40 Prozent aller strategischen Rohstoffe innerhalb der EU zu verarbeiten, das ist eines der Kernziele der Staatengemeinschaft bis 2030. Mehr Unabhängigkeit von Importen soll auch den Erfolg der Transformation sichern.
Ein für die Energie- und Verkehrswende zentraler Rohstoff, Lithium, soll in Guben in Brandenburg verarbeitet werden. Das verantwortliche Start-up versprach, “saubere Lieferketten” aufzubauen – doch daran mehren sich nun Zweifel. Im Zentrum der Geschichte: der Präsident der Republika Srpska in Bosnien-Herzegowina. Sead Husic hat die Details.
Kaum ein Thema ist die sozial-ökologische Transformation vor den Parlamentswahlen am Sonntag in Frankreich. Nur Energiepolitik facht Debatten zwischen den Parteien an. Wie weit dabei die Positionen auseinanderliegen, teilweise innerhalb von Bündnissen, weiß Claire Stam.
Einer, der sich regelmäßig in Debatten zur Zukunft der Wirtschaft einbringt, ist BDI-Präsident Siegfried Russwurm – mit teils harscher Kritik an der Politik der Bundesregierung. Beim Tag der deutschen Industrie betonte Bundeskanzler Olaf Scholz nun, welche Schnittmengen es zur Regierung gibt, wie Alex Veit berichtet. Er zeichnet Russwurms Weg an die BDI-Spitze nach.
Ich wünsche Ihnen eine anregende Lektüre.
Grün, sauber, transparent. So präsentiert sich die kanadische Firma Rock Tech Lithium in Guben, südlich von Eisenhüttenstadt an der polnischen Grenze. Mit Konverter-Anlagen soll hier aus Lithium das für den Bau von Autobatterien notwendige Lithiumhydroxid raffiniert werden. Geplant ist die erste europäische Fabrik ihrer Art – und zugleich ein Vorzeige-Unternehmen. Im März verlieh die IHK Brandenburg dem Start-up das EMAS-Siegel für nachhaltiges Wirtschaften und Umweltschutz.
Für die deutsche Energie- und Verkehrswende zählt das Projekt zu den zentralen Vorhaben. Und auch für Brandenburg hat es eine große Bedeutung. Die regionale Wirtschaftsförderung nennt es eine “Top-Ansiedlung” und einen “Paukenschlag an der Neiße”. Investitionen in Höhe von 650 Millionen Euro und 170 Arbeitsplätze stellt Rock Tech Lithium in Aussicht.
Damit will das Unternehmen ab 2025 jährlich mehr als 24.000 Tonnen Lithiumhydroxid herstellen. Genug, um jährlich eine halbe Million Autobatterien zu produzieren. Mercedes-Benz steht als einer der Abnehmer bereit. Die Fabrik kann dazu beitragen, dass der Konzern unabhängiger von chinesischen Lieferanten wird.
Doch bisher bleibt offen, woher das begehrte Lithium kommen soll. Auf der Homepage behauptet das Clean-Tech-Unternehmen, den Rohstoff unter anderem in konzentrierter Form als Spodumen – ein Lithium-Mineral – von einem eigenen Standort am Georgie Lake in Kanada aus zertifizierten Minen beziehen zu wollen. Unter Einhaltung von höchsten Sozial- und Umweltstandards entstünde so eine saubere Lieferkette. Allerdings wird sich das voraussichtlich verzögern, da die Minen noch nicht in Betrieb sind.
Einspringen soll dafür die Arcore AG. Im November vorigen Jahres kündigte das Schweizer Unternehmen eine “strategische Partnerschaft” mit Rock Tech Lithium an. Die Bergbaufirma erklärte, dass sie in der Gemeinde Lopare in der Republika Srpska, einem autonomen Teilstaat von Bosnien-Herzegowina, ein riesiges Lithium-Vorkommen entdeckt habe.
“Das Lopare-Projekt hat das Potenzial, eine der größten Minen ihrer Art in Europa zu werden”, so die Presseerklärung. Arcore plane, die Versorgung der Konverter-Anlagen von Rock Tech Lithium mit Lithium-Produkten aus diesen reichhaltigen Ressourcen zu sichern. “Arcore ist zuversichtlich, die Rohstoffe umwelt- und sozialverträglich ab Ende 2026 abbauen zu können.”
In der Gemeinde Lopare ist man seitdem alarmiert. “Die Menschen haben hier Angst, dass eine Lithium-Mine die ganze Gegend unbewohnbar machen wird”, sagt Rade Savić, Bürgermeister von Lopare. Längst haben sich im Ort Bürgerinitiativen gebildet, die gegen den geplanten Lithium-Abbau kämpfen.
“Hier läuft nichts transparent oder unter Einbeziehung der Bevölkerung ab”, sagt Adrijana Pekić, Gründerin des Vereins “Beschützer der Majevica”. “Hier geht es nur um die Interessen einiger mächtiger Leute”, sagt sie.
In der Republika Srpska gibt allein ein Mann den Ton an: Präsident Milorad Dodik. Seit bald zwei Jahrzehnten lenkt er die Geschicke dieser Entität und sorgt immer wieder mit Sezessionsdrohungen für Konflikte. Er macht Geschäfte mit Ungarns Ministerpräsidenten Viktor Orbán und Belarus’ Präsidenten Alexander Lukaschenko und zeichnete den russischen Präsidenten Wladimir Putin erst vor einem Jahr mit einem Orden der Republika Srpska aus, trotz dessen Aggressionskriegs gegen die Ukraine. Seit langem steht Dodik samt zahlreicher Gefolgsleute auf der US-Sanktionsliste. Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung stoppte mehrere Infrastrukturprojekte in Höhe von 109 Millionen Euro in der Republika Srpska.
“Hier auf einen sozial- und umweltverträglichen Ressourcenabbau zu setzen, entbehrt jeglicher Realität”, sagt Adi Selman, ein Aktivist der NGO “Karton Revolucija” in der nordbosnischen Stadt Tuzla, die unmittelbar am Majevica-Gebirge liegt. Selman kämpft gegen die grassierende Korruption im Land und ist sicher, dass nur der engste Führungskreis um Dodik von einer Mine profitieren würde.
Rock Tech Lithium will dazu auf Presseanfragen nichts sagen oder reagiert nur mit Floskeln, etwa, dass man natürlich auf einen sozial- sowie umweltgerechten Lithium-Abbau durch die Partner setze. Die Arcore AG erklärt in einer Mitteilung, dass “verschiedene unabhängige Gutachten” belegen würden, dass beim Abbau die UN-Nachhaltigkeitsziele eingehalten werden könnten. Aber dazu und zu weiteren Themen will sich Arcore gegenüber Table.Briefings nicht äußern.
In der Politik und in der Wirtschaft scheint das Vertrauen in das einstige Vorzeigeprojekt inzwischen zu schwinden. So lehnte das Bundesministerium für Wirtschaft und Klima erst im Mai einen Förderantrag über 200 Millionen Euro für Rock Tech Lithium ab. Offiziell heißt es, dass aufgrund der Haushaltssperre kein Geld vorhanden sei. Doch hinter vorgehaltener Hand wird gesagt, dass das grün geführte Ministerium nicht mit Geschäften in der Republika Srpska in Verbindung gebracht werden möchte. Auch Mercedes-Benz distanzierte sich im Gespräch mit Table.Briefings von dem Lopare-Projekt.
Im vergangenen April verkündete Rock Tech Lithium indes, dass man nun mit dem chinesischen Logistiker C&D Logistics einen Rohstofflieferanten gefunden habe.
Woher der Lieferant die begehrte Ressource beschaffen will, bleibt jedoch unklar. Auf der Homepage steht: “Da Transparenz und Verantwortung entscheidend sind, gestalten wir unsere Nachhaltigkeitsziele so konkret wie möglich”. Was dieser Satz bedeutet, erklären Rock Tech Lithium und C&D Logistics ebenfalls nicht. Sead Husic
“Man hat den Eindruck, dass die ökologische Wende in einer Falltür verschwunden ist.” Dies haben nicht die Parteivertreter festgestellt, die am Donnerstag in Paris Unternehmerverbänden ihre Programme vorstellten, sondern die Moderatorin der Debatte, der Journalistin Hedwige Chevrillon.
Die verschiedenen Kandidaten waren gekommen, um ihre Programme im Detail darzulegen. Sie alle standen nacheinander auf der Bühne. Das Ergebnis: Der soziale, ökologische und klimaneutrale Wandel der Wirtschaft wurde nur selten erwähnt. Und wenn, dann nur in Bezug auf Energiepolitik.
So bekräftigten die zwei Kandidaten des Linksbündnis Nouveau Front Populaire (NFP), Boris Vallaud und Eric Coquerel, den Wunsch, so schnell wie möglich ein Energie- und Klimagesetz zu verabschieden, falls ihr Bündnis die Parlamentswahlen gewinnen sollte. Die ökologische Planung steht im Zentrum ihres Programms.
Auf die Frage nach der Position der NFP-Koalition zur Atomkraft erklärte Coquerel, dass der Zusammenschluss der Linksparteien das aktuelle Programm nicht rückgängig machen wolle. “Wir rühren den aktuellen Kraftwerkspark nicht an und verschieben die Entscheidungen über das weitere Vorgehen auf die nächste Präsidentschaftswahl.” Der Bau von sechs Druckwasserreaktoren, EPR genannt, den Macron in seiner Rede in Belfort im Februar 2022 festgeschrieben hatte, könnte also bis 2027 ausgesetzt werden. Allerdings ist die Position der NFP-Koalition zur Kernkraft grundsätzlich geteilt: Während die Kommunistische Partei pro Atomkraft ist, sind La France Insoumise und die Grünen dagegen. Die Sozialistische Partei liegt in der Mitte dazwischen.
