350 Milliarden Euro. So viel gibt der Staat schätzungsweise pro Jahr für öffentliche Aufträge aus. Über diese Summe könnte er viel zur Transformation der Wirtschaft beitragen – in der Praxis passiert das bislang aber kaum. Die geplante Reform des Vergaberechts soll das jetzt ändern. Was das für nachhaltige, innovative Unternehmen bedeutet, erklärt Nicolas Heronymus.
Über staatliche Förderungen anderer Art diskutiert aktuell gerade die Autobranche. Weil die meisten Hersteller ihre Klimaziele nicht erreichen, wünschen sie sich eine Anpassung der Regulierungen. Andere Unternehmen wiederum plädieren dafür, den eingeschlagenen Kurs zu halten. Welche Zahlen und Fakten hinter der Auseinandersetzung stecken, analysiert Carsten Hübner.
Und in unserem Standpunkt geht es um soziale Innovationen und gemeinwohlorientierte Unternehmen. Andrea Frank, die stellvertretende Generalsekretärin des Stifterverbands, geht auf vier Bereiche ein, die besondere Aufmerksamkeit benötigen, damit der Sektor zu einem noch größeren Wirtschaftsfaktor werden kann.
Das Bundeswirtschaftsministerium (BMWK) hat am Montag seinen Entwurf für die Reform des Vergaberechts in die Ressortabstimmung gegeben. Mit dem Vorhaben soll die Vergabe von Staatsaufträgen einfacher, schneller und digitaler werden, gleichzeitig soll es innovative und nachhaltige Unternehmen fördern. Um den Aufwand für Verwaltung und Wirtschaft zu reduzieren, plant das BMWK demnach, die Grenze für Direktaufträge von 1.000 Euro auf 15.000 Euro zu erhöhen – bei Aufträgen für innovative Leistungen von gemeinwohlorientierten Unternehmen oder Start-ups sogar auf 100.000 Euro. In solchen Fällen bräuchte es dann keine Vergabeverfahren mehr.
Um es für Unternehmen attraktiver zu machen, sich um Staatsaufträge zu bemühen, sollen zudem die Nachweispflichten reduziert werden: Nur Firmen, die einen Auftrag voraussichtlich erhalten, müssten Nachweise erbringen. Welche Bieter das betrifft, soll laut einem Sprecher des BMWK die Vergabestelle entscheiden. Zudem sollen Auftraggeber bei niedrigen Summen prüfen, ob Nachweise überhaupt notwendig sind. In der Unterschwelle (keine EU-weite Ausschreibung) könnten Vergabestellen innerhalb eines Jahres auf eine weitere Eignungsprüfung verzichten.
Mit einem Beschaffungsvolumen von schätzungsweise 350 Milliarden Euro pro Jahr verfügt der deutsche Staat laut Fachleuten über einen großen Hebel, nachhaltige Dienstleistungen und Produkte zu fördern – und damit die Transformation der Wirtschaft. In der Praxis funktioniert das bislang aber kaum: In lediglich rund zwölf Prozent der Vergaben haben öffentliche Auftraggeber im ersten Halbjahr 2022 Nachhaltigkeitskriterien berücksichtigt. Mit dem Vergabetransformationspaket soll sich das ändern.
Durch die Reform soll es für die öffentliche Hand Pflicht werden, mindestens ein soziales oder umweltbezogenes Kriterium bei der Vergabe von Aufträgen zu berücksichtigen. Das BMWK betont, dass es sich um eine “Soll-Vorgabe” handelt. In Ausnahmefällen soll es möglich sein, von der Vorgabe abzuweichen, wenn die Vergabestellen dies begründen – zum Beispiel bei geistigen Dienstleistungen ohne Umweltrelevanz. Wie genau sie Nachhaltigkeitskriterien berücksichtigen, etwa in welcher Phase des Verfahrens, sollen die Vergabestellen entscheiden.
Für bestimmte Leistungen, die sich für sozial- und umweltgerechte besonders eignen, soll es separate Listen geben. Werden Leistungen von diesen Listen beschafft, müssten nachhaltige Kriterien berücksichtigt werden. Beispiele aus den vorgesehenen 15 Kategorien umfassen etwa Textilien, Möbel, Klopapier und Fairtrade-Produkte. Darüber hinaus ist eine Negativliste geplant mit Produkten, die nicht mehr gekauft werden dürfen. Das betrifft zum Beispiel Einweggeschirr. Grundlage dafür soll die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Beschaffung klimafreundlicher Leistungen (AVV Klima) sein, die aktuell für die Bundesbehörden gilt.
Für Unternehmen, die nachhaltig wirtschaften wollen, ist aus Sicht von Tim Stoffel, Referent bei Fairtrade, Planungssicherheit wichtig. Die vorgesehene stärkere Selbstverpflichtung mit Blick auf Nachhaltigkeit sendet ihm zufolge ein klares Signal an den Markt: “Soziale und ökologische Produktionsbedingungen werden für die Erlangung öffentlicher Aufträge immer wichtiger.” Wie sich die Vorgaben letztlich auswirken, hänge aber von der Umsetzung in den Vergabestellen ab.
Gerade dort sieht Stoffel die “Grenzen der Reform“. Bei der konkreten Umsetzung brauche es viel mehr Unterstützungsmaßnahmen, Aus- und Weiterbildung sowie “die Erkenntnis, dass öffentliche Beschaffung strategisch betrachtet werden muss“, sagt er. Denn ein wesentlicher Grund dafür, dass die nachhaltige öffentliche Beschaffung hierzulande kaum vorankommt, ist laut Beratern und Praktikern auch, dass es oft noch an der entsprechenden Expertise fehlt.
Dass es für Vergabestellen bei der Frage, wie sie Nachhaltigkeitskriterien berücksichtigen, weiterhin Ermessensspielraum geben soll, sieht Yvonne Jamal, Expertin für nachhaltige Beschaffung, deshalb kritisch. “Genau hier sehen wir in der Praxis die größten Unsicherheiten bei den Beschaffungsverantwortlichkeiten, da viele nicht ausreichend geschult sind und Angst vor Verfahrensfehlern haben”, sagt sie. Die angekündigten Praxishilfen müssten daher Klarheit schaffen und die Mitarbeiter der Vergabestellen besser ausgebildet werden als bislang.
Eine klare Vorgabe wünscht sich Jamal auch für die Gewichtung verschiedener Faktoren bei der Evaluation von Unternehmensangeboten. Würden diese im Vergleich zu Preis, Qualität und Lieferzeit mindestens gleichwertig gewichtet, “ließen sich gezielte Anreize für Unternehmen schaffen, nachhaltige Produkte, Leistungen und Innovationen anzubieten”, sagt sie. Wenn der Fokus wie bisher in den meisten Fällen weiterhin auf dem Preis liege, würden Unternehmen mit nachhaltigen Produkten benachteiligt.
Konkrete Vorgaben zur Gewichtung von Nachhaltigkeitskriterien hält auch der Bundesverband Nachhaltige Wirtschaft (BNW) für notwendig. Im besten Fall würde Nachhaltigkeit zum “neuen Normal” in der Vergabe, was aus Sicht des Verbands Auswirkungen auf alle Unternehmen hätte. Unternehmen, die soziale und ökologische Faktoren berücksichtigen, wären nicht wie bislang schlechter gestellt als “klassisch wirtschaftende Unternehmen” – letztere könnten die neuen Regelungen als Anreiz verstehen, “Nachhaltigkeit als Wettbewerbsvorteil wahrzunehmen”.
Mehr Chancen für Unternehmen mit nachhaltigen Produkten und Dienstleistungen erwartet Christopher Zeiss, Professor für Staats- und Europarecht an der Hochschule für Polizei und öffentliche Verwaltung NRW, zwar – hält “gravierende Auswirkungen auf den Markt” aber für unrealistisch. Zum einen würden sich viele Unternehmen um mehr Nachhaltigkeit bemühen. Zum anderen “leidet die öffentliche Hand an knappen Finanzmitteln”, weshalb es “häufig doch wieder auf das altbekannte Zuschlagskriterium ‘niedrigster Preis’ herauslaufen” werde.
Damit die Reform tatsächlich zum Hebel für nachhaltige Beschaffung und die Transformation werden kann, müssten Mitarbeiter von Vergabestellen gestärkt und ermutigt werden. Aus Sicht von Zeiss gehört dazu auch, dass es eine Fehlerkultur gibt und Dinge auch mal ausprobiert werden. Zudem brauche es mehr Zeit und Personal für die oft aufwendigen Markterkundungen bei nachhaltigen Produkten. Wichtig sei darüber hinaus mehr Geld und ein anderes Verständnis von Wirtschaftlichkeit, weil Nachhaltigkeit in der Vergabe zunächst oft teurer sei, sich über den Lebenszyklus dann aber lohne.
Unternehmen aus verschiedenen Branchen haben sich Anfang dieser Woche in einer gemeinsamen Erklärung für ein Festhalten an den von der EU geplanten CO₂-Flottengrenzwerten ausgesprochen. Zu den 50 Unterzeichnern gehören neben den Autoherstellern Volvo Cars, Polestar und Rivian auch Europas größtes Leasingunternehmen Ayvens, der Fahrdienstvermittler Uber und der Betreiber von Schnellladestationen Electra.
“Das Ziel für 2035 gibt uns eine klare Richtung vor, die es Unternehmen und allen anderen Akteuren ermöglicht, sich darauf zu konzentrieren, die notwendige Transformation umzusetzen”, heißt es in dem Papier. Dies schaffe die dringend benötigte Investitionssicherheit. “Wir fordern daher die Entscheidungsträger auf, die kürzlich verabschiedeten CO₂-Ziele für Pkw und Transporter im Jahr 2026 nicht wieder zu öffnen und das Ziel von 100 Prozent emissionsfreien Fahrzeugen ab 2035 beizubehalten.”
In den vergangenen Monaten sind vermehrt Stimmen aus der Automobilindustrie und Teilen der Politik laut geworden, das für 2035 geplante Verbrenner-Aus ganz zu kippen. Zumindest solle die für das kommende Jahr vorgesehene Verschärfung der Flottengrenzwerte verschoben werden, heißt es. Begründet wird dies mit den schwächelnden Verkaufszahlen von Elektroautos in Deutschland und Europa.
Nach aktuellen Zahlen des europäischen Automobilherstellerverbandes ACEA wurden in den ersten acht Monaten dieses Jahres in der EU 902.011 Elektrofahrzeuge neu zugelassen. Das entspricht einem Minus von 8,3 Prozent gegenüber dem Vorjahr.
