Table.Briefing: ESG

Interview: Politische Einmischung als unternehmerische Strategie + Green Deal: Die EU-Pläne zur sozialen Taxonomie

Liebe Leserin, lieber Leser,

das Schweigen hat ein Ende. Angesichts der bevorstehenden Wahlen melden sich immer mehr Unternehmer zu Wort, warnen öffentlich vor einem Rechtsruck und betonen den Wert unserer Demokratie. Was hat sie bislang daran gehindert? Und sollten Firmen ihr politisches Engagement ausbauen und als strategisches Instrument verstehen? Das habe ich einen Experten gefragt. Wozu er rät, lesen Sie in meinem Interview.

In einem zweiten Ausblick erklärt Leonie Düngefeld die Pläne der EU, das Finanzwesen weiter zu regulieren. Um den Green Deal umzusetzen, braucht es Geld, sehr viel Geld, und dazu soll unter anderem eine soziale Taxonomie her. Nur: Die Widerstände sind groß, die Positionen noch nicht vereinbar. Was sich Experten und Beteiligte jetzt wünschen, erfahren Sie in ihrer Analyse.

Und: Der Deutsche Nachhaltigkeitspreis nimmt ab sofort wieder Bewerbungen an und prämiert – neben herausragend nachhaltigen Unternehmen – neuerdings auch einzelne Produkte. Die Details dazu in den News.

Ihr
Marc Winkelmann
Bild von Marc  Winkelmann

Analyse

Unternehmen: Warum Politik ein Business Case ist

Johannes Bohnen hat ein Buch zum Thema Corporate Political Responsibility herausgegeben.

Herr Bohnen, in den letzten Wochen haben sich immer mehr Unternehmen in verschiedenen Initiativen öffentlich gegen einen Rechtsruck bei den kommenden Wahlen und für Vielfalt, Freiheit, Toleranz und Demokratie ausgesprochen. Gab es das in dieser Form schon mal?
Das ist tatsächlich ein bemerkenswerter Anstieg öffentlicher Positionierungen. Vorher haben sich nur sehr wenige politisch geäußert, mittlerweile gibt es ein breites Bekenntnis zum demokratischen System. Laut einer Umfrage des Instituts der Deutschen Wirtschaft haben sich 47 Prozent der deutschen Unternehmen gegen die AfD positioniert, betriebsintern sogar 55 Prozent. Da scheint es eine deutliche Lernkurve zu geben. 

Sie fordern von Unternehmen schon seit Jahren, politischer zu werden. Wie bewerten Sie das aktuelle Engagement?
Es ist ermutigend. Sehr spannend fand ich beispielsweise, dass Christoph Werner, Chef der Drogeriekette dm, Mitarbeitern die Stunden anrechnen will, die sie als Wahlhelfer aktiv werden. Das ist eine deutliche Anerkennung dafür, dass Demokratie und eine offene Gesellschaft erfolgreiches Wirtschaften befördern. Aber diese oder ähnliche Aktivitäten können nur ein erster Schritt sein. Wofür ich mich interessiere, ist, wenn Unternehmen systematisch ihre gesellschaftspolitische Marke entwickeln.

Sie nennen das Corporate Political Responsibility, kurz: CPR. Was meinen Sie damit?  
Das eine ist, eine Haltung zu haben. Aber diese Haltung muss operationalisiert werden. Unternehmen sollten sich systematisch fragen: Was sind unsere Stärken und welche Ressourcen haben wir, die wir zum Wohle der Demokratie einsetzen können? Das ist auch ein betriebswirtschaftliches Thema. Bislang lassen Unternehmen das brach liegen. 

Politik soll zum Business Case werden?  
Ja, denn wenn Unternehmen die Demokratie stärken, investieren sie in die Bedingungen ihres Geschäftserfolgs. Ohne Rechtsstaat keine Planungssicherheit, ohne Toleranz keine internationalen Fachkräfte. Sie können sich auf neue Art und Weise mit ihren Stakeholdern verbinden – auch mit der Politik. Unterschätzt ist zudem das Recruiting. Führungskräfte der Zukunft müssen politisch denken können. Nehmen wir etwa die Frage, wie Unternehmen ihre Lieferketten gestalten – das ist ein geopolitisches Thema. Wenn man keine Ahnung davon hat, was andere Kulturen und politische Systeme auszeichnet, hat man ein Problem.

Sich als Unternehmer zur Demokratie zu bekennen, klingt nicht besonders kontrovers. Warum fällt es vielen trotzdem schwer, öffentlich Stellung zu beziehen?
Die Hürden sind vielfältig. Viele sind aufgrund ihrer Sozialisation und Ausbildung gar nicht in der Lage, in die politische Auseinandersetzung zu gehen. Dann gibt es mittlerweile einige, die mit der AfD sympathisieren, auch wenn sie es leise tun. Andere wiederum verstehen die Politik nicht. Sie nehmen die aktuellen gesellschaftspolitischen Entwicklungen nicht als relevant für ihr Kerngeschäft wahr. Außerdem setzen sie politisches Engagement häufig mit Parteipolitik gleich. Darum geht es mir aber nicht. Wenn drei Leute eine Kita gründen, ist das auch ein politischer Vorgang, der zeigt: Bürger erkennen ihre Mitverantwortung für das Gemeinwesen und wissen, dass sie nicht alles an den Staat delegieren können.

Stattdessen erschöpft sich politische Einmischung bislang darin, über die Bürokratie zu klagen?
Zumindest sehr oft. Ich glaube allerdings, dass die Demokratie viel resistenter wird, wenn alle Unternehmen systematisch ihre gesellschaftspolitische Marke entwickeln und diese dann mit Leben füllen – durch konkrete Aktivitäten und Formate. Nur: Man sollte es rechtzeitig machen. Wenn die AfD bei den Wahlen in Ostdeutschland im Herbst stark wird und man dann sagt, jetzt braucht es aber Demokratieschulungen, dann wirkt das wie von oben herab.

Aber wie glaubwürdig können Unternehmen bei der Frage sein? Vorstände oder Vorgesetzte werden schließlich nicht demokratisch gewählt und Strukturen sind häufig streng hierarchisch. 
Ja, Unternehmenschefs sind nicht durch demokratische Wahlen legitimiert, aber Unternehmen sind als Arbeitgeber, Steuerzahler oder Lobbyisten dennoch politische Akteure, die den öffentlichen Raum mitgestalten. Daher braucht es Personen an der Spitze, die sich konstruktiv zu den großen Linien der Politik einschalten.

Und dann werden auch Mitarbeiter ermutigt, politisch aktiv zu werden?
Das muss das Ziel sein: dass das Engagement von oben ergänzt wird durch Stimmen aus der Belegschaft. Dann werden Botschaften und Aktivitäten organisch in die Breite getragen, in Familien und Freundeskreise. Das ist das, was eine lebendige Bürgerschaft ausmachen sollte. Da stehen wir aber noch am Anfang.

Andererseits gibt es auch in der Belegschaft von Unternehmen AfD-Sympathisanten, gerade in Ostdeutschland, und Geschäftsführungen wollen lieber den Betriebsablauf wahren und keine unnötigen Diskussionen und Spannungen aufkommen lassen, oder?
Das stimmt. Aber sie kommen nicht umhin, auf gesellschaftliche und politische Ereignisse zu reagieren. Zu sagen, wir kommunizieren nicht, ist zwar auch eine Haltung – aber eine, die im Zweifel von Autoritären oder Radikalen ausgenutzt wird. Deshalb würde ich immer sagen: Habt Mut! Schützt, was 75 Jahre Grundgesetz uns ermöglicht haben! Gerade jetzt. 

Dafür braucht es Chefs, die Lust auf die interne und externe Auseinandersetzung haben. Nicht jedem und jeder liegt das.
Es hängt von den handelnden Personen ab, ganz klar. Wir haben kürzlich mit Führungskräften von Evonik ein politisches Leitbild und politische Bildungsangebote für die Mitarbeitenden entwickelt – etwa dazu, wie die soziale Marktwirtschaft und wie die EU funktionieren. Vorstandschef Christian Kullmann hat allerdings auch das nötige Selbstbewusstsein und Politikverständnis, der kann das. Anderen würde ich dazu raten, sich langsam heranzutasten. Man muss das einüben, und das ist in Ordnung. Aber wenn man damit anfängt, investiert man in den gesellschaftlichen und politischen Nährboden seines Wirtschaftens.

In den USA bekommen Unternehmen zum Teil viel Widerstand, wenn sie sich politisch äußern oder ESG-Aspekte öffentlich betonen. Sehen Sie diese Gefahr auch bei uns?
In den USA sehen einige die Wettbewerbsfähigkeit in Gefahr und fürchten die sogenannte “Woke Culture”. Manche dieser Kulturkampfthemen schwappen mit einer gewissen Zeitverzögerung zu uns herüber. Allerdings haben wir in unserem Mehrparteiensystem noch eine vergleichsweise vernunftgeleitete und zivilisierte öffentliche Debatte, zumindest unter den Entscheidern. Auch die vielfältigere und ausgewogenere Medienlandschaft stimmt mich optimistisch für die Zukunft. Mit Blick auf die ESG-Kriterien glaube ich, dass das “G” perspektivisch, ganz in der Logik von CPR, eine größere Bedeutung erlangen wird. Aktuell wird Governance im Sinne guter Unternehmensführung nur nach innen gedacht, künftig werden die Unternehmensbeiträge für die öffentliche Governance stärker ins Gewicht fallen.

Wenn Unternehmen, die sich aktuell in eine der verschiedenen Initiativen einbringen, ihr Engagement verstetigen wollen – wie sollten sie vorgehen?
Momentan gehen viele den zweiten Schritt vor dem ersten. Die Teilnahme an Demos, Anzeigenkampagnen und andere Aktivitäten sind löblich, aber die meisten Unternehmen haben sich vorab kein politisches Leitbild gegeben oder sich gefragt, welche Stärken und Ressourcen ihre Firma spezifisch einbringen kann. Ein durch Experten unterstütztes Political Branding ermöglicht demgegenüber Maßnahmen, die zum Unternehmen passen und langfristig durchgeführt werden können – und so zu einer glaubwürdigen Reputation und Profilbildung beitragen.

Johannes Bohnen ist Gründer und Geschäftsführer der Beratung Bohnen Public Affairs in Berlin und unter anderem auf Corporate Political Responsibility (CPR) spezialisiert. Zuvor war er unter anderem als Geschäftsführer von Scholz & Friends sowie in der Politik als Redenschreiber und Pressesprecher tätig.

  • ESG-Kriterien
  • Geopolitik
  • Politische Bildung
  • Transformation
  • Unternehmensverantwortung
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Green Deal: Was die EU zur sozialen Taxonomie plant

Europäische Kommission in Brüssel: Kampf gegen Widerstände beim Thema soziale Taxonomie.

Um ihre Klima- und Umweltziele zu erreichen, benötigt die EU in diesem Jahrzehnt laut Zahlen der EU-Kommission mehr als 450 Milliarden Euro. Um Investitionen in die relevanten Sektoren zu fördern, hat die EU in der endenden Legislaturperiode zahlreiche Instrumente angeschoben.

So sind die drei Rechtsinstrumente des EU-Rahmens für ein nachhaltiges Finanzwesen in dieser Legislaturperiode verabschiedet worden und in Kraft getreten:

  • die EU-Taxonomie (seit Januar 2022 in Kraft): Finanzmarktteilnehmer sowie alle Unternehmen, die der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) unterliegen, müssen über Umsatz, Kapital und Betriebsausgaben aus aufgeführten Wirtschaftsaktivitäten berichten.
  • die Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen (CSRD, seit Januar 2023 in Kraft): Große sowie börsennotierte Unternehmen müssen auf der Grundlage formeller Standards Informationen über die Nachhaltigkeit ihres Wirtschaftens berichten. Die Berichte werden von externen Dienstleistern geprüft.
  • die Verordnung über nachhaltigkeitsbezogene Offenlegungspflichten im Finanzdienstleistungssektor (SFDR, seit 2021 in Kraft): Finanzmarktteilnehmer, die Anlageprodukte anbieten, sowie Finanzberater müssen auf Unternehmens- und Produktebene offenlegen, wie sie Nachhaltigkeitsrisiken und wesentliche negative Auswirkungen in ihre Anlageentscheidungen einbeziehen.

