Table.Briefing: ESG

Jens Spahn fordert CCS-Ausbau + Zwangsarbeit-Richtlinie: Deutschland droht mit Enthaltung + Sozial-Leasing für E-Auto-Käufer? +

Liebe Leserin, lieber Leser,

die sozial-ökologische Transformation ist eine Dauerbaustelle, das zeigt sich auch in diesen Tagen wieder. Beispiel 1: Das Importverbot von Produkten, die aus Zwangsarbeit stammen. Die EU versucht gerade in einer Art Hauruck-Verfahren, eine entsprechende Regelung zu erarbeiten. Die deutsche Regierung, namentlich die FDP, hat jedoch andere Vorstellungen und will diesem Vorhaben nicht zustimmen, wie schon beim EU-Lieferkettengesetz. Es bahnt sich neuer Zoff an, berichtet Leonie Düngefeld.

Beispiel 2: Die Kraftwerksstrategie. Die Ampel-Koalition konnte sich bislang nicht auf einen gemeinsamen Weg einigen, um einen klimaverträglichen, bezahlbaren Weg zu finden, die Energie zu ersetzen, die trotz des Ausbaus von Sonnen- und Windstrom zeitweise fehlen wird. CDU-Politiker Jens Spahn plädiert nun für einen neuen Weg. Wie er uns im Gespräch erklärte, sollten weitere Gaskraftwerke entstehen, deren Treibhausgase abgeschieden und zur Endlagerung in die Erde verpresst werden könnten. Damit stößt er auch in seiner eigenen Partei und in der Energiewirtschaft die Debatte neu an, erklärt Alex Veit.

Fortsetzung folgt.

Ihr
Marc Winkelmann
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Analyse

Verbot von Produkten aus Zwangsarbeit: Sorge vor Enthaltung Deutschlands

Uigurische Arbeiter in Xinjiang: Das EU-Verbot für Produkte, die in Zwangsarbeit hergestellt werden, zielt vor allem auf Produkte aus China.

In nur zwei politischen Trilogen müssen sich Rat und Parlament über das geplante Importverbot von Produkten aus Zwangsarbeit einigen, um dieses noch vor Ende der Legislaturperiode zu verabschieden. Am gestrigen Dienstag fand ein erstes, 45-minütiges Treffen statt.

Die EU-Kommission hatte im September 2022 den entsprechenden Gesetzentwurf vorgestellt. Darin begründet sie die Initiative mit dem UN-Entwicklungsziel, Zwangsarbeit bis 2030 vollständig zu unterbinden. Nach Angaben der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) lebten im Jahr 2021 rund 27,6 Millionen Menschen in Zwangsarbeit – davon etwa 12 Prozent Kinder. Der größte Teil von ihnen musste in der Privatwirtschaft arbeiten; 3,9 Millionen waren Opfer staatlich verordneter Zwangsarbeit wie mutmaßlich in der chinesischen Region Xinjiang.

Ergänzung zum EU-Lieferkettengesetz

Produkte aus Zwangsarbeit gelangen auch auf den EU-Markt: Laut einem Bericht im Auftrag von Anna Cavazzini (Grüne), Vorsitzende des Binnenmarktausschusses und Schattenberichterstatterin für das Dossier im EU-Parlament, profitieren mehr als 80 internationale Markenkonzerne direkt oder indirekt von uigurischer Zwangsarbeit in ihren Lieferketten.

Die EU will deshalb das Inverkehrbringen und die Bereitstellung solcher Produkte auf dem hiesigen Markt verhindern – ein Aspekt, der durch das EU-Lieferkettengesetz nicht abgedeckt wäre: Zwar listet das Lieferkettengesetz Zwangsarbeit als Verletzung internationaler Abkommen und sieht Sanktionen für den Fall vor, dass Unternehmen ihre Sorgfaltspflichten nicht einhalten. Jedoch konzentriert es sich eben auf das unternehmerische Verhalten und enthält keine Maßnahmen, um entsprechende Produkte auf dem EU-Markt zu verbieten.

Im Entwurf der Kommission gilt das Verbot für alle Produkte, die auf dem EU-Markt angeboten werden, ob für den Verbrauch innerhalb der EU oder für die Ausfuhr. Die zuständigen Behörden in den Mitgliedstaaten sollen Produkte aus Zwangsarbeit nach einer Untersuchung vom Markt nehmen; die Zollbehörden an den EU-Außengrenzen würden solche Produkte identifizieren und stoppen.

Parlament fordert Beweislastumkehr für Hochrisikogebiete

Der Rat hat erst vergangenen Freitag sein Verhandlungsmandat angenommen. Darin schlägt er vor, die Rolle der EU-Kommission in der Untersuchung der Produkte zu stärken. Sie soll auf der Grundlage bestimmter Kriterien beurteilen, ob das jeweilige Produkt von “Unionsinteresse” ist. So soll der Verwaltungsaufwand verringert und die Zuweisung der Fälle vereinfacht werden. Hier sind sich die Mitgliedstaaten und das Parlament weitgehend einig.

Schwieriger dürfte es insbesondere bei zwei Themen werden: Zum einen will das Parlament eine Beweislastumkehr für Hochrisikogebiete, vor allem für staatlich verordnete Zwangsarbeit. Laut dem Parlamentsmandat soll die Kommission eine Liste von geografischen Gebieten und Wirtschaftssektoren erstellen, in denen ein hohes Risiko für den Einsatz von Zwangsarbeit besteht. Für Waren, die in diesen Gebieten hergestellt werden, müssten die Behörden Zwangsarbeit nicht mehr nachweisen. Stattdessen müssten Unternehmen beweisen, dass ihre Produkte nicht unter Zwangsarbeit hergestellt wurden.

Zum anderen will das Parlament die Wiedergutmachung für die Opfer von Zwangsarbeit durch den Wirtschaftsakteur gesetzlich verankern. Dazu können finanzielle und nicht-finanzielle Entschädigungen gehören. Aufgrund der Belastungen, die hier für Unternehmen entstehen könnten, dürfte der Rat sich mit diesen Regelungen schwertun.

Bedenken wegen möglicher Lücken

Die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) unterstützt das Ziel der Verordnung, spricht sich jedoch gegen diese zwei Forderungen des Parlaments aus: Die Beweislastumkehr “unterliefe den grundlegenden Ansatz des Verordnungsentwurfs, der in erster Linie Behörden adressiert”. Außerdem sei unklar, wie solch ein Beweis in der Praxis erbracht werden könnte. Darüber hinaus überschätze das Parlament mit der Forderung nach Wiedergutmachungsmaßnahmen seitens der Unternehmen die unternehmerischen Kontroll- und Handlungsmöglichkeiten.

Der Außenwirtschaftschef der DIHK, Volker Treier, warnte davor, die Verordnung hastig durch den Trilog zu peitschen und “mit heißer Nadel gestrickte Kompromisse” einzugehen. Wichtig sei, “der ohnehin gebeutelten deutschen Wirtschaft nicht noch mehr Pflichten zuzumuten.”

Steve Trent, Geschäftsführer der Environmental Justice Foundation, argumentiert: “Unternehmen, die Arbeitskräfte ausbeuten, können ihre Kosten massiv senken und sich so einen unfairen Wettbewerbsvorteil gegenüber gesetzestreuen EU-Unternehmen verschaffen.”

Er formulierte Bedenken wegen möglicher Lücken in der Ratsposition: “Die Ausbeutung von Arbeitskräften ist nicht nur ein Problem, das einzelne Produkte betrifft – häufig zieht sich der Missbrauch durch ganze Produktionsstätten”, sagte er. “Verbote sollten nicht nur für einzelne Produkte gelten, sondern auch für Produktgruppen, die sich auf denselben Standort zurückführen lassen.”

Bundesregierung enthält sich im Rat

Ob die Bundesregierung dem Gesetz zustimmen wird, ist fraglich. Laut Informationen von Table.Media hat sie sich in der Abstimmung über die allgemeine Ausrichtung im Rat enthalten. Nach der Debatte um das verwandte EU-Lieferkettengesetz äußern NGOs die Befürchtung, dass eine Enthaltung Deutschlands die Verhandlungen erneut erschweren könnten. Hier blockiert die FDP und positioniert sich damit gegen den Kompromiss von Rat und Europaparlament. Auch aus der Bundesregierung selbst sind mittlerweile Sorgen um ihre Glaubwürdigkeit und ihr Ruf als verlässlicher und ernstzunehmender Verhandlungspartner zu vernehmen.

Anna Cavazzini (Grüne) findet deutliche Worte: “Dass die FDP die deutsche Zustimmung zum Verbot von Produkten aus Zwangsarbeit auf europäischer Ebene blockiert, ist mir unbegreiflich”, sagte sie Table.Media. Das Gesetz bedeute kaum Mehraufwand für europäische Unternehmen. Andere Länder wie die USA hätten bereits ähnliche Gesetze, so Cavazzini. Die FDP-Bundestagsfraktion wollte sich auf Anfrage nicht zu dem Thema äußern.

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Mobilitätswende: Arbeitsministerium und SPD verfolgen aufmerksam das französische Sozial-Leasing-Modell

Abendlicher Stadtverkehr in Berllin: Derzeit machen E-Autos im deutschen Fahrzeugbestand gerade einmal zwei Prozent aus. Die jährlichen Zuwachsraten bleiben deutlich hinter der Planung der Bundesregierung zurück.

In Frankreich können Geringverdiener seit Anfang des Jahres günstig ein Elektroauto leasen. Möglich macht dies ein Förderprogramm namens “Leasing social”. Es deckelt die monatlichen Raten für Stadtautos auf 100 Euro und für Kombis auf 150 Euro. Den Rest übernimmt der Staat. Menschen mit geringem Einkommen, die auf ein Auto angewiesen sind, um zur Arbeit zu kommen, soll so der Umstieg auf ein E-Auto erleichtert werden. Innerhalb weniger Wochen wurden fast 35.000 Förderanträge gestellt.

VW bietet ID.3 für 109 Euro im Monat an

Neben der Demokratisierung der Mobilitätswende verfolgt die Regierung in Paris mit dem Sozial-Leasing auch industrie- und umweltpolitische Ziele. Deshalb kommen nur Elektroautos in Frage, die in der EU hergestellt wurden und nicht mehr als 47.000 Euro kosten. Außerdem müssen sie den Anforderungen des “Bonus écologique”, der französischen Umweltprämie, entsprechen.

Neben französischen Elektroautos wie dem Renault Twingo E-Tech, dem Citroën ë-C3 und dem Peugeot E-208 erfüllen derzeit auch der Opel Corsa Electric und der Fiat 500e die Kriterien für Sozial-Leasing. Seit Anfang dieser Woche ist auch Volkswagen als einziger deutscher Hersteller mit vier E-Autos dabei, darunter der ID.3, der im Sozial-Leasing 109 Euro im Monat kosten soll.

SPD-Verkehrsexpertin: “Antriebswende sozial gerecht gestalten”

Isabel Cademartori, verkehrspolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion, verfolgt die Entwicklungen im Nachbarland mit Interesse. “Unser Ziel muss es sein, die Antriebswende sozial gerecht zu gestalten”, betont sie im Gespräch mit Table.Media. Das Sozial-Leasing in Frankreich sei ein erster und wichtiger Schritt in Richtung bezahlbare Elektromobilität. “Wir müssen prüfen, ob und wie wir ein ähnliches Modell für Deutschland einführen können”, so die Verkehrsexpertin.

