viele Unternehmen stehen vor hohen Transformationsinvestitionen, da ihr bisheriges Geschäftsmodell nicht länger trägt. Bei manchen stehen zudem massive Kosten an, um die Ausbeutung der Natur zu heilen. Ein Beispiel ist das ostdeutsche Braunkohleunternehmen Leag, das in die erneuerbare Energieproduktion investiert, aber auch Milliarden Euro vorhalten müsste, um Tagebaue zu rekultivieren. Warum Kritiker der Leag fürchten, dass sich die Eigentümer dieser Verantwortung entziehen, habe ich aufgeschrieben.
Positiver sieht es aus bei einer möglichen Zusammenarbeit von Deutschland mit China beim Aufbau einer globalen Kreislaufwirtschaft. Das sagte der Bremer Professor für Globale Nachhaltige Ressourcen, Raimund Bleischwitz, meinem Kollegen Nicolas Heronymus. Denn China verfolge das Thema schon seit langem, und ein “strategischer Dialog” mit der Bundesregierung könnte wichtige Impulse für eine Kooperation liefern.
Bevor Sie in unsere Analysen eintauchen, seien noch zwei Hinweise auf aktuelle Veranstaltungen erlaubt: Am 2. Dezember um 11 Uhr bieten wir ein kostenloses Webinar besonders für Unternehmenslenker und Aufsichtsräte an. Thema ist der Schutz der Biodiversität durch Unternehmen. Anmelden können Sie sich hier.
Am 5. Dezember folgt ebenfalls um 11 Uhr ein Live-Briefing zu den neuen Regelungen für entwaldungsfreie Lieferketten. Hier geht es zur kostenlosen Anmeldung.
Wir freuen uns, Sie dort zu sehen!
Der Abbau und die Verstromung von Braunkohle soll in Ostdeutschland spätestens 2038 beendet werden. Übrig bleiben dann die Milliardenkosten für die Rekultivierung der Tagebaue im Osten des Landes. Die Renaturierung muss von den Verursachern geleistet werden – also vor allem der Leag, die in Brandenburg und Sachsen Tagebaue und Stromkraftwerke betreibt.
Ob das Unternehmen in der Lausitz mit rund 7.000 Mitarbeitern die dafür vorgesehenen Rückstellungen jedoch tragen kann, wird in den betroffenen Bundesländern seit längerem hinterfragt. Denn in den nächsten Jahren wird durch die Verbilligung erneuerbaren Stroms und die steigenden Kosten des europäischen Emissionshandels ein wirtschaftlicher Betrieb der Tagebaue und Kraftwerke immer schwieriger werden.
Die Umweltschutzorganisation Greenpeace wirft den Eigentümern der Leag nun vor, “Bilanz-Kosmetik” zu betreiben und im Zuge einer Umstrukturierung Gewinne abzuziehen, die für die angekündigte Transformation zu einem “grünen” Energieversorger und für die Rekultivierungsspflichten nicht mehr zur Verfügung stehen. “Die bisherigen Eigentümer können nicht nachweisen, wie die Leag die lang absehbaren Kosten für die Rekultivierung der Braunkohlegruben decken will”, so Karsten Smid, Energieexperte bei Greenpeace.
Ausgangspunkt der Diskrepanzen ist der Verkauf eines 20-Prozent-Anteils an der Leag für nur einen symbolischen Euro durch die PPF Group an die EP Energy Transition (EPETr) im letzten Jahr. Für Smid spiegelt dieser Verkaufspreis den tatsächlichen Wert der Leag wider – denn darin seien die Kosten der zukünftigen Rekultivierung eingepreist.
Stutzig macht, dass im selben Zeitraum ein weiterer Verkauf der Hälfte der Leag-Anteile zu einem viel höheren Preis stattfand: von der Energetický a Průmyslový Holding (EPH) ebenfalls an die EPETr. Wie laut Greenpeace aus dem Jahresbericht der EPH 2023 hervorgeht, schrieb sich der Konzern dafür knapp zwei Milliarden Euro gut.
Sowohl die EPH als auch die EPETr gehören dem tschechischen Unternehmer Daniel Křetínský. Die Milliarden wurden also innerhalb von Křetínskýs verschachteltem Firmenreich bewegt, dessen Wert die Financial Times auf über 50 Milliarden Euro summierte. Die Leag kaufte er 2016 vom schwedischen Energiekonzern Vattenfall.
Im Dezember 2023 bereits äußerte Benjamin Raschke, damals Fraktionsvorsitzender der Bündnisgrünen im Brandenburger Landtag, den Verdacht, dass die Leag durch die Umstrukturierung mit zu wenig Mitteln für künftige Verpflichtungen verbleiben würde: “Für uns sieht es so aus, als wolle die Leag eine Bad Bank für die Kohle schaffen”.
Verstärkt wird dieser Verdacht nun durch die offenbar abgeflossenen Betriebsgewinne der Leag: In Jahresberichten der PPF Group für die letzten beiden Jahre sind Einnahmen aus der damals noch hälftigen Beteiligung über insgesamt etwa 1,5 Milliarden Euro verzeichnet. Wie die Milliarden Euro an Betriebs- und Verkaufsgewinnen in den Büchern der PPT Group und der EPH genau erwirtschaftet wurden, lässt sich aus öffentlich zugänglichen Angaben allerdings nicht genau erschließen.
Immerhin weisen die Leag-Sparten Bergbau und Kraftwerke in ihren letzten Jahresberichten durchaus Bilanzgewinne aus: Für 2022 waren dies zusammen etwa 750 Millionen Euro und 2023 sogar 2,4 Milliarden Euro. Denn in diesen Jahren wurde viel Braunkohle verstromt, nachdem Russland Gaslieferungen nach Deutschland eingestellt hatte. In den Vorjahren – seit dem Kauf der Leag durch Křetínský und die PPF Group – schrieb die Leag hingegen Verluste oder nur geringe Gewinne.
Die Debatte darüber, wie die Kosten der Rekultivierung der ostdeutschen Tagebaue gesichert werden können, hält seit Křetínskýs Kauf der Leag vom schwedischen Energiekonzern Vattenfall vor acht Jahren an. Damals gingen auch angesparte Rückstellungen im Milliardenbereich für die Rekultivierung an die EPH, die aber nur einen Teil davon bei der Leag beließ. Ob diese Mittel weiterhin für Rekultivierung zur Verfügung stehen, ist nicht bekannt.
Zwischenzeitlich setzten Brandenburg und Sachsen die Einrichtung insolvenzsicherer Zweckvermögen in Vorsorgegesellschaften durch, in welche die Leag einzahlt. Die Brandenburger Vorsorgegesellschaft soll bis 2030 – wenn in dem Bundesland der Tagebau beendet werden soll – über etwa 900 Millionen Euro verfügen. Dies ist allerdings weniger als die Hälfte der Rekultivierungskosten, von denen das Land selbst ausgeht.
Noch prekärer ist die Lage in Sachsen, wo das Braunkohlegeschäft acht Jahre länger weitergehen soll. In die sächsische Vorsorgegesellschaft sind laut Greenpeace bis Ende 2023 nur 478 Millionen Euro geflossen. Zielmarke bis 2038 sind 1,5 Milliarden Euro. Diese kann allerdings nur erreicht werden, wenn die Leag bis dahin aus der Braunkohle Gewinne erwirtschaftet. Ohnehin, so Greenpeace, würden auch in Sachsen die abgesicherten Mittel bei weitem nicht für die Rekultivierungskosten ausreichen.
Besondere Brisanz hat der Verdacht der Gewinnmitnahmen durch die zunehmend prominente Rolle von Křetínský in der deutschen Wirtschaft: Im Mai dieses Jahres kaufte er ein Fünftel der Thyssenkrupp-Stahlsparte (TKSE) für – so wurde kolportiert – nur 200 Millionen Euro. Im Raum steht auch eine Aufstockung auf die Hälfte der Aktien.
Damit bleibt Křetínský seinem Geschäftsmodell treu: Er investiert bevorzugt in Firmen, die günstig zu haben sind, da hohe Transformationskosten auf ihnen lasten. Der 49-jährige Unternehmer baute sein Vermögen als Geschäftspartner des verstorbenen PPF Group-Gründers Petr Kellner auf, der nach dem Fall des Eisernen Vorhangs in privatisierte Staatsunternehmen investiert hatte. Inzwischen hält Křetínský Beteiligungen an zahlreichen Energie-, Logistik-, Medien- und Handelsunternehmen in West- und Osteuropa.
Die Hoffnung im Ruhrgebiet ist, dass Křetínský in Zukunft mittels der Leag günstige erneuerbare Energie – Strom und Wasserstoff – liefern wird, um dort eine grüne Stahlproduktion zu wirtschaftlichen Bedingungen zu ermöglichen. Zuletzt am Mittwoch bekräftigte Thyssenkrupp-Chef Miguel López den Plan.
