Table.Briefing: ESG

Inklusion: Viel Luft nach oben + UN-Gipfel: Viel Lärm um nichts

Liebe Leserin, lieber Leser,

fünf der globalen Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen beziehen sich spezifisch auf die Inklusion von Menschen mit Behinderung. Das SDG-Ziel Nummer 8 etwa soll menschenwürdige Arbeit für alle erreichen. Doch Unternehmen auch in Deutschland sind weit davon entfernt, ihren Verpflichtungen zur Beschäftigung von Menschen mit Behinderung nachzukommen. Leonie Düngefeld hat für unsere heutige Ausgabe ein Interview mit dem Sozialunternehmer Andreas Heinecke geführt, in dem die Gründe für dieses Versäumnis beleuchtet werden – und die Möglichkeiten, wie Firmen sich besser auf diese Arbeitnehmer einstellen können.

Auch insgesamt hängt die Weltgemeinschaft bei der Erfüllung der SDG weit hinterher. Abhilfe schaffen soll nun der UN-Zukunftspakt, der am Wochenende in New York beschlossen wurde. Marc Winkelmann hat sich mit Anna-Katharina Hornidge vom Forschungsinstitut IDOS über den Pakt unterhalten. Ein Erfolg sei das Abkommen schon, sagt Hornidge, aber nur im Kontext der derzeitigen Konflikte zwischen den Staaten. Zumal, wie so oft, verbindliche Vorschläge für eine bessere Finanzierung der SDG-Anstrengungen fehlen. Vielleicht wird darüber Anfang Oktober noch einmal konkreter gesprochen – wenn sich bei der Hamburg Sustainability Conference Regierungschefs und Konzernlenker treffen.

Im heutigen Standpunkt schließlich steuern zwei Gastautoren von INKOTA und Germanwatch Ideen bei, wie sich Gerechtigkeit im Rahmen einer globalen Kreislaufwirtschaft verwirklichen lässt. Einerseits ist ein viel geringerer Verbrauch von Rohstoffen eine gute und notwendige Sache für die Natur. Andererseits jedoch würde sich durch eine verwirklichte Kreislaufwirtschaft die globale Arbeitsteilung radikal ändern – entsprechend gelte es, diese Folgen schon jetzt zu bedenken.

Eine anregende Lektüre wünscht

Ihr
Alex Veit
Bild von Alex  Veit

Analyse

Inklusion: “Die Hürden sind immer noch sehr hoch”

Andreas Heinecke, Gründer von INNOKLUSIO, bei der Abschlussfeier des Modellprojekts.

Herr Heinecke, Sie haben kürzlich den Abschluss des Modellprojekts Innoklusio gefeiert, das vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales gefördert wurde. Worum ging es?
Das Ziel war, dass wir in Unternehmen und Organisationen, und zwar von Dax-Konzernen, multinationalen Konzernen bis hin zu Kleinstunternehmen, Inklusionskompetenz aufbauen. Inklusion ist nicht nur eine politische Forderung, sondern vor allen Dingen auch ein Bildungsthema. Mit dem Projekt wollten wir Zugänge schaffen, um das Thema Inklusion in den 13 beteiligten Unternehmen und Organisationen voranzubringen.

Wie genau haben Sie das gemacht?
Unser Ansatz war dreigliedrig: Zum einen haben wir eine Ausstellung konzipiert, um die Belegschaft der Unternehmen abzuholen. Dort ging es um Fragen wie: Wie spreche ich jemanden an, der eine Behinderung hat? Wie kann ich mich korrekt verhalten, ohne Grenzen zu überschreiten oder falsches Mitleid zu vermitteln? Außerdem haben wir ein Führungskräftetraining für die Geschäftsführungen angeboten. Und die dritte Komponente war ein Bildungsprogramm für Mitarbeitende, die das Thema in ihrem Unternehmen vorantreiben wollen, etwa Inklusions- oder Diversitätsbeauftragte. Ganz wichtig: Der Großteil dieser Angebote wurde von Menschen mit Behinderung angeleitet.