Der Sozialist Vallaud, der die Differenzen zwischen den verschiedenen NFP-Parteien in dieser Frage illustrierte, sprach sich für die Kernenergie aus und meinte, man müsse “zuerst die Dekarbonisierung und dann die Denuklearisierung durchführen”.
Diese Erklärungen überzeugten den derzeitigen Finanz- und Wirtschaftsminister Bruno Le Maire aus der Macron-Partei Renaissance nicht. Er kritisierte das Zögern der NFP in der Atomfrage. “Der Bau der sechs EPR wird beträchtliche Baustellen erfordern; wir haben keine Zeit zu verlieren.” Mit der NFP würden die sechs EPR nicht kommen, so Le Maire.
Le Maire betonte, dass seine oberste Priorität in den kommenden Jahren “die Reindustrialisierung Frankreichs” sei. In diesem Zusammenhang kündigte er die Wiederaufnahme von Verhandlungen mit dem Stromversorger EDF über den Preis in Langzeitverträgen an, um den Preis für kohlenstofffreie Energie für Unternehmen zu senken. “Die vorgeschlagenen Tarife sind für die Industrie nicht zufriedenstellend, sie sind nicht ausreichend wettbewerbsfähig. Wir werden daher neue Gespräche mit EDF aufnehmen.”
Der Vorsitzende des Rassemblement National, Jordan Bardella, verteidigte seinerseits seinen Vorschlag, die Mehrwertsteuer auf elektrische Produkte und Treibstoffe auf 15 Prozent zu senken. Die Kosten dieser Maßnahme bezifferte er auf zwölf Milliarden Euro. Die Maßnahme hält er für “eine Priorität”, damit die Franzosen “die Früchte ihrer Arbeit” zurückbekämen, erklärte Bardella. Die Senkung der Mehrwertsteuer auf unter 15 Prozent ist jedoch aufgrund der EU-Mehrwertsteuerrichtlinie nicht für Treibstoffe möglich.
Bardella erwähnte auch die Möglichkeit, aus dem europäischen Strommarkt auszusteigen, um “einen nationalen Strompreis einzuführen, wie es Spanien und Portugal getan haben”. Ein Vorschlag, den Le Maire sofort abkanzelte, indem er erklärte, dass dies auf einen “Frexit” hinauslaufen würde. “Das bedeutet das Ende der Anbindung Frankreichs an andere Länder”, fuhr der Minister fort, “dieses Jahr sind es mehr als vier Milliarden Euro an Exporten, die dank der Wiederbelebung der Kernenergie erzielt wurden, auf die EDF hätte verzichten müssen”.
Als letzter Redner des Vormittags machte sich Bruno Retailleau für Les Républicains zum Verfechter der “technologischen Neutralität”: “Man muss Ziele für die Treibhausgasemissionen vorgeben und es ist dann Sache des Marktes und der Unternehmen, zu bestimmen, wie diese Ziele erreicht werden können”, erklärte der Senator. “Was weiß ein Kommissar oder das Europäische Parlament mehr als die Forschungsabteilungen und Ingenieure eines Unternehmens?”
27. Juni, 14-15:15 Uhr, Online
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30. Juni 2023, 15-17 Uhr, Sinsheim
Vortrag Ab in den Urlaub – aber klimaverträglich (Veranstalter: Klima Arena) Info & Anmeldung
2. Juli, ganztägig, online
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Der Online-Marktplatz Otto.de will mehr Anreize dafür schaffen, dass externe Händler auf der Plattform mehr nachhaltige Produkte anbieten. Dies erklärte Vorstandschef Alexander Birken im Gespräch mit Table.Briefings. Dafür will die Otto Group die Provisionen für nachhaltige Waren senken, während die Provisionen für andere Produkte erhöht werden.
Vergangene Woche verkündete das Unternehmen, auf dessen Online-Plattform seit einigen Jahren auch konzernfremde Händler ihre Waren anbieten können, ab August die Grundgebühren für Partnerunternehmen und die eigenen Provisionen je nach Kategorie um ein bis sechs Prozent zu erhöhen. Für nachhaltige Produkte seien hingegen vergünstigte Provisionen geplant.
“Seit 2022 beobachten wir eine Tendenz zum Angebot immer günstigerer, wenig hochwertiger und nicht nachhaltiger Sortimente im Markt”, erklärte eine Sprecherin. “Diese Entwicklung wirkt sich auch auf das Angebot unserer Plattform aus.” Das Unternehmen habe sich entschieden, deshalb Anreize für Waren zu schaffen, die qualitativ hochwertig seien und bestimmte Kriterien für Nachhaltigkeit erfüllen. Wie das im Detail aussieht, stehe aber noch nicht fest, erklärte das Unternehmen zugleich. Das solle erst in den kommenden Monaten festgelegt werden. Auch zu der Frage, nach welchen Kriterien beurteilt wird, ob ein Händler oder ein Produkt nachhaltig ist oder eben nicht, wollte sich Otto noch nicht äußern. Die Otto Group gehört zu den weltweit größten Online-Händlern. leo
Unternehmen halten es für wichtig, dass es Normen gibt, die ihnen bei der ökologischen und digitalen Transformation helfen. Vor allem in fünf Bereichen sehen sie positive Effekte: Sicherheit und Resilienz, Dateninteroperabilität, Künstliche Intelligenz, Kreislaufwirtschaft und digitale Produktpässe. Das ist das Ergebnis des Deutschen Normungspanels 2024 – einer Umfrage, die seit 2012 jährlich erscheint. Teilgenommen haben 1.600 Personen, vor allem von Unternehmen.
Obwohl die Befragten entsprechende Normen für wichtig halten, sind ihnen viele nicht bekannt, heißt es im Bericht. Nur in den Bereichen Sicherheit und Resilienz sowie Kreislaufwirtschaft hätte der Durchschnitt geantwortet, er würde Standards kennen. Am wenigsten bekannt seien Normen zu nachhaltigen Städten und kohlenstoffarmem Zement. Gleichzeitig seien auch in wichtigen Transformationsfeldern Normen unbekannt, darunter: nachhaltige Energiesysteme, kritische Rohstoffe und digitale Produktpässe.
Einen “deutlichen Unterschied” macht die Umfrage bei der Frage aus, für wie relevant Befragte aus Unternehmen verschiedener Größen Standards halten. So gingen Vertreter von kleinen und mittleren Unternehmen im Schnitt davon aus, dass sie profitierten. Unterschiede gebe es auch bei der Bekanntheit von Normen: In KMU sei das Bewusstsein größer, so die Umfrage. Vor allem im Feld Kreislaufwirtschaft gebe es große Unterschiede. Die Autoren nehmen deshalb an, “dass kleinere Organisationen einen größeren Bedarf an klar definierten Standards sehen, um ihre Geschäftspraktiken zu optimieren und ihre Wettbewerbsfähigkeit zu steigern”. nh
Batterieelektrisch betriebene Lkw werden im Vergleich zu dieselbetriebenen deutlich schneller wettbewerbsfähig sein als bisher angenommen. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie des Fraunhofer-Instituts für System- und Innovationsforschung (ISI), die vor wenigen Tagen in der Fachzeitschrift “Nature Energy” veröffentlicht wurde. Die Wissenschaftler hatten in einer Metaanalyse die Kosten für Schlüsselkomponenten aus über 200 Quellen zusammengetragen und in eine Gesamtkostenrechnung integriert.
Das Ergebnis: Der Anschaffungspreis für Batteriesysteme wird den Berechnungen zufolge schon bald unter 200 Euro pro Kilowattstunde fallen. Ende der 2040er-Jahre könnte er sogar auf 100 Euro sinken. Damit läge der batterieelektrische Lkw in der Gesamtkostenrechnung bereits um das Jahr 2030 in etwa auf dem Niveau eines Diesel-Lkw, so die Forscher.
“Unsere Ergebnisse unterstreichen, dass die Kosten für emissionsfreie Lkw erheblich und schneller als erwartet sinken werden”, sagt Wirtschaftsingenieur Steffen Link, Hauptautor der Studie. Deshalb sollten nun zügig entsprechende Produktionskapazitäten aufgebaut werden, um die Marktverfügbarkeit solcher Fahrzeuge sicherzustellen. “Unsere Analyse und der aktuelle Kenntnisstand zeigen, dass batterieelektrische Lkw die techno-ökonomische Wettbewerbsfähigkeit mit heutigen Diesel-Lkw für die meisten Anwendungsfälle in absehbarer Zeit erreichen dürften”, so Link.
Der Anschaffungspreis von Elektro-Lkw liegt heute noch etwa doppelt bis dreimal so hoch wie der Preis eines gleichwertigen Diesel-Lkw. Je nach Marke und Modell geht es schnell um Mehrkosten von einigen 100.000 Euro.
Ein Blick auf die Gesamtkostenrechnung zeigt jedoch, dass sich E-Trucks schon heute rechnen können. Denn der Anschaffungspreis schlägt im gewerblichen Straßengüterverkehr nur mit rund zehn Prozent zu Buche, während die Energiekosten rund 40 Prozent ausmachen. Da die Lkw-Maut seit Ende 2023 an den CO₂-Ausstoß gekoppelt ist und Strom günstiger ist als Diesel, kann ein E-Lkw bei hoher Fahrleistung schon nach wenigen Jahren einen Kostenvorteil erzielen. ch
Das seit Juni 2022 geltende LNG-Beschleunigungsgesetz (LNGG) wird international überprüft. Das hat das Compliance Committee der Aarhus-Konvention auf Antrag von Green Legal Impact Germany (GLI) entschieden.
