Klimaschutz ist ein Menschenrecht. Das hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) am Dienstag erstmals festgestellt. Zwar lehnte er zwei Klagen von einer Gruppe portugiesischer Jugendlicher und junger Erwachsener sowie eines grünen Europapolitikers ab. Der Klage von Seniorinnen aus der Schweiz aber gab er statt und erklärte, dass Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention ein Recht auf “effektiven Schutz durch staatliche Autoritäten vor den ernsthaften schädlichen Aspekten des Klimawandels auf Leben, Gesundheit, Wohlergehen und Lebensqualität” enthält. Die Details des Urteils können Sie hier nachlesen.
Die Schweiz muss nun nachbessern. Das Gericht mahnte an, dass es an einem CO₂-Budget fehle, auch die bisherigen Regelungen der Berner Regierung, die Obergrenzen erst ab dem Jahr 2030 festlegen, reichten den Richtern nicht aus.
Das Urteil kann Folgen für ganz Europa haben. Malte Kreutzfeldt erklärt deshalb, was hierzulande zu erwarten ist. Derzeit liegt beim EGMR auch ein deutscher Fall – und weitere mögliche Klägerinnen und Kläger dürften sich durch die Entscheidung in Straßburg ermutigt fühlen.
Dass Urteile wie das aktuelle auch für die Wirtschaft ein Warnsignal sein sollten, darauf hat kürzlich auch eine Studie hingewiesen. Unternehmen müssten Gerichtsverfahren demnach stärker in ihre Risikoabschätzungen integrieren, so die Autoren – bislang passiere das noch zu selten.
Ein Blick in die Datenbank der Columbia Law School zeigt, dass zunehmend mehr Verfahren gegen Unternehmen angestrengt werden, die mit grünen, aber – vermeintlich – falschen und irreführenden Aussagen für sich werben. Glaubwürdiges, belegbares Handeln ist stärker gefragt denn je. In der Politik wie in der Wirtschaft.
Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR), wonach die Schweizer Klimaschutzpolitik gegen das Menschenrecht auf Leben und Gesundheit verstößt, könnte nach Einschätzung von Umwelt-Juristen auch wichtige Konsequenzen für Deutschland haben. Denn zum einen liegt beim EGMR derzeit auch ein deutscher Fall: Nachdem eine Verfassungsbeschwerde gegen die unzureichenden Klimaschutzpläne im Juni 2022 vom Bundesverfassungsgericht nicht angenommen wurde, hatten die Kläger Beschwerde beim EGMR eingereicht. Beschwerdeführer ist der 20-jährige Klimaaktivist Linus Steinmetz.
“Dieser Fall ist eher mit dem erfolgreichen Schweizer Fall zu vergleichen”, sagte Remo Klinger, der diese von der Deutschen Umwelthilfe unterstützte Klage führt. Denn in Deutschland wurde – wie in der Schweiz und anders als bei der abgewiesenen Klage aus Portugal – der nationale Rechtsweg bereits ausgeschöpft, was eine Voraussetzung für die Klageberechtigung vor dem EGMR ist.
Unklar ist dagegen, ob der deutsche Fall die zweite Hürde nimmt, nämlich die unmittelbare Betroffenheit der Klagenden. Denn bei den aktuell entschiedenen Fällen war die einer Organisation – der Schweizer Klimaseniorinnen – erfolgreich, während die Klagen von Einzelpersonen abgewiesen worden, weil deren besondere Betroffenheit nicht belegt werden konnte. Die deutsche Beschwerde wird aufgrund der Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts ebenfalls von Einzelpersonen geführt.
Allerdings folge daraus nicht automatisch, dass sie ebenfalls abgewiesen wird, denn die deutsche Klage bezieht sich nicht auf die Gefährdung von Leben und Gesundheit, sondern auf die Verletzung von Freiheitsrechten, wo die Betroffenheit anders sei, erläutert Klinger. Auch Beschwerdeführer Steinmetz gibt sich darum eher hoffnungsvoll. “Dass eine unzureichende Klimapolitik die künftigen Freiheitsrechte der jungen Generation einschränken würde, können wir sehr klar nachweisen”, sagte er Table.Briefings.
Zum anderen könnte das Urteil künftige weitere Verfahren beeinflussen. “Es wird auf jeden Fall Auswirkungen auf den deutschen Rechtsraum haben”, meint Umwelt-Juristin Roda Verheyen, die bei den jüngsten Prozessen in Straßburg als Streithelferin beteiligt war. So müssten künftig Klagen von Organisationen zulässig sein, die in Deutschland bisher abgewiesen wurden. Wichtig ist aus Verheyens Sicht zudem, dass der EGMR die Beweislast umgekehrt habe, sagte sie Table.Briefings. “Künftig muss der Staat begründen, dass seine Politik ausreichend ist.” Für die Durchsetzung entsprechender Urteile seien dann wieder die nationalen Gerichte zuständig.
Auch die Organisation Client Earth, die die aktuellen Verfahren mit einem sogenannten Amicus-curie-Brief unterstützt hatte, geht von weitreichenden Folgen in ganz Europa aus. “Da das Urteil des Gerichtshofs bindend ist, haben die Unterzeichnerstaaten nun eine klare rechtliche Verpflichtung, dafür zu sorgen, dass ihre Klimamaßnahmen ausreichen, um die Menschenrechte zu schützen”, erklärte Vesselina Newman. “Richterinnen und Richter in ganz Europa werden diese neuen Grundsätze auf die wachsende Zahl der ihnen vorliegenden Klimafälle anwenden müssen.”
Die Bundesregierung reagierte gelassen auf die Entscheidung aus Straßburg. Dies sei “nicht was ganz Neues”, sagte Außenministerin Annalena Baerbock bei einer Pressekonferenz mit Verweis auf das Klimaurteil des Bundesverfassungsgerichts. “Wir sehen eben, dass die Klimakrise in anderen Ländern auf dieser Welt, auch in allen europäischen Ländern, eine der Haupt-Sicherheitsgefahren ist und dass sich deswegen Gesellschaften auch aus Sicherheitsgründen diesen stellen müssen.” Zusätzlichen Handlungsbedarf sieht sie aber offenbar nicht. “Das tun wir als deutsche Bundesregierung mit unseren Klimaschutzmaßnahmen”, sagte Baerbock.
Ein Sprecher des von Robert Habeck geführten Bundeswirtschaftsministeriums erklärte auf Anfrage, die Verfahren “unterstreichen die Tragweite der Klimakrise und die Schutzpflichten des Staates im Kontext der Klimakrise”. Auch nach Ansicht des BMWK erfüllt Deutschland diese aber bereits. “Für die Bundesregierung ist entscheidend, dass die deutschen Klimaziele bis 2030 tatsächlich erreicht werden”, so der Sprecher. “Die entsprechenden derzeitigen Prognosen legen das nahe.” Im Gegensatz dazu hatte der Sachverständigenrat der Bundesregierung für Umweltfragen kürzlich erklärt, dass Deutschland seinen fairen Anteil an einem 1,5-Grad-kompatiblen CO₂-Budget bereits überschritten habe und die Emissionen darum sehr viel stärker senken müsse.
Der parteilose Landrat des Landkreises Mittelsachsen, Dirk Neubauer, hat in der vergangenen Woche einen weiteren Versuch unternommen, den Produktionsstandort des Solarherstellers Meyer Burger in Freiberg zu erhalten. Doch das Rettungskonzept, das er am Freitag auf einer Pressekonferenz vorstellte, ändert zunächst nichts an der Entscheidung des Schweizer Unternehmens, die Produktion von PV-Modulen in Deutschland einzustellen. Das Werk wird geschlossen. Zum Monatsende verlieren 400 Beschäftigte ihren Arbeitsplatz.
Um Meyer Burger doch noch zum Bleiben zu bewegen, will Neubauer mit der Gründung der “Landwerke Mittelsachsen” das “größte Konjunkturprogramm in der Geschichte des Landkreises” auflegen. An mehreren Standorten in der Region sollen schrittweise Solarparks mit einer Gesamtfläche von bis zu 1.000 Hektar und einer Leistung von einem Gigawatt entstehen, um künftig den Stromverbrauch aller rund 300.000 Einwohner des Landkreises zu decken. Die Investitionskosten bezifferte er auf über 700 Millionen Euro.
“Der Landkreis mit all seinen Bewohnern und seiner Wirtschaft wird in den kommenden 20 Jahren einen Milliardenbetrag für Energie aufbringen müssen. Warum also sorgen wir nicht dafür, dass ein Teil dieser Wertschöpfung in den Kassen beispielsweise der Kommunen bleibt?”, meint Neubauer, der jährliche Einnahmen von bis zu 30 Millionen Euro für realisierbar hält.
Die Finanzierung der Solarparks soll möglichst privat erfolgen. Für die Beantragung von Fördermitteln fehle die Zeit, sagte er. Stattdessen sei man mit dem Sparkassenverband, der Volksbank und mehreren deutschen und europäischen Investoren im Gespräch. Auch Grundstücke seien bereits angeboten worden.
Später könnten sich auch Genossenschaften, Kommunen und Bürger finanziell an den Landwerken Mittelsachsen beteiligen. “Regionalität ist der Schlüsselfaktor für die Akzeptanz der Energiewende”, betonte der Landrat. In den kommenden Wochen will er über erste Fortschritte berichten.
Die PV-Module für die Solarparks sollen teilweise von Meyer Burger kommen. Dass die Produktion dafür wieder aufgenommen wird, ist jedoch sehr unwahrscheinlich. Denn laut Geschäftsbericht 2023 gab es zum Jahresende noch Lagerbestände in einer Größenordnung von 365 Megawatt, die in Freiberg produziert, aber bisher nicht verkauft werden konnten.
Wohl auch um diese Bestände zu reduzieren, bietet das Unternehmen seit Montag zusammen mit der Firma Solarnative ein Balkonkraftwerk mit dem Namen “Meyer Burger Balcony” an, das komplett “Made in Germany” sein soll – “frei von Giftstoffen und Zwangsarbeit”, wie Marketingleiterin Bettina Brammer betont. Meyer Burger liefert die Module. Von Solarnative kommen der Mikro-Wechselrichter, die Steuerungseinheit sowie eine App, die auf deutschen Servern gehostet wird.
Nominell verfügte das Unternehmen Ende 2023 über eine Produktionskapazität für PV-Module von 1,4 Gigawatt, was rund einem Drittel der Gesamtkapazität in Deutschland von 4,26 Gigawatt entspricht. Mangels Nachfrage wurden allerdings nur 650 Megawatt genutzt. Nun stehen alle Produktionslinien in Freiberg still.