Daneben gibt es weitere Vorhaben, das Finanzwesen zu regulieren und Mittel in nachhaltige Kanäle zu leiten: zum Beispiel ESG-Ratings, für die ab Ende 2025 strengere Vorschriften gelten. Eine entsprechende Verordnung haben Mitgliedstaaten und EU-Parlament in den vergangenen Monaten verabschiedet. Anbieter von ESG-Ratings stehen künftig unter der Aufsicht der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) und müssen Transparenzanforderungen erfüllen. Dazu gehört zum Beispiel, separate Bewertungen für die Kategorien Umwelt, Soziales und Governance zu veröffentlichen, statt ein aggregiertes Rating für alle.

Nutzerfreundlichkeit der EU-Taxonomie soll verbessert werden

Wie also geht es nach der Europawahl weiter? In der grünen Taxonomie geht es derzeit vor allem um die Anwendbarkeit und um Übergangspläne. Die EU-Plattform für nachhaltiges Finanzwesen, die die Kommission berät, arbeitet derzeit an der Nutzerfreundlichkeit der Taxonomie, an weiteren technischen Bewertungskriterien für Wirtschaftsaktivitäten und an einem Monitoring für die Kapitalflüsse. Ihr Mandat dauert noch bis Ende 2024.

Unternehmen kritisieren, dass bisher zu wenig Wirtschaftsaktivitäten (weniger als 50 Prozent) von der Taxonomie abgedeckt sind. Die delegierten Rechtsakte, die die Aktivitäten entsprechend einordnen, werden von der Kommission weiter ergänzt.

Ein großes Fragezeichen steht weiterhin hinter der sozialen Taxonomie. Die EU-Kommission hatte als Gegenstück zur grünen Taxonomie ein Klassifizierungssystem für soziale Wirtschaftsaktivitäten angekündigt, um Investitionen auch in soziale Infrastruktur wie Krankenhäuser, Kindergärten, Schulen und Wohnungen zu lenken. Eine Unterarbeitsgruppe im ersten Mandat der Sustainable Finance-Plattform stellte bereits im Februar 2022 einen Bericht mit Empfehlungen für eine soziale Taxonomie vor.

Die Kommission hatte sich verpflichtet, bis Ende der Legislaturperiode einen eigenen Bericht vorzulegen. Das wird sie nun nicht mehr tun. Zu groß war wohl der Gegenwind, den die grüne Taxonomie erfuhr. “Zum jetzigen Zeitpunkt ist noch keine Entscheidung über die Sozialtaxonomie getroffen worden”, sagt eine Sprecherin. In den zuständigen Generaldirektionen FISMA und EMPL gebe es unterschiedliche Positionen, hört man von Insidern.

“Ein sanfterer Einstieg wäre besser gewesen”

Laut Antje Schneeweiß, Berichterstatterin der Unterarbeitsgruppe, könnte es zunächst eine freiwillige Option zur Berichterstattung im sozialen Bereich geben. “Das wäre das beste Ergebnis, zu dem man in den nächsten zwei bis drei Jahren kommen könnte”, sagt sie. Die Umwelttaxonomie habe zu vielen Abwehrreaktionen geführt, der Bürokratieabbau sei in aller Munde. “Ein sanfterer Einstieg wäre vermutlich besser gewesen”, erklärt sie rückblickend. “Eine freiwillige Taxonomie, sozusagen eine Probephase, in der man noch Verbesserungen vornehmen könnte, wäre aus meiner Sicht ein vernünftiges Vorgehen.” Dazu brauche es allerdings eine Vorlage für die Berichterstattung, die der Gesetzgeber in einem Multistakeholder-Prozess ausarbeitet – zurzeit würden sich alle etwas “zusammenbasteln”.

Auch der Bundesverband Öffentlicher Banken (VÖB) hält einen freiwilligen Rahmen für sinnvoll: “Es hat sich gezeigt, dass die bestehende Umwelttaxonomie eine Vielzahl praktischer Probleme mit sich bringt und hohe Aufwände verursacht”, sagte ein Sprecher des Verbands zu Table.Briefings. “Vor diesem Hintergrund wäre eine analoge soziale Taxonomie nicht wünschenswert.” Vielmehr brauche es für die notwendigen sozialen Investitionen “einen verlässlichen, freiwilligen Rahmen, der Anreize biete, ohne aufwändige Prüfungen oder Berichtspflichten aufzubürden.”

Ohne eine gezielte Förderung von Investitionen in soziale Infrastruktur könnte sich laut dem VÖB auch der gesellschaftliche Rückhalt für eine ambitionierte Nachhaltigkeitsagenda weiter abschwächen; der Investitionsstau könnte sich weiter vergrößern. “Der Übergang hin zu einer klimaneutralen Wirtschaft und Gesellschaft kann nur gelingen, wenn die Breite der Gesellschaft mitgenommen und Investitionen in soziale Infrastruktur (…) in ausreichendem Maße getätigt werden.”

Kommission will Offenlegungspflichten überprüfen

Eine Möglichkeit, soziale Aspekte stärker im nachhaltigen Finanzwesen einzubringen, gebe es laut Schneeweiß auch in der Überarbeitung der Sustainable Finance Disclosure Regulation (SFDR). Hier würden die Aspekte Umwelt und Soziales gleichwertig behandelt. Seit Ende 2023 überprüft die EU-Kommission die SFDR; Anfang Mai hat sie die Ergebnisse der öffentlichen Konsultation präsentiert und wertet diese nun aus. Es geht laut der Kommission darum, die Rechtssicherheit, Anwendbarkeit und die Fähigkeit, Greenwashing zu bekämpfen, zu prüfen.

“Der SFDR-Review kann eine Chance für eine klarere und dabei einfachere, in sich schlüssige Regulierung sein”, erklärt Stefanie Heun vom Bundesverband deutscher Banken (BDB). In der Praxis gebe es unter anderem Probleme mit unzureichenden Definitionen und dem Umgang mit den 64 so genannten Principal Adverse Impact-Indikatoren (PAI). Diese müssten in ihrer Anzahl reduziert und gleichzeitig aussagekräftiger werden. Mit den Indikatoren sollen die negativen Auswirkungen eines Unternehmens oder eines Investments auf die Umwelt und die Gesellschaft erfasst werden.

Insgesamt fordern die Bankenverbände nach der Verabschiedung der vielen Gesetze einen Fokus auf Anwendbarkeit und Harmonisierung. Banken und Unternehmen seien nun mit hohem Umsetzungs- und Erfüllungsaufwand konfrontiert.

  • CSRD
  • EMPL
  • ESG-Rating
  • EU
  • Green Deal
  • Greenwashing
  • Sustainable Finance
  • Transformation
Translation missing.

Termine

1. und 2. Juni 2024, Bochum
Jubiläum GLS Jubiläumsfestival mit Nachhaltigkeitsmesse (Veranstalter: GLS Bank ) Info & Anmeldung

2. Juni 2024, 17:30-19:30 Uhr, Lübeck
Vortrag VW steht für Verkehrswende (Veranstalter: Rosa-Luxemburg-Stiftung ) Info & Anmeldung

3. Juni 2024, 18-19:15 Uhr, Online
Vortrag Sozial-ökologische Transformation demokratisch gestalten – Ein Blick in unterschiedliche Milieus (Veranstalter: BUND) Info & Anmeldung

3.-7. Juni 2024, jeweils 10-11 Uhr, Online
Webinar-Reihe ESG – Dekarbonisierung von Immobilie und Bau (Veranstalter: GvW) Info & Anmeldung

4. Juni 2024, 10:00 Uhr, Görlitz
Seminar Klima? – das können wir gemeinsam! (Lausitzer Revier) (Veranstalter: Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie Sachsen) Info & Anmeldung

4. Juni 2024, 18-19:30 Uhr, Online
Webinar Crashkurs Rohstoffwende in Hamburg – Von der Mine über den Hafen bis hin zur ressourcenleichten Mobilität (Veranstalter: Heinrich-Böll-Stiftung, FIAN) Info & Anmeldung

4. Juni 2024, 18:15-19:45 Uhr, Bonn
Vortrag Energiewende auf dem Meer? Herausforderungen, Pläne und Visionen für die Nordsee (Veranstalter: Friedrich-Naumann-Stiftung) Info & Anmeldung

5. Juni 2024, 14-17:30 Uhr, Berlin
Fachkonferenz Industrielle Resilienz und klimaneutrale Transformation (Veranstalter: Bündnis Zukunft der Industrie) Info & Anmeldung

5. Juni 2024, 18 Uhr, Online
Vortrag Europa 2030: Aufbruch in eine neue Epoche (Veranstalter: Hanns-Seidel-Stiftung )

News

Diversity: Unternehmen setzen Vielfalt nur zögerlich um

Die in den Top-Indizes Deutschlands, Österreichs und der Schweiz gelisteten Konzerne betrachten Vielfalt im Unternehmen fast ausnahmslos als Bereicherung und haben deren Förderung in ihren Unternehmenswerten verankert. Das zeigt die Studie “Diversity – Reporting zur Vielfalt”. Die Unternehmensberatung Kirchhoff Consult und die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft BDO haben dafür die Geschäfts- und Nachhaltigkeitsberichte von 80 Unternehmen aus DAX 40, ATX und SMI analysiert.

Defizite beim Berichtswesen und der Umsetzung

Doch während 97,5 Prozent der Unternehmen Diversity als Teil der Unternehmenskultur betrachten und 82,5 Prozent Vielfalt, Chancengleichheit oder Fairness im Rahmen ihrer Wesentlichkeitsanalyse als wichtige Themen identifiziert haben, hapert es laut Studie bei der Umsetzung.

So sind Frauen in Aufsichtsräten (35 Prozent) und Vorständen (23,9 Prozent) nach wie vor unterrepräsentiert. Auch legen nur 28,8 Prozent der Unternehmen geschlechtsspezifische Gehaltslücken in ihren Berichten offen. Maßnahmen zu deren Beseitigung werden lediglich in 7,6 Prozent der untersuchten Unternehmen ergriffen.

“Diskriminierung ist ein großer Wertevernichter”

“Diversität ist ein potenzieller Gewinn und Diskriminierung ein großer Wertevernichter in Unternehmen”, betont Jela Bölts, Beraterin für ESG und Sustainability bei Kirchhoff Consult und Co-Autorin der Studie. “Um die Potenziale einer vielfältigen Belegschaft zu heben und Diskriminierung wirksam zu verhindern, braucht es beides: Eine Übersicht über die konkreten Umstände bezogen auf Diversitätsaspekte im Unternehmen und daraus abgeleitete Ziele und Maßnahmen”, so Bölts.

Gerade beim Umgang mit Diskriminierung stellt die Studie noch erhebliche Defizite fest. Weniger als die Hälfte der Unternehmen (47,5 Prozent) haben Diskriminierung als eigene Kategorie in ihr Berichtswesen integriert. Insgesamt wurden im Berichtsjahr 1.060 Diskriminierungsfälle gemeldet. Nur 29 von 80 Unternehmen (36,3 Prozent) gaben an, darauf mit konkreten Maßnahmen reagiert zu haben. ch

  • Arbeit
  • Arbeitnehmerrechte
  • Diversität
  • Unternehmen

Sustainable Finance: Neue Industriestrategie geplant

Eine im Mai gestartete Initiative will eine übergreifende “industriepolitische Finanzierungsstrategie für Deutschland” entwickeln. Unter dem Namen “Made in Germany 2030” soll das Ziel sein, Handlungsempfehlungen für “den Ausbau widerstandsfähiger und dekarbonisierter Wertschöpfungsketten” zu erarbeiten. Das gaben die Stiftung Mercator, die das Projekt fördert, und der WWF als Partnerorganisation jetzt bekannt. Geleitet wird das Vorhaben von Kristina Jeromin und Martin Kopp. Sie war zuvor bei der Deutschen Börse und Geschäftsführerin des Green Sustainable Finance Cluster Germany, er leitet den Bereich Sustainable Finance beim WWF Deutschland.

