Table.Briefing: ESG

Kreislaufwirtschaft: Indikatoren gesucht + IG Metall vs. Tesla: Nun geht es um Tarifvertrag + Klimaziele: Suffizienz notwendig

Liebe Leserin, lieber Leser,

für ein Wirtschaften innerhalb der planetaren Grenzen ist die Schaffung echter Kreisläufe essenziell. Davon ist die Menschheit weit entfernt, was neue Zahlen der Elektroschrottentwicklung zeigen, die heute bei uns Thema sind. Ein Großteil der Altgeräte, in denen wertvolle Rohstoffe stecken, landet noch immer auf dem Müll oder wird verbrannt.

Die Bundesregierung strebt deshalb auch mehr Kreislaufwirtschaft an und berät über eine Strategie dazu. Um die Stoffströme effizienter in Kreisläufen zu organisieren, bedarf es geeigneter Indikatoren. Nicolas Heronymus analysiert den Stand der Debatte.

Aber schon aus physikalischen Gründen gibt es keine perfekte Kreislaufwirtschaft. Daher kommt die Menschheit wohl nicht darum herum, weniger Rohstoffe zu verbrauchen, um die planetaren Grenzen einzuhalten. Notwendig ist deswegen auch eine Diskussion über Suffizienz, also ein möglichst geringer, die natürliche Begrenzung der Ressourcen berücksichtigender Rohstoffverbrauch. Mit dem Thema beschäftigt sich Alexandra Endres.

Bei der Umgestaltung der Betriebe spielen Gewerkschaften in Deutschland traditionell eine wichtige Rolle: gerade, wenn es um effizientere Abläufe, aber auch die soziale Akzeptanz des Wandels geht. Die Rolle der Gewerkschaften in der Transformation untersucht Carsten Hübner aus Anlass der Betriebsratswahlen bei Tesla in Grünheide, wo die IG Metall eine Mehrheit verfehlt hat.

Wie wichtig am Ende des Tages Menschen mit Idee und Überzeugungskraft für die Schaffung einer zukunftsfähigen Wirtschaft sind, zeigt das Beispiel von Sandra Müller, Mit-Geschäftsführerin bei dem E-Bike-Hersteller Riese & Müller. Über sie habe ich ein Porträt geschrieben.

Ihr
Caspar Dohmen
Bild von Caspar  Dohmen

Analyse

Strategie zur Kreislaufwirtschaft kurz vor Abstimmung: Präzise Indikatoren fehlen noch

Elektronikschrott: Die Aufbarbeitung von Sekundärrohstoffen wie Siliciumsubstraten ist ein Zukunftsmarkt.

Im April will das Bundesumweltministerium die Nationale Kreislaufwirtschaftsstrategie (NKWS) in die Ressortabstimmung geben. Ziel der Strategie ist, den Verbrauch von Primärrohstoffen hierzulande zu senken. Dafür sollen auch mehr Sekundärrohstoffe, etwa recycelte Materialien, bei der Herstellung von Produkten verwendet werden.

Derzeit gibt es aber “keine aussagekräftigen Indikatoren zur tatsächlich genutzten Menge an Sekundärrohstoffen”, konstatiert das Büro für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag (TAB) in einem aktuellen Bericht. Aus Sicht verschiedener Experten kommt es daher darauf an, die Grenzen der verfügbaren Indikatoren offen zu kommunizieren und bessere Indikatoren für die breite Anwendung zu entwickeln.

Rohstoffverbrauch – keine Aussagen zu Umwelt oder Unabhängigkeit

Für Aussagen zum Rohstoffverbrauch eines Staates wird in der Regel der Indikator “Raw Material Consumption” (RMC) genutzt. Dieser misst in Äquivalenten die Gesamtmenge an Rohstoffen, die in einer Volkswirtschaft zur Herstellung der dort genutzten Güter benötigt wird. Der RMC gilt daher auch als materieller Fußabdruck.

Er berücksichtigt Rohstoffe für die Herstellung eines Produkts, die vor dem Import im Ausland genutzt wurden – so bildet er den Rohstoffeinsatz genauer ab als der Indikator “Domestic Material Consumption” (DMC), der dies nicht tut. Die Exporte werden bei beiden Indikatoren herausgerechnet.

In Deutschland liegt der RMC aktuell bei fast 16 Tonnen pro Kopf – und damit leicht über dem Durchschnitt der EU. Fachleute gehen davon aus, dass sich der Wert mindestens halbieren müsste, um langfristig innerhalb der planetaren Grenzen leben zu können. Österreich etwa strebt in seiner Kreislaufwirtschaftsstrategie eine Reduzierung auf sieben Tonnen bis 2050 an.

Der RMC selbst sagt jedoch nichts über die Umweltauswirkungen von Rohstoffnutzung aus, obwohl er auch die vorgelagerte Wertschöpfungskette abdeckt. Trotzdem stelle der RMC einen geeigneten Indikator dar, weil er “richtungssicher” sei, sagt Henning Wilts, Abteilungsleiter Kreislaufwirtschaft am Wuppertal Institut. “Wenn der Ressourcenverbrauch sinkt, ist das auch gut fürs Klima oder die Biodiversität – davon kann man ausgehen”, ergänzt der Wissenschaftler.

Für die Bundesregierung geht es überdies darum, durch die Kreislaufwirtschaft die Abhängigkeit des rohstoffarmen Deutschlands von anderen Staaten zu reduzieren. Wenn hierzulande mehr Rohstoffe im Kreislauf gehalten werden, sinkt die Nachfrage nach Primärrohstoffen und die Abhängigkeit von Importen – so die Annahme. Doch auch darüber sagt der RMC nichts aus. Um diesbezüglich bessere Einschätzungen zu treffen, könnten Indikatoren zu Recyclingquoten für wichtige “kritische Rohstoffe” helfen, sagt Wilts. Die EU aktualisiert alle drei Jahre eine entsprechende Liste. Im Monitoring-Framework der EU für Kreislaufwirtschaft gibt es zudem einen Indikator für die Abhängigkeit von Materialimporten.

Recycling – wie viel wird tatsächlich wiederverwendet?

Dass Deutschland über eine leistungsfähige Abfallwirtschaft mit teils hohen Recyclingquoten verfügt, resultiere “nicht unbedingt in einer starken Kreislaufwirtschaft”, stellt das TAB in seinem Bericht fest. Das liegt unter anderem daran, dass Recyclingquoten keine Aussagen darüber zulassen, wie zirkulär ein Stoffstrom tatsächlich ist.

Die Recyclingquoten für Siedlungsabfälle etwa werden auf Grundlage der Menge berechnet, die fürs Recycling zur Verfügung steht – ohne Berücksichtigung von Verunreinigungen und Fehlwürfen. An ihnen lässt sich auch nicht ablesen, ob recycelte Materialien wiederverwendet werden. Zudem sind Änderungen der Abfallmengen nicht direkt ersichtlich, weil die Quoten relativ sind.

Das gleiche Problem besteht bei der “Circular Material Use Rate” (CMU), die unter anderem die EU als Indikator für Kreislaufwirtschaft nutzt. Die CMU steht für das Verhältnis von Abfällen, die in Recyclinganlagen landen, und dem inländischen Materialverbrauch (DMC). 2022 lag sie in der EU im Schnitt bei 11,5 Prozent, in den Niederlanden waren es 27,5 Prozent, in Deutschland 13 Prozent. Bis 2030 will die EU die unionsweite Durchschnittsrate verdoppeln.

Die CMU sei “ein pragmatischer Schritt, um den Beitrag der Sekundärrohstoffe an der Gesamtrohstoffnachfrage in allen EU-Ländern vergleichbar zu messen” – obwohl durch die Nutzung des DMC “mögliche Verlagerungen von (Umwelt-)Belastungen auf andere Länder nicht sichtbar” werden, heißt es in einer Untersuchung des Instituts für Energie- und Umweltforschung Heidelberg. Auch wenn die CMU nicht “der ideale Indikator” sei, würde sie einen guten Eindruck davon vermitteln, “dass wir noch ein ganzes Stück von geschlossenen Kreisläufen entfernt sind”, sagt Henning Wilts.

Substitutionsquoten und Ersparnis von Primärrohstoffen

Für Abschätzungen zur tatsächlich genutzten Menge an Sekundärrohstoffen braucht es aus Sicht von Fachleuten Substitutionsquoten. Diese geben Auskunft darüber, wie groß der Anteil von Sekundärmaterialien an der Gesamtmenge der eingesetzten Rohstoffe ist. Für eine solche Quote spricht sich die Ressourcenkommission am Umweltbundesamt aus. Sie sei wichtig, “um die wirtschaftliche und ökologische Leistungsfähigkeit unserer Kreislaufwirtschaft ganzheitlich zu bewerten”. Überdies könne sie die nötige Datengrundlage bilden, “um die Ressourcenschonung durch den Rezyklateinsatz zu ermitteln”.

Im Monitoring-Framework der EU für Kreislaufwirtschaft gibt es bereits einen vergleichbaren Indikator, die Verwendungsrate von recyceltem Altmaterial (EOL-RIR). Laut der Ressourcenkommission steht aber “bisher keine konsistente und valide Datengrundlage zur Berechnung des Indikators zur Verfügung”.

Indikatoren für die Menge eingesparter Primärrohstoffe sind noch in der Entwicklungsphase. Das Umweltbundesamt hat 2019 für die 30 wichtigsten Stoffströme, zum Beispiel Kupfer oder Papier, ermitteln lassen, wie groß die Ersparnis durch Sekundärmaterialien ist. Hätte es in diesen Stoffströmen im Jahr 2013 keine Verwertung von Material gegeben, hätte der Rohstoffbedarf in Deutschland 18 Prozent höher gelegen. Die Indikatoren (DERec und DIERec) sollen durch die Begleitforschung für die NKWS aktualisiert werden, sodass kommendes Jahr valide Zahlen vorliegen würden.

Indikatoren für weitere Kreislaufstrategien auch nicht ausgereift

Neben Recycling gibt es neun weitere, oft als höherwertig bezeichnete Strategien, die die Kreislaufwirtschaft voranbringen könnten. Diese erstrecken sich über den gesamten Lebenszyklus von Produkten: Am Anfang steht etwa, Produkte herzustellen, die lange halten und reparierbar sind. Später bedeutet Kreislauffähigkeit zum Beispiel, dass Materialien sich wiederverwenden lassen. Vielfach müssen dafür ebenfalls noch aussagekräftige, gut vergleichbare Indikatoren gefunden werden.

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IG Metall wird stärkste Kraft im Tesla-Betriebsrat: Diese Konflikte könnten die nächsten Jahre bestimmen

“Gigafactory” in Brandenburg: Tesla-Boss Musk ist ein erklärter Gewerkschaftsgegner.

Die IG Metall ist aus dem Stand zur stärksten Fraktion im Betriebsrat des Tesla-Werks in Grünheide gewählt worden. Nach Angaben des Wahlvorstands erhielt die Liste “IG Metall Tesla Workers GFBB” 3.516 der 8.917 gültigen Stimmen und damit 39,4 Prozent. Auf Platz zwei folgt mit 35,9 Prozent “Giga United”, die Liste der bisherigen Betriebsratsvorsitzenden Michaela Schmitz.

Die restlichen Stimmen verteilten sich auf mehrere kleinere Listen. Die Wahlbeteiligung lag bei rund 80 Prozent. In dem Werk arbeiten rund 12.500 Beschäftigte.

Die IG Metall wertete das Ergebnis in einer ersten Reaktion als Erfolg. Dirk Schulze, Bezirksleiter der IG Metall Berlin-Brandenburg-Sachsen, sprach von “einem fantastischen Wahlkampf mit einem klaren und überzeugenden Programm für bessere Arbeitsbedingungen bei Tesla”. Werksleiter André Thierig betonte dagegen noch am Abend der Auszählung im Nachrichtendienst X, die Belegschaft habe sich “mehrheitlich gegen einen gewerkschaftlichen Betriebsrat ausgesprochen”.

Konfliktlinie Tarifvertrag

Damit scheint die Konfliktlinie für die nächsten Jahre vorgezeichnet. Denn neben den betrieblichen Themen steht eine zentrale Frage im Hintergrund: Wird es bei Tesla künftig einen Tarifvertrag geben? Tesla-Chef und Großaktionär Elon Musk gilt als erklärter Gewerkschaftsgegner. In den USA liefert er sich regelmäßig Scharmützel mit der Automobilarbeitergewerkschaft UAW. Entsprechend ablehnend äußerten sich wiederholt auch das Management in Grünheide und der bisherige Betriebsrat, der Gewerkschaftern als zu arbeitgebernah gilt.