Tatsächlich plant die Leag durch drei neue operative Gesellschaften massive Investitionen in Photovoltaik, Windstrom, Großspeicher und andere Anlagen, von denen ein kleiner Teil bereits in Betrieb ist. Allerdings lasten auch auf der TKSE hohe Bürden. Anders als bei der Leag geht es dabei nicht um Rekultivierung, sondern um Pensionsverpflichtungen und den anstehenden Umbau der Hochöfen für die Dekarbonisierung.
“Ohne China wird die Klimakrise nicht zu bewältigen sein; sein Verhalten ist entscheidend für den Erhalt der biologischen Vielfalt und der Umwelt”, heißt es in der 2023 verabschiedeten China-Strategie der Bundesregierung. Gleichzeitig sei das Land ein starker Wettbewerber bei grünen Technologien wie Photovoltaik und strebe dort Markt- und Technologieführerschaft an.
Dasselbe Spannungsfeld existiert bei der Kreislaufwirtschaft. Der Abbau und die Verarbeitung von Ressourcen sind schädlich für das Klima und die Biodiversität. Chinas Pro-Kopf-Ressourcenverbrauch liegt deutlich über dem von Deutschland, der laut Umweltbundesamt zu hoch ist und sinken soll. Gleichzeitig treibt China seine Kreislaufwirtschaft erfolgreich voran, sagt Raimund Bleischwitz, wissenschaftlicher Direktor des Leibniz-Zentrums für Marine Tropenforschung. Beispiele dafür seien ökologisch-industrielle Cluster, in denen Unternehmen aus verschiedenen Stufen der Wertschöpfung zusammenarbeiten, aber auch Produktstandards für Zirkularität.
Es gebe Chancen, eine Kreislaufwirtschaft weltweit aufzubauen, wenn Deutschland und China mit anderen gewillten Staaten kooperieren würden – etwa durch den Austausch von Erfahrungen und Daten sowie einheitlichen Anforderungen, sagt Bleischwitz, der auch Professor für Globale Nachhaltige Ressourcen an der Universität Bremen ist.
China verfolgt das Ziel einer Kreislaufwirtschaft bereits seit 2000. Im elften Fünf-Jahres-Plan (2006-2010) gab es ein eigenständiges Kapitel zu dem Thema. 2009 folgte ein Gesetz zur Förderung von Kreislaufwirtschaft, dessen Fokus auf “Vermeidung, Wiederverwendung und Recycling” liegt. Der aktuelle, vierzehnte Fünf-Jahres-Plan (2021-2025) setzt Produktions- und Umsatzziele für Sekundärrohstoffe. So soll etwa der Umsatz des Recyclingmarkts auf über 770 Milliarden US-Dollar wachsen. “Kreislaufwirtschaft in China ist eng mit industriepolitischen Zielen verbunden, die dann durch zirkuläre Produktstandards auf die Ebene von Unternehmen heruntergebrochen werden”, sagt Bleischwitz.
China hat aus Sicht des Wissenschaftlers relativ früh auf Kreislaufwirtschaft gesetzt, weil es erkannt habe, wie stark die Industrialisierung die Umwelt verschmutzte. Ziel war demnach von Anfang an, die Emissionen zu senken – anfangs insbesondere, um die Luftverschmutzung in den Städten zu bekämpfen. Zudem sei auch China in hohem Maße abhängig von Rohstoffimporten, genauso wie Deutschland oder die Europäische Union. Bleischwitz sieht darin ein weiteres strategisches Motiv, den Verbrauch von Primärrohstoffen zu senken. So sei es China gelungen, die Ressourcenproduktivität seit 1990 zu verdoppeln. Dabei geholfen hätten auch die hohen Wachstumsraten, teils im Dienstleistungssektor. Doch letztlich hat “China eine relative Entkopplung des Wirtschaftswachstums vom Ressourcenverbrauch erreicht”, sagt Bleischwitz – konkret: Die Ressourcennutzung wächst inzwischen weniger schnell als das Bruttoinlandsprodukt.
Die Ziele von Deutschland sind ähnlich. Beide wollen das Klima und die Umwelt schützen sowie die Abhängigkeit von Importen verringern. Um sie zu erreichen, will die Bundesregierung noch vor Jahresende eine Nationale Kreislaufwirtschaftsstrategie beschließen. Einen Entwurf der Strategie hat das Bundesumweltministerium (BMUV) Ende Mai einer Delegation der Nationalen Entwicklungs- und Reformkommission der Volksrepublik China (NDRC) vorgestellt. Die Behörde ist dort die wichtigste für die Planung der wirtschaftlichen Entwicklung.
Das Treffen fand im Rahmen eines strategischen Dialogs statt, den Bundesumweltministerin Steffi Lemke und Zheng Shanjie, Vorsitzender der NDRC, im April beschlossen hatten. Er ist Teil des 2023 vereinbarten Klima- und Transformationsdialogs der beiden Regierungen. Mit Blick auf die Kreislaufwirtschaft wollen sie unter anderem über mehr Zirkularität und Ressourceneffizienz in den Wertschöpfungsketten wichtiger Materialien wie Kunststoffe und Metalle sprechen. Policy-Instrumente sollen auch ein Gesprächsthema sein, etwa ökologische Kriterien für das Design von Produkten oder die erweiterte Herstellerverantwortung. Das nächste Treffen soll im ersten Halbjahr 2025 stattfinden.
Dass nun eine strukturierte Verständigung zwischen den beiden Ländern stattfindet, findet Wissenschaftler Bleischwitz gut. Aufgrund der erneuten Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten und der insgesamt schwierigen geopolitischen Lage könnten gerade solche Formate sinnvoll sein. “Der Schlüssel für eine internationale Zusammenarbeit sind Clubs, in denen eine Koalition von Staaten mit nichtstaatlichen Akteuren Lösungen vorbereiten.” In diesem Kontext könnte sie aus der EU mit ihrer Industrie, Japan und “da, wo es geht, auch mit China” bestehen. Das betrifft etwa einheitliche Standards – die sich die deutsche Industrie für den digitalen Produktpass oder bei Anforderungen für das Ökodesign wünscht.
Vorreiter bei der Kreislaufwirtschaft zu sein – ein Ziel, das Bundeskanzler Olaf Scholz im Januar für Deutschland ausgerufen hatte – heißt für Bleischwitz: zusammen mit anderen Staaten Impulse für internationale, zirkuläre Wertschöpfungsketten geben. Um die Kreislaufwirtschaft global zu organisieren, könne dem Forscher zufolge eine Ressourcenagentur gegründet werden – nach dem Vorbild der Internationalen Energieagentur. Diese würde Daten zu Ressourcenverbrauch und -bedarf zusammentragen, Prognosen erstellen und Sachverstand versammeln. “Ich würde mich freuen, wenn der Dialog zwischen Deutschland und China dafür Impulse geben könnte – auch wenn bis dahin noch viel Arbeit nötig ist”, sagt Bleischwitz.
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Der US-Autobauer Ford will bis Ende 2027 rund 4.000 Stellen in Europa streichen, wie das Unternehmen am Mittwoch mitteilte. Allein in Deutschland sollen 2.900 Arbeitsplätze wegfallen, die meisten davon im Kölner Werk. Zur Begründung verwies das Management auf hohe Verluste in der Pkw-Sparte in den vergangenen Jahren. Die Kosten für die Umstellung auf Elektroautos, neue Wettbewerber und strengere CO₂-Emissionsziele hätten das Segment stark unter Druck gesetzt.
Marcus Wassenberg, Geschäftsführer der Ford-Werke GmbH, sprach von “schwierigen, aber entschlossenen Maßnahmen zur Sicherstellung der Wettbewerbsfähigkeit von Ford in Europa”. Gleichzeitig kündigte er wegen der schwachen Nachfrage für das erste Quartal 2025 zusätzliche Kurzarbeitstage in Köln an, wo die vollelektrischen Modelle Explorer und Capri gebaut werden. Dort arbeiten derzeit rund 11.500 Menschen, deutschlandweit sind es rund 15.000.
David Lüdtke, Vorsitzender der IG Metall-Vertrauensleute der Kölner Ford-Werke, sprach von “einer Kampfansage an alle europäischen Ford-Belegschaften“. Er verwies darauf, dass betriebsbedingte Kündigungen an den deutschen Standorten bis Ende 2032 vertraglich ausgeschlossen seien. Auf freiwilliger Basis werde man “einen solch zerstörerischen Abbau” keinesfalls mitmachen.
Einig sind sich Unternehmen und Gewerkschaft hingegen, wenn es um die Verantwortung der Politik geht. “Was uns in Deutschland und Europa fehlt, ist eine konsistente und klare politische Agenda zur Förderung der Elektromobilität“, bemängelt John Lawler, stellvertretender Vorsitzender und Finanzvorstand der Ford Motor Company. Notwendig seien öffentliche Investitionen in die Ladeinfrastruktur, mehr Flexibilität bei den CO₂-Zielen und Kaufanreize für den Umstieg auf Elektroautos.