Teilgenommen haben Unternehmen wie Bayer, HHLA, die GLS Bank und die Deutsche Welle und es wurden 90 Menschen mit Behinderung neu eingestellt. Sind Sie zufrieden?
Das ist auf jeden Fall ein Erfolg. Wir haben nicht damit gerechnet, dass wir mit dem Projekt schon gleich Menschen in Arbeit bringen, weil es gar nicht im Vordergrund stand. Normalerweise dauern diese Inklusionsprozesse wesentlich länger. Bei einem Unternehmen hat das auch zu einer eklatanten Reduktion der Ausgleichsabgabe geführt.

Die Abgabe müssen Unternehmen mit mehr als 20 Angestellten als Strafe zahlen, wenn sie nicht fünf Prozent ihrer Jobs an Menschen mit Behinderung vergeben. 
Es gibt über 40.000 Unternehmen in Deutschland, die eigentlich verpflichtet wären, Menschen mit Behinderungen zu beschäftigen, aber es nicht tun. Für jeden nicht besetzten Arbeitsplatz müssen sie dann eine Ausgleichsabgabe zahlen. Meiner Kenntnis nach kommen da ungefähr 500 Millionen Euro pro Jahr zusammen. Die werden unter anderem an die Integrationsämter der Bundesländer, an Behindertenwerkstätten und Rehazentren verteilt.

Oft lautet die Begründung, es sei schwierig, diese Stellen zu vermitteln.
Das Argument halte ich für schwach. Wenn die Bereitschaft da ist, findet man auch Wege. Unternehmen haben auch eine ethische Verantwortung. Wenn ich ein Menschenrecht völlig ignoriere, nämlich die Beschäftigung und Gleichstellung von Menschen mit Behinderung, ist es richtig, dass ich dafür eine Strafe zahlen muss.

Also mangelt es eher an der Bereitschaft?
Die Hürden sind immer noch sehr hoch. Es fängt damit an, dass ein völliges Missverständnis darüber besteht, was eigentlich eine Behinderung ist. Behinderungen sind enorm vielfältig und oft unsichtbar. Dann gibt es in Unternehmen die völlige Fehleinschätzung, dass Menschen mit Behinderungen unkündbar sind. Und es wird von einer Minderleistung gesprochen, man sieht also eine geringere Belastungsfähigkeit und einen höheren Krankenstand. Ein Grund ist aber auch die Lücke zwischen dem Talentpool von Menschen mit Behinderung und dem Arbeitsmarkt. Die Bewerbungsverfahren sind nicht darauf ausgerichtet, deren Bedürfnisse einzubeziehen. Viele Unternehmen sagen außerdem, es sei zu teuer, ihr Gebäude barrierefrei zu gestalten.

Wie sollten Unternehmen vorgehen, um Menschen mit Behinderungen stärker einzubeziehen?
Erst einmal geht es um den altbekannten Top-down-Ansatz: Es braucht ein starkes Commitment der obersten Führungsebene. Dann müssen die Voraussetzungen geschaffen werden, also ein Budget und eine eindeutige Verantwortlichkeit bei der Inklusionsbeauftragten. Außerdem ist es notwendig, immer wieder aus dem eigenen Silo rauszugehen und offen zu sein, Kooperationen mit NGOs zu schaffen, die wesentlich näher dran sind an dem Thema. Und: einfach mal machen! Einfach mal jemanden einstellen, der mit seiner Behinderung offen umgeht. Dann entwickelt sich auch nach und nach eine Dynamik.

Welche Vorteile ergeben sich für ein inklusives Unternehmen?
Erst einmal geht es um Compliance: Ich erfülle als Unternehmen nicht nur die Beschäftigungspflicht, sondern auch die EU-Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung, in der ich diese Maßnahmen ausweisen muss. Ich kann Menschen mit Behinderung auch stärker als Zielgruppe adressieren. Etwa ein Drittel der Weltbevölkerung hat direkten oder indirekten Bezug zu einer Behinderung. Wenn ich deren Belange bei meinen Produkten stärker einbeziehe, etwa durch einfache Sprache, kann ich neue Kundensegmente erreichen.
Und eine andere Ebene ist die ethische: Wenn ich Menschen mit Behinderung beschäftige, erfülle ich ein Menschenrecht. Ich trage dazu bei, dass sich eine himmelschreiende Ungerechtigkeit auflöst. Das ist auch im Rahmen des Employer Brandings vorteilhaft, um gerade die jüngeren Generationen auf dem Arbeitsmarkt zu überzeugen.