Deutlich entspannter als die Verantwortlichen bei Tesla gibt sich der Verband der Metall- und Elektroindustrie (VME), der für die Tarifverhandlungen in der Autoindustrie in Berlin und Brandenburg zuständige Arbeitgeberverband. “Wir arbeiten gut und vertrauensvoll mit unserem Sozialpartner IG Metall zusammen. Unser gemeinsames Ziel ist es, die Metall- und Elektroindustrie zu stärken”, hieß es auf Anfrage von Table.Briefings.

Dazu sei beispielsweise das Netzwerk Transformation der Automobil- und Zulieferindustrie in Berlin-Brandenburg (ReTraNetz) ins Leben gerufen worden. Die Absage von Tesla an den VME wollte der Sprecher nicht weiter kommentieren: “Wir können nur für den Flächentarif werben und die Vorteile herausstellen. Alles andere ist Sache des Unternehmens.”

IG Metall in ungewohnter Situation

Vor diesem Hintergrund kann die Zustimmung zur Liste der IG Metall als ein erster Gradmesser gewertet werden. Denn freiwillig, das zeigen die Erfahrungen andernorts, wird sich das Unternehmen nicht auf Tarifverhandlungen einlassen. Umso wichtiger ist es für die IG Metall, Strukturen im Betrieb aufzubauen, Handlungsfähigkeit zu beweisen und mobilisierungsfähig zu werden.

Das wird schwer genug. Denn von den insgesamt 39 Sitzen im Betriebsrat entfallen künftig nur 16 auf die IG Metall. Die übrigen 23 Sitze gehen an mehr oder weniger gewerkschaftsferne bis gewerkschaftsfeindliche Listen: “Giga United” (15 Sitze), “One Team” (fünf Sitze), “Giga Fair” (zwei Sitze) und die Liste “Giga für Alle” (ein Sitz). Mit der Konstituierung des neuen Betriebsrates und der Wahl des Vorstandes in den kommenden Wochen wird sich zeigen, wie geschlossen sie gegenüber der IG Metall auftreten werden.

Für die IG Metall ist dies in mehrfacher Hinsicht eine ungewohnte Situation. Zum einen kratzt sie am Selbstverständnis der mit über 2,1 Millionen Mitgliedern nach eigenen Angaben größten Einzelgewerkschaft der Welt. Zwar gibt es auch an anderen Standorten konkurrierende Betriebsratslisten, doch überall hatte die IG Metall bislang eine klare Mehrheit. Außerdem gelten, bis auf Tesla, für alle Autowerke und großen Zulieferer in Deutschland Tarifverträge.

Scheitern bei Tesla würde Druck bei anderen Autobauern erzeugen

Das führt zu einem zweiten Punkt. Denn die IG Metall steht auch unter dem Druck, den tarifgebundenen Unternehmen zumindest indirekt Waffengleichheit zu garantieren. Denn es ist schwer vorstellbar, dass BMW, Mercedes oder Volkswagen lange zuschauen werden, wie sich einer ihrer Hauptkonkurrenten im Zukunftsmarkt E-Mobilität Wettbewerbsvorteile verschafft, indem er tarifliche Standards unterbietet, die ansonsten für alle gelten. Ein Scheitern bei Tesla würde dementsprechend zusätzlichen Druck bei den anderen Autoherstellern nach sich ziehen.

Die Herausforderung ist also groß. Seit Jahrzehnten wurde in Deutschland kein neues Automobilwerk dieser Größenordnung gebaut. Mittlerweile beschäftigt der Elektroautobauer am Standort Grünheide rund 12.500 Menschen. Sie gewerkschaftlich zu organisieren und schließlich in eine absehbar harte Tarifauseinandersetzung zu führen, erfordert Geschick und einen langen Atem.

Dabei könnte der IG Metall ausgerechnet Tesla selbst in die Hände spielen. Denn schon in der Vergangenheit sorgten immer wieder Vorwürfe über schlechte Arbeitsbedingungen und mangelnde Arbeitssicherheit für Schlagzeilen.

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Sachverständigenrat für Umweltfragen prangert Verschwendung an: Klimaziele sind ohne Suffizienz nicht erreichbar

Wichtiges Ökosystem und CO₂-Senke: Das Naturschutzgebiet Königsdorfer Forst bei Frechen, NRW. Suffizienz kann dazu beitragen, solche Wälder zu erhalten, sagt der SRU.

Angesichts vielfältiger ökologischer Krisen drängt der Sachverständigenrat für Umweltfragen (SRU) der Bundesregierung auf eine breite politische und gesellschaftliche Debatte über Suffizienz – also einfach gesprochen über die Frage: Wann haben wir genug? In einem Diskussionspapier zum Thema, das am Donnerstag Umweltministerin Steffi Lemke übergeben wurde, spricht das Gremium auch Gerechtigkeits- und Verteilungsaspekte an.

Ein Sprecher des Bundesumweltminsteriums sagte dazu: “Wissenschaftliche Diskussionsbeiträge wie der des SRU können die Diskussion um Suffizienz versachlichen und bereichern.”

Klimaziele brauchen Suffizienz

“Ohne die Vermeidung von Verschwendung werden wir unsere Klimaziele nicht erreichen”, sagt Claudia Kemfert, Leiterin der Abteilung Energie, Verkehr, Umwelt am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) und stellvertretende Vorsitzende des SRU, im Gespräch mit Table.Briefings. “Wir benötigen einen suffizienteren Lebensstil.” Das sei nicht moralisch gemeint. “Es gibt einfach gewisse Notwendigkeiten, denen wir uns stellen müssen. Wir müssen über die Dinge reden, die unser Überleben gefährden.”

Dabei geht es dem Rat nicht darum, einzelnen Personen vorzuschreiben, wie sie leben sollen. Suffizienzorientierte Politik bedürfe eines politischen Rahmens, schreibt der SRU, und sei zugleich darauf angewiesen, aus der Gesellschaft heraus “mitgestaltet und verstärkt” zu werden.

Suffizienz beschleunigt Energiewende und schützt Natur

Für die Klima- und Energiepolitik ist das Papier vor allem aus drei Gründen relevant:

  • Suffizienz, verstanden als absolute Einsparungen im Energieverbrauch, kann die Energiewende erleichtern, verbilligen und beschleunigen.
  • Eine suffizientere, also genügsamere Ressourcennutzung kann dazu beitragen, den Flächenverbrauch zu reduzieren. Sie trägt dadurch zum Erhalt von CO₂-Senken bei – und darüber hinaus ganz generell von Ökosystemen wie etwa Wäldern und Flussauen, die auch für die Anpassung an den Klimawandel wichtig sind.
  • Durch Suffizienz können sich “Spielräume für eine gerechtere Verteilung von Ressourcen” eröffnen, wie die Fachleute schreiben. Dadurch ließen sich beispielsweise soziale Schieflagen besser bekämpfen, die durch steigende CO₂– und Energiepreise sowie Preise für weitere Umweltgüter entstehen.

Keine Nachhaltigkeit ohne Suffizienz

Eine nachhaltige Entwicklung sei ohne Suffizienz nicht möglich, schreibt der Rat. In der Energiepolitik ist das zentrale Argument der Fachleute: Die komplette Umstellung der Wirtschaft auf erneuerbare Energiequellen könne schneller, leichter und “erheblich” kostengünstiger gelingen, wenn der Energieverbrauch nicht zugleich stetig weiter wachse – und Suffizienz könne dazu maßgeblich beitragen. Wird weniger Energie nachgefragt, sinken die Emissionen schneller. Weil weniger neue Infrastruktur gebaut werden muss, können Wald- und andere Flächen erhalten werden, die dann auch dem Klimaschutz dienen.

Wird der Flächenverbrauch darüber hinaus durch Suffizienzstrategien gebremst, etwa indem platzsparender gebaut wird, können wichtige CO₂-Senken wie Wälder und Moore besser erhalten werden. Daneben sind naturbelassene, gesunde Ökosysteme mit einem hohen Artenreichtum widerstandsfähiger gegenüber den Auswirkungen der Klimakrise. Naturnahe Landschaften, etwa entlang von Flüssen, werden ebenfalls gebraucht, um beispielsweise Hochwasser nach Extremregen aufzunehmen.

Schon jetzt sei die Flächenkonkurrenz in Deutschland hoch, schreibt der SRU. Doch künftig würden “sowohl global als auch in Deutschland” mehr naturnahe Flächen benötigt, um den Artenreichtum und das Klima zu schützen. Der SRU verweist dabei auf Biodiversitätsziele, denen sich auch die Bundesregierung verpflichtet hat, beispielsweise im Kunming-Montreal-Abkommen, das vorsieht, weltweit 30 Prozent der degradierten Ökosysteme zu renaturieren und 30 Prozent aller Land- und Wasserflächen unter Naturschutz zu stellen.

Zeit, sich der Debatte zu stellen

Konkrete Empfehlungen für eine “Strategie des Genug” geben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in ihrem Papier ganz bewusst nicht. Ihnen ist klar: Das Thema ist komplex und politisch heikel. Aber sie sagen mit Nachdruck: Es ist höchste Zeit, sich der Debatte zu stellen – in der Politik und der ganzen Gesellschaft. “Alle wissen, dass es so nicht weitergehen kann”, sagt Kemfert.

“Wir leben ökologisch über unsere Verhältnisse”, sagt SRU-Mitglied Wolfgang Lucht, Leiter der Abteilung Erdsystemanalyse am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK). “Aber wir vermeiden es gern, darüber zu diskutieren, wie unsere Zivilisation ökologischer und zugleich gerechter werden kann – denn es wirft schwierige Fragen auf, denen wir aber nicht ausweichen sollten.”

Auch der Ethikrat hatte in der vergangenen Woche angemahnt, die Lasten und Pflichten im Kampf gegen den Klimawandel so zu verteilen, dass “möglichst alle Menschen jetzt und in Zukunft die Mindestvoraussetzungen für ein gutes und gelingendes Leben erreichen können”.

Ziel: Leben in Würde innerhalb planetarer Grenzen

Der SRU geht in seinem Diskussionspapier von zwei Punkten aus:

  • dem wissenschaftlichen Konzept der planetaren Grenzen der Erde, die einen sicheren Handlungsspielraum für die Menschheit beschreiben – allerdings sind sechs der neun Grenzen inzwischen überschritten,
  • und dem Ziel, allen Menschen ein Leben in Würde zu ermöglichen – und damit auch ausreichenden Zugang zu natürlichen und anderen Ressourcen. Daraus ergibt sich auch: Für Wohlhabende, die in der Regel einen ressourcenintensiven Lebensstil verfolgen, mag Suffizienz mit Verzicht einhergehen. Doch für Menschen in Armut “kann ‘genug’ … auch ‘mehr’ bedeuten”, schreibt der SRU.

Mit den beiden Punkten bezieht der Rat sich ausdrücklich auf die Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesregierung, in der die planetaren Grenzen und die Orientierung an einem Leben in Würde für alle als “absolute Leitplanken für politische Entscheidungen” genannt werden.

Innovation und Markt allein reichen nicht

Effizienzgewinne, der Einsatz umweltfreundlicherer Ressourcen und technischer Fortschritt allein reichten dabei nicht aus, um die ökologischen Krisen zu bewältigen, schreibt der SRU außerdem. Suffizienz sei eine unabdingbare, ergänzende Strategie. Zwar seien Innovation und technische Lösungen “unentbehrlich”. Aber “dass sich die Wende zur Nachhaltigkeit allein durch Innovation und Technologie realisieren lässt, ist eine Hypothese, für die es keine ausreichende Evidenz gibt – im Gegenteil spricht vieles dagegen”.

Ähnlich bewertet der Rat marktwirtschaftliche Instrumente: Zwar leisteten sie “einen wertvollen Beitrag”, könnten aber “nicht das alleinige Steuerungsinstrument sein”.

Ein gesellschaftlicher Lernprozess

Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler rechnen damit, dass Bestrebungen für mehr Suffizienz auf gesellschaftlichen Widerstand stoßen werden. Auch das thematisieren sie in ihrem Diskussionspapier.

Erdsystemwissenschaftler Lucht sagt, es gehöre zum Wesen einer Demokratie, “dass wir den Mut haben, uns wissenschaftlichen Einsichten auch dann zu stellen, wenn sie unbequem sind“. Er setzt auf einen gesamtgesellschaftlichen Lernprozess, an dessen Ende eine suffiziente Lebensweise ebenso selbstverständlich sein könne wie heute der Sozialstaat und das Wahlrecht für alle. “Vor hundert Jahren schien auch das noch utopisch. Aber heute ist es in unserem Land Realität.”