Die IG Metall drängt auf rasches Handeln. “Die Bundestagsparteien sollten sich ernsthaft fragen, ob eine neue Förderung der E-Mobilität bis nach der Bundestagswahl warten kann“, so Kerstin Klein, Erste Bevollmächtigte der IG Metall Köln-Leverkusen. Wenn die Menschen Sicherheit und Anreize bekämen, ein E-Auto zu kaufen, könne der Knoten auf dem deutschen Markt endlich platzen. “Jede Woche Verzögerung kostet wahrscheinlich Arbeitsplätze bei allen deutschen Herstellern”, befürchtet sie.
Nach aktuellen Zahlen des Kraftfahrt-Bundesamtes (KBA) wurden in Deutschland bis einschließlich Oktober knapp 312.000 Elektrofahrzeuge neu zugelassen. Im Vergleich zum Vorjahreszeitraum ist das ein Rückgang um 26,6 Prozent. Der Anteil der Elektroautos an allen Neuzulassungen lag bei 13,3 Prozent.
Die KBA-Daten zeigen auch, wie schwer sich Ford mit dem Absatz seiner Elektrofahrzeuge tut. Von den knapp 85.000 neu zugelassenen Pkw in den ersten zehn Monaten dieses Jahres waren weniger als fünf Prozent E-Autos. Selbst beim krisengeschüttelten VW-Konzern lag der Anteil über alle Marken hinweg noch mehr als doppelt so hoch.
Grund für die schwachen Verkaufszahlen ist das Fehlen von günstigen Einstiegsmodellen. Ford und VW werden voraussichtlich erst in zwei Jahren mit Elektroautos für rund 25.000 Euro auf den Markt kommen. Derzeit verdienen beide einen Großteil ihres Geldes mit vergleichsweise großen Verbrennern. Um die reduzierten EU-Flottengrenzwerte ab 2025 zu erreichen, müssen sie in Zukunft aber deutlich mehr E-Autos verkaufen. Andernfalls drohen empfindliche Strafzahlungen.
Im Streit darüber, ob die EU-Verordnung für entwaldungsfreie Lieferketten (EUDR) nur verschoben oder auch inhaltlich geändert werden soll, haben EU-Parlament und Rat am Donnerstag keinen Kompromiss gefunden. Die nächste Verhandlungsrunde ist derzeit für den 3. Dezember 2024 geplant. Endet sie mit einer Einigung, könnte das Gesetz zum Aufschub noch knapp vor dem ursprünglich angesetzten Anwendungsstart am 30. Dezember verabschiedet werden. Gelingt das nicht, würden die neuen Regeln bereits dann greifen – das wollen weder Rat noch Parlament.
Gut informierten Kreisen zufolge hatten die Mitgliedstaaten und die EU-Kommission – die den Verhandlungen beisitzt, einer Einigung aber nicht zustimmen muss – darauf gedrängt, die reine Verschiebung um ein Jahr zu beschließen. Im Gegenzug boten sie dem Vernehmen nach politische Zusagen an, im Rahmen der Umsetzung sowie einer ohnehin geplanten, künftigen Überprüfung der Richtlinie die Forderungen des Parlaments in den Blick zu nehmen. Berichterstatterin Christine Schneider (EVP) reichte das offenbar nicht. Sie warf dem Rat vor, sich “völlig jeglichen inhaltlichen Verhandlungen” zu verweigern. Bis Anfang Dezember sei nun Zeit, “eine vernünftige Lösung zu finden”.
Dass der Rat sich darauf einlässt, die Änderungen des Parlaments in den Text aufzunehmen, scheint allerdings sehr unwahrscheinlich. Gegen dessen Forderung, eine zusätzliche Kategorie für Erzeugerländer “ohne Entwaldungsrisiko” mit deutlich gelockerten Anforderungen einzuführen, haben zahlreiche EU-Länder große Vorbehalte. Etwa, dass eine solche Regelung nicht WTO-konform wäre, Schlupflöcher entstünden, die die Wirksamkeit der Verordnung beeinträchtigen, oder die Zeit zu knapp sei, um die Neuerung rechtssicher vorzubereiten.
Fast einstimmig hatten sich die Ständigen Vertreter der Mitgliedstaaten am Mittwoch dafür ausgesprochen, es beim reinen Aufschub zu belassen. Im Parlament steht eine Mehrheit aus EVP, den rechten Parteien und manchen Liberalen hinter der geforderten Änderung, scharfe Kritik kommt dagegen von Sozialdemokraten und Grünen. jd
Teresa Ribera ist in der Nacht auf Donnerstag als Wettbewerbskommissarin und Vizepräsidentin der Europäischen Kommission vom EU-Parlament nominiert worden. Koordinatoren der konservativen EVP-Fraktion hatten zuvor mit einer Blockade gedroht, falls Riberas S&D-Fraktion dem italienischen Kandidaten für das Amt des Vizepräsidenten für Kohäsion und Reformen, Raffaele Fitto, nicht zustimmen sollte. Fitto ist Mitglied der postfaschistischen Fratelli d’Italia von Premierministerin Giorgia Meloni.
Konservative und Sozialdemokraten blockierten einander tagelang. Erst eine gemeinsame zweiseitige Erklärung der Fraktionschefs von EVP, S&D sowie Renew löste die Pattsituation auf. Allerdings kündigten die deutschen S&D-Abgeordneten am Donnerstag an, den Kompromiss zunächst noch zu überprüfen. Konkret geht es ihnen um eine Zurückstufung von Fitto zum einfachen Kommissar. Auch die Grünen im Europaparlament äußerten sich kritisch über eine Zusammenarbeit mit Parteien rechts der EVP.
Das EU-Parlament muss noch alle 26 nominierten Kommissare in einer Abstimmung bestätigen, die für nächste Woche erwartet wird. Dabei ist eine absolute Mehrheit der Stimmen nötig, die nun vermutlich zustande kommen wird. Allerdings ist durch den anhaltenden Streit um Fitto unklar, ob alle Fraktionen geschlossen abstimmen werden. Am 1. Dezember könnte die Kommission mit ihrer Arbeit beginnen.
Als Wettbewerbskommissarin wäre Ribera zuständig dafür, die Dekarbonisierung der Industrie im Rahmen des Clean Industrial Deal voranzutreiben. Sie soll unter anderem das EU-Beihilferecht auf die Klimaziele ausrichten – konkret auf den Erneuerbaren-Ausbau und die Dekarbonisierung.
Außerdem wäre sie als Vizepräsidentin der Kommission die direkte Vorgesetzte des Klimakommissars Wopke Hoekstra, des Energiekommissars Dan Jørgensen und der Umweltkommissarin Jessika Roswall. Bei ihr laufen entsprechend die Fäden der europäischen Energie-, Klima- und Industriepolitik zusammen. luk/lb/mgr/av/rtr
Von Montag bis Sonntag findet in Busan, Südkorea, die vorerst letzte Verhandlungsrunde für ein globales UN-Abkommen gegen Plastikmüll statt. Die Verhandlungen werden schwierig. Denn zu wichtigen Punkten gibt es noch keinen Konsens zwischen den über 170 Staaten, die seit zwei Jahren verhandeln. Dazu gehören mögliche Regeln zur Produktion von Neukunststoff, zum Verbot von gefährlichen Chemikalien und bestimmten Einwegprodukten sowie die Finanzierung.
Bei der vierten Verhandlungsrunde im April im kanadischen Ottawa entstand ein Entwurf, der über 3.000 Vorschläge enthielt, die teilweise stark auseinanderliegen. Eine sogenannte High Ambition Coalition, zu der auch Deutschland gehört, setzt sich dafür ein, im Abkommen den gesamten Lebenszyklus zu berücksichtigen. Andere Staaten, vor allem solche mit starker Fossil-Industrie, werben für einen Fokus auf das Recycling von Kunststoffen.
Um den Verhandlungen neuen Schwung zu geben, hat der ecuadorianische Verhandlungsleiter Luis Vayas Valdivieso am 29. Oktober ein sogenanntes Non-Paper veröffentlicht. Dieses soll als Basis für die Gespräche in Busan dienen. Laut Greenpeace bezweifelten jedoch bereits einige Länder, dass dies für ein ambitioniertes Abkommen reiche.
Ob es in Busan gelingt, überhaupt ein Abkommen zu beschließen, ist selbst Beobachtern unklar. Viele spekulieren, wie es weitergehen könnte, sofern die Staaten sich kommende Woche nicht einigen. Im Raum steht die Vermutung, dass die Verhandlungsrunde dann unterbrochen werden könnte und es zu einem weiteren Treffen kommt. nh
Klimaforscher aus aller Welt haben ein entschiedenes Vorgehen gegen die Kondensstreifen von Flugzeugen gefordert. In einem am Rande der Weltklimakonferenz in Aserbaidschan veröffentlichten offenen Brief fordern die mehr als 50 Unterzeichner von der Politik, das Problem endlich ernst zu nehmen und zu handeln. Bereits vor 25 Jahren habe der Weltklimarat (IPCC) die Klimawirksamkeit von Kondensstreifen anerkannt. Seither sei jedoch viel zu wenig geschehen.
