siegels “klimaneutral” unterschiedlich geurteilt. Im Juli 2023 entschied beispielsweise das Landgericht Karlsruhe, dass die Drogeriemarktkette “dm” bestimmte Seifen damit nicht bewerben darf. Im selben Monat hatte das Oberlandesgericht Düsseldorf allerdings Katjes erlaubt, seine Produkte weiterhin mit dem Label “klimaneutral” anzupreisen. Aus Sicht des BGH zu Unrecht: Ein Unterschied zwischen den Fällen ist zwar, dass Katjes auf die Website des Zertifizierers Climate Partner verwiesen hat, wo sich die Kriterien zur Zertifizierung nachlesen lassen – während dieser Hinweis bei dm fehlte. Nach Auffassung des Gerichts muss “bereits in der Werbung selbst erläutert werden, welche konkrete Bedeutung” des Begriffs “klimaneutral” entscheidend ist.
“dm” hatte schon während des Verfahrens reagiert und erklärt, Produkte in Zukunft nicht mehr so bewerben zu wollen. Auch die Drogeriemarktkette Rossmann hatte sich schon Anfang 2023 entschieden, nicht mehr mit Klimaneutralität zu werben. “Das Label ist im Grunde tot“, hatte Geschäftsführer Raoul Roßmann damals der Zeit erklärt. Selbst der Zertifizierer Climate Partner scheint das so zu sehen: Er hat den Begriff “klimaneutral” inzwischen durch das Label “Finanzieller Klimabeitrag” ersetzt. Mitarbeit: Nicolas Heronymus
Vor den britischen Parlamentswahlen am 4. Juli haben mehr als 400 Wissenschaftler die Vorsitzenden der politischen Parteien aufgefordert, “sich zu einem ehrgeizigen klimapolitischen Programm zu verpflichten”. Doch im Wahlkampf zeigten die Parteien bislang nur wenig Klima-Ehrgeiz. Einzig die britischen Grünen haben den Klimawandel zu einem zentralen Thema ihrer Kampagne gemacht. Umfragen sehen sie aber nur bei sechs Prozent der Stimmen und maximal vier Sitzen im Unterhaus.
Für die beiden großen Parteien – die noch regierenden Konservativen und die derzeitige Labour-Opposition – dominieren Themen wie Einwanderung, Lebenshaltungskosten und der Zustand des nationalen Gesundheitsdienstes. Labour könnte Umfragen zufolge über 40 Prozent der Stimmen auf sich vereinen. Dieser Anteil würde vermutlich leicht für eine absolute Mehrheit im Parlament reichen.
Labours wichtigster Wahlkampfschwerpunkt mit Klimabezug ist die Energiewende. Die Partei verspricht, Großbritannien zu einer “Supermacht für saubere Energie” zu machen. Herzstück soll ein neues staatliches Energieunternehmen namens “Great British Energy” (GBE) werden. Finanzierungsvolumen in der nächsten Legislaturperiode: 8,3 Milliarden britische Pfund. GBE werde Großbritannien helfen, die Onshore-Windkapazität zu verdoppeln, die Solarenergiekapazität zu verdreifachen und die Offshore-Windkapazität zu vervierfachen, so Labour.
Zusätzliche 6,6 Milliarden Pfund will Labour investieren, um die Energieeffizienz von fünf Millionen Haushalten zu verbessern. Ein “Warm Home Plan” soll Zuschüsse und zinsgünstige Darlehen für Isolierung und andere Maßnahmen wie Solarmodule und Batterien anbieten, um den weit verbreiteten Sorgen der Bevölkerung bezüglich steigender Lebenshaltungskosten durch Klimamaßnahmen zu begegnen.
Wie Labour die Pläne finanzieren will, ist noch unklar. Ursprünglich hatte die Partei angekündigt, jährlich 28 Milliarden Pfund für grüne Energie auszugeben. Im Februar kündigte sie jedoch an, diese Summe aus Gründen der Haushaltsdisziplin deutlich zu kürzen. Schuld sei die konservative Regierung, welche den Staatshaushalt in einem schlechten Zustand hinterlasse.