Auch das SPD-geführte Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) unterstrich auf Anfrage, man setze sich für “eine sozialverträgliche Gestaltung der Mobilitätswende ein”. Dabei spiele auch eine Rolle, inwieweit Elektromobilität künftig für die breite Bevölkerung bezahlbar sein werde, so ein Sprecher. “In diesem Zusammenhang beobachtet das BMAS auch die Ansätze von Frankreich und anderen Ländern aufmerksam.”

E-Autos sind oft zu teuer

Die Mobilitätswende kommt in Deutschland nur zögerlich in Fahrt. Experten machen dafür auch die hohen Preise verantwortlich. Der durchschnittliche Listenpreis für ein Elektroauto ist in Deutschland laut dem Center of Automotive Management (CAM) zuletzt auf mehr als 52.700 Euro gestiegen.

Zwar tobt seit dem überraschenden Wegfall des Umweltbonus im Dezember vergangenen Jahres eine Rabattschlacht. Doch Experten befürchten, diese sei für viele Hersteller ruinös und könnte die Mobilitätswende eher gefährden als vorantreiben. Das Kernproblem sei, dass insbesondere die deutschen Autobauer kaum günstige Einstiegsmodelle anzubieten hätten.

Derzeit machen E-Autos im deutschen Fahrzeugbestand gerade einmal zwei Prozent aus. Die jährlichen Zuwachsraten bleiben deutlich hinter der Planung der Bundesregierung zurück. Um das Ziel von 15 Millionen Elektroautos auf deutschen Straßen bis 2030 noch zu erreichen, müssten nach Berechnungen des Thinktanks Agora Energiewende täglich 5.500 E-Fahrzeuge neu zugelassen werden. Im Jahr 2023 waren es im Schnitt lediglich 1.433.

Milliardenförderung für Gutverdiener

Doch anstatt die Entwicklung eines Massenmarktes in Deutschland zu fördern, kamen die bisherigen Maßnahmen vor allem Unternehmen und Besserverdienenden zugute. Laut Bundeswirtschaftsministerium wurden seit 2016 im Rahmen des Umweltbonus etwa zehn Milliarden Euro für rund 2,1 Millionen Elektrofahrzeuge ausgezahlt. Mit dem Förderprogramm “Eigenerzeugung und Nutzung von Solarstrom für Elektrofahrzeuge an Wohngebäuden” des Bundesverkehrsministeriums kamen im September 2023 in einer Hauruck-Aktion weitere 300 Millionen Euro hinzu.

Das traf unter anderem auf die Kritik der Verbraucherzentrale Bundesverband. Ihr Mobilitätsexperte Gregor Kolbe bemängelte im Gespräch mit der Presseagentur dpa, die Maßnahme käme nur Eigentümern selbstgenutzter Wohngebäude zugute – also genau denjenigen, die eher mehr verdienten und bereits von anderen Programmen profitierten, etwa dem Umweltbonus. “Die Förderung ist somit alles andere als sozial”, so Kolbe.

Sozialverband: “Klimaschutz darf kein Elitenprojekt sein”

Die Vorsitzende des Sozialverbands Deutschland (SoVD), Michaela Engelmeier, sieht das ähnlich. Table.Media sagte sie: “Für uns ist ganz klar: Klimaschutz darf kein Elitenprojekt sein.” Der Staat müsse die Bezieher kleinerer und mittlerer Einkommen gezielt dabei unterstützen, mit den Belastungen durch die steigenden C02-Preise umzugehen. “Ein zentraler Baustein kann dabei grundsätzlich auch das geförderte E-Auto-Leasing nach französischem Vorbild sein”, so Engelmeier.

  • Elektromobilität
  • Innovation
  • Verkehrswende

Termine

31. Januar 2024, 19:00-21:15 Uhr, Online
Vortrag Aufbrüche und Hindernisse – Auf dem steinigen Weg eines umfassenden sozial-ökologischen Wandels (Veranstalter: Evangelische Akademie Villigst) Info & Anmeldung

1. Februar 2024, 18:00-20:00 Uhr, Berlin
Diskussion ENERGIZE 2045: Nachhaltige Energieimporte und synthetische Kraftstoffe – Strategien und Chancen (Veranstalter: Friedrich-Naumann-Stiftung) Info & Anmeldung

1. Februar 2024, 19:00-21:00 Uhr, Frankfurt (Oder)
Diskussion Ein Haus aus Holz – Ist klimaneutrales Bauen die Lösung für Deutschland? (Veranstalter: Friedrich-Naumann-Stiftung) Info & Anmeldung

5. Februar 2024, 09:00-18:00 Uhr, Potsdam
Workshop Climate Finance and Investment in Times of Crisis: Towards a New Partnership with the Global South (Veranstalter: RIFS Potsdam) Info & Anmeldung

5. Februar 2024, 12:30-14:45 Uhr, Online
Online-Diskussion Nachhaltigkeit und Menschenrechte im Finanzsektor stärken (Veranstalter: Heinrich-Böll-Stiftung) Info & Anmeldung

6. Februar 2024, 10:00-11:00 Uhr, Online
Diskussion Nachhaltiger Einkauf – CO₂ in der Lieferkette einsparen (Veranstalter: KliMaWirtschaft) Info & Anmeldung

6. Februar 2024, 10:00-18:00 Uhr, Berlin
Konferenz Exit Plastik – Öffentliche Konferenz und NGO Runder Tisch zu Wegen aus der Plastikkrise (Veranstalter: Heinrich-Böll-Stiftung) Info & Anmeldung

6. Februar 2024, 14:00-15:30 Uhr, Online
Online-Seminar 26. BilRess-Webseminar: Zukunftstechnologien und Rohstoffwende (Veranstalter: BilRess-Netzwerk) Info & Anmeldung

News

Kraftwerksstrategie: Spahn fordert Speicherung von Kohlendioxid für die Stromerzeugung

Jens Spahn hat sich für die Speicherung von Kohlendioxid aus der Stromproduktion ausgesprochen. Im Rahmen der Kraftwerksstrategie sollten zunächst “einfache Gaskraftwerke von der Stange” gebaut und “perspektivisch mit Technologie” für Carbon Capture and Storage (CCS) ausgerüstet werden.

“So werden die Kraftwerke CO₂-neutral und der Einstieg in CCS-Technik wird angestoßen”, sagte der stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion im Bundestag im Gespräch mit Table.Media. Spahn, der die Fraktion bei den Themen Wirtschaft, Klima und Energie vertritt, sieht in seinem Vorschlag einen preisgünstigeren Ansatz als die vom BMWK favorisierten Lösungen auf Wasserstoff-Basis. “Wir erwarten, dass die Ampel für beide alternative Optionen einen vergleichenden Kosten- und Zeitplan vorlegt.”

Union bislang für zukünftige Wasserstoffkraftwerke

Bislang hatte sich auch die CDU/CSU-Fraktion für wasserstofffähige Kraftwerke stark gemacht, die die erneuerbare Stromproduktion aus Wind und Sonne in Zeiten von “Dunkelflauten” im Winter ersetzen sollen. In einem Positionspapier aus dem Jahr 2023 werden CO₂-Speicherungstechnologien als “komplementäre Instrumente” betrachtet, um “Restemissionen” aus der Industrie aufzufangen.

Andreas Jung, Klima- und energiepolitischer Sprecher der Fraktion, hatte noch letzte Woche auf Instagram für Gaskraftwerke argumentiert, “die dann baldmöglichst auf Wasserstoff umgestellt werden”.

Umstrittene CCS-Technologie

CCS wurde bei der COP28 als teure und energieintensive Technik kritisiert, die die Abhängigkeit der Welt von fossilen Energien weiterführen könnte. Experten aus der Energiewirtschaft sehen CO₂-Abscheidung zudem als sehr teuer an. Neben einem zu bauenden Wasserstoffkernnetz müsste außerdem ein CO₂-Pipelinenetz errichtet werden, um es zu Lagerstätten etwa in Norwegen zu transportieren.

In der vom BMWK mehrfach verschobenen, nun aber laut Minister Habeck “entscheidungsreifen” Kraftwerksstrategie wird CCS wohl keine Rolle spielen. Allerdings gibt es in FDP und SPD einzelne Stimmen, die sich ebenfalls für die Speicherung von Kohlendioxidemissionen aus der Stromproduktion aussprechen. Auch die EU-Kommission, die CCS bislang nur für besondere Industrieprozesse vorgesehen hatte, signalisierte zuletzt ein Umsteuern. av

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Schuldenbremse: FDP lehnt Reformappell der Stiftung Klimawirtschaft ab

Lukas Köhler, stellvertretender Vorsitzender der FDP-Fraktion im Bundestag, hat dem Aufruf zu einer Reform der Schuldenbremse eine Absage erteilt. “Es ist beunruhigend, wenn Unternehmen für die notwendige Modernisierung der Wirtschaft in erster Linie auf Geld vom Staat hoffen”, sagte er zu Table.Media.  

Am Wochenende hatte die Stiftung Klimawirtschaft einen Appell zu einem “Schulterschluss von Bundesregierung und demokratischer Opposition” veröffentlicht, dem sich über 50 Unternehmen angeschlossen hatten, darunter Thyssenkrupp, Salzgitter AG, Wacker AG, Vaude und Bau-Fritz. Ihnen zufolge brauche Deutschland wettbewerbsfähige Energiepreise sowie eine “Weiterentwicklung der Schuldenbremse”, um “Investitionen hin zu einer klimaneutralen Wirtschaft zu ermöglichen, die wiederum Folgeinvestitionen der Privatwirtschaft auslösen”.

Im Deutschlandfunk sagte Sabine Nallinger, Vorständin der Stiftung, dass “investive Unterstützung” von Staatsseite notwendig sei. Deutschland stehe “vor einer der größten Transformationen in unserer Geschichte”, daher müsse “eben entsprechend Geld” in die Hand genommen werden. Auch der Wirtschafts-Sachverständigenrat der Bundesregierung schlug am Dienstag “im Anschluss an eine Notlage” eine Flexibilisierung der Schuldenbremse vor.

Flexibilisierung der Schuldenbremse

Köhler, der auch Generalsekretär der FDP in Bayern und Mitglied im Bundesvorstand der Partei ist, widerspricht. Für ihn sind deutsche Unternehmen innovativ und konkurrenzfähig genug, “um sich selbstbewusst an den Weltmärkten zu behaupten”. Staatliche Bereitstellung von notwendiger Infrastruktur müsse mit verantwortungsbewusster Haushaltspolitik ausbalanciert werden.