Noch deutlicher fiel der Rückgang in Deutschland aus, wie das Kraftfahrt-Bundesamt berichtet. Hier wurden von Januar bis August 241.911 Pkw mit Elektroantrieb neu zugelassen – 32 Prozent weniger als im Vorjahreszeitraum. Ihr Anteil am Gesamtmarkt lag bei 12,7 Prozent.
Für die Hersteller kann dies erhebliche Konsequenzen haben. Denn um die sinkenden CO₂-Flottengrenzwerte einhalten zu können, benötigen sie einen steigenden Anteil von Elektrofahrzeugen an ihrem Gesamtabsatz. Derzeit stößt ein effizienter Verbrennungsmotor rund 120 Gramm CO₂ pro Kilometer (g/km) aus und liegt damit bereits über dem derzeit geltenden Grenzwert von durchschnittlich 115,1 g/km. Dieser soll bis 2025 auf 93,6 g/km, bis 2030 auf 49,5 g/km und bis 2035 auf null sinken.
Die Hersteller müssen also zum Ausgleich immer mehr Elektroautos und gleichzeitig immer weniger Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor verkaufen, um die Vorgaben zu erfüllen. Gelingt dies nicht, drohen empfindliche Strafzahlungen. Die EU sieht eine Strafe von 95 Euro pro überschrittenem Gramm CO₂ pro Kilometer und verkauftem Auto vor.
Das kann schnell in die Milliarden gehen. So warnte Luca de Meo, Chef der Renault-Gruppe und Präsident des ACEA, dass sich die möglichen Strafzahlungen für die Branche auf bis zu 15 Milliarden Euro summieren könnten. Besonders betroffen wäre nach Berechnungen von Dataforce der Volkswagen-Konzern, dessen durchschnittlicher CO₂-Ausstoß derzeit bei 123 g/km liegt. Deutlich besser stehen Mercedes-Benz mit 108 g/km und BMW mit 106 g/km da, obwohl auch sie über dem ab 2025 geltenden Grenzwert liegen.
Vor diesem Hintergrund hat Wirtschaftsminister Robert Habeck nach dem Autogipfel in der vergangenen Woche angekündigt, sich in Brüssel dafür einzusetzen, dass die Revision der CO₂-Flottengrenzwerte um ein Jahr auf 2025 vorgezogen wird. Die Automobilindustrie erhofft sich von der Überprüfung eine Abschwächung der Standards, um der schlechten Marktlage Rechnung zu tragen.
Aus Sicht von Bundesfinanzminister Christian Lindner ist es sogar notwendig, die Flottengrenzwerte ganz auszusetzen, um drohende Strafzahlungen für die deutschen Automobilhersteller abzuwenden. Sonst drohe “eine Kernschmelze einer unserer Schlüsselindustrien”, sagte er kürzlich auf dem FAZ-Mobilitätsgipfel in Berlin.
Die Bundesregierung ist der Automobilindustrie bereits im Rahmen ihrer im Sommer angekündigten Wachstumsinitiative mit deutlich verbesserten Abschreibungs- und Dienstwagenbedingungen entgegengekommen. Demnach fallen rückwirkend zum 1. Januar 2024 auch Elektrofahrzeuge bis zu einem Wert von 95.000 Euro unter das Dienstwagenprivileg. Dazu kommt die Möglichkeit einer Sonderabschreibung für E-Autos, die bis zum 31. Dezember 2028 gilt. Im Ergebnis rechnet Habeck mit einem “Nachfrage-Push”.
Die Maßnahmen, die vor allem den Absatz von SUVs und hochpreisigen Elektroautos fördern dürfte, macht mit Blick auf die Einhaltung der Flottengrenzwerte durchaus Sinn. Zumindest dann, wenn sie zu einem Umstieg von großen Verbrennern mit überdurchschnittlichem CO₂-Ausstoß auf entsprechende Elektrofahrzeuge führt.
Die Kosten dafür trägt allerdings die Allgemeinheit. Nach Berechnungen der Bundesregierung belaufen sich die zusätzlichen Steuermindereinnahmen im Jahr 2025 auf 480 Millionen Euro. Bis 2028 sollen sie auf 540 Millionen Euro pro Jahr steigen.
Autohersteller wie Volvo Cars, Polestar und Rivian, die sich für die bestehenden Regelungen und das Verbrenner-Aus einsetzen, dürften davon ebenso profitieren wie VW, Porsche, BMW oder Mercedes. Eine Änderung der grundlegenden Regulierung lehnen sie hingegen ab. Deshalb, so Jim Rowan, CEO von Volvo Cars, fordere man “die politischen Entscheidungsträger der EU auf, sich auf die Maßnahmen zu konzentrieren, die wir ergreifen müssen, um dieses Ziel zu erreichen, anstatt die gerade erst beschlossenen Rechtsvorschriften wieder aufzurollen.”
7. bis 11.10.2024, Bonn
Seminar Nachhaltiger Konsum – Dürfen wir uns noch was leisten? (Veranstalter: Friedrich-Ebert-Stiftung) Info & Anmeldung
8.10.2024, 9:30 bis 18:30 Uhr, Berlin
Tagung 23. Jahreskonferenz des Rates für Nachhaltige Entwicklung (Veranstalter: Rat für Nachhaltige Entwicklung) Info & Anmeldung
9.10.2024, 12:00 bis 13:00 Uhr, Online
Diskussion Auf die Jobs kommt es an. In Arbeitskräfte und Kompetenzen investieren für eine starke klimaneutrale Wirtschaft (Veranstalter: Friedrich-Ebert-Stiftung) Info & Anmeldung
10.10.2024, 10:00 bis 12:30 Uhr, Online
Schulung Treibhausgasbilanzierung mit Ecocockpit (Veranstalter: Effizienz-Agentur NRW) Info & Anmeldung
10. bis 11.10.2024, Frankfurt am Main
Konferenz 8. Sustainable Finance Gipfel Deutschland (Veranstalter: Frankfurt School of Finance & Management) Info & Anmeldung
10. bis 11.10.2024, Erfurt
Konferenz ökofinanz-21 Herbsttagung 2024 (Veranstalter: ökofinanz-21 e.V.) Info & Anmeldung
14.10.2024, 16.00 bis 18.30 Uhr, Hamburg
Diskussion Hamburger Sustainable Finance Summit 2024 (Veranstalter: FCH Finance City Hamburg GmbH) Info & Anmeldung
14.10.2024, 13:00 bis 14:30 Uhr, Berlin
Spotlight Nachhaltigkeitsberichterstattung: Erste Erfahrungen mit den europäischen Nachhaltigkeitsberichterstattungsstandards (ESRS) (Veranstalter: DIHK) Info & Anmeldung
Laut der Beschlüsse des 74. Deutschen Juristentags (DJT) verursachen die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) und die ESRS-Kriterien, nach denen berichtet werden soll, “unverhältnismäßige Rechtsbefolgungskosten”. Der deutsche Gesetzgeber sollte daher “auch bei europäischen Rechtsakten stärker auf die Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes achten”. Ferner sollte die Überwachung der Berichterstattung durch Aufsichtsräte auf das “leistbare Maß beschränkt werden”.
Der Kongress, der alle zwei Jahre stattfindet und letzte Woche in Stuttgart tagte, stimmte über Vorlagen aus insgesamt sechs Abteilungen ab. Das Wirtschaftsrecht befasste sich dabei mit der Frage, wie gut sich gesetzgeberische Maßnahmen des Gesellschaftsrechts gegen den Klimawandel eignen. Die Beschlüsse der rund 2.000 teilnehmenden Juristinnen und Juristen sind als Appelle vor allem an die Politik und die Wissenschaft gerichtet.
In einer Grundsatzfrage stimmten sie mit großer Mehrheit dafür, dass Maßnahmen zur ökologischen Nachhaltigkeit und insbesondere zur Eindämmung des Klimawandels im Vergleich zu anderen Nachhaltigkeitsaspekten “in besonderem Maße gerechtfertigt” seien. Vorschläge, dass Unternehmen im Handels- oder Gesellschaftsregister der Zusatz “klimaneutral” unter gewissen Voraussetzungen ermöglicht werden sollte, wurden hingegen abgelehnt. maw
Obwohl die Green-Claims-Richtlinie irreführender Klimawerbung eigentlich ein Ende setzen soll, wären gemäß dem Kommissionsvorschlag weiter Label erlaubt, die die Wahrnehmung von Verbrauchern verzerren. Das ist das Ergebnis einer wissenschaftlichen Studie, die in der Zeitschrift “Food Quality and Preference” erschienen ist. Demnach führen Label mit der Aufschrift “klimaneutral” dazu, dass Verbraucher Lebensmittel für deutlich klimafreundlicher halten, als sie eigentlich sind.
Das ist laut den Forschenden auch dann der Fall, wenn klargestellt wird, dass ein Produkt nur durch CO₂-Kompensationen klimaneutral ist. Etwa durch Aufdrucke wie “100 Prozent CO₂-kompensiert”, wie sie der Kommissionsvorschlag zu Green Claims für solche Fälle vorsieht. “Solche Labels fördern somit Greenwashing, erschweren die Markttransparenz und bieten Verbraucherinnen und Verbrauchern keine Orientierung für eine nachhaltige Ernährung”, kritisiert Erstautorin Denise Dreist von der Universität Göttingen.
Als wirksamere Alternative identifiziert die Studie ein Ampelsystem ähnlich dem Nutri-Score. Hierdurch würden Verbraucher die Klimawirkung von Lebensmitteln akkurater einschätzen. Studienleiterin Anke Zühlsdorf rät dazu, eine Ampelkennzeichnung zur Pflicht zu machen. So seien Produkt besser vergleichbar und es würden nicht nur klimafreundliche Produkte hervorgehoben. Ein erster Schritt könne aber ein Verbot der produktbezogenen Werbung mit Klimaneutralität sein.
Für die Studie wurden Testpersonen aus Deutschland befragt, die die Klimawirkung verschiedener Lebensmittelprodukte einschätzen sollten. Die Autoren verglichen, wie sich die Einschätzung unterschied, je nachdem, welches Klimalabel das jeweilige Produkt trug.
Während sich EU-Umweltministerrat und Kommission dafür aussprechen, dass Unternehmen CO₂-Kompensationen bei Klimalabeln weiter geltend machen können, will das Europäische Parlament dies nur in Ausnahmefällen erlauben, damit die Reduktion von Emissionen im Vordergrund steht. Die Trilogverhandlungen, bei denen sich Rat und Parlament auf eine Version einigen müssen, dürften Anfang kommenden Jahres starten. jd
Ein Großteil der deutschen Gründerszene sieht sich als Treiber der sozial-ökologischen Transformation. Das geht aus dem Startup Monitor 2024 hervor, den der Startup-Verband Anfang der Woche vorgestellt hat. Demnach geben mehr als 45 Prozent der Gründer an, sich mit ihren Produkten und Lösungen an gesellschaftlichen Problemen zu orientieren und sich deshalb im Bereich Social Entrepreneurship zu verorten.