Die jetzige Regierung hatte sich verpflichtet, die Stromversorgung bis 2035 vollständig zu dekarbonisieren, sofern die Versorgungssicherheit gewährleistet ist. Dennoch kritisierten Experten für erneuerbare Energien die konservative Regierung, weil sie an einem Verbot von Onshore-Windkraftanlagen festhielt und Lizenzen für die Ausbeutung neuer Öl- und Gasfelder in der Nordsee genehmigte.
Labour will die Dekarbonisierung der Energieversorgung fünf Jahre früher erreichen. Claire Coutinho, jetzige Ministerin für Energie und Netto-Nullenergie, behauptete, dieses Versprechen würde “fast 100 Milliarden Pfund” mehr kosten als die Pläne ihrer eigenen konservativen Partei. Chris Stark, ehemaliger Vorsitzender des offiziellen Beratergremiums Climate Change Committee, sagte hingegen, das Ziel einer sauberen Energieversorgung sei erreichbar, aber Labour müsse im Falle einer Wahl “alles dafür tun”.
Ähnlich sieht es bei der Frist für den Verbrenner-Ausstieg aus: Nachdem der konservative Premierminister Rishi Sunak diese Frist auf 2035 verschoben hatte, will Labour nun wieder zurück zum ursprünglich avisierten Jahr 2030. Diese Ankündigung deckt sich mit den Plänen der Liberaldemokraten, die als Koalitionspartner infrage kommen würden, sollte es für keine Labour-Mehrheit reichen.
In Bezug auf die Klima- und Naturpolitik insgesamt sieht Greenpeace die Grüne Partei an erster Stelle, gefolgt von den Liberaldemokraten und erst dann der Labour-Partei. Einer der Gründe, warum Labour vergleichsweise schlecht abschneidet (20,5 von 40 Punkten gegenüber 39 für die Grünen und 31,5 für die Liberaldemokraten), ist die heikle Frage, wie die Partei von Keir Starmer ihre Versprechen finanzieren will.
“Ihre Investitionen in den grünen Wandel gehen nicht weit genug”, sagt Greenpeace. “Mit Kleingeld kann man keinen echten Wandel herbeiführen. Die Sanierung unserer bröckelnden öffentlichen Dienste, die Wiederherstellung der Natur und die Unterstützung gefährdeter Gemeinden, die mit den Auswirkungen des Klimawandels konfrontiert sind, erfordern mehr staatliche Investitionen.”
Doch Labour tut sich schwer, weitere Mittel für höhere Ausgaben zu finden. Insgesamt müsse man im Labour-Manifest nicht “nach großen Zahlen suchen”, kommentierte Paul Johnson, Direktor der Forschungseinrichtung “Institute for Fiscal Studies”, die Ankündigungen zur Haushalts- und Steuerpolitik. Das größte Versprechen im Hinblick auf den viel gerühmten “grünen Wohlstandsplan” beläuft sich auf nicht mehr als fünf Milliarden Pfund pro Jahr, die zum Teil durch Kreditaufnahme und zum Teil durch eine Übergewinnsteuer auf Öl- und Gasgewinne finanziert werden sollen.
Die konservativen Tories, die laut der Vorhersagen mit den Liberaldemokraten um die Position als größte Oppositionspartei kämpfen, plädieren für einen “pragmatischen” Umgang mit dem Klimawandel. Labours geplanter Energiepolitik spricht Ministerin Coutinho solchen Pragmatismus ab. Auf der Plattform “X” sah sie darin “verrückte Pläne”, die eine “Bedrohung für Tausende von Arbeitsplätzen und die Energiesicherheit des Vereinigten Königreichs” darstellen würden.