Meyer Burger muss die Verluste minimieren. Schon das Jahr 2022 hatte man negativ abgeschlossen. Auch 2023 wurden tiefrote Zahlen geschrieben. Bei einem Umsatz von 140 Millionen Euro lag das Ergebnis vor Steuern, Zinsen und Abschreibungen mit rund 170 Millionen Euro im Minus. Das Unternehmen machte dafür wiederholt die Billigkonkurrenz aus China verantwortlich. Schätzungen zufolge können in den dortigen Fabriken jährlich PV-Module mit einer Leistung von rund 600 Gigawatt produziert werden. Das ist gut ein Drittel mehr als weltweit nachgefragt wird. Der Weltmarktanteil liegt bei rund 80 Prozent.
Meyer Burgers Schließung in Deutschland steht im Kontrast zur jüngst verbauten Kapazität. Laut Bundesverband Solarwirtschaft (BSW) wurden 2023 mehr als eine Million Anlagen errichtet und damit so viele wie nie zuvor. Aber: “Während der Solar-Downstream, also Handel, Handwerk und Projektierer, aufgrund der in der jüngeren Vergangenheit stark gestiegenen Photovoltaik-Nachfrage expandiert, leiden die Produzenten von Solarmodulen und ihren Vorprodukten unter einem harten internationalen Wettbewerbsdruck”, erklärt Carsten Körnig, Hauptgeschäftsführer des BSW, auf Anfrage von Table.Briefings.
Die von zahlreichen Verbänden und Bundesländern empfohlene, zeitlich befristete Einführung einer Resilienz-Förderung sei deshalb “vermutlich die letzte Chance, den dauerhaften Absturz der heimischen Solarindustrie in die Regionalliga zu vermeiden”, so Körnig. Der Bonus soll die Preisdifferenz zwischen PV-Produkten aus europäischer und chinesischer Produktion ausgleichen.
Der Resilienz-Bonus scheiterte jedoch Mitte März an der FDP, die darin ein ungeeignetes Mittel zur Marktregulierung sah. Für Meyer Burger, das den Ansatz vehement verteidigt hatte, war dies der Anlass, die mehrfach angedrohte Schließung des Produktionsstandortes in Freiberg wahr zu machen – und sich nun auf zwei neue Standorte in den USA zu konzentrieren. Dort rechnet das Unternehmen durch den Inflation Reduction Act und andere Fördermaßnahmen mit Steuergutschriften und Subventionen in Höhe von rund 1,5 Milliarden US-Dollar.
Die Modulproduktion in Goodyear (Arizona) soll Ende des zweiten Quartals in Betrieb gehen, die Zellproduktion in Colorado Springs (Colorado) Ende 2024. Die Kapazität beträgt jeweils zwei Gigawatt. Rund zwei Drittel davon sind für Großprojekte vorgesehen, bei denen in den USA in den kommenden Jahren ein deutliches Wachstum erwartet wird.
Bemerkenswert ist, dass Meyer Burger Anfang des Jahres eine Exportkreditgarantie der Bundesregierung von bis zu 95 Millionen US-Dollar für die Verlagerung seiner Produktion in die USA erhalten hat. Landrat Neubauer, der unermüdlich versucht hat, das Unternehmen in Freiberg zu halten, dürfte das gewundert haben.
16. April 2024, 18-19:30 Uhr, Dresden
Diskussion Vier-Tage-Woche – die Zukunft der Arbeitswelt? (Veranstalter: Friedrich-Ebert-Stiftung) Info & Anmeldung
16. April 2024, 18-19 Uhr, Online
Webtalk Mit Vernunft und Innovation: Wie Deutschland die Energiewende meistern will (Veranstalter: Friedrich-Naumann-Stiftung) Info & Anmeldung
17. April 2024, 17-23 Uhr, Berlin
Konferenz Teslokratie. Ist die Endstufe des grünen, demokratischen Kapitalismus erreicht? (Veranstalter: Rosa-Luxemburg-Stiftung) Info & Anmeldung
17. April 2024, 18 Uhr, Köln
Vortrag Tag des (klein-)bäuerlichen Widerstandes: Vortrag von FIAN zu Landgrabbing (Veranstalter: FIAN) Info & Anmeldung
17. bis 19. April 2024, Berlin
Konferenz European Data Summit 2024 – Enabling Innovation. Boosting Competition (Veranstalter: Konrad-Adenauer-Stiftung) Info & Anmeldung
18. April 2024, 16:30-18 Uhr, Aachen
Diskussion Nachhaltigkeit und Transformation als Chance und Herausforderung für die Gesellschaft (Veranstalter: Germanwatch) Info & Anmeldung
19. April 2024, 9-20 Uhr, Köln
Konferenz KI im Unternehmen – Frühjahrstagung des Bundes Katholischer Unternehmer 2024 (Veranstalter: Bund Katholischer Unternehmer) Info & Anmeldung
19.-21. April 2024, Utting am Ammersee
Seminar Energiepolitik: Aktuelles zur Energiewende (Veranstalter: Hanns-Seidel-Stiftung) Info & Anmeldung
21. April 2024, 13-18 Uhr, Bremen
Kolonialismus & Klimakrise – Eine dekoloniale und rassismuskritische Perspektive auf die Klimakrise (Veranstalter: Heinrich-Böll-Stiftung) Info & Anmeldung
Die Bundesregierung plant, einige repräsentative Ausgabentitel im Haushalt für 2025 mit den globalen Nachhaltigkeitszielen (SDG) zu verbinden. Das geht aus der 11. Spending-Review zur “Verbesserung der Wirkungsorientierung im Bundeshaushalt mit einem Schwerpunkt Nachhaltigkeit” hervor, den das Bundeskabinett am Mittwoch berät – er liegt Table.Briefings vor.
Ausgaben aus dem Klima- und Transformationsfonds (KTF) sowie Titel aus Emissionen Grüner Bundeswertpapiere sollen laut dem Bericht bereits 2025 vollständig berücksichtigt werden. Um perspektivisch die nächste Stufe einer ziel- und wirkungsorientierten Haushaltsführung (zwoH) zu erreichen, sollen die Effekte der Ausgaben aus dem KTF auf die Treibhausgasminderung im Haushalt 2025 schon probeweise berücksichtigt werden. Ziel der zwoH ist, die Effizienz der öffentlichen Finanzen für die Erreichung von Nachhaltigkeitszielen zu erhöhen. Ihre Umsetzung ist im Koalitionsvertrag vorgesehen.
Mit Spending Reviews, also Haushaltsanalysen, prüft die Bundesregierung seit 2015 jährlich bestimmte Fragen, die den Bundeshaushalt betreffen. Der Ende 2022 erschienene 10. Spending Review hatte erste Vorschläge dazu gemacht, wie Ausgaben des Bundeshaushalts mit den SDGs verbunden werden können. Der neue Bericht liefert nun Empfehlungen für die Umsetzung und verarbeitet die Ergebnisse der ersten Pilotphase.
Im Haushalt 2024 haben das Bundesumwelt- und das Bundeswirtschaftsministerium bereits die ersten zwei Stufen der zwoH ausprobiert. Dabei geht es um das “Signaling” – das Herstellen von Bezügen zu SDGs in den Vorbemerkungen der Fachkapitel der Haushaltspläne. Die zweite Stufe, die künftig umgesetzt werden soll, betrifft das “Tagging” – die direkte Verknüpfung von Ausgaben und Zielen. Die dritte Stufe, zur Messung der Effektivität und Effizienz, heißt “Analysing” – das betrifft die “systematische Berücksichtigung” von Nachhaltigkeit bei der haushälterischen Wirtschaftlichkeitsuntersuchung.
Beim Tagging habe sich gezeigt, dass die Zuordnung der SDGs “mit einem überschaubaren zeitlichen Aufwand” gelang. Es sei aber “Expertise und Zuarbeit” nötig, heißt es im Bericht. Die Erfahrungen seien ausgewertet worden, bevor die verantwortliche Arbeitsgruppe im September 2023 die Aufgabe erhalten habe, für das kommende Haushaltsjahr das probeweise Ausrollen des Tagging vorzubereiten. Repräsentative Ausgabentitel zu wählen, heißt dem Bericht zufolge, unter anderem aus der sogenannten Hauptgruppe 6 “Ausgaben für Zuweisungen und Zuschüsse mit Ausnahme für Investitionen” mindestens 20 Prozent des Volumens abzudecken. nh
Die Green-Claims-Richtlinie, über die EU-Parlament und Rat derzeit entscheiden, soll Greenwashing in der Werbung verhindern. Mit Klimaneutralität dürften Produkte demnach zum Beispiel nur noch dann werben, wenn das mit wissenschaftlich ermittelten Daten belegt werden kann. Dazu dürfen allerdings nach der Fassung, für die im Februar das EU-Parlament stimmte, im Regelfall keine CO₂-Kompensationen herangezogen werden.
Dadurch könnte die Richtlinie einem anderen Klimaschutzvorhaben der EU im Weg stehen: der Förderung von Carbon Farming. Denn dabei sollen Landwirte durch Humusaufbau auf ihren landwirtschaftlichen Nutzflächen “CO₂-Entnahmezertifikate” generieren und auf freiwilligen Kohlenstoffmärkten verkaufen können. Im Februar hatten sich Parlament und Rat im Trilog über das entsprechende “Carbon Removal Certification Framework (CFCR)” geeinigt. Die finale Abstimmung im Parlament steht am Mittwoch an.
“Wir sind der Meinung, dass die starke Beschränkung des Einsatzes von CO₂-Gutschriften in der Produktwerbung Landwirte davon abhalten könnte, ins Carbon Farming einzusteigen, weil der Markt für ihre Gutschriften nicht rentabel sein wird”, warnt der EU-Bauerndachverband Copa-Cogeca im Gespräch mit Table.Briefings. Werde der Verkauf von CO₂-Gutschriften auf freiwilliger Basis durch strenge Beschränkungen faktisch verhindert, werde dem Markt ein wirksames Klimaschutzinstrument vorenthalten.
Auch beim Thünen-Institut rechnet man mit negativen Auswirkungen. “Wenn mit Klimaschutzprojekten im Bereich Carbon Farming nicht mehr so einfach geworben werden kann, wird auch die Zahlungsbereitschaft von Unternehmen zurückgehen, entsprechende Projekte zu finanzieren”, sagt Bernhard Osterburg, Leiter der Stabsstelle Klima, Boden, Biodiversität des Bundesforschungsinstituts, zu Table.Briefings. Die EU setze mit den Beschränkungen “ganz klar eine Bremse ein”.
