ein Ausweis für Nachhaltigkeit soll er werden, der digitale Produktpass. Mit ihm will die EU die Herstellung von Waren für Konsumenten transparenter machen. Aber: Sowohl die EU-Kommission als auch die deutschen Unternehmen sind noch nicht soweit, mal wieder. Die Details und welche Kritik es an dem Vorhaben gibt, das beschreibt Eric Bonse.
Jonas Gerding hat sich dagegen mit einer neuen Mine befasst, die in Angola in Betrieb gehen soll. Der britische Betreiber will mit ihr Europas Abhängigkeit von Seltenen Erden aus China verringern und zeigen, dass die Lieferkette nach ESG-Kriterien aufgebaut werden kann. Kein leichter Spagat.
Außerdem blicken wir auf die europäische Verpackungsverordnung. Das EU-Parlament stimmt darüber in Kürze ab – ob es aber gelingt, die Trilog-Verhandlungen noch vor der Wahl im kommenden Jahr zu einem Ergebnis zu führen, ist unklar. Leonie Düngefeld kennt die Details.
Der Europäische Green Deal soll nicht nur die Produktion, sondern auch die Produkte umweltfreundlich und klimaverträglich machen. Die EU-Kommission setzt dabei auf einen digitalen Produktpass. Der “digital product pass” (DPP) soll als “Ausweis” für Nachhaltigkeit dienen, fundierte Kauf-Entscheidungen der Verbraucher ermöglichen und das Recycling in industriellem Maßstab erleichtern.
Doch kurz vor dem geplanten Start eines Pilotprojekts im Jahr 2024 regt sich Widerstand: Die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) fürchtet Überregulierung und neue bürokratische Bürden. Viele Firmen seien noch nicht vorbereitet, warnt das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln. Auch die EU-Kommission ist offenbar noch nicht so weit, wie sie eigentlich sein wollte.
Man sammle derzeit noch Informationen über die weltweit bestehenden DPP-Systeme, sagte Thomas Ebert von der zuständigen Generaldirektion der EU-Kommission auf einer Informationsveranstaltung in Brüssel. Zugleich bemühe man sich, noch bestehende Missverständnisse auszuräumen. Es werde nicht einen, sondern viele digitale Pässe für verschiedene Produktgruppen geben, für die die Kommission spezifische Regulierungen erlassen will.
Grundlage ist die Ökodesign-Richtlinie von 2009 und ein Kommissionsvorschlag für deren Überarbeitung vom März 2022. Anders als bisher geht es bei der geplanten Ökodesign-Verordnung für nachhaltige Produkte nicht mehr nur um die Energieeffizienz von Glühbirnen, Kühlschränken oder Waschmaschinen. Vielmehr rücken Produkthaltbarkeit, Wiederverwendbarkeit, Nachrüstbarkeit und Reparierbarkeit in den Fokus.
Der neue Pass soll über die ökologische Nachhaltigkeit der Produkte informieren. Die digitalisierten Informationen werden durch Scannen eines Datenträgers leicht zugänglich sein, verspricht die EU-Kommission. Der Datensatz soll Attribute wie die Haltbarkeit und Reparierbarkeit, den recycelten Inhalt oder die Verfügbarkeit von Ersatzteilen eines Produkts enthalten.
Das Europaparlament hat sich im Juli dafür ausgesprochen, den Entwurf für die neue Ökodesign-Verordnung für nachhaltige Produkte (ESPR) zu verschärfen. “Dieses Gesetz wird sicherstellen, dass neue Produkte auf eine Art und Weise entwickelt werden, die für alle von Nutzen ist und die Grenzen unseres Planeten respektiert und die Umwelt schützt”, sagte Verhandlungsführerin Alessandra Moretti (Italien, S&D).
Nach dem Willen des Europaparlaments soll sich die EU-Kommission zunächst um besonders umweltschädliche Produkte wie Metalle, Textilien, Möbel und Waschmittel kümmern. Darüber hinaus wird ein Verbot der Vernichtung von unverkauften Textilien und elektrischem beziehungsweise elektronischem Equipment eingeführt. Über die Details wird im Trilog verhandelt, der Ende August begonnen hat – Ende offen.
Die Einführung dürfte schwierig werden, denn bisher besteht der digitale Produktpass nur auf dem Papier. Es gibt zwar schon viele Ansätze – nach einer Studie des Wuppertal Instituts für Klima, Umwelt, Energie existieren allein in Europa bereits 76 verschiedene Initiativen zum DPP. Doch die Entwicklung steht noch am Anfang, und viele Fragen zur Umsetzung sind noch nicht geklärt.
Die DIHK warnt daher vor zu hohen Erwartungen und zu großer Eile. Das Ziel einer nachhaltigen Kreislaufwirtschaft sei zwar grundsätzlich zu begrüßen. Mit der Einführung eines digitalen Produktpasses könnten jedoch neue und hohe bürokratische Anforderungen vor allem für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) entstehen, heißt es in einem DIHK-Bericht vom 12. Oktober.
Zur Vorsicht mahnt auch das IW. Ein digitaler Produktpass könne zwar mehr Transparenz in der Wertschöpfungskette schaffen. Digital gespeicherte Produktinformationen allein würden jedoch nicht zu höherer Umweltverträglichkeit führen. Der Erfolg hänge letztlich vom Design ab, heißt es in einer aktuellen Studie. In der Debatte fehle es jedoch an konkreten Implementierungsideen.
Ein weiteres Problem ist, dass viele Unternehmen noch nicht einmal die Grundvoraussetzungen für die Einführung von Produktpässen erfüllen – denn sie sind nicht oder nicht hinreichend digitalisiert. Auch die Mitarbeiter seien bisher kaum auf die neuen Ökodesign-Vorschriften vorbereitet, schreibt das IW. Deshalb müsse man Schulungen, etwa zu Datenmanagement und Datenschutz, anbieten.
Viele Sorgen seien unbegründet, meint dagegen Thomas Ebert von der EU-Kommission. Es werde keine zentrale Datenbank für alle Produktpässe geben. Die EU wolle auch keine Geschäftsgeheimnisse ausspionieren oder vertrauliche Produktinformationen allgemein zugänglich machen. Es gehe vielmehr um eine Business-to-Business-Kommunikation über dezentrale und offene Systeme.
Ein erstes Pilotprojekt soll im neuen Jahr beginnen. Es ist mit einem Budget von sechs Millionen Euro ausgestattet und soll anhand von zwei Produktklassen zeigen, wie ein digitaler Produktpass aussehen und funktionieren kann.
Tim George ist ein wichtiger Schritt gelungen. 200 Millionen US-Dollar hat der Geschäftsführer des britischen Unternehmens Pensana eingesammelt. Damit will er nun eine Mine in Angola hochziehen, einem Land im Südwesten Afrikas, das bisher vor allem für den Export von Öl und Diamanten bekannt ist. Longonjo heißt das Bergbauprojekt, das aus 30 Metern Tiefe Rohstoffe fördern soll, deren Namen nur schwer über die Lippen gehen: Neodym und Praseodym beispielsweise.
Aus ihnen werden jene Magnete produziert, mit denen die Motoren riesiger Windkraftanlagen grünen Strom erzeugen. Die beiden Rohstoffe kommen im Gestein stets gemeinsam mit 15 weiteren vor – einer Gruppe von Elementen im Periodensystem, die als “Seltene Erden” bekannt sind.
Sie sind enorm gefragt: Der Bedarf an Seltenen Erden könnte sich bis 2040 um das Siebenfache erhöhen, so die Internationale Energieagentur (IEA). George von Pensana sagt deshalb: “Die Erhöhung des Angebots an Seltenen Erden ist unabdingbar für das globale Vorhaben der Klimaneutralität.”
Dabei sind die Seltenen Erden gar nicht so rar, wie ihr Name vermuten lässt. Vorkommen und Förderung sind nur sehr ungleich verteilt auf der Welt. China allein produziert 60 Prozent der Seltenen Erden.
Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine hat Europa schmerzhaft die Risiken vor Augen geführt, wenn einzelne Zulieferer den Markt dominieren, vor allem, wenn es sich um autoritäre Staaten handelt. Die Diversifizierung der Lieferketten ist zum Mantra geworden. Die Umsetzung lässt allerdings auf sich warten.
Die Longonjo-Mine von Pensana ist eine Ausnahme. Dem Geschäftsführer zufolge gibt es nur drei Projekte weltweit, die mehr als 100.000 Tonnen Reserven an Neodym-Praseodym-Oxid haben. Eines davon ist das in Longonjo mit 166.000 Tonnen.
Das klingt bahnbrechend. Bräuchte es also nur einige jener Minen in europäischer Hand, um die Abhängigkeit von China zu brechen? Dem widerspricht Maren Liedtke, Geologin an der Bundesgesellschaft für Geowissenschaften und Rohstoffe: “Auch die Aufbereitung der Seltenen Erden ist stark auf China konzentriert”, sagt sie. Malaysia und Estland seien zwei Länder, die ebenfalls veredeln. 90 Prozent der globalen Weiterverarbeitung stemmt laut IEA jedoch China. “Das Know-how für die Veredelung ist hauptsächlich in China vorhanden”, meint Liedtke.
Pensana will auch das ändern. In Saltend an der Nordostküste Englands soll eine Anlage entstehen, die 12.500 Tonnen an Seltenen Erdoxiden im Jahr veredelt, darunter 4.500 Tonnen an Neodym-Praseodym-Oxid, das so wichtig für die Magnetherstellung ist. Fünf Prozent des Weltmarkts könne dieses Vorhaben abdecken, sagt der Pensana-Chef. Offshore-Windkraft soll den grünen Strom dafür liefern.
Überhaupt kündigte der an der Londoner Börse notierte Konzern an, seine Wertschöpfung nach ESG-Kriterien ausrichten, die Treibhausgasemissionen gemäß dem 1,5-Grad-Ziels zu reduzieren und bis spätestens 2040 bei “net zero” sein zu wollen.
Noch aber verzeichnet die 2019 gegründete Firma keine Umsätze und meldete im Juni vielmehr einen Jahresverlust von 5,2 Millionen Euro. Zudem steht auch die Saltend-Finanzierung noch nicht. Es ist also möglich, dass die Weiterverarbeitung zum geplanten Start der Mine 2026 nicht bereit sein wird.
Nur wenige Länder haben damit bislang Erfahrung. Das liegt auch an einer heiklen Eigenschaft, die Seltene Erden für gewöhnlich mit sich bringen: Radioaktivität. Thorium beispielsweise ist eins der Mineralien, die mit der Gesteinsmischung aus der Erde geholt werden. Chinas Minen sind stark von der Öffentlichkeit abgeschirmt. Von außen lässt sich kaum einschätzen lässt, ob Menschen durch die Radioaktivität geschädigt wurden.
Für die Arbeitssicherheit der geplanten Mine in Angola ist der Umgang mit der Strahlung zentral, sagt Vladimir Russo. Der Angolaner leitet die Stiftung Kissama, die sich mit Umweltfragen beschäftigt. “Es gibt klare Auflagen, die einzuhalten sind, um aus Sicht des Arbeitsschutzes die Risiken zu minimieren”, sagt er. Ob das passierten wird? Eine Umweltverträglichkeitsstudie liegt ihm bisher nicht vor.
Die Risiken habe Pensana im Griff, argumentiert Geschäftsführer Tim George. Die Strahlung sei 20-mal geringer als die Grenzwerte der Internationalen Atomenergiebehörde. Die Arbeiter sollen mit Strahlenmessgeräten ausgestattet und deren Daten täglich ausgewertet werden. Zudem will Pensana mit der gängigen Praxis brechen, radioaktive Rohstoffe quer durch die Welt zur Veredelung nach Asien zu transportieren, ergänzt George: “Im Gegensatz dazu wird Pensana in Longonjo die Seltenen Erden von den Resten des verarbeiteten Erz trennen, welches das natürlich vorkommende radioaktive Material enthält. Das wird sicher auf eine permanente Abraumhalde gebracht.”
Saleem Ali ist Professor für Energie und Umwelt am geografischen Institut der Universität Delaware und verantwortet den Bereich kritische Rohstoffe und inklusive Energietransformation an der Universität der Vereinten Nationen. “Wenn man es objektiv betrachtet, ist die Radioaktivität der Reste sehr gering, die bei der Verarbeitung von Seltenen Erden entstehen”, sagt er. Bei Flugreisen sei der Mensch oft höheren Werten ausgesetzt. Die Radioaktivität auf den Halden sei nicht mit der Strahlung der Abfälle in Kernkraftwerken vergleichbar. Wer nicht direkt und lange damit in Berührung kommt, habe keine Schäden zu befürchten.
Ali warnt vor Panikmache, die dem Ideal einer zirkulären Ökonomie im Weg stehen könnte: “Das Thorium könnte für andere Anwendungen wie Thorium-Reaktoren genutzt werden.” Andere radioaktive Elemente seien in der medizinischen Diagnostik und Strahlentherapie von Nutzen.
Entscheidender dürfte letztlich Pensanas Umgang mit anderen Problemen sein. Um Ressourcen zu gewinnen, werden weltweit häufig Wälder gerodet, Abfälle in Flüsse geleitet und Menschen vertrieben oder zu unwürdigen und ausbeuterischen Arbeitsbedingungen beschäftigt. Diese Gefahren gelten insbesondere auch für Seltene Erden, sagt Saleem Ali, weil deren Menge im Vergleich zu dem Erz, das für die Förderung verarbeitet werden muss, so klein ist. “Deshalb braucht es wesentlich chemieintensivere Prozesse für die Herauslösung der Metalle”, so der Experte. Das ist aufwendig, teurer – und in der Summe riskanter.
Auch der angolanische Umweltexperte Russo der Stiftung Kissama befürchtet, dass die Mine negative Spuren hinterlassen wird, für die dort lebenden Menschen, die Landwirtschaft und die Tier- und Pflanzenwelt. Vor allem die Flüsse seien besonders sensibel, so Russo. “Solche Einflüsse lassen sich durch Maßnahmen minimieren.” Für das Gelingen komme es aber auf die ordentliche Umsetzung an – und die lässt sich aktuell schwer bewerten.
Immerhin: Pensana ist ein britisches Unternehmen. Im Vergleich zu vielen chinesischen Firmen muss es sich auf mehr Kontrollen und eine größere Transparenz einlassen, um für westliche Investoren attraktiv zu sein. Das ist eine Chance für eine umweltschonendere Förderung von Seltenen Erden. Jonas Gerding
Am 21. November wird das EU-Parlament über seine Position zur Überarbeitung der Richtlinie für Verpackungen und Verpackungsabfall abstimmen – beinahe genau ein Jahr, nachdem die EU-Kommission ihren Vorschlag für die neue Verordnung vorgelegt hat.
Das Ziel der Initiative: die Abfallhierarchie stärker in dem Gesetz verankern, sodass neben dem Recycling vor allem das Vermeiden von Verpackungsabfällen und die Wiederverwendung von Verpackungen und Materialien vorgeschrieben werden. EU-weit sollen durch den Übergang in eine Verordnung harmonisierte Vorschriften gelten. Schließlich erzeugte im Jahr 2021 jede Person in der EU im Schnitt 188,7 Kilogramm Verpackungsabfälle. Ohne zusätzliche Maßnahmen rechnet die Kommission für das Jahr 2030 mit 209 Kilogramm pro Person.