Die Umweltrechtsorganisation hatte bemängelt, dass das Gesetz nur eine unzureichende Beteiligung der Öffentlichkeit an konkreten Projektentscheidungen zulässt. Zudem schränke es den Zugang zur gerichtlichen Überprüfung von LNG-Projekten in unzulässiger Weise ein.
Als Reaktion auf den russischen Überfall auf die Ukraine und die daraus resultierende Energiekrise hat die Bundesregierung entschieden, insgesamt rund zehn Milliarden Euro in eine deutsche Infrastruktur für Flüssigerdgas (LNG) an der Nord- und Ostseeküste zu investieren.
Um den Aufbau zu beschleunigen und einen Energienotstand in Deutschland abzuwenden, wurde im Mai 2022 das LNGG beschlossen. Trotz einer zwischenzeitlichen Normalisierung der Gasversorgung und der Marktpreise ist es bis heute in Kraft. Immer wieder regt sich Bürgerprotest dagegen, zuletzt auf der Ferieninsel Rügen.
“Die Entscheidung ist ein wichtiges Signal. Damit ist die erste Hürde genommen”, sagte GLI-Rechtsreferentin Marie Bohlmann. Das LNG-Beschleunigungsgesetz dürfe nicht zur Blaupause in Verwaltungsverfahren werden. “Die Aarhus-Konvention schützt wichtige Beteiligungsrechte von Bürgerinnen und Bürgern. Sie ist geltendes Recht und das muss die Bundesregierung ernst nehmen”, so Bohlmann.
Mit der im Juni 1998 unterzeichneten Aarhus-Konvention wurden erstmals Informations-, Beteiligungs- und Klagerechte der Bürgerinnen und Bürger zum Schutz der Umwelt und zur Wahrung der Interessen zukünftiger Generationen völkerrechtlich verankert. Sie enthält internationale Mindeststandards für den Zugang zu Umweltinformationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung und den Rechtsweg. Inzwischen sind ihr mehr als 40 Staaten beigetreten.
Aus Sicht von Sascha Müller-Kraenner, Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe, verstößt das LNGG aufgrund seiner verkürzten Beteiligungsrechte gegen die Vorgaben der Konvention. “Die Bundesregierung sollte jetzt einer peinlichen Niederlage vor dem Aarhus-Komitee zuvorkommen und das Gesetz schleunigst zurücknehmen”, so Müller-Kraenner.
Das Compliance Committee, das die Beschwerde als “vorläufig zulässig” eingestuft hat, wird das LNGG nun einer eingehenden Prüfung unterziehen. In diesem Verfahren hat auch die Bundesregierung die Möglichkeit zur Stellungnahme. ch
Das Thema Nachhaltigkeit gewinnt für immer mehr deutsche Verbraucher an Bedeutung. Das zeigt der Konsummonitor Nachhaltigkeit 2024, für den das IFH Köln im Auftrag des Handelsverbands Deutschland (HDE) über 1.500 Konsumenten befragt hat. Demnach bezeichnen sich zwei Drittel der Befragten als nachhaltigkeitsbewusst – das sind acht Prozent mehr als im Vorjahr. “Über alle Sortimente hinweg ist Verbraucherinnen und Verbrauchern die Bedeutung nachhaltiger Kaufentscheidungen bewusst”, sagt HDE-Hauptgeschäftsführer Stefan Genth.
Knapp die Hälfte der befragten Konsumenten kauft der Umfrage zufolge nachhaltig ein – das sind neun Prozent mehr als noch 2023. Während das Preis-Leistungsverhältnis und die Qualität weiter die wichtigsten Einkaufskriterien darstellen, legen immer mehr Verbraucher Wert auf langlebige und reparaturfähige Produkte sowie faire Produktionsbedingungen. Vor allem bei Verbrauchern, die sich als nachhaltigkeitsbewusst bezeichnen, stehen diese Kriterien weit oben. Ihnen sind nachhaltige Materialien und Verpackungen zudem deutlich wichtiger als der Gesamtheit der Verbraucher.
Obwohl der Kauf gebrauchter Ware für 40 Prozent der Verbraucher infrage kommt, bleibt die Neuware weiterhin für Käufer die erste Wahl. Doch auch der Neukauf lasse sich nachhaltig gestalten, betont Genth, etwa indem sich Verbraucher für Produkte aus recycelten Materialien oder fairer Produktion entscheiden. ag
Die Ampel-Regierung profiliert sich zu Tode – Handelsblatt
Der abgesagte Kauf der Stromnetze von Tennet zeige einmal mehr, dass es den Koalitionären nicht um die Sache gehe, sondern um die eigene Profilierung, kommentiert Catiana Krapp. Allerdings blockiere einzig das Finanzministerium das Vorhaben, während Bundeskanzleramt und Wirtschaftsministerium sich hintergangen fühlten. Zum Artikel
Auf Deutschlands Unternehmen kommt ein bürokratischer Albtraum zu – Spiegel
Michael Sauga und Kristina Gnirke haben sich mit der CSRD-Umsetzung in Deutschland befasst und kommen zu dem Ergebnis: Die Folgen der kommenden Regeln für die Nachhaltigkeitsberichterstattung sind nur negativ. Aufwand, Kosten, Bürokratie – alles nehme zu. Und der Nutzen sei ungewiss. Dabei habe die Ampel-Regierung ursprünglich das Gegenteil versprochen. Zum Artikel
How companies are starting to back away from green targets – Financial Times
Vieler große Unternehmen, darunter Unilever, Bank of America und Shell, verfahren mit ihren Klimazielen wie mit Selbstverpflichtungen: Sie räumen sie stillschweigend ab. Denn, so hören Kenza Bryan und Attracta Mooney, Klima- und Umweltschutz sei komplexer als gedacht und Profite seien prioritär. Zum Artikel
Ein Todesfall mit Folgen: “Ausbeutung der Schwächsten” – FAZ
Christian Schubert berichtet über menschenunwürdige Arbeitsbedingungen in der italienischen Landwirtschaft. Es gebe ein eingespieltes System, das Saisonarbeiter aus Indien anwirbt. Diese arbeiteten oft illegal für Löhne von weniger als 5 Euro die Stunde. Nachdem vergangene Woche ein Saisonarbeiter starb, fordert Staatspräsident Sergio Mattarella, das Problem zu bekämpfen. Zum Artikel
Ciao, E-Auto! Italiens Absage an die saubere Mobilität der Zukunft – Süddeutsche Zeitung
Da die rechtspopulistische italienische Regierung von Giorgia Meloni Elektromobilität für einen Irrweg halte und das Verbrenner-Aus rückgängig machen wolle, würden kaum Elektrofahrzeuge in Italien verkauft. Statt in die Produktion wettbewerbsfähiger E-Autos in Italien zu investieren, setzten Hersteller auf günstige Modelle aus China, berichtet Ulrike Sauer. Zum Artikel
‘We’re like gears grinding until they break’: Chinese tech companies push staff to the limit – Financial Times
Wenn die Profite zurückgehen, erhöhen manche Unternehmen den Druck auf die Arbeitskräfte. So sei es auch in Chinas IT-Branche, berichten Ryan McMorrow und Nian Liu. Die IT-Branche setze auf junge, unverheiratete, zeitlich flexible und billige Angestellte, die viele Stunden arbeiten. Aber es rege sich Kritik bis in die Staatsspitze. Zum Artikel
California Forever: Utopien auf der Weide – Die Zeit
Im kalifornischen Solano County wolle der Entrepreneur Jan Sramek eine Stadt aus dem Boden stampfen, berichtet Lukas Hermsmeier. Sie solle umweltfreundlich, sozial, gerecht und profitabel werden. Doch Landbesitzer und Umweltschützer fürchten, dass das Projekt Ungleichheit erhöht und nicht nachhaltig wird. Zum Artikel
ESG: Es grünt so grün, wenn die Mieter mitziehen – Die Presse
Bauherren und Projektentwickler legen mit ausgeklügelter Bauweise und Haustechnik den Grundstein für die nachhaltige Nutzung von Gebäuden. Einfluss darauf, dass die Mieter die Wohnung dann auch so nutzen, dass Ressourcen geschont und der CO₂-Ausstoß verringert wird, haben Vermieter allerdings nicht, hat Ursula Rischanek erfahren. Zum Artikel
Der diesjährige “Tag der deutschen Industrie” lief gut für Siegfried Russwurm, den Präsidenten des Bundesverbandes der deutschen Industrie (BDI). Bundeskanzler Olaf Scholz griff die wirtschaftspolitische Agenda des Verbands fast Punkt für Punkt zustimmend auf: Einen Handelskrieg mit China müsse man vermeiden, Genehmigungsverfahren vereinfachen und beschleunigen, und steuerliche Investitionsanreize vergrößern. Russwurm bemerkte dazu stolz, jemand habe ihn gefragt, ob er dem Redenschreiber des Bundeskanzlers “das BDI-Programm zugeschickt habe”.
Der Konsens zwischen Scholz und Russwurm überrascht: Noch Anfang April hatte Russwurm über die Ampelkoalition geurteilt: “Es waren zwei verlorene Jahre – auch wenn manche Weichen schon in der Zeit davor falsch gestellt wurden”. Bundeskanzler Scholz warf ihm daraufhin vor, den Wirtschaftsstandort schlecht zu reden.