Copa-Cogeca kritisiert die Green-Claims-Richtlinie noch in einem weiteren Punkt: Landwirte, die bereits ein Prüfverfahren durchlaufen haben, um die freiwilligen Umweltpraktiken der GAP einzuhalten, müssten ein weiteres Verfahren für dieselben Sachverhalte absolvieren, um den Vorgaben der Green-Claims-Richtlinie zu genügen.
Zwar betrifft die Richtlinie in den wenigsten Fällen Landwirte. Doch wenn etwa ein Händler mit einem Green Claim werben wolle, dann müsse die Behauptung auch auf Ebene des landwirtschaftlichen Betriebs überprüft werden. Der Verband hofft nun, dass seine Kritik in die anstehenden Trilog-Verhandlungen zur Green-Claims-Richtlinie aufgenommen wird. mo
Im Industriepark Schwarze Pumpe in Spreetal/Spremberg (Lausitz) wird in den kommenden zwei Jahren das “Forschungszentrum für treibhausgasneutrale Kreislaufwirtschaft” (Circecon) errichtet. Träger des interdisziplinären Projekts sind die Technischen Universitäten Dresden, Chemnitz und Bergakademie Freiberg sowie die Hochschule Zittau/Görlitz. Der Kooperationsvertrag wurde Ende vergangener Woche unterzeichnet.
Aus Sicht von Ursula M. Staudinger, Rektorin der TU Dresden, entsteht mit Circecon ein “europaweit einzigartiges Technologienetzwerk zur Entwicklung neuer Werkstoff- und Produktionstechnologien sowie Verfahrens- und Recyclingtechniken”. Die Lausitz entwickle sich damit zu “einer international sichtbaren Technologieregion auf dem Gebiet der Kreislaufwirtschaft”, sagte sie.
Der Bund und der Freistaat Sachsen werden bis 2027 rund 108 Millionen Euro in das Projekt investieren. Die Bundesmittel in Höhe von 97,2 Millionen Euro stammen aus dem Investitionsgesetz Kohleregion. Die Inbetriebnahme ist für Ende 2026 geplant. Bis 2028 sollen auf dem rund 43 Hektar großen Gelände auf der sächsischen Seite des Industrieparks Schwarze Pumpe etwa 450 Arbeits- und Ausbildungsplätze entstehen.
Mit 60 Millionen Euro fließt mehr als die Hälfte der Projektmittel in die technische Ausstattung des Circecon. In gemeinsamen Pilotlinien, Versuchs- und Demonstrationsanlagen bündeln die beteiligten Hochschulen ihre Kompetenzen in den Bereichen Werkstoff- und Produktionstechnologien sowie Verfahrens- und Recyclingtechnik, um Technologien für die Kreislaufwirtschaft im industriellen Maßstab abzubilden.
“Mit den in Circecon vorgesehenen großskaligen Pilotanlagen können wir innovative Technologien von der grundlegenden Idee bis zur Produktionsreife entwickeln”, erklärt Klaus-Dieter Barbknecht, Rektor der TU Bergakademie Freiberg. “Wir sind uns sicher, dass damit eine nachhaltige Transformation für die Region und ihre Wirtschaft aktiv unterstützt wird.” ch
Trotz einiger Fortschritte vernachlässigen ESG-Ratingagenturen die unternehmerischen Risiken und sozialen und ökologischen Kosten von Einwegplastik. Zu diesem Schluss kommt die Berliner NGO Facing Finance in einer Studie. Untersucht wurden darin die ESG-Ratings der kommerziellen Anbieter MSCI, S&P Global, ISS ESG, Sustainalytics und LSEG sowie der Non-Profit-Organisation CDP. Alle Anbieter würden zwar einige kunststoffbezogene Faktoren etwa in der Petrochemie und der Konsumgüterindustrie einbeziehen, was Facing Finance als positive Schritte bewertet. MSCI gab zudem an, die CO₂-Emissionen entlang der gesamten Kunststoff-Wertschöpfungskette bei stark von fossilen Brennstoffen abhängigen Unternehmen zu berücksichtigen.
Doch kein Anbieter, so Facing Finance, würde Umweltverschmutzung, Klimaauswirkungen, soziale und gesundheitliche Folgen oder finanzielle Risiken der Produktion und Verwendung von Einwegplastik vollständig und branchenübergreifend in die Bewertungen einfließen lassen. Auch die Umsetzbarkeit von unternehmerischen Plastikreduktionszielen werde nicht kritisch hinterfragt.
“Obgleich ESG-Ratings eine wichtige Rolle bei der Anlageentscheidung von Investoren spielen, zeigt unsere Studie, dass sie die Risiken und Auswirkungen von Plastik nur begrenzt abdecken”, sagt die Koordinatorin der Studie, Kleopatra Partalidou. Sie hofft, dass eine systematische Integration von Plastik in ESG-Ratings “letztendlich Marktentscheidungen und Unternehmensverhalten” beeinflussen werden.
Die NGO fordert, dass das derzeit auf Ebene der Vereinten Nationen verhandelte globale Plastikabkommen verbindliche Vorgaben an den Finanzsektor für einen Systemwandel hin zu Zero Waste enthalten sollte. Dafür sei die Branche auf entsprechende ESG-Ratings angewiesen. Zugleich verhandelt die Europäische Union neue Regelungen, um ESG-Ratings transparenter zu gestalten. av
Die United Autoworkers (UAW) haben auch bei Mercedes-Benz in Alabama eine Anerkennungswahl beantragt. Das teilte die Autogewerkschaft am vergangenen Freitag mit. Das National Labor Relations Board (NLRB) – die für Arbeitsbeziehungen zuständige Bundesbehörde – hat daraufhin für den 15. April eine Anhörung angesetzt. Dort soll das weitere Vorgehen festgelegt werden. Wahrscheinlich ist, dass die rund 5.000 Arbeiter noch im Mai über eine Interessenvertretung abstimmen können.
Mercedes-Benz ist der zweite deutsche Automobilkonzern, an dessen US-Standort innerhalb weniger Wochen eine Gewerkschaftswahl stattfindet. Vom 17. bis 19. April entscheiden bereits die mehr als 4.000 Beschäftigten von VW in Tennessee über eine gewerkschaftliche Vertretung. Hier, wie auch bei Mercedes-Benz, hat die UAW im Vorfeld mitgeteilt, über eine “Supermajority” an Unterstützerkarten zu verfügen. Um als Tarifpartei anerkannt zu werden, muss eine Gewerkschaft nachweisen, dass mehr als die Hälfte der Belegschaft eines Betriebes hinter ihr steht.
In den USA ist es an der Tagesordnung, dass Unternehmen versuchen, gewerkschaftliche Aktivitäten durch sogenanntes “Union Busting” zu unterbinden. Dabei kommt es immer wieder zu Rechtsverstößen. Nach Ansicht der UAW ist dies auch bei Mercedes-Benz in Alabama der Fall. So sei ein an Krebs erkrankter Unterstützer unter fadenscheinigen Gründen entlassen worden. Außerdem habe es mehrere Pflichtveranstaltungen für die Belegschaft gegeben, bei denen Topmanager vor einer gewerkschaftlichen Organisierung gewarnt hätten.
Die Gewerkschaft hat deshalb inzwischen mehrere Beschwerden beim NLRB, aber auch beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) eingereicht. Das BAFA ist für die Einhaltung des deutschen Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes (LkSG) zuständig. Paragraf 2 Abs. 6 LkSG verbietet die Missachtung der Koalitionsfreiheit der Beschäftigten.
Der Stuttgarter Autobauer weist die Vorwürfe zurück. “Mercedes-Benz U.S. International (MBUSI) greift nicht in das Recht von Teammitgliedern ein, eine Gewerkschaftsvertretung zu etablieren”, hieß es auf Anfrage von Table.Briefings. ch
Dem jährlich erscheinenden Schuldenreport des katholischen Hilfswerks Misereor und der NGO Erlassjahr zufolge müssen Staaten im Globalen Süden in diesem Jahr einen so großen Schuldendienst wie nie zuvor leisten. Die beiden Organisationen schätzen die Zins- und Tilgungszahlungen für dieses Jahr auf insgesamt 487 Milliarden US-Dollar. Durchschnittlich belaufe sich der Schuldendienst an ausländische Gläubiger auf 14,7 Prozent der Staatseinnahmen. 45 Staaten müssten einen noch höheren Anteil ihrer Einnahmen an ihre Gläubiger weiterreichen, was international als nicht tragfähig eingeschätzt wird.
Misereor und Erlassjahr untersuchten für den aktuellen Bericht 152 Staaten im Globalen Süden. 55 Prozent davon gelten laut dem Bericht als kritisch oder sehr kritisch verschuldet. Vor der Covid-Pandemie belief sich dieser Wert noch auf 37 Prozent. Besonders betroffen seien Länder in Afrika südlich der Sahara. Neue Höchststände ergaben sich in Süd- und Südostasien und dem Pazifik. Dort sei im Vergleich zu 2019 in mehr als jedem zweiten untersuchten Land eine deutliche Verschlechterung eingetreten.
Die finanziellen Spielräume, um die Folgen der Klimakatastrophe zu bewältigen, seien entsprechend geschrumpft. Die untersuchten Länder zahlten mehr als das Zwölffache für den Schuldendienst im Vergleich zu Investitionen in Klimaresilienz. Auch gestiegene Zinsen schränken die staatliche Handlungsfähigkeit ein, da Staatsschulden in der Regel in Währungen des Globalen Nordens aufgenommen werden. Die internationalen Beiträge zur Klimafinanzierung seien hingegen hinter den Erwartungen zurückgeblieben.