Studien zeigen, dass Kondensstreifen mindestens ebenso stark zur globalen Erwärmung beitragen wie die CO₂-Emissionen des Luftverkehrs. Die Wissenschaftler halten deshalb eine Reihe von Maßnahmen für notwendig. Dazu gehören neben der weiteren Forschung auch der Aufbau eines Monitoringsystems und groß angelegte Pilotprojekte, damit Minderungsmaßnahmen umgesetzt werden können, sobald sie verfügbar sind. Auch die Öffentlichkeit und die Passagiere sollten für das Thema sensibilisiert werden.
Laut einer jüngsten Untersuchung verursachen nur drei Prozent aller Flüge 80 Prozent der globalen Erwärmung durch Kondensstreifen. Mehr als die Hälfte davon könnte bis 2040 durch eine Änderung von Flugrouten reduziert werden. Der daraus resultierende Nutzen für das Klima sei mindestens 15-mal größer als die zusätzlichen CO₂-Emissionen längerer Flugrouten, heißt es dort. Für eine Strecke von Frankfurt nach Washington beliefen sich die Mehrkosten pro Flug und Passagier auf weniger als vier Euro.
“Die Verhinderung von Kondensstreifen hat sich als eine der am leichtesten zu erreichenden Optionen erwiesen, um den Anstieg der globalen Temperaturen zu stoppen”, sagt Anthony Patt, Professor für Klimapolitik an der ETH Zürich und einer der Unterzeichner des offenen Briefes. Da der Flugverkehr jedoch aus Sicherheitsgründen streng reguliert werden müsse, erforderten selbst geringfügige Änderungen der Flugrouten “eine koordinierte staatliche Federführung“. ch
Der langerwartete Berichtsstandard für kleine und mittelständische Unternehmen ist kurz davor, an die EU-Kommission übermittelt zu werden. Er soll KMU künftig helfen, freiwillige, vergleichbare Reports zu erstellen. Das Sustainability Reporting Board (SRB) der European Financial Reporting Advisory Group (EFRAG) nahm ihn vergangene Woche an. 21 der 22 SRB-Mitglieder stimmten für die vorgelegte Version. Nach dieser wichtigen Hürde soll der sogenannte VSME (“Voluntary Small and Medium Enterprise”) bis Ende des Jahres zur EU-Kommission, die ihn künftig für alle KMU empfiehlt.
Der VSME ist modular aufgebaut und führt Anwender vor allem anhand von Ja/Nein-Fragen durch den Prozess. Eine Wesentlichkeitsanalyse ist nicht vorgesehen. Firmen, die ihn nutzen, sind trotzdem dazu aufgerufen, die bei ihnen relevanten Themen zu identifizieren und in dem Bericht darzustellen.
Christian Fink, Professor für Accounting und Controlling der Hochschule RheinMain, nannte den VSME beim Hamburger Forum für Nachhaltigkeitsberichterstattung “ein tolles Produkt”. Judith Herzog-Kuballa, Referentin für Nachhaltigkeit beim Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA), sagte, sie sei “erleichtert darüber, wie der Standard jetzt aussieht”. Allein in ihrem Verband sei der Standard für drei Viertel aller Mitglieder wichtig. Sie hoffe, dass diese künftig nicht mehr mit verschiedensten Fragebögen überhäuft würden. Die bisherigen Erfahrungen beim Nachhaltigkeitsreporting zeigen, dass auch KMU ohne Berichtspflichten Stellung beziehen müssen, weil größere Partner und Auftraggeber sie dazu auffordern. maw
Nachhaltigkeit hat wachsenden Einfluss auf Kreditgeschäft der Banken – Handelsblatt
ESG-Risiken werden zunehmend wichtig bei der Kreditvergabe. Dies fanden die Frankfurt School of Finance und zwei weitere Partner durch eine Studie heraus, für die sie 139 Kreditinstitute aus Deutschland und der Schweiz befragten. Wie Yasmin Osman berichtet, gehört es demnach bei 52 Prozent der größeren Banken zum Standard, große Unternehmen entsprechend zu bewerten. Bei kleinen Firmen würden 36 Prozent der Banken ESG-Daten abfragen. Zum Artikel
Startups Turn to Ponds to Find the Next Climate-Fighting Superfood – Bloomberg
Wasserlinsen enthalten deutlich mehr Proteine als andere Gemüsesorten, brauchen aber vergleichsweise wenig Wasser. US-Lebensmittelhändler Whole Foods hat sie deshalb zu einem “Top Food Trend” 2025 erklärt. Noch ist aber nicht klar, ob Geschäftsmodelle auf Wasserlinsenbasis Erfolg haben werden. Zwar stellten Investoren Millionenbeträge bereit, aber ein erstes Start-up sei bereits gescheitert. Zum Artikel
EU to re-open and merge CSRD, CS3D and Taxonomy – Real Economy Progress
Brüssel diskutiert, mehrere ESG-Regulierungen in einem sogenannten “Omnibus” zusammenzufassen. So könnten Kriterien vereinheitlicht und weniger aufwändig gestaltet werden. Für Sophie Robinson-Tillet ist aber unklar, wie gut die verschiedenen Gesetze und Direktiven tatsächlich miteinander verbunden werden können. Zum Artikel
Batterieproduktion: EU will Wissenstransfer von chinesischen Unternehmen fordern – Automobil Industrie
Die EU-Kommission will Subventionen in der Batterieproduktion künftig an die Bereitschaft chinesischer Investoren knüpfen, ihr technisches Wissen im Rahmen von Joint Ventures mit europäischen Partnerunternehmen zu teilen. Die Regelung soll bereits im Dezember in Kraft treten, wenn die EU Fördermittel in Höhe von einer Milliarde Euro in diesem Sektor ausschreibt, berichtet Sven Prawitz. In China sei ein solches Verfahren seit langem üblich. Zum Artikel
Höchste Zeit für Reformen von Weltbank und IWF – Frankfurter Allgemeine Zeitung
Internationale Finanzinstitutionen wie die Weltbank und der IWF werden noch immer von den westlichen Industriestaaten dominiert. Den mächtiger werdenden Schwellen- und Entwicklungsländern gefällt das nicht. In einer Kolumne kritisiert der Politikwissenschaftler Christian von Soest, dass die westlichen Länder krampfhaft an ihren Privilegien festhalten. Zum Artikel
The global green transition will survive Trump – Financial Times
Für das Klima bedeute die Trump-Regierung in den USA sicherlich nichts Gutes. Aber die globale Umstellung auf elektrische Fahrzeuge werde vom möglichen Ende der Subventionen für karbonfreie Antriebe nicht aufgehalten werden, argumentiert Alan Beattie. Denn dafür sei die Marktmacht der USA inzwischen zu klein. Zum Artikel
COP29: Im Stadion von Baku summen die Klimaaktivisten, anstatt zu schreien – Standard
Politischer Protest ist im autoritär regierten Aserbaidschan nicht gern gesehen. Das gilt auch während der Weltklimakonferenz. Demonstrationen oder Aktionen der Klimabewegung außerhalb des Veranstaltungsgeländes sind undenkbar. Selbst bei einer Menschenkette am Konferenzzentrum durfte nicht geklatscht, gesungen oder Parolen gerufen werden, schreibt Benedikt Narodoslawsky. Also hätten die Teilnehmer gesummt. Zum Artikel
Agrifood.Table – Günther Felßner: “Meine Kandidatur ist eine Kampfansage an die radikalen Ränder”: Bauernpräsident Günther Felßner (CSU) sieht in der Ankündigung, Bundeslandwirtschaftsminister im Falle eines Wahlsieges der Union zu werden, ein politisches Signal für Deutschland. Im Interview bricht er eine Lanze für die Tierhaltung in Deutschland und sieht Handlungsbedarf im Bereich regenerativer Energien. Zum Artikel
Bildung.Table – Arbeitsmarkt: Die hohe Zahl Ungelernter wird zum Problem: Ungelernte werden künftig Probleme haben, einen Job zu finden. Personen mit Berufsabschluss werden dahingegen händeringend gesucht. Das zeigt eine neue Prognose für den Arbeitsmarkt. Einen Wirtschaftsaufschwung hält sie für unwahrscheinlich – wenn das Bildungssystem nicht besser wird. Zum Artikel
Climate.Table – Warum arabische Staaten und Russland in Gender-Fragen blockieren: Auf der COP29 blockieren die arabische Staatengruppe, Russland und der Vatikan bei Gender-Fragen. Dabei leiden Frauen und andere marginalisierte Gruppen schon heute überproportional an den Folgen der Klimakrise. Die Blockadehaltung könnte weitreichende Folgen haben. Zum Artikel
Climate.Table – Biodiversität und Artikel 6: Wie viel Cali in Baku steckt: Die Biodiversitätskonferenz in Cali sendete an die Klimakonferenz die Forderung, ein gemeinsames Arbeitsprogramm beider Konventionen zu erstellen. Die Antwort aus Baku könnte ausbleiben. Fortschritte bei Artikel 6 betreffen jedoch auch die Biodiversität. Zum Artikel
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Positiver sieht es aus bei einer möglichen Zusammenarbeit von Deutschland mit China beim Aufbau einer globalen Kreislaufwirtschaft. Das sagte der Bremer Professor für Globale Nachhaltige Ressourcen, Raimund Bleischwitz, meinem Kollegen Nicolas Heronymus. Denn China verfolge das Thema schon seit langem, und ein “strategischer Dialog” mit der Bundesregierung könnte wichtige Impulse für eine Kooperation liefern.