Auch Russwurm ist kein guter Redner, verlässt sich wie Scholz meist auf sein Manuskript. Aber der Bildungsaufsteiger ist stets beharrlich, wenn die Industriepolitik nicht in seinem Sinn läuft. Diese Eigenschaft brauchte der 60-Jährige aus dem oberfränkischen Marktgraitz auch für seine eigene Karriere.
Dem Sohn eines Polsterers und einer Arbeiterin gelang ein typisch westdeutscher Aufstieg durch höhere Bildung: Mit 20 Jahren begann er ein Studium der Fertigungstechnik an der nahen Universität Erlangen-Nürnberg, an das er eine Promotion zum Dr.-Ing. hängte. Anschließend kam er bei Siemens in der damals kriselnden Medizintechnik im oberpfälzischen Kemnath unter. Schnell stieg er im Konzern vom Projekt- zum Betriebsleiter auf.
Nach ein paar Jahren für eine Siemens-Tochter in Schweden ging er nach Erlangen, bis er 2008 schließlich als Personalchef in den Konzernvorstand in München einzog. Den massiven Arbeitsplatzabbau in dieser Phase managte er in den Augen seiner Vorgesetzten so gut, dass er ab 2010 die große Industriesparte des Konzerns verantworten durfte.
Sein Stern bei Siemens begann jedoch zu sinken, als Joe Kaeser 2013 die Konzernspitze übernahm. Sympathisch waren sich Russwurm und Kaeser nicht, wie der heutige BDI-Chef durchblicken ließ. Russwurms Aufgabenbereich verkleinerte sich immer weiter, bis er Siemens nach 25 Jahren den Rücken kehrte.
Russwurms Karriere schien aufs falsche Gleis geraten zu sein. Erst als ihn der Voith-Konzern in Heidenheim 2018 in den Gesellschafterausschuss berief, ging es wieder voran: Ein Jahr später wurde er auch in den Aufsichtsrat der Thyssenkrupp AG berufen, dem er bis heute vorsitzt.
Dort hat er jüngst Schlagzeilen gemacht: Gegen alle Gepflogenheiten in der Stahlindustrie nutzte er sein doppeltes Stimmrecht als Aufsichtsratschef, um die Arbeitnehmervertreter zu überstimmen und dem umstrittenen Einstieg eines Investors bei der Stahltochter des Konzerns den Weg zu ebnen.
Den BDI übernahm Russwurm Anfang 2021, während der Covid-Pandemie. Wie die gesamte Politik war er zunächst mit dem Krisenmanagement befasst, plädierte für die Aufrechterhaltung der Produktion und die Offenhaltung des freien Reiseverkehrs. Erst anschließend konnte er sich profilieren in den Transformationsthemen, die für viele Industriebetriebe entscheidend sind.
Dabei verfolgt Russwurm eine klare Linie: Die Ziele der Ampelkoalition teile er, betont er stets. Doch “gut gemeint” sei eben nicht “gut gemacht”. So argumentierte er etwa hinsichtlich des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes (LKSG): Die Einhaltung von Menschenrechten, so Russwurm, sei der deutschen Industrie sehr wichtig. Doch das LKSG sei ein “geopolitisches Eigentor”, der bürokratische Aufwand bringe viele Unternehmen “an den Rand der Verzweiflung”, und das deutsche wie das europäische Gesetz müssten “deshalb nochmals grundsätzlich infrage gestellt werden”.
Ähnlich verhält es sich für Russwurm beim Klima. “Wir müssen die Dekarbonisierung schaffen, da gibt es gar keinen Zweifel daran”, sagte Russwurm bei einem Pressetermin am Montag. Es brauche daher “die richtigen Maßnahmen auf dem Weg zur Dekarbonisierung”, aber man müsse “gleichzeitig sicherstellen, dass das wirtschaftlich erfolgreich ist.” Dass der Bund und die EU die richtigen Maßnahmen ergreifen, daran hat Russwurm aber Zweifel.
Alternativen kommuniziert Russwurm jedoch eher nicht. Etwa beim Pressetermin verlangte er eine “auch schmerzhafte” Umschichtung der Staatsausgaben. Welche Schmerzen er meinte, sagte er nicht, und gab die Frage an die neben ihm stehende Hauptgeschäftsführerin des BDI, Tanja Gönner, weiter (die allerdings auch nicht konkreter werden wollte). Stattdessen verlangte er, neben dem von der Ampelkoalition bereits angekündigten “Dynamisierungspaket” für die deutsche Wirtschaft einen “Industrial Deal” der EU, der den “Green Deal” ergänzen solle.
In der Politik wird seine oft harsche Kritik zunehmend angenommen. Auf dem “Tag der deutschen Industrie” waren Wirtschaftsminister Habeck und CDU-Chef Merz wie Scholz hörbar bemüht, die Gemeinsamkeiten ihrer eigenen Agenda mit der von Russwurm zu betonen. Einzig Finanzminister Lindner verlor keine Zeit, um den vorige Woche lancierten “attention-getter” des BDI – ein Vorschlag für 400-Milliarden-Euro große Sondervermögen für staatliche Investitionen – rundheraus abzulehnen. Aber auch Lindner stimmte im Anschluss vielen Punkten zu, die Russwurm oft erwähnt. Alex Veit
Agrifood.Table – Neue Gentechnik – Welche Chancen der letzte Einigungsversuch der Belgier hat: In letzter Minute startet die belgische EU-Ratspräsidentschaft noch einmal einen Kompromissversuch zur Deregulierung neuer Gentechniken. Die Erfolgschancen gelten jedoch weithin als gering. Zum Artikel
Berlin.Table – Schicksalsjahr – Warum Union und AfD auf das Jahr 2029 starren: Was passiert, wenn auch die nächste Regierung nicht liefert, was sich die meisten Menschen erhoffen? In der Union wächst die Sorge vor dem Szenario, in der AfD setzen sie drauf. Und wann entscheidet sich das? Wahrscheinlich 2029. Zum Artikel
Climate.Table – Carbon Credits – So wollen die USA den freiwilligen Markt regeln: Regierung und Unternehmen in den USA setzen stark auf CO₂-Zertifikate aus dem freiwilligen Zertifikatemarkt. Jetzt hat die Biden-Administration konkrete Ideen vorgeschlagen, um die Regeln zu überarbeiten. Experten warnen allerdings vor Greenwashing. Zum Artikel
Der Gesundheit zuliebe sollte man frittiertes Essen möglichst meiden. Gleiches gilt aus Gründen des Umweltschutzes. Denn Ölpflanzen, vor allem solche, aus denen hochwertiges Palm-, Erdnuss- oder Kokosöl zum Frittieren gewonnen werden, haben fast immer eine schlechte Ökobilanz.
Sie gedeihen weit entfernt. Der Anbau verbraucht Unmengen an Wasser. Nicht selten wurde zuvor der Regenwald abgeholzt, um die entsprechenden Plantagen anzulegen. Hinzu kommt der hohe Energie- und Materialeinsatz: Beim Frittieren wird in der Regel ein Liter Öl oder anderes Fett auf 160 °C bis 175 °C erhitzt, um beispielsweise 100 Gramm Pommes zu frittieren.
Eigentlich müsste sich spätestens jetzt Klimascham einstellen. Doch zum Glück gibt es das Frittenfett-Paradoxon. Denn am Ende dieser vermeintlich verschwenderischen Essgewohnheit steht ein begehrter Rohstoff, ohne den die Dekarbonisierung im Verkehrssektor noch langsamer vorankommen würde als ohnehin schon: Used Cooking Oil (UCO).
Allein in Europa werden täglich 130.000 Barrel UCO verbrannt, in den USA sind es 40.000 Barrel, Tendenz steigend: als beigemischter Biokraftstoff in Pkw und Lkw, künftig auch als Sustainable Aviation Fuel (SAF) in Flugzeugen. Was die einen als Augenwischerei bezeichnen würden, ist für andere eine bahnbrechende Innovation zur Verbesserung der CO2-Bilanz von Verbrennungsmotoren.
Das Problem dabei: Je ehrgeiziger die Klimaziele, desto größer die Nachfrage nach UCO. Schon jetzt verbraucht Europa achtmal mehr Altspeiseöl als es selbst einsammelt. Und ein Großteil davon kommt, wie könnte es anders sein, aus China, dem “world’s leading used cooking oil producer”, wie es in einer kürzlich veröffentlichten Studie heißt. Probleme sind da natürlich vorprogrammiert.
Wie eine angemessene Reaktion auf das Frittenfett-Paradoxon aussehen könnte, ist wie immer auch Geschmackssache. Klar ist aber auf jeden Fall, dass man mit einer zusätzlichen Tüte Pommes dazu beiträgt, die CO2-Bilanz im Verkehrssektor zu verbessern. Und das ist doch schon mal was. ch
40 Prozent aller strategischen Rohstoffe innerhalb der EU zu verarbeiten, das ist eines der Kernziele der Staatengemeinschaft bis 2030. Mehr Unabhängigkeit von Importen soll auch den Erfolg der Transformation sichern.
Ein für die Energie- und Verkehrswende zentraler Rohstoff, Lithium, soll in Guben in Brandenburg verarbeitet werden. Das verantwortliche Start-up versprach, “saubere Lieferketten” aufzubauen – doch daran mehren sich nun Zweifel. Im Zentrum der Geschichte: der Präsident der Republika Srpska in Bosnien-Herzegowina. Sead Husic hat die Details.