Wie geht es in den Pilotunternehmen des Modellprojekts jetzt weiter?
Wir haben bei diesen Unternehmen nun einen Impuls gesetzt, und sie nehmen ihn unterschiedlich auf. Eine Firma überarbeitet jetzt komplett ihre Website. Andere haben angefangen, mit NGOs zu kooperieren und gehen ganz gezielt in den Arbeitsmarkt rein. Wir hätten uns gewünscht, dass es noch eine Vertiefungsphase gibt, aber solche Modellversuche werden nur gefördert, wenn sie innovativ sind. Für unser Bildungsprogramm gibt es aber bereits eine zweite Kohorte, und auch die Ausstellung wird von weiteren Unternehmen gebucht.

Die Vorurteile und Fehleinschätzungen, von denen Sie sprachen, herrschen ja nicht nur in Unternehmen – was muss geschehen, um diese auch in der breiteren Gesellschaft abzubauen?
Die wesentliche Ursache, warum immer noch diese Parallelwelten zwischen Menschen mit und ohne Behinderung bestehen, ist: Es fehlen Begegnungen. Es fehlt der offene Austausch, um sich über genau diese Fehlannahmen von Einstellungen und Vorurteilen austauschen zu können. Wir müssen mehr Plattformen schaffen, wo sich Menschen mit und ohne Behinderung begegnen, wo alle Fragen erlaubt sind. Dann können die Barrieren, die vorhanden sind, sukzessive auch abgearbeitet werden.

Andreas Heinecke ist Sozialunternehmer und hat als Mitgründer des Dialogue Social Enterprise in Hamburg die Ausstellung “Dialog im Dunkeln” mitentwickelt, um das Leben nicht-sehender Menschen erfahrbar zu machen. Heinecke hat eine Professur für Social Business an der European Business School inne.

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SDG: Was nach dem UN-Zukunftspakt kommen muss

António Guterres bei der Generaldebatte in New York: “Ein Spiegel der aktuellen geopolitischen Weltlage”.

Am vergangenen Sonntag haben die UN-Mitgliedsstaaten den “Pact for the Future” angenommen. Mit ihm soll die Umsetzung der Nachhaltigkeits- und Klimaziele beschleunigt, die internationale Zusammenarbeit gestärkt und die gealterte UN fit gemacht werden für das 21. Jahrhundert. Die Verhandlungen seit dem ersten Entwurf Anfang des Jahres gestalteten sich durch die aktuellen Krisen, Konflikte und Kriege allerdings schwierig – und bis zuletzt war unklar, wie die Abstimmung ausfallen würde.

Zuletzt war es eine russisch geführte Allianz, der unter anderem Nordkorea, Belarus und Nicaragua angehörten, die mit einer zusätzlichen Passage den Text in letzter Minute deutlich entkräften wollte. Generalsekretär António Guterres hatte einem Bericht zufolge gleich drei verschiedene Reden mit in die Eröffnung genommen, um im Notfall das Scheitern des Vorhabens erklären oder weitere Verhandlungen ankündigen zu können.

Ein Erfolg – den Umständen entsprechend

Anna-Katharina Hornidge, Direktorin des Forschungsinstituts und Thinktanks German Institute of Development and Sustainability (IDOS), war vor Ort in New York. Sie zieht eine gemischte Bilanz: “Guterres hatte sich anfangs ein ‘Legacy Document’ gewünscht, vergleichbar mit der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte.” Gemessen an den Verhandlungen und den inhaltlichen Kompromissen sei nun stattdessen “eher ein Spiegel der aktuellen geopolitischen Weltlage” herausgekommen. Aber: “Vor diesem Hintergrund ist der Pakt ein Erfolg.”