Eine noch größere Rolle spielt laut Startup Monitor das Thema ökologische Nachhaltigkeit, das in der Selbstzuordnung weiter an Bedeutung gewonnen hat. So zählen rund 48 Prozent der Gründer ihre Unternehmen zur Green Economy. Der Anteil ist damit in den letzten fünf Jahren um mehr als 30 Prozent gestiegen.
“Wir müssen mit unseren wertvollen Ressourcen nachhaltiger wirtschaften. Dafür sind Start-ups, die technische Innovationen schnell in die Praxis bringen, zentral und es freut mich, dass so viele Gründer die nachhaltige Transformation aktiv vorantreiben”, sagt Lilian Schwich, die als Mitgründerin des Startups Cylib den Innovationspreis 2023 des Landes NRW in der Kategorie “innovation4transformation” gewonnen hat. Die Cylib GmbH beschäftigt sich mit Batterierecycling im industriellen Maßstab.
Um mit ihren Innovationen den Durchbruch zu schaffen, sind die meisten Startups auf die Zusammenarbeit mit der etablierten Wirtschaft angewiesen. Doch die verweigert sich laut Startup Monitor immer öfter. Nur etwas mehr als ein Drittel der Befragten bewertet die Kooperationsmöglichkeiten derzeit als gut. Im Vorjahr waren es noch rund 40 Prozent.
Ebenfalls zurückgegangen ist der Anteil von Frauen in der Startup-Szene. Aktuell sind sie nicht einmal mehr für jede fünfte Gründung verantwortlich. “Ich finde das persönlich und mit Blick auf unseren Wirtschaftsstandort alarmierend”, sagt Kati Ernst, Vorständin des Startup-Verbands und Mitgründerin von Ooja, einer “Female Bodywear Company” aus Berlin. “Denn am Ende bedeutet das: weniger Talente, weniger Startups, weniger Innovation und weniger Wachstum. Da müssen wir gegensteuern.” ch
Damit Betriebe Bio-Lebensmittel in die EU einführen können, müssen in den Herkunftsländern entsprechende Vorgaben erfüllt werden. Während es in den sogenannten Drittländern bislang ausreichte, die europäischen Bio-Standards “gleichwertig” anzuwenden, sollen sie ab dem kommenden Jahr dort “übereinstimmend” umgesetzt werden. Das bedeutet unter anderem, dass Erzeuger maximal einen Umsatz von 25.000 Euro machen und innerhalb einer Kooperative nicht gleichzeitig ökologisch und konventionell wirtschaften dürfen.
Kritik gibt es nun jedoch an der Übergangsfrist, welche die EU den betroffenen Betrieben in den Herkunftsländern einräumt. Nach aktuellem Stand bleibt ihnen bis Mitte Oktober 2025 Zeit, die notwendigen Kontrollen und Zertifizierungen für die EU-Vorgaben abzuwickeln. Jan Plagge, dem Präsidenten des europäischen Bio-Dachverbands IFOAM Organics Europe, reicht das nicht. “Wir verstehen nicht, warum man die eine Übergangsfrist jetzt mitten ins Kontrolljahr schiebt”, sagt er. Für eine praktikable Umsetzung brauche es eine längere Übergangsfrist bis Ende 2025.
Eine gute Regelung wie die EU-Öko-Verordnung, die für Europa gedacht sei, auf den Globalen Süden umzulegen, hält Marcelo Crescenti, Kommunikationsleiter bei Fairtrade Deutschland, für schwierig. Man wolle Kleinbauern fördern, halte sie jetzt aber mit der Umsatzgrenze von 25.000 Euro vor allem klein. Ähnliche Wirkungen prognostiziert Crescenti mit Blick auf die Vorgaben zu Kooperativen. Fairtrade arbeite nur mit Kooperativen zusammen. Diese seien aber meist keine reinen Bio-Kooperativen. Manche Landwirte bewirtschafteten den einen Hügel ökologisch, den anderen konventionell. Ganz auf Bio umzustellen, sei allerdings ein langwieriger Prozess.
Fairtrade sei deshalb dabei, Mittel umzuwidmen, um in den Produzentennetzwerken Kapazitäten aufzubauen, sagt Crescenti. Auch von der EU fordert der Verein mehr Ressourcen. “Die EU muss schauen, wie sie die Betroffenen vor Ort unterstützen kann, um Beratungsangebote zu schaffen und Programme aufzulegen.” heu
Die globale Dekarbonisierungsrate fiel im vergangenen Jahr auf 1,02 Prozent, den niedrigsten Wert seit 2011. Dies geht aus dem neuen Net Zero Economy Index der Unternehmensberatung PwC hervor, der Table.Briefings vorab vorlag. Die Dekarbonisierungsrate ergibt sich aus dem Rückgang der “Karbonintensität” einzelner Volkswirtschaften. Zur Berechnung teilt PwC den Ausstoß von CO₂-Äquivalenten – berechnet mittels Daten des Statistical Review of World Energy – durch das jeweilige Bruttoinlandsprodukt.
Seit dem Jahr 2000 sank die globale Karbonintensität durchschnittlich um 1,4 Prozent pro Jahr. Um das Ziel einer maximalen Erderwärmung um 1,5 Grad Celsius bei von der OECD prognostizierten Wirtschaftswachstumsraten zu erreichen, müsste sie bis 2050 pro Jahr aber um mehr als 20 Prozent sinken. Für das schwächere Ziel von 2 Grad Celsius wäre die Maßgabe knapp sieben Prozent. “Um die notwendigen Veränderungen zu erreichen”, so Emma Cox, Leiterin der Klimastrategie bei PwC, “müssen wir die Nutzung erneuerbarer Energien ausbauen, die Energienachfrage besser steuern und die finanzielle und technische Unterstützung für einen fairen Übergang erhöhen.”
Die Karbonintensität in den G7-Staaten sank im vergangenen Jahr um 5,3 Prozent. Dies sei zwar mehr als der Durchschnitt von 3,45 Prozent der vergangenen fünf Jahre, aber auch diese Länder hätten “noch einen weiten Weg zu gehen”, heißt es in der Studie. Eine “E7” genannte Vergleichsgruppe aus großen Schwellenländern wie China und Indien hätte ihre Karbonintensität im vergangenen Jahr hingegen sogar leicht erhöht. Ausbleibende Regenfälle seien dafür verantwortlich, weil dadurch mehr Strom aus fossilen Energieträgern statt aus Wasserkraft produziert wurde. Auch der steigende Energiebedarf von Klimaanlagen und für die Meerwasserentsalzung – beides Anpassungsformen an den Klimawandel – hätten dazu beigetragen.
Deutschlands Dekarbonisierungsrate lag der Studie zufolge mit 8,9 Prozent höher als in allen anderen Ländern mit sehr hohem CO₂-Ausstoß. Diese Verringerung dürfte mit dem Ausbau der erneuerbaren Stromproduktion zusammenhängen. Die erneuerbare Energieproduktion deckte in den ersten drei Quartalen des Jahres 2024 rund 56 Prozent des Bruttostromverbrauchs ab, so vorläufige Angaben des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW). Dies sei vor allem durch den Ausbau der Photovoltaik in den letzten beiden Jahren erreicht worden. av
Aufschiebung der EUDR ist der falsche Weg – Haufe
Die geplante Anti-Entwaldungsverordnung wird von vielen Seiten kritisiert, Unternehmen klagen über die aus ihrer Sicht zu großen Hürden bei der Umsetzung. Klaus Wiesen sagt, dass es – neben der Beibehaltung oder Aussetzung der Regelung – eine dritte Option gäbe: nämlich eine übergangsweise Bemühenspflicht, mit der Firmen belegen, dass sie sich um die notwendige Datenbeschaffung bemühen. So wurde es etwa auch beim Lieferkettengesetz gemacht. Zum Artikel
The great green business rethink is finally happening – Financial Times
Corporate Sustainability reiche nicht aus – Unternehmen, die es ernst mit der Nachhaltigkeit meinen, sollten sich für politische Änderungen der Marktbedingungen einsetzen, schreibt Pilita Clark in ihrer Kolumne. Nachhaltigkeit vom guten Willen einzelner Unternehmensführer abhängig zu machen, sei ein Fehler, wie Shell, Volvo, Unilever und andere mit ihrer Abkehr von ursprünglichen Zielen gezeigt hätten. Zum Artikel
Klimawende in der Zementindustrie: Betonköpfe denken um – Spiegel
Über den Stand der Dekarbonisierung der Zementindustrie informiert Philip Bethge. Diese komme langsam in Gang, mit mehreren Projekten in Deutschland und anderswo in Europa. Aber reicht das und geht es schnell genug? Vor allem an der Verklappung von CO₂ scheiden sich nach wie vor die Sichtweisen: Die großen Konzerne der Branche sähen darin die Lösung, aber andere vermuten eine Verschleppungstaktik mit großen Risiken für Umwelt und Klima. Zum Artikel
ThyssenKrupp: Die Zerschlagung ist keine Lösung – Handelsblatt
In einem Kommentar kritisiert Martin Murphy scharf die Chefin der Krupp-Stiftung, Ursula Gather. Ihre Arbeit alleine auf die Förderzwecke auszurichten, reiche nicht. Als größte Einzelaktionärin von Thyssenkrupp müsse die Stiftung gestalten, statt zu zerstören. Vergangene Woche hatte das Handelsblatt über inoffizielle Pläne zur Zerschlagung des Konzerns berichtet, den Vorstandschef Miguel López im Auftrag Gathers vorantreibe. Zum Artikel
Trump 2.0 Climate Tipping Points – Bloomberg
Wie könnte der Ex-Präsident bei einem Wahlsieg die Bemühungen der USA, die Treibhausgase runterzufahren, noch behindern? Jennifer A. Douhly bewertet verschiedene Aspekte in ihrem “Guide”: Demnach sei der Inflation Reduction Act “designed to be Trump proof”. Bei Clean-Tech-Investitionen, E-Autos, Offshore-Windparks, der Kohlekraft, der Gasindustrie und den Methan-Emissionen hingegen könnte er aber spürbar zum Negativen eingreifen. Zum Artikel
The deep history of British coal – from the Romans to the Ratcliffe shutdown – The Guardian
Großbritannien hat am Montag sein letztes Kohlekraftwerk vom Netz genommen. Damit endet nach mehr als 140 Jahren die Kohleverstromung auf der Insel. Jillian Ambrose zeichnet deren wechselvolle Geschichte nach, die nicht nur eng mit der industriellen Entwicklung, sondern auch mit der sozioökonomischen und politischen Geschichte Großbritanniens verknüpft ist. Zum Artikel
CO₂-Fußabdruck und Energiebilanz: Wissenschaftler schlägt einen besseren Maßstab für Nachhaltigkeit vor – T3N
Wenn von Nachhaltigkeit die Rede ist, fallen oft Begriffe wie “CO₂-Fußabdruck” oder “Energiebilanz”. Der Unternehmer Bernhard Weßling plädiert im Gespräch mit Gregor Hensel stattdessen für die Entropie. Sein Ansatz: Je komplexer ein System ist, desto höher ist seine Funktionalität – auch für den Menschen. Als Beispiel aus dem Bereich Biodiversität nennt er den Mischwald im Vergleich zur Monokultur. Zum Artikel
Globaler Arbeitsmarkt: Der grüne Jobboom nützt vor allem China – Spiegel
Die Zahl der Arbeitsplätze im Bereich der erneuerbaren Energien hat weltweit einen neuen Höchststand erreicht. 16,2 Millionen Menschen arbeiteten Ende 2023 in der Branche, rund 18 Prozent mehr als ein Jahr zuvor. Doch der Jobboom konzentriert sich auf wenige Länder, berichtet Stefan Schultz. So sei China mit geschätzten 7,4 Millionen Arbeitsplätzen im Bereich der erneuerbaren Energien weltweit führend. Die EU folgt mit deutlichem Abstand auf Platz zwei. Zum Artikel
Klimakrise, demografischer Wandel und wirtschaftliche Unsicherheiten: Für die Lösung dieser komplexen gesellschaftlichen Herausforderungen brauchen wir nicht nur technologische, sondern auch soziale Innovationen. Um diese zu stärken, hat die Bundesregierung im letzten Jahr die “Nationale Strategie für soziale Innovationen und gemeinwohlorientierte Unternehmen (Sigu)” verabschiedet. In ihr wurden elf politische Handlungsfelder sowie konkrete Vorschläge definiert, um die Entwicklung von sozialen Innovationen zu fördern. Zeit für ein Zwischenfazit: Ist die Strategie mehr als ein Lippenbekenntnis?