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News

UN-Bericht: Weniger als ein Viertel des Elektroschrotts wird recycelt

Im Jahr 2022 sind weltweit 62 Millionen Tonnen Elektroschrott angefallen. Das sind durchschnittlich 7,8 Kilogramm pro Kopf. Damit hat sich die Menge an pro Jahr weggeworfenen Handys, Computern, Bildschirmen und anderen Geräten seit 2010 fast verdoppelt. Das geht aus dem neuen Global E-Waste Monitor der Vereinten Nationen hervor, der am Mittwoch vorgestellt wurde.

Besonders bedenklich: Mit 22 Prozent wurde im Jahr 2022 nicht einmal ein Viertel des anfallenden Elektroschrotts recycelt. Durch Verbrennung, Deponierung und unzureichende Verwertung seien natürliche Ressourcen im Wert von 62 Milliarden US-Dollar verloren gegangen. Mehr als vier Fünftel davon entfielen auf die Metalle Kupfer, Gold und Eisen, rechnen die Autoren des Berichts vor.

Bis 2030 rechnen sie mit einem weiteren Anstieg des Elektroschrottaufkommens auf jährlich 82 Millionen Tonnen. Für den gleichen Zeitraum befürchten sie einen Rückgang der Recyclingquote auf 20 Prozent.

“Um die immer weiter steigenden Mengen an Elektro- und Elektronik-Altgeräten zu verringern, bedarf es eines ganzheitlichen und nachhaltigen Produktdesigns”, sagt Magnus Fröhling, Professor für Circular Economy an der TU München. Dabei könne es nicht nur um das Produkt selbst gehen. Vielmehr brauche es auch ein verändertes Geschäftsmodell, das zum Teilen statt Besitzen oder zu einer längeren Nutzung anrege, so Fröhling.

Am meisten Elektroschrott pro Kopf fällt in den Industrienationen an. In Deutschland handelte es sich im Jahr 2022 um 21,2 Kilogramm. In Europa waren es durchschnittlich 17,6 Kilogramm. Im Vergleich dazu fielen in Asien nur 6,4 und in Afrika lediglich 2,5 Kilogramm pro Kopf an. ch

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Industrieverband fordert Entlastung beim Lieferkettengesetz

“Ich erwarte, dass die Bundesregierung nun möglichst schnell jenes Entlastungspaket umsetzt, das das Bundesarbeitsministerium im Februar für den Fall der Annahme der EU-Lieferkettenrichtline angekündigt hatte”, sagte BDI-Hauptgeschäftsführerin Tanja Gönner zu Table.Briefings. Wie umfassend die Entlastung damit wäre, sei allerdings “schwer einzuschätzen”. Die gleiche Forderung erhebt Carl-Julius Cronenberg, mittelstandspolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion: Bis zur vollen Implementierung der europäischen Lieferkettenrichtline “gilt es, alle Spielräume für Bürokratieabbau auf nationaler Ebene zu nutzen”, sagte er auf Anfrage. Dazu gehörten “alle bestehenden Berichtspflichten auf den Prüfstand”.

Bisher spielt eine Wiederaufnahme des seinerzeit angebotenen Entlastungspakets in der Bundesregierung keine Rolle, erfuhr Table.Briefings aus Regierungskreisen. Das BMAS hatte darin umfassende Entlastungen beim deutschen Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz vorgestellt. Damit versuchte Arbeitsminister Hubertus Heil erfolglos, die Zustimmung der FDP zum europäischen Lieferkettengesetz zu gewinnen. Letztendlich nahmen die EU-Mitgliedsländer die Richtlinie vergangenen Freitag trotz der Enthaltung Deutschlands an.

Der Entlastungsplan von Hubertus Heil sah Erleichterungen unter anderem bei den Berichtspflichten und der Risikoanalyse vor. Unternehmen sollten berücksichtigen dürfen, welches “Rechtsdurchsetzungsniveau” es in den Produktionsländern jeweils gibt. Außerdem sollte es mehr Rechtssicherheit für Brancheninitiativen geben, die unternehmensübergreifende Audits und Zertifikate anstreben. cd

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Mehr Länder schaffen Institutionen zur Umsetzung der globalen Nachhaltigkeitsziele

Die Zahl der Länder, die für die Umsetzung der Globalen Nachhaltigkeitsziele neue Institutionen eingerichtet haben, ist 2023 von 57 auf 72 Prozent gestiegen. Und: 15 Prozent davon sind auf höchster Ebene verankert, also in der obersten Regierungsetage. Das hebt der neue Report “Progressing National SDGs Implementation” positiv hervor, der von einer internationalen Gruppe zivilgesellschaftlicher Organisationen und NGOs jährlich herausgebracht wird.

Die Autoren analysieren die freiwilligen nationalen Fortschrittsberichte (“Voluntary National Reviews”, VNR), zu denen die Mitgliedsstaaten der UN seit der Verabschiedung der Sustainable Development Goals 2015 aufgefordert sind. Vergangenes Jahr sind 38 Länderreports und ein regionaler Report der EU eingereicht worden; die ganz überwiegende Zahl der Staaten hat bereits zum zweiten Mal einen Report erstellt.

Viele Informationen fehlen

Laut des neuen Überblicksberichts gehen 82 Prozent aller nationalen Reviews auf alle 17 SDGs ein; 2022 waren es 77 Prozent. Allerdings sei bei nur 38 Prozent ein “Multi-Stakeholder”-Ansatz erkennbar – die meisten Untersuchungen werden also nicht im Dialog mit anderen Anspruchsgruppen angefertigt. Die Verfügbarkeit der Daten ist ebenfalls ein Problem. Weniger als 20 Prozent der Länder erklärten, über die notwendigen detaillierten Informationen zu verfügen. Die Versuche, alle Menschen bei dem Wandel mitzunehmen und sie profitieren zu lassen (“Leave No One Behind”), sind längst nicht überall erfolgreich: Vor allem Kinder, Jugendliche und ältere Menschen blieben bei der Transformation zurück.

Neben dem unabhängigen Progress-Bericht der NGOs fassen auch die UN ihre Erkenntnisse aus den VNRs jährlich in einem Papier zusammen. In dem aktuellen Bericht kommen sie zu dem Ergebnis, dass die nationalen Berichte “zahlreiche Beispiele von Umweltzerstörungen aufzeigen”, die eine Folge des fortschreitenden Klimawandels und des Verlusts an Biodiversität sind. Dazu zählten Erdbeben, Hurrikane, Dürren und humanitäre Katastrophen. Außerdem seien sie gezeichnet von den Bemühungen der jeweiligen Gesellschaften, das Leben nach der Covid-19-Pandemie wieder zu normalisieren.

Seit 2016 sind fast 400 VNRs erstellt worden, sie können hier eingesehen werden. Deutschland hat 2016 und 2021 einen VNR veröffentlicht. maw

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T&E: Verkehr macht 2030 fast die Hälfte der EU-Emissionen aus

Wenn Europa bis 2050 Netto-Null-Emission erreichen wolle, müsse man anfangen, das Problem der Verkehrsemissionen ernst zu nehmen, heißt es in einer neuen Analyse der Umweltorganisation Transport and Environment (T&E). Seit 1990 seien die verkehrsbedingten Emissionen in Europa um mehr als ein Viertel gestiegen und würden voraussichtlich auch weiter steigen, während die Emissionen der Gesamtwirtschaft bereits sänken.

2030 werde der Verkehr fast die Hälfte aller Treibhausgasemissionen in Europa ausmachen, so T&E. “Unter den derzeitigen klimapolitischen Maßnahmen könnte der Anteil des Verkehrs an den Treibhausgasemissionen insgesamt von heute 29 Prozent auf 44 Prozent im Jahr 2030 steigen.”

T&E pocht daher auf:

  • den Stopp des Ausbaus neuer Flughafen- und Autobahnkapazitäten,
  • bessere Energieeffizienz in der Schifffahrt,
  • verbindliche E-Auto-Ziele für Unternehmen, um Dienstwagenflotten schneller zu dekarbonisieren,
  • eine Priorisierung der direkten Elektrifizierung im Straßenverkehr gegenüber Wasserstoff und E-Fuels.

T&E untersuchte in der Analyse “The State of European Transport” auch die derzeitigen EU-Regulierungen für den Sektor. Demnach würden die Verkehrsemissionen 2040 nur um 25 Prozent und 2050 um 62 Prozent gegenüber dem Stand von 1990 verringert werden. 2040 will die EU-Kommission ihre Emissionen bereits um 90 Prozent gegenüber 1990 gesenkt haben, 2050 muss Europa klimaneutral sein. luk

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Wasserstoff: Hyphen-Projekt in Namibia potenziell “strategisch”

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck und Namibias Energieminister Tom Alweendo haben mehrere Vereinbarungen zur Zusammenarbeit unterschrieben. Wie das BMWK mitteilte, unterstützt Deutschland den Aufbau des “Green Hydrogen Namibia Programme”. Die neue Organisation soll unter anderem Umweltverträglichkeitsprüfungen für grüne Wasserstoffprojekte durchführen. Zudem wird die Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB) namibische Behörden bei der Entwicklung technischer Standards für grünen Wasserstoff und bei der Formulierung von Gesetzen und Normen beraten und Fachkräfte schulen.

“Namibia hat ideale Voraussetzungen, um mit Hilfe von Wind- und Solarenergie günstigen und klimafreundlichen grünen Wasserstoff herzustellen”, sagte Habeck. “Dies eröffnet dem afrikanischen Land völlig neue wirtschaftliche Perspektiven und trägt zum Aufbau eines internationalen Wasserstoffmarktes bei.”

Wertschöpfung in Namibia und Deutschland erhofft

Zudem stellt Habeck dem Wasserstoffprojekt “Hyphen Hydrogen Energy” die Anerkennung als strategisches “Auslandsprojekt im Interesse der Bundesrepublik Deutschland” in Aussicht. Hyphen wurde von Namibias Regierung zur Umsetzung eines ersten Wasserstoff-Großprojekts ausgewählt. Der südafrikanische Projektierer Hyphen gehört zur Hälfte dem Brandenburger Unternehmen Enertrag.

Das Projekt mit einem Investitionsumfang von mehr als zehn Milliarden US-Dollar soll ab 2027 Wasserstoff aus entsalztem Meerwasser produzieren.

  • Der notwendige Strom soll aus Sonnen- und Windkraft erzeugt werden.
  • Zur Verschiffung nach Europa und Asien wird der Wasserstoff – avisiert sind 350.000 Tonnen im Jahr – in Ammoniak umgewandelt;
  • ein Teil der erzeugten Energie könnte in Namibia verbleiben.

Ein Sprecher des BMWK erklärte gegenüber Table.Briefings, das strategisch eingeordnete Projekt werde “besonders flankiert”. Bei der Außenwirtschaftsförderung werde “eine Extra-Meile” gegangen. Seit Ende 2023 gehören dazu Vorhaben, mit denen Deutschland Energieabhängigkeiten verringern sowie den Klimaschutz und nachhaltige Entwicklung im Anlageland stärken kann. Außerdem sollen solche Projekte eine hohe Wertschöpfung in Deutschland nach sich ziehen. Enertrag, welches derzeit eine private Finanzierung für das Projekt einwirbt, muss nun detaillierte Informationen zur Umsetzung sowie zur finanziellen Strukturierung vorlegen, damit das Projekt endgültig für die besondere Unterstützung angenommen werden kann. av

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KfW will ökologisches Geschäft ausbauen

Die KfW will neue nachhaltige Arbeitsfelder erschließen. Wie aus Bankenkreisen vor der heutigen Vorstellung ihrer Bilanz zu hören war, erwägt die staatliche Förderbank ein Programm zur Geothermie. Auch in der allgemeinen Unternehmensfinanzierung arbeitet die KfW an ihrem ökologischen Profil. Im Dezember 2023 erweiterte sie die Sektorleitlinien für emissionsintensive Branchen, mit denen sie ihre Aktivitäten durchweg in Einklang mit den Pariser Klimazielen bringen will. Solche Vorgaben wurden für die Sektoren Autoindustrie, Eisen- und Stahlproduktion, Gebäude sowie Luft- und Schifffahrt bereits 2021 eingeführt und 2022 verschärft. Jetzt gibt es auch für die Öl- und Gasindustrie eine Klima-Leitlinie, die die gesamte Wertschöpfungskette dieser Branche umfasst.

Förderung von Gasterminals

Trotzdem wird die KfW wohl weiter den Bau von LNG-Terminals in Deutschland unterstützen. Im Auftrag des Bundes hat sich die Staatsbank an einem schwimmenden Terminal in Brunsbüttel beteiligt, das künftig durch eine feste LNG-Anlage an Land ergänzt werden soll.