Der Vorschlag hatte eine heftige Kontroverse zwischen Recycling- und Mehrwegbefürwortern und eine enorme Beteiligung an der öffentlichen Konsultation ausgelöst. An dem Dossier beteiligte Europaabgeordnete sprachen von einer rekordverdächtigen Anzahl an Lobbyanfragen. Den stärksten Widerstand hatte es in Bezug auf die Mehrwegziele für verschiedene Sektoren und Verpackungsformate gegeben (Artikel 26). Dabei hatte die Kommission einige ambitionierte Ziele bereits im Vorfeld heruntergeschraubt.
Der Umweltausschuss hat den Berichtsentwurf von Frédérique Ries (Renew) Ende Oktober angenommen. Die Abgeordneten wollen unter anderem:
Auf der zweiten Plenartagung im November wird das Parlament nun über das Verhandlungsmandat abstimmen. Sobald auch der Rat sein Mandat beschlossen hat, können die Trilog-Verhandlungen beginnen. Die Vorschläge der spanischen Ratspräsidentschaft liegen dem Bericht des Umweltausschusses in vielen Punkten nicht fern. Etwa schlug auch Spanien für den umstrittenen Artikel 26 die Möglichkeit vor, anhand unterschiedlicher Ziele zwischen Wiederverwendung und Wiederbefüllung zu unterscheiden.
Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) hatte angekündigt, sich im Rat trotz der harmonisierten Vorschriften für einen weiterhin großen Gestaltungsspielraum der Mitgliedstaaten einzusetzen, damit diese auch ambitioniertere Maßnahmen entwickeln können. Dies wäre vor allem hinsichtlich der geplanten Mehrwegziele wichtig, denn Deutschlands Mehrwegquoten und -ziele sind bereits heute deutlich höher als die Ziele des Kommissionsentwurfs. Das deutsche Verpackungsgesetz sieht bereits seit Anfang 2023 vor, dass Gastronomiebetriebe Mehrwegverpackungen für Take-Away-Speisen anbieten.
Die CDU/CSU-Fraktion im Bundestag fordert mit Blick auf die Verhandlungen von der Bundesregierung, einen technologieoffenen Ansatz zu verfolgen und sich im Rat im Sinne kleiner und mittelständischer Unternehmen für “möglichst bürokratiearme Regelungen” einzusetzen. Mitte Oktober stellte die Fraktion einen Antrag im Bundestag, in dem sie auch den Schutz der “gut funktionierenden Rücknahmesysteme für Mehrweg- und Einwegverpackungen” in Deutschland fordert. Überbordende Governance-Strukturen dürften diese Systeme nicht gefährden, heißt es darin.
Der Umweltausschuss plant nun eine Anhörung zu diesem Antrag. Dann soll auch diskutiert werden, wie die EU-Verpackungsverordnung mit der Novellierung des deutschen Verpackungsgesetzes zusammenwirken kann.
Der SPD-Abgeordnete Michael Thews betonte während der Aussprache im Bundestag: “Wenn die Verhandlungen nicht vor der Europawahl abgeschlossen werden, müssen wir in Deutschland handeln und unser Verpackungsgesetz reformieren, um (ambitioniertere) Recyclingquoten und das Fondsmodell auf den Weg zu bringen.” Nur so könne ausgeglichen werden, dass der Ölpreis immer wieder für Schwankungen der Rezyklateinsatzraten und Hemmnisse für Investitionen sorge. Den Gesetzgebungsprozess in Brüssel noch in der laufenden Legislaturperiode vollständig abzuschließen, wäre nicht unrealistisch, aber durchaus ambitioniert.
Das Bundesumweltministerium hat bereits im Juni Eckpunkte für ein deutsches Gesetz für weniger Verpackungsmüll vorgestellt. Damit will sie der EU-Verordnung in einigen Teilen zuvorkommen. Unter anderem will das BMUV die Vorgaben für mehr Mehrwegverpackungen in der Gastronomie und im Handel deutlich ausweiten. Supermärkte müssen demnach zum Beispiel pro Getränkesorte (Wasser, Bier, alkoholfreie Getränke, Saft und Milch) mindestens ein Produkt mit Mehrwegverpackung anbieten. Verbraucherinnen sollen ihre Mehrwegflaschen zudem überall abgeben können, wo Getränke verkauft werden. Mit weiteren Maßnahmen wolle das Ministerium warten, bis “auf europäischer Ebene dazu mehr Klarheit besteht”.
Mittwoch, 08.11.2023, 9:00 bis 10:00 Uhr, Jakob-Kaiser-Haus, Berlin
Mündliche Unterrichtung durch die Bundesregierung zur Ausgestaltung des Loss and Damage Fund in Verbindung mit einem Gespräch mit Lina Ahmed (Germanwatch) und Hamira Kobusingye (Climate Justive Africa, Uganda) – Ausschuss für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Info
Mittwoch, 08.11.2023, 9:00-10:00 Uhr, Jakob-Kaiser-Haus, Berlin
Öffentliche Anhörung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung “Arbeitsweise der Bundesagentur für Sprunginnovationen und zur Flexibilisierung ihrer rechtlichen und finanziellen Rahmenbedingungen” (SPRIND-Freiheitsgesetz – SPRINDFG) Info
Mittwoch, 08.11.2023, 11:00 bis 13:00 Uhr, Paul-Löbe-Haus, Berlin
Öffentliche Anhörung zum Entwurf der Bundesregierung für ein Bundes-Klimaanpassungsgesetz (KAnG) Info
Mittwoch, 08.11.2023, 11:00 Uhr, Paul-Löbe-Haus, Berlin
Öffentliche Anhörung zum Entwurf der Bundesregierung für ein Zweites Gesetzes zur Änderung des Bundes-Klimaschutzgesetzes und Unterrichtung der Bundesregierung zum Klimaschutzprogramm 2023 der Bundesregierung Info
Mittwoch, 08.11.2023, 14:00-16:00 Uhr, Paul-Löbe-Haus, Berlin
Öffentliche Beratung zum Antrag der Fraktion Die Linke “Antidiskriminierungsstelle des Bundes stärken – Diskriminierungsschutz erweitern”
Mittwoch, 08.11.2023, 15:00-16:30 Uhr, Paul-Löbe-Haus, Berlin
Öffentliche Beratung zum Antrag der Fraktion Die Linke “Künstliche Intelligenz nachhaltig und sozial gerecht regulieren” Info
Mittwoch, 08.11.2023, 17:00 Uhr, Paul-Löbe-Haus, Berlin
Parlamentarische Beirat für nachhaltige Entwicklung 51. Sitzung und Fachgespräch zum Thema “Nachhaltige Finanzen – Was ist das?” Info
Mittwoch, 08.11.2023, 18:00-18:45 Uhr, Plenum
Beratung Sonderbericht der Bundesregierung – Bessere Rechtsetzung und Bürokratieabbau in der 20. Legislaturperiode Info
Donnerstag, 09.11.2023, 13:00-14:20 Uhr, Plenum
Zweite und dritte Beratung der von der Fraktion Die Linke eingebrachten Anträge “Gesetzlichen Mindestlohn gemäß EU-Mindestlohnrichtlinie erhöhen” und “Selbstständige Existenzsicherung von Frauen fördern – Minijobs in sozialversicherungspflichtige Beschäftigung überführen” Info
Donnerstag, 09.11.2023, 14:25-15:05 Uhr, Plenum
Zweite und dritte Lesung und Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Statistik zu globalen Wertschöpfungsketten und zur Änderung weiterer Gesetze und des Antrags der Fraktion der CDU/CSU “Vermarktung regionaler Lebensmittel stärken – Agrarexporte ausbauen” Info
Donnerstag, 09.11.2023, 20:40-21:10 Uhr, Plenum
Erste Lesung des von der Bundesregierung eingebrachten Gesetzentwurfs zu den Änderungen vom 18. Mai 2023 des Übereinkommens vom 29. Mai 1990 zur Errichtung der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung Info
Donnerstag, 09.11.2023, 21:10 bis 21:40 Uhr, Plenum
Zweite und dritte Beratung des von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Antrags “Den Fortbestand des deutschen Weinbaus schützen – Pflanzenschutzmittelreduktion und Weinbau in Deutschland zukunftssicher vereinbaren” Info
Freitag, 10.11.2023, 09:00-10:20 Uhr, Plenum
Zweite und dritte Lesung des von der Bundesregierung eingebrachten Gesetzentwurfs zur Anpassung des Energiewirtschaftsrechts an unionsrechtliche Vorgaben und zur Änderung weiterer energierechtlicher Vorschriften Info
Freitag, 10.11.2023, 10:20-11:40 Uhr, Plenum
Zweite und dritte Beratung des von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Antrags “Stellungnahme des Deutschen Bundestages nach Artikel 23 Absatz 3 des Grundgesetzes zu den Verhandlungen über einen Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über Luftqualität und saubere Luft für Europa” Info
Montag, 13.11.2023, 09:00-10:30 Uhr, Paul-Löbe-Haus
Öffentliche Anhörung und Unterrichtung durch die Bundesregierung über den Ersten Bericht über die Evaluierung des Investitionsgesetzes Kohleregionen zum Antrag der Fraktion Die Linke “Sicherheit und Klarheit beim Strukturwandel in der Lausitz” Info
Montag, 13.11.2023, 14:00 Uhr-15:30 Uhr, Marie-Elisabeth-Lüders-Haus
Öffentliche Anhörung zum Antrag der Fraktion der CDU/CSU “Mehr Tempo für Barrierefreiheit und einen inklusiven Sozialraum” Info
Die Bio-Branche wächst 2023 nach einem rückläufigen Jahr erstmals wieder. “Seit Mai sehen wir erstmals wieder ein positives Wachstum bei Bio”, sagte die Ökomarkt-Analystin Diana Schaack von der Agrarmarkt Informationsgesellschaft (Ami) dem digitalen Medienhaus Table.Media. Die Umsätze seien von Januar bis September um 2,8 Prozent gewachsen. Gestiegen ist der Verkauf von Bio-Produkten besonders in der bäuerlichen Direktvermarktung und in Discountern. In Discount-Supermärkten hat Bio laut Schaack seit Januar um acht Prozent zugelegt. Sie erwartet, dass der Öko-Jahresumsatz 2023 wieder die Höhe von 2021 erreicht. Die Ami-Prognosen basieren auf Zahlen der Gesellschaft für Konsumforschung, die 60 Prozent des Bio-Angebots erfassen, die in Deutschland verkauft werden.
Die Nachfrage nach Bio-Produkten war 2022 mit dem Angriffskrieg auf die Ukraine und der hohen Inflation eingebrochen. Nachdem die Bio-Branche jahrelang gewachsen ist, schloss sie im vergangenen Jahr erstmals mit einem Minus von 3,5 Prozent ab. Dabei sind die Preise für Bio-Ware im Zuge der Inflation laut Schaack nicht so stark gestiegen wie für konventionelle Ware: “Bio und Nicht-Bio nähern sich preislich einander an.”
Am 15. November will Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Bündnis 90/Die Grünen) die Regierungsstrategie für mehr Bio im Kabinett vorstellen. Die Ampelkoalition will den Anteil von Ökolandbau auf 30 Prozent bis 2030 steigern. Derzeit stagniert er bei gut elf Prozent. Wichtige Bausteine der noch unveröffentlichten Strategie aus dem Landwirtschaftsministerium: mehr Bio in den Kantinen – und eine Öffentlichkeitsoffensive für den Mehrwert von Ökolandbau für Klima und Umwelt. lg
Der Energiekonzern RWE hat seine Klage gegen den niederländischen Staat vor dem Internationalen Zentrum zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten (ICSID) zurückgezogen. Das Unternehmen wollte vor dem privaten Schiedsgericht eine Entschädigung in Höhe von 1,4 Milliarden Euro erstreiten. Gegenstand des Verfahrens ist ein im Mai 2018 in den Niederlanden beschlossenes Verbot der Kohleverstromung, das ab 2030 gelten soll. Für die Zeit danach forderte RWE einen Ausgleich für mögliche Gewinne. Der Energiekonzern berief sich bei seiner Klage 2021 auf den umstrittenen Energiecharta-Vertrag (ECT).
Der ECT ist ein internationales Handels- und Investitionsschutzabkommen, das 1998 in Kraft trat. Nach gescheiterten Reformversuchen rief die EU-Kommission im Sommer dieses Jahres alle Mitgliedsstaaten zum Austritt aus dem Vertrag auf. Deutschland hat dies für Ende des Jahres angekündigt.
Hauptkritikpunkt ist, dass Energieunternehmen unter Berufung auf den ECT Staaten wegen Entscheidungen verklagen können, die sich auf ihre Gewinnerwartungen auswirken. Der Bundesgerichtshof hatte im Juli 2023 festgestellt, dass der entsprechende Artikel 26 des ECT im RWE-Fall keine gültige Rechtsgrundlage ist. Dies bedeutet jedoch nicht, dass er in Zukunft nicht zur Begründung anderer Ansprüche herangezogen werden könnte.
“Mit Klagen vor Schiedsgerichten versuchen Investoren, demokratisch getroffene Entscheidungen zu unterlaufen und die Kosten von Energiewende und Energiekrise der Allgemeinheit aufzubürden”, kritisiert Fabian Flues, Handelsexperte bei der NGO Powershift.
Powershift berichtete Anfang des Monats gleich über zwei neue Schiedsverfahren auf der Grundlage des ECT – diesmal auch gegen Deutschland. Zum einen durch den Schweizer Energiekonzern AET. Er ist mit 15 Prozent am Steinkohlekraftwerk der Trianel in Lünen beteiligt, das 2032 stillgelegt werden soll. Zum anderen klagt der internationale Industrierohstoffkonzern Klesch-Group mit Sitz in London und Genf gegen Deutschland, Dänemark und die EU wegen der Übergewinnsteuer. ch
Nach einem ergebnislosen Treffen zwischen Vertretern von Tesla und der schwedischen Industriegewerkschaft IF Metall am Montag spitzt sich der Tarifkonflikt bei TM Sweden AB zu. Das zum Tesla-Konzern gehörende Unternehmen betreibt an mehreren Standorten im Land Werkstätten zur Wartung und Reparatur von Fahrzeugen des Elektroautoherstellers. Seit Ende Oktober befinden sich dort rund 130 Mechaniker im Streik. Sie fordern die Aufnahme von Verhandlungen über Arbeitsbedingungen und Löhne.
“Tesla hat deutlich gemacht, dass sie alles tun werden, um den Betrieb aufrechtzuerhalten”, sagt Veli-Pekka Säikkälä, Verhandlungsführer von IF Metall. Man betrachte dies als “organisierten Streikbruch durch das Unternehmen”. Tesla stelle damit die gesamte schwedische Gewerkschaftsbewegung in Frage. Man habe deshalb bereits Kontakt zu anderen Gewerkschaften aufgenommen. “Wir werden den Konflikt ausweiten, bis wir einen Tarifvertrag mit Tesla haben”, so der Gewerkschafter.