Die Initiative sucht über den Sommer hinweg den Dialog mit einzelnen Industrien und plant öffentliche Veranstaltungen, bei denen sie Akteure aus Politik, Finanzwirtschaft, Industrie und Wissenschaft zusammenbringen will. Ein erster Entwurf der Strategie soll im September vorliegen, das finale Papier dann Anfang 2025.

Geld in die richtigen Kanäle lenken

Laut Jeromin fehlen Deutschland Zielbilder und konkrete Fahrpläne für einzelne Sektoren. Zu Table.Briefings sagte sie: “Wir wollen keinen moralischen Blick auf die Transformation werfen, sondern zu einer Versachlichung der emotional geführten Debatte beitragen.” Als Beispiel nennt sie das Verbrenner-Aus. “Die Frage, ob es sinnvoll ist, das wieder rückgängig zu machen, wollen wir strikt anhand von ökonomischen Kennziffern beantworten.” Zugleich gehe es darum, mehr Geld in die richtigen Kanäle zu lenken. “Der Großteil der Transformation muss von der Privatwirtschaft finanziert werden, und das kann sie auch.”

Für die Arbeit sucht “Made in Germany 2030” noch die Unterstützung von weiteren Partnern, vorzugsweise von Kollektivakteuren, die eine Industrie, Branche oder Community vertreten und innerhalb dieser bereits Studien oder Positionen zur Transformation erarbeitet haben. Interessierte können sich bei der Stiftung Mercator oder dem WWF melden. maw

  • Industrie
  • Industriepolitik
  • Sustainable Finance

Grundstoffindustrien: Warum der CO₂-Preis allein grüne Chemie nicht konkurrenzfähig macht

Trotz steigender Kosten für CO₂-Emissionszertifikate bleibt eine emissionsarme Herstellung von organisch-chemischen Grundchemikalien auch über 2045 hinaus “erheblich teurer als mit konventionellen Verfahren”. Dies geht aus einer Studie des Büros für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag (TAB) hervor. Die Bepreisung von CO₂ gilt als das wichtigste Dekarbonisierungsinstrument in der Europäischen Union.

Die chemischen Grundstoffe für beispielsweise Kunststoffe, Waschmittel und Lacke bleiben in den berechneten CO₂-armen Varianten um 26 bis 50 Prozent teurer als die fossilen Konkurrenzprodukte. Wesentliche Preistreiber seien dabei die Kosten von grünen Rohstoffen, insbesondere von CO₂-frei hergestelltem Wasserstoff. Im Jahr 2020 verursachte die Produktion der organisch-chemischen Grundchemikalien etwa 4,5 Prozent der industriellen CO₂-Emissionen Deutschlands.

Um die Preise für grüne Grundchemie nicht dauerhaft mittels staatlicher Subventionen “drücken zu müssen”, so die Autoren der Studie, “sind zusätzliche Instrumente, wie etwa die Etablierung grüner Märkte, erforderlich.” Insbesondere eine auf Umweltfreundlichkeit ausgerichtete öffentliche Beschaffung könne eine konstante Nachfrage erzeugen und Vorbildcharakter entfalten. Weitere Anreiz- und Verbotsinstrumente zur Dekarbonisierung der Chemieindustrie diskutiert die Studie hingegen nicht.

Grüner Zement und Stahl werden schneller konkurrenzfähig

Bei den ebenfalls untersuchten Grundstoffen Zement und Stahl konstatiert die Studie hingegen eine frühere Kostenparität zwischen konventionellen und CO₂-armen Produkten. Bei Zement könne dieser Punkt bereits 2030, bei Stahl 2035 erreicht werden. 2020 emittierten diese beiden Branchen knapp 38 Prozent der industriellen CO₂-Emissionen in Deutschland.

Karsten Neuhoff, Leiter der Abteilung Klimapolitik am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW), kommentierte, dass solche Kostenparität nur erreicht werde, sofern die Ausgabe kostenloser CO₂-Verschmutzungszertifikate tatsächlich beendet werde. Unabhängig davon sei es wichtig, den kostenintensiven Technologiewechsel zu unterstützen. Hierzu böte sich ein “Klimabeitrag auf Grundstoffe” an, den Endverbraucher bezahlen würden.

Die Studie gibt die notwendigen Mehrinvestitionen zur Dekarbonisierung der drei Branchen, die zu periodisch anstehenden Modernisierungskosten hinzukommen, mit knapp 15 Milliarden Euro an. Allerdings errechnete der Verein Deutscher Zementwerke kürzlich Investitionskosten von 14 Milliarden Euro für ein CO₂-Leitungsnetz, durch das die im Zementbereich schwer vermeidbaren CO₂-Emissionen in unterirdische Lagerstätten verfrachtet werden könnten. av

  • Chemieindustrie
  • Öffentliche Beschaffung
  • Transformation

Deutscher Nachhaltigkeitspreis: Bewerbungsfrist für neuen Produktpreis läuft

Der Deutsche Nachhaltigkeitspreis (DNP) wird in diesem Jahr erstmals nicht nur für die Transformationsleistung ganzer Unternehmen verliehen, sondern auch für einzelne Produkte, Dienstleistungen und Systeme, “die Antworten auf die zentralen Herausforderungen unserer Zeit geben”. Das teilten die Organisatoren mit. Bewerbungsschluss ist der 4. Juli.

Neuer Produktpreis in zentralen Transformationsbereichen

Mit dem Produktpreis als zweiter Hauptkategorie folgt der DNP dem Vorschlag vieler Partner, Teilnehmer und Jurymitglieder. Ziel sei es, die besten Beispiele für zirkuläres Design und Lösungen hervorzuheben, die in besonderer Weise eine nachhaltige Transformation vorantreiben. Die fünf Kategorien des Produktpreises entsprechen den Bereichen, in denen die Transformation am wichtigsten ist:

  • Klima: Reduktion der CO₂-Emissionen und Förderung erneuerbarer Energien.
  • Natur: Schutz und Regeneration natürlicher Lebensräume.
  • Ressourcen: Optimierung der Ressourcennutzung und Reduktion des Verbrauchs endlicher Rohstoffe.
  • Gesellschaft: Verbesserung der Lebensqualität in sozialer und ökologischer Hinsicht.
  • Wertschöpfungsketten: Förderung fairer und gesunder Arbeitsbedingungen und Unterstützung der Chancengerechtigkeit.

“Leuchtturm-Produkten mehr Sichtbarkeit geben”

“Die nachhaltige Gestaltung des gesamten Produktlebenszyklus treibt die Transformation voran und schafft die Voraussetzungen für langfristigen wirtschaftlichen Erfolg”, sagt der Initiator des DNP, Stefan Schulze-Hausmann. “Wir wollen diese Entwicklung fördern, indem wir nachhaltigen Leuchtturm-Produkten mehr Sichtbarkeit geben.”

Alle Unternehmen, die Produkte und Dienstleistungen in Deutschland anbieten, können sich mit bis zu drei Produkten über die Plattform des DNP-Partners score4more bewerben. Die Preisverleihung findet voraussichtlich im Rahmen des 17. Deutschen Nachhaltigkeitstages am 28. und 29. November 2024 in Düsseldorf statt. ch

  • Nachhaltigkeit
  • Unternehmensverantwortung

Green Deal: Diese Gesetze hat der Rat beschlossen

Mehrere Gesetze zur Industrie- und Klimapolitik haben die Mitgliedstaaten am Dienstag abschließend angenommen. Mit dem Net-Zero Industry Act (NZIA) will die EU die Produktionskapazitäten hochfahren, um ab 2030 40 Prozent der benötigten Technologien für die Dekarbonisierung aus heimischer Produktion zu decken. Das Ziel ist allerdings freiwillig. Dazu werden zum Beispiel Genehmigungsverfahren vereinfacht.

Der NZIA setzt außerdem ein Ziel für die geologische Speicherung von Kohlendioxid (CCS). Ab 2030 will die EU 50 Millionen Tonnen des Treibhausgases unterirdisch deponieren.

Methanausstoß im Energiesektor soll sinken

Zur Reduktion von Methan im Energiesektor wurde eine weitere Verordnung beschlossen. Sie beschränkt das Abfackeln und Ablassen des Treibhausgases bei der Förderung von fossilen Brennstoffen. Für 2030 muss die Kommission Höchstwerte für die Methanintensität bei der Förderung von Kohle, Öl und Gas vorlegen. Halten Produzenten oder Importeure die Grenzwerte nicht ein, müssen sie mit Strafen rechnen.

Die Methanverordnung ist für die EU eine zentrale Maßnahme, um den Global Methane Pledge zu erfüllen. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatte die Initiative vor drei Jahren zusammen mit US-Präsident Joe Biden bei der COP26 in Glasgow vorgestellt. Die Unterzeichner wollen den weltweiten Methanausstoß bis 2030 um 30 Prozent gegenüber 2020 senken.

Ökodesign-Verordnung verbietet Vernichten unverkaufter Textilien

Auch der Ökodesign-Verordnung haben die Mitgliedstaaten am Montag endgültig zugestimmt. Damit wurde das Gesetz angenommen und es kann, nachdem die Präsidentin des EU-Parlaments und der Präsident des Rates unterzeichnet haben, im Amtsblatt der EU veröffentlicht werden. 20 Tage später tritt es in Kraft. Die neuen Regeln gelten 24 Monate nach Inkrafttreten, also ab Sommer 2026.

Der Ökodesign-Verordnung legt Anforderungen an nachhaltigere Produkte fest und verbietet das Vernichten unverkaufter Textilien und Schuhe. Sie ersetzt die bestehende Ökodesign-Richtlinie und weitet ihren Geltungsbereich über Energieprodukte hinaus auf beinahe alle Produkte aus, die in der EU in Verkehr gebracht werden. Die spezifischen Ökodesign-Anforderungen für einzelne Produktgruppen wird die Kommission in delegierten Rechtsakten festlegen. Mit den ersten Rechtsakten ist laut Bundeswirtschaftsministerium Ende 2025 zu rechnen. Die Industrie hat dann jeweils 18 Monate Zeit, um diese zu erfüllen.

CSDDD kann in Kraft treten

Bereits am vergangenen Freitag hatte der Rat dem EU-Lieferkettengesetz endgültig zugestimmt. 20 Tage nach Veröffentlichung im Amtsblatt tritt auch dieses Gesetz damit in Kraft. Dann haben die Mitgliedstaaten zwei Jahre Zeit, um die neuen Vorschriften in nationales Recht umzusetzen. In Deutschland soll hierfür das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) angepasst werden. Als erste Gruppe wird die Richtlinie drei Jahre nach Inkrafttreten, also 2027, für Unternehmen mit mehr als 5.000 Beschäftigten und einem Umsatz von 1.500 Millionen Euro gelten. ber/leo/rtr

  • CCS
  • Erdgas
  • Erdöl
  • Global Methane Pledge
  • Kohle
  • Methan
  • Methan-Verordnung
  • Net Zero Industry Act
  • Ökodesign

Mobilität: Wie das Rad die Verkehrsemissionen senken könnte

Das Potenzial des Radverkehrs, zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen beizutragen, wird bislang deutlich unterschätzt. Würde der Anteil am Verkehr von 13 auf 45 Prozent erhöht werden, könnten der CO₂-Ausstoß im Nahverkehr bis 2035 um 34 Prozent sinken. Bei Beibehaltung der aktuellen Verkehrspolitik hingegen würde sich dieser Anteil lediglich von 13 auf 15 Prozent erhöhen. Das zeigt eine Studie des Fraunhofer-Instituts für System- und Innovationsforschung (Fraunhofer ISI), die der Fahrradclub Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club e.V. (ADFC) in Auftrag gegeben hat.