Dazu gehöre auch, dass die Staatengemeinschaft die Notwendigkeit benenne, die laufenden Reformprozesse bei der Welthandelsorganisation (WTO), der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) und der Generalversammlung gezielt voranzutreiben. Der Reformbedarf im UN-Sicherheitsrat werde bestätigt. Außerdem erkennt Hornidge eine “hohe Kohärenz” zu Reformen, die bei der Weltbank und dem Internationalen Währungsfonds (IWF) bereits angestoßen wurden und angegangen werden müssten.

Zudem spricht der Pakt auch davon, den großen Schwellenländern, die in der Gruppe der G20 vertreten sind, über eine alle zwei Jahre stattfindende Konferenz im Austausch mit Weltbank und dem Internationalen Währungsfonds eine gestärkte Rolle zuzumessen. Das soll den Einfluss von Staaten, die bei Finanzfragen bislang unterrepräsentiert sind, vergrößern. Andererseits: “Die Passagen zur Einführung einer globalen Besteuerung von Superreichen wurden stark abgeschwächt und fallen deutlich hinter dem zurück, was zuletzt innerhalb der G20 debattiert wurde.” Bei dem informellen Club der zwanzig wirtschaftsstärksten Länder hatte sich Brasilien vor ein paar Wochen dafür ausgesprochen, dass Milliardäre pro Jahr zwei Prozent auf ihr Vermögen zahlen sollten. So könnten Schätzungen zufolge bis zu 250 Milliarden US-Dollar für nachhaltige Ziele wie den Kampf gegen den Klimawandel und die Linderung von Armut zusammenkommen. Deutschland lehnte diesen Vorschlag ab.

Abgeschwächte Unterstützung für Entwicklungsländer

Ein anderer Aspekt bleibt in dem Pakt ebenfalls vage. UN-Generalsekretär António Guterres hatte im Vorfeld einen “Stimulus” von 500 Milliarden US-Dollar jährlich für Schwellen- und Entwicklungsländer vorgeschlagen. In dem Zukunftspakt wird der Vorschlag nun aufgegriffen – die Summe jedoch nicht. Hornidge bemängelt das und vermisst auch eine Ausführung dazu, wie diese Unterstützung finanziert werden soll. Als eine Möglichkeit nennt sie den Carbon Border Adjustment Mechanism, kurz: CBAM. Das EU-Instrument erhebt Ausgleichszahlungen beim Import von Waren mit hoher CO₂-Intensität. Damit schützt die EU einheimische Unternehmen, die in das europäische CO₂-Emissionshandelssystem einzahlen müssen. Länder des Südens befürchten durch den CBAM aber unfaire Nachteile für ihre Exportwirtschaft und nehmen ihn laut Hornidge als “grünverkleidete Form des Protektionismus” wahr. Deshalb wäre es aus ihrer Sicht angebracht, die eingenommenen Mittel wieder umzuleiten.

Der Bedarf dafür ist groß. Zahlreiche Schwellen- und Entwicklungsländer sind stark verschuldet, müssen hohe Zinsen zahlen und können die globalen Nachhaltigkeitsziele, die 2015 von den Vereinten Nationen beschlossen und bis 2030 umgesetzt sein sollen, nicht erfüllen. Nur bei 17 Prozent der Ziele ist die Weltgemeinschaft aktuell auf dem richtigen Kurs, um sie zu erreichen.

Nächste Station: Hamburg

Um das zu ändern, sollen Anfang Oktober auf der Hamburg Sustainability Conference (HSC) Wege gefunden werden, die private Wirtschaft stärker einzubinden. Nur durch öffentliche Gelder alleine ließen sich die Nachhaltigkeitsziele nicht erreichen, sagen das UN-Entwicklungsprogramm, die Michael Otto Stiftung und das Bundesministerium für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ), die zur HSC einladen.

Geplant ist, dass unter anderen Bundeskanzler Olaf Scholz, BMZ-Ministerin Svenja Schulze, mehrere Staats- und Regierungschefs, Weltbankpräsident Ajay Banga sowie Vertreterinnen und Vertreter von DHL Group, Beiersdorf, Deutsche Bank, BASF, Thyssenkrupp, Siemens Energy, Microsoft, Bayer und weiteren Unternehmen zusammenkommen.