Kaum ein Thema ist die sozial-ökologische Transformation vor den Parlamentswahlen am Sonntag in Frankreich. Nur Energiepolitik facht Debatten zwischen den Parteien an. Wie weit dabei die Positionen auseinanderliegen, teilweise innerhalb von Bündnissen, weiß Claire Stam.
Einer, der sich regelmäßig in Debatten zur Zukunft der Wirtschaft einbringt, ist BDI-Präsident Siegfried Russwurm – mit teils harscher Kritik an der Politik der Bundesregierung. Beim Tag der deutschen Industrie betonte Bundeskanzler Olaf Scholz nun, welche Schnittmengen es zur Regierung gibt, wie Alex Veit berichtet. Er zeichnet Russwurms Weg an die BDI-Spitze nach.
Ich wünsche Ihnen eine anregende Lektüre.
Grün, sauber, transparent. So präsentiert sich die kanadische Firma Rock Tech Lithium in Guben, südlich von Eisenhüttenstadt an der polnischen Grenze. Mit Konverter-Anlagen soll hier aus Lithium das für den Bau von Autobatterien notwendige Lithiumhydroxid raffiniert werden. Geplant ist die erste europäische Fabrik ihrer Art – und zugleich ein Vorzeige-Unternehmen. Im März verlieh die IHK Brandenburg dem Start-up das EMAS-Siegel für nachhaltiges Wirtschaften und Umweltschutz.
Für die deutsche Energie- und Verkehrswende zählt das Projekt zu den zentralen Vorhaben. Und auch für Brandenburg hat es eine große Bedeutung. Die regionale Wirtschaftsförderung nennt es eine “Top-Ansiedlung” und einen “Paukenschlag an der Neiße”. Investitionen in Höhe von 650 Millionen Euro und 170 Arbeitsplätze stellt Rock Tech Lithium in Aussicht.
Damit will das Unternehmen ab 2025 jährlich mehr als 24.000 Tonnen Lithiumhydroxid herstellen. Genug, um jährlich eine halbe Million Autobatterien zu produzieren. Mercedes-Benz steht als einer der Abnehmer bereit. Die Fabrik kann dazu beitragen, dass der Konzern unabhängiger von chinesischen Lieferanten wird.
Doch bisher bleibt offen, woher das begehrte Lithium kommen soll. Auf der Homepage behauptet das Clean-Tech-Unternehmen, den Rohstoff unter anderem in konzentrierter Form als Spodumen – ein Lithium-Mineral – von einem eigenen Standort am Georgie Lake in Kanada aus zertifizierten Minen beziehen zu wollen. Unter Einhaltung von höchsten Sozial- und Umweltstandards entstünde so eine saubere Lieferkette. Allerdings wird sich das voraussichtlich verzögern, da die Minen noch nicht in Betrieb sind.
Einspringen soll dafür die Arcore AG. Im November vorigen Jahres kündigte das Schweizer Unternehmen eine “strategische Partnerschaft” mit Rock Tech Lithium an. Die Bergbaufirma erklärte, dass sie in der Gemeinde Lopare in der Republika Srpska, einem autonomen Teilstaat von Bosnien-Herzegowina, ein riesiges Lithium-Vorkommen entdeckt habe.
“Das Lopare-Projekt hat das Potenzial, eine der größten Minen ihrer Art in Europa zu werden”, so die Presseerklärung. Arcore plane, die Versorgung der Konverter-Anlagen von Rock Tech Lithium mit Lithium-Produkten aus diesen reichhaltigen Ressourcen zu sichern. “Arcore ist zuversichtlich, die Rohstoffe umwelt- und sozialverträglich ab Ende 2026 abbauen zu können.”
In der Gemeinde Lopare ist man seitdem alarmiert. “Die Menschen haben hier Angst, dass eine Lithium-Mine die ganze Gegend unbewohnbar machen wird”, sagt Rade Savić, Bürgermeister von Lopare. Längst haben sich im Ort Bürgerinitiativen gebildet, die gegen den geplanten Lithium-Abbau kämpfen.
“Hier läuft nichts transparent oder unter Einbeziehung der Bevölkerung ab”, sagt Adrijana Pekić, Gründerin des Vereins “Beschützer der Majevica”. “Hier geht es nur um die Interessen einiger mächtiger Leute”, sagt sie.
In der Republika Srpska gibt allein ein Mann den Ton an: Präsident Milorad Dodik. Seit bald zwei Jahrzehnten lenkt er die Geschicke dieser Entität und sorgt immer wieder mit Sezessionsdrohungen für Konflikte. Er macht Geschäfte mit Ungarns Ministerpräsidenten Viktor Orbán und Belarus’ Präsidenten Alexander Lukaschenko und zeichnete den russischen Präsidenten Wladimir Putin erst vor einem Jahr mit einem Orden der Republika Srpska aus, trotz dessen Aggressionskriegs gegen die Ukraine. Seit langem steht Dodik samt zahlreicher Gefolgsleute auf der US-Sanktionsliste. Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung stoppte mehrere Infrastrukturprojekte in Höhe von 109 Millionen Euro in der Republika Srpska.
“Hier auf einen sozial- und umweltverträglichen Ressourcenabbau zu setzen, entbehrt jeglicher Realität”, sagt Adi Selman, ein Aktivist der NGO “Karton Revolucija” in der nordbosnischen Stadt Tuzla, die unmittelbar am Majevica-Gebirge liegt. Selman kämpft gegen die grassierende Korruption im Land und ist sicher, dass nur der engste Führungskreis um Dodik von einer Mine profitieren würde.
Rock Tech Lithium will dazu auf Presseanfragen nichts sagen oder reagiert nur mit Floskeln, etwa, dass man natürlich auf einen sozial- sowie umweltgerechten Lithium-Abbau durch die Partner setze. Die Arcore AG erklärt in einer Mitteilung, dass “verschiedene unabhängige Gutachten” belegen würden, dass beim Abbau die UN-Nachhaltigkeitsziele eingehalten werden könnten. Aber dazu und zu weiteren Themen will sich Arcore gegenüber Table.Briefings nicht äußern.
In der Politik und in der Wirtschaft scheint das Vertrauen in das einstige Vorzeigeprojekt inzwischen zu schwinden. So lehnte das Bundesministerium für Wirtschaft und Klima erst im Mai einen Förderantrag über 200 Millionen Euro für Rock Tech Lithium ab. Offiziell heißt es, dass aufgrund der Haushaltssperre kein Geld vorhanden sei. Doch hinter vorgehaltener Hand wird gesagt, dass das grün geführte Ministerium nicht mit Geschäften in der Republika Srpska in Verbindung gebracht werden möchte. Auch Mercedes-Benz distanzierte sich im Gespräch mit Table.Briefings von dem Lopare-Projekt.
Im vergangenen April verkündete Rock Tech Lithium indes, dass man nun mit dem chinesischen Logistiker C&D Logistics einen Rohstofflieferanten gefunden habe.
Woher der Lieferant die begehrte Ressource beschaffen will, bleibt jedoch unklar. Auf der Homepage steht: “Da Transparenz und Verantwortung entscheidend sind, gestalten wir unsere Nachhaltigkeitsziele so konkret wie möglich”. Was dieser Satz bedeutet, erklären Rock Tech Lithium und C&D Logistics ebenfalls nicht. Sead Husic
“Man hat den Eindruck, dass die ökologische Wende in einer Falltür verschwunden ist.” Dies haben nicht die Parteivertreter festgestellt, die am Donnerstag in Paris Unternehmerverbänden ihre Programme vorstellten, sondern die Moderatorin der Debatte, der Journalistin Hedwige Chevrillon.
Die verschiedenen Kandidaten waren gekommen, um ihre Programme im Detail darzulegen. Sie alle standen nacheinander auf der Bühne. Das Ergebnis: Der soziale, ökologische und klimaneutrale Wandel der Wirtschaft wurde nur selten erwähnt. Und wenn, dann nur in Bezug auf Energiepolitik.
So bekräftigten die zwei Kandidaten des Linksbündnis Nouveau Front Populaire (NFP), Boris Vallaud und Eric Coquerel, den Wunsch, so schnell wie möglich ein Energie- und Klimagesetz zu verabschieden, falls ihr Bündnis die Parlamentswahlen gewinnen sollte. Die ökologische Planung steht im Zentrum ihres Programms.
Auf die Frage nach der Position der NFP-Koalition zur Atomkraft erklärte Coquerel, dass der Zusammenschluss der Linksparteien das aktuelle Programm nicht rückgängig machen wolle. “Wir rühren den aktuellen Kraftwerkspark nicht an und verschieben die Entscheidungen über das weitere Vorgehen auf die nächste Präsidentschaftswahl.” Der Bau von sechs Druckwasserreaktoren, EPR genannt, den Macron in seiner Rede in Belfort im Februar 2022 festgeschrieben hatte, könnte also bis 2027 ausgesetzt werden. Allerdings ist die Position der NFP-Koalition zur Kernkraft grundsätzlich geteilt: Während die Kommunistische Partei pro Atomkraft ist, sind La France Insoumise und die Grünen dagegen. Die Sozialistische Partei liegt in der Mitte dazwischen.
Der Sozialist Vallaud, der die Differenzen zwischen den verschiedenen NFP-Parteien in dieser Frage illustrierte, sprach sich für die Kernenergie aus und meinte, man müsse “zuerst die Dekarbonisierung und dann die Denuklearisierung durchführen”.
Diese Erklärungen überzeugten den derzeitigen Finanz- und Wirtschaftsminister Bruno Le Maire aus der Macron-Partei Renaissance nicht. Er kritisierte das Zögern der NFP in der Atomfrage. “Der Bau der sechs EPR wird beträchtliche Baustellen erfordern; wir haben keine Zeit zu verlieren.” Mit der NFP würden die sechs EPR nicht kommen, so Le Maire.