Die Forschenden haben ein eigenes Leitbild mit drei Ausbaustufen entworfen, wie Deutschland sich als Fahrradland etablieren könnte. Dieses sieht folgende Maßnahmen vor:

  • Verbesserung der Radinfrastruktur: Verdreifachung der Zahl der Radwege – vom Autoverkehr getrennt und geschützt, in dichten, lückenlosen Netzen
  • Gute Schnittstelle zu Bus und Bahn: Bahnhöfe und Haltestellen werden besser angebunden, besonders im ländlichen Raum, sodass sie per Fahrrad erreichbar sind
  • Fahrradfreundliche Kommunen: Städte und Gemeinden schaffen kurze Wege durch verbesserte Nahversorgung, Tempo 30 als Regelgeschwindigkeit und Umgestaltung von Parkraum

Fahrrad als “Goldstandard für die alltägliche Mobilität”

Das Potenzial des Radverkehrs könne der Studie zufolge nur ausgeschöpft werden, wenn diese politischen Maßnahmen auch umgesetzt würden. “Wenn es Deutschland mit den Klimazielen und hoher Lebensqualität ernst meint, muss das Fahrrad der neue Goldstandard für die alltägliche Mobilität sein”, sagt ADFC-Bundesvorsitzender Frank Masurat. Bis 2035 könne Deutschland damit ein “weltweit führendes ‘Fahrradland-Plus’” werden. 

Vor allem in Regiopolen wie Karlsruhe oder Göttingen gebe es der Studie zufolge noch viel Potenzial. Dort könnten mehr als 60 Prozent der Wege mit dem Rad zurückgelegt werden. Insgesamt könnten durch die Verlagerung auf das Fahrrad 19 Millionen Tonnen CO₂ pro Jahr eingespart werden – was einem Drittel der Emissionen im Personennahverkehr entspricht. Zum Vergleich: 2023 hat der Verkehrssektor laut Umweltbundesamt 148 Millionen Tonnen an Emissionen verursacht. ag

  • Mobilität
  • Verkehrswende

Versicherungsbilanz: So haben Unwetterschäden 2023 zugenommen

Durch Sturm, Hagel und Starkregen sind im vergangenen Jahr versicherte Schäden in Höhe von 5,7 Milliarden Euro entstanden. “Das sind 1,7 Milliarden Euro mehr als im Jahr 2022”, teilte der Hauptgeschäftsführer des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV), Jörg Asmussen, am Montag in Berlin mit. Grund dafür seien “vor allem schwere und teure Hagelschäden an Kraftfahrzeugen” – auch, weil Ersatzteile und Reparaturen teurer geworden sind. Der bisherige registrierte Rekord lag dem Verband zufolge mit 13,9 Milliarden Euro im Jahr 2021, dem Jahr des Hochwassers im Ahrtal.

2023 seien die meisten versicherten Schäden in Bayern entstanden – mehr als zwei Milliarden Euro wurden dort registriert. Hessen kam in der Statistik auf Platz zwei mit 890 Millionen Euro. Nicht in die Statistik eingeflossen sind die Schäden durch die Unwetter im Saarland zu Pfingsten 2024. Der GDV schätzt die versicherten Schäden auf rund 200 Millionen Euro.

Anpassung an Klimaschäden statt Pflichtversicherung

Als Reaktion auf die Naturgewalten kam zuletzt aus der Politik erneut die Forderung nach Einführung einer Pflichtversicherung für Elementarschäden auf. Darüber wollen die Ministerpräsidenten der Länder im nächsten Monat mit Kanzler Olaf Scholz (SPD) sprechen. Dazu sagte Asmussen: “Eine Pflichtversicherung als alleiniges Mittel hilft niemandem – weder Hausbesitzern noch Ländern und Kommunen.”

Der Fokus beim Schutz vor Naturgefahren müsse auf Klimafolgen-Anpassung liegen, forderte der Hauptgeschäftsführer. “Wir benötigen eine Verankerung der Anpassung an den Klimawandel im Bauordnungsrecht, weniger Flächenversiegelungen und Bauverbote in Überschwemmungsgebieten.” dpa/lb

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  • Klima & Umwelt
  • Klimaschäden
  • Unwetter
  • Versicherungen

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Donald J. Trump hat seine Verachtung für Elektrofahrzeuge deutlich zum Ausdruck gebracht. Er behauptete, Elektroautos würden nicht funktionieren, und versprach, die Förderung für die Herstellung und den Verkauf von Elektroautos einzustellen. Außerdem will er “100 Prozent Zoll” auf Elektroautos aus Mexiko erheben. Coral Davenport und Jack Ewing haben mit Analysten gesprochen. Sie sagen, der Markt habe inzwischen ein Niveau erreicht, auf dem er auch ohne staatliche Hilfe weiterwachsen würde. Zum Artikel  

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Audi ist eine Partnerschaft mit dem chinesischen Staatskonzern SAIC eingegangen. Die Autohersteller wollen eine E-Plattform für intelligente Elektroautos speziell für China entwickeln, berichtet Henrik Bork. Zum Artikel 

How 3M discovered, then concealed, the dangers of forever chemicals – The New Yorker 
PFAS, sogenannte Ewigkeitschemikalien, sind so schädlich, dass mehrere EU-Länder sie verbieten lassen wollen. Noch aber werden sie von der Industrie vielfach eingesetzt – so wie beim Unternehmen 3M, das schon vor mehr als 20 Jahren von den Umweltfolgen wusste, die Erkenntnisse aber für sich behielt. Ein Longread von Sharon Lerner. Zum Artikel 

Microsoft lässt CO₂ endlagern – Klimareporter 
Mit dem Kauf von CO₂-Zertifikaten unterstützt der US-Softwaremulti die Pläne des dänischen Energiekonzerns Ørsted, “negative Emissionen” zu erzeugen. Dabei wird die Verbrennung von Biomasse mit CCS gekoppelt, weiß Joachim Wille. Zum Artikel 

Soziale Nachhaltigkeit: Versicherer erhalten gutes Zeugnis im Sozialen – FAZ 
Auf dem Weg zu einer ökologisch-sozialen Transformation der Wirtschaft werden derzeit alle Geschäftsmodelle auf den Prüfstand gestellt. Können sie den Stempel “nachhaltig” tragen? Wie weit muss der Umbau gehen? Die Versicherungswirtschaft hat durch ihre Aufgaben der Risikoabsicherung und Schadensvermeidung ein gewisses Potenzial, eine Art Freifahrtschein ausgestellt zu bekommen, meint Philipp Krohn. Zum Artikel 

Vier Tage reichen, oder? – Spiegel 
Die einen wollen die Arbeitszeit erhöhen, weil Fachkräfte fehlen. Die anderen plädieren für das Gegenteil, weil zu viel Arbeit krank mache. Ein Autorenteam hat Modellprojekte mit Vier-Tage-Woche recherchiert. Fazit: Weniger Arbeitszeit bedeutet nicht immer weniger Arbeit. Zum Artikel 

Standpunkt

“Regulatory Sandboxes” im NZIA – eine Chance für Climate Tech Start-ups?

Von Simon Bail
Simon Bail ist Gründer und Geschäftsführer des Climate-Action-Start-ups “OneClimate”.

Die Europäische Union hat sich mit dem Green Deal ambitionierte Klimaziele gesetzt, um bis 2050 klimaneutral zu werden. Ein wesentlicher Baustein zur Erreichung dieser Ziele soll der Net-Zero Industry Act (NZIA) sein, der auf die Förderung neuer Technologien und deren Anwendung in der Wirtschaft abzielt, um CO₂-Emissionen zu verhindern, zu verringern oder zu speichern. So könne das Potenzial des Binnenmarktes genutzt werden, um Europas Führungsrolle im Bereich grüner Industrietechnologien weiter zu stärken.

Aber: Wir dürfen den NZIA noch nicht als Erfolg feiern, denn der Teufel liegt im Detail bzw. der Umsetzung. Wir dürfen auch nicht vergessen, dass der NZIA nur ein Teil der Lösung ist und wir weitere gesellschaftliche und regulatorische Ansätze bedürfen, um uns der Klimakrise zu stellen.

Aufgabe der Mitgliedstaaten wird ein Instrument sein, das immer dann zum Einsatz kommt, wenn Ausnahmen einer Regulierung im Sinne der Sache ermöglicht werden sollen: “Regulatory Sandboxes”. Diese Testumgebungen sollen es Unternehmen ermöglichen, neue Technologien und Geschäftsmodelle unter erleichterten Bedingungen zu entwickeln und zu erproben – explizit auch Start-ups.

Technologien in der Praxis in kontrolliertem Rahmen testen

Für Climate Tech-Start-ups bieten die Regulatory Sandboxes die Möglichkeit, ihre innovativen Lösungen im Sinne des NZIA weiterzuentwickeln. Die Sandboxes ermöglichen es, in einem kontrollierten Rahmen zu testen, wie neue Technologien in der Praxis funktionieren und welche Anpassungen nötig sind, um sie breitenwirksam einsetzen zu können. Dies reduziert das Risiko für Investoren und Unternehmen und fördert gleichzeitig die Entwicklung zukunftsweisender Technologien. Anders ausgedrückt: Start-ups können so ihre Technologien schneller zur Marktreife bringen.

Zumindest in der Theorie. Aufgrund der Dringlichkeit, klimafreundliche Technologien zum Einsatz zu bringen, wirkt der mit dem NZIA auf den Weg gebrachte Förder-Apparat recht träge. Vermutlich vergehen noch ein bis zwei Jahre, ehe die Mitgliedstaaten die nötigen Strukturen für die Umsetzung entwickelt haben. Denn – so heißt es – die EU-Länder sollen administrative, kommunikative und finanzielle Hilfe zur Nutzung der Sandboxes durch KMU und Start-ups auf die Beine stellen. Das dauert.

Gleichzeitig besteht die Herausforderung, eine Balance zwischen Innovation und Regulierung zu finden. Die Testumgebungen müssen so gestaltet sein, dass sie genug Freiheit für Experimente bieten, gleichzeitig aber auch sicherstellen, dass keine negativen Auswirkungen auf die Umwelt oder die Gesellschaft entstehen. Zumal auch Nuklear-Technologien zu den geförderten zählen.

Sandboxes als Chance für Corporate Venturing

Die EU und die Mitgliedstaaten sollten daher sicherstellen, dass ausreichend Mittel für die Unterstützung von Projekten innerhalb der Sandboxes bereitgestellt werden. Dies könnte durch spezielle Förderprogramme, Steuererleichterungen oder Public-Private-Partnerships erreicht werden. Gestaltungsspielraum sieht der NZIA jedenfalls vor.

Ein Knackpunkt der Sandboxes wird sein, die Zusammenarbeit zwischen Start-ups und etablierten Unternehmen (und staatlichen Institutionen) so zu gestalten, dass Synergien genutzt und neue Lösungen schnell umgesetzt werden können. Dieser Moment, wo die eigentliche Magie passieren soll, ist schwierig zu kreieren.

Meine Idee: Regulatory Sandboxes sollten als Chance für Corporate Venturing verstanden und speziell gefördert werden. Start-ups würden dann direkt in der Wirk- und Einflusssphäre der Unternehmen entstehen, die der NZIA adressiert. Eine direkte Verzahnung von Old und New Economy würde sich für etablierte Unternehmen doppelt auszahlen: Sie erreichen dank neuer Methoden und Technologien die Klimaziele im Kerngeschäft schneller und erweitern ihr Portfolio um lukrative Geschäftsmodelle. Für Gründer:innen bietet die Nähe zu Corporate Know-how und Support einen Vorteil gegenüber der Entwicklung neuer Lösungen im gänzlich Freien.