Auf der Agenda stehen beispielsweise

  • grüner Wasserstoff,
  • nachhaltige Digitalisierung,
  • klimaneutrale Städte,
  • die Dekarbonisierung der Schifffahrt,
  • die Rolle von Gewerkschaften in der Transformation,
  • junge Entrepreneure Afrikas und Fairtrade-Handel.

Die Initiatoren sprechen von “Co-Kreation” bei der nachhaltigen Entwicklung, von gemeinschaftlich erarbeiteten Ideen. Hornidge, die als IDOS-Direktorin im Beirat der Konferenz sitzt, sagt: “Die HSC ist keine Fortsetzung des UN-Zukunftsgipfels. Aber sie ist eine Dialogplattform für viele, die gerade in New York waren oder auch nicht teilnehmen konnten und jetzt skalierbare Lösungen und deren Finanzierungen entwickeln wollen.” Erst wenn das gelänge, sei der gerade beschlossene UN-Zukunftspakt kein “leeres Dokument” mehr.

  • BMZ
  • CBAM
  • Dekarbonisierung
  • Globaler Süden
  • Grüner Wasserstoff
  • Hamburg
  • Hamburg Sustainability Conference
  • IWF
  • SDG
  • SDG Summit
  • Siemens
  • Vereinte Nationen
  • Zukunftsstrategie
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Termine

26. September 2024, 9:30 bis 16:30 Uhr, Frankfurt am Main
Konferenz Fachtagung Sustainable Finance – Was Banken müssen, die EU will und Kunden herausfordert (Veranstalter: VÖB Service) Info & Anmeldung

26. September 2024, 12:00 bis 17:30 Uhr, Berlin
Tagung Jahrestagung 2024 des Gebäudeforums klimaneutral (Veranstalter: Gebäudeforum klimaneutral) Info & Anmeldung

26. bis 27. September 2024, Hamburg
Konferenz Klimamanagementtagung 2024 (Veranstalter: Klimamanagementtagung) Info & Anmeldung

26. bis 27. September 2024, Düsseldorf
Tagung ESG-Reporting und -Steuerung 2024 – Wegweiser für nachhaltiges Wirtschaften (Veranstalter: Handelsblatt) Info & Anmeldung

27. September 2024, Online
Workshop Förderlinie Transformation (Teil II) (Veranstalter: Hans-Böckler-Stiftung) Info & Anmeldung

30. September 2024, 13:00 bis 18:00 Uhr, Online
Webinar Zertifizierte Nachhaltigkeit als Chance – der ZNU-Standard Nachhaltiger Wirtschaften 2024 (Veranstalter: ZNU – Zentrum für Nachhaltige Unternehmensführung) Info & Anmeldung

7. bis 8. Oktober 2024, Hamburg
Tagung Hamburg Sustainability Conference: A New Era for Sustainability Alliances (Veranstalter: UNDP, BMZ & Michael Otto Stiftung) Info & Anmeldung

7. bis 8. Oktober 2024, Frankfurt
Konferenz ESG-Forum: Nachhaltig denken, nachhaltig handeln, die Transformation mitgestalten (Veranstalter: Frankfurter Allgemeine Zeitung & Goethe-Universität Frankfurt) Info & Anmeldung

7. bis 8. Oktober 2024, Eschborn
Tagung Haufe ESRS Summit 2024 (Veranstalter: Haufe) Info & Anmeldung

News

Anti-Entwaldung: Weber fordert Verschiebung um mindestens ein Jahr

EVP-Fraktionschef Manfred Weber hat Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen per Brief aufgefordert, die Anwendung der Entwaldungsverordnung “um mindestens zwölf Monate” zu verschieben. Das Schreiben vom 20. September liegt Table.Briefings vor. In EVP-Kreisen hieß es, dass von der Leyen bereits “innerhalb von Tagen” einen Vorschlag dazu vorlegen wolle.