Le Maire betonte, dass seine oberste Priorität in den kommenden Jahren “die Reindustrialisierung Frankreichs” sei. In diesem Zusammenhang kündigte er die Wiederaufnahme von Verhandlungen mit dem Stromversorger EDF über den Preis in Langzeitverträgen an, um den Preis für kohlenstofffreie Energie für Unternehmen zu senken. “Die vorgeschlagenen Tarife sind für die Industrie nicht zufriedenstellend, sie sind nicht ausreichend wettbewerbsfähig. Wir werden daher neue Gespräche mit EDF aufnehmen.”
Der Vorsitzende des Rassemblement National, Jordan Bardella, verteidigte seinerseits seinen Vorschlag, die Mehrwertsteuer auf elektrische Produkte und Treibstoffe auf 15 Prozent zu senken. Die Kosten dieser Maßnahme bezifferte er auf zwölf Milliarden Euro. Die Maßnahme hält er für “eine Priorität”, damit die Franzosen “die Früchte ihrer Arbeit” zurückbekämen, erklärte Bardella. Die Senkung der Mehrwertsteuer auf unter 15 Prozent ist jedoch aufgrund der EU-Mehrwertsteuerrichtlinie nicht für Treibstoffe möglich.
Bardella erwähnte auch die Möglichkeit, aus dem europäischen Strommarkt auszusteigen, um “einen nationalen Strompreis einzuführen, wie es Spanien und Portugal getan haben”. Ein Vorschlag, den Le Maire sofort abkanzelte, indem er erklärte, dass dies auf einen “Frexit” hinauslaufen würde. “Das bedeutet das Ende der Anbindung Frankreichs an andere Länder”, fuhr der Minister fort, “dieses Jahr sind es mehr als vier Milliarden Euro an Exporten, die dank der Wiederbelebung der Kernenergie erzielt wurden, auf die EDF hätte verzichten müssen”.
Als letzter Redner des Vormittags machte sich Bruno Retailleau für Les Républicains zum Verfechter der “technologischen Neutralität”: “Man muss Ziele für die Treibhausgasemissionen vorgeben und es ist dann Sache des Marktes und der Unternehmen, zu bestimmen, wie diese Ziele erreicht werden können”, erklärte der Senator. “Was weiß ein Kommissar oder das Europäische Parlament mehr als die Forschungsabteilungen und Ingenieure eines Unternehmens?”
27. Juni, 14-15:15 Uhr, Online
Webinar Biodiversität schützen – Welchen Beitrag kann die Chemiebranche leisten? (Veranstalter: Chemie hoch 3) Info & Anmeldung
27. Juni 2024, 17-18:30 Uhr, Online
Diskussion Green Cities 2035 – Lokale Wirtschaft neu denken (Veranstalter: Heinrich-Böll-Stiftung) Info & Anmeldung
27. Juni 2024, 19-21 Uhr, München & online
Diskussion Grüner Rasen – grünes Bewusstsein: Kann Fußball klimafreundlich? (Veranstalter: Saubere Energie München e.V., Protect the Planet) Info & Anmeldung
27.-28. Juni 2024, Prenzlau
Workshop Crashkurs klimagerechte Wärmenetze (Veranstalter: Powershift) Info & Anmeldung
28. Juni 2024, 10-16:30 Uhr, Stuttgart
Tagung RENN.süd Forum 2024: Gesellschaftlicher Zusammenhalt in Zeiten der Transformation (Veranstalter: RENN.süd) Info & Anmeldung
28.-30. Juni 2024, Bad Staffelstein
Seminar Zukunft der Mobilität (Veranstalter: Hanns-Seidel-Stiftung) Info & Anmeldung
29. Juni 2024, 10-18 Uhr, Stuttgart
Tagung 40 Jahre Kampf um die 35-Stunden-Woche (Veranstalter: Rosa-Luxemburg-Stiftung) Info & Anmeldung
30. Juni 2023, 15-17 Uhr, Sinsheim
Vortrag Ab in den Urlaub – aber klimaverträglich (Veranstalter: Klima Arena) Info & Anmeldung
2. Juli, ganztägig, online
Seminar 4. Fokus-Session “Nachhaltigkeit in der IT” (Veranstalter: German Sustainability Network GSN) Info & Anmeldung
Der Online-Marktplatz Otto.de will mehr Anreize dafür schaffen, dass externe Händler auf der Plattform mehr nachhaltige Produkte anbieten. Dies erklärte Vorstandschef Alexander Birken im Gespräch mit Table.Briefings. Dafür will die Otto Group die Provisionen für nachhaltige Waren senken, während die Provisionen für andere Produkte erhöht werden.
Vergangene Woche verkündete das Unternehmen, auf dessen Online-Plattform seit einigen Jahren auch konzernfremde Händler ihre Waren anbieten können, ab August die Grundgebühren für Partnerunternehmen und die eigenen Provisionen je nach Kategorie um ein bis sechs Prozent zu erhöhen. Für nachhaltige Produkte seien hingegen vergünstigte Provisionen geplant.
“Seit 2022 beobachten wir eine Tendenz zum Angebot immer günstigerer, wenig hochwertiger und nicht nachhaltiger Sortimente im Markt”, erklärte eine Sprecherin. “Diese Entwicklung wirkt sich auch auf das Angebot unserer Plattform aus.” Das Unternehmen habe sich entschieden, deshalb Anreize für Waren zu schaffen, die qualitativ hochwertig seien und bestimmte Kriterien für Nachhaltigkeit erfüllen. Wie das im Detail aussieht, stehe aber noch nicht fest, erklärte das Unternehmen zugleich. Das solle erst in den kommenden Monaten festgelegt werden. Auch zu der Frage, nach welchen Kriterien beurteilt wird, ob ein Händler oder ein Produkt nachhaltig ist oder eben nicht, wollte sich Otto noch nicht äußern. Die Otto Group gehört zu den weltweit größten Online-Händlern. leo
Unternehmen halten es für wichtig, dass es Normen gibt, die ihnen bei der ökologischen und digitalen Transformation helfen. Vor allem in fünf Bereichen sehen sie positive Effekte: Sicherheit und Resilienz, Dateninteroperabilität, Künstliche Intelligenz, Kreislaufwirtschaft und digitale Produktpässe. Das ist das Ergebnis des Deutschen Normungspanels 2024 – einer Umfrage, die seit 2012 jährlich erscheint. Teilgenommen haben 1.600 Personen, vor allem von Unternehmen.
Obwohl die Befragten entsprechende Normen für wichtig halten, sind ihnen viele nicht bekannt, heißt es im Bericht. Nur in den Bereichen Sicherheit und Resilienz sowie Kreislaufwirtschaft hätte der Durchschnitt geantwortet, er würde Standards kennen. Am wenigsten bekannt seien Normen zu nachhaltigen Städten und kohlenstoffarmem Zement. Gleichzeitig seien auch in wichtigen Transformationsfeldern Normen unbekannt, darunter: nachhaltige Energiesysteme, kritische Rohstoffe und digitale Produktpässe.
Einen “deutlichen Unterschied” macht die Umfrage bei der Frage aus, für wie relevant Befragte aus Unternehmen verschiedener Größen Standards halten. So gingen Vertreter von kleinen und mittleren Unternehmen im Schnitt davon aus, dass sie profitierten. Unterschiede gebe es auch bei der Bekanntheit von Normen: In KMU sei das Bewusstsein größer, so die Umfrage. Vor allem im Feld Kreislaufwirtschaft gebe es große Unterschiede. Die Autoren nehmen deshalb an, “dass kleinere Organisationen einen größeren Bedarf an klar definierten Standards sehen, um ihre Geschäftspraktiken zu optimieren und ihre Wettbewerbsfähigkeit zu steigern”. nh
Batterieelektrisch betriebene Lkw werden im Vergleich zu dieselbetriebenen deutlich schneller wettbewerbsfähig sein als bisher angenommen. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie des Fraunhofer-Instituts für System- und Innovationsforschung (ISI), die vor wenigen Tagen in der Fachzeitschrift “Nature Energy” veröffentlicht wurde. Die Wissenschaftler hatten in einer Metaanalyse die Kosten für Schlüsselkomponenten aus über 200 Quellen zusammengetragen und in eine Gesamtkostenrechnung integriert.
Das Ergebnis: Der Anschaffungspreis für Batteriesysteme wird den Berechnungen zufolge schon bald unter 200 Euro pro Kilowattstunde fallen. Ende der 2040er-Jahre könnte er sogar auf 100 Euro sinken. Damit läge der batterieelektrische Lkw in der Gesamtkostenrechnung bereits um das Jahr 2030 in etwa auf dem Niveau eines Diesel-Lkw, so die Forscher.
“Unsere Ergebnisse unterstreichen, dass die Kosten für emissionsfreie Lkw erheblich und schneller als erwartet sinken werden”, sagt Wirtschaftsingenieur Steffen Link, Hauptautor der Studie. Deshalb sollten nun zügig entsprechende Produktionskapazitäten aufgebaut werden, um die Marktverfügbarkeit solcher Fahrzeuge sicherzustellen. “Unsere Analyse und der aktuelle Kenntnisstand zeigen, dass batterieelektrische Lkw die techno-ökonomische Wettbewerbsfähigkeit mit heutigen Diesel-Lkw für die meisten Anwendungsfälle in absehbarer Zeit erreichen dürften”, so Link.