Er verweist auf geplante Steuererleichterungen durch das Wachstumschancengesetz, das derzeit im Vermittlungsausschuss verhandelt wird, und die Absenkung der Stromsteuer für das produzierende Gewerbe – Maßnahmen, mit denen die Wirtschaft bei Investitionen unterstützt werden soll. “Es gibt Situationen, in denen staatliche Unterstützung sinnvoll ist, doch eine Wirtschaft, die sich auf Dauer von staatlichen Finanzspritzen abhängig macht, steht auf wackeligen Beinen.” av

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GRI verschärft Standard zu Biodiversität

Die Global Reporting Initiative (GRI), die den am weitesten verbreiteten globalen Berichtsstandard entwickelt hat, hat neue Kriterien festgelegt, mit denen Unternehmen die Folgen ihres Handelns für die Biodiversität offenlegen können. Ihren Standard (“GRI 101: Biodiversity 2024”) hat die internationale Organisation nach eigenen Angaben zwei Jahre lang mit Interessenvertretern entworfen und unter anderem mit dem Science-based Targets Network sowie der Taskforce on Nature-related Financial Disclosure abgestimmt. 

Zu dem eigens formulierten Anspruch gehört es laut GRI jetzt, “volle Transparenz” über die gesamte Lieferkette zu bieten und die wichtigsten Ursachen für den Verlust von Artenvielfalt zu benennen. GRI 101 erweitert und ersetzt die bisherigen Regeln (“GRI 304: Biodiversity 2016”) und wird am Donnerstag in einem Webinar vorgestellt, für das sich Interessierte hier anmelden können. Vorgesehen ist, dass ausgewählte GRI-Mitglieder die neuen Regeln in den kommenden zwei Jahren testen, bevor sie ab 1. Januar 2026 offiziell gelten.

Laut Forschern sind 80 Prozent der UN-Nachhaltigkeitsziele und das 1,5-Grad-Ziel bei der Erderwärmung gefährdet, wenn die globale Biodiversität nicht erhalten bleibt. Trotzdem kam eine KPMG-Untersuchung im Herbst 2022 zu dem Ergebnis, dass nur 40 Prozent der nach dem GRI-Standard berichtenden Unternehmen auch die Artenvielfalt im Blick haben. Die nächste UN-Konferenz zur Biodiversität findet vom 21. Oktober bis 1. November in Kolumbien statt. maw

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  • Biodiversität

Ernährung: Hohe Gewinne durch gesunde Lebensmittel

Die volkswirtschaftlichen Gewinne einer Transformation der globalen Agrar- und Ernährungssysteme bis 2050 könnten zwischen fünf und zehn Billionen US-Dollar jährlich betragen. Die Kosten hingegen lägen bei nur 200-500 Milliarden US-Dollar pro Jahr. Das ist das Ergebnis einer Studie der Food System Economics Commission (FSEC), der Institutionen wie das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung, die Weltbank und die Weltgesundheitsorganisation angehören. Die Forschungsarbeit dauerte vier Jahre.

Die hohen Gewinne ergeben sich daraus, dass die Agrar- und Ernährungssysteme laut Studie derzeit 15 Billionen US-Dollar pro Jahr an nicht-berücksichtigten Kosten verursachen. Allein rund 11 Billionen US-Dollar davon entfielen auf die ökonomischen Kosten geringerer Produktivität, die eine Folge von Übergewicht und Unterernährung sind.

Gesunde Ernährung und Nachhaltigkeit priorisieren

Für die Transformation von Agrar- und Ernährungssystemen auf nationaler Ebene und im lokalen Kontext gebe es fünf Prioritäten, schreiben die Forschenden:

  • Es brauche Maßnahmen dafür, dass Menschen sich gesünder ernähren – etwa ein Verbot von Werbung für ungesunde Lebensmittel, die sich an Kinder richtet, klare Informationen auf Verpackungen oder Leitlinien für die öffentliche Beschaffung.
  • Die Förderung von Landwirtschaft müsse umgestellt werden. Bislang würden vielfach große Produzenten und umwelt-, klima- und gesundheitsschädliche Praktiken subventioniert.
  • Steuern auf Kohlenstoffdioxid und Stickstoff-Verschmutzung könnten die Transformation in die gewünschte Richtung lenken, etwa wenn die Einnahmen an Haushalte gehen, die sich gesunde Lebensmittel sonst nicht leisten könnten.
  • Nationale und internationale Institutionen könnten dazu beitragen, dass Innovationen schnell entwickelt werden und sich verbreiten – zum Beispiel bei der ökologischen, biodiversitätsfreundlichen und emissionsarmen Landwirtschaft.
  • Ein Schlüssel liege darin, Unterstützungsangebote für ärmere Menschen zu entwickeln. So ließe sich der Wandel inklusiv und politisch durchsetzbar gestalten.

Eine erfolgreiche Transformation könnte bis 2050 dazu führen, dass Unterernährung überwunden würde und 174 Millionen Menschen nicht an ernährungsbedingten chronischen Krankheiten sterben würden. Gleichzeitig könnte sie helfen, etwa 1,5 Milliarden Hektar mehr Land zu schützen und die Stickstoffüberschüsse fast zu halbieren. Aber: Selbst, wenn alle Staaten ihre aktuellen Strategien umsetzten, würde das laut der Autoren nicht reichen, um die globalen Ernährungssysteme “auf einen nachhaltigen Pfad” zu bringen. nh

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  • Nachhaltige Ernährungssysteme
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LNG: US-Präsident erlässt Moratorium

US-Präsident Joe Biden hat ein Moratorium für die Genehmigung neuer LNG-Exporte und den Bau neuer Terminals erlassen. Bestehende Lieferverträge und bereits genehmigte Projekte sind nicht betroffen. Deutschland bezieht einen Großteil seiner LNG-Importe aus den USA. Nach Angaben des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft lag der Anteil im Januar bei über 80 Prozent.

Die USA sind vor Katar und Australien der größte LNG-Exporteur der Welt und betreiben an der Atlantikküste und im Golf von Mexiko bereits sieben Terminals. Weitere sind im Bau oder in Planung. An der milliardenschweren Finanzierung sind auch deutsche Banken und Unternehmen beteiligt.

Der US-Präsident begründete das Moratorium mit der Klimakrise, die er als “die existenzielle Bedrohung unserer Zeit” bezeichnete. Das Moratorium solle nun genutzt werden, “die Auswirkungen von LNG-Exporten auf die Energiekosten, die Energiesicherheit Amerikas und unsere Umwelt genau zu untersuchen”.

Umweltschützer begrüßen Entscheidung

Wissenschaftler und Umweltschützer kritisieren LNG seit Jahren. Insbesondere die Gasförderung durch Fracking verursache immense Schäden. Nach einer aktuellen Studie des Biochemikers Robert W. Howarth von der Cornell University sollen die absoluten Treibhausgasemissionen von LNG sogar höher sein als die von Kohle.

Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) begrüßte die Entscheidung. Sie lasse hoffen, dass “die Eskalationsspirale beim LNG-Ausbau endlich gestoppt wird”, sagte DUH-Bundesgeschäftsführer Sascha Müller-Kraenner. Greenpeace-Energieexpertin Mira Jäger sprach von einem wichtigen Signal. “Wirtschafts- und Klimaminister Robert Habeck sollte dem Vorbild von Präsident Biden folgen und weitere LNG-Terminals an der deutschen Küste stoppen.” ch

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  • LNG

UN-Zukunftspakt: Unambitionierter Entwurf

Die Vereinten Nationen haben ihre erste Version für den angestrebten “Pact for the Future” vorgestellt. Die Erklärung soll das Abschlussdokument des “Summit of the Future” bilden, der im September in New York stattfindet. UN-Generalsekretär António Guterres hofft, die globale Organisation so krisenfester zu machen. Zudem soll eine Reform der globalen Finanzarchitektur vorangebracht und die desolate Bilanz der Agenda 2030 verbessert werden.

Hoher Anspruch, wenig Gehalt

Der sogenannte “Draft Zero” skizziert auf 20 Seiten, worauf sich die globale Staatengemeinschaft einigen soll. Unterteilt ist er in fünf Kapitel: “Sustainable Development and Financing for Development”, “International Peace and Security”, “Science, Technology and Innovation and Digital Cooperation”, “Youth and Future Generations” sowie “Transforming Global Governance”. Der Anspruch ist hoch: “Wir versprechen einen Neuanfang in der internationalen Zusammenarbeit mit einem neuen Ansatz”, heißt es zu Beginn. Laut Jens Martens, Executive Director des Global Policy Forum Europe, ist davon aber nichts zu erkennen: “Der Entwurf bekräftigt vielfach nur bereits bekannte Positionen, übernimmt Formulierungen aus der Agenda 2030 und vertagt Entscheidungen auf spätere Termine oder verweist auf andere Verhandlungen”, so der Experte. “Ich hatte mir einen ambitionierteren Vorschlag gewünscht.” 

Zugleich will er nicht ausschließen, dass das Papier in den kommenden Lesungen noch nachgeschärft wird. “Wider unseren Erwartungen ist es in letzter Zeit auf UN-Ebene auch zu erstaunlichen Konsensbeschlüssen gekommen, etwa zum Schutz der Meere oder der Biodiversität.” Gelingt das aber nicht, drohe der Summit of the Future fast wirkungslos zu verpuffen.

Verantwortlich für den Prozess der Erarbeitung sind die UN-Botschafter Deutschlands und Namibias. Sie haben im Vorfeld mehr als 80 Vorschläge von Delegationen und fast 500 Beiträge von weiteren Stakeholdern erhalten, darunter zivilgesellschaftliche Organisationen. maw

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Diese Woche im Bundestag: Der Haushalt

Diese Woche steht die abschließende Beratung des Haushalts 2024 an. In vielen Bereichen des sozial-ökologischen Umbaus soll gespart werden. Die ersten vier relevanten Einzelpläne wurden bereits am Dienstag debattiert.

Da ist zunächst der Einzelplan 25 des Ministeriums für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauen. Er ist im Vergleich zu 2023 um eine halbe Milliarde Euro geschrumpft.

Der Einzelplan 12 des Ministeriums für Digitales und Verkehr wächst dagegen um mehr als 8,5 Milliarden Euro, allerdings unter dem Vorbehalt des erfolgreichen Verkaufs staatlicher Unternehmensbeteiligungen.

Der Einzelplan 16 des Ministeriums für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz bleibt weitgehend unverändert. Allerdings sind für zwei mehrjährige Großprojekte zum Schutz und der Renaturierung von Wäldern, Mooren und Auen sowie zum “Natürlichen Meeresschutz” Mittel gestrichen worden.

Auch der Einzelplan 30 des Bundesministeriums für Bildung und Forschung bleibt weitgehend unverändert. Allerdings steht für die Batterieforschung weniger Geld zur Verfügung.

Am Mittwoch steht dann am frühen Abend der Einzelplan 23 des Ministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung zur Debatte. Venro, der Bundesverband entwicklungspolitischer und humanitärer Nichtregierungsorganisationen, zeigt sich tief besorgt, da der Etat gegenüber 2023 um fast zehn Prozent (minus 940 Millionen Euro) gekürzt werden soll. Die mittelfristige Finanzplanung sieht ab 2025 weitere drastische Kürzungen in Milliardenhöhe vor.