IF Metall hat 300.000 Mitglieder. Jährlich verhandelt die Gewerkschaft nach eigenen Angaben rund 200 Tarifverträge in der Industrie. Über alle Branchen hinweg sind mehr als 80 Prozent der Beschäftigungsverhältnisse in Schweden tarifvertraglich geregelt.
Atle Høie, Generalsekretär der globalen Gewerkschaftsföderation IndustriALL Global Union, glaubt, dass der Streik in Schweden Signalwirkung haben könnte. “Elon Musks Geschäftsmodell basiert auf der Missachtung von Menschenrechten. Jetzt wird er von einer unserer stärksten Gewerkschaften herausgefordert. Wir müssen das Geschäftsmodell von Tesla besiegen, und Schweden ist der beste Ort, um damit anzufangen”, sagt Høie.
Erste Solidaritätsaktionen haben bereits am vergangenen Freitag begonnen. In 17 Autowerkstätten der Ketten Axess, Holmgrens Bil und Werksta nehmen gewerkschaftlich organisierte Beschäftigte keine Teslas mehr an. Für zusätzlichen Druck sorgt seit Dienstag dieser Woche die schwedische Logistikgewerkschaft Transport. Deren Hafenarbeiter in Malmö, Södertälje, Göteborg und Trelleborg entladen keine Tesla-Autos mehr. “Wir müssen das schwedische Modell verteidigen”, sagte Transport-Präsident Tommy Wreeth. ch
Der Kölner Verein LobbyControl hat ein Rechtsgutachten vorgelegt, nach dem eine eigentumsrechtliche Entflechtung des US-amerikanischen Konzerns Amazon durch das deutsche Kartellamt möglich wäre. “Wir halten eine Zerschlagung des Konzerns für notwendig”, argumentiert Max Bank, Campaigner bei LobbyControl, “und nach deutschem Kartellrecht auch für möglich”.
Die NGO beruft sich auf das “Wettbewerbsdurchsetzungsgesetz”, das am Montag in Kraft getreten ist. Diese 11. Novelle des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) – laut Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck die größte Reform des Wettbewerbsrechts seit Ludwig Erhard – gibt dem deutschen Kartellamt neue Instrumente zur Durchsetzung eines fairen Wettbewerbs in die Hand. LobbyControl plädiert dafür, diese Möglichkeiten nun auf Amazon anzuwenden.
Kim Manuel Künstner, juristischer Experte für Kartellrecht und Autor des Gutachtens, hält eine Entflechtung von Amazon allein aus wettbewerblicher Sicht für angemessen. Die verschiedenen Geschäftsfelder von Amazon wie Logistik, Cloud-Dienstleistungen, “Smart Home Devices”, Einzelhandel und digitaler Marktplatz seien so miteinander verzahnt, dass kleinere Marktteilnehmer beherrscht werden könnten. Hinzu kämen “gesamtgesellschaftliche Folgen von Amazons Gebaren” wie die große politische Lobbymacht des Konzerns, Datenschutzprobleme, Steuervermeidung und die Arbeitsbedingungen in den Logistikzentren des Konzerns. LobbyControl hält das für eine “Gefahr für die Demokratie”.
Max Bank von LobbyControl sieht einen internationalen Trend zur verschärften Wettbewerbsüberwachung, so dass eine Zerschlagung großer Konzerne “nicht mehr völlig abwegig ist”. Tatsächlich führt die US-amerikanische Wettbewerbsbehörde FTC derzeit ein Verfahren wegen Marktmanipulation gegen den Konzern, während die Europäische Kommission Amazon zu einem Bericht über die Einhaltung des Gesetzes über digitale Märkte (DMA) aufgefordert hat. Insgesamt sei die europäische Haltung aber zu abwartend. “Das Kartellamt kann eine Vorreiterrolle spielen und damit eine Trendwende in Europa begünstigen.” av
Mindestens 107 der 425 weltweit größten Projekte zur Förderung fossiler Brennstoffe werden von in der EU ansässigen Unternehmen wie Total Energies, Shell, RWE und ENI betrieben oder von großen europäischen Banken finanziert. Dies zeigt ein Bericht, der am gestrigen Dienstag von CAN Europe, Friends of the Earth Europe und weiteren zivilgesellschaftlichen Organisationen veröffentlicht wurde. Sie fordern rechtlich verbindliche Klimaziele für Unternehmen und den EU-Finanzsektor im EU-Sorgfaltspflichtengesetz (CSDDD).
Die 425 als “Kohlenstoffbomben” bekannten Projekte wurden 2022 in einer Studie identifiziert. Sie haben das Potenzial, jeweils mehr als eine Gigatonne Kohlendioxid (GtCO₂) freizusetzen. Laut dem IPCC-Foschungsstand beträgt das verbleibende Kohlenstoffbudget für eine 50-prozentige Wahrscheinlichkeit, die globale Erwärmung auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen, etwa 500 GtCO₂. Für ein 2°C-Szenario beträgt diese Zahl 1150 GtCO₂.
Die Beteiligung von EU-Unternehmen und Banken an diesen Projekten untergrabe das Ziel der EU, ihre Treibhausgasemissionen bis 2030 um 55 Prozent zu senken, da ein großer Teil der Emissionen als Scope-3-Emissionen in die EU zurückgelange, heißt es in dem Bericht. Allein die prognostizierten Gesamtemissionen der 107 mit der EU verbundenen Projekte betragen nach der Gewinnung und Verbrennung 333,9 GtCO₂. Dies sei das 17-fache der Emissionen, die die EU bis 2030 ausstoßen dürfe.
Zu den genannten Projekten gehört das Athabasca Ölsand-Projekt in Kanada, an dem sich mindestens 15 Unternehmen aus der EU als Investoren beteiligen, darunter BNP Paribas, Shell plc und Total Energies SE. Daneben zählt der Bericht weitere Öl- und Gasfelder in Libyen, Kasachstan, Norwegen und Argentinien auf.
Die NGO fordern, die entsprechenden Projekte zu stoppen. Die Tatsache, dass die Mehrheit dieser Projekte außerhalb Europas angesiedelt ist, dürfe nicht als Entschuldigung für Untätigkeit dienen. Darüber hinaus fordern sie, eine Verpflichtung für Unternehmen in der EU, glaubwürdige Übergangspläne mit konkreten und absoluten Emissionsminderungszielen im Einklang mit dem Pariser Abkommen im EU-Sorgfaltspflichtengesetz festzulegen.
Das Sorgfaltspflichtengesetz wird zurzeit in Brüssel verhandelt. Anders als die EU-Kommission und der Rat fordert das Parlament ebenfalls Klimaübergangspläne für Unternehmen. Am 22. November findet das nächste hochrangige Trilog-Treffen statt. Nach Informationen von Table.Media könnte es bei diesem Treffen oder spätestens Anfang Dezember zu einer Einigung kommen. leo
In der Vorbereitung auf die jährliche Weltklima-Konferenz der Vereinten Nationen (COP) haben sich die Unterhändler des Vorbereitungskomitees TC5 am Wochenende auf Empfehlungen für die künftige Struktur des Fonds für Schäden und Verluste durch den Klimawandel (“loss and damage”) geeinigt. Entwicklungsstaatssekretär Jochen Flasbarth sprach von einem Durchbruch: “Wenn die COP 28 in Dubai diesen Vorschlag annimmt, kann der Fonds kurzfristig seine Arbeit aufnehmen und den besonders vom Klimawandel betroffenen Länder schon mit ersten finanziellen Unterstützungen helfen.”
Der Fonds soll den verletzlichsten Ländern dabei helfen, materielle Schäden durch den Klimawandel – verursacht beispielsweise durch Extremwetter und den steigenden Meeresspiegel – zu beheben.
Die optimistische Einschätzung aus dem deutschen Entwicklungsministerium wurde jedoch nicht von allen Unterhändlern geteilt. “Bei diesem Treffen stand viel auf dem Spiel”, sagte etwa Avinash Persaud, Unterhändler für den Karibikstaat Barbados. “Der Wert des Abkommens liegt darin, dass es ein Desaster vor der COP verhindert hat und positiven Schwung gibt.”
Persaud kritisierte insbesondere, dass sich die Industriestaaten nicht dazu verpflichtet haben, in den Fonds einzuzahlen: “Das ist wie ein GoFundMe-Account für Klimazerstörung.” In dem Empfehlungstext werden Industriestaaten zu Einzahlungen “ermahnt”, während Entwicklungsländer wie China und reiche Ölexport-Staaten “ermutigt” werden.
Die Industriestaaten konnten sich jedoch damit durchsetzen, der Weltbank zumindest für einen Übergangszeitraum die Verwaltung des Fonds zu übertragen. Eine Allianz von Entwicklungsländern hatten sich lange gegen diese Regelung gewandt, unter anderem, weil sie die Entscheidungsstrukturen der Weltbank nicht als repräsentativ einschätzen. Zugleich sollen die Entwicklungsländer in dem zukünftigen obersten Verwaltungsrat des Fonds eine Stimmenmehrheit erhalten. av
CalPERS, der größte öffentliche Pensionsfonds der USA, will bis 2030 weitere 53 Milliarden US-Dollar in die Energiewende stecken. Damit würden sich seine klimafreundlichen Investitionen auf 100 Milliarden US-Dollar mehr als verdoppeln. Gleichzeitig sollen Aktien von Unternehmen verkauft werden, die “keinen glaubwürdigen Netto-Null-Plan” für Emissionen vorlegen. Ziel ist es, die “Emissionsintensität” des Portfolios zu halbieren, so die neuen Richtlinien.
“Wir glauben, dass der Übergang zu einer kohlenstoffärmeren Wirtschaft viele Chancen bietet”, sagte Peter Cashion, Head of Sustainable Investment bei CalPERS, Ende letzter Woche gegenüber der Presse. Der nun eingeschlagene Weg würde die Klimaziele mit der Verpflichtung zur Maximierung der Renditen des Pensionsfonds in Einklang bringen. Das California Public Employees’ Retirement System verwaltet die Pensionsbeiträge der Beschäftigten des öffentlichen Dienstes von Kalifornien. Das Gesamtvolumen des Fonds beläuft sich auf mehr als 450 Milliarden US-Dollar.
Mit den nun beschlossenen freiwilligen Maßnahmen reagiert CalPERS auf den Druck der kalifornischen Politik, die von der Demokratischen Partei dominiert wird. Sie favorisiert ein Divestment-Gesetz, das SB 252, das CalPERS und CalSTRS, den Pensionsfonds der kalifornischen Lehrer, verpflichtet hätte, sich von Investitionen im Wert von rund 15 Milliarden US-Dollar in Unternehmen des fossilen Sektors zu trennen. Die Fonds hatten argumentiert, dass eine zu strikte Vorgehensweise ihre Rendite gefährden könnte. SB 252 wurde deshalb bis 2024 auf Eis gelegt. Im Geschäftsjahr 2022/2023 belief sich die Rendite von CalPERS auf 5,8 Prozent.
Der von CalPERS jetzt eingeschlagene Kurs trifft bei progressiven Demokraten allerdings nur auf verhaltene Zustimmung. Lena Gonzalez, State Senatorin von Los Angeles County, die zu den Initiatoren des Divestment-Gesetzes gehört, äußerte sich gegenüber der Wirtschaftsagentur Bloomberg entsprechend zurückhaltend. “Aus bundespolitischer Sicht sieht das sehr fortschrittlich aus, aber für Kalifornien reicht es nicht”, sagte sie. “Ich bin sehr skeptisch, ob das so funktionieren wird.” ch
Patagonia opens its second European repair center in London – The Spin Off
Nach der Eröffnung des ersten europäischen Reparaturzentrums in Amsterdam im Jahr 2022 hat nun auch im Londoner Stadtteil Haringey ein United Repair Centre die Arbeit aufgenommen, berichtet Maria Cristina Pavarini. Es ist das Ergebnis einer Zusammenarbeit zwischen der Outdoor-Marke Patagonia und den sozial engagierten Unternehmen United Repair Centre und Fashion-Enter. Zum Artikel
Wie Orbem mithilfe von KI Millionen männliche Küken rettet – Handelsblatt
Weil männliche Küken keine Eier legen und weniger Fleisch bringen, werden sie geschreddert. Millionenfach, jede Woche. Ein Start-up setzt deshalb einen MRT-Scan mit Künstlicher Intelligenz ein, bestimmt das Geschlecht noch vor dem Schlüpfen – und hilft so, das Töten einzudämmen, wie Nadine Schimroszik erklärt. Zum Artikel
Wie einige Kapitalisten den Planeten wieder aufbauen wollen – Manager Magazin
Kann es gelingen, den ausgebeuteten Planeten nicht nur zu erhalten, sondern wieder aufzubauen? Elisabeth Schönert stellt “regenerative Pioniere” vor, die “keine Ökofreaks” sind, wie sie schreibt. Unter ihnen: ein Ex-Investmentbanker, der zum Farmer wurde; ein Gründer, der zurückverfolgbaren Fisch verkauft; und ein Smartphone-Hersteller, der sehr anders über Tech denkt als Apple & Co. Zum Artikel
Climate Tech Investments Rise to $16.6 Billion in Third Quarter – Bloomberg
Techfirmen, die CO₂-Emissionen senken wollen, ziehen wieder verstärkt Investitionen an, schreibt Coco Liu. Einer Analyse von BloombergNEF zufolge war das zurückliegende Quartal das beste der vergangenen zwei Jahre. Anders als zuvor wählen die Geldgeber ihre Ziele inzwischen allerdings mit größerer Vorsicht aus: Während die investierte Summe stieg, ging die Zahl der Engagements zurück. Zum Artikel
Flooded and forgotten: How Europe’s disused coal mines are successfully being used to heat our homes – Euronews Green
In Großbritannien liefern ausgediente Kohleminen saubere Energie: Sie werden mit Wasser gefüllt, das die Erdwärme zunächst aufnimmt. Anschließend wird es an die Oberfläche transportiert, um Häuser zu heizen, berichtet Lottie Limb. Zum Artikel
Der milliardenschwere Second-Hand-Boom – Welt
Klamotten, Smartphones, Gartengeräte – der Markt für gebrauchte Artikel wächst, analysiert Christoph Kapalschinski, weil die Inflation zum Sparen zwingt und Verbraucher nachhaltiger shoppen wollen. Davon wollen auch Marken profitieren. Selbst Hersteller wie AEG, Delonghi und Kärcher verkaufen aufbereitete Gebrauchtgeräte. Zum Artikel
E-Mobilität: BYD will europäisches Werk wohl in Ungarn bauen – Automobil Industrie
Der chinesische Elektroauto-Hersteller BYD will in Europa Fuß fassen und plant eine hiesige Produktion. Zeitweise galt das Ford-Werk in Saarlouis als möglicher Produktionsstandort. Doch daraus wird wohl nichts werden, vermutet Andreas Wehner. Zum Artikel
The U.S. Can Counter China’s Control of Minerals for the Energy Transition – New York Times
China hat mit der Ankündigung neuer Exportkontrollen für Graphit, einer Schlüsselkomponente von Lithium-Ionen-Batterien, die globalen Lieferketten für E-Autos in Aufruhr versetzt. Das Vorhaben könnte die weltweite Produktion fortschrittlicher Batterien bremsen. Die USA wären allerdings in der Lage, sich aus dieser Zwangslage zu befreien, meint Gastautor James Morton Turner, Professor für Umweltstudien am Wellesley College. Zum Artikel
“Grünes Wachstum ist ein Wunschtraum” – Spiegel
Klimaschutz und BIP-Wachstum passen kaum zusammen. Zu diesem Schluss kommt der britische Umweltökonom Jefim Vogel, der 36 Industriestaaten untersucht hat. Im Interview erklärt er, dass Deutschland beim gegenwärtigen Tempo noch mehr als 250 Jahre bräuchte, um bei Nullemissionen zu landen. Zum Artikel
Three-quarters of coveted ipê wood is probably harvested illegally – The Washington Post
Drei Viertel des brasilianischen Ipé-Holzes vom Lapacho-Baum, das zwischen 2009 und 2019 in die Lieferkette gelangte, wurde wahrscheinlich illegal geerntet. Zu diesem Schluss kommen schwedische und brasilianische Forscher in einer Analyse, die sich Erin Blakemore angesehen hat. Zum Artikel
Das “Heizungsgesetz” hat gezeigt, wie wichtig es ist, die sozialen Auswirkungen von Umweltgesetzgebungen von Anfang an zu berücksichtigen. Der EU-Taxonomie, einem Klassifikationssystem ökologisch nachhaltiger wirtschaftlicher Aktivitäten, zu dem Unternehmen und Banken in der EU berichten müssen, sollte deshalb eine Soziale Taxonomie folgen. Daraus wird jedoch nichts. Die Arbeiten daran wurden eingestellt und eine Wiederaufnahme ist unwahrscheinlich.