Soziale Innovationen wie innovative Bildungsprogramme, nachhaltige Stadtentwicklung oder neue Ansätze in der Gesundheitsversorgung treiben positive gesellschaftliche Veränderungen voran. Insbesondere Geschäftsmodelle wie Social Business und Impact Start-ups gewinnen in politischen Strategien immer mehr an Bedeutung. Mit dem Fokus auf soziale und ökologische Wirkungen entwickeln sie sich zu einem wichtigen Wirtschaftsfaktor: Laut dem Deutschen Social Entrepreneurship Monitor 2024 erwarten 90 Prozent dieser Unternehmen einen Jahresumsatz von mehr als 1 Million Euro. Jeder zehnte Arbeitsplatz in Deutschland ist der Social Economy zuzurechnen, wobei der Anteil innovativer und von Frauen mitgegründeter Unternehmen in diesem Sektor besonders hoch ist.
Trotz der transformativen Effekte sozialer Innovationen liegt Deutschland im EU-Vergleich bei deren Förderung zurück. Die Finanzierung ist im Allgemeinen das größte Hindernis für Gründerinnen und Gründer. Hier setzt die Sigu-Strategie der Bundesregierung mit dem verbesserten Zugang zu öffentlichen Förderprogrammen für soziale Innovationen und gemeinwohlorientierte Unternehmen an: Unter den 300 Innovationssprints, die beispielsweise im Rahmen von “DATIpilot” gefördert werden, sind immerhin 20 Prozent soziale Innovationen.
Auch der Ideenwettbewerb des BMBF “Gesellschaft der Innovationen – Impact Challenge an Hochschulen” richtet sich gezielt an solche Projekte. Und mit “Nachhaltig wirken” veröffentlichte das Bundeswirtschaftsministerium im August die bisher umfangreichste Förderrichtlinie für gemeinwohlorientierte Unternehmen. Mit der Plattform für soziale Innovationen und gemeinwohlorientierte Unternehmen ist zudem eine großartige Wissensressource mit vielen Aspekten online gegangen.
Trotzdem fehlt es nach wie vor an ausreichenden Zugängen zu Finanzierungen, insbesondere zu privaten Mitteln nach der Pilotphase einer neuen Geschäftsidee. Soziale Innovationen benötigen oft längere Zeiträume, um messbare Erfolge zu erzielen. Sie werden deshalb von Investorinnen und Investoren als riskanter wahrgenommen. Im Vergleich zu Ländern wie den USA oder Großbritannien ist die Impact-Investment-Szene in Deutschland unterentwickelt, es gibt weniger spezialisierte Fonds und Netzwerke.
Trotz vieler wirksamer Initiativen der Bundesregierung – die Skepsis gegenüber dem gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Beitrag sozialer Innovationen bleibt hoch. Umso wichtiger ist es, dass sie weiterhin konsequent gestärkt werden und die Sigu-Strategie der Bundesregierung konsequent umgesetzt wird. Die drängendsten Herausforderungen liegen dabei in vier Bereichen:
Damit soziale Innovationen sichtbar und Kritiker überzeugt werden können, sind verbindliche Standards für die Wirkungsmessung erforderlich. Derzeit mangelt es an klaren Richtlinien und Bewertungsmethoden, die es ermöglichen, den tatsächlichen gesellschaftlichen Nutzen dieser Innovationen umfassend zu dokumentieren. Dies wird uns als Stifterverband in den von uns, zusammen mit anderen Partnern, begleiteten BMBF-Projekten wie DATIpilot und T!Raum immer wieder aufgezeigt. Eine verbesserte Indikatorik würde nicht nur Transparenz schaffen, sondern auch erfolgreiche Innovations-Ansätze identifizieren und zu deren Skalierung beitragen. Gleichzeitig könnten ineffiziente Strategien schneller angepasst oder eingestellt werden. Robuste Wirkungsmessungen sind außerdem entscheidend, um das Vertrauen von Investoren, Stiftungen und politischen Entscheidungsträgern zu gewinnen, die zunehmend auf Nachweise der positiven Wirkung ihrer Mittelverwendung angewiesen sind.
Ein weiteres Hindernis für die breite Umsetzung sozialer Innovationen ist der Mangel an spezifischen Finanzierungsinstrumenten für Impact Investments. Steuerliche Impactprämien, Community Bonds oder Social Impact Bonds könnten neue Anreize schaffen und gleichzeitig eine positive soziale und ökologische Wirkung fördern. Diese Instrumente, zusammen mit Mikrokrediten, Crowdfunding-Plattformen und spezialisierten Impact Investment Fonds, würden die Finanzierungsmöglichkeiten für sozial-innovative Unternehmen erheblich erweitern und deren nachhaltige Entwicklung in Deutschland unterstützen.
In Deutschland fehlt es an einer geeigneten Rechtsform, die den besonderen Bedürfnissen und Herausforderungen sozialer Innovationen gerecht wird. Derzeit müssen diese auf traditionelle Rechtsformen wie eingetragene Vereine, gemeinnützige GmbHs oder Stiftungen zurückgreifen. Diese sind für Sozialunternehmen aber nicht immer ideal. Eine eigene Rechtsform für Sozialunternehmen, beispielsweise mit gebundenem Vermögen, könnte jene Rahmenbedingungen schaffen, die gezielt auf die Förderung sozialer und ökologischer Ziele ausgerichtet sind. Eine solche Rechtsform könnte flexible Finanzierungsmöglichkeiten, steuerliche Vorteile und angepasste Regulierungen bieten, um die besonderen Anforderungen sozialer Innovationen optimal zu unterstützen. Die derzeitige Vorlage eines Gesetzentwurfes zur Reformierung des Genossenschaftsrechts ist hier nur ein erster Schritt.
Insgesamt fehlt es jedoch an klaren Zielsetzungen und politischen Zuständigkeiten, was zu einer Fragmentierung der Bemühungen einzelner Ministerien führt. Der internationale Beirat für soziale Innovationen der Bundesregierung fordert deshalb, dass für eine klarere politische Strategie das Thema im Bundeskanzleramt verortet werden sollte. “Die Bundesregierung sollte das Sigu-Strategieziel bis 2030 weiterentwickeln, indem sie die Mobilisierung von Kapital aus privaten und öffentlichen Mitteln unterstützt und Maßnahmen ergreift, um die Entstehung von mindestens zehn Impact Unicorns – Unternehmen mit einer Bewertung von über einer Milliarde Euro oder einer Reichweite von mindestens einer Million Menschen – zu beschleunigen, die neue Gründungswellen in diesem Sektor auslösen können.”
Fazit: Ein Jahr nach der Einführung der “Nationalen Strategie für soziale Innovationen und gemeinwohlorientierte Unternehmen” zeigen sich erste Erfolge. Sie ist mehr als ein Lippenbekenntnis. Dennoch bleibt die Aufgabe, auch die großen Hindernisse zu überwinden: Wirkungsindikatorik, dauerhafte Finanzierung, rechtliche Rahmenbedingungen und klare politische Zuständigkeiten. Für diese Herausforderungen braucht es schnellstmöglich Lösungsansätze. Nur so kann die Förderung sozialer Innovationen effektiv gestaltet werden. Die Zeit drängt, denn nur im Zusammenspiel von technologischen und sozialen Innovationen werden wir den komplexen Herausforderungen der nächsten Jahre und Jahrzehnte begegnen können.
Africa.Table – UN-Pakt für die Zukunft: Was wir von dem Drama in New York lernen können: Der Versuch Russlands, die auf dem UN-Zukunftsgipfel langwierig ausgehandelte Übereinkunft zu torpedieren, ist gescheitert. Darin sieht der SPD-Europaabgeordnete Udo Bullmann ein Zeichen, dass der Globale Süden seine eigenen Interessen selbstbewusst verfolgt. Zum Artikel
Climate.Table – Klimahilfen: So gefährdet der Sparkurs Deutschlands globale Aufgaben: Der Sparzwang im Bundeshaushalt hat direkten Einfluss auf Außen- und Klimapolitik: Mittel für humanitäre Hilfe werden halbiert, die versprochene Klimafinanzierung für 2025 ist gefährdet. In der Vergangenheit hat Deutschland allerdings mit knapp zehn Milliarden Euro Klimahilfen seinen fairen Anteil geleistet. Zum Artikel
Europe.Table – Wasserstoffbank: China-Vorbehalt gilt auch für Mitgliedstaaten: Die Kommission verfolgt in Bezug auf Importe chinesischer Elektrolyseure einen neuen Kurs. Der wird auch Auswirkungen auf die Förderpolitik der Mitgliedstaaten haben. Zum Artikel
350 Milliarden Euro. So viel gibt der Staat schätzungsweise pro Jahr für öffentliche Aufträge aus. Über diese Summe könnte er viel zur Transformation der Wirtschaft beitragen – in der Praxis passiert das bislang aber kaum. Die geplante Reform des Vergaberechts soll das jetzt ändern. Was das für nachhaltige, innovative Unternehmen bedeutet, erklärt Nicolas Heronymus.