Am Donnerstagmorgen folgt der Einzelplan 9 des Ministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz. Obwohl Vorreiter der klimaneutralen Transformation, ist der Etat mit am stärksten von den Kürzungen betroffen. Im Vergleich zum Haushalt 2023 sinken die Ausgaben um fast 3,5 Milliarden Euro. Hinzu kommen die Kürzungen beim KTF. Die Strompreiskompensation für die energieintensive Industrie soll jedoch unangetastet bleiben.

Am Donnerstagabend wird schließlich der Einzelplan des Ministeriums für Ernährung und Landwirtschaft beraten. Hier soll die Subventionierung des Agrardiesels gekürzt und auch beim naturverträglichen Umbau der deutschen Fischerei gespart werden.

Am Freitagvormittag kommt es dann zum großen Finale: Der Haushalt 2024 mit Ausgaben von insgesamt 476,81 Milliarden Euro wird verabschiedet. ch

  • Bundestag
  • Haushalt 2024
  • Renaturierung

Presseschau

Ausgeliefert – Der Spiegel
Gleich sechs Autorinnen und Autoren befassen sich umfassend mit dem Streit über das EU-Lieferkettengesetz. Den haben die FDP und Industrieverbände kurz vor einem endgültigen Beschluss noch einmal eröffnet. Viele Firmen seien indes längst weiter und forderten eine einheitliche europäische Regelung. Zum Artikel

Nachhaltigkeit wird zum Knochenjob für Europas Unternehmen – Die Presse
In einem Gastkommentar reagiert die Beraterin und ESG-Managerin Anna Vetter auf die aktuelle Debatte um das EU-Lieferkettengesetz. Ihre Schlussfolgerung: Trotz aller Kritik wird den Unternehmen nichts anderes übrigbleiben, als sich den neuen Realitäten zu stellen. Zum Artikel

Finanzkunden sollen besser über Nachhaltigkeit entscheiden können – FAZ
Das Deutsche Institut für Normung legt einen Entwurf zu einem “Nachhaltigkeitsscoring” vor. Dadurch sollen Verbraucher über Finanzprodukte besser im Bilde sein. Die Debatte darüber soll bis Ende März Ergebnisse bringen, weiß Philipp Krohn. Zum Artikel

Sie weiß, was es braucht, damit der Klimaschutz funktioniert – Basler Zeitung
Die Ökonomin Mariana Mazzucato ist überzeugt, dass es ohne wirtschaftliches Wachstum nicht geht. Im Gespräch mit Lisa Nienhaus erklärt sie, wie nachhaltige Innovation gelingt. Zum Artikel

Sexismus in Unternehmen: Wenn Entscheidungen auf dem Herren-WC fallen – FAZ
Mehr als zwei Drittel aller Frauen haben laut einer EU-weiten Umfrage bereits Sexismus am Arbeitsplatz erlebt. Dies schade den Unternehmen und koste sie Fachkräfte, warnt die Dozentin und Beraterin für Diversität, Gleichstellung und Inklusion Sarah Haimerl. Nur eine diverse Arbeitskultur sei langfristig wettbewerbsfähig. Zum Artikel

Global trade: the looming tensions over China’s subsidies – Financial Times
Gerade was die zukunftsträchtigen Produkte für die Energiewende wie Solarpaneele und E-Fahrzeuge angeht, hat China früher als die EU und die USA auf einheimische Produktion gesetzt. Joe Leahy, James Kynge und Sun Yu analysieren, wie chinesische Hersteller zur strategischen Autonomie des Landes beitragen. Zum Artikel

Künstliche Intelligenz und Krypto könnten bis 2026 etwa so viel Strom verbrauchen wie ganz Japan – Standard
Der CO₂-Ausstoß für die Stromerzeugung soll bereits seinen Peak erreicht haben. Trotzdem werden die Emissionen in den kommenden Jahren nur langsam sinken, berichtet Alicia Prager. Zum Artikel

Rückschlag für Offshore-Windkraft: Netzanschlüsse verzögern sich um bis zu zwei Jahre – Handelsblatt
Die Ausbauziele der Bundesregierung für Windkraft auf hoher See könnten gefährdet sein, berichtet Klaus Stratmann. Grund: Es drohen Verzögerungen bei den Netzanschlüssen, die nötig sind, um den Strom an Land zu bringen. Zum Artikel

Where the world warmed the most in Earth’s hottest year – Washington Post
John Muyskens und Niko Kommenda zeigen anhand einer Grafik die Regionen mit den größten Temperaturanomalien im Jahr 2023. Mehr als 40 Prozent der Erdoberfläche waren mindestens 1,5 Grad Celsius wärmer als im späten 19. Jahrhundert; etwa ein Fünftel des Globus hat sich seitdem bereits um mehr als 2 Grad Celsius erwärmt. Zum Artikel

Colombia, a Usually Wet Nation, Reels Amid Widespread Wildfires – New York Times
Rund um die kolumbianische Hauptstadt Bogotá und in anderen Teilen des südamerikanischen Landes toben heftige Waldbrände. Inzwischen wurde der nationale Notstand ausgerufen. Annie Correal und Genevieve Glatsky sind der Frage nachgegangen, welchen Anteil der Klimawandel an der Katastrophe haben könnte. Zum Artikel

Heads

Paulina Hennig-Kloska: Polens Umweltministerin mit heikler Mission

Paulina Hennig-Kloska, neue polnische Umwelt- und Klimaministerin, bei ihrer Vereidigung im Dezember 2023
Paulina Hennig-Kloska, neue polnische Ministerin für Klima und Umwelt, bei ihrer Vereidigung im Dezember 2023.

Paulina Hennig-Kloska war noch nicht im Amt, da spürte sie schon, welche Sprengkraft ihre neuen Themen mit sich bringen. Die im Dezember 2023 schließlich zur Ministerin für Klima und Umwelt ernannte Hennig-Kloska legte mit anderen Abgeordneten einen Gesetzesvorschlag zum erleichterten Bau von Windparks vor und sorgte vor allem durch die verkürzte Entfernung zu Wohngebäuden für Empörung: Dem Vorschlag zufolge sollten besonders leise Anlagen mit einem Abstand von 300 Metern gebaut werden können – 200 Meter weniger, als es im Wahlkampf versprochen worden war. 

Die Recht- und Gerechtigkeitspartei PiS, die bis zum letzten Jahr die Regierung führte, warf Hennig-Kloska vor, Lobbygruppen der Windradindustrie insbesondere aus Deutschland zu befördern. Hennig-Kloska forderte eine Entschuldigung und drohte, einen PiS-Abgeordneten wegen Verleumdung zu verklagen. Manche Koalitionspolitiker sprachen Hennig-Kloska daraufhin die Eignung für das neue Amt ab – doch ihre Partei hielt an der 46-Jährigen fest. Etwas später, als vereidigte Ministerin, gab sie Fehler zu und änderte manche Punkte. Spätestens im März soll das überarbeitete Windparkgesetz jetzt verabschiedet werden.

Sie ist keine Umweltaktivistin

Hennig-Kloska ist keine Aktivistin. Die aus Gniezno westlich von Warschau stammende Politikwissenschaftlerin arbeitete zuerst als Radiojournalistin, war Abteilungsleiterin bei einer lokalen Bank und leitete mit ihrem Mann Artur Kloska die Firma Borg, die auf Büroeinrichtung spezialisiert ist.

2015 trat sie der Partei Nowoczesna bei und wurde unerwartet in das nationale Parlament gewählt, den Sejm. Weil Borg einen öffentlichen Auftrag zur Möblierung von Schulen gewann, sprachen Kritiker von Korruption. Einen Beweis konnten sie allerdings nicht vorlegen – und die Wähler glaubten ihnen auch nicht. Stattdessen wählten sie die Abgeordnete seitdem zweimal wieder.

Im Frühjahr 2021 wechselte Hennig-Kloska dann zur Partei Polen 2050, die nun zur Regierungskoalition des Ministerpräsidenten Donald Tusk gehört, und wurde zu einer der wichtigsten Politikerinnen der neuen Partei, die sich als wertkonservativ und bodenständig präsentiert. Mit der neuen Partei kam auch ein neues Thema: vom Gesundheitsressort wechselte sie in den Energie- und Klimaausschuss.

Energiewende als Fundament der Wettbewerbsfähigkeit

“Damals wurde mir klar, dass die Energiewende das Fundament einer zukünftigen wettbewerbsfähigen Wirtschaft ist”, sagt sie. “Und der CO₂-Fußabdruck wird unsere Wirtschaft zerstören, wenn wir nicht ernsthaft etwas dagegen unternehmen.” In der Wirtschaftspolitik ist sie eine Liberale, sie tritt für Steuersenkungen ein und unterstützt die Privatisierung von Staatsunternehmen, mit Ausnahme des Energie- und Verteidigungssektors.  

In ihrem neuen Amt geht es jetzt darum, sich schnell einzuarbeiten und viele Herausforderungen anzupacken, denn die vorige PiS-Regierung hat die Umweltpolitik komplett vernachlässigt. 63 Prozent seines Strombedarfs deckt Polen noch immer mit Kohle ab, der Ausstieg aus dem fossilen Brennstoff ist erst für 2049 geplant. Nun soll das Ministerium Investitionen in erneuerbare Energiequellen fördern, in Windkraftanlagen, in Photovoltaik und Biomasseanlagen, aber auch in Kernenergie. Die thermische Modernisierung von Gebäuden muss ebenfalls dringend angegangen werden, um Einsparziele zu erreichen. 

Hennig-Kloska versucht Balanceakt

Um all das zu finanzieren, hofft Hennig-Kloska auch auf die Europäische Union. Das Programm “Saubere Luft” etwa, in dessen Rahmen alte Verbrennungsöfen ausgetauscht werden sollen, wurde zuletzt mangels Finanzierung eingefroren, obgleich jährlich etwa 50.000 Menschen an den Folgen von Smog sterben. Hennig-Kloska will nun EU-Mittel aus dem europäischen Fonds für Infrastruktur, Klima und Umwelt (FENIKS) mobilisieren. Polen wird sich auch um Projektfinanzierung aus dem Fit-for-55-Paket der EU bewerben. 

Zugleich geht es für Hennig-Kloska darum, die Balance zu halten, auch innerhalb der eigenen Regierung. Mitte Januar war es ihre grüne Stellvertreterin Urszula Zielińska, die ein hohes Tempo bei der Transformation verlangte und forderte, dass die EU ihren CO₂-Ausstoß bis 2040 um 90 Prozent reduzieren solle. Paulina Hennig-Kloska pfiff Zielińska schnell zurück und erklärte, die Aussage sei weder offiziell noch mit anderen Ressorts abgestimmt gewesen. 

Zwar seien sich alle Parteien der Regierungskoalition darin einig, dass Polen klimaneutral werden müsse. Dafür brauche es aber Zeit. Einer Allianz von elf Ländern, darunter Deutschland, die vergangene Woche ebenfalls ambitioniertere EU-Klimaziele forderte, schloss sich Polen nicht an. Schließlich muss Hennig-Kloska auch auf den Koalitionspartner Rücksicht nehmen, die Bauernpartei PSL. Und die hat erklärt, dass sie die Bürger bei der Transformation nicht überfordern will. Andrzej Rybak

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ESG.Table Redaktion

ESG.TABLE REDAKTION

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    Liebe Leserin, lieber Leser,

    die sozial-ökologische Transformation ist eine Dauerbaustelle, das zeigt sich auch in diesen Tagen wieder. Beispiel 1: Das Importverbot von Produkten, die aus Zwangsarbeit stammen. Die EU versucht gerade in einer Art Hauruck-Verfahren, eine entsprechende Regelung zu erarbeiten. Die deutsche Regierung, namentlich die FDP, hat jedoch andere Vorstellungen und will diesem Vorhaben nicht zustimmen, wie schon beim EU-Lieferkettengesetz. Es bahnt sich neuer Zoff an, berichtet Leonie Düngefeld.