Eigentlich sollen die EUDR-Regeln für große Unternehmen am 30. Dezember in Kraft treten, für kleine Unternehmen ein halbes Jahr später. Von der Leyen hatte in der EVP-Fraktionssitzung vor einer Woche angekündigt, den Umsetzungszeitplan für das Gesetz noch einmal zu überprüfen, wie Table.Briefings zuerst berichtet hatte. Weber warnt in seinem Brief, die EU riskiere ansonsten eine Verknappung und möglicherweise starke Preiserhöhungen bei Konsumgütern wie Kaffee. Vor dem Hintergrund der nach wie vor hohen Inflationsraten könne dies “das Vertrauen der Bürger in die EU-Institutionen weiter gefährden”.

Formales Gesetzgebungsverfahren nötig

Um den beschlossenen Rechtstext zu ändern, ist ein formales Gesetzgebungsverfahren in Rat und Europaparlament nötig. Doch sofern einzig das Datum der Umsetzungsfrist geändert wird, könnte es für eine Mehrheit im Parlament reichen. Auch bei den Sozialdemokraten mehren sich die Stimmen, das Gesetz zu verschieben, da es in der kurzen Zeit bis Ende des Jahres nicht mehr umzusetzen sei. 

Laut den Vorgaben dürfen Unternehmen Einfuhren bestimmter Produkte – unter anderem Kakao, Kaffee, Palmöl, Soja und Holz – nur in der EU verkaufen, wenn die Lieferanten eine Sorgfaltserklärung eingereicht haben. Diese bestätigt, dass ein Produkt nicht von einer nach dem 31. Dezember 2020 abgeholzten Fläche stammt, und dass bei seiner Herstellung die lokale Gesetzgebung eingehalten wurde.

Neben EU-Mitgliedstaaten wie Deutschland hatten sich Verbände und mehrere Handelspartner der EU – darunter die USA, Australien und Brasilien – in den vergangenen Monaten an die EU-Kommission gewandt und um eine Verschiebung der Regeln gebeten. Am Mittwoch forderten knapp 30 Verbände aus Agrarhandel, Land- und Forstwirtschaft in einem gemeinsamen Schreiben erneut eine Verschiebung. Umweltschützer argumentieren dagegen, das Inkrafttreten sei dringlich und die Regeln keine übermäßige bürokratische Belastung. luk/tho

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Nachhaltigkeitsstrategie: CDU/CSU-Fraktion fordert Verabschiedung durch den Bundestag

Nach dem Willen der CDU/CSU-Bundestagsfraktion soll der Bundestag Änderungen an der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie (DNS) künftig mitbeschließen. Am Dienstag hat sie einen entsprechenden Antrag verabschiedet, der Table.Briefings vorliegt. Bislang werden Änderungen an der DNS allein von der Bundesregierung beschlossen. Wann der Antrag ins Plenum geht, ist unklar.

Als Grundlage für die deutschen Nachhaltigkeitsziele habe die Strategie weitreichenden Einfluss auf das Leben hierzulande. Trotzdem sei der Bundestag “bisher weitestgehend in der Rolle des Zuschauers”, so der Antrag. Die Beschlüsse des Staatssekretärsausschusses für nachhaltige Entwicklung würden den Parlamentariern “lediglich übermittelt”, die Nachhaltigkeitsprüfung von Gesetzen durch den Parlamentarischen Beirat für nachhaltige Entwicklung (PBnE) wiederum sei “überwiegend Formalität”. Aufgrund ihrer “überragenden Wichtigkeit” sollte die Strategie jedoch die Legitimation des Bundestags haben, schreibt die CDU/CSU-Fraktion.

Aufwertung von Bundestag und PBnE: Debatten dauern an

Forderungen nach einer Stärkung des Bundestags und des PBnE bei der Nachhaltigkeitsstrategie gibt es schon länger. Bei der Auftaktveranstaltung für die turnusmäßige Weiterentwicklung der Strategie im Oktober 2023 sagte Gunda Röstel, stellvertretende Vorsitzende des Rats für Nachhaltige Entwicklung, dass sie sich eine Beschlussfassung auch im Bundestag wünsche. Im Januar legte der PBnE Vorschläge für die Weiterentwicklung der eigenen Befugnisse vor – unter anderem soll der Beirat eine materielle Nachhaltigkeitsprüfung von Gesetzen vornehmen können.