Damit weist das filigran geflochtene Werk der EU-Regulierung zu nachhaltigen Investitionen eine Lücke auf. Eine Lücke, die dringend geschlossen werden muss, wenn die Regulierung sich nicht dem Vorwurf aussetzen will, soziale Themen grob fahrlässig zu vernachlässigen.
Die beiden Hauptstränge der EU-Regulierung für Nachhaltige Investitionen sind die Offenlegungsverordnung und die Taxonomie-Verordnung. Ergänzend gibt es unter anderem die Benchmark-Verordnung für grüne Wertpapier-Indices. In allen drei Verordnungen wird auf soziale Themen Bezug genommen. Leider geschieht das nicht einheitlich. So werden einmal Tabak und kontroverse Waffen und allgemein “internationale Vereinbarungen” als Negativmerkmal aufgeführt. Ein anderes Mal sind es nur kontroverse Waffen und sehr unterschiedliche UN-Standards.
Mit einer guten Portion Vertrauensvorschuss ist zu hoffen, dass dieses Konglomerat aus sozialen Indikatoren auf Dauer vereinheitlicht wird und die UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte sich als der Standard für nachhaltige Investitionen in Europa durchsetzen. Das wäre naheliegend, weil das EU-Sorgfaltspflichtengesetz ebenfalls auf diesem Werk beruht. Menschenrechte einschließlich der Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation sind also in der EU-Regulierung weitgehend verankert, als Negativmerkmal.
Der Punkt Negativmerkmal ist entscheidend. Denn die EU-Umwelttaxonomie ist eine Positivauswahl. Sie zeigt Aktivitäten auf, die ökologisch nachhaltig sind, und in die mehr Geld fließen soll, um einen ökologisch tragfähigen Wohlstand zu ermöglichen.
Eine solche Orientierung für positive soziale Aktivitäten fehlt in der EU-Regulierung zu nachhaltigen Investitionen. Und dies, obwohl in diesem Bereich die Situation ähnlich ist wie bei Investitionen in den Umweltschutz. Investoren suchen eine Orientierung zu der Frage, welche Investitionen legitimerweise “sozial” genannt werden können. Gleichzeitig werden zusätzliche Investitionen benötigt. Im Jahr 2018 ging der Bericht der “Hochrangigen Taskforce für Investitionen in die soziale Infrastruktur in Europa” von einer Mindestlücke von 100 bis 150 Milliarden Euro pro Jahr aus.
“Wir können und müssen den Trend umkehren, der dazu geführt hat, dass die Investitionen in Humankapital, insbesondere in Gesundheit, Bildung und erschwinglichen Wohnraum, in vielen Regionen und Ländern stagnieren”, heißt es in dem Bericht.
Die Frage, ob es in der EU-Regulierung eine positive Definition für soziale Aktivitäten geben muss, ist damit beantwortet. Offen ist, wie diese aussehen soll. Bedarf es für den sozialen Bereich wirklich eines so detaillierten und komplizierten Systems wie der Umwelttaxonomie mit speziell für einzelne Sektoren ausgearbeiteten Kriterien eines “Substanzialen Beitrags” und entsprechender schädigender Wirkungen, mit einer gesonderten Betrachtung “Ermöglichender Aktivitäten”? Im Umweltbereich, wo verschiedene Sektoren sehr unterschiedliche Auswirkungen auf die Umwelt haben und Konflikte verbreitet sind, etwa zwischen dem Klimaschutz und der Biodiversität, ist dies nötig.
Wir, eine Gruppe von Akteuren aus dem Bereich der öffentlichen Banken, fortschrittlicher Unternehmen und kirchlicher Anleger, sind der Ansicht, dass dieser Grad an Komplexität für die Definition positiver soziale Aktivitäten nicht notwendig ist. Wir schlagen ein “Rahmenwerk für soziale Investitionen” vor und verweisen darauf, dass es dafür Vorlagen bei der EU gibt. So definiert der EU-Vertrag Sektoren des “Allgemeinen Wirtschaftlichen Interesses”. Dazu gehören:
Entscheidend für die soziale Qualität dieser Dienstleistungen ist, dass sie für jeden zugänglich sind und nicht aufgrund von Bezahlschranken für einen Teil der Bevölkerung unerreichbar bleiben.
Ein zweiter, bald bestehender Rahmen, in dem soziale Aktivitäten positiv gefasst werden können, ist das EU-Lieferkettengesetz. Es erlegt europäischen Unternehmen ab einer bestimmten Größe auf, menschenrechtliche Sorgfaltspflichten umzusetzen, entsprechende Risiken zu kennen und sie einzudämmen. Für manche Unternehmen wird das bedeuten, dass sie ihre Lieferkette weitgehend neu organisieren, Produkte auf ihre sozialen Risiken überprüfen, weitere Anstrengungen unternehmen und Mitarbeiter hinsichtlich des grünen Übergangs oder der Digitalisierung schulen müssen. Firmen, die hier viel investieren, sollten dies innerhalb eines “Social Investment Frameworks” sichtbar und entsprechende Ausgaben damit vergleichbar machen können.
Reicht das aus? Wahrscheinlich nicht. Es sind erste Gedanken dazu, wie soziale Nachhaltigkeit ein Anreiz für Unternehmen und Investoren werden kann. Eine breitere Debatte über eine regulatorische Fassung muss jetzt folgen – die EU allein wird das Thema nicht vorantreiben.
Antje Schneeweiß ist Geschäftsführerin des Arbeitskreises kirchliche Investoren der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und Mitglied des Sustainable Finance-Beirats der Bundesregierung. Von 2020 bis 2022 war sie Berichterstatterin für die Soziale Taxonomie auf der Plattform für nachhaltige Investitionen der EU-Kommission.
Vor zwei Monaten hat Gisela Burckhardt den Engagementpreis bekommen. Sie treibe “die drängendsten Themen in der Textillieferkette voran” und setze sich “für die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte von Frauen in der globalen Bekleidungsindustrie ein”, heißt es in der Begründung von Bundesentwicklungsministerin Svenja Schulze. Sie möchte mit der Auszeichnung Menschen hervorheben, die “in besonderer Weise an der Umsetzung der Agenda 2030 der Vereinten Nationen” mitwirken. Für Gisela Burckhardt ist es eine weitere renommierte Ehrung ihrer Arbeit. Vor zwei Jahren wurde ihr bereits das Bundesverdienstkreuz verliehen.
Für faire Arbeit entlang der Lieferkette streiten und kämpfen – das hat sich die 72-Jährige in der Tat zur Lebensaufgabe gemacht. 16 Jahre ist die Gründung ihres Vereins FEMNET her, den sie als Vorstandsvorsitzende lenkt und mit dem sie von Bonn aus versucht, Arbeiterinnen in Fabriken zu unterstützen, die Kleidung für uns in Europa nähen, häufig im Akkord und zu kargen Löhnen. “Diese Arbeitsbedingungen haben sich vor Ort nicht verbessert”, sagt sie ernüchtert. Die Vernetzung in der internationalen Kampagne der Clean Clothes Campaign, die Aktivisten und Organisationen über mehr als 40 Länder miteinander verbindet, sei wertvoll, betont sie.
Druck wirkt bekanntlich nicht, wenn er nur punktuell von Einzelnen ausgeübt wird, sondern von vielen Menschen zugleich. Deshalb haben Anfang November die Arbeiterinnen und Arbeiter von mehr als 400 Fabriken in Bangladesch die Produktion eingestellt, um während der aktuellen Tarifverhandlungen für höhere Löhne zu protestieren. Fünf Jahre liegt die letzte Lohnsteigerung zurück, bei nur 8000 Taka liegt der Mindestlohn derzeit. Umgerechnet sind das 68 Euro.
Andererseits leben die Menschen, die sich vor Ort für Veränderungen einsetzen, gefährlich. Es kommt immer wieder vor, dass Aktivisten der Gewerkschaftsbewegung umkommen, durch Schlägertrupps und ungeklärte Unfälle. Bei den aktuellen Demonstrationen gingen Zehntausende auf die Straßen, Autos brannten, Tränengas wurde eingesetzt, wieder kamen Menschen ums Leben.
Damit sich Arbeiterinnen und Arbeiter eine Existenz aufbauen können, sei Unternehmensverantwortung grundlegend, meint Burckhardt. Das Bündnis für nachhaltige Textilien, das unter dem ehemaligen Entwicklungsminister Gerd Müller gegründet wurde, betrachtet Gisela Burckhardt hier als einen Meilenstein, weil es den direkten Austausch mit Textilfirmen ermöglicht. Sie persönlich hat sich jetzt nach sieben Jahren aus dem obersten Gremium, dem Steuerungskreis, zurückgezogen. Einerseits frustriert, weil die Wirtschaftsvertreter in dem Kreis viele Prozesse blockiert hätten. Schon Ende 2021 hatte sie erklärt: “Die Bilanz nach sieben Jahren ist mager.”
Andererseits ist Burckhardt gespannt, ob nun mehr Dynamik in die Arbeit kommt. Im Sommer war es bei den Wahlen für das zwölfköpfige Gremium zu einem überraschenden Ergebnis gekommen. Zwei Wirtschaftsvertreter erhielten nicht die notwendigen Stimmen und schieden aus, ein Dritter verließ daraufhin die Runde, die sich zuletzt in ein fortschrittliches und ein bremsendes Lager aufgeteilt hatte. Burckhardt sagt nun: “Es gibt ja durchaus Unternehmen, die etwas verändern wollen.”
Einen anderen Ansatz liefert das seit diesem Jahr geltende deutsche Lieferkettengesetz. FEMNET versucht bereits, es gegen die Unternehmen zu wenden, wieder in Bangladesch. “Es ist ein Unding, dass Riesen wie Ikea oder Amazon nicht bereit sind, dem sehr effektiven Brand- und Gebäudeschutzabkommen Accord beizutreten”, sagt sie. Deshalb hat FEMNET im Auftrag einer Gewerkschaft vor Ort im Rahmen des deutschen Lieferkettengesetzes Beschwerde beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) eingereicht und gemeinsam mit dem Partner recherchiert, gegen welche Auflagen die Zulieferer verstoßen.
Wie die Situation in den Produktionsländern ist, wusste Gisela Burckhardt zu einem guten Teil schon vor der Gründung ihres Vereins. Fast 20 Jahre lang war sie in verschiedenen Regionen der Welt unterwegs, in Pakistan, Nicaragua oder Äthiopien, für die Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (GIZ) etwa und das UN Development Programme. Ihre Promotion schrieb sie über Erwerbsbiografien von Frauen in Ruanda.
FEMNET ist aber auch in Deutschland tätig. Die Mitarbeiterinnen des Vereins gehen an Hochschulen, um “Entscheiderinnen und Entscheider von morgen” aufzuklären, damit sie die Erkenntnisse weitertragen und die bisherigen Teilerfolge ausbauen. An Schulen führen sie Projekte durch und halten Vorträge, organisieren Deutschlandreisen für Arbeiterinnen und Gewerkschafter aus den betroffenen Ländern, damit sie hier aus erster Hand von ihren Erfahrungen berichten können. Städte und Kommunen können von ihnen lernen, Berufsbekleidung fair zu beschaffen – und bei Hauptversammlungen spricht Gisela Burckhardt ebenfalls, so wie im Frühjahr bei Zalando. Als Aktionärin des Konzerns versucht sie so, die Entlastung des Vorstands und mehr Nachhaltigkeit zu erreichen.
Für sich selbst kauft sie übrigens nur sehr selten Kleidung. Das Wissen um die Bedingungen vor Ort führt dazu, dass sie die ohnehin schon große Überproduktion von Textilien nicht weiter befördern will. Auch wenn es den Arbeiterinnen in den Fabriken an Geld fehlt – solange sie nicht von Mehreinnahmen profitieren, fällt es schwer, über diesen Weg den Wandel voranzubringen. Janna Degener-Storr
Die Klimakrise wirkt sich zunehmend auf politische und gesellschaftliche Konflikte und Debatten aus. So sind die Stimmen aus dem Globalen Süden in den vergangenen Jahren deutlich lauter geworden, sei es in den Forderungen der Gruppe der 77 auf den UN-Klimakonferenzen (COP), sei es in der Debatte um das Erbe des europäischen Kolonialismus, dessen Nachwirkungen bis heute zu spüren sind.
Das Berliner Haus der Kulturen der Welt beschäftigt sich nicht nur dem Namen nach mit außereuropäischen, nicht-westlichen Blicken auf die Welt. Das Programm des neuen künstlerischen Leiters Bonaventure Soh Bejeng Ndikung fühlt sich erkennbar der Repräsentation des Globalen Südens und den derzeit oft kritisierten Debatten um postkoloniale Theorie verpflichtet.
Am heutigen Mittwoch findet der Auftakt zu einem bis Dezember 2024 angelegten Projekt statt, das beides, die Klimakrise und nicht-westliche Perspektiven auf die globale Situation, verbinden will. “A Participatory Planet – Gemeinsame Wege in die Umweltgerechtigkeit” heißt das Programm, das den Anspruch hat, einen “kollektiven Wandel Richtung Umweltbewusstsein zu fördern”. Thematisch ist das Projekt in die vier Phasen “Umgraben, Wachsen, Verbrauchen, Wegwerfen” unterteilt. Zum Auftakt tritt die chilenisch-indigene Künstlerin Seba Calfuqueo mit ihrer Perfomance “Unearthing” auf, im weiteren Verlauf kommen Stimmen wie der Aktivist und Umweltjournalist Peter Emorinken-Donatus zu Wort. Das weitere Programm steht noch nicht fest und wird auf der Website bekannt gegeben. Lukas Franke
ein Ausweis für Nachhaltigkeit soll er werden, der digitale Produktpass. Mit ihm will die EU die Herstellung von Waren für Konsumenten transparenter machen. Aber: Sowohl die EU-Kommission als auch die deutschen Unternehmen sind noch nicht soweit, mal wieder. Die Details und welche Kritik es an dem Vorhaben gibt, das beschreibt Eric Bonse.