Seit Langem fordern die beiden Organisationen ein internationales Staatsinsolvenzverfahren, um eine langfristige Lösung der Schuldenkrise zu erreichen. Auch im Koalitionsvertrag der Bundesregierung wird dieses Ziel formuliert. Bundesentwicklungsministerin Svenja Schulze sagte mit Blick auf den Bericht, dass die dramatische Überschuldung “zu einem enormen Entwicklungshindernis für viele Länder geworden” und für die Stabilität der Weltwirtschaft “eine tickende Zeitbombe” sei. Das von der G20 im Jahr 2020 beschlossene “Gemeinsame Rahmenwerk” zum Umgang mit überschuldeten Entwicklungsländern könne eine wichtige Grundlage für die perspektivische Entwicklung eines Staateninsolvenzverfahrens darstellen. av
Keines der 51 untersuchten großen Unternehmen – darunter Adidas, Nestlé, Volkswagen und H&M – hat sich Klimaziele gesteckt, die mit dem 1,5-Grad-Ziel kompatibel sind. Im Mittel verpflichten sie sich zu einer Reduktion ihrer Treibhausgase von 30 Prozent bis 2030 gegenüber dem Basisjahr 2019. Das seien 13 Prozentpunkte weniger als nötig, zeigt der jährliche Corporate Climate Responsibility Monitor (CCRM). Dieser wurde vom New Climate Institute und Carbon Market Watch am Dienstag veröffentlicht.
Zwar sieht der Bericht Fortschritte gegenüber dem Vorjahr. Damals wurden die Klimaziele von zwei Drittel der untersuchten Unternehmen mit “niedriger” oder “sehr niedriger Integrität” bewertet. Seither hätten einige Unternehmen ihre Klimaziele überarbeitet. 18 der 51 Unternehmen verpflichten sich nun einer tiefgreifenden Dekarbonisierung (mehr als 90 Prozent Emissionsreduktion).
Allerdings würden die meisten Unternehmen weiter “veraltete, intransparente, unklare oder limitierte Emissionsreduktionsziele” angeben. Volkswagen habe etwa seit dem vergangenen Bericht das Ziel für 2025 komplett gestrichen. Teils würden Unternehmen auch auf “falsche Lösungen” setzen: beispielsweise CO₂-Kompensation statt ambitionierter Emissionsreduktion oder CO₂-Speicherung im Stromsektor. Es brauche daher “klare Richtlinien für sektorspezifische Übergangspläne”, fordert Silke Mooldijk vom New Climate Institute.
So haben einige ausgewählte untersuchte Unternehmen abgeschnitten:
Im Bericht wird zudem kritisiert, dass viele Unternehmen ihre Klimaziele von der Science Based Targets-Initiative und ähnlichen freiwilligen Anbietern überprüfen lassen – diese aber teils geschönte Zeugnisse ausstellen würden. lb
La reculade sur le climat, un signe de la pression du populisme – Le Monde
Europäische Regierungen kuschen vor den Rechtspopulisten und vernachlässigen den Natur- und Klimaschutz. Dies sei riskant, analysiert Matthieu Goar, zumal laut Umfragen Klima und Natur weiter zu den größten Sorgen der Europäer gehören – und sogar 62 Prozent der französischen Bauern die ökologische Transformation als notwendig sehen. Zum Artikel
Illegales Leder: Wie deutsche Autobauer den Regenwald bedrohen – ARD
In einer Fernsehreportage befassen sich Jan-Philipp Scholz, Annkathrin Weis und Johannes Meier mit der Lederproduktion in Brasilien. Dafür würde illegal Regenwald abgeholzt, indigene Naturschützer würden bedroht. Haben deutsche Autohersteller die illegale Ware auf ihre Fahrzeugsitze gespannt? Das europäische Lieferkettengesetz könnte bei einer Aufklärung vor Gericht nützen. Zur Mediathek
Was die EU tut, hilft dem Regenwald nicht – FAZ
Während die Waldfläche in Europa überraschenderweise wachse, müssten tropische Regenwälder weiterhin den Anbauflächen für Soja, Kaffee oder Kakao weichen, schreibt Rainer Hank in seiner Kolumne. Die Anti-Entwaldungsverordnung der EU stoße im Globalen Süden jedoch auf den Vorwurf des Neo-Imperialismus und den Verdacht des Protektionismus der europäischen Landwirtschaft. Zum Artikel
Europe needs €800bn to meet 2030 climate targets, says industry – Financial Times
Europa brauche bis 2030 rund 800 Milliarden Euro private und öffentliche Investitionen für den Ausbau der Stromnetze und der Energiespeicher, um die Klimaziele zu erreichen und die Wettbewerbsfähigkeit seiner Industrie zu erhalten. Darauf weise der European Round Table for Industry, eine Brüsseler Lobbyorganisation, in einem neuen Bericht hin, schreibt Alice Hancock. Zum Artikel
PFAS ‘Forever Chemicals’ Are Pervasive in Water Worldwide, Study Finds – The New York Times
Die Analyse von weltweit 45.000 Wasserproben ergab, dass rund 31 Prozent der untersuchten Grundwasserproben, die nicht in der Nähe einer offensichtlichen Kontaminationsquelle lagen, trotzdem PFAS-Werte aufwiesen, die von der Umweltschutzbehörde als gesundheitsschädlich eingestuft werden. Delger Erdenesanaa hat die Untersuchung genauer unter die Lupe genommen. Zum Artikel
Zu teuer, zu kompliziert: Scharfe Kritik an Reparaturen bei E-Autos – Der Standard
Die Reparatur von Elektrofahrzeugen sei nach wie vor problematisch, berichtet der Standard – selbst kleine Schäden können Komplikationen und unnötig hohe Kosten verursachen. Gründe dafür seien die schwierige Versorgung freier Werkstätten mit Ersatzteilen, sowie die Instandsetzung der Fahrzeuge nach einem Unfall. Zum Artikel
Umstrittene EU-Richtlinie: Lieferkettengesetz birgt “erhebliche juristische Sprengkraft” – Deutsche Handwerkszeitung
Zum Ärger der Wirtschaft hat sich die EU doch noch auf eine Lieferkettenrichtlinie geeinigt. Im Interview mit Steffen Range erklärt Rechtsanwalt Philipp Kärcher, warum er nun mit Sammelklagen wie im VW-Dieselskandal rechnet und dennoch ein Trostpflaster für den Mittelstand hat. Zum Artikel
Sie verdienen ein zweites Leben – FAZ
Ein Möbelhersteller, der alte Möbel aus eigener Produktion zurücknimmt und wieder aufarbeitet, eine Porzellanmanufaktur, deren aus der Mode gekommenes Geschirr mit neuen Designs übermalt wird: Peter-Philipp Schmitt stellt verschiedene Unternehmen und ihre Modelle der Wiederaufbereitung vor. Zum Artikel
Sein Interesse für Nachhaltigkeit entwickelte Henrik Pontzen, als er sich mit der Ethik von Risiken beschäftigte. Welche Risiken darf man anderen zumuten und welche muss man sich von anderen zumuten lassen, war die zentrale Frage seiner Doktorarbeit. Bei ökologischen Risiken, zum Beispiel Umweltauswirkungen von Müll, sei die Beantwortung schwierig. Denn Betroffene aus nachfolgenden Generationen könnten dem Risiko nicht zustimmen, wenn es eingegangen wird. Pontzen erarbeitete daher Vorschläge, wie sich mit diesem Befund umgehen lässt. So sei er “direkt in die Nachhaltigkeitsdebatte” gekommen.
Bevor er begann, sich hauptberuflich mit Nachhaltigkeit zu beschäftigten, arbeitete er rund zehn Jahre im Finanzsektor – bei verschiedenen Gesellschaften der Bank HSBC. Vor ungefähr fünf Jahren hatte er dann die Gelegenheit, sein Interesse an Nachhaltigkeit mit dem Job zu verbinden: Er wurde Leiter “ESG im Portfoliomanagement” bei Union Investment, der Fondsgesellschaft der Deutschen Zentral-Genossenschaftsbank. Seine Aufgabe: Eine neue Nachhaltigkeitsstrategie für das Management des Portfolios umzusetzen. Seit dem 1. April ist er zusätzlich dazu auch innerhalb von Union Investment für Nachhaltigkeit verantwortlich – in der neu geschaffenen Position des Chief Sustainability Officer.
Über die Strategie für das Portfoliomanagement sagt Pontzen: “Wir investieren in glaubwürdige Transformation – also in Unternehmen, die ambitionierte Ziele verlässlich verfolgen.” Dafür arbeitet die Fondsgesellschaft mit Ausschlusskriterien und Nachhaltigkeitswertungen. Gemäß dem “Best-in-class-Ansatz” sind die nachhaltigsten 50 Prozent der Unternehmen einer Branche investierbar. Firmen aus der weniger nachhaltigen Hälfte kommen in Betracht, wenn sie ein positives Transformationsrating erreichen. Dafür prüften die hauseigenen Experten, ob potenzielle Kandidaten “eine überzeugende Nachhaltigkeitsstrategie haben, ob genug Geld für die erforderlichen Investitionen verfügbar ist und ob es in der Vorstandsvergütung hinreichende Anreize für Nachhaltigkeit gibt”, erklärt Pontzen. Einmal pro Jahr erfolge eine erneute Bewertung.
“Um ein so großes Problem wie den Klimawandel in den Griff zu bekommen, brauchen wir alle Unternehmen – auch jene, die sich auf den Weg gemacht haben, aber noch nicht am Ziel sind“, sagt Pontzen. Sonst könne die Transformation nicht erfolgreich bewältigt werden. Aus der Größe der Aufgabe entstünde das Mandat, “in glaubwürdige Transformation zu investieren” – statt nur bereits “grüne Unternehmen” bei der Anlageentscheidung zu berücksichtigen. “Glaubwürdig heißt aber auch, gute Kompromisse zu finden”, ergänzt der 44-Jährige.
Einen funktionierenden Kompromiss für sich hat Pontzen bei der Aufteilung von Präsenz- und Homeoffice-Tagen gefunden. Drei Tage die Woche arbeitet er in der Firmenzentrale von Union Investment in Frankfurt, den Rest der Woche von seinem Wohnort in der Nähe von Düsseldorf aus. Denn der aus Aachen stammende Pontzen ist dem Rheinland sehr verbunden. Andere Gegenden in Deutschland fühlten sich für ihn “eher wie Ausland an”.
Energie geben ihm seine Frau und seine beiden Kinder, sagt Pontzen. Außerdem gehe er regelmäßig vor oder nach der Arbeit laufen, zum Spinning (Rennrad) oder spiele Tennis. “Etwas, das mich stört, ist, dass ich immer weniger lese“, ergänzt er jedoch. Als er Geschichte, VWL und Philosophie studierte, habe er streckenweise jeden Tag stundenlang Texte gewälzt. Über das Osterwochenende habe er immerhin mal wieder ein soziologisches Buch gelesen. Um ökologische Risiken ging es zwar nicht, dafür aber unter anderem um die Bedeutung von Familie und Herkunft für Identität. Nicolas Heronymus
Klimaschutz ist ein Menschenrecht. Das hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) am Dienstag erstmals festgestellt. Zwar lehnte er zwei Klagen von einer Gruppe portugiesischer Jugendlicher und junger Erwachsener sowie eines grünen Europapolitikers ab. Der Klage von Seniorinnen aus der Schweiz aber gab er statt und erklärte, dass Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention ein Recht auf “effektiven Schutz durch staatliche Autoritäten vor den ernsthaften schädlichen Aspekten des Klimawandels auf Leben, Gesundheit, Wohlergehen und Lebensqualität” enthält. Die Details des Urteils können Sie hier nachlesen.