Die NGOs Urgewald und Deutsche Umwelthilfe fordern hingegen, dass sich das Institut aus der Finanzierung solcher Projekte komplett zurückzieht. Denn an den Terminals würde Erdgas entladen, das großteils in den USA mit dem umweltschädlichen Fracking-Verfahren gefördert wird. Doch die Bank sieht ihre Hände gebunden. “Der Bund kann die KfW-Bankengruppe mit der Durchführung von Geschäften beauftragen, an dem ein staatliches Interesse der Bundesrepublik Deutschland besteht”, stellte ein Sprecher unter Verweis auf das KfW-Gesetz fest.

Volumen stark zurückgegangen

Die Förderung der ökologischen Transformation durch die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) ist 2023 eingebrochen. Das Volumen an Mitteln, die an Unternehmen gingen, schrumpfte gegenüber dem Vorjahr um 42 Prozent auf elf Milliarden Euro. Auch insgesamt nahmen die Aktivitäten ab – von 136 auf 77 Milliarden Euro. Das gab die staatliche Förderbank bereits bekannt.

Gründe für die gesunkenen Zahlen: Die umfangreichen Hilfsprogramme für die Wirtschaft, die nach dem Beginn des Ukraine-Kriegs gestartet wurden, sind weitgehend ausgelaufen. Auch für energieeffiziente Gebäude gelten nun schärfere Vorschriften. Fördern darf die KfW nur private, kommunale und gewerbliche Bestandsgebäude, die die gesetzlichen Vorgaben übertreffen. Außerdem haben manche erneuerbaren Energien die Schwelle zur kommerziellen Nutzung überschritten. Windparks und Photovoltaik können mittlerweile auch ohne KfW-Subventionen profitabel betrieben werden. Günter Heismann

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Presseschau

“Ich sage mit Konrad Adenauer: Keine Experimente” – Die Zeit
Ein Autorenteam befragt den deutschen Wirtschafts- und Klimaminister. Zentrale Nachricht: Robert Habeck will die Kosten für die Netzentgelte im Strombereich zeitlich strecken, durch ein Amortisationsmodell, das ähnlich wie beim geplanten Wasserstoffkernnetz funktioniert. Zum Artikel

New Rules Will Still Push Carmakers to Sell More Electric Cars – New York Times
Die neuen Vorschriften der Biden-Administration für Kraftfahrzeuge sind weniger streng als ein früherer Vorschlag. Autor Jack Ewing ist trotzdem überzeugt davon, dass die Hersteller künftig mehr billigere Elektrofahrzeuge produzieren und anbieten. Zum Artikel

Das ändert das neue Anti-Plastik-Gesetz – Süddeutsche Zeitung
Kaum ein Gesetz habe so große Auswirkungen auf den Alltag wie die neue Verpackungsverordnung der EU, schreibt Jan Diesteldorf. Die Regelungen, deren endgültige Annahme noch aussteht, sehen Verbote für manche Produkte vor, sowie Recyclingquoten und ein Pfandsystem. Zum Artikel

Wie der Klimawandel Seen zu gänzlich anderen Gewässern macht – Standard
Die Seen werden immer wärmer und sauerstoffärmer. Auch die darin vorkommenden Arten verändern sich. In der Fischerei bemerkt man diesen Wandel bereits, berichtet Markus Wanzeck. Zum Artikel

Banken kritisieren unklare ESG-Kreditregeln – Börsen-Zeitung
Zwei von drei Banken in Deutschland bemängeln, dass die Bafin keine nachvollziehbaren Vorgaben zu ESG-Risiken bei Firmenkundenkrediten macht. Dies erhöhe den Aufwand unnötig, so Wolf Brandes. Zum Artikel

Die meisten passiven ESG-Fonds investieren in Öl- und Gasprojekte – Tippinpoint
Mehr als zwei Drittel der als nachhaltig vermarkteten passiven Fonds finanzieren das Wachstum der fossilen Brennstoffindustrie. Zu diesem Ergebnis kommt eine Untersuchung der Organisation Reclaim Finance, über die Beat Schmid berichtet. Zum Artikel

Natürliche CO₂-Senken: Die klimafreundlichen Riesen – Klimareporter
Die gigantischen Mammutbaumwälder Kaliforniens absorbieren mehr CO₂ als jedes andere Ökosystem an Land. Eine Studie zeige, dass die Baumriesen auch in Europa gut gedeihen könnten, schreibt David Zauner. Zum Artikel

Dutch court rules KLM ads ‘misleading’ in greenwashing case – Financial Times
Die niederländische KLM darf nicht mehr mit “nachhaltigem Fliegen” werben, da dies irreführend sei. Dies hat ein Amsterdamer Gericht entschieden, berichten Kenza Bryan und Philip Georgiadis. Bei einer Konferenz in Brüssel wehrten sich europäische Airline-Chefs zugleich gegen Klimaauflagen. “Wir sind in großer Gefahr, in Europa ins Hintertreffen zu geraten”, sagte Carsten Spohr von der Lufthansa. Zum Artikel

Heads

Sandra Wolf – die Botschafterin eines neuen Wirtschaftens

Sandra Wolf bei den Darmstädter Dialogen für besseres Wirtschaften.

Als sich Riese & Müller 2017/18 vornahm, der nachhaltigste Fahrradhersteller zu werden, “formulierten wir dafür keine Kriterien”, sagte Sandra Wolf kürzlich bei einer Podiumsdiskussion der IHK Darmstadt zum Thema Unternehmensverantwortung und Lieferketten. Ihr Ziel sei es gewesen, die “Branche aufzurütteln”, weil diese sich sehr lange darauf ausgeruht habe, mit dem Produkt Fahrrad ein nachhaltiges Gefährt zu verkaufen, “aber die Lieferkette als solche nicht dargestellt” habe. 

Hindernisse überwinden, wie bei der vegetarischen Kost in der Kantine

Zur Freude der Unternehmerin war das Echo groß. Es seien Initiativen mit anderen Unternehmen entstanden. Einiges habe sich getan, vor allem beim Hersteller selbst, der im hessischen Mühltal mit 900 Mitarbeitenden E-Bikes produziert. “Wir haben uns erst einmal im eigenen Betrieb umgeschaut, was ich nur jedem empfehlen kann”, sagt Wolf. So hätten sie durch die Einführung eines neuen Warensicherungssystems den Einsatz von Plastik um 95 Prozent senken können. Allerdings bekamen sie beim Thema Plastik Ärger mit ihren Händlern, als sie Verpackungsmaterial wieder verwendeten. “Die Empörung war relativ groß”, erzählt sie. Händler hätten sich beschwer, dass Riese & Müller ihnen “ihren Müll schicke”, sagt die Unternehmerin. Man habe reagiert und eine Schreddermaschine angeschafft, um Kartonagen als Füllmaterial zu verwenden, “was optisch auch schöner ist”.

Auch die Entscheidung für vegetarische Kost in der Kantine und im Café der Firma stieß auf Widerstand beim wichtigen “Tag der Händler”. Sie selbst sei keine Vegetarierin, sagt sie. Trotzdem findet sie die Entscheidung angesichts des Zustands des Planeten richtig und hält sie für eine wichtige strategische Positionierung des Unternehmens. Aber dann mussten sie feststellen, dass einige Händler angesichts des Hinweises in der Einladung auf ein vegetarisches Buffet gar nicht erst zum Tag der Händler des Unternehmens anreisten. Die Firma blieb bei ihrer Entscheidung. Mitarbeitende werden ausschließlich vegan oder vegetarisch bekocht, die Zutaten sind regional und bio. “Unsere Philosophie ist Zero Food Waste, wir versuchen, alle Rohstoffe zu verarbeiten.” Die Vorbestellung der Mitarbeitenden helfe dabei, kein Essen wegzuwerfen.

Persönliche Transformation

Die Unternehmerin hat auch eine persönliche Transformation erlebt. Sie studierte in den 1990er-Jahren BWL, “als Nachhaltigkeit keinen Raum in der Wirtschaft hatte”, wie sie sagt. Aber zum Studium in Augsburg hätten schon die Fächer Soziologie und Psychologie gehört. Dort stellte sich die Frage nach dem Sinn und der Ethik des Wirtschaftens, die später für Wolf wichtig werden sollte. Danach habe sie sich als “Corporate Identity”-Beraterin “intensiv mit den Fragen nach den Werten eines Unternehmens beschäftigt”. Sie sei immer wieder darauf gestoßen, “dass ich gute Strategien entwickeln konnte, wenn ich gesehen habe, dass das Unternehmen auf Langfristigkeit ausgerichtet ist und Mensch und Natur nicht schaden will”. Ihre Naturverbundenheit habe erheblich dazu beigetragen, die berufliche und persönliche Haltung zu verzahnen, “um authentisch zu agieren.”

Sie versteht sich als “Botschafterin eines neuen Wirtschaftens” und möchte Unternehmerinnen und Unternehmer mitnehmen, die “sich in eine nachhaltige Richtung entwickeln möchten, also sich auf den Weg machen, um zu verändern”. Ihre Art und ihre pointierten und persönlichen Aussagen zur notwendigen Transformation kommen bei den Zuhörern der Diskussion in der IHK gut an.

Vor elf Jahren, mit immerhin 40 und einer Menge Berufserfahrung, promovierte sie am Wittener Institut für Familienunternehmen bei Andreas Hack. Ihr Thema: “Signaling Family Firm Identiy”. Sie beschäftigte sich mit Botschaften, die Familienunternehmen bewusst oder unbewusst aussenden, wollte wissen, wie sich dies auf das Vertrauen auswirkt und welche Konsequenzen dies wiederum für Bewerbende hat. Noch heute engagiert sie sich im Aufsichtsrat der Universität.

Die Unternehmerin musste aber auch erfahren, dass nicht jeder in der Belegschaft ihre Begeisterung für eine nachhaltige Wirtschaftsweise auf gleiche Weise teilt. Trotzdem geht sie ihren Weg beharrlich weiter, zumal sie auch eine Menge positive Erfahrungen macht, zum Beispiel mit den Zulieferern bei dem Prozess, die globalen Lieferketten transparent zu gestalten. Riese & Müller schaffte sich dafür die Software Sustainabill an und ging mit den Lieferanten in den Austausch.

Lieferkettengesetz als Start einer Transformation

Mittlerweile würde der Mittelständler 98 Prozent seiner direkten Lieferanten genau kennen, und bereits 51 Prozent der Tier-2-Lieferanten. Schwierig sei es mit den Tier-3-Lieferanten, räumt Wolf ein. Und es sei ein dynamischer Prozess. Immer wieder sei man als Unternehmen in den Lieferketten mit neuen Situationen konfrontiert und müsse entscheiden. Was machen Sie, wenn ihr Zulieferer sagt, für die Baugenehmigung in Indonesien müsse man Geld zahlen? “Dann könnte ich sagen, das ist Korruption, aber was bedeutet dies für mich?” Im Austausch würden sich jedoch Lösungen finden lassen. Wichtige Themen in den eigenen Lieferketten seien zum Beispiel starker Lärm in Fabriken oder der Einsatz umweltschädlicher Lacke.

Das Lieferkettengesetz begreift Wolf als Start in die Transformation. Sie sei keine Politikerin und könne deswegen nur rudimentär beurteilen, ob Gesetze gut oder schlecht gemacht seien. Aber solche Gesetze seien notwendig, auch auf europäischer Ebene. Wenn sich Unternehmen damit beschäftigen müssten, führe dies auch zu besseren Beziehungen mit den Handelspartnern, findet sie. Die Transformation sieht sie als einen spannenden, generationsübergreifenden Gestaltungsprozess an, der weit in die Zukunft gerichtet ist. Dabei sieht sie sich auch in der Pflicht: “Mein Auftrag als Unternehmerin ist es auch, zu heilen, was in der Vergangenheit passiert ist”, sagt sie. Nach der Veranstaltung schwingt sie sich auf ihr Fahrrad, was sie fast immer benutzt. Caspar Dohmen

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  • Transformation
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Climate.Table – Geld, Netze, Priorität: So soll die Verdreifachung der Erneuerbaren gelingen: Auf der COP28 in Dubai wurde beschlossen, bis 2030 die globalen Kapazitäten von Erneuerbaren zu verdreifachen. Davon ist die Welt weit entfernt, zeigt ein neuer Bericht. Aber beim Energiewende-Dialog in Berlin gab es viele Ideen, wie das Ziel erreicht werden soll. Zum Artikel

Climate.Table – Warum die Wärmepumpen-Förderung verhalten gestartet ist: Seit dem Start der Heizungsförderung sind rund 8.000 Anträge für Wärmepumpen eingegangen. Während das BMWK sich zufrieden zeigt, herrscht in der Branche Ernüchterung. Der Absatz dürfte noch deutlich steigen, hoffen wichtige Akteure und fordern bessere Rahmenbedingungen. Zum Artikel

China.Table – EU-Handelskammer warnt vor chinesischer Überproduktion: Peking setzt vermehrt auf Export, um die schwächelnde heimische Wirtschaft auszugleichen. Die Überkapazitäten könnten zu einem echten Problem werden, betont die EU-Handelskammer. Zum Artikel

ESG.Table Redaktion

ESG.TABLE REDAKTION

Licenses:
    Liebe Leserin, lieber Leser,

    für ein Wirtschaften innerhalb der planetaren Grenzen ist die Schaffung echter Kreisläufe essenziell. Davon ist die Menschheit weit entfernt, was neue Zahlen der Elektroschrottentwicklung zeigen, die heute bei uns Thema sind. Ein Großteil der Altgeräte, in denen wertvolle Rohstoffe stecken, landet noch immer auf dem Müll oder wird verbrannt.