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Am 5. Dezember folgt ebenfalls um 11 Uhr ein Live-Briefing zu den neuen Regelungen für entwaldungsfreie Lieferketten. Hier geht es zur kostenlosen Anmeldung.
Wir freuen uns, Sie dort zu sehen!
Der Abbau und die Verstromung von Braunkohle soll in Ostdeutschland spätestens 2038 beendet werden. Übrig bleiben dann die Milliardenkosten für die Rekultivierung der Tagebaue im Osten des Landes. Die Renaturierung muss von den Verursachern geleistet werden – also vor allem der Leag, die in Brandenburg und Sachsen Tagebaue und Stromkraftwerke betreibt.
Ob das Unternehmen in der Lausitz mit rund 7.000 Mitarbeitern die dafür vorgesehenen Rückstellungen jedoch tragen kann, wird in den betroffenen Bundesländern seit längerem hinterfragt. Denn in den nächsten Jahren wird durch die Verbilligung erneuerbaren Stroms und die steigenden Kosten des europäischen Emissionshandels ein wirtschaftlicher Betrieb der Tagebaue und Kraftwerke immer schwieriger werden.
Die Umweltschutzorganisation Greenpeace wirft den Eigentümern der Leag nun vor, “Bilanz-Kosmetik” zu betreiben und im Zuge einer Umstrukturierung Gewinne abzuziehen, die für die angekündigte Transformation zu einem “grünen” Energieversorger und für die Rekultivierungsspflichten nicht mehr zur Verfügung stehen. “Die bisherigen Eigentümer können nicht nachweisen, wie die Leag die lang absehbaren Kosten für die Rekultivierung der Braunkohlegruben decken will”, so Karsten Smid, Energieexperte bei Greenpeace.
Ausgangspunkt der Diskrepanzen ist der Verkauf eines 20-Prozent-Anteils an der Leag für nur einen symbolischen Euro durch die PPF Group an die EP Energy Transition (EPETr) im letzten Jahr. Für Smid spiegelt dieser Verkaufspreis den tatsächlichen Wert der Leag wider – denn darin seien die Kosten der zukünftigen Rekultivierung eingepreist.
Stutzig macht, dass im selben Zeitraum ein weiterer Verkauf der Hälfte der Leag-Anteile zu einem viel höheren Preis stattfand: von der Energetický a Průmyslový Holding (EPH) ebenfalls an die EPETr. Wie laut Greenpeace aus dem Jahresbericht der EPH 2023 hervorgeht, schrieb sich der Konzern dafür knapp zwei Milliarden Euro gut.
Sowohl die EPH als auch die EPETr gehören dem tschechischen Unternehmer Daniel Křetínský. Die Milliarden wurden also innerhalb von Křetínskýs verschachteltem Firmenreich bewegt, dessen Wert die Financial Times auf über 50 Milliarden Euro summierte. Die Leag kaufte er 2016 vom schwedischen Energiekonzern Vattenfall.
Im Dezember 2023 bereits äußerte Benjamin Raschke, damals Fraktionsvorsitzender der Bündnisgrünen im Brandenburger Landtag, den Verdacht, dass die Leag durch die Umstrukturierung mit zu wenig Mitteln für künftige Verpflichtungen verbleiben würde: “Für uns sieht es so aus, als wolle die Leag eine Bad Bank für die Kohle schaffen”.
Verstärkt wird dieser Verdacht nun durch die offenbar abgeflossenen Betriebsgewinne der Leag: In Jahresberichten der PPF Group für die letzten beiden Jahre sind Einnahmen aus der damals noch hälftigen Beteiligung über insgesamt etwa 1,5 Milliarden Euro verzeichnet. Wie die Milliarden Euro an Betriebs- und Verkaufsgewinnen in den Büchern der PPT Group und der EPH genau erwirtschaftet wurden, lässt sich aus öffentlich zugänglichen Angaben allerdings nicht genau erschließen.
Immerhin weisen die Leag-Sparten Bergbau und Kraftwerke in ihren letzten Jahresberichten durchaus Bilanzgewinne aus: Für 2022 waren dies zusammen etwa 750 Millionen Euro und 2023 sogar 2,4 Milliarden Euro. Denn in diesen Jahren wurde viel Braunkohle verstromt, nachdem Russland Gaslieferungen nach Deutschland eingestellt hatte. In den Vorjahren – seit dem Kauf der Leag durch Křetínský und die PPF Group – schrieb die Leag hingegen Verluste oder nur geringe Gewinne.
Die Debatte darüber, wie die Kosten der Rekultivierung der ostdeutschen Tagebaue gesichert werden können, hält seit Křetínskýs Kauf der Leag vom schwedischen Energiekonzern Vattenfall vor acht Jahren an. Damals gingen auch angesparte Rückstellungen im Milliardenbereich für die Rekultivierung an die EPH, die aber nur einen Teil davon bei der Leag beließ. Ob diese Mittel weiterhin für Rekultivierung zur Verfügung stehen, ist nicht bekannt.
Zwischenzeitlich setzten Brandenburg und Sachsen die Einrichtung insolvenzsicherer Zweckvermögen in Vorsorgegesellschaften durch, in welche die Leag einzahlt. Die Brandenburger Vorsorgegesellschaft soll bis 2030 – wenn in dem Bundesland der Tagebau beendet werden soll – über etwa 900 Millionen Euro verfügen. Dies ist allerdings weniger als die Hälfte der Rekultivierungskosten, von denen das Land selbst ausgeht.
Noch prekärer ist die Lage in Sachsen, wo das Braunkohlegeschäft acht Jahre länger weitergehen soll. In die sächsische Vorsorgegesellschaft sind laut Greenpeace bis Ende 2023 nur 478 Millionen Euro geflossen. Zielmarke bis 2038 sind 1,5 Milliarden Euro. Diese kann allerdings nur erreicht werden, wenn die Leag bis dahin aus der Braunkohle Gewinne erwirtschaftet. Ohnehin, so Greenpeace, würden auch in Sachsen die abgesicherten Mittel bei weitem nicht für die Rekultivierungskosten ausreichen.
Besondere Brisanz hat der Verdacht der Gewinnmitnahmen durch die zunehmend prominente Rolle von Křetínský in der deutschen Wirtschaft: Im Mai dieses Jahres kaufte er ein Fünftel der Thyssenkrupp-Stahlsparte (TKSE) für – so wurde kolportiert – nur 200 Millionen Euro. Im Raum steht auch eine Aufstockung auf die Hälfte der Aktien.
Damit bleibt Křetínský seinem Geschäftsmodell treu: Er investiert bevorzugt in Firmen, die günstig zu haben sind, da hohe Transformationskosten auf ihnen lasten. Der 49-jährige Unternehmer baute sein Vermögen als Geschäftspartner des verstorbenen PPF Group-Gründers Petr Kellner auf, der nach dem Fall des Eisernen Vorhangs in privatisierte Staatsunternehmen investiert hatte. Inzwischen hält Křetínský Beteiligungen an zahlreichen Energie-, Logistik-, Medien- und Handelsunternehmen in West- und Osteuropa.
Die Hoffnung im Ruhrgebiet ist, dass Křetínský in Zukunft mittels der Leag günstige erneuerbare Energie – Strom und Wasserstoff – liefern wird, um dort eine grüne Stahlproduktion zu wirtschaftlichen Bedingungen zu ermöglichen. Zuletzt am Mittwoch bekräftigte Thyssenkrupp-Chef Miguel López den Plan.
Tatsächlich plant die Leag durch drei neue operative Gesellschaften massive Investitionen in Photovoltaik, Windstrom, Großspeicher und andere Anlagen, von denen ein kleiner Teil bereits in Betrieb ist. Allerdings lasten auch auf der TKSE hohe Bürden. Anders als bei der Leag geht es dabei nicht um Rekultivierung, sondern um Pensionsverpflichtungen und den anstehenden Umbau der Hochöfen für die Dekarbonisierung.