Die Schweiz muss nun nachbessern. Das Gericht mahnte an, dass es an einem CO₂-Budget fehle, auch die bisherigen Regelungen der Berner Regierung, die Obergrenzen erst ab dem Jahr 2030 festlegen, reichten den Richtern nicht aus.
Das Urteil kann Folgen für ganz Europa haben. Malte Kreutzfeldt erklärt deshalb, was hierzulande zu erwarten ist. Derzeit liegt beim EGMR auch ein deutscher Fall – und weitere mögliche Klägerinnen und Kläger dürften sich durch die Entscheidung in Straßburg ermutigt fühlen.
Dass Urteile wie das aktuelle auch für die Wirtschaft ein Warnsignal sein sollten, darauf hat kürzlich auch eine Studie hingewiesen. Unternehmen müssten Gerichtsverfahren demnach stärker in ihre Risikoabschätzungen integrieren, so die Autoren – bislang passiere das noch zu selten.
Ein Blick in die Datenbank der Columbia Law School zeigt, dass zunehmend mehr Verfahren gegen Unternehmen angestrengt werden, die mit grünen, aber – vermeintlich – falschen und irreführenden Aussagen für sich werben. Glaubwürdiges, belegbares Handeln ist stärker gefragt denn je. In der Politik wie in der Wirtschaft.
Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR), wonach die Schweizer Klimaschutzpolitik gegen das Menschenrecht auf Leben und Gesundheit verstößt, könnte nach Einschätzung von Umwelt-Juristen auch wichtige Konsequenzen für Deutschland haben. Denn zum einen liegt beim EGMR derzeit auch ein deutscher Fall: Nachdem eine Verfassungsbeschwerde gegen die unzureichenden Klimaschutzpläne im Juni 2022 vom Bundesverfassungsgericht nicht angenommen wurde, hatten die Kläger Beschwerde beim EGMR eingereicht. Beschwerdeführer ist der 20-jährige Klimaaktivist Linus Steinmetz.
“Dieser Fall ist eher mit dem erfolgreichen Schweizer Fall zu vergleichen”, sagte Remo Klinger, der diese von der Deutschen Umwelthilfe unterstützte Klage führt. Denn in Deutschland wurde – wie in der Schweiz und anders als bei der abgewiesenen Klage aus Portugal – der nationale Rechtsweg bereits ausgeschöpft, was eine Voraussetzung für die Klageberechtigung vor dem EGMR ist.
Unklar ist dagegen, ob der deutsche Fall die zweite Hürde nimmt, nämlich die unmittelbare Betroffenheit der Klagenden. Denn bei den aktuell entschiedenen Fällen war die einer Organisation – der Schweizer Klimaseniorinnen – erfolgreich, während die Klagen von Einzelpersonen abgewiesen worden, weil deren besondere Betroffenheit nicht belegt werden konnte. Die deutsche Beschwerde wird aufgrund der Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts ebenfalls von Einzelpersonen geführt.
Allerdings folge daraus nicht automatisch, dass sie ebenfalls abgewiesen wird, denn die deutsche Klage bezieht sich nicht auf die Gefährdung von Leben und Gesundheit, sondern auf die Verletzung von Freiheitsrechten, wo die Betroffenheit anders sei, erläutert Klinger. Auch Beschwerdeführer Steinmetz gibt sich darum eher hoffnungsvoll. “Dass eine unzureichende Klimapolitik die künftigen Freiheitsrechte der jungen Generation einschränken würde, können wir sehr klar nachweisen”, sagte er Table.Briefings.
Zum anderen könnte das Urteil künftige weitere Verfahren beeinflussen. “Es wird auf jeden Fall Auswirkungen auf den deutschen Rechtsraum haben”, meint Umwelt-Juristin Roda Verheyen, die bei den jüngsten Prozessen in Straßburg als Streithelferin beteiligt war. So müssten künftig Klagen von Organisationen zulässig sein, die in Deutschland bisher abgewiesen wurden. Wichtig ist aus Verheyens Sicht zudem, dass der EGMR die Beweislast umgekehrt habe, sagte sie Table.Briefings. “Künftig muss der Staat begründen, dass seine Politik ausreichend ist.” Für die Durchsetzung entsprechender Urteile seien dann wieder die nationalen Gerichte zuständig.
Auch die Organisation Client Earth, die die aktuellen Verfahren mit einem sogenannten Amicus-curie-Brief unterstützt hatte, geht von weitreichenden Folgen in ganz Europa aus. “Da das Urteil des Gerichtshofs bindend ist, haben die Unterzeichnerstaaten nun eine klare rechtliche Verpflichtung, dafür zu sorgen, dass ihre Klimamaßnahmen ausreichen, um die Menschenrechte zu schützen”, erklärte Vesselina Newman. “Richterinnen und Richter in ganz Europa werden diese neuen Grundsätze auf die wachsende Zahl der ihnen vorliegenden Klimafälle anwenden müssen.”
Die Bundesregierung reagierte gelassen auf die Entscheidung aus Straßburg. Dies sei “nicht was ganz Neues”, sagte Außenministerin Annalena Baerbock bei einer Pressekonferenz mit Verweis auf das Klimaurteil des Bundesverfassungsgerichts. “Wir sehen eben, dass die Klimakrise in anderen Ländern auf dieser Welt, auch in allen europäischen Ländern, eine der Haupt-Sicherheitsgefahren ist und dass sich deswegen Gesellschaften auch aus Sicherheitsgründen diesen stellen müssen.” Zusätzlichen Handlungsbedarf sieht sie aber offenbar nicht. “Das tun wir als deutsche Bundesregierung mit unseren Klimaschutzmaßnahmen”, sagte Baerbock.
Ein Sprecher des von Robert Habeck geführten Bundeswirtschaftsministeriums erklärte auf Anfrage, die Verfahren “unterstreichen die Tragweite der Klimakrise und die Schutzpflichten des Staates im Kontext der Klimakrise”. Auch nach Ansicht des BMWK erfüllt Deutschland diese aber bereits. “Für die Bundesregierung ist entscheidend, dass die deutschen Klimaziele bis 2030 tatsächlich erreicht werden”, so der Sprecher. “Die entsprechenden derzeitigen Prognosen legen das nahe.” Im Gegensatz dazu hatte der Sachverständigenrat der Bundesregierung für Umweltfragen kürzlich erklärt, dass Deutschland seinen fairen Anteil an einem 1,5-Grad-kompatiblen CO₂-Budget bereits überschritten habe und die Emissionen darum sehr viel stärker senken müsse.
Der parteilose Landrat des Landkreises Mittelsachsen, Dirk Neubauer, hat in der vergangenen Woche einen weiteren Versuch unternommen, den Produktionsstandort des Solarherstellers Meyer Burger in Freiberg zu erhalten. Doch das Rettungskonzept, das er am Freitag auf einer Pressekonferenz vorstellte, ändert zunächst nichts an der Entscheidung des Schweizer Unternehmens, die Produktion von PV-Modulen in Deutschland einzustellen. Das Werk wird geschlossen. Zum Monatsende verlieren 400 Beschäftigte ihren Arbeitsplatz.
Um Meyer Burger doch noch zum Bleiben zu bewegen, will Neubauer mit der Gründung der “Landwerke Mittelsachsen” das “größte Konjunkturprogramm in der Geschichte des Landkreises” auflegen. An mehreren Standorten in der Region sollen schrittweise Solarparks mit einer Gesamtfläche von bis zu 1.000 Hektar und einer Leistung von einem Gigawatt entstehen, um künftig den Stromverbrauch aller rund 300.000 Einwohner des Landkreises zu decken. Die Investitionskosten bezifferte er auf über 700 Millionen Euro.
“Der Landkreis mit all seinen Bewohnern und seiner Wirtschaft wird in den kommenden 20 Jahren einen Milliardenbetrag für Energie aufbringen müssen. Warum also sorgen wir nicht dafür, dass ein Teil dieser Wertschöpfung in den Kassen beispielsweise der Kommunen bleibt?”, meint Neubauer, der jährliche Einnahmen von bis zu 30 Millionen Euro für realisierbar hält.
Die Finanzierung der Solarparks soll möglichst privat erfolgen. Für die Beantragung von Fördermitteln fehle die Zeit, sagte er. Stattdessen sei man mit dem Sparkassenverband, der Volksbank und mehreren deutschen und europäischen Investoren im Gespräch. Auch Grundstücke seien bereits angeboten worden.
Später könnten sich auch Genossenschaften, Kommunen und Bürger finanziell an den Landwerken Mittelsachsen beteiligen. “Regionalität ist der Schlüsselfaktor für die Akzeptanz der Energiewende”, betonte der Landrat. In den kommenden Wochen will er über erste Fortschritte berichten.
Die PV-Module für die Solarparks sollen teilweise von Meyer Burger kommen. Dass die Produktion dafür wieder aufgenommen wird, ist jedoch sehr unwahrscheinlich. Denn laut Geschäftsbericht 2023 gab es zum Jahresende noch Lagerbestände in einer Größenordnung von 365 Megawatt, die in Freiberg produziert, aber bisher nicht verkauft werden konnten.
Wohl auch um diese Bestände zu reduzieren, bietet das Unternehmen seit Montag zusammen mit der Firma Solarnative ein Balkonkraftwerk mit dem Namen “Meyer Burger Balcony” an, das komplett “Made in Germany” sein soll – “frei von Giftstoffen und Zwangsarbeit”, wie Marketingleiterin Bettina Brammer betont. Meyer Burger liefert die Module. Von Solarnative kommen der Mikro-Wechselrichter, die Steuerungseinheit sowie eine App, die auf deutschen Servern gehostet wird.
Nominell verfügte das Unternehmen Ende 2023 über eine Produktionskapazität für PV-Module von 1,4 Gigawatt, was rund einem Drittel der Gesamtkapazität in Deutschland von 4,26 Gigawatt entspricht. Mangels Nachfrage wurden allerdings nur 650 Megawatt genutzt. Nun stehen alle Produktionslinien in Freiberg still.