    Beispiel 2: Die Kraftwerksstrategie. Die Ampel-Koalition konnte sich bislang nicht auf einen gemeinsamen Weg einigen, um einen klimaverträglichen, bezahlbaren Weg zu finden, die Energie zu ersetzen, die trotz des Ausbaus von Sonnen- und Windstrom zeitweise fehlen wird. CDU-Politiker Jens Spahn plädiert nun für einen neuen Weg. Wie er uns im Gespräch erklärte, sollten weitere Gaskraftwerke entstehen, deren Treibhausgase abgeschieden und zur Endlagerung in die Erde verpresst werden könnten. Damit stößt er auch in seiner eigenen Partei und in der Energiewirtschaft die Debatte neu an, erklärt Alex Veit.

    Fortsetzung folgt.

    Ihr
    Marc Winkelmann
    Bild von Marc  Winkelmann

    Analyse

    Verbot von Produkten aus Zwangsarbeit: Sorge vor Enthaltung Deutschlands

    Uigurische Arbeiter in Xinjiang: Das EU-Verbot für Produkte, die in Zwangsarbeit hergestellt werden, zielt vor allem auf Produkte aus China.

    In nur zwei politischen Trilogen müssen sich Rat und Parlament über das geplante Importverbot von Produkten aus Zwangsarbeit einigen, um dieses noch vor Ende der Legislaturperiode zu verabschieden. Am gestrigen Dienstag fand ein erstes, 45-minütiges Treffen statt.

    Die EU-Kommission hatte im September 2022 den entsprechenden Gesetzentwurf vorgestellt. Darin begründet sie die Initiative mit dem UN-Entwicklungsziel, Zwangsarbeit bis 2030 vollständig zu unterbinden. Nach Angaben der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) lebten im Jahr 2021 rund 27,6 Millionen Menschen in Zwangsarbeit – davon etwa 12 Prozent Kinder. Der größte Teil von ihnen musste in der Privatwirtschaft arbeiten; 3,9 Millionen waren Opfer staatlich verordneter Zwangsarbeit wie mutmaßlich in der chinesischen Region Xinjiang.

    Ergänzung zum EU-Lieferkettengesetz

    Produkte aus Zwangsarbeit gelangen auch auf den EU-Markt: Laut einem Bericht im Auftrag von Anna Cavazzini (Grüne), Vorsitzende des Binnenmarktausschusses und Schattenberichterstatterin für das Dossier im EU-Parlament, profitieren mehr als 80 internationale Markenkonzerne direkt oder indirekt von uigurischer Zwangsarbeit in ihren Lieferketten.

    Die EU will deshalb das Inverkehrbringen und die Bereitstellung solcher Produkte auf dem hiesigen Markt verhindern – ein Aspekt, der durch das EU-Lieferkettengesetz nicht abgedeckt wäre: Zwar listet das Lieferkettengesetz Zwangsarbeit als Verletzung internationaler Abkommen und sieht Sanktionen für den Fall vor, dass Unternehmen ihre Sorgfaltspflichten nicht einhalten. Jedoch konzentriert es sich eben auf das unternehmerische Verhalten und enthält keine Maßnahmen, um entsprechende Produkte auf dem EU-Markt zu verbieten.

    Im Entwurf der Kommission gilt das Verbot für alle Produkte, die auf dem EU-Markt angeboten werden, ob für den Verbrauch innerhalb der EU oder für die Ausfuhr. Die zuständigen Behörden in den Mitgliedstaaten sollen Produkte aus Zwangsarbeit nach einer Untersuchung vom Markt nehmen; die Zollbehörden an den EU-Außengrenzen würden solche Produkte identifizieren und stoppen.

    Parlament fordert Beweislastumkehr für Hochrisikogebiete

    Der Rat hat erst vergangenen Freitag sein Verhandlungsmandat angenommen. Darin schlägt er vor, die Rolle der EU-Kommission in der Untersuchung der Produkte zu stärken. Sie soll auf der Grundlage bestimmter Kriterien beurteilen, ob das jeweilige Produkt von “Unionsinteresse” ist. So soll der Verwaltungsaufwand verringert und die Zuweisung der Fälle vereinfacht werden. Hier sind sich die Mitgliedstaaten und das Parlament weitgehend einig.

    Schwieriger dürfte es insbesondere bei zwei Themen werden: Zum einen will das Parlament eine Beweislastumkehr für Hochrisikogebiete, vor allem für staatlich verordnete Zwangsarbeit. Laut dem Parlamentsmandat soll die Kommission eine Liste von geografischen Gebieten und Wirtschaftssektoren erstellen, in denen ein hohes Risiko für den Einsatz von Zwangsarbeit besteht. Für Waren, die in diesen Gebieten hergestellt werden, müssten die Behörden Zwangsarbeit nicht mehr nachweisen. Stattdessen müssten Unternehmen beweisen, dass ihre Produkte nicht unter Zwangsarbeit hergestellt wurden.

    Zum anderen will das Parlament die Wiedergutmachung für die Opfer von Zwangsarbeit durch den Wirtschaftsakteur gesetzlich verankern. Dazu können finanzielle und nicht-finanzielle Entschädigungen gehören. Aufgrund der Belastungen, die hier für Unternehmen entstehen könnten, dürfte der Rat sich mit diesen Regelungen schwertun.

    Bedenken wegen möglicher Lücken

    Die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) unterstützt das Ziel der Verordnung, spricht sich jedoch gegen diese zwei Forderungen des Parlaments aus: Die Beweislastumkehr “unterliefe den grundlegenden Ansatz des Verordnungsentwurfs, der in erster Linie Behörden adressiert”. Außerdem sei unklar, wie solch ein Beweis in der Praxis erbracht werden könnte. Darüber hinaus überschätze das Parlament mit der Forderung nach Wiedergutmachungsmaßnahmen seitens der Unternehmen die unternehmerischen Kontroll- und Handlungsmöglichkeiten.

    Der Außenwirtschaftschef der DIHK, Volker Treier, warnte davor, die Verordnung hastig durch den Trilog zu peitschen und “mit heißer Nadel gestrickte Kompromisse” einzugehen. Wichtig sei, “der ohnehin gebeutelten deutschen Wirtschaft nicht noch mehr Pflichten zuzumuten.”

    Steve Trent, Geschäftsführer der Environmental Justice Foundation, argumentiert: “Unternehmen, die Arbeitskräfte ausbeuten, können ihre Kosten massiv senken und sich so einen unfairen Wettbewerbsvorteil gegenüber gesetzestreuen EU-Unternehmen verschaffen.”

    Er formulierte Bedenken wegen möglicher Lücken in der Ratsposition: “Die Ausbeutung von Arbeitskräften ist nicht nur ein Problem, das einzelne Produkte betrifft – häufig zieht sich der Missbrauch durch ganze Produktionsstätten”, sagte er. “Verbote sollten nicht nur für einzelne Produkte gelten, sondern auch für Produktgruppen, die sich auf denselben Standort zurückführen lassen.”

    Bundesregierung enthält sich im Rat

    Ob die Bundesregierung dem Gesetz zustimmen wird, ist fraglich. Laut Informationen von Table.Media hat sie sich in der Abstimmung über die allgemeine Ausrichtung im Rat enthalten. Nach der Debatte um das verwandte EU-Lieferkettengesetz äußern NGOs die Befürchtung, dass eine Enthaltung Deutschlands die Verhandlungen erneut erschweren könnten. Hier blockiert die FDP und positioniert sich damit gegen den Kompromiss von Rat und Europaparlament. Auch aus der Bundesregierung selbst sind mittlerweile Sorgen um ihre Glaubwürdigkeit und ihr Ruf als verlässlicher und ernstzunehmender Verhandlungspartner zu vernehmen.

    Anna Cavazzini (Grüne) findet deutliche Worte: “Dass die FDP die deutsche Zustimmung zum Verbot von Produkten aus Zwangsarbeit auf europäischer Ebene blockiert, ist mir unbegreiflich”, sagte sie Table.Media. Das Gesetz bedeute kaum Mehraufwand für europäische Unternehmen. Andere Länder wie die USA hätten bereits ähnliche Gesetze, so Cavazzini. Die FDP-Bundestagsfraktion wollte sich auf Anfrage nicht zu dem Thema äußern.

    • China
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    Mobilitätswende: Arbeitsministerium und SPD verfolgen aufmerksam das französische Sozial-Leasing-Modell

    Abendlicher Stadtverkehr in Berllin: Derzeit machen E-Autos im deutschen Fahrzeugbestand gerade einmal zwei Prozent aus. Die jährlichen Zuwachsraten bleiben deutlich hinter der Planung der Bundesregierung zurück.

    In Frankreich können Geringverdiener seit Anfang des Jahres günstig ein Elektroauto leasen. Möglich macht dies ein Förderprogramm namens “Leasing social”. Es deckelt die monatlichen Raten für Stadtautos auf 100 Euro und für Kombis auf 150 Euro. Den Rest übernimmt der Staat. Menschen mit geringem Einkommen, die auf ein Auto angewiesen sind, um zur Arbeit zu kommen, soll so der Umstieg auf ein E-Auto erleichtert werden. Innerhalb weniger Wochen wurden fast 35.000 Förderanträge gestellt.

    VW bietet ID.3 für 109 Euro im Monat an

    Neben der Demokratisierung der Mobilitätswende verfolgt die Regierung in Paris mit dem Sozial-Leasing auch industrie- und umweltpolitische Ziele. Deshalb kommen nur Elektroautos in Frage, die in der EU hergestellt wurden und nicht mehr als 47.000 Euro kosten. Außerdem müssen sie den Anforderungen des “Bonus écologique”, der französischen Umweltprämie, entsprechen.

    Neben französischen Elektroautos wie dem Renault Twingo E-Tech, dem Citroën ë-C3 und dem Peugeot E-208 erfüllen derzeit auch der Opel Corsa Electric und der Fiat 500e die Kriterien für Sozial-Leasing. Seit Anfang dieser Woche ist auch Volkswagen als einziger deutscher Hersteller mit vier E-Autos dabei, darunter der ID.3, der im Sozial-Leasing 109 Euro im Monat kosten soll.

    SPD-Verkehrsexpertin: “Antriebswende sozial gerecht gestalten”

    Isabel Cademartori, verkehrspolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion, verfolgt die Entwicklungen im Nachbarland mit Interesse. “Unser Ziel muss es sein, die Antriebswende sozial gerecht zu gestalten”, betont sie im Gespräch mit Table.Media. Das Sozial-Leasing in Frankreich sei ein erster und wichtiger Schritt in Richtung bezahlbare Elektromobilität. “Wir müssen prüfen, ob und wie wir ein ähnliches Modell für Deutschland einführen können”, so die Verkehrsexpertin.