“Ohne China wird die Klimakrise nicht zu bewältigen sein; sein Verhalten ist entscheidend für den Erhalt der biologischen Vielfalt und der Umwelt”, heißt es in der 2023 verabschiedeten China-Strategie der Bundesregierung. Gleichzeitig sei das Land ein starker Wettbewerber bei grünen Technologien wie Photovoltaik und strebe dort Markt- und Technologieführerschaft an.
Dasselbe Spannungsfeld existiert bei der Kreislaufwirtschaft. Der Abbau und die Verarbeitung von Ressourcen sind schädlich für das Klima und die Biodiversität. Chinas Pro-Kopf-Ressourcenverbrauch liegt deutlich über dem von Deutschland, der laut Umweltbundesamt zu hoch ist und sinken soll. Gleichzeitig treibt China seine Kreislaufwirtschaft erfolgreich voran, sagt Raimund Bleischwitz, wissenschaftlicher Direktor des Leibniz-Zentrums für Marine Tropenforschung. Beispiele dafür seien ökologisch-industrielle Cluster, in denen Unternehmen aus verschiedenen Stufen der Wertschöpfung zusammenarbeiten, aber auch Produktstandards für Zirkularität.
Es gebe Chancen, eine Kreislaufwirtschaft weltweit aufzubauen, wenn Deutschland und China mit anderen gewillten Staaten kooperieren würden – etwa durch den Austausch von Erfahrungen und Daten sowie einheitlichen Anforderungen, sagt Bleischwitz, der auch Professor für Globale Nachhaltige Ressourcen an der Universität Bremen ist.
China verfolgt das Ziel einer Kreislaufwirtschaft bereits seit 2000. Im elften Fünf-Jahres-Plan (2006-2010) gab es ein eigenständiges Kapitel zu dem Thema. 2009 folgte ein Gesetz zur Förderung von Kreislaufwirtschaft, dessen Fokus auf “Vermeidung, Wiederverwendung und Recycling” liegt. Der aktuelle, vierzehnte Fünf-Jahres-Plan (2021-2025) setzt Produktions- und Umsatzziele für Sekundärrohstoffe. So soll etwa der Umsatz des Recyclingmarkts auf über 770 Milliarden US-Dollar wachsen. “Kreislaufwirtschaft in China ist eng mit industriepolitischen Zielen verbunden, die dann durch zirkuläre Produktstandards auf die Ebene von Unternehmen heruntergebrochen werden”, sagt Bleischwitz.
China hat aus Sicht des Wissenschaftlers relativ früh auf Kreislaufwirtschaft gesetzt, weil es erkannt habe, wie stark die Industrialisierung die Umwelt verschmutzte. Ziel war demnach von Anfang an, die Emissionen zu senken – anfangs insbesondere, um die Luftverschmutzung in den Städten zu bekämpfen. Zudem sei auch China in hohem Maße abhängig von Rohstoffimporten, genauso wie Deutschland oder die Europäische Union. Bleischwitz sieht darin ein weiteres strategisches Motiv, den Verbrauch von Primärrohstoffen zu senken. So sei es China gelungen, die Ressourcenproduktivität seit 1990 zu verdoppeln. Dabei geholfen hätten auch die hohen Wachstumsraten, teils im Dienstleistungssektor. Doch letztlich hat “China eine relative Entkopplung des Wirtschaftswachstums vom Ressourcenverbrauch erreicht”, sagt Bleischwitz – konkret: Die Ressourcennutzung wächst inzwischen weniger schnell als das Bruttoinlandsprodukt.
Die Ziele von Deutschland sind ähnlich. Beide wollen das Klima und die Umwelt schützen sowie die Abhängigkeit von Importen verringern. Um sie zu erreichen, will die Bundesregierung noch vor Jahresende eine Nationale Kreislaufwirtschaftsstrategie beschließen. Einen Entwurf der Strategie hat das Bundesumweltministerium (BMUV) Ende Mai einer Delegation der Nationalen Entwicklungs- und Reformkommission der Volksrepublik China (NDRC) vorgestellt. Die Behörde ist dort die wichtigste für die Planung der wirtschaftlichen Entwicklung.
Das Treffen fand im Rahmen eines strategischen Dialogs statt, den Bundesumweltministerin Steffi Lemke und Zheng Shanjie, Vorsitzender der NDRC, im April beschlossen hatten. Er ist Teil des 2023 vereinbarten Klima- und Transformationsdialogs der beiden Regierungen. Mit Blick auf die Kreislaufwirtschaft wollen sie unter anderem über mehr Zirkularität und Ressourceneffizienz in den Wertschöpfungsketten wichtiger Materialien wie Kunststoffe und Metalle sprechen. Policy-Instrumente sollen auch ein Gesprächsthema sein, etwa ökologische Kriterien für das Design von Produkten oder die erweiterte Herstellerverantwortung. Das nächste Treffen soll im ersten Halbjahr 2025 stattfinden.
Dass nun eine strukturierte Verständigung zwischen den beiden Ländern stattfindet, findet Wissenschaftler Bleischwitz gut. Aufgrund der erneuten Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten und der insgesamt schwierigen geopolitischen Lage könnten gerade solche Formate sinnvoll sein. “Der Schlüssel für eine internationale Zusammenarbeit sind Clubs, in denen eine Koalition von Staaten mit nichtstaatlichen Akteuren Lösungen vorbereiten.” In diesem Kontext könnte sie aus der EU mit ihrer Industrie, Japan und “da, wo es geht, auch mit China” bestehen. Das betrifft etwa einheitliche Standards – die sich die deutsche Industrie für den digitalen Produktpass oder bei Anforderungen für das Ökodesign wünscht.
Vorreiter bei der Kreislaufwirtschaft zu sein – ein Ziel, das Bundeskanzler Olaf Scholz im Januar für Deutschland ausgerufen hatte – heißt für Bleischwitz: zusammen mit anderen Staaten Impulse für internationale, zirkuläre Wertschöpfungsketten geben. Um die Kreislaufwirtschaft global zu organisieren, könne dem Forscher zufolge eine Ressourcenagentur gegründet werden – nach dem Vorbild der Internationalen Energieagentur. Diese würde Daten zu Ressourcenverbrauch und -bedarf zusammentragen, Prognosen erstellen und Sachverstand versammeln. “Ich würde mich freuen, wenn der Dialog zwischen Deutschland und China dafür Impulse geben könnte – auch wenn bis dahin noch viel Arbeit nötig ist”, sagt Bleischwitz.
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Der US-Autobauer Ford will bis Ende 2027 rund 4.000 Stellen in Europa streichen, wie das Unternehmen am Mittwoch mitteilte. Allein in Deutschland sollen 2.900 Arbeitsplätze wegfallen, die meisten davon im Kölner Werk. Zur Begründung verwies das Management auf hohe Verluste in der Pkw-Sparte in den vergangenen Jahren. Die Kosten für die Umstellung auf Elektroautos, neue Wettbewerber und strengere CO₂-Emissionsziele hätten das Segment stark unter Druck gesetzt.
Marcus Wassenberg, Geschäftsführer der Ford-Werke GmbH, sprach von “schwierigen, aber entschlossenen Maßnahmen zur Sicherstellung der Wettbewerbsfähigkeit von Ford in Europa”. Gleichzeitig kündigte er wegen der schwachen Nachfrage für das erste Quartal 2025 zusätzliche Kurzarbeitstage in Köln an, wo die vollelektrischen Modelle Explorer und Capri gebaut werden. Dort arbeiten derzeit rund 11.500 Menschen, deutschlandweit sind es rund 15.000.
David Lüdtke, Vorsitzender der IG Metall-Vertrauensleute der Kölner Ford-Werke, sprach von “einer Kampfansage an alle europäischen Ford-Belegschaften“. Er verwies darauf, dass betriebsbedingte Kündigungen an den deutschen Standorten bis Ende 2032 vertraglich ausgeschlossen seien. Auf freiwilliger Basis werde man “einen solch zerstörerischen Abbau” keinesfalls mitmachen.
Einig sind sich Unternehmen und Gewerkschaft hingegen, wenn es um die Verantwortung der Politik geht. “Was uns in Deutschland und Europa fehlt, ist eine konsistente und klare politische Agenda zur Förderung der Elektromobilität“, bemängelt John Lawler, stellvertretender Vorsitzender und Finanzvorstand der Ford Motor Company. Notwendig seien öffentliche Investitionen in die Ladeinfrastruktur, mehr Flexibilität bei den CO₂-Zielen und Kaufanreize für den Umstieg auf Elektroautos.
Die IG Metall drängt auf rasches Handeln. “Die Bundestagsparteien sollten sich ernsthaft fragen, ob eine neue Förderung der E-Mobilität bis nach der Bundestagswahl warten kann“, so Kerstin Klein, Erste Bevollmächtigte der IG Metall Köln-Leverkusen. Wenn die Menschen Sicherheit und Anreize bekämen, ein E-Auto zu kaufen, könne der Knoten auf dem deutschen Markt endlich platzen. “Jede Woche Verzögerung kostet wahrscheinlich Arbeitsplätze bei allen deutschen Herstellern”, befürchtet sie.