    Die Bundesregierung strebt deshalb auch mehr Kreislaufwirtschaft an und berät über eine Strategie dazu. Um die Stoffströme effizienter in Kreisläufen zu organisieren, bedarf es geeigneter Indikatoren. Nicolas Heronymus analysiert den Stand der Debatte.

    Aber schon aus physikalischen Gründen gibt es keine perfekte Kreislaufwirtschaft. Daher kommt die Menschheit wohl nicht darum herum, weniger Rohstoffe zu verbrauchen, um die planetaren Grenzen einzuhalten. Notwendig ist deswegen auch eine Diskussion über Suffizienz, also ein möglichst geringer, die natürliche Begrenzung der Ressourcen berücksichtigender Rohstoffverbrauch. Mit dem Thema beschäftigt sich Alexandra Endres.

    Bei der Umgestaltung der Betriebe spielen Gewerkschaften in Deutschland traditionell eine wichtige Rolle: gerade, wenn es um effizientere Abläufe, aber auch die soziale Akzeptanz des Wandels geht. Die Rolle der Gewerkschaften in der Transformation untersucht Carsten Hübner aus Anlass der Betriebsratswahlen bei Tesla in Grünheide, wo die IG Metall eine Mehrheit verfehlt hat.

    Wie wichtig am Ende des Tages Menschen mit Idee und Überzeugungskraft für die Schaffung einer zukunftsfähigen Wirtschaft sind, zeigt das Beispiel von Sandra Müller, Mit-Geschäftsführerin bei dem E-Bike-Hersteller Riese & Müller. Über sie habe ich ein Porträt geschrieben.

    Ihr
    Caspar Dohmen
    Bild von Caspar  Dohmen

    Analyse

    Strategie zur Kreislaufwirtschaft kurz vor Abstimmung: Präzise Indikatoren fehlen noch

    Elektronikschrott: Die Aufbarbeitung von Sekundärrohstoffen wie Siliciumsubstraten ist ein Zukunftsmarkt.

    Im April will das Bundesumweltministerium die Nationale Kreislaufwirtschaftsstrategie (NKWS) in die Ressortabstimmung geben. Ziel der Strategie ist, den Verbrauch von Primärrohstoffen hierzulande zu senken. Dafür sollen auch mehr Sekundärrohstoffe, etwa recycelte Materialien, bei der Herstellung von Produkten verwendet werden.

    Derzeit gibt es aber “keine aussagekräftigen Indikatoren zur tatsächlich genutzten Menge an Sekundärrohstoffen”, konstatiert das Büro für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag (TAB) in einem aktuellen Bericht. Aus Sicht verschiedener Experten kommt es daher darauf an, die Grenzen der verfügbaren Indikatoren offen zu kommunizieren und bessere Indikatoren für die breite Anwendung zu entwickeln.

    Rohstoffverbrauch – keine Aussagen zu Umwelt oder Unabhängigkeit

    Für Aussagen zum Rohstoffverbrauch eines Staates wird in der Regel der Indikator “Raw Material Consumption” (RMC) genutzt. Dieser misst in Äquivalenten die Gesamtmenge an Rohstoffen, die in einer Volkswirtschaft zur Herstellung der dort genutzten Güter benötigt wird. Der RMC gilt daher auch als materieller Fußabdruck.

    Er berücksichtigt Rohstoffe für die Herstellung eines Produkts, die vor dem Import im Ausland genutzt wurden – so bildet er den Rohstoffeinsatz genauer ab als der Indikator “Domestic Material Consumption” (DMC), der dies nicht tut. Die Exporte werden bei beiden Indikatoren herausgerechnet.

    In Deutschland liegt der RMC aktuell bei fast 16 Tonnen pro Kopf – und damit leicht über dem Durchschnitt der EU. Fachleute gehen davon aus, dass sich der Wert mindestens halbieren müsste, um langfristig innerhalb der planetaren Grenzen leben zu können. Österreich etwa strebt in seiner Kreislaufwirtschaftsstrategie eine Reduzierung auf sieben Tonnen bis 2050 an.

    Der RMC selbst sagt jedoch nichts über die Umweltauswirkungen von Rohstoffnutzung aus, obwohl er auch die vorgelagerte Wertschöpfungskette abdeckt. Trotzdem stelle der RMC einen geeigneten Indikator dar, weil er “richtungssicher” sei, sagt Henning Wilts, Abteilungsleiter Kreislaufwirtschaft am Wuppertal Institut. “Wenn der Ressourcenverbrauch sinkt, ist das auch gut fürs Klima oder die Biodiversität – davon kann man ausgehen”, ergänzt der Wissenschaftler.

    Für die Bundesregierung geht es überdies darum, durch die Kreislaufwirtschaft die Abhängigkeit des rohstoffarmen Deutschlands von anderen Staaten zu reduzieren. Wenn hierzulande mehr Rohstoffe im Kreislauf gehalten werden, sinkt die Nachfrage nach Primärrohstoffen und die Abhängigkeit von Importen – so die Annahme. Doch auch darüber sagt der RMC nichts aus. Um diesbezüglich bessere Einschätzungen zu treffen, könnten Indikatoren zu Recyclingquoten für wichtige “kritische Rohstoffe” helfen, sagt Wilts. Die EU aktualisiert alle drei Jahre eine entsprechende Liste. Im Monitoring-Framework der EU für Kreislaufwirtschaft gibt es zudem einen Indikator für die Abhängigkeit von Materialimporten.

    Recycling – wie viel wird tatsächlich wiederverwendet?

    Dass Deutschland über eine leistungsfähige Abfallwirtschaft mit teils hohen Recyclingquoten verfügt, resultiere “nicht unbedingt in einer starken Kreislaufwirtschaft”, stellt das TAB in seinem Bericht fest. Das liegt unter anderem daran, dass Recyclingquoten keine Aussagen darüber zulassen, wie zirkulär ein Stoffstrom tatsächlich ist.

    Die Recyclingquoten für Siedlungsabfälle etwa werden auf Grundlage der Menge berechnet, die fürs Recycling zur Verfügung steht – ohne Berücksichtigung von Verunreinigungen und Fehlwürfen. An ihnen lässt sich auch nicht ablesen, ob recycelte Materialien wiederverwendet werden. Zudem sind Änderungen der Abfallmengen nicht direkt ersichtlich, weil die Quoten relativ sind.

    Das gleiche Problem besteht bei der “Circular Material Use Rate” (CMU), die unter anderem die EU als Indikator für Kreislaufwirtschaft nutzt. Die CMU steht für das Verhältnis von Abfällen, die in Recyclinganlagen landen, und dem inländischen Materialverbrauch (DMC). 2022 lag sie in der EU im Schnitt bei 11,5 Prozent, in den Niederlanden waren es 27,5 Prozent, in Deutschland 13 Prozent. Bis 2030 will die EU die unionsweite Durchschnittsrate verdoppeln.

    Die CMU sei “ein pragmatischer Schritt, um den Beitrag der Sekundärrohstoffe an der Gesamtrohstoffnachfrage in allen EU-Ländern vergleichbar zu messen” – obwohl durch die Nutzung des DMC “mögliche Verlagerungen von (Umwelt-)Belastungen auf andere Länder nicht sichtbar” werden, heißt es in einer Untersuchung des Instituts für Energie- und Umweltforschung Heidelberg. Auch wenn die CMU nicht “der ideale Indikator” sei, würde sie einen guten Eindruck davon vermitteln, “dass wir noch ein ganzes Stück von geschlossenen Kreisläufen entfernt sind”, sagt Henning Wilts.

    Substitutionsquoten und Ersparnis von Primärrohstoffen

    Für Abschätzungen zur tatsächlich genutzten Menge an Sekundärrohstoffen braucht es aus Sicht von Fachleuten Substitutionsquoten. Diese geben Auskunft darüber, wie groß der Anteil von Sekundärmaterialien an der Gesamtmenge der eingesetzten Rohstoffe ist. Für eine solche Quote spricht sich die Ressourcenkommission am Umweltbundesamt aus. Sie sei wichtig, “um die wirtschaftliche und ökologische Leistungsfähigkeit unserer Kreislaufwirtschaft ganzheitlich zu bewerten”. Überdies könne sie die nötige Datengrundlage bilden, “um die Ressourcenschonung durch den Rezyklateinsatz zu ermitteln”.

    Im Monitoring-Framework der EU für Kreislaufwirtschaft gibt es bereits einen vergleichbaren Indikator, die Verwendungsrate von recyceltem Altmaterial (EOL-RIR). Laut der Ressourcenkommission steht aber “bisher keine konsistente und valide Datengrundlage zur Berechnung des Indikators zur Verfügung”.

    Indikatoren für die Menge eingesparter Primärrohstoffe sind noch in der Entwicklungsphase. Das Umweltbundesamt hat 2019 für die 30 wichtigsten Stoffströme, zum Beispiel Kupfer oder Papier, ermitteln lassen, wie groß die Ersparnis durch Sekundärmaterialien ist. Hätte es in diesen Stoffströmen im Jahr 2013 keine Verwertung von Material gegeben, hätte der Rohstoffbedarf in Deutschland 18 Prozent höher gelegen. Die Indikatoren (DERec und DIERec) sollen durch die Begleitforschung für die NKWS aktualisiert werden, sodass kommendes Jahr valide Zahlen vorliegen würden.

    Indikatoren für weitere Kreislaufstrategien auch nicht ausgereift

    Neben Recycling gibt es neun weitere, oft als höherwertig bezeichnete Strategien, die die Kreislaufwirtschaft voranbringen könnten. Diese erstrecken sich über den gesamten Lebenszyklus von Produkten: Am Anfang steht etwa, Produkte herzustellen, die lange halten und reparierbar sind. Später bedeutet Kreislauffähigkeit zum Beispiel, dass Materialien sich wiederverwenden lassen. Vielfach müssen dafür ebenfalls noch aussagekräftige, gut vergleichbare Indikatoren gefunden werden.

    • Circular Economy
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    IG Metall wird stärkste Kraft im Tesla-Betriebsrat: Diese Konflikte könnten die nächsten Jahre bestimmen

    “Gigafactory” in Brandenburg: Tesla-Boss Musk ist ein erklärter Gewerkschaftsgegner.

    Die IG Metall ist aus dem Stand zur stärksten Fraktion im Betriebsrat des Tesla-Werks in Grünheide gewählt worden. Nach Angaben des Wahlvorstands erhielt die Liste “IG Metall Tesla Workers GFBB” 3.516 der 8.917 gültigen Stimmen und damit 39,4 Prozent. Auf Platz zwei folgt mit 35,9 Prozent “Giga United”, die Liste der bisherigen Betriebsratsvorsitzenden Michaela Schmitz.

    Die restlichen Stimmen verteilten sich auf mehrere kleinere Listen. Die Wahlbeteiligung lag bei rund 80 Prozent. In dem Werk arbeiten rund 12.500 Beschäftigte.

    Die IG Metall wertete das Ergebnis in einer ersten Reaktion als Erfolg. Dirk Schulze, Bezirksleiter der IG Metall Berlin-Brandenburg-Sachsen, sprach von “einem fantastischen Wahlkampf mit einem klaren und überzeugenden Programm für bessere Arbeitsbedingungen bei Tesla”. Werksleiter André Thierig betonte dagegen noch am Abend der Auszählung im Nachrichtendienst X, die Belegschaft habe sich “mehrheitlich gegen einen gewerkschaftlichen Betriebsrat ausgesprochen”.

    Konfliktlinie Tarifvertrag

    Damit scheint die Konfliktlinie für die nächsten Jahre vorgezeichnet. Denn neben den betrieblichen Themen steht eine zentrale Frage im Hintergrund: Wird es bei Tesla künftig einen Tarifvertrag geben? Tesla-Chef und Großaktionär Elon Musk gilt als erklärter Gewerkschaftsgegner. In den USA liefert er sich regelmäßig Scharmützel mit der Automobilarbeitergewerkschaft UAW. Entsprechend ablehnend äußerten sich wiederholt auch das Management in Grünheide und der bisherige Betriebsrat, der Gewerkschaftern als zu arbeitgebernah gilt.