Meyer Burger muss die Verluste minimieren. Schon das Jahr 2022 hatte man negativ abgeschlossen. Auch 2023 wurden tiefrote Zahlen geschrieben. Bei einem Umsatz von 140 Millionen Euro lag das Ergebnis vor Steuern, Zinsen und Abschreibungen mit rund 170 Millionen Euro im Minus. Das Unternehmen machte dafür wiederholt die Billigkonkurrenz aus China verantwortlich. Schätzungen zufolge können in den dortigen Fabriken jährlich PV-Module mit einer Leistung von rund 600 Gigawatt produziert werden. Das ist gut ein Drittel mehr als weltweit nachgefragt wird. Der Weltmarktanteil liegt bei rund 80 Prozent.
Meyer Burgers Schließung in Deutschland steht im Kontrast zur jüngst verbauten Kapazität. Laut Bundesverband Solarwirtschaft (BSW) wurden 2023 mehr als eine Million Anlagen errichtet und damit so viele wie nie zuvor. Aber: “Während der Solar-Downstream, also Handel, Handwerk und Projektierer, aufgrund der in der jüngeren Vergangenheit stark gestiegenen Photovoltaik-Nachfrage expandiert, leiden die Produzenten von Solarmodulen und ihren Vorprodukten unter einem harten internationalen Wettbewerbsdruck”, erklärt Carsten Körnig, Hauptgeschäftsführer des BSW, auf Anfrage von Table.Briefings.
Die von zahlreichen Verbänden und Bundesländern empfohlene, zeitlich befristete Einführung einer Resilienz-Förderung sei deshalb “vermutlich die letzte Chance, den dauerhaften Absturz der heimischen Solarindustrie in die Regionalliga zu vermeiden”, so Körnig. Der Bonus soll die Preisdifferenz zwischen PV-Produkten aus europäischer und chinesischer Produktion ausgleichen.
Der Resilienz-Bonus scheiterte jedoch Mitte März an der FDP, die darin ein ungeeignetes Mittel zur Marktregulierung sah. Für Meyer Burger, das den Ansatz vehement verteidigt hatte, war dies der Anlass, die mehrfach angedrohte Schließung des Produktionsstandortes in Freiberg wahr zu machen – und sich nun auf zwei neue Standorte in den USA zu konzentrieren. Dort rechnet das Unternehmen durch den Inflation Reduction Act und andere Fördermaßnahmen mit Steuergutschriften und Subventionen in Höhe von rund 1,5 Milliarden US-Dollar.
Die Modulproduktion in Goodyear (Arizona) soll Ende des zweiten Quartals in Betrieb gehen, die Zellproduktion in Colorado Springs (Colorado) Ende 2024. Die Kapazität beträgt jeweils zwei Gigawatt. Rund zwei Drittel davon sind für Großprojekte vorgesehen, bei denen in den USA in den kommenden Jahren ein deutliches Wachstum erwartet wird.
Bemerkenswert ist, dass Meyer Burger Anfang des Jahres eine Exportkreditgarantie der Bundesregierung von bis zu 95 Millionen US-Dollar für die Verlagerung seiner Produktion in die USA erhalten hat. Landrat Neubauer, der unermüdlich versucht hat, das Unternehmen in Freiberg zu halten, dürfte das gewundert haben.
16. April 2024, 18-19:30 Uhr, Dresden
Diskussion Vier-Tage-Woche – die Zukunft der Arbeitswelt? (Veranstalter: Friedrich-Ebert-Stiftung) Info & Anmeldung
16. April 2024, 18-19 Uhr, Online
Webtalk Mit Vernunft und Innovation: Wie Deutschland die Energiewende meistern will (Veranstalter: Friedrich-Naumann-Stiftung) Info & Anmeldung
17. April 2024, 17-23 Uhr, Berlin
Konferenz Teslokratie. Ist die Endstufe des grünen, demokratischen Kapitalismus erreicht? (Veranstalter: Rosa-Luxemburg-Stiftung) Info & Anmeldung
17. April 2024, 18 Uhr, Köln
Vortrag Tag des (klein-)bäuerlichen Widerstandes: Vortrag von FIAN zu Landgrabbing (Veranstalter: FIAN) Info & Anmeldung
17. bis 19. April 2024, Berlin
Konferenz European Data Summit 2024 – Enabling Innovation. Boosting Competition (Veranstalter: Konrad-Adenauer-Stiftung) Info & Anmeldung
18. April 2024, 16:30-18 Uhr, Aachen
Diskussion Nachhaltigkeit und Transformation als Chance und Herausforderung für die Gesellschaft (Veranstalter: Germanwatch) Info & Anmeldung
19. April 2024, 9-20 Uhr, Köln
Konferenz KI im Unternehmen – Frühjahrstagung des Bundes Katholischer Unternehmer 2024 (Veranstalter: Bund Katholischer Unternehmer) Info & Anmeldung
19.-21. April 2024, Utting am Ammersee
Seminar Energiepolitik: Aktuelles zur Energiewende (Veranstalter: Hanns-Seidel-Stiftung) Info & Anmeldung
21. April 2024, 13-18 Uhr, Bremen
Kolonialismus & Klimakrise – Eine dekoloniale und rassismuskritische Perspektive auf die Klimakrise (Veranstalter: Heinrich-Böll-Stiftung) Info & Anmeldung
Die Bundesregierung plant, einige repräsentative Ausgabentitel im Haushalt für 2025 mit den globalen Nachhaltigkeitszielen (SDG) zu verbinden. Das geht aus der 11. Spending-Review zur “Verbesserung der Wirkungsorientierung im Bundeshaushalt mit einem Schwerpunkt Nachhaltigkeit” hervor, den das Bundeskabinett am Mittwoch berät – er liegt Table.Briefings vor.
Ausgaben aus dem Klima- und Transformationsfonds (KTF) sowie Titel aus Emissionen Grüner Bundeswertpapiere sollen laut dem Bericht bereits 2025 vollständig berücksichtigt werden. Um perspektivisch die nächste Stufe einer ziel- und wirkungsorientierten Haushaltsführung (zwoH) zu erreichen, sollen die Effekte der Ausgaben aus dem KTF auf die Treibhausgasminderung im Haushalt 2025 schon probeweise berücksichtigt werden. Ziel der zwoH ist, die Effizienz der öffentlichen Finanzen für die Erreichung von Nachhaltigkeitszielen zu erhöhen. Ihre Umsetzung ist im Koalitionsvertrag vorgesehen.
Mit Spending Reviews, also Haushaltsanalysen, prüft die Bundesregierung seit 2015 jährlich bestimmte Fragen, die den Bundeshaushalt betreffen. Der Ende 2022 erschienene 10. Spending Review hatte erste Vorschläge dazu gemacht, wie Ausgaben des Bundeshaushalts mit den SDGs verbunden werden können. Der neue Bericht liefert nun Empfehlungen für die Umsetzung und verarbeitet die Ergebnisse der ersten Pilotphase.
Im Haushalt 2024 haben das Bundesumwelt- und das Bundeswirtschaftsministerium bereits die ersten zwei Stufen der zwoH ausprobiert. Dabei geht es um das “Signaling” – das Herstellen von Bezügen zu SDGs in den Vorbemerkungen der Fachkapitel der Haushaltspläne. Die zweite Stufe, die künftig umgesetzt werden soll, betrifft das “Tagging” – die direkte Verknüpfung von Ausgaben und Zielen. Die dritte Stufe, zur Messung der Effektivität und Effizienz, heißt “Analysing” – das betrifft die “systematische Berücksichtigung” von Nachhaltigkeit bei der haushälterischen Wirtschaftlichkeitsuntersuchung.
Beim Tagging habe sich gezeigt, dass die Zuordnung der SDGs “mit einem überschaubaren zeitlichen Aufwand” gelang. Es sei aber “Expertise und Zuarbeit” nötig, heißt es im Bericht. Die Erfahrungen seien ausgewertet worden, bevor die verantwortliche Arbeitsgruppe im September 2023 die Aufgabe erhalten habe, für das kommende Haushaltsjahr das probeweise Ausrollen des Tagging vorzubereiten. Repräsentative Ausgabentitel zu wählen, heißt dem Bericht zufolge, unter anderem aus der sogenannten Hauptgruppe 6 “Ausgaben für Zuweisungen und Zuschüsse mit Ausnahme für Investitionen” mindestens 20 Prozent des Volumens abzudecken. nh
Die Green-Claims-Richtlinie, über die EU-Parlament und Rat derzeit entscheiden, soll Greenwashing in der Werbung verhindern. Mit Klimaneutralität dürften Produkte demnach zum Beispiel nur noch dann werben, wenn das mit wissenschaftlich ermittelten Daten belegt werden kann. Dazu dürfen allerdings nach der Fassung, für die im Februar das EU-Parlament stimmte, im Regelfall keine CO₂-Kompensationen herangezogen werden.
Dadurch könnte die Richtlinie einem anderen Klimaschutzvorhaben der EU im Weg stehen: der Förderung von Carbon Farming. Denn dabei sollen Landwirte durch Humusaufbau auf ihren landwirtschaftlichen Nutzflächen “CO₂-Entnahmezertifikate” generieren und auf freiwilligen Kohlenstoffmärkten verkaufen können. Im Februar hatten sich Parlament und Rat im Trilog über das entsprechende “Carbon Removal Certification Framework (CFCR)” geeinigt. Die finale Abstimmung im Parlament steht am Mittwoch an.
“Wir sind der Meinung, dass die starke Beschränkung des Einsatzes von CO₂-Gutschriften in der Produktwerbung Landwirte davon abhalten könnte, ins Carbon Farming einzusteigen, weil der Markt für ihre Gutschriften nicht rentabel sein wird”, warnt der EU-Bauerndachverband Copa-Cogeca im Gespräch mit Table.Briefings. Werde der Verkauf von CO₂-Gutschriften auf freiwilliger Basis durch strenge Beschränkungen faktisch verhindert, werde dem Markt ein wirksames Klimaschutzinstrument vorenthalten.
Auch beim Thünen-Institut rechnet man mit negativen Auswirkungen. “Wenn mit Klimaschutzprojekten im Bereich Carbon Farming nicht mehr so einfach geworben werden kann, wird auch die Zahlungsbereitschaft von Unternehmen zurückgehen, entsprechende Projekte zu finanzieren”, sagt Bernhard Osterburg, Leiter der Stabsstelle Klima, Boden, Biodiversität des Bundesforschungsinstituts, zu Table.Briefings. Die EU setze mit den Beschränkungen “ganz klar eine Bremse ein”.