Nach aktuellen Zahlen des Kraftfahrt-Bundesamtes (KBA) wurden in Deutschland bis einschließlich Oktober knapp 312.000 Elektrofahrzeuge neu zugelassen. Im Vergleich zum Vorjahreszeitraum ist das ein Rückgang um 26,6 Prozent. Der Anteil der Elektroautos an allen Neuzulassungen lag bei 13,3 Prozent.
Die KBA-Daten zeigen auch, wie schwer sich Ford mit dem Absatz seiner Elektrofahrzeuge tut. Von den knapp 85.000 neu zugelassenen Pkw in den ersten zehn Monaten dieses Jahres waren weniger als fünf Prozent E-Autos. Selbst beim krisengeschüttelten VW-Konzern lag der Anteil über alle Marken hinweg noch mehr als doppelt so hoch.
Grund für die schwachen Verkaufszahlen ist das Fehlen von günstigen Einstiegsmodellen. Ford und VW werden voraussichtlich erst in zwei Jahren mit Elektroautos für rund 25.000 Euro auf den Markt kommen. Derzeit verdienen beide einen Großteil ihres Geldes mit vergleichsweise großen Verbrennern. Um die reduzierten EU-Flottengrenzwerte ab 2025 zu erreichen, müssen sie in Zukunft aber deutlich mehr E-Autos verkaufen. Andernfalls drohen empfindliche Strafzahlungen.
Im Streit darüber, ob die EU-Verordnung für entwaldungsfreie Lieferketten (EUDR) nur verschoben oder auch inhaltlich geändert werden soll, haben EU-Parlament und Rat am Donnerstag keinen Kompromiss gefunden. Die nächste Verhandlungsrunde ist derzeit für den 3. Dezember 2024 geplant. Endet sie mit einer Einigung, könnte das Gesetz zum Aufschub noch knapp vor dem ursprünglich angesetzten Anwendungsstart am 30. Dezember verabschiedet werden. Gelingt das nicht, würden die neuen Regeln bereits dann greifen – das wollen weder Rat noch Parlament.
Gut informierten Kreisen zufolge hatten die Mitgliedstaaten und die EU-Kommission – die den Verhandlungen beisitzt, einer Einigung aber nicht zustimmen muss – darauf gedrängt, die reine Verschiebung um ein Jahr zu beschließen. Im Gegenzug boten sie dem Vernehmen nach politische Zusagen an, im Rahmen der Umsetzung sowie einer ohnehin geplanten, künftigen Überprüfung der Richtlinie die Forderungen des Parlaments in den Blick zu nehmen. Berichterstatterin Christine Schneider (EVP) reichte das offenbar nicht. Sie warf dem Rat vor, sich “völlig jeglichen inhaltlichen Verhandlungen” zu verweigern. Bis Anfang Dezember sei nun Zeit, “eine vernünftige Lösung zu finden”.
Dass der Rat sich darauf einlässt, die Änderungen des Parlaments in den Text aufzunehmen, scheint allerdings sehr unwahrscheinlich. Gegen dessen Forderung, eine zusätzliche Kategorie für Erzeugerländer “ohne Entwaldungsrisiko” mit deutlich gelockerten Anforderungen einzuführen, haben zahlreiche EU-Länder große Vorbehalte. Etwa, dass eine solche Regelung nicht WTO-konform wäre, Schlupflöcher entstünden, die die Wirksamkeit der Verordnung beeinträchtigen, oder die Zeit zu knapp sei, um die Neuerung rechtssicher vorzubereiten.
Fast einstimmig hatten sich die Ständigen Vertreter der Mitgliedstaaten am Mittwoch dafür ausgesprochen, es beim reinen Aufschub zu belassen. Im Parlament steht eine Mehrheit aus EVP, den rechten Parteien und manchen Liberalen hinter der geforderten Änderung, scharfe Kritik kommt dagegen von Sozialdemokraten und Grünen. jd
Teresa Ribera ist in der Nacht auf Donnerstag als Wettbewerbskommissarin und Vizepräsidentin der Europäischen Kommission vom EU-Parlament nominiert worden. Koordinatoren der konservativen EVP-Fraktion hatten zuvor mit einer Blockade gedroht, falls Riberas S&D-Fraktion dem italienischen Kandidaten für das Amt des Vizepräsidenten für Kohäsion und Reformen, Raffaele Fitto, nicht zustimmen sollte. Fitto ist Mitglied der postfaschistischen Fratelli d’Italia von Premierministerin Giorgia Meloni.
Konservative und Sozialdemokraten blockierten einander tagelang. Erst eine gemeinsame zweiseitige Erklärung der Fraktionschefs von EVP, S&D sowie Renew löste die Pattsituation auf. Allerdings kündigten die deutschen S&D-Abgeordneten am Donnerstag an, den Kompromiss zunächst noch zu überprüfen. Konkret geht es ihnen um eine Zurückstufung von Fitto zum einfachen Kommissar. Auch die Grünen im Europaparlament äußerten sich kritisch über eine Zusammenarbeit mit Parteien rechts der EVP.
Das EU-Parlament muss noch alle 26 nominierten Kommissare in einer Abstimmung bestätigen, die für nächste Woche erwartet wird. Dabei ist eine absolute Mehrheit der Stimmen nötig, die nun vermutlich zustande kommen wird. Allerdings ist durch den anhaltenden Streit um Fitto unklar, ob alle Fraktionen geschlossen abstimmen werden. Am 1. Dezember könnte die Kommission mit ihrer Arbeit beginnen.
Als Wettbewerbskommissarin wäre Ribera zuständig dafür, die Dekarbonisierung der Industrie im Rahmen des Clean Industrial Deal voranzutreiben. Sie soll unter anderem das EU-Beihilferecht auf die Klimaziele ausrichten – konkret auf den Erneuerbaren-Ausbau und die Dekarbonisierung.
Außerdem wäre sie als Vizepräsidentin der Kommission die direkte Vorgesetzte des Klimakommissars Wopke Hoekstra, des Energiekommissars Dan Jørgensen und der Umweltkommissarin Jessika Roswall. Bei ihr laufen entsprechend die Fäden der europäischen Energie-, Klima- und Industriepolitik zusammen. luk/lb/mgr/av/rtr
Von Montag bis Sonntag findet in Busan, Südkorea, die vorerst letzte Verhandlungsrunde für ein globales UN-Abkommen gegen Plastikmüll statt. Die Verhandlungen werden schwierig. Denn zu wichtigen Punkten gibt es noch keinen Konsens zwischen den über 170 Staaten, die seit zwei Jahren verhandeln. Dazu gehören mögliche Regeln zur Produktion von Neukunststoff, zum Verbot von gefährlichen Chemikalien und bestimmten Einwegprodukten sowie die Finanzierung.
Bei der vierten Verhandlungsrunde im April im kanadischen Ottawa entstand ein Entwurf, der über 3.000 Vorschläge enthielt, die teilweise stark auseinanderliegen. Eine sogenannte High Ambition Coalition, zu der auch Deutschland gehört, setzt sich dafür ein, im Abkommen den gesamten Lebenszyklus zu berücksichtigen. Andere Staaten, vor allem solche mit starker Fossil-Industrie, werben für einen Fokus auf das Recycling von Kunststoffen.
Um den Verhandlungen neuen Schwung zu geben, hat der ecuadorianische Verhandlungsleiter Luis Vayas Valdivieso am 29. Oktober ein sogenanntes Non-Paper veröffentlicht. Dieses soll als Basis für die Gespräche in Busan dienen. Laut Greenpeace bezweifelten jedoch bereits einige Länder, dass dies für ein ambitioniertes Abkommen reiche.
Ob es in Busan gelingt, überhaupt ein Abkommen zu beschließen, ist selbst Beobachtern unklar. Viele spekulieren, wie es weitergehen könnte, sofern die Staaten sich kommende Woche nicht einigen. Im Raum steht die Vermutung, dass die Verhandlungsrunde dann unterbrochen werden könnte und es zu einem weiteren Treffen kommt. nh
Klimaforscher aus aller Welt haben ein entschiedenes Vorgehen gegen die Kondensstreifen von Flugzeugen gefordert. In einem am Rande der Weltklimakonferenz in Aserbaidschan veröffentlichten offenen Brief fordern die mehr als 50 Unterzeichner von der Politik, das Problem endlich ernst zu nehmen und zu handeln. Bereits vor 25 Jahren habe der Weltklimarat (IPCC) die Klimawirksamkeit von Kondensstreifen anerkannt. Seither sei jedoch viel zu wenig geschehen.