    Deutlich entspannter als die Verantwortlichen bei Tesla gibt sich der Verband der Metall- und Elektroindustrie (VME), der für die Tarifverhandlungen in der Autoindustrie in Berlin und Brandenburg zuständige Arbeitgeberverband. “Wir arbeiten gut und vertrauensvoll mit unserem Sozialpartner IG Metall zusammen. Unser gemeinsames Ziel ist es, die Metall- und Elektroindustrie zu stärken”, hieß es auf Anfrage von Table.Briefings.

    Dazu sei beispielsweise das Netzwerk Transformation der Automobil- und Zulieferindustrie in Berlin-Brandenburg (ReTraNetz) ins Leben gerufen worden. Die Absage von Tesla an den VME wollte der Sprecher nicht weiter kommentieren: “Wir können nur für den Flächentarif werben und die Vorteile herausstellen. Alles andere ist Sache des Unternehmens.”

    IG Metall in ungewohnter Situation

    Vor diesem Hintergrund kann die Zustimmung zur Liste der IG Metall als ein erster Gradmesser gewertet werden. Denn freiwillig, das zeigen die Erfahrungen andernorts, wird sich das Unternehmen nicht auf Tarifverhandlungen einlassen. Umso wichtiger ist es für die IG Metall, Strukturen im Betrieb aufzubauen, Handlungsfähigkeit zu beweisen und mobilisierungsfähig zu werden.

    Das wird schwer genug. Denn von den insgesamt 39 Sitzen im Betriebsrat entfallen künftig nur 16 auf die IG Metall. Die übrigen 23 Sitze gehen an mehr oder weniger gewerkschaftsferne bis gewerkschaftsfeindliche Listen: “Giga United” (15 Sitze), “One Team” (fünf Sitze), “Giga Fair” (zwei Sitze) und die Liste “Giga für Alle” (ein Sitz). Mit der Konstituierung des neuen Betriebsrates und der Wahl des Vorstandes in den kommenden Wochen wird sich zeigen, wie geschlossen sie gegenüber der IG Metall auftreten werden.

    Für die IG Metall ist dies in mehrfacher Hinsicht eine ungewohnte Situation. Zum einen kratzt sie am Selbstverständnis der mit über 2,1 Millionen Mitgliedern nach eigenen Angaben größten Einzelgewerkschaft der Welt. Zwar gibt es auch an anderen Standorten konkurrierende Betriebsratslisten, doch überall hatte die IG Metall bislang eine klare Mehrheit. Außerdem gelten, bis auf Tesla, für alle Autowerke und großen Zulieferer in Deutschland Tarifverträge.

    Scheitern bei Tesla würde Druck bei anderen Autobauern erzeugen

    Das führt zu einem zweiten Punkt. Denn die IG Metall steht auch unter dem Druck, den tarifgebundenen Unternehmen zumindest indirekt Waffengleichheit zu garantieren. Denn es ist schwer vorstellbar, dass BMW, Mercedes oder Volkswagen lange zuschauen werden, wie sich einer ihrer Hauptkonkurrenten im Zukunftsmarkt E-Mobilität Wettbewerbsvorteile verschafft, indem er tarifliche Standards unterbietet, die ansonsten für alle gelten. Ein Scheitern bei Tesla würde dementsprechend zusätzlichen Druck bei den anderen Autoherstellern nach sich ziehen.

    Die Herausforderung ist also groß. Seit Jahrzehnten wurde in Deutschland kein neues Automobilwerk dieser Größenordnung gebaut. Mittlerweile beschäftigt der Elektroautobauer am Standort Grünheide rund 12.500 Menschen. Sie gewerkschaftlich zu organisieren und schließlich in eine absehbar harte Tarifauseinandersetzung zu führen, erfordert Geschick und einen langen Atem.

    Dabei könnte der IG Metall ausgerechnet Tesla selbst in die Hände spielen. Denn schon in der Vergangenheit sorgten immer wieder Vorwürfe über schlechte Arbeitsbedingungen und mangelnde Arbeitssicherheit für Schlagzeilen.

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    • Autoindustrie
    • Gewerkschaften

    Sachverständigenrat für Umweltfragen prangert Verschwendung an: Klimaziele sind ohne Suffizienz nicht erreichbar

    Wichtiges Ökosystem und CO₂-Senke: Das Naturschutzgebiet Königsdorfer Forst bei Frechen, NRW. Suffizienz kann dazu beitragen, solche Wälder zu erhalten, sagt der SRU.

    Angesichts vielfältiger ökologischer Krisen drängt der Sachverständigenrat für Umweltfragen (SRU) der Bundesregierung auf eine breite politische und gesellschaftliche Debatte über Suffizienz – also einfach gesprochen über die Frage: Wann haben wir genug? In einem Diskussionspapier zum Thema, das am Donnerstag Umweltministerin Steffi Lemke übergeben wurde, spricht das Gremium auch Gerechtigkeits- und Verteilungsaspekte an.

    Ein Sprecher des Bundesumweltminsteriums sagte dazu: “Wissenschaftliche Diskussionsbeiträge wie der des SRU können die Diskussion um Suffizienz versachlichen und bereichern.”

    Klimaziele brauchen Suffizienz

    “Ohne die Vermeidung von Verschwendung werden wir unsere Klimaziele nicht erreichen”, sagt Claudia Kemfert, Leiterin der Abteilung Energie, Verkehr, Umwelt am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) und stellvertretende Vorsitzende des SRU, im Gespräch mit Table.Briefings. “Wir benötigen einen suffizienteren Lebensstil.” Das sei nicht moralisch gemeint. “Es gibt einfach gewisse Notwendigkeiten, denen wir uns stellen müssen. Wir müssen über die Dinge reden, die unser Überleben gefährden.”

    Dabei geht es dem Rat nicht darum, einzelnen Personen vorzuschreiben, wie sie leben sollen. Suffizienzorientierte Politik bedürfe eines politischen Rahmens, schreibt der SRU, und sei zugleich darauf angewiesen, aus der Gesellschaft heraus “mitgestaltet und verstärkt” zu werden.

    Suffizienz beschleunigt Energiewende und schützt Natur

    Für die Klima- und Energiepolitik ist das Papier vor allem aus drei Gründen relevant:

    • Suffizienz, verstanden als absolute Einsparungen im Energieverbrauch, kann die Energiewende erleichtern, verbilligen und beschleunigen.
    • Eine suffizientere, also genügsamere Ressourcennutzung kann dazu beitragen, den Flächenverbrauch zu reduzieren. Sie trägt dadurch zum Erhalt von CO₂-Senken bei – und darüber hinaus ganz generell von Ökosystemen wie etwa Wäldern und Flussauen, die auch für die Anpassung an den Klimawandel wichtig sind.
    • Durch Suffizienz können sich “Spielräume für eine gerechtere Verteilung von Ressourcen” eröffnen, wie die Fachleute schreiben. Dadurch ließen sich beispielsweise soziale Schieflagen besser bekämpfen, die durch steigende CO₂– und Energiepreise sowie Preise für weitere Umweltgüter entstehen.

    Keine Nachhaltigkeit ohne Suffizienz

    Eine nachhaltige Entwicklung sei ohne Suffizienz nicht möglich, schreibt der Rat. In der Energiepolitik ist das zentrale Argument der Fachleute: Die komplette Umstellung der Wirtschaft auf erneuerbare Energiequellen könne schneller, leichter und “erheblich” kostengünstiger gelingen, wenn der Energieverbrauch nicht zugleich stetig weiter wachse – und Suffizienz könne dazu maßgeblich beitragen. Wird weniger Energie nachgefragt, sinken die Emissionen schneller. Weil weniger neue Infrastruktur gebaut werden muss, können Wald- und andere Flächen erhalten werden, die dann auch dem Klimaschutz dienen.

    Wird der Flächenverbrauch darüber hinaus durch Suffizienzstrategien gebremst, etwa indem platzsparender gebaut wird, können wichtige CO₂-Senken wie Wälder und Moore besser erhalten werden. Daneben sind naturbelassene, gesunde Ökosysteme mit einem hohen Artenreichtum widerstandsfähiger gegenüber den Auswirkungen der Klimakrise. Naturnahe Landschaften, etwa entlang von Flüssen, werden ebenfalls gebraucht, um beispielsweise Hochwasser nach Extremregen aufzunehmen.

    Schon jetzt sei die Flächenkonkurrenz in Deutschland hoch, schreibt der SRU. Doch künftig würden “sowohl global als auch in Deutschland” mehr naturnahe Flächen benötigt, um den Artenreichtum und das Klima zu schützen. Der SRU verweist dabei auf Biodiversitätsziele, denen sich auch die Bundesregierung verpflichtet hat, beispielsweise im Kunming-Montreal-Abkommen, das vorsieht, weltweit 30 Prozent der degradierten Ökosysteme zu renaturieren und 30 Prozent aller Land- und Wasserflächen unter Naturschutz zu stellen.

    Zeit, sich der Debatte zu stellen

    Konkrete Empfehlungen für eine “Strategie des Genug” geben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in ihrem Papier ganz bewusst nicht. Ihnen ist klar: Das Thema ist komplex und politisch heikel. Aber sie sagen mit Nachdruck: Es ist höchste Zeit, sich der Debatte zu stellen – in der Politik und der ganzen Gesellschaft. “Alle wissen, dass es so nicht weitergehen kann”, sagt Kemfert.

    “Wir leben ökologisch über unsere Verhältnisse”, sagt SRU-Mitglied Wolfgang Lucht, Leiter der Abteilung Erdsystemanalyse am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK). “Aber wir vermeiden es gern, darüber zu diskutieren, wie unsere Zivilisation ökologischer und zugleich gerechter werden kann – denn es wirft schwierige Fragen auf, denen wir aber nicht ausweichen sollten.”

    Auch der Ethikrat hatte in der vergangenen Woche angemahnt, die Lasten und Pflichten im Kampf gegen den Klimawandel so zu verteilen, dass “möglichst alle Menschen jetzt und in Zukunft die Mindestvoraussetzungen für ein gutes und gelingendes Leben erreichen können”.

    Ziel: Leben in Würde innerhalb planetarer Grenzen

    Der SRU geht in seinem Diskussionspapier von zwei Punkten aus:

    • dem wissenschaftlichen Konzept der planetaren Grenzen der Erde, die einen sicheren Handlungsspielraum für die Menschheit beschreiben – allerdings sind sechs der neun Grenzen inzwischen überschritten,
    • und dem Ziel, allen Menschen ein Leben in Würde zu ermöglichen – und damit auch ausreichenden Zugang zu natürlichen und anderen Ressourcen. Daraus ergibt sich auch: Für Wohlhabende, die in der Regel einen ressourcenintensiven Lebensstil verfolgen, mag Suffizienz mit Verzicht einhergehen. Doch für Menschen in Armut “kann ‘genug’ … auch ‘mehr’ bedeuten”, schreibt der SRU.

    Mit den beiden Punkten bezieht der Rat sich ausdrücklich auf die Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesregierung, in der die planetaren Grenzen und die Orientierung an einem Leben in Würde für alle als “absolute Leitplanken für politische Entscheidungen” genannt werden.

    Innovation und Markt allein reichen nicht

    Effizienzgewinne, der Einsatz umweltfreundlicherer Ressourcen und technischer Fortschritt allein reichten dabei nicht aus, um die ökologischen Krisen zu bewältigen, schreibt der SRU außerdem. Suffizienz sei eine unabdingbare, ergänzende Strategie. Zwar seien Innovation und technische Lösungen “unentbehrlich”. Aber “dass sich die Wende zur Nachhaltigkeit allein durch Innovation und Technologie realisieren lässt, ist eine Hypothese, für die es keine ausreichende Evidenz gibt – im Gegenteil spricht vieles dagegen”.

    Ähnlich bewertet der Rat marktwirtschaftliche Instrumente: Zwar leisteten sie “einen wertvollen Beitrag”, könnten aber “nicht das alleinige Steuerungsinstrument sein”.

    Ein gesellschaftlicher Lernprozess

    Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler rechnen damit, dass Bestrebungen für mehr Suffizienz auf gesellschaftlichen Widerstand stoßen werden. Auch das thematisieren sie in ihrem Diskussionspapier.

    Erdsystemwissenschaftler Lucht sagt, es gehöre zum Wesen einer Demokratie, “dass wir den Mut haben, uns wissenschaftlichen Einsichten auch dann zu stellen, wenn sie unbequem sind“. Er setzt auf einen gesamtgesellschaftlichen Lernprozess, an dessen Ende eine suffiziente Lebensweise ebenso selbstverständlich sein könne wie heute der Sozialstaat und das Wahlrecht für alle. “Vor hundert Jahren schien auch das noch utopisch. Aber heute ist es in unserem Land Realität.”