Ralph Brinkhaus, Mitglied im PBnE für die CDU/CSU-Fraktion, forderte im ESG.Table vor rund zwei Wochen, dass der Bundestag “als höchstes deutsches Verfassungsorgan” zum “Taktgeber bei der Umsetzung der Nachhaltigkeitsziele” werden müsse.

In der Fraktionssitzung am Dienstag haben CDU und CSU zudem einen Antrag für eine “praxistaugliche und effektive Nationale Kreislaufwirtschaftsstrategie beschlossen. Die Strategie müsse “auf Wettbewerb, Kosten- und Ressourceneffizienz, Technologie- und Materialoffenheit und zielgerichtete Innovationen ausgerichtet” sein, heißt es im Antrag. Die Beratung im Plenum ist für Freitag angesetzt. nh

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Wärmewende: Wie viel der Netzausbau in den Kommunen kostet

Der Auf- und Ausbau klimaneutraler kommunaler Wärmenetze wird Stadtwerke und Energieversorger in den nächsten 20 Jahren 11,5 Milliarden Euro kosten. Hinzu kommen 520 Millionen Euro, die bei der öffentlichen Hand für die kommunale Wärmeplanung anfallen. Das geht aus einer Studie des Kompetenzzentrums Öffentliche Wirtschaft, Infrastruktur und Daseinsvorsorge (KOWID) der Universität Leipzig hervor, die Table.Briefings vorab vorlag. Rund 600 Kommunen und knapp 100 Stadtwerke und Energieversorger waren daran beteiligt.

Nur 14 Prozent der Haushalte haben Fernwärme

Derzeit wird nur etwa jeder siebte Haushalt in Deutschland mit Fernwärme versorgt. Gleichzeitig stammen lediglich 20 Prozent der Fernwärme aus erneuerbaren Energien. Dennoch sind die Autoren der Studie davon überzeugt, dass Wärmenetze “den Nukleus auf kommunaler Ebene” bilden, um die Wärmewende zu realisieren. “Fernwärme wird in der klimaneutralen Wärmeversorgung in Zukunft, insbesondere in urbanen Gebieten, eine zentrale Rolle spielen”, schreiben sie.

Das Anfang des Jahres in Kraft getretene Wärmeplanungsgesetz macht hier klare Vorgaben und setzt den Rahmen für eine schrittweise Dekarbonisierung und den Ausbau der Fernwärme fest. Bis 2030 sollen die Wärmenetze zur Hälfte, bis 2040 zu 80 Prozent und bis 2045 vollständig klimaneutral betrieben werden.

DStGB: Aufstockung der BEW-Mittel auf drei Milliarden Euro im Jahr

In einem Positionspapier zur Wärmewende hat der Deutsche Städte- und Gemeindebund (DStGB) kürzlich darauf hingewiesen, dass die Kommunen, Stadtwerke und kommunal geprägten Energieversorger eine finanzielle Unterstützung für die Wärmewende brauchen. Zentral sei dabei die Aufstockung der Bundesförderung Effiziente Wärmenetze auf mindestens drei Milliarden Euro jährlich.

Darüber hinaus schlägt der DStGB eine Förderung des Wärmenetzausbaus vor, die sich an den tatsächlich erreichten Anschlussdichten orientiert: Je mehr Gebäudeeigentümer sich anschließen, desto geringer sollte die Förderung ausfallen. Hilfreich wäre aus seiner Sicht auch ein KfW-Programm mit zinslosen Darlehen, die erst fällig werden, wenn die Wirtschaftlichkeit des Netzes durch zusätzliche Anschlüsse steigt. ch

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CSRD: SPD-Berichterstatter fordert “breite Auswahl an Prüfern”

Esra Limbacher ist dafür, die Prüfung und Testierung der künftigen CSRD-Nachhaltigkeitsberichte nicht nur Wirtschaftsprüfern zu überlassen. “Richtig ist, dass den betroffenen Betrieben eine breite Auswahl an Prüfern zur Verfügung stehen soll”, sagte der CSRD-Berichterstatter der SPD-Fraktion zu Table.Briefings. Dies solle in den anstehenden Verhandlungen geklärt werden. “Ich bin mir sicher, dass wir in den Gesprächen im parlamentarischen Verfahren und im Nachgang der öffentlichen Anhörung eine sehr gute Lösung finden werden.”