Copa-Cogeca kritisiert die Green-Claims-Richtlinie noch in einem weiteren Punkt: Landwirte, die bereits ein Prüfverfahren durchlaufen haben, um die freiwilligen Umweltpraktiken der GAP einzuhalten, müssten ein weiteres Verfahren für dieselben Sachverhalte absolvieren, um den Vorgaben der Green-Claims-Richtlinie zu genügen.
Zwar betrifft die Richtlinie in den wenigsten Fällen Landwirte. Doch wenn etwa ein Händler mit einem Green Claim werben wolle, dann müsse die Behauptung auch auf Ebene des landwirtschaftlichen Betriebs überprüft werden. Der Verband hofft nun, dass seine Kritik in die anstehenden Trilog-Verhandlungen zur Green-Claims-Richtlinie aufgenommen wird. mo
Im Industriepark Schwarze Pumpe in Spreetal/Spremberg (Lausitz) wird in den kommenden zwei Jahren das “Forschungszentrum für treibhausgasneutrale Kreislaufwirtschaft” (Circecon) errichtet. Träger des interdisziplinären Projekts sind die Technischen Universitäten Dresden, Chemnitz und Bergakademie Freiberg sowie die Hochschule Zittau/Görlitz. Der Kooperationsvertrag wurde Ende vergangener Woche unterzeichnet.
Aus Sicht von Ursula M. Staudinger, Rektorin der TU Dresden, entsteht mit Circecon ein “europaweit einzigartiges Technologienetzwerk zur Entwicklung neuer Werkstoff- und Produktionstechnologien sowie Verfahrens- und Recyclingtechniken”. Die Lausitz entwickle sich damit zu “einer international sichtbaren Technologieregion auf dem Gebiet der Kreislaufwirtschaft”, sagte sie.
Der Bund und der Freistaat Sachsen werden bis 2027 rund 108 Millionen Euro in das Projekt investieren. Die Bundesmittel in Höhe von 97,2 Millionen Euro stammen aus dem Investitionsgesetz Kohleregion. Die Inbetriebnahme ist für Ende 2026 geplant. Bis 2028 sollen auf dem rund 43 Hektar großen Gelände auf der sächsischen Seite des Industrieparks Schwarze Pumpe etwa 450 Arbeits- und Ausbildungsplätze entstehen.
Mit 60 Millionen Euro fließt mehr als die Hälfte der Projektmittel in die technische Ausstattung des Circecon. In gemeinsamen Pilotlinien, Versuchs- und Demonstrationsanlagen bündeln die beteiligten Hochschulen ihre Kompetenzen in den Bereichen Werkstoff- und Produktionstechnologien sowie Verfahrens- und Recyclingtechnik, um Technologien für die Kreislaufwirtschaft im industriellen Maßstab abzubilden.
“Mit den in Circecon vorgesehenen großskaligen Pilotanlagen können wir innovative Technologien von der grundlegenden Idee bis zur Produktionsreife entwickeln”, erklärt Klaus-Dieter Barbknecht, Rektor der TU Bergakademie Freiberg. “Wir sind uns sicher, dass damit eine nachhaltige Transformation für die Region und ihre Wirtschaft aktiv unterstützt wird.” ch
Trotz einiger Fortschritte vernachlässigen ESG-Ratingagenturen die unternehmerischen Risiken und sozialen und ökologischen Kosten von Einwegplastik. Zu diesem Schluss kommt die Berliner NGO Facing Finance in einer Studie. Untersucht wurden darin die ESG-Ratings der kommerziellen Anbieter MSCI, S&P Global, ISS ESG, Sustainalytics und LSEG sowie der Non-Profit-Organisation CDP. Alle Anbieter würden zwar einige kunststoffbezogene Faktoren etwa in der Petrochemie und der Konsumgüterindustrie einbeziehen, was Facing Finance als positive Schritte bewertet. MSCI gab zudem an, die CO₂-Emissionen entlang der gesamten Kunststoff-Wertschöpfungskette bei stark von fossilen Brennstoffen abhängigen Unternehmen zu berücksichtigen.
Doch kein Anbieter, so Facing Finance, würde Umweltverschmutzung, Klimaauswirkungen, soziale und gesundheitliche Folgen oder finanzielle Risiken der Produktion und Verwendung von Einwegplastik vollständig und branchenübergreifend in die Bewertungen einfließen lassen. Auch die Umsetzbarkeit von unternehmerischen Plastikreduktionszielen werde nicht kritisch hinterfragt.
“Obgleich ESG-Ratings eine wichtige Rolle bei der Anlageentscheidung von Investoren spielen, zeigt unsere Studie, dass sie die Risiken und Auswirkungen von Plastik nur begrenzt abdecken”, sagt die Koordinatorin der Studie, Kleopatra Partalidou. Sie hofft, dass eine systematische Integration von Plastik in ESG-Ratings “letztendlich Marktentscheidungen und Unternehmensverhalten” beeinflussen werden.
Die NGO fordert, dass das derzeit auf Ebene der Vereinten Nationen verhandelte globale Plastikabkommen verbindliche Vorgaben an den Finanzsektor für einen Systemwandel hin zu Zero Waste enthalten sollte. Dafür sei die Branche auf entsprechende ESG-Ratings angewiesen. Zugleich verhandelt die Europäische Union neue Regelungen, um ESG-Ratings transparenter zu gestalten. av
Die United Autoworkers (UAW) haben auch bei Mercedes-Benz in Alabama eine Anerkennungswahl beantragt. Das teilte die Autogewerkschaft am vergangenen Freitag mit. Das National Labor Relations Board (NLRB) – die für Arbeitsbeziehungen zuständige Bundesbehörde – hat daraufhin für den 15. April eine Anhörung angesetzt. Dort soll das weitere Vorgehen festgelegt werden. Wahrscheinlich ist, dass die rund 5.000 Arbeiter noch im Mai über eine Interessenvertretung abstimmen können.
Mercedes-Benz ist der zweite deutsche Automobilkonzern, an dessen US-Standort innerhalb weniger Wochen eine Gewerkschaftswahl stattfindet. Vom 17. bis 19. April entscheiden bereits die mehr als 4.000 Beschäftigten von VW in Tennessee über eine gewerkschaftliche Vertretung. Hier, wie auch bei Mercedes-Benz, hat die UAW im Vorfeld mitgeteilt, über eine “Supermajority” an Unterstützerkarten zu verfügen. Um als Tarifpartei anerkannt zu werden, muss eine Gewerkschaft nachweisen, dass mehr als die Hälfte der Belegschaft eines Betriebes hinter ihr steht.
In den USA ist es an der Tagesordnung, dass Unternehmen versuchen, gewerkschaftliche Aktivitäten durch sogenanntes “Union Busting” zu unterbinden. Dabei kommt es immer wieder zu Rechtsverstößen. Nach Ansicht der UAW ist dies auch bei Mercedes-Benz in Alabama der Fall. So sei ein an Krebs erkrankter Unterstützer unter fadenscheinigen Gründen entlassen worden. Außerdem habe es mehrere Pflichtveranstaltungen für die Belegschaft gegeben, bei denen Topmanager vor einer gewerkschaftlichen Organisierung gewarnt hätten.
Die Gewerkschaft hat deshalb inzwischen mehrere Beschwerden beim NLRB, aber auch beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) eingereicht. Das BAFA ist für die Einhaltung des deutschen Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes (LkSG) zuständig. Paragraf 2 Abs. 6 LkSG verbietet die Missachtung der Koalitionsfreiheit der Beschäftigten.
Der Stuttgarter Autobauer weist die Vorwürfe zurück. “Mercedes-Benz U.S. International (MBUSI) greift nicht in das Recht von Teammitgliedern ein, eine Gewerkschaftsvertretung zu etablieren”, hieß es auf Anfrage von Table.Briefings. ch
Dem jährlich erscheinenden Schuldenreport des katholischen Hilfswerks Misereor und der NGO Erlassjahr zufolge müssen Staaten im Globalen Süden in diesem Jahr einen so großen Schuldendienst wie nie zuvor leisten. Die beiden Organisationen schätzen die Zins- und Tilgungszahlungen für dieses Jahr auf insgesamt 487 Milliarden US-Dollar. Durchschnittlich belaufe sich der Schuldendienst an ausländische Gläubiger auf 14,7 Prozent der Staatseinnahmen. 45 Staaten müssten einen noch höheren Anteil ihrer Einnahmen an ihre Gläubiger weiterreichen, was international als nicht tragfähig eingeschätzt wird.
Misereor und Erlassjahr untersuchten für den aktuellen Bericht 152 Staaten im Globalen Süden. 55 Prozent davon gelten laut dem Bericht als kritisch oder sehr kritisch verschuldet. Vor der Covid-Pandemie belief sich dieser Wert noch auf 37 Prozent. Besonders betroffen seien Länder in Afrika südlich der Sahara. Neue Höchststände ergaben sich in Süd- und Südostasien und dem Pazifik. Dort sei im Vergleich zu 2019 in mehr als jedem zweiten untersuchten Land eine deutliche Verschlechterung eingetreten.
Die finanziellen Spielräume, um die Folgen der Klimakatastrophe zu bewältigen, seien entsprechend geschrumpft. Die untersuchten Länder zahlten mehr als das Zwölffache für den Schuldendienst im Vergleich zu Investitionen in Klimaresilienz. Auch gestiegene Zinsen schränken die staatliche Handlungsfähigkeit ein, da Staatsschulden in der Regel in Währungen des Globalen Nordens aufgenommen werden. Die internationalen Beiträge zur Klimafinanzierung seien hingegen hinter den Erwartungen zurückgeblieben.