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    News

    UN-Bericht: Weniger als ein Viertel des Elektroschrotts wird recycelt

    Im Jahr 2022 sind weltweit 62 Millionen Tonnen Elektroschrott angefallen. Das sind durchschnittlich 7,8 Kilogramm pro Kopf. Damit hat sich die Menge an pro Jahr weggeworfenen Handys, Computern, Bildschirmen und anderen Geräten seit 2010 fast verdoppelt. Das geht aus dem neuen Global E-Waste Monitor der Vereinten Nationen hervor, der am Mittwoch vorgestellt wurde.

    Besonders bedenklich: Mit 22 Prozent wurde im Jahr 2022 nicht einmal ein Viertel des anfallenden Elektroschrotts recycelt. Durch Verbrennung, Deponierung und unzureichende Verwertung seien natürliche Ressourcen im Wert von 62 Milliarden US-Dollar verloren gegangen. Mehr als vier Fünftel davon entfielen auf die Metalle Kupfer, Gold und Eisen, rechnen die Autoren des Berichts vor.

    Bis 2030 rechnen sie mit einem weiteren Anstieg des Elektroschrottaufkommens auf jährlich 82 Millionen Tonnen. Für den gleichen Zeitraum befürchten sie einen Rückgang der Recyclingquote auf 20 Prozent.

    “Um die immer weiter steigenden Mengen an Elektro- und Elektronik-Altgeräten zu verringern, bedarf es eines ganzheitlichen und nachhaltigen Produktdesigns”, sagt Magnus Fröhling, Professor für Circular Economy an der TU München. Dabei könne es nicht nur um das Produkt selbst gehen. Vielmehr brauche es auch ein verändertes Geschäftsmodell, das zum Teilen statt Besitzen oder zu einer längeren Nutzung anrege, so Fröhling.

    Am meisten Elektroschrott pro Kopf fällt in den Industrienationen an. In Deutschland handelte es sich im Jahr 2022 um 21,2 Kilogramm. In Europa waren es durchschnittlich 17,6 Kilogramm. Im Vergleich dazu fielen in Asien nur 6,4 und in Afrika lediglich 2,5 Kilogramm pro Kopf an. ch

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    Industrieverband fordert Entlastung beim Lieferkettengesetz

    “Ich erwarte, dass die Bundesregierung nun möglichst schnell jenes Entlastungspaket umsetzt, das das Bundesarbeitsministerium im Februar für den Fall der Annahme der EU-Lieferkettenrichtline angekündigt hatte”, sagte BDI-Hauptgeschäftsführerin Tanja Gönner zu Table.Briefings. Wie umfassend die Entlastung damit wäre, sei allerdings “schwer einzuschätzen”. Die gleiche Forderung erhebt Carl-Julius Cronenberg, mittelstandspolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion: Bis zur vollen Implementierung der europäischen Lieferkettenrichtline “gilt es, alle Spielräume für Bürokratieabbau auf nationaler Ebene zu nutzen”, sagte er auf Anfrage. Dazu gehörten “alle bestehenden Berichtspflichten auf den Prüfstand”.

    Bisher spielt eine Wiederaufnahme des seinerzeit angebotenen Entlastungspakets in der Bundesregierung keine Rolle, erfuhr Table.Briefings aus Regierungskreisen. Das BMAS hatte darin umfassende Entlastungen beim deutschen Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz vorgestellt. Damit versuchte Arbeitsminister Hubertus Heil erfolglos, die Zustimmung der FDP zum europäischen Lieferkettengesetz zu gewinnen. Letztendlich nahmen die EU-Mitgliedsländer die Richtlinie vergangenen Freitag trotz der Enthaltung Deutschlands an.

    Der Entlastungsplan von Hubertus Heil sah Erleichterungen unter anderem bei den Berichtspflichten und der Risikoanalyse vor. Unternehmen sollten berücksichtigen dürfen, welches “Rechtsdurchsetzungsniveau” es in den Produktionsländern jeweils gibt. Außerdem sollte es mehr Rechtssicherheit für Brancheninitiativen geben, die unternehmensübergreifende Audits und Zertifikate anstreben. cd

    • Bürokratie
    • Lieferkettengesetz

    Mehr Länder schaffen Institutionen zur Umsetzung der globalen Nachhaltigkeitsziele

    Die Zahl der Länder, die für die Umsetzung der Globalen Nachhaltigkeitsziele neue Institutionen eingerichtet haben, ist 2023 von 57 auf 72 Prozent gestiegen. Und: 15 Prozent davon sind auf höchster Ebene verankert, also in der obersten Regierungsetage. Das hebt der neue Report “Progressing National SDGs Implementation” positiv hervor, der von einer internationalen Gruppe zivilgesellschaftlicher Organisationen und NGOs jährlich herausgebracht wird.

    Die Autoren analysieren die freiwilligen nationalen Fortschrittsberichte (“Voluntary National Reviews”, VNR), zu denen die Mitgliedsstaaten der UN seit der Verabschiedung der Sustainable Development Goals 2015 aufgefordert sind. Vergangenes Jahr sind 38 Länderreports und ein regionaler Report der EU eingereicht worden; die ganz überwiegende Zahl der Staaten hat bereits zum zweiten Mal einen Report erstellt.

    Viele Informationen fehlen

    Laut des neuen Überblicksberichts gehen 82 Prozent aller nationalen Reviews auf alle 17 SDGs ein; 2022 waren es 77 Prozent. Allerdings sei bei nur 38 Prozent ein “Multi-Stakeholder”-Ansatz erkennbar – die meisten Untersuchungen werden also nicht im Dialog mit anderen Anspruchsgruppen angefertigt. Die Verfügbarkeit der Daten ist ebenfalls ein Problem. Weniger als 20 Prozent der Länder erklärten, über die notwendigen detaillierten Informationen zu verfügen. Die Versuche, alle Menschen bei dem Wandel mitzunehmen und sie profitieren zu lassen (“Leave No One Behind”), sind längst nicht überall erfolgreich: Vor allem Kinder, Jugendliche und ältere Menschen blieben bei der Transformation zurück.

    Neben dem unabhängigen Progress-Bericht der NGOs fassen auch die UN ihre Erkenntnisse aus den VNRs jährlich in einem Papier zusammen. In dem aktuellen Bericht kommen sie zu dem Ergebnis, dass die nationalen Berichte “zahlreiche Beispiele von Umweltzerstörungen aufzeigen”, die eine Folge des fortschreitenden Klimawandels und des Verlusts an Biodiversität sind. Dazu zählten Erdbeben, Hurrikane, Dürren und humanitäre Katastrophen. Außerdem seien sie gezeichnet von den Bemühungen der jeweiligen Gesellschaften, das Leben nach der Covid-19-Pandemie wieder zu normalisieren.

    Seit 2016 sind fast 400 VNRs erstellt worden, sie können hier eingesehen werden. Deutschland hat 2016 und 2021 einen VNR veröffentlicht. maw

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    • SDG
    • Vereinte Nationen

    T&E: Verkehr macht 2030 fast die Hälfte der EU-Emissionen aus

    Wenn Europa bis 2050 Netto-Null-Emission erreichen wolle, müsse man anfangen, das Problem der Verkehrsemissionen ernst zu nehmen, heißt es in einer neuen Analyse der Umweltorganisation Transport and Environment (T&E). Seit 1990 seien die verkehrsbedingten Emissionen in Europa um mehr als ein Viertel gestiegen und würden voraussichtlich auch weiter steigen, während die Emissionen der Gesamtwirtschaft bereits sänken.

    2030 werde der Verkehr fast die Hälfte aller Treibhausgasemissionen in Europa ausmachen, so T&E. “Unter den derzeitigen klimapolitischen Maßnahmen könnte der Anteil des Verkehrs an den Treibhausgasemissionen insgesamt von heute 29 Prozent auf 44 Prozent im Jahr 2030 steigen.”

    T&E pocht daher auf:

    • den Stopp des Ausbaus neuer Flughafen- und Autobahnkapazitäten,
    • bessere Energieeffizienz in der Schifffahrt,
    • verbindliche E-Auto-Ziele für Unternehmen, um Dienstwagenflotten schneller zu dekarbonisieren,
    • eine Priorisierung der direkten Elektrifizierung im Straßenverkehr gegenüber Wasserstoff und E-Fuels.

    T&E untersuchte in der Analyse “The State of European Transport” auch die derzeitigen EU-Regulierungen für den Sektor. Demnach würden die Verkehrsemissionen 2040 nur um 25 Prozent und 2050 um 62 Prozent gegenüber dem Stand von 1990 verringert werden. 2040 will die EU-Kommission ihre Emissionen bereits um 90 Prozent gegenüber 1990 gesenkt haben, 2050 muss Europa klimaneutral sein. luk

    • Emissionen
    • Klima & Umwelt
    • Verkehrspolitik
    • Verkehrswende

    Wasserstoff: Hyphen-Projekt in Namibia potenziell “strategisch”

    Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck und Namibias Energieminister Tom Alweendo haben mehrere Vereinbarungen zur Zusammenarbeit unterschrieben. Wie das BMWK mitteilte, unterstützt Deutschland den Aufbau des “Green Hydrogen Namibia Programme”. Die neue Organisation soll unter anderem Umweltverträglichkeitsprüfungen für grüne Wasserstoffprojekte durchführen. Zudem wird die Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB) namibische Behörden bei der Entwicklung technischer Standards für grünen Wasserstoff und bei der Formulierung von Gesetzen und Normen beraten und Fachkräfte schulen.

    “Namibia hat ideale Voraussetzungen, um mit Hilfe von Wind- und Solarenergie günstigen und klimafreundlichen grünen Wasserstoff herzustellen”, sagte Habeck. “Dies eröffnet dem afrikanischen Land völlig neue wirtschaftliche Perspektiven und trägt zum Aufbau eines internationalen Wasserstoffmarktes bei.”

    Wertschöpfung in Namibia und Deutschland erhofft

    Zudem stellt Habeck dem Wasserstoffprojekt “Hyphen Hydrogen Energy” die Anerkennung als strategisches “Auslandsprojekt im Interesse der Bundesrepublik Deutschland” in Aussicht. Hyphen wurde von Namibias Regierung zur Umsetzung eines ersten Wasserstoff-Großprojekts ausgewählt. Der südafrikanische Projektierer Hyphen gehört zur Hälfte dem Brandenburger Unternehmen Enertrag.

    Das Projekt mit einem Investitionsumfang von mehr als zehn Milliarden US-Dollar soll ab 2027 Wasserstoff aus entsalztem Meerwasser produzieren.

    • Der notwendige Strom soll aus Sonnen- und Windkraft erzeugt werden.
    • Zur Verschiffung nach Europa und Asien wird der Wasserstoff – avisiert sind 350.000 Tonnen im Jahr – in Ammoniak umgewandelt;
    • ein Teil der erzeugten Energie könnte in Namibia verbleiben.

    Ein Sprecher des BMWK erklärte gegenüber Table.Briefings, das strategisch eingeordnete Projekt werde “besonders flankiert”. Bei der Außenwirtschaftsförderung werde “eine Extra-Meile” gegangen. Seit Ende 2023 gehören dazu Vorhaben, mit denen Deutschland Energieabhängigkeiten verringern sowie den Klimaschutz und nachhaltige Entwicklung im Anlageland stärken kann. Außerdem sollen solche Projekte eine hohe Wertschöpfung in Deutschland nach sich ziehen. Enertrag, welches derzeit eine private Finanzierung für das Projekt einwirbt, muss nun detaillierte Informationen zur Umsetzung sowie zur finanziellen Strukturierung vorlegen, damit das Projekt endgültig für die besondere Unterstützung angenommen werden kann. av

    • Energiepolitik
    • Grüner Wasserstoff
    • Wasserstoff

    KfW will ökologisches Geschäft ausbauen

    Die KfW will neue nachhaltige Arbeitsfelder erschließen. Wie aus Bankenkreisen vor der heutigen Vorstellung ihrer Bilanz zu hören war, erwägt die staatliche Förderbank ein Programm zur Geothermie. Auch in der allgemeinen Unternehmensfinanzierung arbeitet die KfW an ihrem ökologischen Profil. Im Dezember 2023 erweiterte sie die Sektorleitlinien für emissionsintensive Branchen, mit denen sie ihre Aktivitäten durchweg in Einklang mit den Pariser Klimazielen bringen will. Solche Vorgaben wurden für die Sektoren Autoindustrie, Eisen- und Stahlproduktion, Gebäude sowie Luft- und Schifffahrt bereits 2021 eingeführt und 2022 verschärft. Jetzt gibt es auch für die Öl- und Gasindustrie eine Klima-Leitlinie, die die gesamte Wertschöpfungskette dieser Branche umfasst.