Radikaler als die Tories zeigt sich hingegen die rechtsextreme Partei Reform UK unter Nigel Farage. Sie würde Pläne für Net-Zero komplett streichen. Wie viele Sitze Reform UK erhalten könnte, ist unklar. Die Vorhersagen für den Stimmenanteil liegen bei ungefähr 15 Prozent.
Sollten sie die einschlägigen Gesetze nicht ändern, würden die Wahlgewinner aufgrund des Klimaschutzgesetzes von 2008 auf jeden Fall Maßnahmen ergreifen müssen. Das Gesetz verpflichtet die Regierung, fünfjährige Kohlenstoffbudgets einzuhalten. Im Mai gewannen die Non-Profit-Organisationen ClientEarth, Friends of the Earth und das Good Law Project eine Klage vor dem Obersten Gerichtshof. Dieser stellte fest, dass die derzeitige Strategie zum Kohlenstoffbudget gegen das Klimawandelgesetz verstößt. Auch der Vorgänger des Plans wurde von den Gerichten als rechtswidrig eingestuft. Philippa Nuttall
Der Generalsekretär des Rats für Nachhaltige Entwicklung (RNE), Marc-Oliver Pahl, gibt seinen Posten Ende des Jahres auf. Das bestätigte Pahl auf Anfrage von Table.Briefings. Demnach wolle er im kommenden Jahr zurück nach Nordrhein-Westfalen gehen und für die dortige Landesregierung arbeiten. Angaben zu seiner neuen Tätigkeit könne er noch nicht machen, sagt Pahl. Als Beamter von NRW sei er für die Aufgaben in Berlin beim Rat für Nachhaltige Entwicklung beurlaubt und nutze nun sein Rückkehrrecht.
Pahl ist seit März 2020 Generalsekretär des RNE. Zuvor war er neun Jahre lang in Düsseldorf Referatsleiter Nachhaltige Entwicklung und Umwelttrends im Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft, Naturschutz und Verbraucherschutz von NRW. Sein Vorgänger beim RNE, Günther Bachmann, hatte den Posten 19 Jahre inne – so lange hätte er, Pahl, den Job aber ohnehin nie machen wollen. Er rechnet damit, dass die freiwerdende Stelle in Kürze neu ausgeschrieben wird.
Zusammen mit seiner Geschäftsstelle unterstützt der Generalsekretär den Rat für Nachhaltige Entwicklung, der wiederum die Bundesregierung zur Nachhaltigkeitspolitik berät. Dem Rat gehören 15 Personen des öffentlichen Lebens an. Der Ratsvorsitzende ist Reiner Hoffmann. maw
Nur in einem Punkt geht es mit der Energiewende in Deutschland gut voran: Beim Ausbau des Stroms aus erneuerbaren Energien, der im vorigen Jahr 51,6 Prozent des deutschen Verbrauchs ausmachte (grünes Symbol in der Grafik). In allen anderen Bereichen, warnt die Expertenkommission zum Energiewende-Monitoring in ihrem am Mittwoch vorgestellten Bericht, sei unsicher, ob die Ziele erreicht werden (gelb) oder eine Verfehlung wahrscheinlich ist (rot). “Eine sichere und preisgünstige Energieversorgung bei gleichzeitiger Erreichung der Klimaschutzziele in Deutschland bis 2045 ist kein Selbstläufer”, sagte der Kommissionsvorsitzende Andreas Löschel.
Dringend müssten vor allem die Netze für Strom und Wasserstoff ausgebaut werden. Auch müssten mehr als die bislang geplanten zehn bis 15 GW an Gaskraftwerken (die auf Wasserstoff umzurüsten sind) gebaut werden und ein Kapazitätsmarkt etabliert werden. Beim dringend benötigten Ausbau der Stromleitungen könne es Kosten sparen, wieder auf Freileitungen statt auf Erdkabel zu setzen. Mit den richtigen politischen Leitplanken werde der Kohleausstieg durch steigende Preise schon gegen 2030 kommen, dringend nötig seien der Ausbau der Wasserstoff-Infrastruktur und Importpläne für den Energieträger.