Seit Langem fordern die beiden Organisationen ein internationales Staatsinsolvenzverfahren, um eine langfristige Lösung der Schuldenkrise zu erreichen. Auch im Koalitionsvertrag der Bundesregierung wird dieses Ziel formuliert. Bundesentwicklungsministerin Svenja Schulze sagte mit Blick auf den Bericht, dass die dramatische Überschuldung “zu einem enormen Entwicklungshindernis für viele Länder geworden” und für die Stabilität der Weltwirtschaft “eine tickende Zeitbombe” sei. Das von der G20 im Jahr 2020 beschlossene “Gemeinsame Rahmenwerk” zum Umgang mit überschuldeten Entwicklungsländern könne eine wichtige Grundlage für die perspektivische Entwicklung eines Staateninsolvenzverfahrens darstellen. av
Keines der 51 untersuchten großen Unternehmen – darunter Adidas, Nestlé, Volkswagen und H&M – hat sich Klimaziele gesteckt, die mit dem 1,5-Grad-Ziel kompatibel sind. Im Mittel verpflichten sie sich zu einer Reduktion ihrer Treibhausgase von 30 Prozent bis 2030 gegenüber dem Basisjahr 2019. Das seien 13 Prozentpunkte weniger als nötig, zeigt der jährliche Corporate Climate Responsibility Monitor (CCRM). Dieser wurde vom New Climate Institute und Carbon Market Watch am Dienstag veröffentlicht.
Zwar sieht der Bericht Fortschritte gegenüber dem Vorjahr. Damals wurden die Klimaziele von zwei Drittel der untersuchten Unternehmen mit “niedriger” oder “sehr niedriger Integrität” bewertet. Seither hätten einige Unternehmen ihre Klimaziele überarbeitet. 18 der 51 Unternehmen verpflichten sich nun einer tiefgreifenden Dekarbonisierung (mehr als 90 Prozent Emissionsreduktion).
Allerdings würden die meisten Unternehmen weiter “veraltete, intransparente, unklare oder limitierte Emissionsreduktionsziele” angeben. Volkswagen habe etwa seit dem vergangenen Bericht das Ziel für 2025 komplett gestrichen. Teils würden Unternehmen auch auf “falsche Lösungen” setzen: beispielsweise CO₂-Kompensation statt ambitionierter Emissionsreduktion oder CO₂-Speicherung im Stromsektor. Es brauche daher “klare Richtlinien für sektorspezifische Übergangspläne”, fordert Silke Mooldijk vom New Climate Institute.
So haben einige ausgewählte untersuchte Unternehmen abgeschnitten:
Im Bericht wird zudem kritisiert, dass viele Unternehmen ihre Klimaziele von der Science Based Targets-Initiative und ähnlichen freiwilligen Anbietern überprüfen lassen – diese aber teils geschönte Zeugnisse ausstellen würden. lb
La reculade sur le climat, un signe de la pression du populisme – Le Monde
Europäische Regierungen kuschen vor den Rechtspopulisten und vernachlässigen den Natur- und Klimaschutz. Dies sei riskant, analysiert Matthieu Goar, zumal laut Umfragen Klima und Natur weiter zu den größten Sorgen der Europäer gehören – und sogar 62 Prozent der französischen Bauern die ökologische Transformation als notwendig sehen. Zum Artikel
Illegales Leder: Wie deutsche Autobauer den Regenwald bedrohen – ARD
In einer Fernsehreportage befassen sich Jan-Philipp Scholz, Annkathrin Weis und Johannes Meier mit der Lederproduktion in Brasilien. Dafür würde illegal Regenwald abgeholzt, indigene Naturschützer würden bedroht. Haben deutsche Autohersteller die illegale Ware auf ihre Fahrzeugsitze gespannt? Das europäische Lieferkettengesetz könnte bei einer Aufklärung vor Gericht nützen. Zur Mediathek
Was die EU tut, hilft dem Regenwald nicht – FAZ
Während die Waldfläche in Europa überraschenderweise wachse, müssten tropische Regenwälder weiterhin den Anbauflächen für Soja, Kaffee oder Kakao weichen, schreibt Rainer Hank in seiner Kolumne. Die Anti-Entwaldungsverordnung der EU stoße im Globalen Süden jedoch auf den Vorwurf des Neo-Imperialismus und den Verdacht des Protektionismus der europäischen Landwirtschaft. Zum Artikel
Europe needs €800bn to meet 2030 climate targets, says industry – Financial Times
Europa brauche bis 2030 rund 800 Milliarden Euro private und öffentliche Investitionen für den Ausbau der Stromnetze und der Energiespeicher, um die Klimaziele zu erreichen und die Wettbewerbsfähigkeit seiner Industrie zu erhalten. Darauf weise der European Round Table for Industry, eine Brüsseler Lobbyorganisation, in einem neuen Bericht hin, schreibt Alice Hancock. Zum Artikel
PFAS ‘Forever Chemicals’ Are Pervasive in Water Worldwide, Study Finds – The New York Times
Die Analyse von weltweit 45.000 Wasserproben ergab, dass rund 31 Prozent der untersuchten Grundwasserproben, die nicht in der Nähe einer offensichtlichen Kontaminationsquelle lagen, trotzdem PFAS-Werte aufwiesen, die von der Umweltschutzbehörde als gesundheitsschädlich eingestuft werden. Delger Erdenesanaa hat die Untersuchung genauer unter die Lupe genommen. Zum Artikel
Zu teuer, zu kompliziert: Scharfe Kritik an Reparaturen bei E-Autos – Der Standard
Die Reparatur von Elektrofahrzeugen sei nach wie vor problematisch, berichtet der Standard – selbst kleine Schäden können Komplikationen und unnötig hohe Kosten verursachen. Gründe dafür seien die schwierige Versorgung freier Werkstätten mit Ersatzteilen, sowie die Instandsetzung der Fahrzeuge nach einem Unfall. Zum Artikel
Umstrittene EU-Richtlinie: Lieferkettengesetz birgt “erhebliche juristische Sprengkraft” – Deutsche Handwerkszeitung
Zum Ärger der Wirtschaft hat sich die EU doch noch auf eine Lieferkettenrichtlinie geeinigt. Im Interview mit Steffen Range erklärt Rechtsanwalt Philipp Kärcher, warum er nun mit Sammelklagen wie im VW-Dieselskandal rechnet und dennoch ein Trostpflaster für den Mittelstand hat. Zum Artikel
Sie verdienen ein zweites Leben – FAZ
Ein Möbelhersteller, der alte Möbel aus eigener Produktion zurücknimmt und wieder aufarbeitet, eine Porzellanmanufaktur, deren aus der Mode gekommenes Geschirr mit neuen Designs übermalt wird: Peter-Philipp Schmitt stellt verschiedene Unternehmen und ihre Modelle der Wiederaufbereitung vor. Zum Artikel
Sein Interesse für Nachhaltigkeit entwickelte Henrik Pontzen, als er sich mit der Ethik von Risiken beschäftigte. Welche Risiken darf man anderen zumuten und welche muss man sich von anderen zumuten lassen, war die zentrale Frage seiner Doktorarbeit. Bei ökologischen Risiken, zum Beispiel Umweltauswirkungen von Müll, sei die Beantwortung schwierig. Denn Betroffene aus nachfolgenden Generationen könnten dem Risiko nicht zustimmen, wenn es eingegangen wird. Pontzen erarbeitete daher Vorschläge, wie sich mit diesem Befund umgehen lässt. So sei er “direkt in die Nachhaltigkeitsdebatte” gekommen.
Bevor er begann, sich hauptberuflich mit Nachhaltigkeit zu beschäftigten, arbeitete er rund zehn Jahre im Finanzsektor – bei verschiedenen Gesellschaften der Bank HSBC. Vor ungefähr fünf Jahren hatte er dann die Gelegenheit, sein Interesse an Nachhaltigkeit mit dem Job zu verbinden: Er wurde Leiter “ESG im Portfoliomanagement” bei Union Investment, der Fondsgesellschaft der Deutschen Zentral-Genossenschaftsbank. Seine Aufgabe: Eine neue Nachhaltigkeitsstrategie für das Management des Portfolios umzusetzen. Seit dem 1. April ist er zusätzlich dazu auch innerhalb von Union Investment für Nachhaltigkeit verantwortlich – in der neu geschaffenen Position des Chief Sustainability Officer.
Über die Strategie für das Portfoliomanagement sagt Pontzen: “Wir investieren in glaubwürdige Transformation – also in Unternehmen, die ambitionierte Ziele verlässlich verfolgen.” Dafür arbeitet die Fondsgesellschaft mit Ausschlusskriterien und Nachhaltigkeitswertungen. Gemäß dem “Best-in-class-Ansatz” sind die nachhaltigsten 50 Prozent der Unternehmen einer Branche investierbar. Firmen aus der weniger nachhaltigen Hälfte kommen in Betracht, wenn sie ein positives Transformationsrating erreichen. Dafür prüften die hauseigenen Experten, ob potenzielle Kandidaten “eine überzeugende Nachhaltigkeitsstrategie haben, ob genug Geld für die erforderlichen Investitionen verfügbar ist und ob es in der Vorstandsvergütung hinreichende Anreize für Nachhaltigkeit gibt”, erklärt Pontzen. Einmal pro Jahr erfolge eine erneute Bewertung.
“Um ein so großes Problem wie den Klimawandel in den Griff zu bekommen, brauchen wir alle Unternehmen – auch jene, die sich auf den Weg gemacht haben, aber noch nicht am Ziel sind“, sagt Pontzen. Sonst könne die Transformation nicht erfolgreich bewältigt werden. Aus der Größe der Aufgabe entstünde das Mandat, “in glaubwürdige Transformation zu investieren” – statt nur bereits “grüne Unternehmen” bei der Anlageentscheidung zu berücksichtigen. “Glaubwürdig heißt aber auch, gute Kompromisse zu finden”, ergänzt der 44-Jährige.
Einen funktionierenden Kompromiss für sich hat Pontzen bei der Aufteilung von Präsenz- und Homeoffice-Tagen gefunden. Drei Tage die Woche arbeitet er in der Firmenzentrale von Union Investment in Frankfurt, den Rest der Woche von seinem Wohnort in der Nähe von Düsseldorf aus. Denn der aus Aachen stammende Pontzen ist dem Rheinland sehr verbunden. Andere Gegenden in Deutschland fühlten sich für ihn “eher wie Ausland an”.
Energie geben ihm seine Frau und seine beiden Kinder, sagt Pontzen. Außerdem gehe er regelmäßig vor oder nach der Arbeit laufen, zum Spinning (Rennrad) oder spiele Tennis. “Etwas, das mich stört, ist, dass ich immer weniger lese“, ergänzt er jedoch. Als er Geschichte, VWL und Philosophie studierte, habe er streckenweise jeden Tag stundenlang Texte gewälzt. Über das Osterwochenende habe er immerhin mal wieder ein soziologisches Buch gelesen. Um ökologische Risiken ging es zwar nicht, dafür aber unter anderem um die Bedeutung von Familie und Herkunft für Identität. Nicolas Heronymus