    Förderung von Gasterminals

    Trotzdem wird die KfW wohl weiter den Bau von LNG-Terminals in Deutschland unterstützen. Im Auftrag des Bundes hat sich die Staatsbank an einem schwimmenden Terminal in Brunsbüttel beteiligt, das künftig durch eine feste LNG-Anlage an Land ergänzt werden soll.

    Die NGOs Urgewald und Deutsche Umwelthilfe fordern hingegen, dass sich das Institut aus der Finanzierung solcher Projekte komplett zurückzieht. Denn an den Terminals würde Erdgas entladen, das großteils in den USA mit dem umweltschädlichen Fracking-Verfahren gefördert wird. Doch die Bank sieht ihre Hände gebunden. “Der Bund kann die KfW-Bankengruppe mit der Durchführung von Geschäften beauftragen, an dem ein staatliches Interesse der Bundesrepublik Deutschland besteht”, stellte ein Sprecher unter Verweis auf das KfW-Gesetz fest.

    Volumen stark zurückgegangen

    Die Förderung der ökologischen Transformation durch die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) ist 2023 eingebrochen. Das Volumen an Mitteln, die an Unternehmen gingen, schrumpfte gegenüber dem Vorjahr um 42 Prozent auf elf Milliarden Euro. Auch insgesamt nahmen die Aktivitäten ab – von 136 auf 77 Milliarden Euro. Das gab die staatliche Förderbank bereits bekannt.

    Gründe für die gesunkenen Zahlen: Die umfangreichen Hilfsprogramme für die Wirtschaft, die nach dem Beginn des Ukraine-Kriegs gestartet wurden, sind weitgehend ausgelaufen. Auch für energieeffiziente Gebäude gelten nun schärfere Vorschriften. Fördern darf die KfW nur private, kommunale und gewerbliche Bestandsgebäude, die die gesetzlichen Vorgaben übertreffen. Außerdem haben manche erneuerbaren Energien die Schwelle zur kommerziellen Nutzung überschritten. Windparks und Photovoltaik können mittlerweile auch ohne KfW-Subventionen profitabel betrieben werden. Günter Heismann

    • Banken
    • Finanzmarkt
    • KfW
    • Transformation

    Presseschau

    “Ich sage mit Konrad Adenauer: Keine Experimente” – Die Zeit
    Ein Autorenteam befragt den deutschen Wirtschafts- und Klimaminister. Zentrale Nachricht: Robert Habeck will die Kosten für die Netzentgelte im Strombereich zeitlich strecken, durch ein Amortisationsmodell, das ähnlich wie beim geplanten Wasserstoffkernnetz funktioniert. Zum Artikel

    New Rules Will Still Push Carmakers to Sell More Electric Cars – New York Times
    Die neuen Vorschriften der Biden-Administration für Kraftfahrzeuge sind weniger streng als ein früherer Vorschlag. Autor Jack Ewing ist trotzdem überzeugt davon, dass die Hersteller künftig mehr billigere Elektrofahrzeuge produzieren und anbieten. Zum Artikel

    Das ändert das neue Anti-Plastik-Gesetz – Süddeutsche Zeitung
    Kaum ein Gesetz habe so große Auswirkungen auf den Alltag wie die neue Verpackungsverordnung der EU, schreibt Jan Diesteldorf. Die Regelungen, deren endgültige Annahme noch aussteht, sehen Verbote für manche Produkte vor, sowie Recyclingquoten und ein Pfandsystem. Zum Artikel

    Wie der Klimawandel Seen zu gänzlich anderen Gewässern macht – Standard
    Die Seen werden immer wärmer und sauerstoffärmer. Auch die darin vorkommenden Arten verändern sich. In der Fischerei bemerkt man diesen Wandel bereits, berichtet Markus Wanzeck. Zum Artikel

    Banken kritisieren unklare ESG-Kreditregeln – Börsen-Zeitung
    Zwei von drei Banken in Deutschland bemängeln, dass die Bafin keine nachvollziehbaren Vorgaben zu ESG-Risiken bei Firmenkundenkrediten macht. Dies erhöhe den Aufwand unnötig, so Wolf Brandes. Zum Artikel

    Die meisten passiven ESG-Fonds investieren in Öl- und Gasprojekte – Tippinpoint
    Mehr als zwei Drittel der als nachhaltig vermarkteten passiven Fonds finanzieren das Wachstum der fossilen Brennstoffindustrie. Zu diesem Ergebnis kommt eine Untersuchung der Organisation Reclaim Finance, über die Beat Schmid berichtet. Zum Artikel

    Natürliche CO₂-Senken: Die klimafreundlichen Riesen – Klimareporter
    Die gigantischen Mammutbaumwälder Kaliforniens absorbieren mehr CO₂ als jedes andere Ökosystem an Land. Eine Studie zeige, dass die Baumriesen auch in Europa gut gedeihen könnten, schreibt David Zauner. Zum Artikel

    Dutch court rules KLM ads ‘misleading’ in greenwashing case – Financial Times
    Die niederländische KLM darf nicht mehr mit “nachhaltigem Fliegen” werben, da dies irreführend sei. Dies hat ein Amsterdamer Gericht entschieden, berichten Kenza Bryan und Philip Georgiadis. Bei einer Konferenz in Brüssel wehrten sich europäische Airline-Chefs zugleich gegen Klimaauflagen. “Wir sind in großer Gefahr, in Europa ins Hintertreffen zu geraten”, sagte Carsten Spohr von der Lufthansa. Zum Artikel

    Heads

    Sandra Wolf – die Botschafterin eines neuen Wirtschaftens

    Sandra Wolf bei den Darmstädter Dialogen für besseres Wirtschaften.

    Als sich Riese & Müller 2017/18 vornahm, der nachhaltigste Fahrradhersteller zu werden, “formulierten wir dafür keine Kriterien”, sagte Sandra Wolf kürzlich bei einer Podiumsdiskussion der IHK Darmstadt zum Thema Unternehmensverantwortung und Lieferketten. Ihr Ziel sei es gewesen, die “Branche aufzurütteln”, weil diese sich sehr lange darauf ausgeruht habe, mit dem Produkt Fahrrad ein nachhaltiges Gefährt zu verkaufen, “aber die Lieferkette als solche nicht dargestellt” habe. 

    Hindernisse überwinden, wie bei der vegetarischen Kost in der Kantine

    Zur Freude der Unternehmerin war das Echo groß. Es seien Initiativen mit anderen Unternehmen entstanden. Einiges habe sich getan, vor allem beim Hersteller selbst, der im hessischen Mühltal mit 900 Mitarbeitenden E-Bikes produziert. “Wir haben uns erst einmal im eigenen Betrieb umgeschaut, was ich nur jedem empfehlen kann”, sagt Wolf. So hätten sie durch die Einführung eines neuen Warensicherungssystems den Einsatz von Plastik um 95 Prozent senken können. Allerdings bekamen sie beim Thema Plastik Ärger mit ihren Händlern, als sie Verpackungsmaterial wieder verwendeten. “Die Empörung war relativ groß”, erzählt sie. Händler hätten sich beschwer, dass Riese & Müller ihnen “ihren Müll schicke”, sagt die Unternehmerin. Man habe reagiert und eine Schreddermaschine angeschafft, um Kartonagen als Füllmaterial zu verwenden, “was optisch auch schöner ist”.

    Auch die Entscheidung für vegetarische Kost in der Kantine und im Café der Firma stieß auf Widerstand beim wichtigen “Tag der Händler”. Sie selbst sei keine Vegetarierin, sagt sie. Trotzdem findet sie die Entscheidung angesichts des Zustands des Planeten richtig und hält sie für eine wichtige strategische Positionierung des Unternehmens. Aber dann mussten sie feststellen, dass einige Händler angesichts des Hinweises in der Einladung auf ein vegetarisches Buffet gar nicht erst zum Tag der Händler des Unternehmens anreisten. Die Firma blieb bei ihrer Entscheidung. Mitarbeitende werden ausschließlich vegan oder vegetarisch bekocht, die Zutaten sind regional und bio. “Unsere Philosophie ist Zero Food Waste, wir versuchen, alle Rohstoffe zu verarbeiten.” Die Vorbestellung der Mitarbeitenden helfe dabei, kein Essen wegzuwerfen.

    Persönliche Transformation

    Die Unternehmerin hat auch eine persönliche Transformation erlebt. Sie studierte in den 1990er-Jahren BWL, “als Nachhaltigkeit keinen Raum in der Wirtschaft hatte”, wie sie sagt. Aber zum Studium in Augsburg hätten schon die Fächer Soziologie und Psychologie gehört. Dort stellte sich die Frage nach dem Sinn und der Ethik des Wirtschaftens, die später für Wolf wichtig werden sollte. Danach habe sie sich als “Corporate Identity”-Beraterin “intensiv mit den Fragen nach den Werten eines Unternehmens beschäftigt”. Sie sei immer wieder darauf gestoßen, “dass ich gute Strategien entwickeln konnte, wenn ich gesehen habe, dass das Unternehmen auf Langfristigkeit ausgerichtet ist und Mensch und Natur nicht schaden will”. Ihre Naturverbundenheit habe erheblich dazu beigetragen, die berufliche und persönliche Haltung zu verzahnen, “um authentisch zu agieren.”

    Sie versteht sich als “Botschafterin eines neuen Wirtschaftens” und möchte Unternehmerinnen und Unternehmer mitnehmen, die “sich in eine nachhaltige Richtung entwickeln möchten, also sich auf den Weg machen, um zu verändern”. Ihre Art und ihre pointierten und persönlichen Aussagen zur notwendigen Transformation kommen bei den Zuhörern der Diskussion in der IHK gut an.

    Vor elf Jahren, mit immerhin 40 und einer Menge Berufserfahrung, promovierte sie am Wittener Institut für Familienunternehmen bei Andreas Hack. Ihr Thema: “Signaling Family Firm Identiy”. Sie beschäftigte sich mit Botschaften, die Familienunternehmen bewusst oder unbewusst aussenden, wollte wissen, wie sich dies auf das Vertrauen auswirkt und welche Konsequenzen dies wiederum für Bewerbende hat. Noch heute engagiert sie sich im Aufsichtsrat der Universität.

    Die Unternehmerin musste aber auch erfahren, dass nicht jeder in der Belegschaft ihre Begeisterung für eine nachhaltige Wirtschaftsweise auf gleiche Weise teilt. Trotzdem geht sie ihren Weg beharrlich weiter, zumal sie auch eine Menge positive Erfahrungen macht, zum Beispiel mit den Zulieferern bei dem Prozess, die globalen Lieferketten transparent zu gestalten. Riese & Müller schaffte sich dafür die Software Sustainabill an und ging mit den Lieferanten in den Austausch.

    Lieferkettengesetz als Start einer Transformation

    Mittlerweile würde der Mittelständler 98 Prozent seiner direkten Lieferanten genau kennen, und bereits 51 Prozent der Tier-2-Lieferanten. Schwierig sei es mit den Tier-3-Lieferanten, räumt Wolf ein. Und es sei ein dynamischer Prozess. Immer wieder sei man als Unternehmen in den Lieferketten mit neuen Situationen konfrontiert und müsse entscheiden. Was machen Sie, wenn ihr Zulieferer sagt, für die Baugenehmigung in Indonesien müsse man Geld zahlen? “Dann könnte ich sagen, das ist Korruption, aber was bedeutet dies für mich?” Im Austausch würden sich jedoch Lösungen finden lassen. Wichtige Themen in den eigenen Lieferketten seien zum Beispiel starker Lärm in Fabriken oder der Einsatz umweltschädlicher Lacke.

    Das Lieferkettengesetz begreift Wolf als Start in die Transformation. Sie sei keine Politikerin und könne deswegen nur rudimentär beurteilen, ob Gesetze gut oder schlecht gemacht seien. Aber solche Gesetze seien notwendig, auch auf europäischer Ebene. Wenn sich Unternehmen damit beschäftigen müssten, führe dies auch zu besseren Beziehungen mit den Handelspartnern, findet sie. Die Transformation sieht sie als einen spannenden, generationsübergreifenden Gestaltungsprozess an, der weit in die Zukunft gerichtet ist. Dabei sieht sie sich auch in der Pflicht: “Mein Auftrag als Unternehmerin ist es auch, zu heilen, was in der Vergangenheit passiert ist”, sagt sie. Nach der Veranstaltung schwingt sie sich auf ihr Fahrrad, was sie fast immer benutzt. Caspar Dohmen

    • Lieferkettengesetz
    • Transformation
    • Unternehmensverantwortung
    • Verkehrswende

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