Die Kommission lobte die Bundesregierung für die Finanzierung der EEG-Umlage aus staatlichen Mitteln und die Senkung der Stromsteuer für Gewerbe. Diese Steuer müsse aber auch für private Verbraucher sinken, um den Umstieg auf elektrische Mobilität und Wärme zu erleichtern. Nötig sei eine “CO₂-basierte Energiepreisreform“, die fossile Energien teurer und erneuerbare billiger mache. bpo
Insgesamt fünf Umweltverbände wollen zusammen mit einigen Einzelpersonen vor das Bundesverfassungsgericht ziehen, um gegen das novellierte Klimaschutzgesetz (KSG) und die Klimaschutzpolitik der Bundesregierung zu klagen. Beteiligt sind die Deutsche Umwelthilfe (DUH), Germanwatch, Greenpeace, der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) und der Solarenergie-Förderverein Deutschland (SFV). Das novellierte Klimaschutzgesetz ist Mitte Mai von der Bundesregierung beschlossen worden, aber noch nicht rechtskräftig. Im letzten Schritt fehlt noch die Unterschrift von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. Die Verbände fordern ihn auf, die Gesetzesänderung nicht zu unterschreiben. Andernfalls wollen sie Verfassungsbeschwerden einlegen.
“Aktuell droht eine Vollbremsung in der Klimapolitik”, sagt Anwältin Roda Verheyen, die Germanwatch und Greenpeace juristisch vertritt. Die aktuelle Politik der Bundesregierung sei das Gegenteil von dem, was das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) 2021 mit seinem historischen Urteil für mehr Klimaschutz gewollt habe. In seiner damaligen Entscheidung hatte das BVerfG geurteilt, dass eine ehrgeizige Klimapolitik nötig sei, um die Freiheitsrechte künftiger Generationen zu schützen. Die Umweltverbände sind der Auffassung, dass das novellierte KSG unter anderem durch die Abschaffung der Sektorziele dagegen verstößt. Zudem müsse die Regierung nach dem neuen Gesetz erst viel zu spät auf eine unzureichende Klimapolitik reagieren. So müssten zum Beispiel dem novellierten Gesetz zufolge in der laufenden Legislaturperiode keine weiteren Klimaschutzmaßnahmen mehr beschlossen werden, obwohl der Expertenrat für Klimafragen Anfang Juni festgestellt hatte, dass die Klimaziele bis 2030 derzeit nicht eingehalten werden.
Konkret kündigt das Bündnis drei verschiedene Verfassungsbeschwerden an, die sich inhaltlich ähneln. “Es ist eine Medaille mit zwei verschiedenen Seiten”, sagt Remo Klinger, der die DUH in diesem und anderen Verfahren repräsentiert. Auf der einen Seite verstoße das neue KSG gegen den Beschluss des BVerfG, auf der anderen Seite wendeten sich die Verfassungsbeschwerden auch gegen bestimmte Klimaschutzmaßnahmen, die unzureichend seien, zum Beispiel im Verkehrssektor. An der Verfassungsbeschwerde von Greenpeace und Germanwatch können sich auch Privatpersonen beteiligen. Die DUH sammelt symbolisch Unterschriften, um ihre Verfassungsbeschwerde zu unterstützen. seh
Sozialunternehmen spielen in Deutschland eine zunehmend größere Rolle. Trotzdem fühlen sich die Gründerinnen und Gründer häufig weiter unverstanden und nicht ausreichend unterstützt. Zu diesem Fazit kommt eine nicht repräsentative Umfrage unter 329 Sozialunternehmen, die das Social Entrepreneurship Netzwerk Deutschland (SEND) zusammen mit Partnern wie der Bertelsmann Stiftung, SAP und der Uni Magdeburg für den “Deutschen Social Entrepreneurship Monitor 2024″ durchgeführt hat.