Climate Tech-Start-ups spielen eine zentrale Rolle für den Erfolg des Net-Zero Industry Acts und damit auch des Green Deals. Ihre Innovationskraft und Agilität sind entscheidend, um die technologischen Durchbrüche zu erzielen, die notwendig sind, um die ambitionierten Klimaziele zu erreichen. Durch die Unterstützung und Förderung dieser (Corporate) Start-ups können die Mitgliedstaaten der EU nicht nur ihre Klimaziele erreichen, sondern auch ihre Position als globaler Innovationsführer im Bereich der grünen Technologien stärken.

Simon Bail ist Gründer und Geschäftsführer des Climate-Action-Start-ups “OneClimate“.

  • Industriepolitik
  • KMU
  • Net Zero Industry Act
  • Start-ups

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Climate.Table – Kurt Vandenberghe: “Neue Klimaschutzmaßnahmen kommen 2026”: Der gesetzliche Rahmen für das EU-Klimaziel 2030 ist nicht geeignet, um auch das Ziel für 2040 zu erreichen. Kurt Vandenberghe, Generaldirektor für Klimapolitik der EU-Kommission, erklärt im Interview, mit welchen Instrumenten man die Ziele am kostengünstigsten erreichen kann. Zum Artikel

Agrifood.Table – Handelsbeschränkungen: Warum die Mondelez-Strafe nur der Anfang sein könnte: Weil der Konzern gegen EU-Wettbewerbsregeln verstieß, hat die EU-Kommission eine Millionenstrafe gegen Mondelez verhängt. Der einzige Lebensmittelhersteller, dem Behinderungen des grenzüberschreitenden Handels vorgeworfen werden, ist Mondelez aber nicht. Handelsverbände und einige EU-Mitgliedsstaaten fordern deshalb ein politisches Vorgehen über Einzelfälle hinaus. Zum Artikel

Agrifood.Table – GAP nach 2027: Welche fünf Knackpunkte vor der nächsten Reform debattiert werden: Die nächste Reform der GAP ist agrarpolitisch eine der wichtigsten Aufgaben, die nach der Europawahl auf die EU-Institutionen zukommen. Fünf Kernthemen der Reformdebatte zeichnen sich bereits ab. Zum Artikel

ESG.Table Redaktion

ESG.TABLE REDAKTION

Licenses:
    Liebe Leserin, lieber Leser,

    das Schweigen hat ein Ende. Angesichts der bevorstehenden Wahlen melden sich immer mehr Unternehmer zu Wort, warnen öffentlich vor einem Rechtsruck und betonen den Wert unserer Demokratie. Was hat sie bislang daran gehindert? Und sollten Firmen ihr politisches Engagement ausbauen und als strategisches Instrument verstehen? Das habe ich einen Experten gefragt. Wozu er rät, lesen Sie in meinem Interview.

    In einem zweiten Ausblick erklärt Leonie Düngefeld die Pläne der EU, das Finanzwesen weiter zu regulieren. Um den Green Deal umzusetzen, braucht es Geld, sehr viel Geld, und dazu soll unter anderem eine soziale Taxonomie her. Nur: Die Widerstände sind groß, die Positionen noch nicht vereinbar. Was sich Experten und Beteiligte jetzt wünschen, erfahren Sie in ihrer Analyse.

    Und: Der Deutsche Nachhaltigkeitspreis nimmt ab sofort wieder Bewerbungen an und prämiert – neben herausragend nachhaltigen Unternehmen – neuerdings auch einzelne Produkte. Die Details dazu in den News.

    Ihr
    Marc Winkelmann
    Bild von Marc  Winkelmann

    Analyse

    Unternehmen: Warum Politik ein Business Case ist

    Johannes Bohnen hat ein Buch zum Thema Corporate Political Responsibility herausgegeben.

    Herr Bohnen, in den letzten Wochen haben sich immer mehr Unternehmen in verschiedenen Initiativen öffentlich gegen einen Rechtsruck bei den kommenden Wahlen und für Vielfalt, Freiheit, Toleranz und Demokratie ausgesprochen. Gab es das in dieser Form schon mal?
    Das ist tatsächlich ein bemerkenswerter Anstieg öffentlicher Positionierungen. Vorher haben sich nur sehr wenige politisch geäußert, mittlerweile gibt es ein breites Bekenntnis zum demokratischen System. Laut einer Umfrage des Instituts der Deutschen Wirtschaft haben sich 47 Prozent der deutschen Unternehmen gegen die AfD positioniert, betriebsintern sogar 55 Prozent. Da scheint es eine deutliche Lernkurve zu geben. 

    Sie fordern von Unternehmen schon seit Jahren, politischer zu werden. Wie bewerten Sie das aktuelle Engagement?
    Es ist ermutigend. Sehr spannend fand ich beispielsweise, dass Christoph Werner, Chef der Drogeriekette dm, Mitarbeitern die Stunden anrechnen will, die sie als Wahlhelfer aktiv werden. Das ist eine deutliche Anerkennung dafür, dass Demokratie und eine offene Gesellschaft erfolgreiches Wirtschaften befördern. Aber diese oder ähnliche Aktivitäten können nur ein erster Schritt sein. Wofür ich mich interessiere, ist, wenn Unternehmen systematisch ihre gesellschaftspolitische Marke entwickeln.

    Sie nennen das Corporate Political Responsibility, kurz: CPR. Was meinen Sie damit?  
    Das eine ist, eine Haltung zu haben. Aber diese Haltung muss operationalisiert werden. Unternehmen sollten sich systematisch fragen: Was sind unsere Stärken und welche Ressourcen haben wir, die wir zum Wohle der Demokratie einsetzen können? Das ist auch ein betriebswirtschaftliches Thema. Bislang lassen Unternehmen das brach liegen. 

    Politik soll zum Business Case werden?  
    Ja, denn wenn Unternehmen die Demokratie stärken, investieren sie in die Bedingungen ihres Geschäftserfolgs. Ohne Rechtsstaat keine Planungssicherheit, ohne Toleranz keine internationalen Fachkräfte. Sie können sich auf neue Art und Weise mit ihren Stakeholdern verbinden – auch mit der Politik. Unterschätzt ist zudem das Recruiting. Führungskräfte der Zukunft müssen politisch denken können. Nehmen wir etwa die Frage, wie Unternehmen ihre Lieferketten gestalten – das ist ein geopolitisches Thema. Wenn man keine Ahnung davon hat, was andere Kulturen und politische Systeme auszeichnet, hat man ein Problem.

    Sich als Unternehmer zur Demokratie zu bekennen, klingt nicht besonders kontrovers. Warum fällt es vielen trotzdem schwer, öffentlich Stellung zu beziehen?
    Die Hürden sind vielfältig. Viele sind aufgrund ihrer Sozialisation und Ausbildung gar nicht in der Lage, in die politische Auseinandersetzung zu gehen. Dann gibt es mittlerweile einige, die mit der AfD sympathisieren, auch wenn sie es leise tun. Andere wiederum verstehen die Politik nicht. Sie nehmen die aktuellen gesellschaftspolitischen Entwicklungen nicht als relevant für ihr Kerngeschäft wahr. Außerdem setzen sie politisches Engagement häufig mit Parteipolitik gleich. Darum geht es mir aber nicht. Wenn drei Leute eine Kita gründen, ist das auch ein politischer Vorgang, der zeigt: Bürger erkennen ihre Mitverantwortung für das Gemeinwesen und wissen, dass sie nicht alles an den Staat delegieren können.

    Stattdessen erschöpft sich politische Einmischung bislang darin, über die Bürokratie zu klagen?
    Zumindest sehr oft. Ich glaube allerdings, dass die Demokratie viel resistenter wird, wenn alle Unternehmen systematisch ihre gesellschaftspolitische Marke entwickeln und diese dann mit Leben füllen – durch konkrete Aktivitäten und Formate. Nur: Man sollte es rechtzeitig machen. Wenn die AfD bei den Wahlen in Ostdeutschland im Herbst stark wird und man dann sagt, jetzt braucht es aber Demokratieschulungen, dann wirkt das wie von oben herab.

    Aber wie glaubwürdig können Unternehmen bei der Frage sein? Vorstände oder Vorgesetzte werden schließlich nicht demokratisch gewählt und Strukturen sind häufig streng hierarchisch. 
    Ja, Unternehmenschefs sind nicht durch demokratische Wahlen legitimiert, aber Unternehmen sind als Arbeitgeber, Steuerzahler oder Lobbyisten dennoch politische Akteure, die den öffentlichen Raum mitgestalten. Daher braucht es Personen an der Spitze, die sich konstruktiv zu den großen Linien der Politik einschalten.

    Und dann werden auch Mitarbeiter ermutigt, politisch aktiv zu werden?
    Das muss das Ziel sein: dass das Engagement von oben ergänzt wird durch Stimmen aus der Belegschaft. Dann werden Botschaften und Aktivitäten organisch in die Breite getragen, in Familien und Freundeskreise. Das ist das, was eine lebendige Bürgerschaft ausmachen sollte. Da stehen wir aber noch am Anfang.

    Andererseits gibt es auch in der Belegschaft von Unternehmen AfD-Sympathisanten, gerade in Ostdeutschland, und Geschäftsführungen wollen lieber den Betriebsablauf wahren und keine unnötigen Diskussionen und Spannungen aufkommen lassen, oder?
    Das stimmt. Aber sie kommen nicht umhin, auf gesellschaftliche und politische Ereignisse zu reagieren. Zu sagen, wir kommunizieren nicht, ist zwar auch eine Haltung – aber eine, die im Zweifel von Autoritären oder Radikalen ausgenutzt wird. Deshalb würde ich immer sagen: Habt Mut! Schützt, was 75 Jahre Grundgesetz uns ermöglicht haben! Gerade jetzt. 

    Dafür braucht es Chefs, die Lust auf die interne und externe Auseinandersetzung haben. Nicht jedem und jeder liegt das.
    Es hängt von den handelnden Personen ab, ganz klar. Wir haben kürzlich mit Führungskräften von Evonik ein politisches Leitbild und politische Bildungsangebote für die Mitarbeitenden entwickelt – etwa dazu, wie die soziale Marktwirtschaft und wie die EU funktionieren. Vorstandschef Christian Kullmann hat allerdings auch das nötige Selbstbewusstsein und Politikverständnis, der kann das. Anderen würde ich dazu raten, sich langsam heranzutasten. Man muss das einüben, und das ist in Ordnung. Aber wenn man damit anfängt, investiert man in den gesellschaftlichen und politischen Nährboden seines Wirtschaftens.

    In den USA bekommen Unternehmen zum Teil viel Widerstand, wenn sie sich politisch äußern oder ESG-Aspekte öffentlich betonen. Sehen Sie diese Gefahr auch bei uns?
    In den USA sehen einige die Wettbewerbsfähigkeit in Gefahr und fürchten die sogenannte “Woke Culture”. Manche dieser Kulturkampfthemen schwappen mit einer gewissen Zeitverzögerung zu uns herüber. Allerdings haben wir in unserem Mehrparteiensystem noch eine vergleichsweise vernunftgeleitete und zivilisierte öffentliche Debatte, zumindest unter den Entscheidern. Auch die vielfältigere und ausgewogenere Medienlandschaft stimmt mich optimistisch für die Zukunft. Mit Blick auf die ESG-Kriterien glaube ich, dass das “G” perspektivisch, ganz in der Logik von CPR, eine größere Bedeutung erlangen wird. Aktuell wird Governance im Sinne guter Unternehmensführung nur nach innen gedacht, künftig werden die Unternehmensbeiträge für die öffentliche Governance stärker ins Gewicht fallen.