Über staatliche Förderungen anderer Art diskutiert aktuell gerade die Autobranche. Weil die meisten Hersteller ihre Klimaziele nicht erreichen, wünschen sie sich eine Anpassung der Regulierungen. Andere Unternehmen wiederum plädieren dafür, den eingeschlagenen Kurs zu halten. Welche Zahlen und Fakten hinter der Auseinandersetzung stecken, analysiert Carsten Hübner.
Und in unserem Standpunkt geht es um soziale Innovationen und gemeinwohlorientierte Unternehmen. Andrea Frank, die stellvertretende Generalsekretärin des Stifterverbands, geht auf vier Bereiche ein, die besondere Aufmerksamkeit benötigen, damit der Sektor zu einem noch größeren Wirtschaftsfaktor werden kann.
Das Bundeswirtschaftsministerium (BMWK) hat am Montag seinen Entwurf für die Reform des Vergaberechts in die Ressortabstimmung gegeben. Mit dem Vorhaben soll die Vergabe von Staatsaufträgen einfacher, schneller und digitaler werden, gleichzeitig soll es innovative und nachhaltige Unternehmen fördern. Um den Aufwand für Verwaltung und Wirtschaft zu reduzieren, plant das BMWK demnach, die Grenze für Direktaufträge von 1.000 Euro auf 15.000 Euro zu erhöhen – bei Aufträgen für innovative Leistungen von gemeinwohlorientierten Unternehmen oder Start-ups sogar auf 100.000 Euro. In solchen Fällen bräuchte es dann keine Vergabeverfahren mehr.
Um es für Unternehmen attraktiver zu machen, sich um Staatsaufträge zu bemühen, sollen zudem die Nachweispflichten reduziert werden: Nur Firmen, die einen Auftrag voraussichtlich erhalten, müssten Nachweise erbringen. Welche Bieter das betrifft, soll laut einem Sprecher des BMWK die Vergabestelle entscheiden. Zudem sollen Auftraggeber bei niedrigen Summen prüfen, ob Nachweise überhaupt notwendig sind. In der Unterschwelle (keine EU-weite Ausschreibung) könnten Vergabestellen innerhalb eines Jahres auf eine weitere Eignungsprüfung verzichten.
Mit einem Beschaffungsvolumen von schätzungsweise 350 Milliarden Euro pro Jahr verfügt der deutsche Staat laut Fachleuten über einen großen Hebel, nachhaltige Dienstleistungen und Produkte zu fördern – und damit die Transformation der Wirtschaft. In der Praxis funktioniert das bislang aber kaum: In lediglich rund zwölf Prozent der Vergaben haben öffentliche Auftraggeber im ersten Halbjahr 2022 Nachhaltigkeitskriterien berücksichtigt. Mit dem Vergabetransformationspaket soll sich das ändern.
Durch die Reform soll es für die öffentliche Hand Pflicht werden, mindestens ein soziales oder umweltbezogenes Kriterium bei der Vergabe von Aufträgen zu berücksichtigen. Das BMWK betont, dass es sich um eine “Soll-Vorgabe” handelt. In Ausnahmefällen soll es möglich sein, von der Vorgabe abzuweichen, wenn die Vergabestellen dies begründen – zum Beispiel bei geistigen Dienstleistungen ohne Umweltrelevanz. Wie genau sie Nachhaltigkeitskriterien berücksichtigen, etwa in welcher Phase des Verfahrens, sollen die Vergabestellen entscheiden.
Für bestimmte Leistungen, die sich für sozial- und umweltgerechte besonders eignen, soll es separate Listen geben. Werden Leistungen von diesen Listen beschafft, müssten nachhaltige Kriterien berücksichtigt werden. Beispiele aus den vorgesehenen 15 Kategorien umfassen etwa Textilien, Möbel, Klopapier und Fairtrade-Produkte. Darüber hinaus ist eine Negativliste geplant mit Produkten, die nicht mehr gekauft werden dürfen. Das betrifft zum Beispiel Einweggeschirr. Grundlage dafür soll die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Beschaffung klimafreundlicher Leistungen (AVV Klima) sein, die aktuell für die Bundesbehörden gilt.
Für Unternehmen, die nachhaltig wirtschaften wollen, ist aus Sicht von Tim Stoffel, Referent bei Fairtrade, Planungssicherheit wichtig. Die vorgesehene stärkere Selbstverpflichtung mit Blick auf Nachhaltigkeit sendet ihm zufolge ein klares Signal an den Markt: “Soziale und ökologische Produktionsbedingungen werden für die Erlangung öffentlicher Aufträge immer wichtiger.” Wie sich die Vorgaben letztlich auswirken, hänge aber von der Umsetzung in den Vergabestellen ab.
Gerade dort sieht Stoffel die “Grenzen der Reform“. Bei der konkreten Umsetzung brauche es viel mehr Unterstützungsmaßnahmen, Aus- und Weiterbildung sowie “die Erkenntnis, dass öffentliche Beschaffung strategisch betrachtet werden muss“, sagt er. Denn ein wesentlicher Grund dafür, dass die nachhaltige öffentliche Beschaffung hierzulande kaum vorankommt, ist laut Beratern und Praktikern auch, dass es oft noch an der entsprechenden Expertise fehlt.
Dass es für Vergabestellen bei der Frage, wie sie Nachhaltigkeitskriterien berücksichtigen, weiterhin Ermessensspielraum geben soll, sieht Yvonne Jamal, Expertin für nachhaltige Beschaffung, deshalb kritisch. “Genau hier sehen wir in der Praxis die größten Unsicherheiten bei den Beschaffungsverantwortlichkeiten, da viele nicht ausreichend geschult sind und Angst vor Verfahrensfehlern haben”, sagt sie. Die angekündigten Praxishilfen müssten daher Klarheit schaffen und die Mitarbeiter der Vergabestellen besser ausgebildet werden als bislang.
Eine klare Vorgabe wünscht sich Jamal auch für die Gewichtung verschiedener Faktoren bei der Evaluation von Unternehmensangeboten. Würden diese im Vergleich zu Preis, Qualität und Lieferzeit mindestens gleichwertig gewichtet, “ließen sich gezielte Anreize für Unternehmen schaffen, nachhaltige Produkte, Leistungen und Innovationen anzubieten”, sagt sie. Wenn der Fokus wie bisher in den meisten Fällen weiterhin auf dem Preis liege, würden Unternehmen mit nachhaltigen Produkten benachteiligt.
Konkrete Vorgaben zur Gewichtung von Nachhaltigkeitskriterien hält auch der Bundesverband Nachhaltige Wirtschaft (BNW) für notwendig. Im besten Fall würde Nachhaltigkeit zum “neuen Normal” in der Vergabe, was aus Sicht des Verbands Auswirkungen auf alle Unternehmen hätte. Unternehmen, die soziale und ökologische Faktoren berücksichtigen, wären nicht wie bislang schlechter gestellt als “klassisch wirtschaftende Unternehmen” – letztere könnten die neuen Regelungen als Anreiz verstehen, “Nachhaltigkeit als Wettbewerbsvorteil wahrzunehmen”.
Mehr Chancen für Unternehmen mit nachhaltigen Produkten und Dienstleistungen erwartet Christopher Zeiss, Professor für Staats- und Europarecht an der Hochschule für Polizei und öffentliche Verwaltung NRW, zwar – hält “gravierende Auswirkungen auf den Markt” aber für unrealistisch. Zum einen würden sich viele Unternehmen um mehr Nachhaltigkeit bemühen. Zum anderen “leidet die öffentliche Hand an knappen Finanzmitteln”, weshalb es “häufig doch wieder auf das altbekannte Zuschlagskriterium ‘niedrigster Preis’ herauslaufen” werde.
Damit die Reform tatsächlich zum Hebel für nachhaltige Beschaffung und die Transformation werden kann, müssten Mitarbeiter von Vergabestellen gestärkt und ermutigt werden. Aus Sicht von Zeiss gehört dazu auch, dass es eine Fehlerkultur gibt und Dinge auch mal ausprobiert werden. Zudem brauche es mehr Zeit und Personal für die oft aufwendigen Markterkundungen bei nachhaltigen Produkten. Wichtig sei darüber hinaus mehr Geld und ein anderes Verständnis von Wirtschaftlichkeit, weil Nachhaltigkeit in der Vergabe zunächst oft teurer sei, sich über den Lebenszyklus dann aber lohne.
Unternehmen aus verschiedenen Branchen haben sich Anfang dieser Woche in einer gemeinsamen Erklärung für ein Festhalten an den von der EU geplanten CO₂-Flottengrenzwerten ausgesprochen. Zu den 50 Unterzeichnern gehören neben den Autoherstellern Volvo Cars, Polestar und Rivian auch Europas größtes Leasingunternehmen Ayvens, der Fahrdienstvermittler Uber und der Betreiber von Schnellladestationen Electra.
“Das Ziel für 2035 gibt uns eine klare Richtung vor, die es Unternehmen und allen anderen Akteuren ermöglicht, sich darauf zu konzentrieren, die notwendige Transformation umzusetzen”, heißt es in dem Papier. Dies schaffe die dringend benötigte Investitionssicherheit. “Wir fordern daher die Entscheidungsträger auf, die kürzlich verabschiedeten CO₂-Ziele für Pkw und Transporter im Jahr 2026 nicht wieder zu öffnen und das Ziel von 100 Prozent emissionsfreien Fahrzeugen ab 2035 beizubehalten.”
In den vergangenen Monaten sind vermehrt Stimmen aus der Automobilindustrie und Teilen der Politik laut geworden, das für 2035 geplante Verbrenner-Aus ganz zu kippen. Zumindest solle die für das kommende Jahr vorgesehene Verschärfung der Flottengrenzwerte verschoben werden, heißt es. Begründet wird dies mit den schwächelnden Verkaufszahlen von Elektroautos in Deutschland und Europa.
Nach aktuellen Zahlen des europäischen Automobilherstellerverbandes ACEA wurden in den ersten acht Monaten dieses Jahres in der EU 902.011 Elektrofahrzeuge neu zugelassen. Das entspricht einem Minus von 8,3 Prozent gegenüber dem Vorjahr.