Der Anschaffungspreis von Elektro-Lkw liegt heute noch etwa doppelt bis dreimal so hoch wie der Preis eines gleichwertigen Diesel-Lkw. Je nach Marke und Modell geht es schnell um Mehrkosten von einigen 100.000 Euro.
Ein Blick auf die Gesamtkostenrechnung zeigt jedoch, dass sich E-Trucks schon heute rechnen können. Denn der Anschaffungspreis schlägt im gewerblichen Straßengüterverkehr nur mit rund zehn Prozent zu Buche, während die Energiekosten rund 40 Prozent ausmachen. Da die Lkw-Maut seit Ende 2023 an den CO₂-Ausstoß gekoppelt ist und Strom günstiger ist als Diesel, kann ein E-Lkw bei hoher Fahrleistung schon nach wenigen Jahren einen Kostenvorteil erzielen. ch
Das seit Juni 2022 geltende LNG-Beschleunigungsgesetz (LNGG) wird international überprüft. Das hat das Compliance Committee der Aarhus-Konvention auf Antrag von Green Legal Impact Germany (GLI) entschieden.
Die Umweltrechtsorganisation hatte bemängelt, dass das Gesetz nur eine unzureichende Beteiligung der Öffentlichkeit an konkreten Projektentscheidungen zulässt. Zudem schränke es den Zugang zur gerichtlichen Überprüfung von LNG-Projekten in unzulässiger Weise ein.
Als Reaktion auf den russischen Überfall auf die Ukraine und die daraus resultierende Energiekrise hat die Bundesregierung entschieden, insgesamt rund zehn Milliarden Euro in eine deutsche Infrastruktur für Flüssigerdgas (LNG) an der Nord- und Ostseeküste zu investieren.
Um den Aufbau zu beschleunigen und einen Energienotstand in Deutschland abzuwenden, wurde im Mai 2022 das LNGG beschlossen. Trotz einer zwischenzeitlichen Normalisierung der Gasversorgung und der Marktpreise ist es bis heute in Kraft. Immer wieder regt sich Bürgerprotest dagegen, zuletzt auf der Ferieninsel Rügen.
“Die Entscheidung ist ein wichtiges Signal. Damit ist die erste Hürde genommen”, sagte GLI-Rechtsreferentin Marie Bohlmann. Das LNG-Beschleunigungsgesetz dürfe nicht zur Blaupause in Verwaltungsverfahren werden. “Die Aarhus-Konvention schützt wichtige Beteiligungsrechte von Bürgerinnen und Bürgern. Sie ist geltendes Recht und das muss die Bundesregierung ernst nehmen”, so Bohlmann.
Mit der im Juni 1998 unterzeichneten Aarhus-Konvention wurden erstmals Informations-, Beteiligungs- und Klagerechte der Bürgerinnen und Bürger zum Schutz der Umwelt und zur Wahrung der Interessen zukünftiger Generationen völkerrechtlich verankert. Sie enthält internationale Mindeststandards für den Zugang zu Umweltinformationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung und den Rechtsweg. Inzwischen sind ihr mehr als 40 Staaten beigetreten.
Aus Sicht von Sascha Müller-Kraenner, Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe, verstößt das LNGG aufgrund seiner verkürzten Beteiligungsrechte gegen die Vorgaben der Konvention. “Die Bundesregierung sollte jetzt einer peinlichen Niederlage vor dem Aarhus-Komitee zuvorkommen und das Gesetz schleunigst zurücknehmen”, so Müller-Kraenner.
Das Compliance Committee, das die Beschwerde als “vorläufig zulässig” eingestuft hat, wird das LNGG nun einer eingehenden Prüfung unterziehen. In diesem Verfahren hat auch die Bundesregierung die Möglichkeit zur Stellungnahme. ch
Das Thema Nachhaltigkeit gewinnt für immer mehr deutsche Verbraucher an Bedeutung. Das zeigt der Konsummonitor Nachhaltigkeit 2024, für den das IFH Köln im Auftrag des Handelsverbands Deutschland (HDE) über 1.500 Konsumenten befragt hat. Demnach bezeichnen sich zwei Drittel der Befragten als nachhaltigkeitsbewusst – das sind acht Prozent mehr als im Vorjahr. “Über alle Sortimente hinweg ist Verbraucherinnen und Verbrauchern die Bedeutung nachhaltiger Kaufentscheidungen bewusst”, sagt HDE-Hauptgeschäftsführer Stefan Genth.
Knapp die Hälfte der befragten Konsumenten kauft der Umfrage zufolge nachhaltig ein – das sind neun Prozent mehr als noch 2023. Während das Preis-Leistungsverhältnis und die Qualität weiter die wichtigsten Einkaufskriterien darstellen, legen immer mehr Verbraucher Wert auf langlebige und reparaturfähige Produkte sowie faire Produktionsbedingungen. Vor allem bei Verbrauchern, die sich als nachhaltigkeitsbewusst bezeichnen, stehen diese Kriterien weit oben. Ihnen sind nachhaltige Materialien und Verpackungen zudem deutlich wichtiger als der Gesamtheit der Verbraucher.
Obwohl der Kauf gebrauchter Ware für 40 Prozent der Verbraucher infrage kommt, bleibt die Neuware weiterhin für Käufer die erste Wahl. Doch auch der Neukauf lasse sich nachhaltig gestalten, betont Genth, etwa indem sich Verbraucher für Produkte aus recycelten Materialien oder fairer Produktion entscheiden. ag
Die Ampel-Regierung profiliert sich zu Tode – Handelsblatt
Der abgesagte Kauf der Stromnetze von Tennet zeige einmal mehr, dass es den Koalitionären nicht um die Sache gehe, sondern um die eigene Profilierung, kommentiert Catiana Krapp. Allerdings blockiere einzig das Finanzministerium das Vorhaben, während Bundeskanzleramt und Wirtschaftsministerium sich hintergangen fühlten. Zum Artikel
Auf Deutschlands Unternehmen kommt ein bürokratischer Albtraum zu – Spiegel
Michael Sauga und Kristina Gnirke haben sich mit der CSRD-Umsetzung in Deutschland befasst und kommen zu dem Ergebnis: Die Folgen der kommenden Regeln für die Nachhaltigkeitsberichterstattung sind nur negativ. Aufwand, Kosten, Bürokratie – alles nehme zu. Und der Nutzen sei ungewiss. Dabei habe die Ampel-Regierung ursprünglich das Gegenteil versprochen. Zum Artikel
How companies are starting to back away from green targets – Financial Times
Vieler große Unternehmen, darunter Unilever, Bank of America und Shell, verfahren mit ihren Klimazielen wie mit Selbstverpflichtungen: Sie räumen sie stillschweigend ab. Denn, so hören Kenza Bryan und Attracta Mooney, Klima- und Umweltschutz sei komplexer als gedacht und Profite seien prioritär. Zum Artikel
Ein Todesfall mit Folgen: “Ausbeutung der Schwächsten” – FAZ
Christian Schubert berichtet über menschenunwürdige Arbeitsbedingungen in der italienischen Landwirtschaft. Es gebe ein eingespieltes System, das Saisonarbeiter aus Indien anwirbt. Diese arbeiteten oft illegal für Löhne von weniger als 5 Euro die Stunde. Nachdem vergangene Woche ein Saisonarbeiter starb, fordert Staatspräsident Sergio Mattarella, das Problem zu bekämpfen. Zum Artikel
Ciao, E-Auto! Italiens Absage an die saubere Mobilität der Zukunft – Süddeutsche Zeitung
Da die rechtspopulistische italienische Regierung von Giorgia Meloni Elektromobilität für einen Irrweg halte und das Verbrenner-Aus rückgängig machen wolle, würden kaum Elektrofahrzeuge in Italien verkauft. Statt in die Produktion wettbewerbsfähiger E-Autos in Italien zu investieren, setzten Hersteller auf günstige Modelle aus China, berichtet Ulrike Sauer. Zum Artikel
‘We’re like gears grinding until they break’: Chinese tech companies push staff to the limit – Financial Times
Wenn die Profite zurückgehen, erhöhen manche Unternehmen den Druck auf die Arbeitskräfte. So sei es auch in Chinas IT-Branche, berichten Ryan McMorrow und Nian Liu. Die IT-Branche setze auf junge, unverheiratete, zeitlich flexible und billige Angestellte, die viele Stunden arbeiten. Aber es rege sich Kritik bis in die Staatsspitze. Zum Artikel
California Forever: Utopien auf der Weide – Die Zeit
Im kalifornischen Solano County wolle der Entrepreneur Jan Sramek eine Stadt aus dem Boden stampfen, berichtet Lukas Hermsmeier. Sie solle umweltfreundlich, sozial, gerecht und profitabel werden. Doch Landbesitzer und Umweltschützer fürchten, dass das Projekt Ungleichheit erhöht und nicht nachhaltig wird. Zum Artikel
ESG: Es grünt so grün, wenn die Mieter mitziehen – Die Presse
Bauherren und Projektentwickler legen mit ausgeklügelter Bauweise und Haustechnik den Grundstein für die nachhaltige Nutzung von Gebäuden. Einfluss darauf, dass die Mieter die Wohnung dann auch so nutzen, dass Ressourcen geschont und der CO₂-Ausstoß verringert wird, haben Vermieter allerdings nicht, hat Ursula Rischanek erfahren. Zum Artikel
Der diesjährige “Tag der deutschen Industrie” lief gut für Siegfried Russwurm, den Präsidenten des Bundesverbandes der deutschen Industrie (BDI). Bundeskanzler Olaf Scholz griff die wirtschaftspolitische Agenda des Verbands fast Punkt für Punkt zustimmend auf: Einen Handelskrieg mit China müsse man vermeiden, Genehmigungsverfahren vereinfachen und beschleunigen, und steuerliche Investitionsanreize vergrößern. Russwurm bemerkte dazu stolz, jemand habe ihn gefragt, ob er dem Redenschreiber des Bundeskanzlers “das BDI-Programm zugeschickt habe”.