    Wenn Unternehmen, die sich aktuell in eine der verschiedenen Initiativen einbringen, ihr Engagement verstetigen wollen – wie sollten sie vorgehen?
    Momentan gehen viele den zweiten Schritt vor dem ersten. Die Teilnahme an Demos, Anzeigenkampagnen und andere Aktivitäten sind löblich, aber die meisten Unternehmen haben sich vorab kein politisches Leitbild gegeben oder sich gefragt, welche Stärken und Ressourcen ihre Firma spezifisch einbringen kann. Ein durch Experten unterstütztes Political Branding ermöglicht demgegenüber Maßnahmen, die zum Unternehmen passen und langfristig durchgeführt werden können – und so zu einer glaubwürdigen Reputation und Profilbildung beitragen.

    Johannes Bohnen ist Gründer und Geschäftsführer der Beratung Bohnen Public Affairs in Berlin und unter anderem auf Corporate Political Responsibility (CPR) spezialisiert. Zuvor war er unter anderem als Geschäftsführer von Scholz & Friends sowie in der Politik als Redenschreiber und Pressesprecher tätig.

    • ESG-Kriterien
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    • Politische Bildung
    • Transformation
    • Unternehmensverantwortung
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    Green Deal: Was die EU zur sozialen Taxonomie plant

    Europäische Kommission in Brüssel: Kampf gegen Widerstände beim Thema soziale Taxonomie.

    Um ihre Klima- und Umweltziele zu erreichen, benötigt die EU in diesem Jahrzehnt laut Zahlen der EU-Kommission mehr als 450 Milliarden Euro. Um Investitionen in die relevanten Sektoren zu fördern, hat die EU in der endenden Legislaturperiode zahlreiche Instrumente angeschoben.

    So sind die drei Rechtsinstrumente des EU-Rahmens für ein nachhaltiges Finanzwesen in dieser Legislaturperiode verabschiedet worden und in Kraft getreten:

    • die EU-Taxonomie (seit Januar 2022 in Kraft): Finanzmarktteilnehmer sowie alle Unternehmen, die der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) unterliegen, müssen über Umsatz, Kapital und Betriebsausgaben aus aufgeführten Wirtschaftsaktivitäten berichten.
    • die Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen (CSRD, seit Januar 2023 in Kraft): Große sowie börsennotierte Unternehmen müssen auf der Grundlage formeller Standards Informationen über die Nachhaltigkeit ihres Wirtschaftens berichten. Die Berichte werden von externen Dienstleistern geprüft.
    • die Verordnung über nachhaltigkeitsbezogene Offenlegungspflichten im Finanzdienstleistungssektor (SFDR, seit 2021 in Kraft): Finanzmarktteilnehmer, die Anlageprodukte anbieten, sowie Finanzberater müssen auf Unternehmens- und Produktebene offenlegen, wie sie Nachhaltigkeitsrisiken und wesentliche negative Auswirkungen in ihre Anlageentscheidungen einbeziehen.

    Daneben gibt es weitere Vorhaben, das Finanzwesen zu regulieren und Mittel in nachhaltige Kanäle zu leiten: zum Beispiel ESG-Ratings, für die ab Ende 2025 strengere Vorschriften gelten. Eine entsprechende Verordnung haben Mitgliedstaaten und EU-Parlament in den vergangenen Monaten verabschiedet. Anbieter von ESG-Ratings stehen künftig unter der Aufsicht der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) und müssen Transparenzanforderungen erfüllen. Dazu gehört zum Beispiel, separate Bewertungen für die Kategorien Umwelt, Soziales und Governance zu veröffentlichen, statt ein aggregiertes Rating für alle.

    Nutzerfreundlichkeit der EU-Taxonomie soll verbessert werden

    Wie also geht es nach der Europawahl weiter? In der grünen Taxonomie geht es derzeit vor allem um die Anwendbarkeit und um Übergangspläne. Die EU-Plattform für nachhaltiges Finanzwesen, die die Kommission berät, arbeitet derzeit an der Nutzerfreundlichkeit der Taxonomie, an weiteren technischen Bewertungskriterien für Wirtschaftsaktivitäten und an einem Monitoring für die Kapitalflüsse. Ihr Mandat dauert noch bis Ende 2024.

    Unternehmen kritisieren, dass bisher zu wenig Wirtschaftsaktivitäten (weniger als 50 Prozent) von der Taxonomie abgedeckt sind. Die delegierten Rechtsakte, die die Aktivitäten entsprechend einordnen, werden von der Kommission weiter ergänzt.

    Ein großes Fragezeichen steht weiterhin hinter der sozialen Taxonomie. Die EU-Kommission hatte als Gegenstück zur grünen Taxonomie ein Klassifizierungssystem für soziale Wirtschaftsaktivitäten angekündigt, um Investitionen auch in soziale Infrastruktur wie Krankenhäuser, Kindergärten, Schulen und Wohnungen zu lenken. Eine Unterarbeitsgruppe im ersten Mandat der Sustainable Finance-Plattform stellte bereits im Februar 2022 einen Bericht mit Empfehlungen für eine soziale Taxonomie vor.

    Die Kommission hatte sich verpflichtet, bis Ende der Legislaturperiode einen eigenen Bericht vorzulegen. Das wird sie nun nicht mehr tun. Zu groß war wohl der Gegenwind, den die grüne Taxonomie erfuhr. “Zum jetzigen Zeitpunkt ist noch keine Entscheidung über die Sozialtaxonomie getroffen worden”, sagt eine Sprecherin. In den zuständigen Generaldirektionen FISMA und EMPL gebe es unterschiedliche Positionen, hört man von Insidern.

    “Ein sanfterer Einstieg wäre besser gewesen”

    Laut Antje Schneeweiß, Berichterstatterin der Unterarbeitsgruppe, könnte es zunächst eine freiwillige Option zur Berichterstattung im sozialen Bereich geben. “Das wäre das beste Ergebnis, zu dem man in den nächsten zwei bis drei Jahren kommen könnte”, sagt sie. Die Umwelttaxonomie habe zu vielen Abwehrreaktionen geführt, der Bürokratieabbau sei in aller Munde. “Ein sanfterer Einstieg wäre vermutlich besser gewesen”, erklärt sie rückblickend. “Eine freiwillige Taxonomie, sozusagen eine Probephase, in der man noch Verbesserungen vornehmen könnte, wäre aus meiner Sicht ein vernünftiges Vorgehen.” Dazu brauche es allerdings eine Vorlage für die Berichterstattung, die der Gesetzgeber in einem Multistakeholder-Prozess ausarbeitet – zurzeit würden sich alle etwas “zusammenbasteln”.

    Auch der Bundesverband Öffentlicher Banken (VÖB) hält einen freiwilligen Rahmen für sinnvoll: “Es hat sich gezeigt, dass die bestehende Umwelttaxonomie eine Vielzahl praktischer Probleme mit sich bringt und hohe Aufwände verursacht”, sagte ein Sprecher des Verbands zu Table.Briefings. “Vor diesem Hintergrund wäre eine analoge soziale Taxonomie nicht wünschenswert.” Vielmehr brauche es für die notwendigen sozialen Investitionen “einen verlässlichen, freiwilligen Rahmen, der Anreize biete, ohne aufwändige Prüfungen oder Berichtspflichten aufzubürden.”

    Ohne eine gezielte Förderung von Investitionen in soziale Infrastruktur könnte sich laut dem VÖB auch der gesellschaftliche Rückhalt für eine ambitionierte Nachhaltigkeitsagenda weiter abschwächen; der Investitionsstau könnte sich weiter vergrößern. “Der Übergang hin zu einer klimaneutralen Wirtschaft und Gesellschaft kann nur gelingen, wenn die Breite der Gesellschaft mitgenommen und Investitionen in soziale Infrastruktur (…) in ausreichendem Maße getätigt werden.”

    Kommission will Offenlegungspflichten überprüfen

    Eine Möglichkeit, soziale Aspekte stärker im nachhaltigen Finanzwesen einzubringen, gebe es laut Schneeweiß auch in der Überarbeitung der Sustainable Finance Disclosure Regulation (SFDR). Hier würden die Aspekte Umwelt und Soziales gleichwertig behandelt. Seit Ende 2023 überprüft die EU-Kommission die SFDR; Anfang Mai hat sie die Ergebnisse der öffentlichen Konsultation präsentiert und wertet diese nun aus. Es geht laut der Kommission darum, die Rechtssicherheit, Anwendbarkeit und die Fähigkeit, Greenwashing zu bekämpfen, zu prüfen.

    “Der SFDR-Review kann eine Chance für eine klarere und dabei einfachere, in sich schlüssige Regulierung sein”, erklärt Stefanie Heun vom Bundesverband deutscher Banken (BDB). In der Praxis gebe es unter anderem Probleme mit unzureichenden Definitionen und dem Umgang mit den 64 so genannten Principal Adverse Impact-Indikatoren (PAI). Diese müssten in ihrer Anzahl reduziert und gleichzeitig aussagekräftiger werden. Mit den Indikatoren sollen die negativen Auswirkungen eines Unternehmens oder eines Investments auf die Umwelt und die Gesellschaft erfasst werden.

    Insgesamt fordern die Bankenverbände nach der Verabschiedung der vielen Gesetze einen Fokus auf Anwendbarkeit und Harmonisierung. Banken und Unternehmen seien nun mit hohem Umsetzungs- und Erfüllungsaufwand konfrontiert.

    • CSRD
    • EMPL
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    • EU
    • Green Deal
    • Greenwashing
    • Sustainable Finance
    • Transformation
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    Termine

    1. und 2. Juni 2024, Bochum
    Jubiläum GLS Jubiläumsfestival mit Nachhaltigkeitsmesse (Veranstalter: GLS Bank ) Info & Anmeldung

    2. Juni 2024, 17:30-19:30 Uhr, Lübeck
    Vortrag VW steht für Verkehrswende (Veranstalter: Rosa-Luxemburg-Stiftung ) Info & Anmeldung

    3. Juni 2024, 18-19:15 Uhr, Online
    Vortrag Sozial-ökologische Transformation demokratisch gestalten – Ein Blick in unterschiedliche Milieus (Veranstalter: BUND) Info & Anmeldung

    3.-7. Juni 2024, jeweils 10-11 Uhr, Online
    Webinar-Reihe ESG – Dekarbonisierung von Immobilie und Bau (Veranstalter: GvW) Info & Anmeldung

    4. Juni 2024, 10:00 Uhr, Görlitz
    Seminar Klima? – das können wir gemeinsam! (Lausitzer Revier) (Veranstalter: Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie Sachsen) Info & Anmeldung

    4. Juni 2024, 18-19:30 Uhr, Online
    Webinar Crashkurs Rohstoffwende in Hamburg – Von der Mine über den Hafen bis hin zur ressourcenleichten Mobilität (Veranstalter: Heinrich-Böll-Stiftung, FIAN) Info & Anmeldung

    4. Juni 2024, 18:15-19:45 Uhr, Bonn
    Vortrag Energiewende auf dem Meer? Herausforderungen, Pläne und Visionen für die Nordsee (Veranstalter: Friedrich-Naumann-Stiftung) Info & Anmeldung

    5. Juni 2024, 14-17:30 Uhr, Berlin
    Fachkonferenz Industrielle Resilienz und klimaneutrale Transformation (Veranstalter: Bündnis Zukunft der Industrie) Info & Anmeldung

    5. Juni 2024, 18 Uhr, Online
    Vortrag Europa 2030: Aufbruch in eine neue Epoche (Veranstalter: Hanns-Seidel-Stiftung )

    News

    Diversity: Unternehmen setzen Vielfalt nur zögerlich um

    Die in den Top-Indizes Deutschlands, Österreichs und der Schweiz gelisteten Konzerne betrachten Vielfalt im Unternehmen fast ausnahmslos als Bereicherung und haben deren Förderung in ihren Unternehmenswerten verankert. Das zeigt die Studie “Diversity – Reporting zur Vielfalt”. Die Unternehmensberatung Kirchhoff Consult und die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft BDO haben dafür die Geschäfts- und Nachhaltigkeitsberichte von 80 Unternehmen aus DAX 40, ATX und SMI analysiert.