Noch deutlicher fiel der Rückgang in Deutschland aus, wie das Kraftfahrt-Bundesamt berichtet. Hier wurden von Januar bis August 241.911 Pkw mit Elektroantrieb neu zugelassen – 32 Prozent weniger als im Vorjahreszeitraum. Ihr Anteil am Gesamtmarkt lag bei 12,7 Prozent.
Für die Hersteller kann dies erhebliche Konsequenzen haben. Denn um die sinkenden CO₂-Flottengrenzwerte einhalten zu können, benötigen sie einen steigenden Anteil von Elektrofahrzeugen an ihrem Gesamtabsatz. Derzeit stößt ein effizienter Verbrennungsmotor rund 120 Gramm CO₂ pro Kilometer (g/km) aus und liegt damit bereits über dem derzeit geltenden Grenzwert von durchschnittlich 115,1 g/km. Dieser soll bis 2025 auf 93,6 g/km, bis 2030 auf 49,5 g/km und bis 2035 auf null sinken.
Die Hersteller müssen also zum Ausgleich immer mehr Elektroautos und gleichzeitig immer weniger Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor verkaufen, um die Vorgaben zu erfüllen. Gelingt dies nicht, drohen empfindliche Strafzahlungen. Die EU sieht eine Strafe von 95 Euro pro überschrittenem Gramm CO₂ pro Kilometer und verkauftem Auto vor.
Das kann schnell in die Milliarden gehen. So warnte Luca de Meo, Chef der Renault-Gruppe und Präsident des ACEA, dass sich die möglichen Strafzahlungen für die Branche auf bis zu 15 Milliarden Euro summieren könnten. Besonders betroffen wäre nach Berechnungen von Dataforce der Volkswagen-Konzern, dessen durchschnittlicher CO₂-Ausstoß derzeit bei 123 g/km liegt. Deutlich besser stehen Mercedes-Benz mit 108 g/km und BMW mit 106 g/km da, obwohl auch sie über dem ab 2025 geltenden Grenzwert liegen.
Vor diesem Hintergrund hat Wirtschaftsminister Robert Habeck nach dem Autogipfel in der vergangenen Woche angekündigt, sich in Brüssel dafür einzusetzen, dass die Revision der CO₂-Flottengrenzwerte um ein Jahr auf 2025 vorgezogen wird. Die Automobilindustrie erhofft sich von der Überprüfung eine Abschwächung der Standards, um der schlechten Marktlage Rechnung zu tragen.
Aus Sicht von Bundesfinanzminister Christian Lindner ist es sogar notwendig, die Flottengrenzwerte ganz auszusetzen, um drohende Strafzahlungen für die deutschen Automobilhersteller abzuwenden. Sonst drohe “eine Kernschmelze einer unserer Schlüsselindustrien”, sagte er kürzlich auf dem FAZ-Mobilitätsgipfel in Berlin.
Die Bundesregierung ist der Automobilindustrie bereits im Rahmen ihrer im Sommer angekündigten Wachstumsinitiative mit deutlich verbesserten Abschreibungs- und Dienstwagenbedingungen entgegengekommen. Demnach fallen rückwirkend zum 1. Januar 2024 auch Elektrofahrzeuge bis zu einem Wert von 95.000 Euro unter das Dienstwagenprivileg. Dazu kommt die Möglichkeit einer Sonderabschreibung für E-Autos, die bis zum 31. Dezember 2028 gilt. Im Ergebnis rechnet Habeck mit einem “Nachfrage-Push”.
Die Maßnahmen, die vor allem den Absatz von SUVs und hochpreisigen Elektroautos fördern dürfte, macht mit Blick auf die Einhaltung der Flottengrenzwerte durchaus Sinn. Zumindest dann, wenn sie zu einem Umstieg von großen Verbrennern mit überdurchschnittlichem CO₂-Ausstoß auf entsprechende Elektrofahrzeuge führt.
Die Kosten dafür trägt allerdings die Allgemeinheit. Nach Berechnungen der Bundesregierung belaufen sich die zusätzlichen Steuermindereinnahmen im Jahr 2025 auf 480 Millionen Euro. Bis 2028 sollen sie auf 540 Millionen Euro pro Jahr steigen.
Autohersteller wie Volvo Cars, Polestar und Rivian, die sich für die bestehenden Regelungen und das Verbrenner-Aus einsetzen, dürften davon ebenso profitieren wie VW, Porsche, BMW oder Mercedes. Eine Änderung der grundlegenden Regulierung lehnen sie hingegen ab. Deshalb, so Jim Rowan, CEO von Volvo Cars, fordere man “die politischen Entscheidungsträger der EU auf, sich auf die Maßnahmen zu konzentrieren, die wir ergreifen müssen, um dieses Ziel zu erreichen, anstatt die gerade erst beschlossenen Rechtsvorschriften wieder aufzurollen.”
7. bis 11.10.2024, Bonn
Seminar Nachhaltiger Konsum – Dürfen wir uns noch was leisten? (Veranstalter: Friedrich-Ebert-Stiftung) Info & Anmeldung
8.10.2024, 9:30 bis 18:30 Uhr, Berlin
Tagung 23. Jahreskonferenz des Rates für Nachhaltige Entwicklung (Veranstalter: Rat für Nachhaltige Entwicklung) Info & Anmeldung
9.10.2024, 12:00 bis 13:00 Uhr, Online
Diskussion Auf die Jobs kommt es an. In Arbeitskräfte und Kompetenzen investieren für eine starke klimaneutrale Wirtschaft (Veranstalter: Friedrich-Ebert-Stiftung) Info & Anmeldung
10.10.2024, 10:00 bis 12:30 Uhr, Online
Schulung Treibhausgasbilanzierung mit Ecocockpit (Veranstalter: Effizienz-Agentur NRW) Info & Anmeldung
10. bis 11.10.2024, Frankfurt am Main
Konferenz 8. Sustainable Finance Gipfel Deutschland (Veranstalter: Frankfurt School of Finance & Management) Info & Anmeldung
10. bis 11.10.2024, Erfurt
Konferenz ökofinanz-21 Herbsttagung 2024 (Veranstalter: ökofinanz-21 e.V.) Info & Anmeldung
14.10.2024, 16.00 bis 18.30 Uhr, Hamburg
Diskussion Hamburger Sustainable Finance Summit 2024 (Veranstalter: FCH Finance City Hamburg GmbH) Info & Anmeldung
14.10.2024, 13:00 bis 14:30 Uhr, Berlin
Spotlight Nachhaltigkeitsberichterstattung: Erste Erfahrungen mit den europäischen Nachhaltigkeitsberichterstattungsstandards (ESRS) (Veranstalter: DIHK) Info & Anmeldung
Laut der Beschlüsse des 74. Deutschen Juristentags (DJT) verursachen die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) und die ESRS-Kriterien, nach denen berichtet werden soll, “unverhältnismäßige Rechtsbefolgungskosten”. Der deutsche Gesetzgeber sollte daher “auch bei europäischen Rechtsakten stärker auf die Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes achten”. Ferner sollte die Überwachung der Berichterstattung durch Aufsichtsräte auf das “leistbare Maß beschränkt werden”.
Der Kongress, der alle zwei Jahre stattfindet und letzte Woche in Stuttgart tagte, stimmte über Vorlagen aus insgesamt sechs Abteilungen ab. Das Wirtschaftsrecht befasste sich dabei mit der Frage, wie gut sich gesetzgeberische Maßnahmen des Gesellschaftsrechts gegen den Klimawandel eignen. Die Beschlüsse der rund 2.000 teilnehmenden Juristinnen und Juristen sind als Appelle vor allem an die Politik und die Wissenschaft gerichtet.
In einer Grundsatzfrage stimmten sie mit großer Mehrheit dafür, dass Maßnahmen zur ökologischen Nachhaltigkeit und insbesondere zur Eindämmung des Klimawandels im Vergleich zu anderen Nachhaltigkeitsaspekten “in besonderem Maße gerechtfertigt” seien. Vorschläge, dass Unternehmen im Handels- oder Gesellschaftsregister der Zusatz “klimaneutral” unter gewissen Voraussetzungen ermöglicht werden sollte, wurden hingegen abgelehnt. maw
Obwohl die Green-Claims-Richtlinie irreführender Klimawerbung eigentlich ein Ende setzen soll, wären gemäß dem Kommissionsvorschlag weiter Label erlaubt, die die Wahrnehmung von Verbrauchern verzerren. Das ist das Ergebnis einer wissenschaftlichen Studie, die in der Zeitschrift “Food Quality and Preference” erschienen ist. Demnach führen Label mit der Aufschrift “klimaneutral” dazu, dass Verbraucher Lebensmittel für deutlich klimafreundlicher halten, als sie eigentlich sind.
Das ist laut den Forschenden auch dann der Fall, wenn klargestellt wird, dass ein Produkt nur durch CO₂-Kompensationen klimaneutral ist. Etwa durch Aufdrucke wie “100 Prozent CO₂-kompensiert”, wie sie der Kommissionsvorschlag zu Green Claims für solche Fälle vorsieht. “Solche Labels fördern somit Greenwashing, erschweren die Markttransparenz und bieten Verbraucherinnen und Verbrauchern keine Orientierung für eine nachhaltige Ernährung”, kritisiert Erstautorin Denise Dreist von der Universität Göttingen.
Als wirksamere Alternative identifiziert die Studie ein Ampelsystem ähnlich dem Nutri-Score. Hierdurch würden Verbraucher die Klimawirkung von Lebensmitteln akkurater einschätzen. Studienleiterin Anke Zühlsdorf rät dazu, eine Ampelkennzeichnung zur Pflicht zu machen. So seien Produkt besser vergleichbar und es würden nicht nur klimafreundliche Produkte hervorgehoben. Ein erster Schritt könne aber ein Verbot der produktbezogenen Werbung mit Klimaneutralität sein.
Für die Studie wurden Testpersonen aus Deutschland befragt, die die Klimawirkung verschiedener Lebensmittelprodukte einschätzen sollten. Die Autoren verglichen, wie sich die Einschätzung unterschied, je nachdem, welches Klimalabel das jeweilige Produkt trug.
Während sich EU-Umweltministerrat und Kommission dafür aussprechen, dass Unternehmen CO₂-Kompensationen bei Klimalabeln weiter geltend machen können, will das Europäische Parlament dies nur in Ausnahmefällen erlauben, damit die Reduktion von Emissionen im Vordergrund steht. Die Trilogverhandlungen, bei denen sich Rat und Parlament auf eine Version einigen müssen, dürften Anfang kommenden Jahres starten. jd
Ein Großteil der deutschen Gründerszene sieht sich als Treiber der sozial-ökologischen Transformation. Das geht aus dem Startup Monitor 2024 hervor, den der Startup-Verband Anfang der Woche vorgestellt hat. Demnach geben mehr als 45 Prozent der Gründer an, sich mit ihren Produkten und Lösungen an gesellschaftlichen Problemen zu orientieren und sich deshalb im Bereich Social Entrepreneurship zu verorten.