    Auch das SPD-geführte Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) unterstrich auf Anfrage, man setze sich für “eine sozialverträgliche Gestaltung der Mobilitätswende ein”. Dabei spiele auch eine Rolle, inwieweit Elektromobilität künftig für die breite Bevölkerung bezahlbar sein werde, so ein Sprecher. “In diesem Zusammenhang beobachtet das BMAS auch die Ansätze von Frankreich und anderen Ländern aufmerksam.”

    E-Autos sind oft zu teuer

    Die Mobilitätswende kommt in Deutschland nur zögerlich in Fahrt. Experten machen dafür auch die hohen Preise verantwortlich. Der durchschnittliche Listenpreis für ein Elektroauto ist in Deutschland laut dem Center of Automotive Management (CAM) zuletzt auf mehr als 52.700 Euro gestiegen.

    Zwar tobt seit dem überraschenden Wegfall des Umweltbonus im Dezember vergangenen Jahres eine Rabattschlacht. Doch Experten befürchten, diese sei für viele Hersteller ruinös und könnte die Mobilitätswende eher gefährden als vorantreiben. Das Kernproblem sei, dass insbesondere die deutschen Autobauer kaum günstige Einstiegsmodelle anzubieten hätten.

    Derzeit machen E-Autos im deutschen Fahrzeugbestand gerade einmal zwei Prozent aus. Die jährlichen Zuwachsraten bleiben deutlich hinter der Planung der Bundesregierung zurück. Um das Ziel von 15 Millionen Elektroautos auf deutschen Straßen bis 2030 noch zu erreichen, müssten nach Berechnungen des Thinktanks Agora Energiewende täglich 5.500 E-Fahrzeuge neu zugelassen werden. Im Jahr 2023 waren es im Schnitt lediglich 1.433.

    Milliardenförderung für Gutverdiener

    Doch anstatt die Entwicklung eines Massenmarktes in Deutschland zu fördern, kamen die bisherigen Maßnahmen vor allem Unternehmen und Besserverdienenden zugute. Laut Bundeswirtschaftsministerium wurden seit 2016 im Rahmen des Umweltbonus etwa zehn Milliarden Euro für rund 2,1 Millionen Elektrofahrzeuge ausgezahlt. Mit dem Förderprogramm “Eigenerzeugung und Nutzung von Solarstrom für Elektrofahrzeuge an Wohngebäuden” des Bundesverkehrsministeriums kamen im September 2023 in einer Hauruck-Aktion weitere 300 Millionen Euro hinzu.

    Das traf unter anderem auf die Kritik der Verbraucherzentrale Bundesverband. Ihr Mobilitätsexperte Gregor Kolbe bemängelte im Gespräch mit der Presseagentur dpa, die Maßnahme käme nur Eigentümern selbstgenutzter Wohngebäude zugute – also genau denjenigen, die eher mehr verdienten und bereits von anderen Programmen profitierten, etwa dem Umweltbonus. “Die Förderung ist somit alles andere als sozial”, so Kolbe.

    Sozialverband: “Klimaschutz darf kein Elitenprojekt sein”

    Die Vorsitzende des Sozialverbands Deutschland (SoVD), Michaela Engelmeier, sieht das ähnlich. Table.Media sagte sie: “Für uns ist ganz klar: Klimaschutz darf kein Elitenprojekt sein.” Der Staat müsse die Bezieher kleinerer und mittlerer Einkommen gezielt dabei unterstützen, mit den Belastungen durch die steigenden C02-Preise umzugehen. “Ein zentraler Baustein kann dabei grundsätzlich auch das geförderte E-Auto-Leasing nach französischem Vorbild sein”, so Engelmeier.

    • Elektromobilität
    • Innovation
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    Termine

    31. Januar 2024, 19:00-21:15 Uhr, Online
    Vortrag Aufbrüche und Hindernisse – Auf dem steinigen Weg eines umfassenden sozial-ökologischen Wandels (Veranstalter: Evangelische Akademie Villigst) Info & Anmeldung

    1. Februar 2024, 18:00-20:00 Uhr, Berlin
    Diskussion ENERGIZE 2045: Nachhaltige Energieimporte und synthetische Kraftstoffe – Strategien und Chancen (Veranstalter: Friedrich-Naumann-Stiftung) Info & Anmeldung

    1. Februar 2024, 19:00-21:00 Uhr, Frankfurt (Oder)
    Diskussion Ein Haus aus Holz – Ist klimaneutrales Bauen die Lösung für Deutschland? (Veranstalter: Friedrich-Naumann-Stiftung) Info & Anmeldung

    5. Februar 2024, 09:00-18:00 Uhr, Potsdam
    Workshop Climate Finance and Investment in Times of Crisis: Towards a New Partnership with the Global South (Veranstalter: RIFS Potsdam) Info & Anmeldung

    5. Februar 2024, 12:30-14:45 Uhr, Online
    Online-Diskussion Nachhaltigkeit und Menschenrechte im Finanzsektor stärken (Veranstalter: Heinrich-Böll-Stiftung) Info & Anmeldung

    6. Februar 2024, 10:00-11:00 Uhr, Online
    Diskussion Nachhaltiger Einkauf – CO₂ in der Lieferkette einsparen (Veranstalter: KliMaWirtschaft) Info & Anmeldung

    6. Februar 2024, 10:00-18:00 Uhr, Berlin
    Konferenz Exit Plastik – Öffentliche Konferenz und NGO Runder Tisch zu Wegen aus der Plastikkrise (Veranstalter: Heinrich-Böll-Stiftung) Info & Anmeldung

    6. Februar 2024, 14:00-15:30 Uhr, Online
    Online-Seminar 26. BilRess-Webseminar: Zukunftstechnologien und Rohstoffwende (Veranstalter: BilRess-Netzwerk) Info & Anmeldung

    News

    Kraftwerksstrategie: Spahn fordert Speicherung von Kohlendioxid für die Stromerzeugung

    Jens Spahn hat sich für die Speicherung von Kohlendioxid aus der Stromproduktion ausgesprochen. Im Rahmen der Kraftwerksstrategie sollten zunächst “einfache Gaskraftwerke von der Stange” gebaut und “perspektivisch mit Technologie” für Carbon Capture and Storage (CCS) ausgerüstet werden.

    “So werden die Kraftwerke CO₂-neutral und der Einstieg in CCS-Technik wird angestoßen”, sagte der stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion im Bundestag im Gespräch mit Table.Media. Spahn, der die Fraktion bei den Themen Wirtschaft, Klima und Energie vertritt, sieht in seinem Vorschlag einen preisgünstigeren Ansatz als die vom BMWK favorisierten Lösungen auf Wasserstoff-Basis. “Wir erwarten, dass die Ampel für beide alternative Optionen einen vergleichenden Kosten- und Zeitplan vorlegt.”

    Union bislang für zukünftige Wasserstoffkraftwerke

    Bislang hatte sich auch die CDU/CSU-Fraktion für wasserstofffähige Kraftwerke stark gemacht, die die erneuerbare Stromproduktion aus Wind und Sonne in Zeiten von “Dunkelflauten” im Winter ersetzen sollen. In einem Positionspapier aus dem Jahr 2023 werden CO₂-Speicherungstechnologien als “komplementäre Instrumente” betrachtet, um “Restemissionen” aus der Industrie aufzufangen.

    Andreas Jung, Klima- und energiepolitischer Sprecher der Fraktion, hatte noch letzte Woche auf Instagram für Gaskraftwerke argumentiert, “die dann baldmöglichst auf Wasserstoff umgestellt werden”.

    Umstrittene CCS-Technologie

    CCS wurde bei der COP28 als teure und energieintensive Technik kritisiert, die die Abhängigkeit der Welt von fossilen Energien weiterführen könnte. Experten aus der Energiewirtschaft sehen CO₂-Abscheidung zudem als sehr teuer an. Neben einem zu bauenden Wasserstoffkernnetz müsste außerdem ein CO₂-Pipelinenetz errichtet werden, um es zu Lagerstätten etwa in Norwegen zu transportieren.

    In der vom BMWK mehrfach verschobenen, nun aber laut Minister Habeck “entscheidungsreifen” Kraftwerksstrategie wird CCS wohl keine Rolle spielen. Allerdings gibt es in FDP und SPD einzelne Stimmen, die sich ebenfalls für die Speicherung von Kohlendioxidemissionen aus der Stromproduktion aussprechen. Auch die EU-Kommission, die CCS bislang nur für besondere Industrieprozesse vorgesehen hatte, signalisierte zuletzt ein Umsteuern. av

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    Schuldenbremse: FDP lehnt Reformappell der Stiftung Klimawirtschaft ab

    Lukas Köhler, stellvertretender Vorsitzender der FDP-Fraktion im Bundestag, hat dem Aufruf zu einer Reform der Schuldenbremse eine Absage erteilt. “Es ist beunruhigend, wenn Unternehmen für die notwendige Modernisierung der Wirtschaft in erster Linie auf Geld vom Staat hoffen”, sagte er zu Table.Media.  

    Am Wochenende hatte die Stiftung Klimawirtschaft einen Appell zu einem “Schulterschluss von Bundesregierung und demokratischer Opposition” veröffentlicht, dem sich über 50 Unternehmen angeschlossen hatten, darunter Thyssenkrupp, Salzgitter AG, Wacker AG, Vaude und Bau-Fritz. Ihnen zufolge brauche Deutschland wettbewerbsfähige Energiepreise sowie eine “Weiterentwicklung der Schuldenbremse”, um “Investitionen hin zu einer klimaneutralen Wirtschaft zu ermöglichen, die wiederum Folgeinvestitionen der Privatwirtschaft auslösen”.

    Im Deutschlandfunk sagte Sabine Nallinger, Vorständin der Stiftung, dass “investive Unterstützung” von Staatsseite notwendig sei. Deutschland stehe “vor einer der größten Transformationen in unserer Geschichte”, daher müsse “eben entsprechend Geld” in die Hand genommen werden. Auch der Wirtschafts-Sachverständigenrat der Bundesregierung schlug am Dienstag “im Anschluss an eine Notlage” eine Flexibilisierung der Schuldenbremse vor.

    Flexibilisierung der Schuldenbremse

    Köhler, der auch Generalsekretär der FDP in Bayern und Mitglied im Bundesvorstand der Partei ist, widerspricht. Für ihn sind deutsche Unternehmen innovativ und konkurrenzfähig genug, “um sich selbstbewusst an den Weltmärkten zu behaupten”. Staatliche Bereitstellung von notwendiger Infrastruktur müsse mit verantwortungsbewusster Haushaltspolitik ausbalanciert werden.