Die größte Herausforderung ist demnach die Finanzierung. Anders als herkömmliche Start-ups sind Sozialunternehmen oft auf Spenden und öffentliche Gelder angewiesen. Um sich etablieren und wachsen zu können, bräuchten sie jedoch Finanzinstrumente, die langfristig angelegt und auf ihre Bedürfnisse ausgerichtet sind – sowie Investoren, die keine Maximierung der Gewinne und ihrer Rendite erwarten.
Daran fehle es aber laut der Erhebung. 69 Prozent der Befragten wünschen sich deshalb von der Politik spezifische Angebote und warten den Autoren zufolge “mit großer Spannung” auf die Umsetzung der Nationalen Strategie für Soziale Innovationen und gemeinwohlorientierte Unternehmen. Diese wurde im Herbst 2023 veröffentlicht und sieht eine Öffnung bestehender öffentlicher Programme vor. Außerdem bräuchte es ihrer Meinung nach eine “strukturelle Verankerung” und eigene Referate im Bundeswirtschafts- und Bundesforschungsministerium sowie “ressortübergreifende Leitungsrunden zwischen verschiedenen Ministerien”.
Als Social Entrepreneurs verstehen sich Firmen, die gesellschaftliche Missstände mit unternehmerischen Mitteln anpacken wollen, was, laut Definition von SEND, in innovativen Lösungen resultiert. Dem neuen Monitor zufolge, der alle zwei Jahre neu erhoben wird, sind aktuell 31 Prozent in der Bildungsarbeit tätig und 22 Prozent im Sozial- und Gesundheitswesen. 41 Prozent von ihnen adressieren Kinder und Jugendliche, 33 Prozent zielen auf Frauen und Mädchen ab, 30 Prozent auf Personen mit Migrationsgeschichte. maw
Die EU-Kommission wird heute über den aktuellen Stand ihres Anti-Dumping-Verfahrens gegen China berichten. Dem Land wird vorgeworfen, Biodiesel zu künstlich niedrigen Preisen in die EU zu exportieren.
Sollte sich der Verdacht bestätigen, wäre dies ein Verstoß gegen internationales Handelsrecht. Ähnlich wie im Fall der Elektroautos aus chinesischer Produktion könnte die EU dann Strafzölle gegen China verhängen.
Biodiesel gilt als umweltfreundliche Alternative zu fossilen Kraftstoffen und spielt eine wichtige Rolle bei der Verkehrswende. Ein großer Teil davon wird aus gebrauchten Ölen und Fetten gewonnen. Darüber hinaus wird in Europa in großem Umfang Raps für die Biodieselproduktion angebaut. Den Wert des jährlich in der EU gehandelten Biodiesels beziffert die Kommission auf rund 31 Milliarden Euro. Ein wachsender Teil davon kommt aus China.
Auslöser des Antidumping-Verfahrens war eine Beschwerde des European Biodiesel Board (EBB). Der Branchenverband hatte sich im November 2023 an die EU-Kommission gewandt und Wettbewerbsverzerrungen beklagt. Daraufhin wurde Ende Dezember ein offizielles Untersuchungsverfahren eingeleitet. In einem Schreiben von Anfang Juni dieses Jahres drängte der Verband noch einmal auf ein sofortiges Handeln der Kommission.
“Die EU muss jetzt handeln, um den Zusammenbruch der EU-Industrie und des vorgelagerten Agrarsektors sowie dramatische Auswirkungen auf die Beschäftigung in der gesamten EU zu verhindern”, heißt es in dem Papier.
So hätten unfaire Importe aus China die Erlöse der Rapsbauern von rund 625 Euro auf etwa 410 Euro pro Tonne gedrückt. “Die EU kann nicht zulassen, dass die Nachfrage nach Produkten, die zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen im gesamten Verkehrssektor benötigt werden, durch unfaire und möglicherweise betrügerische Importe gedeckt wird – jetzt und in Zukunft”, so der EBB.