Der Konsens zwischen Scholz und Russwurm überrascht: Noch Anfang April hatte Russwurm über die Ampelkoalition geurteilt: “Es waren zwei verlorene Jahre – auch wenn manche Weichen schon in der Zeit davor falsch gestellt wurden”. Bundeskanzler Scholz warf ihm daraufhin vor, den Wirtschaftsstandort schlecht zu reden.
Auch Russwurm ist kein guter Redner, verlässt sich wie Scholz meist auf sein Manuskript. Aber der Bildungsaufsteiger ist stets beharrlich, wenn die Industriepolitik nicht in seinem Sinn läuft. Diese Eigenschaft brauchte der 60-Jährige aus dem oberfränkischen Marktgraitz auch für seine eigene Karriere.
Dem Sohn eines Polsterers und einer Arbeiterin gelang ein typisch westdeutscher Aufstieg durch höhere Bildung: Mit 20 Jahren begann er ein Studium der Fertigungstechnik an der nahen Universität Erlangen-Nürnberg, an das er eine Promotion zum Dr.-Ing. hängte. Anschließend kam er bei Siemens in der damals kriselnden Medizintechnik im oberpfälzischen Kemnath unter. Schnell stieg er im Konzern vom Projekt- zum Betriebsleiter auf.
Nach ein paar Jahren für eine Siemens-Tochter in Schweden ging er nach Erlangen, bis er 2008 schließlich als Personalchef in den Konzernvorstand in München einzog. Den massiven Arbeitsplatzabbau in dieser Phase managte er in den Augen seiner Vorgesetzten so gut, dass er ab 2010 die große Industriesparte des Konzerns verantworten durfte.
Sein Stern bei Siemens begann jedoch zu sinken, als Joe Kaeser 2013 die Konzernspitze übernahm. Sympathisch waren sich Russwurm und Kaeser nicht, wie der heutige BDI-Chef durchblicken ließ. Russwurms Aufgabenbereich verkleinerte sich immer weiter, bis er Siemens nach 25 Jahren den Rücken kehrte.
Russwurms Karriere schien aufs falsche Gleis geraten zu sein. Erst als ihn der Voith-Konzern in Heidenheim 2018 in den Gesellschafterausschuss berief, ging es wieder voran: Ein Jahr später wurde er auch in den Aufsichtsrat der Thyssenkrupp AG berufen, dem er bis heute vorsitzt.
Dort hat er jüngst Schlagzeilen gemacht: Gegen alle Gepflogenheiten in der Stahlindustrie nutzte er sein doppeltes Stimmrecht als Aufsichtsratschef, um die Arbeitnehmervertreter zu überstimmen und dem umstrittenen Einstieg eines Investors bei der Stahltochter des Konzerns den Weg zu ebnen.
Den BDI übernahm Russwurm Anfang 2021, während der Covid-Pandemie. Wie die gesamte Politik war er zunächst mit dem Krisenmanagement befasst, plädierte für die Aufrechterhaltung der Produktion und die Offenhaltung des freien Reiseverkehrs. Erst anschließend konnte er sich profilieren in den Transformationsthemen, die für viele Industriebetriebe entscheidend sind.
Dabei verfolgt Russwurm eine klare Linie: Die Ziele der Ampelkoalition teile er, betont er stets. Doch “gut gemeint” sei eben nicht “gut gemacht”. So argumentierte er etwa hinsichtlich des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes (LKSG): Die Einhaltung von Menschenrechten, so Russwurm, sei der deutschen Industrie sehr wichtig. Doch das LKSG sei ein “geopolitisches Eigentor”, der bürokratische Aufwand bringe viele Unternehmen “an den Rand der Verzweiflung”, und das deutsche wie das europäische Gesetz müssten “deshalb nochmals grundsätzlich infrage gestellt werden”.
Ähnlich verhält es sich für Russwurm beim Klima. “Wir müssen die Dekarbonisierung schaffen, da gibt es gar keinen Zweifel daran”, sagte Russwurm bei einem Pressetermin am Montag. Es brauche daher “die richtigen Maßnahmen auf dem Weg zur Dekarbonisierung”, aber man müsse “gleichzeitig sicherstellen, dass das wirtschaftlich erfolgreich ist.” Dass der Bund und die EU die richtigen Maßnahmen ergreifen, daran hat Russwurm aber Zweifel.
Alternativen kommuniziert Russwurm jedoch eher nicht. Etwa beim Pressetermin verlangte er eine “auch schmerzhafte” Umschichtung der Staatsausgaben. Welche Schmerzen er meinte, sagte er nicht, und gab die Frage an die neben ihm stehende Hauptgeschäftsführerin des BDI, Tanja Gönner, weiter (die allerdings auch nicht konkreter werden wollte). Stattdessen verlangte er, neben dem von der Ampelkoalition bereits angekündigten “Dynamisierungspaket” für die deutsche Wirtschaft einen “Industrial Deal” der EU, der den “Green Deal” ergänzen solle.
In der Politik wird seine oft harsche Kritik zunehmend angenommen. Auf dem “Tag der deutschen Industrie” waren Wirtschaftsminister Habeck und CDU-Chef Merz wie Scholz hörbar bemüht, die Gemeinsamkeiten ihrer eigenen Agenda mit der von Russwurm zu betonen. Einzig Finanzminister Lindner verlor keine Zeit, um den vorige Woche lancierten “attention-getter” des BDI – ein Vorschlag für 400-Milliarden-Euro große Sondervermögen für staatliche Investitionen – rundheraus abzulehnen. Aber auch Lindner stimmte im Anschluss vielen Punkten zu, die Russwurm oft erwähnt. Alex Veit
Agrifood.Table – Neue Gentechnik – Welche Chancen der letzte Einigungsversuch der Belgier hat: In letzter Minute startet die belgische EU-Ratspräsidentschaft noch einmal einen Kompromissversuch zur Deregulierung neuer Gentechniken. Die Erfolgschancen gelten jedoch weithin als gering. Zum Artikel
Berlin.Table – Schicksalsjahr – Warum Union und AfD auf das Jahr 2029 starren: Was passiert, wenn auch die nächste Regierung nicht liefert, was sich die meisten Menschen erhoffen? In der Union wächst die Sorge vor dem Szenario, in der AfD setzen sie drauf. Und wann entscheidet sich das? Wahrscheinlich 2029. Zum Artikel
Climate.Table – Carbon Credits – So wollen die USA den freiwilligen Markt regeln: Regierung und Unternehmen in den USA setzen stark auf CO₂-Zertifikate aus dem freiwilligen Zertifikatemarkt. Jetzt hat die Biden-Administration konkrete Ideen vorgeschlagen, um die Regeln zu überarbeiten. Experten warnen allerdings vor Greenwashing. Zum Artikel
Der Gesundheit zuliebe sollte man frittiertes Essen möglichst meiden. Gleiches gilt aus Gründen des Umweltschutzes. Denn Ölpflanzen, vor allem solche, aus denen hochwertiges Palm-, Erdnuss- oder Kokosöl zum Frittieren gewonnen werden, haben fast immer eine schlechte Ökobilanz.
Sie gedeihen weit entfernt. Der Anbau verbraucht Unmengen an Wasser. Nicht selten wurde zuvor der Regenwald abgeholzt, um die entsprechenden Plantagen anzulegen. Hinzu kommt der hohe Energie- und Materialeinsatz: Beim Frittieren wird in der Regel ein Liter Öl oder anderes Fett auf 160 °C bis 175 °C erhitzt, um beispielsweise 100 Gramm Pommes zu frittieren.
Eigentlich müsste sich spätestens jetzt Klimascham einstellen. Doch zum Glück gibt es das Frittenfett-Paradoxon. Denn am Ende dieser vermeintlich verschwenderischen Essgewohnheit steht ein begehrter Rohstoff, ohne den die Dekarbonisierung im Verkehrssektor noch langsamer vorankommen würde als ohnehin schon: Used Cooking Oil (UCO).
Allein in Europa werden täglich 130.000 Barrel UCO verbrannt, in den USA sind es 40.000 Barrel, Tendenz steigend: als beigemischter Biokraftstoff in Pkw und Lkw, künftig auch als Sustainable Aviation Fuel (SAF) in Flugzeugen. Was die einen als Augenwischerei bezeichnen würden, ist für andere eine bahnbrechende Innovation zur Verbesserung der CO2-Bilanz von Verbrennungsmotoren.
Das Problem dabei: Je ehrgeiziger die Klimaziele, desto größer die Nachfrage nach UCO. Schon jetzt verbraucht Europa achtmal mehr Altspeiseöl als es selbst einsammelt. Und ein Großteil davon kommt, wie könnte es anders sein, aus China, dem “world’s leading used cooking oil producer”, wie es in einer kürzlich veröffentlichten Studie heißt. Probleme sind da natürlich vorprogrammiert.
Wie eine angemessene Reaktion auf das Frittenfett-Paradoxon aussehen könnte, ist wie immer auch Geschmackssache. Klar ist aber auf jeden Fall, dass man mit einer zusätzlichen Tüte Pommes dazu beiträgt, die CO2-Bilanz im Verkehrssektor zu verbessern. Und das ist doch schon mal was. ch