Jonas Gerding hat sich dagegen mit einer neuen Mine befasst, die in Angola in Betrieb gehen soll. Der britische Betreiber will mit ihr Europas Abhängigkeit von Seltenen Erden aus China verringern und zeigen, dass die Lieferkette nach ESG-Kriterien aufgebaut werden kann. Kein leichter Spagat.
Außerdem blicken wir auf die europäische Verpackungsverordnung. Das EU-Parlament stimmt darüber in Kürze ab – ob es aber gelingt, die Trilog-Verhandlungen noch vor der Wahl im kommenden Jahr zu einem Ergebnis zu führen, ist unklar. Leonie Düngefeld kennt die Details.
Der Europäische Green Deal soll nicht nur die Produktion, sondern auch die Produkte umweltfreundlich und klimaverträglich machen. Die EU-Kommission setzt dabei auf einen digitalen Produktpass. Der “digital product pass” (DPP) soll als “Ausweis” für Nachhaltigkeit dienen, fundierte Kauf-Entscheidungen der Verbraucher ermöglichen und das Recycling in industriellem Maßstab erleichtern.
Doch kurz vor dem geplanten Start eines Pilotprojekts im Jahr 2024 regt sich Widerstand: Die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) fürchtet Überregulierung und neue bürokratische Bürden. Viele Firmen seien noch nicht vorbereitet, warnt das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln. Auch die EU-Kommission ist offenbar noch nicht so weit, wie sie eigentlich sein wollte.
Man sammle derzeit noch Informationen über die weltweit bestehenden DPP-Systeme, sagte Thomas Ebert von der zuständigen Generaldirektion der EU-Kommission auf einer Informationsveranstaltung in Brüssel. Zugleich bemühe man sich, noch bestehende Missverständnisse auszuräumen. Es werde nicht einen, sondern viele digitale Pässe für verschiedene Produktgruppen geben, für die die Kommission spezifische Regulierungen erlassen will.
Grundlage ist die Ökodesign-Richtlinie von 2009 und ein Kommissionsvorschlag für deren Überarbeitung vom März 2022. Anders als bisher geht es bei der geplanten Ökodesign-Verordnung für nachhaltige Produkte nicht mehr nur um die Energieeffizienz von Glühbirnen, Kühlschränken oder Waschmaschinen. Vielmehr rücken Produkthaltbarkeit, Wiederverwendbarkeit, Nachrüstbarkeit und Reparierbarkeit in den Fokus.
Der neue Pass soll über die ökologische Nachhaltigkeit der Produkte informieren. Die digitalisierten Informationen werden durch Scannen eines Datenträgers leicht zugänglich sein, verspricht die EU-Kommission. Der Datensatz soll Attribute wie die Haltbarkeit und Reparierbarkeit, den recycelten Inhalt oder die Verfügbarkeit von Ersatzteilen eines Produkts enthalten.
Das Europaparlament hat sich im Juli dafür ausgesprochen, den Entwurf für die neue Ökodesign-Verordnung für nachhaltige Produkte (ESPR) zu verschärfen. “Dieses Gesetz wird sicherstellen, dass neue Produkte auf eine Art und Weise entwickelt werden, die für alle von Nutzen ist und die Grenzen unseres Planeten respektiert und die Umwelt schützt”, sagte Verhandlungsführerin Alessandra Moretti (Italien, S&D).
Nach dem Willen des Europaparlaments soll sich die EU-Kommission zunächst um besonders umweltschädliche Produkte wie Metalle, Textilien, Möbel und Waschmittel kümmern. Darüber hinaus wird ein Verbot der Vernichtung von unverkauften Textilien und elektrischem beziehungsweise elektronischem Equipment eingeführt. Über die Details wird im Trilog verhandelt, der Ende August begonnen hat – Ende offen.
Die Einführung dürfte schwierig werden, denn bisher besteht der digitale Produktpass nur auf dem Papier. Es gibt zwar schon viele Ansätze – nach einer Studie des Wuppertal Instituts für Klima, Umwelt, Energie existieren allein in Europa bereits 76 verschiedene Initiativen zum DPP. Doch die Entwicklung steht noch am Anfang, und viele Fragen zur Umsetzung sind noch nicht geklärt.
Die DIHK warnt daher vor zu hohen Erwartungen und zu großer Eile. Das Ziel einer nachhaltigen Kreislaufwirtschaft sei zwar grundsätzlich zu begrüßen. Mit der Einführung eines digitalen Produktpasses könnten jedoch neue und hohe bürokratische Anforderungen vor allem für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) entstehen, heißt es in einem DIHK-Bericht vom 12. Oktober.
Zur Vorsicht mahnt auch das IW. Ein digitaler Produktpass könne zwar mehr Transparenz in der Wertschöpfungskette schaffen. Digital gespeicherte Produktinformationen allein würden jedoch nicht zu höherer Umweltverträglichkeit führen. Der Erfolg hänge letztlich vom Design ab, heißt es in einer aktuellen Studie. In der Debatte fehle es jedoch an konkreten Implementierungsideen.
Ein weiteres Problem ist, dass viele Unternehmen noch nicht einmal die Grundvoraussetzungen für die Einführung von Produktpässen erfüllen – denn sie sind nicht oder nicht hinreichend digitalisiert. Auch die Mitarbeiter seien bisher kaum auf die neuen Ökodesign-Vorschriften vorbereitet, schreibt das IW. Deshalb müsse man Schulungen, etwa zu Datenmanagement und Datenschutz, anbieten.
Viele Sorgen seien unbegründet, meint dagegen Thomas Ebert von der EU-Kommission. Es werde keine zentrale Datenbank für alle Produktpässe geben. Die EU wolle auch keine Geschäftsgeheimnisse ausspionieren oder vertrauliche Produktinformationen allgemein zugänglich machen. Es gehe vielmehr um eine Business-to-Business-Kommunikation über dezentrale und offene Systeme.
Ein erstes Pilotprojekt soll im neuen Jahr beginnen. Es ist mit einem Budget von sechs Millionen Euro ausgestattet und soll anhand von zwei Produktklassen zeigen, wie ein digitaler Produktpass aussehen und funktionieren kann.
Tim George ist ein wichtiger Schritt gelungen. 200 Millionen US-Dollar hat der Geschäftsführer des britischen Unternehmens Pensana eingesammelt. Damit will er nun eine Mine in Angola hochziehen, einem Land im Südwesten Afrikas, das bisher vor allem für den Export von Öl und Diamanten bekannt ist. Longonjo heißt das Bergbauprojekt, das aus 30 Metern Tiefe Rohstoffe fördern soll, deren Namen nur schwer über die Lippen gehen: Neodym und Praseodym beispielsweise.
Aus ihnen werden jene Magnete produziert, mit denen die Motoren riesiger Windkraftanlagen grünen Strom erzeugen. Die beiden Rohstoffe kommen im Gestein stets gemeinsam mit 15 weiteren vor – einer Gruppe von Elementen im Periodensystem, die als “Seltene Erden” bekannt sind.
Sie sind enorm gefragt: Der Bedarf an Seltenen Erden könnte sich bis 2040 um das Siebenfache erhöhen, so die Internationale Energieagentur (IEA). George von Pensana sagt deshalb: “Die Erhöhung des Angebots an Seltenen Erden ist unabdingbar für das globale Vorhaben der Klimaneutralität.”
Dabei sind die Seltenen Erden gar nicht so rar, wie ihr Name vermuten lässt. Vorkommen und Förderung sind nur sehr ungleich verteilt auf der Welt. China allein produziert 60 Prozent der Seltenen Erden.
Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine hat Europa schmerzhaft die Risiken vor Augen geführt, wenn einzelne Zulieferer den Markt dominieren, vor allem, wenn es sich um autoritäre Staaten handelt. Die Diversifizierung der Lieferketten ist zum Mantra geworden. Die Umsetzung lässt allerdings auf sich warten.
Die Longonjo-Mine von Pensana ist eine Ausnahme. Dem Geschäftsführer zufolge gibt es nur drei Projekte weltweit, die mehr als 100.000 Tonnen Reserven an Neodym-Praseodym-Oxid haben. Eines davon ist das in Longonjo mit 166.000 Tonnen.
Das klingt bahnbrechend. Bräuchte es also nur einige jener Minen in europäischer Hand, um die Abhängigkeit von China zu brechen? Dem widerspricht Maren Liedtke, Geologin an der Bundesgesellschaft für Geowissenschaften und Rohstoffe: “Auch die Aufbereitung der Seltenen Erden ist stark auf China konzentriert”, sagt sie. Malaysia und Estland seien zwei Länder, die ebenfalls veredeln. 90 Prozent der globalen Weiterverarbeitung stemmt laut IEA jedoch China. “Das Know-how für die Veredelung ist hauptsächlich in China vorhanden”, meint Liedtke.
Pensana will auch das ändern. In Saltend an der Nordostküste Englands soll eine Anlage entstehen, die 12.500 Tonnen an Seltenen Erdoxiden im Jahr veredelt, darunter 4.500 Tonnen an Neodym-Praseodym-Oxid, das so wichtig für die Magnetherstellung ist. Fünf Prozent des Weltmarkts könne dieses Vorhaben abdecken, sagt der Pensana-Chef. Offshore-Windkraft soll den grünen Strom dafür liefern.
Überhaupt kündigte der an der Londoner Börse notierte Konzern an, seine Wertschöpfung nach ESG-Kriterien ausrichten, die Treibhausgasemissionen gemäß dem 1,5-Grad-Ziels zu reduzieren und bis spätestens 2040 bei “net zero” sein zu wollen.
Noch aber verzeichnet die 2019 gegründete Firma keine Umsätze und meldete im Juni vielmehr einen Jahresverlust von 5,2 Millionen Euro. Zudem steht auch die Saltend-Finanzierung noch nicht. Es ist also möglich, dass die Weiterverarbeitung zum geplanten Start der Mine 2026 nicht bereit sein wird.
Nur wenige Länder haben damit bislang Erfahrung. Das liegt auch an einer heiklen Eigenschaft, die Seltene Erden für gewöhnlich mit sich bringen: Radioaktivität. Thorium beispielsweise ist eins der Mineralien, die mit der Gesteinsmischung aus der Erde geholt werden. Chinas Minen sind stark von der Öffentlichkeit abgeschirmt. Von außen lässt sich kaum einschätzen lässt, ob Menschen durch die Radioaktivität geschädigt wurden.
Für die Arbeitssicherheit der geplanten Mine in Angola ist der Umgang mit der Strahlung zentral, sagt Vladimir Russo. Der Angolaner leitet die Stiftung Kissama, die sich mit Umweltfragen beschäftigt. “Es gibt klare Auflagen, die einzuhalten sind, um aus Sicht des Arbeitsschutzes die Risiken zu minimieren”, sagt er. Ob das passierten wird? Eine Umweltverträglichkeitsstudie liegt ihm bisher nicht vor.
Die Risiken habe Pensana im Griff, argumentiert Geschäftsführer Tim George. Die Strahlung sei 20-mal geringer als die Grenzwerte der Internationalen Atomenergiebehörde. Die Arbeiter sollen mit Strahlenmessgeräten ausgestattet und deren Daten täglich ausgewertet werden. Zudem will Pensana mit der gängigen Praxis brechen, radioaktive Rohstoffe quer durch die Welt zur Veredelung nach Asien zu transportieren, ergänzt George: “Im Gegensatz dazu wird Pensana in Longonjo die Seltenen Erden von den Resten des verarbeiteten Erz trennen, welches das natürlich vorkommende radioaktive Material enthält. Das wird sicher auf eine permanente Abraumhalde gebracht.”
Saleem Ali ist Professor für Energie und Umwelt am geografischen Institut der Universität Delaware und verantwortet den Bereich kritische Rohstoffe und inklusive Energietransformation an der Universität der Vereinten Nationen. “Wenn man es objektiv betrachtet, ist die Radioaktivität der Reste sehr gering, die bei der Verarbeitung von Seltenen Erden entstehen”, sagt er. Bei Flugreisen sei der Mensch oft höheren Werten ausgesetzt. Die Radioaktivität auf den Halden sei nicht mit der Strahlung der Abfälle in Kernkraftwerken vergleichbar. Wer nicht direkt und lange damit in Berührung kommt, habe keine Schäden zu befürchten.
Ali warnt vor Panikmache, die dem Ideal einer zirkulären Ökonomie im Weg stehen könnte: “Das Thorium könnte für andere Anwendungen wie Thorium-Reaktoren genutzt werden.” Andere radioaktive Elemente seien in der medizinischen Diagnostik und Strahlentherapie von Nutzen.
Entscheidender dürfte letztlich Pensanas Umgang mit anderen Problemen sein. Um Ressourcen zu gewinnen, werden weltweit häufig Wälder gerodet, Abfälle in Flüsse geleitet und Menschen vertrieben oder zu unwürdigen und ausbeuterischen Arbeitsbedingungen beschäftigt. Diese Gefahren gelten insbesondere auch für Seltene Erden, sagt Saleem Ali, weil deren Menge im Vergleich zu dem Erz, das für die Förderung verarbeitet werden muss, so klein ist. “Deshalb braucht es wesentlich chemieintensivere Prozesse für die Herauslösung der Metalle”, so der Experte. Das ist aufwendig, teurer – und in der Summe riskanter.
Auch der angolanische Umweltexperte Russo der Stiftung Kissama befürchtet, dass die Mine negative Spuren hinterlassen wird, für die dort lebenden Menschen, die Landwirtschaft und die Tier- und Pflanzenwelt. Vor allem die Flüsse seien besonders sensibel, so Russo. “Solche Einflüsse lassen sich durch Maßnahmen minimieren.” Für das Gelingen komme es aber auf die ordentliche Umsetzung an – und die lässt sich aktuell schwer bewerten.
Immerhin: Pensana ist ein britisches Unternehmen. Im Vergleich zu vielen chinesischen Firmen muss es sich auf mehr Kontrollen und eine größere Transparenz einlassen, um für westliche Investoren attraktiv zu sein. Das ist eine Chance für eine umweltschonendere Förderung von Seltenen Erden. Jonas Gerding
Am 21. November wird das EU-Parlament über seine Position zur Überarbeitung der Richtlinie für Verpackungen und Verpackungsabfall abstimmen – beinahe genau ein Jahr, nachdem die EU-Kommission ihren Vorschlag für die neue Verordnung vorgelegt hat.
Das Ziel der Initiative: die Abfallhierarchie stärker in dem Gesetz verankern, sodass neben dem Recycling vor allem das Vermeiden von Verpackungsabfällen und die Wiederverwendung von Verpackungen und Materialien vorgeschrieben werden. EU-weit sollen durch den Übergang in eine Verordnung harmonisierte Vorschriften gelten. Schließlich erzeugte im Jahr 2021 jede Person in der EU im Schnitt 188,7 Kilogramm Verpackungsabfälle. Ohne zusätzliche Maßnahmen rechnet die Kommission für das Jahr 2030 mit 209 Kilogramm pro Person.