In der Biodieselbranche arbeiten EU-weit rund 3.700 Menschen. ch
Zunächst berichtet die Bundesregierung am Mittwochmorgen im Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung zum Sustainable Development Goal 6 der UN-Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung. Ziel von SDG 6 ist es, einen nachhaltigen und inklusiven Zugang zu sauberem Wasser, Sanitärversorgung und Hygiene für alle zu erreichen.
In diesem Zusammenhang finden Gespräche mit Sareen Malik vom African Civil Society Network on Water and Sanitation (ANEW) und Alexia Knappmann, die für das WASH-Netzwerk und Water Aid arbeitet, statt.
Am Mittwochvormittag befasst sich der Ausschuss für Klimaschutz und Energie dann mit einem Antrag der CDU/CSU-Fraktion. Danach sollen ungenutzte Potenziale der Wärme aus Abwasser erschlossen werden. Studien zufolge könnten bis zu 15 Prozent des Wärmebedarfs im Gebäudesektor durch Abwasserwärme gedeckt werden.
Am Mittwochnachmittag widmet sich der Tourismusausschuss dem Thema “Mobilitätswende im Tourismus – Wie stellen sich die Mobilitätsdienstleister der wachsenden Nachfrage nach nachhaltiger Mobilität?”. Themenschwerpunkte sind unter anderem die Anbindung ländlicher Räume an den Schienenverkehr und die Mobilität vor Ort, insbesondere die erste und letzte Meile.
Am Mittwochabend tagt schließlich traditionell der Parlamentarische Beirat für nachhaltige Entwicklung. Diesmal steht ein Fachgespräch zum Thema “Nachhaltiger Tourismus” auf dem Programm.
Die Tagesordnungen der Plenarsitzungen vom 3. bis 5. Juli lagen zu Redaktionsschluss noch nicht vor. Die relevanten Tagesordnungspunkte werden in der Mittwochsausgabe nachgereicht. ch
Der neue Preis des Fliegens – FAZ
Die Lufthansa erhebt seit dieser Woche für Starts in der EU, Großbritannien, Norwegen und der Schweiz einen Preisaufschlag für die wachsenden Umweltauflagen. Mit den Plänen der EU-Kommission könnte sich der Preis noch weiter erhöhen, schreibt Dyrk Scherff. Fluglinien sollen demnach für Nicht-CO₂-Emissionen zahlen. Die Kommission werde 2027 einen Vorschlag machen, wie diese in den Emissionshandel integriert werden können. Zum Artikel
Europe’s largest renewable producer scales back plans for wind and solar plants – Financial Times
Der staatliche norwegische Stromproduzent Statkraft schrumpft seine Pläne zum Ausbau von Windkraft, Solar und Batterien. Damit folgt der größte europäische Produzent erneuerbarer Energie einem größeren Trend. Erneuerbarer Strom sei zu billig, damit Investitionen sich bei steigenden Kosten lohnen, schreiben Rachel Millard and Mari Novik. Zum Artikel
Investors and activists demand an end to funding for lobby groups that oppose climate legislation – Green Biz
Investoren und Aktivisten üben Druck auf Unternehmen aus, ihre Lobbyarbeit und -finanzierung im Hinblick auf deren Haltung zu Klimaschutzgesetzen zu überprüfen. Hintergrund sind wachsende Widersprüche zwischen Unternehmenszielen zur CO2-Reduktion und der Lobbyarbeit von Industrieverbänden wie der US-Handelskammer, die sich häufig gegen Klimaschutz ausspricht. Zum Artikel
Folge der Konzernverantwortungsinitiative – Kinderarbeit wird “so weit wie möglich” vermieden – Baseler Zeitung
Seit diesem Jahr müssen große Konzerne in der Schweiz berichten, wie sie mit Kinderarbeit, Umweltverschmutzung und Korruption umgehen. Diese Regeln sollen nun auf kleinere Firmen ausgedehnt werden. Charlotte Walser und Konrad Staehelin haben sich angesehen, was sie bisher bewirkt haben. Zum Artikel