Eine noch größere Rolle spielt laut Startup Monitor das Thema ökologische Nachhaltigkeit, das in der Selbstzuordnung weiter an Bedeutung gewonnen hat. So zählen rund 48 Prozent der Gründer ihre Unternehmen zur Green Economy. Der Anteil ist damit in den letzten fünf Jahren um mehr als 30 Prozent gestiegen.
“Wir müssen mit unseren wertvollen Ressourcen nachhaltiger wirtschaften. Dafür sind Start-ups, die technische Innovationen schnell in die Praxis bringen, zentral und es freut mich, dass so viele Gründer die nachhaltige Transformation aktiv vorantreiben”, sagt Lilian Schwich, die als Mitgründerin des Startups Cylib den Innovationspreis 2023 des Landes NRW in der Kategorie “innovation4transformation” gewonnen hat. Die Cylib GmbH beschäftigt sich mit Batterierecycling im industriellen Maßstab.
Um mit ihren Innovationen den Durchbruch zu schaffen, sind die meisten Startups auf die Zusammenarbeit mit der etablierten Wirtschaft angewiesen. Doch die verweigert sich laut Startup Monitor immer öfter. Nur etwas mehr als ein Drittel der Befragten bewertet die Kooperationsmöglichkeiten derzeit als gut. Im Vorjahr waren es noch rund 40 Prozent.
Ebenfalls zurückgegangen ist der Anteil von Frauen in der Startup-Szene. Aktuell sind sie nicht einmal mehr für jede fünfte Gründung verantwortlich. “Ich finde das persönlich und mit Blick auf unseren Wirtschaftsstandort alarmierend”, sagt Kati Ernst, Vorständin des Startup-Verbands und Mitgründerin von Ooja, einer “Female Bodywear Company” aus Berlin. “Denn am Ende bedeutet das: weniger Talente, weniger Startups, weniger Innovation und weniger Wachstum. Da müssen wir gegensteuern.” ch
Damit Betriebe Bio-Lebensmittel in die EU einführen können, müssen in den Herkunftsländern entsprechende Vorgaben erfüllt werden. Während es in den sogenannten Drittländern bislang ausreichte, die europäischen Bio-Standards “gleichwertig” anzuwenden, sollen sie ab dem kommenden Jahr dort “übereinstimmend” umgesetzt werden. Das bedeutet unter anderem, dass Erzeuger maximal einen Umsatz von 25.000 Euro machen und innerhalb einer Kooperative nicht gleichzeitig ökologisch und konventionell wirtschaften dürfen.
Kritik gibt es nun jedoch an der Übergangsfrist, welche die EU den betroffenen Betrieben in den Herkunftsländern einräumt. Nach aktuellem Stand bleibt ihnen bis Mitte Oktober 2025 Zeit, die notwendigen Kontrollen und Zertifizierungen für die EU-Vorgaben abzuwickeln. Jan Plagge, dem Präsidenten des europäischen Bio-Dachverbands IFOAM Organics Europe, reicht das nicht. “Wir verstehen nicht, warum man die eine Übergangsfrist jetzt mitten ins Kontrolljahr schiebt”, sagt er. Für eine praktikable Umsetzung brauche es eine längere Übergangsfrist bis Ende 2025.
Eine gute Regelung wie die EU-Öko-Verordnung, die für Europa gedacht sei, auf den Globalen Süden umzulegen, hält Marcelo Crescenti, Kommunikationsleiter bei Fairtrade Deutschland, für schwierig. Man wolle Kleinbauern fördern, halte sie jetzt aber mit der Umsatzgrenze von 25.000 Euro vor allem klein. Ähnliche Wirkungen prognostiziert Crescenti mit Blick auf die Vorgaben zu Kooperativen. Fairtrade arbeite nur mit Kooperativen zusammen. Diese seien aber meist keine reinen Bio-Kooperativen. Manche Landwirte bewirtschafteten den einen Hügel ökologisch, den anderen konventionell. Ganz auf Bio umzustellen, sei allerdings ein langwieriger Prozess.
Fairtrade sei deshalb dabei, Mittel umzuwidmen, um in den Produzentennetzwerken Kapazitäten aufzubauen, sagt Crescenti. Auch von der EU fordert der Verein mehr Ressourcen. “Die EU muss schauen, wie sie die Betroffenen vor Ort unterstützen kann, um Beratungsangebote zu schaffen und Programme aufzulegen.” heu
Die globale Dekarbonisierungsrate fiel im vergangenen Jahr auf 1,02 Prozent, den niedrigsten Wert seit 2011. Dies geht aus dem neuen Net Zero Economy Index der Unternehmensberatung PwC hervor, der Table.Briefings vorab vorlag. Die Dekarbonisierungsrate ergibt sich aus dem Rückgang der “Karbonintensität” einzelner Volkswirtschaften. Zur Berechnung teilt PwC den Ausstoß von CO₂-Äquivalenten – berechnet mittels Daten des Statistical Review of World Energy – durch das jeweilige Bruttoinlandsprodukt.
Seit dem Jahr 2000 sank die globale Karbonintensität durchschnittlich um 1,4 Prozent pro Jahr. Um das Ziel einer maximalen Erderwärmung um 1,5 Grad Celsius bei von der OECD prognostizierten Wirtschaftswachstumsraten zu erreichen, müsste sie bis 2050 pro Jahr aber um mehr als 20 Prozent sinken. Für das schwächere Ziel von 2 Grad Celsius wäre die Maßgabe knapp sieben Prozent. “Um die notwendigen Veränderungen zu erreichen”, so Emma Cox, Leiterin der Klimastrategie bei PwC, “müssen wir die Nutzung erneuerbarer Energien ausbauen, die Energienachfrage besser steuern und die finanzielle und technische Unterstützung für einen fairen Übergang erhöhen.”
Die Karbonintensität in den G7-Staaten sank im vergangenen Jahr um 5,3 Prozent. Dies sei zwar mehr als der Durchschnitt von 3,45 Prozent der vergangenen fünf Jahre, aber auch diese Länder hätten “noch einen weiten Weg zu gehen”, heißt es in der Studie. Eine “E7” genannte Vergleichsgruppe aus großen Schwellenländern wie China und Indien hätte ihre Karbonintensität im vergangenen Jahr hingegen sogar leicht erhöht. Ausbleibende Regenfälle seien dafür verantwortlich, weil dadurch mehr Strom aus fossilen Energieträgern statt aus Wasserkraft produziert wurde. Auch der steigende Energiebedarf von Klimaanlagen und für die Meerwasserentsalzung – beides Anpassungsformen an den Klimawandel – hätten dazu beigetragen.
Deutschlands Dekarbonisierungsrate lag der Studie zufolge mit 8,9 Prozent höher als in allen anderen Ländern mit sehr hohem CO₂-Ausstoß. Diese Verringerung dürfte mit dem Ausbau der erneuerbaren Stromproduktion zusammenhängen. Die erneuerbare Energieproduktion deckte in den ersten drei Quartalen des Jahres 2024 rund 56 Prozent des Bruttostromverbrauchs ab, so vorläufige Angaben des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW). Dies sei vor allem durch den Ausbau der Photovoltaik in den letzten beiden Jahren erreicht worden. av
Aufschiebung der EUDR ist der falsche Weg – Haufe
Die geplante Anti-Entwaldungsverordnung wird von vielen Seiten kritisiert, Unternehmen klagen über die aus ihrer Sicht zu großen Hürden bei der Umsetzung. Klaus Wiesen sagt, dass es – neben der Beibehaltung oder Aussetzung der Regelung – eine dritte Option gäbe: nämlich eine übergangsweise Bemühenspflicht, mit der Firmen belegen, dass sie sich um die notwendige Datenbeschaffung bemühen. So wurde es etwa auch beim Lieferkettengesetz gemacht. Zum Artikel
The great green business rethink is finally happening – Financial Times
Corporate Sustainability reiche nicht aus – Unternehmen, die es ernst mit der Nachhaltigkeit meinen, sollten sich für politische Änderungen der Marktbedingungen einsetzen, schreibt Pilita Clark in ihrer Kolumne. Nachhaltigkeit vom guten Willen einzelner Unternehmensführer abhängig zu machen, sei ein Fehler, wie Shell, Volvo, Unilever und andere mit ihrer Abkehr von ursprünglichen Zielen gezeigt hätten. Zum Artikel
Klimawende in der Zementindustrie: Betonköpfe denken um – Spiegel
Über den Stand der Dekarbonisierung der Zementindustrie informiert Philip Bethge. Diese komme langsam in Gang, mit mehreren Projekten in Deutschland und anderswo in Europa. Aber reicht das und geht es schnell genug? Vor allem an der Verklappung von CO₂ scheiden sich nach wie vor die Sichtweisen: Die großen Konzerne der Branche sähen darin die Lösung, aber andere vermuten eine Verschleppungstaktik mit großen Risiken für Umwelt und Klima. Zum Artikel
ThyssenKrupp: Die Zerschlagung ist keine Lösung – Handelsblatt
In einem Kommentar kritisiert Martin Murphy scharf die Chefin der Krupp-Stiftung, Ursula Gather. Ihre Arbeit alleine auf die Förderzwecke auszurichten, reiche nicht. Als größte Einzelaktionärin von Thyssenkrupp müsse die Stiftung gestalten, statt zu zerstören. Vergangene Woche hatte das Handelsblatt über inoffizielle Pläne zur Zerschlagung des Konzerns berichtet, den Vorstandschef Miguel López im Auftrag Gathers vorantreibe. Zum Artikel
Trump 2.0 Climate Tipping Points – Bloomberg
Wie könnte der Ex-Präsident bei einem Wahlsieg die Bemühungen der USA, die Treibhausgase runterzufahren, noch behindern? Jennifer A. Douhly bewertet verschiedene Aspekte in ihrem “Guide”: Demnach sei der Inflation Reduction Act “designed to be Trump proof”. Bei Clean-Tech-Investitionen, E-Autos, Offshore-Windparks, der Kohlekraft, der Gasindustrie und den Methan-Emissionen hingegen könnte er aber spürbar zum Negativen eingreifen. Zum Artikel
The deep history of British coal – from the Romans to the Ratcliffe shutdown – The Guardian
Großbritannien hat am Montag sein letztes Kohlekraftwerk vom Netz genommen. Damit endet nach mehr als 140 Jahren die Kohleverstromung auf der Insel. Jillian Ambrose zeichnet deren wechselvolle Geschichte nach, die nicht nur eng mit der industriellen Entwicklung, sondern auch mit der sozioökonomischen und politischen Geschichte Großbritanniens verknüpft ist. Zum Artikel
CO₂-Fußabdruck und Energiebilanz: Wissenschaftler schlägt einen besseren Maßstab für Nachhaltigkeit vor – T3N
Wenn von Nachhaltigkeit die Rede ist, fallen oft Begriffe wie “CO₂-Fußabdruck” oder “Energiebilanz”. Der Unternehmer Bernhard Weßling plädiert im Gespräch mit Gregor Hensel stattdessen für die Entropie. Sein Ansatz: Je komplexer ein System ist, desto höher ist seine Funktionalität – auch für den Menschen. Als Beispiel aus dem Bereich Biodiversität nennt er den Mischwald im Vergleich zur Monokultur. Zum Artikel
Globaler Arbeitsmarkt: Der grüne Jobboom nützt vor allem China – Spiegel
Die Zahl der Arbeitsplätze im Bereich der erneuerbaren Energien hat weltweit einen neuen Höchststand erreicht. 16,2 Millionen Menschen arbeiteten Ende 2023 in der Branche, rund 18 Prozent mehr als ein Jahr zuvor. Doch der Jobboom konzentriert sich auf wenige Länder, berichtet Stefan Schultz. So sei China mit geschätzten 7,4 Millionen Arbeitsplätzen im Bereich der erneuerbaren Energien weltweit führend. Die EU folgt mit deutlichem Abstand auf Platz zwei. Zum Artikel
Klimakrise, demografischer Wandel und wirtschaftliche Unsicherheiten: Für die Lösung dieser komplexen gesellschaftlichen Herausforderungen brauchen wir nicht nur technologische, sondern auch soziale Innovationen. Um diese zu stärken, hat die Bundesregierung im letzten Jahr die “Nationale Strategie für soziale Innovationen und gemeinwohlorientierte Unternehmen (Sigu)” verabschiedet. In ihr wurden elf politische Handlungsfelder sowie konkrete Vorschläge definiert, um die Entwicklung von sozialen Innovationen zu fördern. Zeit für ein Zwischenfazit: Ist die Strategie mehr als ein Lippenbekenntnis?