    Defizite beim Berichtswesen und der Umsetzung

    Doch während 97,5 Prozent der Unternehmen Diversity als Teil der Unternehmenskultur betrachten und 82,5 Prozent Vielfalt, Chancengleichheit oder Fairness im Rahmen ihrer Wesentlichkeitsanalyse als wichtige Themen identifiziert haben, hapert es laut Studie bei der Umsetzung.

    So sind Frauen in Aufsichtsräten (35 Prozent) und Vorständen (23,9 Prozent) nach wie vor unterrepräsentiert. Auch legen nur 28,8 Prozent der Unternehmen geschlechtsspezifische Gehaltslücken in ihren Berichten offen. Maßnahmen zu deren Beseitigung werden lediglich in 7,6 Prozent der untersuchten Unternehmen ergriffen.

    “Diskriminierung ist ein großer Wertevernichter”

    “Diversität ist ein potenzieller Gewinn und Diskriminierung ein großer Wertevernichter in Unternehmen”, betont Jela Bölts, Beraterin für ESG und Sustainability bei Kirchhoff Consult und Co-Autorin der Studie. “Um die Potenziale einer vielfältigen Belegschaft zu heben und Diskriminierung wirksam zu verhindern, braucht es beides: Eine Übersicht über die konkreten Umstände bezogen auf Diversitätsaspekte im Unternehmen und daraus abgeleitete Ziele und Maßnahmen”, so Bölts.

    Gerade beim Umgang mit Diskriminierung stellt die Studie noch erhebliche Defizite fest. Weniger als die Hälfte der Unternehmen (47,5 Prozent) haben Diskriminierung als eigene Kategorie in ihr Berichtswesen integriert. Insgesamt wurden im Berichtsjahr 1.060 Diskriminierungsfälle gemeldet. Nur 29 von 80 Unternehmen (36,3 Prozent) gaben an, darauf mit konkreten Maßnahmen reagiert zu haben. ch

    • Arbeit
    • Arbeitnehmerrechte
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    • Unternehmen

    Sustainable Finance: Neue Industriestrategie geplant

    Eine im Mai gestartete Initiative will eine übergreifende “industriepolitische Finanzierungsstrategie für Deutschland” entwickeln. Unter dem Namen “Made in Germany 2030” soll das Ziel sein, Handlungsempfehlungen für “den Ausbau widerstandsfähiger und dekarbonisierter Wertschöpfungsketten” zu erarbeiten. Das gaben die Stiftung Mercator, die das Projekt fördert, und der WWF als Partnerorganisation jetzt bekannt. Geleitet wird das Vorhaben von Kristina Jeromin und Martin Kopp. Sie war zuvor bei der Deutschen Börse und Geschäftsführerin des Green Sustainable Finance Cluster Germany, er leitet den Bereich Sustainable Finance beim WWF Deutschland.

    Die Initiative sucht über den Sommer hinweg den Dialog mit einzelnen Industrien und plant öffentliche Veranstaltungen, bei denen sie Akteure aus Politik, Finanzwirtschaft, Industrie und Wissenschaft zusammenbringen will. Ein erster Entwurf der Strategie soll im September vorliegen, das finale Papier dann Anfang 2025.

    Geld in die richtigen Kanäle lenken

    Laut Jeromin fehlen Deutschland Zielbilder und konkrete Fahrpläne für einzelne Sektoren. Zu Table.Briefings sagte sie: “Wir wollen keinen moralischen Blick auf die Transformation werfen, sondern zu einer Versachlichung der emotional geführten Debatte beitragen.” Als Beispiel nennt sie das Verbrenner-Aus. “Die Frage, ob es sinnvoll ist, das wieder rückgängig zu machen, wollen wir strikt anhand von ökonomischen Kennziffern beantworten.” Zugleich gehe es darum, mehr Geld in die richtigen Kanäle zu lenken. “Der Großteil der Transformation muss von der Privatwirtschaft finanziert werden, und das kann sie auch.”

    Für die Arbeit sucht “Made in Germany 2030” noch die Unterstützung von weiteren Partnern, vorzugsweise von Kollektivakteuren, die eine Industrie, Branche oder Community vertreten und innerhalb dieser bereits Studien oder Positionen zur Transformation erarbeitet haben. Interessierte können sich bei der Stiftung Mercator oder dem WWF melden. maw

    • Industrie
    • Industriepolitik
    • Sustainable Finance

    Grundstoffindustrien: Warum der CO₂-Preis allein grüne Chemie nicht konkurrenzfähig macht

    Trotz steigender Kosten für CO₂-Emissionszertifikate bleibt eine emissionsarme Herstellung von organisch-chemischen Grundchemikalien auch über 2045 hinaus “erheblich teurer als mit konventionellen Verfahren”. Dies geht aus einer Studie des Büros für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag (TAB) hervor. Die Bepreisung von CO₂ gilt als das wichtigste Dekarbonisierungsinstrument in der Europäischen Union.

    Die chemischen Grundstoffe für beispielsweise Kunststoffe, Waschmittel und Lacke bleiben in den berechneten CO₂-armen Varianten um 26 bis 50 Prozent teurer als die fossilen Konkurrenzprodukte. Wesentliche Preistreiber seien dabei die Kosten von grünen Rohstoffen, insbesondere von CO₂-frei hergestelltem Wasserstoff. Im Jahr 2020 verursachte die Produktion der organisch-chemischen Grundchemikalien etwa 4,5 Prozent der industriellen CO₂-Emissionen Deutschlands.

    Um die Preise für grüne Grundchemie nicht dauerhaft mittels staatlicher Subventionen “drücken zu müssen”, so die Autoren der Studie, “sind zusätzliche Instrumente, wie etwa die Etablierung grüner Märkte, erforderlich.” Insbesondere eine auf Umweltfreundlichkeit ausgerichtete öffentliche Beschaffung könne eine konstante Nachfrage erzeugen und Vorbildcharakter entfalten. Weitere Anreiz- und Verbotsinstrumente zur Dekarbonisierung der Chemieindustrie diskutiert die Studie hingegen nicht.

    Grüner Zement und Stahl werden schneller konkurrenzfähig

    Bei den ebenfalls untersuchten Grundstoffen Zement und Stahl konstatiert die Studie hingegen eine frühere Kostenparität zwischen konventionellen und CO₂-armen Produkten. Bei Zement könne dieser Punkt bereits 2030, bei Stahl 2035 erreicht werden. 2020 emittierten diese beiden Branchen knapp 38 Prozent der industriellen CO₂-Emissionen in Deutschland.

    Karsten Neuhoff, Leiter der Abteilung Klimapolitik am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW), kommentierte, dass solche Kostenparität nur erreicht werde, sofern die Ausgabe kostenloser CO₂-Verschmutzungszertifikate tatsächlich beendet werde. Unabhängig davon sei es wichtig, den kostenintensiven Technologiewechsel zu unterstützen. Hierzu böte sich ein “Klimabeitrag auf Grundstoffe” an, den Endverbraucher bezahlen würden.

    Die Studie gibt die notwendigen Mehrinvestitionen zur Dekarbonisierung der drei Branchen, die zu periodisch anstehenden Modernisierungskosten hinzukommen, mit knapp 15 Milliarden Euro an. Allerdings errechnete der Verein Deutscher Zementwerke kürzlich Investitionskosten von 14 Milliarden Euro für ein CO₂-Leitungsnetz, durch das die im Zementbereich schwer vermeidbaren CO₂-Emissionen in unterirdische Lagerstätten verfrachtet werden könnten. av

    • Chemieindustrie
    • Öffentliche Beschaffung
    • Transformation

    Deutscher Nachhaltigkeitspreis: Bewerbungsfrist für neuen Produktpreis läuft

    Der Deutsche Nachhaltigkeitspreis (DNP) wird in diesem Jahr erstmals nicht nur für die Transformationsleistung ganzer Unternehmen verliehen, sondern auch für einzelne Produkte, Dienstleistungen und Systeme, “die Antworten auf die zentralen Herausforderungen unserer Zeit geben”. Das teilten die Organisatoren mit. Bewerbungsschluss ist der 4. Juli.

    Neuer Produktpreis in zentralen Transformationsbereichen

    Mit dem Produktpreis als zweiter Hauptkategorie folgt der DNP dem Vorschlag vieler Partner, Teilnehmer und Jurymitglieder. Ziel sei es, die besten Beispiele für zirkuläres Design und Lösungen hervorzuheben, die in besonderer Weise eine nachhaltige Transformation vorantreiben. Die fünf Kategorien des Produktpreises entsprechen den Bereichen, in denen die Transformation am wichtigsten ist:

    • Klima: Reduktion der CO₂-Emissionen und Förderung erneuerbarer Energien.
    • Natur: Schutz und Regeneration natürlicher Lebensräume.
    • Ressourcen: Optimierung der Ressourcennutzung und Reduktion des Verbrauchs endlicher Rohstoffe.
    • Gesellschaft: Verbesserung der Lebensqualität in sozialer und ökologischer Hinsicht.
    • Wertschöpfungsketten: Förderung fairer und gesunder Arbeitsbedingungen und Unterstützung der Chancengerechtigkeit.

    “Leuchtturm-Produkten mehr Sichtbarkeit geben”

    “Die nachhaltige Gestaltung des gesamten Produktlebenszyklus treibt die Transformation voran und schafft die Voraussetzungen für langfristigen wirtschaftlichen Erfolg”, sagt der Initiator des DNP, Stefan Schulze-Hausmann. “Wir wollen diese Entwicklung fördern, indem wir nachhaltigen Leuchtturm-Produkten mehr Sichtbarkeit geben.”

    Alle Unternehmen, die Produkte und Dienstleistungen in Deutschland anbieten, können sich mit bis zu drei Produkten über die Plattform des DNP-Partners score4more bewerben. Die Preisverleihung findet voraussichtlich im Rahmen des 17. Deutschen Nachhaltigkeitstages am 28. und 29. November 2024 in Düsseldorf statt. ch

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    Green Deal: Diese Gesetze hat der Rat beschlossen

    Mehrere Gesetze zur Industrie- und Klimapolitik haben die Mitgliedstaaten am Dienstag abschließend angenommen. Mit dem Net-Zero Industry Act (NZIA) will die EU die Produktionskapazitäten hochfahren, um ab 2030 40 Prozent der benötigten Technologien für die Dekarbonisierung aus heimischer Produktion zu decken. Das Ziel ist allerdings freiwillig. Dazu werden zum Beispiel Genehmigungsverfahren vereinfacht.

    Der NZIA setzt außerdem ein Ziel für die geologische Speicherung von Kohlendioxid (CCS). Ab 2030 will die EU 50 Millionen Tonnen des Treibhausgases unterirdisch deponieren.

    Methanausstoß im Energiesektor soll sinken

    Zur Reduktion von Methan im Energiesektor wurde eine weitere Verordnung beschlossen. Sie beschränkt das Abfackeln und Ablassen des Treibhausgases bei der Förderung von fossilen Brennstoffen. Für 2030 muss die Kommission Höchstwerte für die Methanintensität bei der Förderung von Kohle, Öl und Gas vorlegen. Halten Produzenten oder Importeure die Grenzwerte nicht ein, müssen sie mit Strafen rechnen.

    Die Methanverordnung ist für die EU eine zentrale Maßnahme, um den Global Methane Pledge zu erfüllen. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatte die Initiative vor drei Jahren zusammen mit US-Präsident Joe Biden bei der COP26 in Glasgow vorgestellt. Die Unterzeichner wollen den weltweiten Methanausstoß bis 2030 um 30 Prozent gegenüber 2020 senken.