Europe Needs an Industrial Development Fund – Project Syndicate
Der frühere polnische Umweltminister Marcin Korolec spricht sich in Ergänzung zum Green Deal der EU für einen “Industrial Deal” aus. Statt sich an der Agenda der Rechtspopulisten zu orientieren und Themen wie Migration zu diskutieren, solle Europa der Industriepolitik der USA und Chinas folgen und entsprechende Förderprogramme auflegen, um die Transformation zu einer ökologisch nachhaltigen Wirtschaft zu unterstützen. Zum Artikel
AI Obsession Obscures Bigger Promise of Climate Tech – Bloomberg
Während hohe Summen für die Klimafinanzierung benötigt werden, ist es die KI, die die Aufmerksamkeit der Investoren auf sich zieht, kritisiert Alastair Marsh. Zwar könne KI auch zum Klimaschutz beitragen, allerdings sei ihre Entwicklung energieintensiv. Der Finanzprofessor Markus Leippold weist darauf hin, dass KI und Klimalösungen sich nicht gegenseitig ausschließen würden. Dennoch müsse “AI-Greenwashing” verhindert werden – eine Praxis, bei der Investoren in KI-Projekte investieren, ohne deren tatsächliche Wirkungen zu prüfen. Zum Artikel
Ressourcenfluch: Macht Rohstoffreichtum arm? – Klimareporter
Wenn ein Land große Vorkommen an Bodenschätzen entdeckt, erscheint das wie ein Lottogewinn. Doch nur wer den neuen Reichtum weise nutzt, hat langfristig etwas davon. Anderenfalls erschweren die Rohstoffe die wirtschaftliche Entwicklung. Christian Mihatsch ist der Sache nachgegangen. Zum Artikel
Kampf gegen Brandenburger Windmühlen – taz
Claudius Prößer spricht in Brandenburg mit Umweltschützern, die gegen Wind- und Solaranlagen klagen. Zurzeit seien es drei Projekte, die der Naturschutzbund Deutschland (NABU) gerichtlich verhindern möchte, um die Artenvielfalt zu erhalten. Schließlich habe die UN-Biodiversitätskonferenz beschlossen, weltweit knapp ein Drittel der Landfläche langfristig unter Schutz zu stellen. Zum Artikel
Sharp rise in number of climate lawsuits against companies, report says – The Guardian
Antonia Langford berichtet über eine Studie, aus der hervorgeht, dass die Zahl der Klimaklagen gegen Unternehmen weltweit zunimmt und dass die meisten dieser Klagen zugunsten der Kläger entschieden werden. Demnach wurden seit 2015 etwa 230 Klimaklagen gegen Unternehmen und Handelsverbände eingereicht. Immer öfter gehe es dabei um Vorwürfe des Greenwashing und ähnliche kommunikative Tricks, so der Bericht. Zum Artikel
Research.Table – Wie die Wissenschaft klimafreundlicher werden kann: Auch die Forschung belastet die Atmosphäre mit Treibhausgasen, etwa durch dienstliche Flugreisen. Alle großen Forschungsorganisationen haben sich Ziele gesetzt, die Pläne sind ambitioniert. Dabei steckt selbst in Forschung für mehr Klimaschutz viel Energie. Zum Artikel
Climate.Table – Was beim Übergang des nationalen Emissionshandels in den ETS II wichtig ist: Deutschland verpasst Ende Juni mit hoher Wahrscheinlichkeit die EU-Frist für die Anmeldung neuer Bestimmungen, die den Übergang des nationalen Emissionshandels ins ETS II regeln. Ein Vertragsverletzungsverfahren könnte folgen. Experten warnen vor einem Preisschock. Zum Artikel
Europe.Table – Digitaler Binnenmarkt – was die Verbände zum Weißbuch der Kommission sagen: Bis zum 30. Juni haben Interessierte Gelegenheit, das Weißbuch zur digitalen Infrastruktur der EU-Kommission zu kommentieren. Mehr als 80 Stellungnahmen sind bereits eingegangen – auch von ETNO und CCIA. Zum Artikel