Der Vorschlag hatte eine heftige Kontroverse zwischen Recycling- und Mehrwegbefürwortern und eine enorme Beteiligung an der öffentlichen Konsultation ausgelöst. An dem Dossier beteiligte Europaabgeordnete sprachen von einer rekordverdächtigen Anzahl an Lobbyanfragen. Den stärksten Widerstand hatte es in Bezug auf die Mehrwegziele für verschiedene Sektoren und Verpackungsformate gegeben (Artikel 26). Dabei hatte die Kommission einige ambitionierte Ziele bereits im Vorfeld heruntergeschraubt.
Der Umweltausschuss hat den Berichtsentwurf von Frédérique Ries (Renew) Ende Oktober angenommen. Die Abgeordneten wollen unter anderem:
Auf der zweiten Plenartagung im November wird das Parlament nun über das Verhandlungsmandat abstimmen. Sobald auch der Rat sein Mandat beschlossen hat, können die Trilog-Verhandlungen beginnen. Die Vorschläge der spanischen Ratspräsidentschaft liegen dem Bericht des Umweltausschusses in vielen Punkten nicht fern. Etwa schlug auch Spanien für den umstrittenen Artikel 26 die Möglichkeit vor, anhand unterschiedlicher Ziele zwischen Wiederverwendung und Wiederbefüllung zu unterscheiden.
Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) hatte angekündigt, sich im Rat trotz der harmonisierten Vorschriften für einen weiterhin großen Gestaltungsspielraum der Mitgliedstaaten einzusetzen, damit diese auch ambitioniertere Maßnahmen entwickeln können. Dies wäre vor allem hinsichtlich der geplanten Mehrwegziele wichtig, denn Deutschlands Mehrwegquoten und -ziele sind bereits heute deutlich höher als die Ziele des Kommissionsentwurfs. Das deutsche Verpackungsgesetz sieht bereits seit Anfang 2023 vor, dass Gastronomiebetriebe Mehrwegverpackungen für Take-Away-Speisen anbieten.
Die CDU/CSU-Fraktion im Bundestag fordert mit Blick auf die Verhandlungen von der Bundesregierung, einen technologieoffenen Ansatz zu verfolgen und sich im Rat im Sinne kleiner und mittelständischer Unternehmen für “möglichst bürokratiearme Regelungen” einzusetzen. Mitte Oktober stellte die Fraktion einen Antrag im Bundestag, in dem sie auch den Schutz der “gut funktionierenden Rücknahmesysteme für Mehrweg- und Einwegverpackungen” in Deutschland fordert. Überbordende Governance-Strukturen dürften diese Systeme nicht gefährden, heißt es darin.
Der Umweltausschuss plant nun eine Anhörung zu diesem Antrag. Dann soll auch diskutiert werden, wie die EU-Verpackungsverordnung mit der Novellierung des deutschen Verpackungsgesetzes zusammenwirken kann.
Der SPD-Abgeordnete Michael Thews betonte während der Aussprache im Bundestag: “Wenn die Verhandlungen nicht vor der Europawahl abgeschlossen werden, müssen wir in Deutschland handeln und unser Verpackungsgesetz reformieren, um (ambitioniertere) Recyclingquoten und das Fondsmodell auf den Weg zu bringen.” Nur so könne ausgeglichen werden, dass der Ölpreis immer wieder für Schwankungen der Rezyklateinsatzraten und Hemmnisse für Investitionen sorge. Den Gesetzgebungsprozess in Brüssel noch in der laufenden Legislaturperiode vollständig abzuschließen, wäre nicht unrealistisch, aber durchaus ambitioniert.
Das Bundesumweltministerium hat bereits im Juni Eckpunkte für ein deutsches Gesetz für weniger Verpackungsmüll vorgestellt. Damit will sie der EU-Verordnung in einigen Teilen zuvorkommen. Unter anderem will das BMUV die Vorgaben für mehr Mehrwegverpackungen in der Gastronomie und im Handel deutlich ausweiten. Supermärkte müssen demnach zum Beispiel pro Getränkesorte (Wasser, Bier, alkoholfreie Getränke, Saft und Milch) mindestens ein Produkt mit Mehrwegverpackung anbieten. Verbraucherinnen sollen ihre Mehrwegflaschen zudem überall abgeben können, wo Getränke verkauft werden. Mit weiteren Maßnahmen wolle das Ministerium warten, bis “auf europäischer Ebene dazu mehr Klarheit besteht”.
Mittwoch, 08.11.2023, 9:00 bis 10:00 Uhr, Jakob-Kaiser-Haus, Berlin
Mündliche Unterrichtung durch die Bundesregierung zur Ausgestaltung des Loss and Damage Fund in Verbindung mit einem Gespräch mit Lina Ahmed (Germanwatch) und Hamira Kobusingye (Climate Justive Africa, Uganda) – Ausschuss für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Info
Mittwoch, 08.11.2023, 9:00-10:00 Uhr, Jakob-Kaiser-Haus, Berlin
Öffentliche Anhörung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung “Arbeitsweise der Bundesagentur für Sprunginnovationen und zur Flexibilisierung ihrer rechtlichen und finanziellen Rahmenbedingungen” (SPRIND-Freiheitsgesetz – SPRINDFG) Info
Mittwoch, 08.11.2023, 11:00 bis 13:00 Uhr, Paul-Löbe-Haus, Berlin
Öffentliche Anhörung zum Entwurf der Bundesregierung für ein Bundes-Klimaanpassungsgesetz (KAnG) Info
Mittwoch, 08.11.2023, 11:00 Uhr, Paul-Löbe-Haus, Berlin
Öffentliche Anhörung zum Entwurf der Bundesregierung für ein Zweites Gesetzes zur Änderung des Bundes-Klimaschutzgesetzes und Unterrichtung der Bundesregierung zum Klimaschutzprogramm 2023 der Bundesregierung Info
Mittwoch, 08.11.2023, 14:00-16:00 Uhr, Paul-Löbe-Haus, Berlin
Öffentliche Beratung zum Antrag der Fraktion Die Linke “Antidiskriminierungsstelle des Bundes stärken – Diskriminierungsschutz erweitern”
Mittwoch, 08.11.2023, 15:00-16:30 Uhr, Paul-Löbe-Haus, Berlin
Öffentliche Beratung zum Antrag der Fraktion Die Linke “Künstliche Intelligenz nachhaltig und sozial gerecht regulieren” Info
Mittwoch, 08.11.2023, 17:00 Uhr, Paul-Löbe-Haus, Berlin
Parlamentarische Beirat für nachhaltige Entwicklung 51. Sitzung und Fachgespräch zum Thema “Nachhaltige Finanzen – Was ist das?” Info
Mittwoch, 08.11.2023, 18:00-18:45 Uhr, Plenum
Beratung Sonderbericht der Bundesregierung – Bessere Rechtsetzung und Bürokratieabbau in der 20. Legislaturperiode Info
Donnerstag, 09.11.2023, 13:00-14:20 Uhr, Plenum
Zweite und dritte Beratung der von der Fraktion Die Linke eingebrachten Anträge “Gesetzlichen Mindestlohn gemäß EU-Mindestlohnrichtlinie erhöhen” und “Selbstständige Existenzsicherung von Frauen fördern – Minijobs in sozialversicherungspflichtige Beschäftigung überführen” Info
Donnerstag, 09.11.2023, 14:25-15:05 Uhr, Plenum
Zweite und dritte Lesung und Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Statistik zu globalen Wertschöpfungsketten und zur Änderung weiterer Gesetze und des Antrags der Fraktion der CDU/CSU “Vermarktung regionaler Lebensmittel stärken – Agrarexporte ausbauen” Info
Donnerstag, 09.11.2023, 20:40-21:10 Uhr, Plenum
Erste Lesung des von der Bundesregierung eingebrachten Gesetzentwurfs zu den Änderungen vom 18. Mai 2023 des Übereinkommens vom 29. Mai 1990 zur Errichtung der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung Info
Donnerstag, 09.11.2023, 21:10 bis 21:40 Uhr, Plenum
Zweite und dritte Beratung des von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Antrags “Den Fortbestand des deutschen Weinbaus schützen – Pflanzenschutzmittelreduktion und Weinbau in Deutschland zukunftssicher vereinbaren” Info
Freitag, 10.11.2023, 09:00-10:20 Uhr, Plenum
Zweite und dritte Lesung des von der Bundesregierung eingebrachten Gesetzentwurfs zur Anpassung des Energiewirtschaftsrechts an unionsrechtliche Vorgaben und zur Änderung weiterer energierechtlicher Vorschriften Info
Freitag, 10.11.2023, 10:20-11:40 Uhr, Plenum
Zweite und dritte Beratung des von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Antrags “Stellungnahme des Deutschen Bundestages nach Artikel 23 Absatz 3 des Grundgesetzes zu den Verhandlungen über einen Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über Luftqualität und saubere Luft für Europa” Info
Montag, 13.11.2023, 09:00-10:30 Uhr, Paul-Löbe-Haus
Öffentliche Anhörung und Unterrichtung durch die Bundesregierung über den Ersten Bericht über die Evaluierung des Investitionsgesetzes Kohleregionen zum Antrag der Fraktion Die Linke “Sicherheit und Klarheit beim Strukturwandel in der Lausitz” Info
Montag, 13.11.2023, 14:00 Uhr-15:30 Uhr, Marie-Elisabeth-Lüders-Haus
Öffentliche Anhörung zum Antrag der Fraktion der CDU/CSU “Mehr Tempo für Barrierefreiheit und einen inklusiven Sozialraum” Info
Die Bio-Branche wächst 2023 nach einem rückläufigen Jahr erstmals wieder. “Seit Mai sehen wir erstmals wieder ein positives Wachstum bei Bio”, sagte die Ökomarkt-Analystin Diana Schaack von der Agrarmarkt Informationsgesellschaft (Ami) dem digitalen Medienhaus Table.Media. Die Umsätze seien von Januar bis September um 2,8 Prozent gewachsen. Gestiegen ist der Verkauf von Bio-Produkten besonders in der bäuerlichen Direktvermarktung und in Discountern. In Discount-Supermärkten hat Bio laut Schaack seit Januar um acht Prozent zugelegt. Sie erwartet, dass der Öko-Jahresumsatz 2023 wieder die Höhe von 2021 erreicht. Die Ami-Prognosen basieren auf Zahlen der Gesellschaft für Konsumforschung, die 60 Prozent des Bio-Angebots erfassen, die in Deutschland verkauft werden.
Die Nachfrage nach Bio-Produkten war 2022 mit dem Angriffskrieg auf die Ukraine und der hohen Inflation eingebrochen. Nachdem die Bio-Branche jahrelang gewachsen ist, schloss sie im vergangenen Jahr erstmals mit einem Minus von 3,5 Prozent ab. Dabei sind die Preise für Bio-Ware im Zuge der Inflation laut Schaack nicht so stark gestiegen wie für konventionelle Ware: “Bio und Nicht-Bio nähern sich preislich einander an.”
Am 15. November will Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Bündnis 90/Die Grünen) die Regierungsstrategie für mehr Bio im Kabinett vorstellen. Die Ampelkoalition will den Anteil von Ökolandbau auf 30 Prozent bis 2030 steigern. Derzeit stagniert er bei gut elf Prozent. Wichtige Bausteine der noch unveröffentlichten Strategie aus dem Landwirtschaftsministerium: mehr Bio in den Kantinen – und eine Öffentlichkeitsoffensive für den Mehrwert von Ökolandbau für Klima und Umwelt. lg
Der Energiekonzern RWE hat seine Klage gegen den niederländischen Staat vor dem Internationalen Zentrum zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten (ICSID) zurückgezogen. Das Unternehmen wollte vor dem privaten Schiedsgericht eine Entschädigung in Höhe von 1,4 Milliarden Euro erstreiten. Gegenstand des Verfahrens ist ein im Mai 2018 in den Niederlanden beschlossenes Verbot der Kohleverstromung, das ab 2030 gelten soll. Für die Zeit danach forderte RWE einen Ausgleich für mögliche Gewinne. Der Energiekonzern berief sich bei seiner Klage 2021 auf den umstrittenen Energiecharta-Vertrag (ECT).
Der ECT ist ein internationales Handels- und Investitionsschutzabkommen, das 1998 in Kraft trat. Nach gescheiterten Reformversuchen rief die EU-Kommission im Sommer dieses Jahres alle Mitgliedsstaaten zum Austritt aus dem Vertrag auf. Deutschland hat dies für Ende des Jahres angekündigt.
Hauptkritikpunkt ist, dass Energieunternehmen unter Berufung auf den ECT Staaten wegen Entscheidungen verklagen können, die sich auf ihre Gewinnerwartungen auswirken. Der Bundesgerichtshof hatte im Juli 2023 festgestellt, dass der entsprechende Artikel 26 des ECT im RWE-Fall keine gültige Rechtsgrundlage ist. Dies bedeutet jedoch nicht, dass er in Zukunft nicht zur Begründung anderer Ansprüche herangezogen werden könnte.
“Mit Klagen vor Schiedsgerichten versuchen Investoren, demokratisch getroffene Entscheidungen zu unterlaufen und die Kosten von Energiewende und Energiekrise der Allgemeinheit aufzubürden”, kritisiert Fabian Flues, Handelsexperte bei der NGO Powershift.
Powershift berichtete Anfang des Monats gleich über zwei neue Schiedsverfahren auf der Grundlage des ECT – diesmal auch gegen Deutschland. Zum einen durch den Schweizer Energiekonzern AET. Er ist mit 15 Prozent am Steinkohlekraftwerk der Trianel in Lünen beteiligt, das 2032 stillgelegt werden soll. Zum anderen klagt der internationale Industrierohstoffkonzern Klesch-Group mit Sitz in London und Genf gegen Deutschland, Dänemark und die EU wegen der Übergewinnsteuer. ch
Nach einem ergebnislosen Treffen zwischen Vertretern von Tesla und der schwedischen Industriegewerkschaft IF Metall am Montag spitzt sich der Tarifkonflikt bei TM Sweden AB zu. Das zum Tesla-Konzern gehörende Unternehmen betreibt an mehreren Standorten im Land Werkstätten zur Wartung und Reparatur von Fahrzeugen des Elektroautoherstellers. Seit Ende Oktober befinden sich dort rund 130 Mechaniker im Streik. Sie fordern die Aufnahme von Verhandlungen über Arbeitsbedingungen und Löhne.
“Tesla hat deutlich gemacht, dass sie alles tun werden, um den Betrieb aufrechtzuerhalten”, sagt Veli-Pekka Säikkälä, Verhandlungsführer von IF Metall. Man betrachte dies als “organisierten Streikbruch durch das Unternehmen”. Tesla stelle damit die gesamte schwedische Gewerkschaftsbewegung in Frage. Man habe deshalb bereits Kontakt zu anderen Gewerkschaften aufgenommen. “Wir werden den Konflikt ausweiten, bis wir einen Tarifvertrag mit Tesla haben”, so der Gewerkschafter.