Studien zeigen, dass Kondensstreifen mindestens ebenso stark zur globalen Erwärmung beitragen wie die CO₂-Emissionen des Luftverkehrs. Die Wissenschaftler halten deshalb eine Reihe von Maßnahmen für notwendig. Dazu gehören neben der weiteren Forschung auch der Aufbau eines Monitoringsystems und groß angelegte Pilotprojekte, damit Minderungsmaßnahmen umgesetzt werden können, sobald sie verfügbar sind. Auch die Öffentlichkeit und die Passagiere sollten für das Thema sensibilisiert werden.
Laut einer jüngsten Untersuchung verursachen nur drei Prozent aller Flüge 80 Prozent der globalen Erwärmung durch Kondensstreifen. Mehr als die Hälfte davon könnte bis 2040 durch eine Änderung von Flugrouten reduziert werden. Der daraus resultierende Nutzen für das Klima sei mindestens 15-mal größer als die zusätzlichen CO₂-Emissionen längerer Flugrouten, heißt es dort. Für eine Strecke von Frankfurt nach Washington beliefen sich die Mehrkosten pro Flug und Passagier auf weniger als vier Euro.
“Die Verhinderung von Kondensstreifen hat sich als eine der am leichtesten zu erreichenden Optionen erwiesen, um den Anstieg der globalen Temperaturen zu stoppen”, sagt Anthony Patt, Professor für Klimapolitik an der ETH Zürich und einer der Unterzeichner des offenen Briefes. Da der Flugverkehr jedoch aus Sicherheitsgründen streng reguliert werden müsse, erforderten selbst geringfügige Änderungen der Flugrouten “eine koordinierte staatliche Federführung“. ch
Der langerwartete Berichtsstandard für kleine und mittelständische Unternehmen ist kurz davor, an die EU-Kommission übermittelt zu werden. Er soll KMU künftig helfen, freiwillige, vergleichbare Reports zu erstellen. Das Sustainability Reporting Board (SRB) der European Financial Reporting Advisory Group (EFRAG) nahm ihn vergangene Woche an. 21 der 22 SRB-Mitglieder stimmten für die vorgelegte Version. Nach dieser wichtigen Hürde soll der sogenannte VSME (“Voluntary Small and Medium Enterprise”) bis Ende des Jahres zur EU-Kommission, die ihn künftig für alle KMU empfiehlt.
Der VSME ist modular aufgebaut und führt Anwender vor allem anhand von Ja/Nein-Fragen durch den Prozess. Eine Wesentlichkeitsanalyse ist nicht vorgesehen. Firmen, die ihn nutzen, sind trotzdem dazu aufgerufen, die bei ihnen relevanten Themen zu identifizieren und in dem Bericht darzustellen.
Christian Fink, Professor für Accounting und Controlling der Hochschule RheinMain, nannte den VSME beim Hamburger Forum für Nachhaltigkeitsberichterstattung “ein tolles Produkt”. Judith Herzog-Kuballa, Referentin für Nachhaltigkeit beim Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA), sagte, sie sei “erleichtert darüber, wie der Standard jetzt aussieht”. Allein in ihrem Verband sei der Standard für drei Viertel aller Mitglieder wichtig. Sie hoffe, dass diese künftig nicht mehr mit verschiedensten Fragebögen überhäuft würden. Die bisherigen Erfahrungen beim Nachhaltigkeitsreporting zeigen, dass auch KMU ohne Berichtspflichten Stellung beziehen müssen, weil größere Partner und Auftraggeber sie dazu auffordern. maw
Nachhaltigkeit hat wachsenden Einfluss auf Kreditgeschäft der Banken – Handelsblatt
ESG-Risiken werden zunehmend wichtig bei der Kreditvergabe. Dies fanden die Frankfurt School of Finance und zwei weitere Partner durch eine Studie heraus, für die sie 139 Kreditinstitute aus Deutschland und der Schweiz befragten. Wie Yasmin Osman berichtet, gehört es demnach bei 52 Prozent der größeren Banken zum Standard, große Unternehmen entsprechend zu bewerten. Bei kleinen Firmen würden 36 Prozent der Banken ESG-Daten abfragen. Zum Artikel
Startups Turn to Ponds to Find the Next Climate-Fighting Superfood – Bloomberg
Wasserlinsen enthalten deutlich mehr Proteine als andere Gemüsesorten, brauchen aber vergleichsweise wenig Wasser. US-Lebensmittelhändler Whole Foods hat sie deshalb zu einem “Top Food Trend” 2025 erklärt. Noch ist aber nicht klar, ob Geschäftsmodelle auf Wasserlinsenbasis Erfolg haben werden. Zwar stellten Investoren Millionenbeträge bereit, aber ein erstes Start-up sei bereits gescheitert. Zum Artikel
EU to re-open and merge CSRD, CS3D and Taxonomy – Real Economy Progress
Brüssel diskutiert, mehrere ESG-Regulierungen in einem sogenannten “Omnibus” zusammenzufassen. So könnten Kriterien vereinheitlicht und weniger aufwändig gestaltet werden. Für Sophie Robinson-Tillet ist aber unklar, wie gut die verschiedenen Gesetze und Direktiven tatsächlich miteinander verbunden werden können. Zum Artikel
Batterieproduktion: EU will Wissenstransfer von chinesischen Unternehmen fordern – Automobil Industrie
Die EU-Kommission will Subventionen in der Batterieproduktion künftig an die Bereitschaft chinesischer Investoren knüpfen, ihr technisches Wissen im Rahmen von Joint Ventures mit europäischen Partnerunternehmen zu teilen. Die Regelung soll bereits im Dezember in Kraft treten, wenn die EU Fördermittel in Höhe von einer Milliarde Euro in diesem Sektor ausschreibt, berichtet Sven Prawitz. In China sei ein solches Verfahren seit langem üblich. Zum Artikel
Höchste Zeit für Reformen von Weltbank und IWF – Frankfurter Allgemeine Zeitung
Internationale Finanzinstitutionen wie die Weltbank und der IWF werden noch immer von den westlichen Industriestaaten dominiert. Den mächtiger werdenden Schwellen- und Entwicklungsländern gefällt das nicht. In einer Kolumne kritisiert der Politikwissenschaftler Christian von Soest, dass die westlichen Länder krampfhaft an ihren Privilegien festhalten. Zum Artikel
The global green transition will survive Trump – Financial Times
Für das Klima bedeute die Trump-Regierung in den USA sicherlich nichts Gutes. Aber die globale Umstellung auf elektrische Fahrzeuge werde vom möglichen Ende der Subventionen für karbonfreie Antriebe nicht aufgehalten werden, argumentiert Alan Beattie. Denn dafür sei die Marktmacht der USA inzwischen zu klein. Zum Artikel
COP29: Im Stadion von Baku summen die Klimaaktivisten, anstatt zu schreien – Standard
Politischer Protest ist im autoritär regierten Aserbaidschan nicht gern gesehen. Das gilt auch während der Weltklimakonferenz. Demonstrationen oder Aktionen der Klimabewegung außerhalb des Veranstaltungsgeländes sind undenkbar. Selbst bei einer Menschenkette am Konferenzzentrum durfte nicht geklatscht, gesungen oder Parolen gerufen werden, schreibt Benedikt Narodoslawsky. Also hätten die Teilnehmer gesummt. Zum Artikel
Agrifood.Table – Günther Felßner: “Meine Kandidatur ist eine Kampfansage an die radikalen Ränder”: Bauernpräsident Günther Felßner (CSU) sieht in der Ankündigung, Bundeslandwirtschaftsminister im Falle eines Wahlsieges der Union zu werden, ein politisches Signal für Deutschland. Im Interview bricht er eine Lanze für die Tierhaltung in Deutschland und sieht Handlungsbedarf im Bereich regenerativer Energien. Zum Artikel
Bildung.Table – Arbeitsmarkt: Die hohe Zahl Ungelernter wird zum Problem: Ungelernte werden künftig Probleme haben, einen Job zu finden. Personen mit Berufsabschluss werden dahingegen händeringend gesucht. Das zeigt eine neue Prognose für den Arbeitsmarkt. Einen Wirtschaftsaufschwung hält sie für unwahrscheinlich – wenn das Bildungssystem nicht besser wird. Zum Artikel
Climate.Table – Warum arabische Staaten und Russland in Gender-Fragen blockieren: Auf der COP29 blockieren die arabische Staatengruppe, Russland und der Vatikan bei Gender-Fragen. Dabei leiden Frauen und andere marginalisierte Gruppen schon heute überproportional an den Folgen der Klimakrise. Die Blockadehaltung könnte weitreichende Folgen haben. Zum Artikel
Climate.Table – Biodiversität und Artikel 6: Wie viel Cali in Baku steckt: Die Biodiversitätskonferenz in Cali sendete an die Klimakonferenz die Forderung, ein gemeinsames Arbeitsprogramm beider Konventionen zu erstellen. Die Antwort aus Baku könnte ausbleiben. Fortschritte bei Artikel 6 betreffen jedoch auch die Biodiversität. Zum Artikel