    Ökodesign-Verordnung verbietet Vernichten unverkaufter Textilien

    Auch der Ökodesign-Verordnung haben die Mitgliedstaaten am Montag endgültig zugestimmt. Damit wurde das Gesetz angenommen und es kann, nachdem die Präsidentin des EU-Parlaments und der Präsident des Rates unterzeichnet haben, im Amtsblatt der EU veröffentlicht werden. 20 Tage später tritt es in Kraft. Die neuen Regeln gelten 24 Monate nach Inkrafttreten, also ab Sommer 2026.

    Der Ökodesign-Verordnung legt Anforderungen an nachhaltigere Produkte fest und verbietet das Vernichten unverkaufter Textilien und Schuhe. Sie ersetzt die bestehende Ökodesign-Richtlinie und weitet ihren Geltungsbereich über Energieprodukte hinaus auf beinahe alle Produkte aus, die in der EU in Verkehr gebracht werden. Die spezifischen Ökodesign-Anforderungen für einzelne Produktgruppen wird die Kommission in delegierten Rechtsakten festlegen. Mit den ersten Rechtsakten ist laut Bundeswirtschaftsministerium Ende 2025 zu rechnen. Die Industrie hat dann jeweils 18 Monate Zeit, um diese zu erfüllen.

    CSDDD kann in Kraft treten

    Bereits am vergangenen Freitag hatte der Rat dem EU-Lieferkettengesetz endgültig zugestimmt. 20 Tage nach Veröffentlichung im Amtsblatt tritt auch dieses Gesetz damit in Kraft. Dann haben die Mitgliedstaaten zwei Jahre Zeit, um die neuen Vorschriften in nationales Recht umzusetzen. In Deutschland soll hierfür das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) angepasst werden. Als erste Gruppe wird die Richtlinie drei Jahre nach Inkrafttreten, also 2027, für Unternehmen mit mehr als 5.000 Beschäftigten und einem Umsatz von 1.500 Millionen Euro gelten. ber/leo/rtr

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    Mobilität: Wie das Rad die Verkehrsemissionen senken könnte

    Das Potenzial des Radverkehrs, zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen beizutragen, wird bislang deutlich unterschätzt. Würde der Anteil am Verkehr von 13 auf 45 Prozent erhöht werden, könnten der CO₂-Ausstoß im Nahverkehr bis 2035 um 34 Prozent sinken. Bei Beibehaltung der aktuellen Verkehrspolitik hingegen würde sich dieser Anteil lediglich von 13 auf 15 Prozent erhöhen. Das zeigt eine Studie des Fraunhofer-Instituts für System- und Innovationsforschung (Fraunhofer ISI), die der Fahrradclub Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club e.V. (ADFC) in Auftrag gegeben hat.

    Die Forschenden haben ein eigenes Leitbild mit drei Ausbaustufen entworfen, wie Deutschland sich als Fahrradland etablieren könnte. Dieses sieht folgende Maßnahmen vor:

    • Verbesserung der Radinfrastruktur: Verdreifachung der Zahl der Radwege – vom Autoverkehr getrennt und geschützt, in dichten, lückenlosen Netzen
    • Gute Schnittstelle zu Bus und Bahn: Bahnhöfe und Haltestellen werden besser angebunden, besonders im ländlichen Raum, sodass sie per Fahrrad erreichbar sind
    • Fahrradfreundliche Kommunen: Städte und Gemeinden schaffen kurze Wege durch verbesserte Nahversorgung, Tempo 30 als Regelgeschwindigkeit und Umgestaltung von Parkraum

    Fahrrad als “Goldstandard für die alltägliche Mobilität”

    Das Potenzial des Radverkehrs könne der Studie zufolge nur ausgeschöpft werden, wenn diese politischen Maßnahmen auch umgesetzt würden. “Wenn es Deutschland mit den Klimazielen und hoher Lebensqualität ernst meint, muss das Fahrrad der neue Goldstandard für die alltägliche Mobilität sein”, sagt ADFC-Bundesvorsitzender Frank Masurat. Bis 2035 könne Deutschland damit ein “weltweit führendes ‘Fahrradland-Plus’” werden. 

    Vor allem in Regiopolen wie Karlsruhe oder Göttingen gebe es der Studie zufolge noch viel Potenzial. Dort könnten mehr als 60 Prozent der Wege mit dem Rad zurückgelegt werden. Insgesamt könnten durch die Verlagerung auf das Fahrrad 19 Millionen Tonnen CO₂ pro Jahr eingespart werden – was einem Drittel der Emissionen im Personennahverkehr entspricht. Zum Vergleich: 2023 hat der Verkehrssektor laut Umweltbundesamt 148 Millionen Tonnen an Emissionen verursacht. ag

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    Versicherungsbilanz: So haben Unwetterschäden 2023 zugenommen

    Durch Sturm, Hagel und Starkregen sind im vergangenen Jahr versicherte Schäden in Höhe von 5,7 Milliarden Euro entstanden. “Das sind 1,7 Milliarden Euro mehr als im Jahr 2022”, teilte der Hauptgeschäftsführer des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV), Jörg Asmussen, am Montag in Berlin mit. Grund dafür seien “vor allem schwere und teure Hagelschäden an Kraftfahrzeugen” – auch, weil Ersatzteile und Reparaturen teurer geworden sind. Der bisherige registrierte Rekord lag dem Verband zufolge mit 13,9 Milliarden Euro im Jahr 2021, dem Jahr des Hochwassers im Ahrtal.

    2023 seien die meisten versicherten Schäden in Bayern entstanden – mehr als zwei Milliarden Euro wurden dort registriert. Hessen kam in der Statistik auf Platz zwei mit 890 Millionen Euro. Nicht in die Statistik eingeflossen sind die Schäden durch die Unwetter im Saarland zu Pfingsten 2024. Der GDV schätzt die versicherten Schäden auf rund 200 Millionen Euro.

    Anpassung an Klimaschäden statt Pflichtversicherung

    Als Reaktion auf die Naturgewalten kam zuletzt aus der Politik erneut die Forderung nach Einführung einer Pflichtversicherung für Elementarschäden auf. Darüber wollen die Ministerpräsidenten der Länder im nächsten Monat mit Kanzler Olaf Scholz (SPD) sprechen. Dazu sagte Asmussen: “Eine Pflichtversicherung als alleiniges Mittel hilft niemandem – weder Hausbesitzern noch Ländern und Kommunen.”

    Der Fokus beim Schutz vor Naturgefahren müsse auf Klimafolgen-Anpassung liegen, forderte der Hauptgeschäftsführer. “Wir benötigen eine Verankerung der Anpassung an den Klimawandel im Bauordnungsrecht, weniger Flächenversiegelungen und Bauverbote in Überschwemmungsgebieten.” dpa/lb

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    “Regulatory Sandboxes” im NZIA – eine Chance für Climate Tech Start-ups?

    Von Simon Bail
    Simon Bail ist Gründer und Geschäftsführer des Climate-Action-Start-ups “OneClimate”.

    Die Europäische Union hat sich mit dem Green Deal ambitionierte Klimaziele gesetzt, um bis 2050 klimaneutral zu werden. Ein wesentlicher Baustein zur Erreichung dieser Ziele soll der Net-Zero Industry Act (NZIA) sein, der auf die Förderung neuer Technologien und deren Anwendung in der Wirtschaft abzielt, um CO₂-Emissionen zu verhindern, zu verringern oder zu speichern. So könne das Potenzial des Binnenmarktes genutzt werden, um Europas Führungsrolle im Bereich grüner Industrietechnologien weiter zu stärken.

    Aber: Wir dürfen den NZIA noch nicht als Erfolg feiern, denn der Teufel liegt im Detail bzw. der Umsetzung. Wir dürfen auch nicht vergessen, dass der NZIA nur ein Teil der Lösung ist und wir weitere gesellschaftliche und regulatorische Ansätze bedürfen, um uns der Klimakrise zu stellen.

    Aufgabe der Mitgliedstaaten wird ein Instrument sein, das immer dann zum Einsatz kommt, wenn Ausnahmen einer Regulierung im Sinne der Sache ermöglicht werden sollen: “Regulatory Sandboxes”. Diese Testumgebungen sollen es Unternehmen ermöglichen, neue Technologien und Geschäftsmodelle unter erleichterten Bedingungen zu entwickeln und zu erproben – explizit auch Start-ups.

    Technologien in der Praxis in kontrolliertem Rahmen testen

    Für Climate Tech-Start-ups bieten die Regulatory Sandboxes die Möglichkeit, ihre innovativen Lösungen im Sinne des NZIA weiterzuentwickeln. Die Sandboxes ermöglichen es, in einem kontrollierten Rahmen zu testen, wie neue Technologien in der Praxis funktionieren und welche Anpassungen nötig sind, um sie breitenwirksam einsetzen zu können. Dies reduziert das Risiko für Investoren und Unternehmen und fördert gleichzeitig die Entwicklung zukunftsweisender Technologien. Anders ausgedrückt: Start-ups können so ihre Technologien schneller zur Marktreife bringen.

    Zumindest in der Theorie. Aufgrund der Dringlichkeit, klimafreundliche Technologien zum Einsatz zu bringen, wirkt der mit dem NZIA auf den Weg gebrachte Förder-Apparat recht träge. Vermutlich vergehen noch ein bis zwei Jahre, ehe die Mitgliedstaaten die nötigen Strukturen für die Umsetzung entwickelt haben. Denn – so heißt es – die EU-Länder sollen administrative, kommunikative und finanzielle Hilfe zur Nutzung der Sandboxes durch KMU und Start-ups auf die Beine stellen. Das dauert.

    Gleichzeitig besteht die Herausforderung, eine Balance zwischen Innovation und Regulierung zu finden. Die Testumgebungen müssen so gestaltet sein, dass sie genug Freiheit für Experimente bieten, gleichzeitig aber auch sicherstellen, dass keine negativen Auswirkungen auf die Umwelt oder die Gesellschaft entstehen. Zumal auch Nuklear-Technologien zu den geförderten zählen.

    Sandboxes als Chance für Corporate Venturing

    Die EU und die Mitgliedstaaten sollten daher sicherstellen, dass ausreichend Mittel für die Unterstützung von Projekten innerhalb der Sandboxes bereitgestellt werden. Dies könnte durch spezielle Förderprogramme, Steuererleichterungen oder Public-Private-Partnerships erreicht werden. Gestaltungsspielraum sieht der NZIA jedenfalls vor.

    Ein Knackpunkt der Sandboxes wird sein, die Zusammenarbeit zwischen Start-ups und etablierten Unternehmen (und staatlichen Institutionen) so zu gestalten, dass Synergien genutzt und neue Lösungen schnell umgesetzt werden können. Dieser Moment, wo die eigentliche Magie passieren soll, ist schwierig zu kreieren.

    Meine Idee: Regulatory Sandboxes sollten als Chance für Corporate Venturing verstanden und speziell gefördert werden. Start-ups würden dann direkt in der Wirk- und Einflusssphäre der Unternehmen entstehen, die der NZIA adressiert. Eine direkte Verzahnung von Old und New Economy würde sich für etablierte Unternehmen doppelt auszahlen: Sie erreichen dank neuer Methoden und Technologien die Klimaziele im Kerngeschäft schneller und erweitern ihr Portfolio um lukrative Geschäftsmodelle. Für Gründer:innen bietet die Nähe zu Corporate Know-how und Support einen Vorteil gegenüber der Entwicklung neuer Lösungen im gänzlich Freien.

    Climate Tech-Start-ups spielen eine zentrale Rolle für den Erfolg des Net-Zero Industry Acts und damit auch des Green Deals. Ihre Innovationskraft und Agilität sind entscheidend, um die technologischen Durchbrüche zu erzielen, die notwendig sind, um die ambitionierten Klimaziele zu erreichen. Durch die Unterstützung und Förderung dieser (Corporate) Start-ups können die Mitgliedstaaten der EU nicht nur ihre Klimaziele erreichen, sondern auch ihre Position als globaler Innovationsführer im Bereich der grünen Technologien stärken.

    Simon Bail ist Gründer und Geschäftsführer des Climate-Action-Start-ups “OneClimate“.

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