Soziale Innovationen wie innovative Bildungsprogramme, nachhaltige Stadtentwicklung oder neue Ansätze in der Gesundheitsversorgung treiben positive gesellschaftliche Veränderungen voran. Insbesondere Geschäftsmodelle wie Social Business und Impact Start-ups gewinnen in politischen Strategien immer mehr an Bedeutung. Mit dem Fokus auf soziale und ökologische Wirkungen entwickeln sie sich zu einem wichtigen Wirtschaftsfaktor: Laut dem Deutschen Social Entrepreneurship Monitor 2024 erwarten 90 Prozent dieser Unternehmen einen Jahresumsatz von mehr als 1 Million Euro. Jeder zehnte Arbeitsplatz in Deutschland ist der Social Economy zuzurechnen, wobei der Anteil innovativer und von Frauen mitgegründeter Unternehmen in diesem Sektor besonders hoch ist.
Trotz der transformativen Effekte sozialer Innovationen liegt Deutschland im EU-Vergleich bei deren Förderung zurück. Die Finanzierung ist im Allgemeinen das größte Hindernis für Gründerinnen und Gründer. Hier setzt die Sigu-Strategie der Bundesregierung mit dem verbesserten Zugang zu öffentlichen Förderprogrammen für soziale Innovationen und gemeinwohlorientierte Unternehmen an: Unter den 300 Innovationssprints, die beispielsweise im Rahmen von “DATIpilot” gefördert werden, sind immerhin 20 Prozent soziale Innovationen.
Auch der Ideenwettbewerb des BMBF “Gesellschaft der Innovationen – Impact Challenge an Hochschulen” richtet sich gezielt an solche Projekte. Und mit “Nachhaltig wirken” veröffentlichte das Bundeswirtschaftsministerium im August die bisher umfangreichste Förderrichtlinie für gemeinwohlorientierte Unternehmen. Mit der Plattform für soziale Innovationen und gemeinwohlorientierte Unternehmen ist zudem eine großartige Wissensressource mit vielen Aspekten online gegangen.
Trotzdem fehlt es nach wie vor an ausreichenden Zugängen zu Finanzierungen, insbesondere zu privaten Mitteln nach der Pilotphase einer neuen Geschäftsidee. Soziale Innovationen benötigen oft längere Zeiträume, um messbare Erfolge zu erzielen. Sie werden deshalb von Investorinnen und Investoren als riskanter wahrgenommen. Im Vergleich zu Ländern wie den USA oder Großbritannien ist die Impact-Investment-Szene in Deutschland unterentwickelt, es gibt weniger spezialisierte Fonds und Netzwerke.
Trotz vieler wirksamer Initiativen der Bundesregierung – die Skepsis gegenüber dem gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Beitrag sozialer Innovationen bleibt hoch. Umso wichtiger ist es, dass sie weiterhin konsequent gestärkt werden und die Sigu-Strategie der Bundesregierung konsequent umgesetzt wird. Die drängendsten Herausforderungen liegen dabei in vier Bereichen:
Damit soziale Innovationen sichtbar und Kritiker überzeugt werden können, sind verbindliche Standards für die Wirkungsmessung erforderlich. Derzeit mangelt es an klaren Richtlinien und Bewertungsmethoden, die es ermöglichen, den tatsächlichen gesellschaftlichen Nutzen dieser Innovationen umfassend zu dokumentieren. Dies wird uns als Stifterverband in den von uns, zusammen mit anderen Partnern, begleiteten BMBF-Projekten wie DATIpilot und T!Raum immer wieder aufgezeigt. Eine verbesserte Indikatorik würde nicht nur Transparenz schaffen, sondern auch erfolgreiche Innovations-Ansätze identifizieren und zu deren Skalierung beitragen. Gleichzeitig könnten ineffiziente Strategien schneller angepasst oder eingestellt werden. Robuste Wirkungsmessungen sind außerdem entscheidend, um das Vertrauen von Investoren, Stiftungen und politischen Entscheidungsträgern zu gewinnen, die zunehmend auf Nachweise der positiven Wirkung ihrer Mittelverwendung angewiesen sind.
Ein weiteres Hindernis für die breite Umsetzung sozialer Innovationen ist der Mangel an spezifischen Finanzierungsinstrumenten für Impact Investments. Steuerliche Impactprämien, Community Bonds oder Social Impact Bonds könnten neue Anreize schaffen und gleichzeitig eine positive soziale und ökologische Wirkung fördern. Diese Instrumente, zusammen mit Mikrokrediten, Crowdfunding-Plattformen und spezialisierten Impact Investment Fonds, würden die Finanzierungsmöglichkeiten für sozial-innovative Unternehmen erheblich erweitern und deren nachhaltige Entwicklung in Deutschland unterstützen.
In Deutschland fehlt es an einer geeigneten Rechtsform, die den besonderen Bedürfnissen und Herausforderungen sozialer Innovationen gerecht wird. Derzeit müssen diese auf traditionelle Rechtsformen wie eingetragene Vereine, gemeinnützige GmbHs oder Stiftungen zurückgreifen. Diese sind für Sozialunternehmen aber nicht immer ideal. Eine eigene Rechtsform für Sozialunternehmen, beispielsweise mit gebundenem Vermögen, könnte jene Rahmenbedingungen schaffen, die gezielt auf die Förderung sozialer und ökologischer Ziele ausgerichtet sind. Eine solche Rechtsform könnte flexible Finanzierungsmöglichkeiten, steuerliche Vorteile und angepasste Regulierungen bieten, um die besonderen Anforderungen sozialer Innovationen optimal zu unterstützen. Die derzeitige Vorlage eines Gesetzentwurfes zur Reformierung des Genossenschaftsrechts ist hier nur ein erster Schritt.
Insgesamt fehlt es jedoch an klaren Zielsetzungen und politischen Zuständigkeiten, was zu einer Fragmentierung der Bemühungen einzelner Ministerien führt. Der internationale Beirat für soziale Innovationen der Bundesregierung fordert deshalb, dass für eine klarere politische Strategie das Thema im Bundeskanzleramt verortet werden sollte. “Die Bundesregierung sollte das Sigu-Strategieziel bis 2030 weiterentwickeln, indem sie die Mobilisierung von Kapital aus privaten und öffentlichen Mitteln unterstützt und Maßnahmen ergreift, um die Entstehung von mindestens zehn Impact Unicorns – Unternehmen mit einer Bewertung von über einer Milliarde Euro oder einer Reichweite von mindestens einer Million Menschen – zu beschleunigen, die neue Gründungswellen in diesem Sektor auslösen können.”
Fazit: Ein Jahr nach der Einführung der “Nationalen Strategie für soziale Innovationen und gemeinwohlorientierte Unternehmen” zeigen sich erste Erfolge. Sie ist mehr als ein Lippenbekenntnis. Dennoch bleibt die Aufgabe, auch die großen Hindernisse zu überwinden: Wirkungsindikatorik, dauerhafte Finanzierung, rechtliche Rahmenbedingungen und klare politische Zuständigkeiten. Für diese Herausforderungen braucht es schnellstmöglich Lösungsansätze. Nur so kann die Förderung sozialer Innovationen effektiv gestaltet werden. Die Zeit drängt, denn nur im Zusammenspiel von technologischen und sozialen Innovationen werden wir den komplexen Herausforderungen der nächsten Jahre und Jahrzehnte begegnen können.
Africa.Table – UN-Pakt für die Zukunft: Was wir von dem Drama in New York lernen können: Der Versuch Russlands, die auf dem UN-Zukunftsgipfel langwierig ausgehandelte Übereinkunft zu torpedieren, ist gescheitert. Darin sieht der SPD-Europaabgeordnete Udo Bullmann ein Zeichen, dass der Globale Süden seine eigenen Interessen selbstbewusst verfolgt. Zum Artikel
Climate.Table – Klimahilfen: So gefährdet der Sparkurs Deutschlands globale Aufgaben: Der Sparzwang im Bundeshaushalt hat direkten Einfluss auf Außen- und Klimapolitik: Mittel für humanitäre Hilfe werden halbiert, die versprochene Klimafinanzierung für 2025 ist gefährdet. In der Vergangenheit hat Deutschland allerdings mit knapp zehn Milliarden Euro Klimahilfen seinen fairen Anteil geleistet. Zum Artikel
Europe.Table – Wasserstoffbank: China-Vorbehalt gilt auch für Mitgliedstaaten: Die Kommission verfolgt in Bezug auf Importe chinesischer Elektrolyseure einen neuen Kurs. Der wird auch Auswirkungen auf die Förderpolitik der Mitgliedstaaten haben. Zum Artikel