    Er verweist auf geplante Steuererleichterungen durch das Wachstumschancengesetz, das derzeit im Vermittlungsausschuss verhandelt wird, und die Absenkung der Stromsteuer für das produzierende Gewerbe – Maßnahmen, mit denen die Wirtschaft bei Investitionen unterstützt werden soll. “Es gibt Situationen, in denen staatliche Unterstützung sinnvoll ist, doch eine Wirtschaft, die sich auf Dauer von staatlichen Finanzspritzen abhängig macht, steht auf wackeligen Beinen.” av

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    GRI verschärft Standard zu Biodiversität

    Die Global Reporting Initiative (GRI), die den am weitesten verbreiteten globalen Berichtsstandard entwickelt hat, hat neue Kriterien festgelegt, mit denen Unternehmen die Folgen ihres Handelns für die Biodiversität offenlegen können. Ihren Standard (“GRI 101: Biodiversity 2024”) hat die internationale Organisation nach eigenen Angaben zwei Jahre lang mit Interessenvertretern entworfen und unter anderem mit dem Science-based Targets Network sowie der Taskforce on Nature-related Financial Disclosure abgestimmt. 

    Zu dem eigens formulierten Anspruch gehört es laut GRI jetzt, “volle Transparenz” über die gesamte Lieferkette zu bieten und die wichtigsten Ursachen für den Verlust von Artenvielfalt zu benennen. GRI 101 erweitert und ersetzt die bisherigen Regeln (“GRI 304: Biodiversity 2016”) und wird am Donnerstag in einem Webinar vorgestellt, für das sich Interessierte hier anmelden können. Vorgesehen ist, dass ausgewählte GRI-Mitglieder die neuen Regeln in den kommenden zwei Jahren testen, bevor sie ab 1. Januar 2026 offiziell gelten.

    Laut Forschern sind 80 Prozent der UN-Nachhaltigkeitsziele und das 1,5-Grad-Ziel bei der Erderwärmung gefährdet, wenn die globale Biodiversität nicht erhalten bleibt. Trotzdem kam eine KPMG-Untersuchung im Herbst 2022 zu dem Ergebnis, dass nur 40 Prozent der nach dem GRI-Standard berichtenden Unternehmen auch die Artenvielfalt im Blick haben. Die nächste UN-Konferenz zur Biodiversität findet vom 21. Oktober bis 1. November in Kolumbien statt. maw

    • Berichtspflichten
    • Biodiversität

    Ernährung: Hohe Gewinne durch gesunde Lebensmittel

    Die volkswirtschaftlichen Gewinne einer Transformation der globalen Agrar- und Ernährungssysteme bis 2050 könnten zwischen fünf und zehn Billionen US-Dollar jährlich betragen. Die Kosten hingegen lägen bei nur 200-500 Milliarden US-Dollar pro Jahr. Das ist das Ergebnis einer Studie der Food System Economics Commission (FSEC), der Institutionen wie das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung, die Weltbank und die Weltgesundheitsorganisation angehören. Die Forschungsarbeit dauerte vier Jahre.

    Die hohen Gewinne ergeben sich daraus, dass die Agrar- und Ernährungssysteme laut Studie derzeit 15 Billionen US-Dollar pro Jahr an nicht-berücksichtigten Kosten verursachen. Allein rund 11 Billionen US-Dollar davon entfielen auf die ökonomischen Kosten geringerer Produktivität, die eine Folge von Übergewicht und Unterernährung sind.

    Gesunde Ernährung und Nachhaltigkeit priorisieren

    Für die Transformation von Agrar- und Ernährungssystemen auf nationaler Ebene und im lokalen Kontext gebe es fünf Prioritäten, schreiben die Forschenden:

    • Es brauche Maßnahmen dafür, dass Menschen sich gesünder ernähren – etwa ein Verbot von Werbung für ungesunde Lebensmittel, die sich an Kinder richtet, klare Informationen auf Verpackungen oder Leitlinien für die öffentliche Beschaffung.
    • Die Förderung von Landwirtschaft müsse umgestellt werden. Bislang würden vielfach große Produzenten und umwelt-, klima- und gesundheitsschädliche Praktiken subventioniert.
    • Steuern auf Kohlenstoffdioxid und Stickstoff-Verschmutzung könnten die Transformation in die gewünschte Richtung lenken, etwa wenn die Einnahmen an Haushalte gehen, die sich gesunde Lebensmittel sonst nicht leisten könnten.
    • Nationale und internationale Institutionen könnten dazu beitragen, dass Innovationen schnell entwickelt werden und sich verbreiten – zum Beispiel bei der ökologischen, biodiversitätsfreundlichen und emissionsarmen Landwirtschaft.
    • Ein Schlüssel liege darin, Unterstützungsangebote für ärmere Menschen zu entwickeln. So ließe sich der Wandel inklusiv und politisch durchsetzbar gestalten.

    Eine erfolgreiche Transformation könnte bis 2050 dazu führen, dass Unterernährung überwunden würde und 174 Millionen Menschen nicht an ernährungsbedingten chronischen Krankheiten sterben würden. Gleichzeitig könnte sie helfen, etwa 1,5 Milliarden Hektar mehr Land zu schützen und die Stickstoffüberschüsse fast zu halbieren. Aber: Selbst, wenn alle Staaten ihre aktuellen Strategien umsetzten, würde das laut der Autoren nicht reichen, um die globalen Ernährungssysteme “auf einen nachhaltigen Pfad” zu bringen. nh

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    LNG: US-Präsident erlässt Moratorium

    US-Präsident Joe Biden hat ein Moratorium für die Genehmigung neuer LNG-Exporte und den Bau neuer Terminals erlassen. Bestehende Lieferverträge und bereits genehmigte Projekte sind nicht betroffen. Deutschland bezieht einen Großteil seiner LNG-Importe aus den USA. Nach Angaben des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft lag der Anteil im Januar bei über 80 Prozent.

    Die USA sind vor Katar und Australien der größte LNG-Exporteur der Welt und betreiben an der Atlantikküste und im Golf von Mexiko bereits sieben Terminals. Weitere sind im Bau oder in Planung. An der milliardenschweren Finanzierung sind auch deutsche Banken und Unternehmen beteiligt.

    Der US-Präsident begründete das Moratorium mit der Klimakrise, die er als “die existenzielle Bedrohung unserer Zeit” bezeichnete. Das Moratorium solle nun genutzt werden, “die Auswirkungen von LNG-Exporten auf die Energiekosten, die Energiesicherheit Amerikas und unsere Umwelt genau zu untersuchen”.

    Umweltschützer begrüßen Entscheidung

    Wissenschaftler und Umweltschützer kritisieren LNG seit Jahren. Insbesondere die Gasförderung durch Fracking verursache immense Schäden. Nach einer aktuellen Studie des Biochemikers Robert W. Howarth von der Cornell University sollen die absoluten Treibhausgasemissionen von LNG sogar höher sein als die von Kohle.

    Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) begrüßte die Entscheidung. Sie lasse hoffen, dass “die Eskalationsspirale beim LNG-Ausbau endlich gestoppt wird”, sagte DUH-Bundesgeschäftsführer Sascha Müller-Kraenner. Greenpeace-Energieexpertin Mira Jäger sprach von einem wichtigen Signal. “Wirtschafts- und Klimaminister Robert Habeck sollte dem Vorbild von Präsident Biden folgen und weitere LNG-Terminals an der deutschen Küste stoppen.” ch

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    UN-Zukunftspakt: Unambitionierter Entwurf

    Die Vereinten Nationen haben ihre erste Version für den angestrebten “Pact for the Future” vorgestellt. Die Erklärung soll das Abschlussdokument des “Summit of the Future” bilden, der im September in New York stattfindet. UN-Generalsekretär António Guterres hofft, die globale Organisation so krisenfester zu machen. Zudem soll eine Reform der globalen Finanzarchitektur vorangebracht und die desolate Bilanz der Agenda 2030 verbessert werden.

    Hoher Anspruch, wenig Gehalt

    Der sogenannte “Draft Zero” skizziert auf 20 Seiten, worauf sich die globale Staatengemeinschaft einigen soll. Unterteilt ist er in fünf Kapitel: “Sustainable Development and Financing for Development”, “International Peace and Security”, “Science, Technology and Innovation and Digital Cooperation”, “Youth and Future Generations” sowie “Transforming Global Governance”. Der Anspruch ist hoch: “Wir versprechen einen Neuanfang in der internationalen Zusammenarbeit mit einem neuen Ansatz”, heißt es zu Beginn. Laut Jens Martens, Executive Director des Global Policy Forum Europe, ist davon aber nichts zu erkennen: “Der Entwurf bekräftigt vielfach nur bereits bekannte Positionen, übernimmt Formulierungen aus der Agenda 2030 und vertagt Entscheidungen auf spätere Termine oder verweist auf andere Verhandlungen”, so der Experte. “Ich hatte mir einen ambitionierteren Vorschlag gewünscht.” 

    Zugleich will er nicht ausschließen, dass das Papier in den kommenden Lesungen noch nachgeschärft wird. “Wider unseren Erwartungen ist es in letzter Zeit auf UN-Ebene auch zu erstaunlichen Konsensbeschlüssen gekommen, etwa zum Schutz der Meere oder der Biodiversität.” Gelingt das aber nicht, drohe der Summit of the Future fast wirkungslos zu verpuffen.

    Verantwortlich für den Prozess der Erarbeitung sind die UN-Botschafter Deutschlands und Namibias. Sie haben im Vorfeld mehr als 80 Vorschläge von Delegationen und fast 500 Beiträge von weiteren Stakeholdern erhalten, darunter zivilgesellschaftliche Organisationen. maw

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    • Vereinte Nationen

    Diese Woche im Bundestag: Der Haushalt

    Diese Woche steht die abschließende Beratung des Haushalts 2024 an. In vielen Bereichen des sozial-ökologischen Umbaus soll gespart werden. Die ersten vier relevanten Einzelpläne wurden bereits am Dienstag debattiert.

    Da ist zunächst der Einzelplan 25 des Ministeriums für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauen. Er ist im Vergleich zu 2023 um eine halbe Milliarde Euro geschrumpft.

    Der Einzelplan 12 des Ministeriums für Digitales und Verkehr wächst dagegen um mehr als 8,5 Milliarden Euro, allerdings unter dem Vorbehalt des erfolgreichen Verkaufs staatlicher Unternehmensbeteiligungen.

    Der Einzelplan 16 des Ministeriums für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz bleibt weitgehend unverändert. Allerdings sind für zwei mehrjährige Großprojekte zum Schutz und der Renaturierung von Wäldern, Mooren und Auen sowie zum “Natürlichen Meeresschutz” Mittel gestrichen worden.

    Auch der Einzelplan 30 des Bundesministeriums für Bildung und Forschung bleibt weitgehend unverändert. Allerdings steht für die Batterieforschung weniger Geld zur Verfügung.

    Am Mittwoch steht dann am frühen Abend der Einzelplan 23 des Ministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung zur Debatte. Venro, der Bundesverband entwicklungspolitischer und humanitärer Nichtregierungsorganisationen, zeigt sich tief besorgt, da der Etat gegenüber 2023 um fast zehn Prozent (minus 940 Millionen Euro) gekürzt werden soll. Die mittelfristige Finanzplanung sieht ab 2025 weitere drastische Kürzungen in Milliardenhöhe vor.