IF Metall hat 300.000 Mitglieder. Jährlich verhandelt die Gewerkschaft nach eigenen Angaben rund 200 Tarifverträge in der Industrie. Über alle Branchen hinweg sind mehr als 80 Prozent der Beschäftigungsverhältnisse in Schweden tarifvertraglich geregelt.
Atle Høie, Generalsekretär der globalen Gewerkschaftsföderation IndustriALL Global Union, glaubt, dass der Streik in Schweden Signalwirkung haben könnte. “Elon Musks Geschäftsmodell basiert auf der Missachtung von Menschenrechten. Jetzt wird er von einer unserer stärksten Gewerkschaften herausgefordert. Wir müssen das Geschäftsmodell von Tesla besiegen, und Schweden ist der beste Ort, um damit anzufangen”, sagt Høie.
Erste Solidaritätsaktionen haben bereits am vergangenen Freitag begonnen. In 17 Autowerkstätten der Ketten Axess, Holmgrens Bil und Werksta nehmen gewerkschaftlich organisierte Beschäftigte keine Teslas mehr an. Für zusätzlichen Druck sorgt seit Dienstag dieser Woche die schwedische Logistikgewerkschaft Transport. Deren Hafenarbeiter in Malmö, Södertälje, Göteborg und Trelleborg entladen keine Tesla-Autos mehr. “Wir müssen das schwedische Modell verteidigen”, sagte Transport-Präsident Tommy Wreeth. ch
Der Kölner Verein LobbyControl hat ein Rechtsgutachten vorgelegt, nach dem eine eigentumsrechtliche Entflechtung des US-amerikanischen Konzerns Amazon durch das deutsche Kartellamt möglich wäre. “Wir halten eine Zerschlagung des Konzerns für notwendig”, argumentiert Max Bank, Campaigner bei LobbyControl, “und nach deutschem Kartellrecht auch für möglich”.
Die NGO beruft sich auf das “Wettbewerbsdurchsetzungsgesetz”, das am Montag in Kraft getreten ist. Diese 11. Novelle des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) – laut Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck die größte Reform des Wettbewerbsrechts seit Ludwig Erhard – gibt dem deutschen Kartellamt neue Instrumente zur Durchsetzung eines fairen Wettbewerbs in die Hand. LobbyControl plädiert dafür, diese Möglichkeiten nun auf Amazon anzuwenden.
Kim Manuel Künstner, juristischer Experte für Kartellrecht und Autor des Gutachtens, hält eine Entflechtung von Amazon allein aus wettbewerblicher Sicht für angemessen. Die verschiedenen Geschäftsfelder von Amazon wie Logistik, Cloud-Dienstleistungen, “Smart Home Devices”, Einzelhandel und digitaler Marktplatz seien so miteinander verzahnt, dass kleinere Marktteilnehmer beherrscht werden könnten. Hinzu kämen “gesamtgesellschaftliche Folgen von Amazons Gebaren” wie die große politische Lobbymacht des Konzerns, Datenschutzprobleme, Steuervermeidung und die Arbeitsbedingungen in den Logistikzentren des Konzerns. LobbyControl hält das für eine “Gefahr für die Demokratie”.
Max Bank von LobbyControl sieht einen internationalen Trend zur verschärften Wettbewerbsüberwachung, so dass eine Zerschlagung großer Konzerne “nicht mehr völlig abwegig ist”. Tatsächlich führt die US-amerikanische Wettbewerbsbehörde FTC derzeit ein Verfahren wegen Marktmanipulation gegen den Konzern, während die Europäische Kommission Amazon zu einem Bericht über die Einhaltung des Gesetzes über digitale Märkte (DMA) aufgefordert hat. Insgesamt sei die europäische Haltung aber zu abwartend. “Das Kartellamt kann eine Vorreiterrolle spielen und damit eine Trendwende in Europa begünstigen.” av
Mindestens 107 der 425 weltweit größten Projekte zur Förderung fossiler Brennstoffe werden von in der EU ansässigen Unternehmen wie Total Energies, Shell, RWE und ENI betrieben oder von großen europäischen Banken finanziert. Dies zeigt ein Bericht, der am gestrigen Dienstag von CAN Europe, Friends of the Earth Europe und weiteren zivilgesellschaftlichen Organisationen veröffentlicht wurde. Sie fordern rechtlich verbindliche Klimaziele für Unternehmen und den EU-Finanzsektor im EU-Sorgfaltspflichtengesetz (CSDDD).
Die 425 als “Kohlenstoffbomben” bekannten Projekte wurden 2022 in einer Studie identifiziert. Sie haben das Potenzial, jeweils mehr als eine Gigatonne Kohlendioxid (GtCO₂) freizusetzen. Laut dem IPCC-Foschungsstand beträgt das verbleibende Kohlenstoffbudget für eine 50-prozentige Wahrscheinlichkeit, die globale Erwärmung auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen, etwa 500 GtCO₂. Für ein 2°C-Szenario beträgt diese Zahl 1150 GtCO₂.
Die Beteiligung von EU-Unternehmen und Banken an diesen Projekten untergrabe das Ziel der EU, ihre Treibhausgasemissionen bis 2030 um 55 Prozent zu senken, da ein großer Teil der Emissionen als Scope-3-Emissionen in die EU zurückgelange, heißt es in dem Bericht. Allein die prognostizierten Gesamtemissionen der 107 mit der EU verbundenen Projekte betragen nach der Gewinnung und Verbrennung 333,9 GtCO₂. Dies sei das 17-fache der Emissionen, die die EU bis 2030 ausstoßen dürfe.
Zu den genannten Projekten gehört das Athabasca Ölsand-Projekt in Kanada, an dem sich mindestens 15 Unternehmen aus der EU als Investoren beteiligen, darunter BNP Paribas, Shell plc und Total Energies SE. Daneben zählt der Bericht weitere Öl- und Gasfelder in Libyen, Kasachstan, Norwegen und Argentinien auf.
Die NGO fordern, die entsprechenden Projekte zu stoppen. Die Tatsache, dass die Mehrheit dieser Projekte außerhalb Europas angesiedelt ist, dürfe nicht als Entschuldigung für Untätigkeit dienen. Darüber hinaus fordern sie, eine Verpflichtung für Unternehmen in der EU, glaubwürdige Übergangspläne mit konkreten und absoluten Emissionsminderungszielen im Einklang mit dem Pariser Abkommen im EU-Sorgfaltspflichtengesetz festzulegen.
Das Sorgfaltspflichtengesetz wird zurzeit in Brüssel verhandelt. Anders als die EU-Kommission und der Rat fordert das Parlament ebenfalls Klimaübergangspläne für Unternehmen. Am 22. November findet das nächste hochrangige Trilog-Treffen statt. Nach Informationen von Table.Media könnte es bei diesem Treffen oder spätestens Anfang Dezember zu einer Einigung kommen. leo
In der Vorbereitung auf die jährliche Weltklima-Konferenz der Vereinten Nationen (COP) haben sich die Unterhändler des Vorbereitungskomitees TC5 am Wochenende auf Empfehlungen für die künftige Struktur des Fonds für Schäden und Verluste durch den Klimawandel (“loss and damage”) geeinigt. Entwicklungsstaatssekretär Jochen Flasbarth sprach von einem Durchbruch: “Wenn die COP 28 in Dubai diesen Vorschlag annimmt, kann der Fonds kurzfristig seine Arbeit aufnehmen und den besonders vom Klimawandel betroffenen Länder schon mit ersten finanziellen Unterstützungen helfen.”
Der Fonds soll den verletzlichsten Ländern dabei helfen, materielle Schäden durch den Klimawandel – verursacht beispielsweise durch Extremwetter und den steigenden Meeresspiegel – zu beheben.
Die optimistische Einschätzung aus dem deutschen Entwicklungsministerium wurde jedoch nicht von allen Unterhändlern geteilt. “Bei diesem Treffen stand viel auf dem Spiel”, sagte etwa Avinash Persaud, Unterhändler für den Karibikstaat Barbados. “Der Wert des Abkommens liegt darin, dass es ein Desaster vor der COP verhindert hat und positiven Schwung gibt.”
Persaud kritisierte insbesondere, dass sich die Industriestaaten nicht dazu verpflichtet haben, in den Fonds einzuzahlen: “Das ist wie ein GoFundMe-Account für Klimazerstörung.” In dem Empfehlungstext werden Industriestaaten zu Einzahlungen “ermahnt”, während Entwicklungsländer wie China und reiche Ölexport-Staaten “ermutigt” werden.
Die Industriestaaten konnten sich jedoch damit durchsetzen, der Weltbank zumindest für einen Übergangszeitraum die Verwaltung des Fonds zu übertragen. Eine Allianz von Entwicklungsländern hatten sich lange gegen diese Regelung gewandt, unter anderem, weil sie die Entscheidungsstrukturen der Weltbank nicht als repräsentativ einschätzen. Zugleich sollen die Entwicklungsländer in dem zukünftigen obersten Verwaltungsrat des Fonds eine Stimmenmehrheit erhalten. av
CalPERS, der größte öffentliche Pensionsfonds der USA, will bis 2030 weitere 53 Milliarden US-Dollar in die Energiewende stecken. Damit würden sich seine klimafreundlichen Investitionen auf 100 Milliarden US-Dollar mehr als verdoppeln. Gleichzeitig sollen Aktien von Unternehmen verkauft werden, die “keinen glaubwürdigen Netto-Null-Plan” für Emissionen vorlegen. Ziel ist es, die “Emissionsintensität” des Portfolios zu halbieren, so die neuen Richtlinien.
“Wir glauben, dass der Übergang zu einer kohlenstoffärmeren Wirtschaft viele Chancen bietet”, sagte Peter Cashion, Head of Sustainable Investment bei CalPERS, Ende letzter Woche gegenüber der Presse. Der nun eingeschlagene Weg würde die Klimaziele mit der Verpflichtung zur Maximierung der Renditen des Pensionsfonds in Einklang bringen. Das California Public Employees’ Retirement System verwaltet die Pensionsbeiträge der Beschäftigten des öffentlichen Dienstes von Kalifornien. Das Gesamtvolumen des Fonds beläuft sich auf mehr als 450 Milliarden US-Dollar.
Mit den nun beschlossenen freiwilligen Maßnahmen reagiert CalPERS auf den Druck der kalifornischen Politik, die von der Demokratischen Partei dominiert wird. Sie favorisiert ein Divestment-Gesetz, das SB 252, das CalPERS und CalSTRS, den Pensionsfonds der kalifornischen Lehrer, verpflichtet hätte, sich von Investitionen im Wert von rund 15 Milliarden US-Dollar in Unternehmen des fossilen Sektors zu trennen. Die Fonds hatten argumentiert, dass eine zu strikte Vorgehensweise ihre Rendite gefährden könnte. SB 252 wurde deshalb bis 2024 auf Eis gelegt. Im Geschäftsjahr 2022/2023 belief sich die Rendite von CalPERS auf 5,8 Prozent.
Der von CalPERS jetzt eingeschlagene Kurs trifft bei progressiven Demokraten allerdings nur auf verhaltene Zustimmung. Lena Gonzalez, State Senatorin von Los Angeles County, die zu den Initiatoren des Divestment-Gesetzes gehört, äußerte sich gegenüber der Wirtschaftsagentur Bloomberg entsprechend zurückhaltend. “Aus bundespolitischer Sicht sieht das sehr fortschrittlich aus, aber für Kalifornien reicht es nicht”, sagte sie. “Ich bin sehr skeptisch, ob das so funktionieren wird.” ch
Patagonia opens its second European repair center in London – The Spin Off
Nach der Eröffnung des ersten europäischen Reparaturzentrums in Amsterdam im Jahr 2022 hat nun auch im Londoner Stadtteil Haringey ein United Repair Centre die Arbeit aufgenommen, berichtet Maria Cristina Pavarini. Es ist das Ergebnis einer Zusammenarbeit zwischen der Outdoor-Marke Patagonia und den sozial engagierten Unternehmen United Repair Centre und Fashion-Enter. Zum Artikel
Wie Orbem mithilfe von KI Millionen männliche Küken rettet – Handelsblatt
Weil männliche Küken keine Eier legen und weniger Fleisch bringen, werden sie geschreddert. Millionenfach, jede Woche. Ein Start-up setzt deshalb einen MRT-Scan mit Künstlicher Intelligenz ein, bestimmt das Geschlecht noch vor dem Schlüpfen – und hilft so, das Töten einzudämmen, wie Nadine Schimroszik erklärt. Zum Artikel
Wie einige Kapitalisten den Planeten wieder aufbauen wollen – Manager Magazin
Kann es gelingen, den ausgebeuteten Planeten nicht nur zu erhalten, sondern wieder aufzubauen? Elisabeth Schönert stellt “regenerative Pioniere” vor, die “keine Ökofreaks” sind, wie sie schreibt. Unter ihnen: ein Ex-Investmentbanker, der zum Farmer wurde; ein Gründer, der zurückverfolgbaren Fisch verkauft; und ein Smartphone-Hersteller, der sehr anders über Tech denkt als Apple & Co. Zum Artikel
Climate Tech Investments Rise to $16.6 Billion in Third Quarter – Bloomberg
Techfirmen, die CO₂-Emissionen senken wollen, ziehen wieder verstärkt Investitionen an, schreibt Coco Liu. Einer Analyse von BloombergNEF zufolge war das zurückliegende Quartal das beste der vergangenen zwei Jahre. Anders als zuvor wählen die Geldgeber ihre Ziele inzwischen allerdings mit größerer Vorsicht aus: Während die investierte Summe stieg, ging die Zahl der Engagements zurück. Zum Artikel
Flooded and forgotten: How Europe’s disused coal mines are successfully being used to heat our homes – Euronews Green
In Großbritannien liefern ausgediente Kohleminen saubere Energie: Sie werden mit Wasser gefüllt, das die Erdwärme zunächst aufnimmt. Anschließend wird es an die Oberfläche transportiert, um Häuser zu heizen, berichtet Lottie Limb. Zum Artikel
Der milliardenschwere Second-Hand-Boom – Welt
Klamotten, Smartphones, Gartengeräte – der Markt für gebrauchte Artikel wächst, analysiert Christoph Kapalschinski, weil die Inflation zum Sparen zwingt und Verbraucher nachhaltiger shoppen wollen. Davon wollen auch Marken profitieren. Selbst Hersteller wie AEG, Delonghi und Kärcher verkaufen aufbereitete Gebrauchtgeräte. Zum Artikel
E-Mobilität: BYD will europäisches Werk wohl in Ungarn bauen – Automobil Industrie
Der chinesische Elektroauto-Hersteller BYD will in Europa Fuß fassen und plant eine hiesige Produktion. Zeitweise galt das Ford-Werk in Saarlouis als möglicher Produktionsstandort. Doch daraus wird wohl nichts werden, vermutet Andreas Wehner. Zum Artikel
The U.S. Can Counter China’s Control of Minerals for the Energy Transition – New York Times
China hat mit der Ankündigung neuer Exportkontrollen für Graphit, einer Schlüsselkomponente von Lithium-Ionen-Batterien, die globalen Lieferketten für E-Autos in Aufruhr versetzt. Das Vorhaben könnte die weltweite Produktion fortschrittlicher Batterien bremsen. Die USA wären allerdings in der Lage, sich aus dieser Zwangslage zu befreien, meint Gastautor James Morton Turner, Professor für Umweltstudien am Wellesley College. Zum Artikel
“Grünes Wachstum ist ein Wunschtraum” – Spiegel
Klimaschutz und BIP-Wachstum passen kaum zusammen. Zu diesem Schluss kommt der britische Umweltökonom Jefim Vogel, der 36 Industriestaaten untersucht hat. Im Interview erklärt er, dass Deutschland beim gegenwärtigen Tempo noch mehr als 250 Jahre bräuchte, um bei Nullemissionen zu landen. Zum Artikel
Three-quarters of coveted ipê wood is probably harvested illegally – The Washington Post
Drei Viertel des brasilianischen Ipé-Holzes vom Lapacho-Baum, das zwischen 2009 und 2019 in die Lieferkette gelangte, wurde wahrscheinlich illegal geerntet. Zu diesem Schluss kommen schwedische und brasilianische Forscher in einer Analyse, die sich Erin Blakemore angesehen hat. Zum Artikel
Das “Heizungsgesetz” hat gezeigt, wie wichtig es ist, die sozialen Auswirkungen von Umweltgesetzgebungen von Anfang an zu berücksichtigen. Der EU-Taxonomie, einem Klassifikationssystem ökologisch nachhaltiger wirtschaftlicher Aktivitäten, zu dem Unternehmen und Banken in der EU berichten müssen, sollte deshalb eine Soziale Taxonomie folgen. Daraus wird jedoch nichts. Die Arbeiten daran wurden eingestellt und eine Wiederaufnahme ist unwahrscheinlich.
Damit weist das filigran geflochtene Werk der EU-Regulierung zu nachhaltigen Investitionen eine Lücke auf. Eine Lücke, die dringend geschlossen werden muss, wenn die Regulierung sich nicht dem Vorwurf aussetzen will, soziale Themen grob fahrlässig zu vernachlässigen.
Die beiden Hauptstränge der EU-Regulierung für Nachhaltige Investitionen sind die Offenlegungsverordnung und die Taxonomie-Verordnung. Ergänzend gibt es unter anderem die Benchmark-Verordnung für grüne Wertpapier-Indices. In allen drei Verordnungen wird auf soziale Themen Bezug genommen. Leider geschieht das nicht einheitlich. So werden einmal Tabak und kontroverse Waffen und allgemein “internationale Vereinbarungen” als Negativmerkmal aufgeführt. Ein anderes Mal sind es nur kontroverse Waffen und sehr unterschiedliche UN-Standards.
Mit einer guten Portion Vertrauensvorschuss ist zu hoffen, dass dieses Konglomerat aus sozialen Indikatoren auf Dauer vereinheitlicht wird und die UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte sich als der Standard für nachhaltige Investitionen in Europa durchsetzen. Das wäre naheliegend, weil das EU-Sorgfaltspflichtengesetz ebenfalls auf diesem Werk beruht. Menschenrechte einschließlich der Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation sind also in der EU-Regulierung weitgehend verankert, als Negativmerkmal.
Der Punkt Negativmerkmal ist entscheidend. Denn die EU-Umwelttaxonomie ist eine Positivauswahl. Sie zeigt Aktivitäten auf, die ökologisch nachhaltig sind, und in die mehr Geld fließen soll, um einen ökologisch tragfähigen Wohlstand zu ermöglichen.
Eine solche Orientierung für positive soziale Aktivitäten fehlt in der EU-Regulierung zu nachhaltigen Investitionen. Und dies, obwohl in diesem Bereich die Situation ähnlich ist wie bei Investitionen in den Umweltschutz. Investoren suchen eine Orientierung zu der Frage, welche Investitionen legitimerweise “sozial” genannt werden können. Gleichzeitig werden zusätzliche Investitionen benötigt. Im Jahr 2018 ging der Bericht der “Hochrangigen Taskforce für Investitionen in die soziale Infrastruktur in Europa” von einer Mindestlücke von 100 bis 150 Milliarden Euro pro Jahr aus.
“Wir können und müssen den Trend umkehren, der dazu geführt hat, dass die Investitionen in Humankapital, insbesondere in Gesundheit, Bildung und erschwinglichen Wohnraum, in vielen Regionen und Ländern stagnieren”, heißt es in dem Bericht.
Die Frage, ob es in der EU-Regulierung eine positive Definition für soziale Aktivitäten geben muss, ist damit beantwortet. Offen ist, wie diese aussehen soll. Bedarf es für den sozialen Bereich wirklich eines so detaillierten und komplizierten Systems wie der Umwelttaxonomie mit speziell für einzelne Sektoren ausgearbeiteten Kriterien eines “Substanzialen Beitrags” und entsprechender schädigender Wirkungen, mit einer gesonderten Betrachtung “Ermöglichender Aktivitäten”? Im Umweltbereich, wo verschiedene Sektoren sehr unterschiedliche Auswirkungen auf die Umwelt haben und Konflikte verbreitet sind, etwa zwischen dem Klimaschutz und der Biodiversität, ist dies nötig.
Wir, eine Gruppe von Akteuren aus dem Bereich der öffentlichen Banken, fortschrittlicher Unternehmen und kirchlicher Anleger, sind der Ansicht, dass dieser Grad an Komplexität für die Definition positiver soziale Aktivitäten nicht notwendig ist. Wir schlagen ein “Rahmenwerk für soziale Investitionen” vor und verweisen darauf, dass es dafür Vorlagen bei der EU gibt. So definiert der EU-Vertrag Sektoren des “Allgemeinen Wirtschaftlichen Interesses”. Dazu gehören:
Entscheidend für die soziale Qualität dieser Dienstleistungen ist, dass sie für jeden zugänglich sind und nicht aufgrund von Bezahlschranken für einen Teil der Bevölkerung unerreichbar bleiben.
Ein zweiter, bald bestehender Rahmen, in dem soziale Aktivitäten positiv gefasst werden können, ist das EU-Lieferkettengesetz. Es erlegt europäischen Unternehmen ab einer bestimmten Größe auf, menschenrechtliche Sorgfaltspflichten umzusetzen, entsprechende Risiken zu kennen und sie einzudämmen. Für manche Unternehmen wird das bedeuten, dass sie ihre Lieferkette weitgehend neu organisieren, Produkte auf ihre sozialen Risiken überprüfen, weitere Anstrengungen unternehmen und Mitarbeiter hinsichtlich des grünen Übergangs oder der Digitalisierung schulen müssen. Firmen, die hier viel investieren, sollten dies innerhalb eines “Social Investment Frameworks” sichtbar und entsprechende Ausgaben damit vergleichbar machen können.
Reicht das aus? Wahrscheinlich nicht. Es sind erste Gedanken dazu, wie soziale Nachhaltigkeit ein Anreiz für Unternehmen und Investoren werden kann. Eine breitere Debatte über eine regulatorische Fassung muss jetzt folgen – die EU allein wird das Thema nicht vorantreiben.
Antje Schneeweiß ist Geschäftsführerin des Arbeitskreises kirchliche Investoren der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und Mitglied des Sustainable Finance-Beirats der Bundesregierung. Von 2020 bis 2022 war sie Berichterstatterin für die Soziale Taxonomie auf der Plattform für nachhaltige Investitionen der EU-Kommission.
Vor zwei Monaten hat Gisela Burckhardt den Engagementpreis bekommen. Sie treibe “die drängendsten Themen in der Textillieferkette voran” und setze sich “für die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte von Frauen in der globalen Bekleidungsindustrie ein”, heißt es in der Begründung von Bundesentwicklungsministerin Svenja Schulze. Sie möchte mit der Auszeichnung Menschen hervorheben, die “in besonderer Weise an der Umsetzung der Agenda 2030 der Vereinten Nationen” mitwirken. Für Gisela Burckhardt ist es eine weitere renommierte Ehrung ihrer Arbeit. Vor zwei Jahren wurde ihr bereits das Bundesverdienstkreuz verliehen.
Für faire Arbeit entlang der Lieferkette streiten und kämpfen – das hat sich die 72-Jährige in der Tat zur Lebensaufgabe gemacht. 16 Jahre ist die Gründung ihres Vereins FEMNET her, den sie als Vorstandsvorsitzende lenkt und mit dem sie von Bonn aus versucht, Arbeiterinnen in Fabriken zu unterstützen, die Kleidung für uns in Europa nähen, häufig im Akkord und zu kargen Löhnen. “Diese Arbeitsbedingungen haben sich vor Ort nicht verbessert”, sagt sie ernüchtert. Die Vernetzung in der internationalen Kampagne der Clean Clothes Campaign, die Aktivisten und Organisationen über mehr als 40 Länder miteinander verbindet, sei wertvoll, betont sie.
Druck wirkt bekanntlich nicht, wenn er nur punktuell von Einzelnen ausgeübt wird, sondern von vielen Menschen zugleich. Deshalb haben Anfang November die Arbeiterinnen und Arbeiter von mehr als 400 Fabriken in Bangladesch die Produktion eingestellt, um während der aktuellen Tarifverhandlungen für höhere Löhne zu protestieren. Fünf Jahre liegt die letzte Lohnsteigerung zurück, bei nur 8000 Taka liegt der Mindestlohn derzeit. Umgerechnet sind das 68 Euro.
Andererseits leben die Menschen, die sich vor Ort für Veränderungen einsetzen, gefährlich. Es kommt immer wieder vor, dass Aktivisten der Gewerkschaftsbewegung umkommen, durch Schlägertrupps und ungeklärte Unfälle. Bei den aktuellen Demonstrationen gingen Zehntausende auf die Straßen, Autos brannten, Tränengas wurde eingesetzt, wieder kamen Menschen ums Leben.
Damit sich Arbeiterinnen und Arbeiter eine Existenz aufbauen können, sei Unternehmensverantwortung grundlegend, meint Burckhardt. Das Bündnis für nachhaltige Textilien, das unter dem ehemaligen Entwicklungsminister Gerd Müller gegründet wurde, betrachtet Gisela Burckhardt hier als einen Meilenstein, weil es den direkten Austausch mit Textilfirmen ermöglicht. Sie persönlich hat sich jetzt nach sieben Jahren aus dem obersten Gremium, dem Steuerungskreis, zurückgezogen. Einerseits frustriert, weil die Wirtschaftsvertreter in dem Kreis viele Prozesse blockiert hätten. Schon Ende 2021 hatte sie erklärt: “Die Bilanz nach sieben Jahren ist mager.”
Andererseits ist Burckhardt gespannt, ob nun mehr Dynamik in die Arbeit kommt. Im Sommer war es bei den Wahlen für das zwölfköpfige Gremium zu einem überraschenden Ergebnis gekommen. Zwei Wirtschaftsvertreter erhielten nicht die notwendigen Stimmen und schieden aus, ein Dritter verließ daraufhin die Runde, die sich zuletzt in ein fortschrittliches und ein bremsendes Lager aufgeteilt hatte. Burckhardt sagt nun: “Es gibt ja durchaus Unternehmen, die etwas verändern wollen.”
Einen anderen Ansatz liefert das seit diesem Jahr geltende deutsche Lieferkettengesetz. FEMNET versucht bereits, es gegen die Unternehmen zu wenden, wieder in Bangladesch. “Es ist ein Unding, dass Riesen wie Ikea oder Amazon nicht bereit sind, dem sehr effektiven Brand- und Gebäudeschutzabkommen Accord beizutreten”, sagt sie. Deshalb hat FEMNET im Auftrag einer Gewerkschaft vor Ort im Rahmen des deutschen Lieferkettengesetzes Beschwerde beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) eingereicht und gemeinsam mit dem Partner recherchiert, gegen welche Auflagen die Zulieferer verstoßen.
Wie die Situation in den Produktionsländern ist, wusste Gisela Burckhardt zu einem guten Teil schon vor der Gründung ihres Vereins. Fast 20 Jahre lang war sie in verschiedenen Regionen der Welt unterwegs, in Pakistan, Nicaragua oder Äthiopien, für die Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (GIZ) etwa und das UN Development Programme. Ihre Promotion schrieb sie über Erwerbsbiografien von Frauen in Ruanda.
FEMNET ist aber auch in Deutschland tätig. Die Mitarbeiterinnen des Vereins gehen an Hochschulen, um “Entscheiderinnen und Entscheider von morgen” aufzuklären, damit sie die Erkenntnisse weitertragen und die bisherigen Teilerfolge ausbauen. An Schulen führen sie Projekte durch und halten Vorträge, organisieren Deutschlandreisen für Arbeiterinnen und Gewerkschafter aus den betroffenen Ländern, damit sie hier aus erster Hand von ihren Erfahrungen berichten können. Städte und Kommunen können von ihnen lernen, Berufsbekleidung fair zu beschaffen – und bei Hauptversammlungen spricht Gisela Burckhardt ebenfalls, so wie im Frühjahr bei Zalando. Als Aktionärin des Konzerns versucht sie so, die Entlastung des Vorstands und mehr Nachhaltigkeit zu erreichen.
Für sich selbst kauft sie übrigens nur sehr selten Kleidung. Das Wissen um die Bedingungen vor Ort führt dazu, dass sie die ohnehin schon große Überproduktion von Textilien nicht weiter befördern will. Auch wenn es den Arbeiterinnen in den Fabriken an Geld fehlt – solange sie nicht von Mehreinnahmen profitieren, fällt es schwer, über diesen Weg den Wandel voranzubringen. Janna Degener-Storr
Die Klimakrise wirkt sich zunehmend auf politische und gesellschaftliche Konflikte und Debatten aus. So sind die Stimmen aus dem Globalen Süden in den vergangenen Jahren deutlich lauter geworden, sei es in den Forderungen der Gruppe der 77 auf den UN-Klimakonferenzen (COP), sei es in der Debatte um das Erbe des europäischen Kolonialismus, dessen Nachwirkungen bis heute zu spüren sind.
Das Berliner Haus der Kulturen der Welt beschäftigt sich nicht nur dem Namen nach mit außereuropäischen, nicht-westlichen Blicken auf die Welt. Das Programm des neuen künstlerischen Leiters Bonaventure Soh Bejeng Ndikung fühlt sich erkennbar der Repräsentation des Globalen Südens und den derzeit oft kritisierten Debatten um postkoloniale Theorie verpflichtet.
Am heutigen Mittwoch findet der Auftakt zu einem bis Dezember 2024 angelegten Projekt statt, das beides, die Klimakrise und nicht-westliche Perspektiven auf die globale Situation, verbinden will. “A Participatory Planet – Gemeinsame Wege in die Umweltgerechtigkeit” heißt das Programm, das den Anspruch hat, einen “kollektiven Wandel Richtung Umweltbewusstsein zu fördern”. Thematisch ist das Projekt in die vier Phasen “Umgraben, Wachsen, Verbrauchen, Wegwerfen” unterteilt. Zum Auftakt tritt die chilenisch-indigene Künstlerin Seba Calfuqueo mit ihrer Perfomance “Unearthing” auf, im weiteren Verlauf kommen Stimmen wie der Aktivist und Umweltjournalist Peter Emorinken-Donatus zu Wort. Das weitere Programm steht noch nicht fest und wird auf der Website bekannt gegeben. Lukas Franke