    Am Donnerstagmorgen folgt der Einzelplan 9 des Ministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz. Obwohl Vorreiter der klimaneutralen Transformation, ist der Etat mit am stärksten von den Kürzungen betroffen. Im Vergleich zum Haushalt 2023 sinken die Ausgaben um fast 3,5 Milliarden Euro. Hinzu kommen die Kürzungen beim KTF. Die Strompreiskompensation für die energieintensive Industrie soll jedoch unangetastet bleiben.

    Am Donnerstagabend wird schließlich der Einzelplan des Ministeriums für Ernährung und Landwirtschaft beraten. Hier soll die Subventionierung des Agrardiesels gekürzt und auch beim naturverträglichen Umbau der deutschen Fischerei gespart werden.

    Am Freitagvormittag kommt es dann zum großen Finale: Der Haushalt 2024 mit Ausgaben von insgesamt 476,81 Milliarden Euro wird verabschiedet. ch

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    Presseschau

    Ausgeliefert – Der Spiegel
    Gleich sechs Autorinnen und Autoren befassen sich umfassend mit dem Streit über das EU-Lieferkettengesetz. Den haben die FDP und Industrieverbände kurz vor einem endgültigen Beschluss noch einmal eröffnet. Viele Firmen seien indes längst weiter und forderten eine einheitliche europäische Regelung. Zum Artikel

    Nachhaltigkeit wird zum Knochenjob für Europas Unternehmen – Die Presse
    In einem Gastkommentar reagiert die Beraterin und ESG-Managerin Anna Vetter auf die aktuelle Debatte um das EU-Lieferkettengesetz. Ihre Schlussfolgerung: Trotz aller Kritik wird den Unternehmen nichts anderes übrigbleiben, als sich den neuen Realitäten zu stellen. Zum Artikel

    Finanzkunden sollen besser über Nachhaltigkeit entscheiden können – FAZ
    Das Deutsche Institut für Normung legt einen Entwurf zu einem “Nachhaltigkeitsscoring” vor. Dadurch sollen Verbraucher über Finanzprodukte besser im Bilde sein. Die Debatte darüber soll bis Ende März Ergebnisse bringen, weiß Philipp Krohn. Zum Artikel

    Sie weiß, was es braucht, damit der Klimaschutz funktioniert – Basler Zeitung
    Die Ökonomin Mariana Mazzucato ist überzeugt, dass es ohne wirtschaftliches Wachstum nicht geht. Im Gespräch mit Lisa Nienhaus erklärt sie, wie nachhaltige Innovation gelingt. Zum Artikel

    Sexismus in Unternehmen: Wenn Entscheidungen auf dem Herren-WC fallen – FAZ
    Mehr als zwei Drittel aller Frauen haben laut einer EU-weiten Umfrage bereits Sexismus am Arbeitsplatz erlebt. Dies schade den Unternehmen und koste sie Fachkräfte, warnt die Dozentin und Beraterin für Diversität, Gleichstellung und Inklusion Sarah Haimerl. Nur eine diverse Arbeitskultur sei langfristig wettbewerbsfähig. Zum Artikel

    Global trade: the looming tensions over China’s subsidies – Financial Times
    Gerade was die zukunftsträchtigen Produkte für die Energiewende wie Solarpaneele und E-Fahrzeuge angeht, hat China früher als die EU und die USA auf einheimische Produktion gesetzt. Joe Leahy, James Kynge und Sun Yu analysieren, wie chinesische Hersteller zur strategischen Autonomie des Landes beitragen. Zum Artikel

    Künstliche Intelligenz und Krypto könnten bis 2026 etwa so viel Strom verbrauchen wie ganz Japan – Standard
    Der CO₂-Ausstoß für die Stromerzeugung soll bereits seinen Peak erreicht haben. Trotzdem werden die Emissionen in den kommenden Jahren nur langsam sinken, berichtet Alicia Prager. Zum Artikel

    Rückschlag für Offshore-Windkraft: Netzanschlüsse verzögern sich um bis zu zwei Jahre – Handelsblatt
    Die Ausbauziele der Bundesregierung für Windkraft auf hoher See könnten gefährdet sein, berichtet Klaus Stratmann. Grund: Es drohen Verzögerungen bei den Netzanschlüssen, die nötig sind, um den Strom an Land zu bringen. Zum Artikel

    Where the world warmed the most in Earth’s hottest year – Washington Post
    John Muyskens und Niko Kommenda zeigen anhand einer Grafik die Regionen mit den größten Temperaturanomalien im Jahr 2023. Mehr als 40 Prozent der Erdoberfläche waren mindestens 1,5 Grad Celsius wärmer als im späten 19. Jahrhundert; etwa ein Fünftel des Globus hat sich seitdem bereits um mehr als 2 Grad Celsius erwärmt. Zum Artikel

    Colombia, a Usually Wet Nation, Reels Amid Widespread Wildfires – New York Times
    Rund um die kolumbianische Hauptstadt Bogotá und in anderen Teilen des südamerikanischen Landes toben heftige Waldbrände. Inzwischen wurde der nationale Notstand ausgerufen. Annie Correal und Genevieve Glatsky sind der Frage nachgegangen, welchen Anteil der Klimawandel an der Katastrophe haben könnte. Zum Artikel

    Heads

    Paulina Hennig-Kloska: Polens Umweltministerin mit heikler Mission

    Paulina Hennig-Kloska, neue polnische Umwelt- und Klimaministerin, bei ihrer Vereidigung im Dezember 2023
    Paulina Hennig-Kloska, neue polnische Ministerin für Klima und Umwelt, bei ihrer Vereidigung im Dezember 2023.

    Paulina Hennig-Kloska war noch nicht im Amt, da spürte sie schon, welche Sprengkraft ihre neuen Themen mit sich bringen. Die im Dezember 2023 schließlich zur Ministerin für Klima und Umwelt ernannte Hennig-Kloska legte mit anderen Abgeordneten einen Gesetzesvorschlag zum erleichterten Bau von Windparks vor und sorgte vor allem durch die verkürzte Entfernung zu Wohngebäuden für Empörung: Dem Vorschlag zufolge sollten besonders leise Anlagen mit einem Abstand von 300 Metern gebaut werden können – 200 Meter weniger, als es im Wahlkampf versprochen worden war. 

    Die Recht- und Gerechtigkeitspartei PiS, die bis zum letzten Jahr die Regierung führte, warf Hennig-Kloska vor, Lobbygruppen der Windradindustrie insbesondere aus Deutschland zu befördern. Hennig-Kloska forderte eine Entschuldigung und drohte, einen PiS-Abgeordneten wegen Verleumdung zu verklagen. Manche Koalitionspolitiker sprachen Hennig-Kloska daraufhin die Eignung für das neue Amt ab – doch ihre Partei hielt an der 46-Jährigen fest. Etwas später, als vereidigte Ministerin, gab sie Fehler zu und änderte manche Punkte. Spätestens im März soll das überarbeitete Windparkgesetz jetzt verabschiedet werden.

    Sie ist keine Umweltaktivistin

    Hennig-Kloska ist keine Aktivistin. Die aus Gniezno westlich von Warschau stammende Politikwissenschaftlerin arbeitete zuerst als Radiojournalistin, war Abteilungsleiterin bei einer lokalen Bank und leitete mit ihrem Mann Artur Kloska die Firma Borg, die auf Büroeinrichtung spezialisiert ist.

    2015 trat sie der Partei Nowoczesna bei und wurde unerwartet in das nationale Parlament gewählt, den Sejm. Weil Borg einen öffentlichen Auftrag zur Möblierung von Schulen gewann, sprachen Kritiker von Korruption. Einen Beweis konnten sie allerdings nicht vorlegen – und die Wähler glaubten ihnen auch nicht. Stattdessen wählten sie die Abgeordnete seitdem zweimal wieder.

    Im Frühjahr 2021 wechselte Hennig-Kloska dann zur Partei Polen 2050, die nun zur Regierungskoalition des Ministerpräsidenten Donald Tusk gehört, und wurde zu einer der wichtigsten Politikerinnen der neuen Partei, die sich als wertkonservativ und bodenständig präsentiert. Mit der neuen Partei kam auch ein neues Thema: vom Gesundheitsressort wechselte sie in den Energie- und Klimaausschuss.

    Energiewende als Fundament der Wettbewerbsfähigkeit

    “Damals wurde mir klar, dass die Energiewende das Fundament einer zukünftigen wettbewerbsfähigen Wirtschaft ist”, sagt sie. “Und der CO₂-Fußabdruck wird unsere Wirtschaft zerstören, wenn wir nicht ernsthaft etwas dagegen unternehmen.” In der Wirtschaftspolitik ist sie eine Liberale, sie tritt für Steuersenkungen ein und unterstützt die Privatisierung von Staatsunternehmen, mit Ausnahme des Energie- und Verteidigungssektors.  

    In ihrem neuen Amt geht es jetzt darum, sich schnell einzuarbeiten und viele Herausforderungen anzupacken, denn die vorige PiS-Regierung hat die Umweltpolitik komplett vernachlässigt. 63 Prozent seines Strombedarfs deckt Polen noch immer mit Kohle ab, der Ausstieg aus dem fossilen Brennstoff ist erst für 2049 geplant. Nun soll das Ministerium Investitionen in erneuerbare Energiequellen fördern, in Windkraftanlagen, in Photovoltaik und Biomasseanlagen, aber auch in Kernenergie. Die thermische Modernisierung von Gebäuden muss ebenfalls dringend angegangen werden, um Einsparziele zu erreichen. 

    Hennig-Kloska versucht Balanceakt

    Um all das zu finanzieren, hofft Hennig-Kloska auch auf die Europäische Union. Das Programm “Saubere Luft” etwa, in dessen Rahmen alte Verbrennungsöfen ausgetauscht werden sollen, wurde zuletzt mangels Finanzierung eingefroren, obgleich jährlich etwa 50.000 Menschen an den Folgen von Smog sterben. Hennig-Kloska will nun EU-Mittel aus dem europäischen Fonds für Infrastruktur, Klima und Umwelt (FENIKS) mobilisieren. Polen wird sich auch um Projektfinanzierung aus dem Fit-for-55-Paket der EU bewerben. 

    Zugleich geht es für Hennig-Kloska darum, die Balance zu halten, auch innerhalb der eigenen Regierung. Mitte Januar war es ihre grüne Stellvertreterin Urszula Zielińska, die ein hohes Tempo bei der Transformation verlangte und forderte, dass die EU ihren CO₂-Ausstoß bis 2040 um 90 Prozent reduzieren solle. Paulina Hennig-Kloska pfiff Zielińska schnell zurück und erklärte, die Aussage sei weder offiziell noch mit anderen Ressorts abgestimmt gewesen. 

    Zwar seien sich alle Parteien der Regierungskoalition darin einig, dass Polen klimaneutral werden müsse. Dafür brauche es aber Zeit. Einer Allianz von elf Ländern, darunter Deutschland, die vergangene Woche ebenfalls ambitioniertere EU-Klimaziele forderte, schloss sich Polen nicht an. Schließlich muss Hennig-Kloska auch auf den Koalitionspartner Rücksicht nehmen, die Bauernpartei PSL. Und die hat erklärt, dass sie die Bürger bei der Transformation nicht überfordern will. Andrzej Rybak

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