Nachdem das Kabinett den Gesetzentwurf Ende Juli verabschiedet hat, steht er jetzt im Bundestag auf der Agenda. Wer die Berichte abnehmen darf, gehört zu den größten offenen Streitpunkten. Im Frühjahr hatten sich zahlreiche Verbände dafür ausgesprochen, dass auch technische Sachverständige zum Zuge kommen sollten. Dies sei im Interesse des Mittelstands. Die Bundesregierung lehnte das ab.

Für Limbacher geht es zudem darum, die Bedenken von kommunalen Unternehmen und indirekt betroffenen mittelständischen Betrieben ernst zu nehmen, sagte er. “Gerade in einer wirtschaftlich angespannten Lage, wie wir sie derzeit erleben, dürfen neue europäische Regulierungen die deutsche Wirtschaft nicht noch weiter belasten.” maw

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Unternehmen: Welche ESG-Faktoren den Erfolg steigern können

Strategisches Engagement für ökologische und soziale Nachhaltigkeit kann die Leistung von Unternehmen steigern. Zu diesem Ergebnis kommt die diesjährige Trendstudie des Zentrums für Arbeitgeberattraktivität. In Zusammenarbeit mit der Universität St. Gallen wurden über 9.000 Mitarbeiter und Führungskräfte deutscher Unternehmen zu der ökologischen und sozialen Ausrichtung ihres Betriebs befragt. Als Orientierung dienten dabei ESG-Kriterien.

Knapp die Hälfte der 73 befragten Unternehmen zählt zum Mittelstand, je ein Viertel besteht aus kleinen Firmen und Großunternehmen. Besonders häufig vertreten waren Unternehmen aus den Bereichen Dienstleistungen und Produktion. Auch Unternehmen der Finanzbranche, des Einzelhandels und der Bauindustrie nahmen an der Befragung teil.

Ökologie-orientiertes Führungsklima fördert die Mitarbeiterzufriedenheit

Wie es in der Studie heißt, erhöht eine stärkere Ausrichtung auf ökologische Belange und ein vielfältiges und inklusives Arbeitsumfeld die Zufriedenheit der Mitarbeiter. Dadurch steige auch die Unternehmensleistung.

Einen besonders positiven Einfluss habe es, wenn Ökologie eine Führungsaufgabe ist und dementsprechend ein “ökologisch orientiertes Führungsklima” vorherrscht. Die Befragten in solchen Unternehmen schätzten die Leistung ihrer Firma um 21 Prozent höher ein als die Mitarbeiter anderer Firmen mit weniger ökologisch engagierten Führungsebenen. Auch die Zufriedenheit der Mitarbeiter ist um 20 Prozent höher.

Bezüglich der sozialen Faktoren spiele Diversität eine zentrale Rolle, so die Studienautorinnen. Unternehmen, die eine vielfältige und integrative Arbeitsumgebung schaffen, fördern demnach auch das Wohlbefinden und die Gesundheit der Mitarbeitenden. Die emotionale Erschöpfung der Mitarbeitenden sei in Unternehmen mit einem starken Diversitätsklima um 30 Prozent und die Altersdiskriminierung um 60 Prozent geringer.

Zu wenige Unternehmen verfolgen konkrete Nachhaltigkeitsziele

Dennoch würden zu wenige Firmen konsequent eine nachhaltige Strategie verfolgen, wie die Studienautorinnen bemängeln. Zwar verfügt ein Viertel der befragten Unternehmen über Nachhaltigkeitsrichtlinien, konkrete Nachhaltigkeitsziele verfolgt aber nur jedes zehnte der teilnehmenden Unternehmen

Die Studie identifiziert folgende Handlungsempfehlungen:

  • Nachhaltigkeit als zentralen Wert in der Unternehmensstrategie verankern
  • Nachhaltige Führung vorleben und ein gesundes Arbeitsumfeld fördern
  • Gesellschaftliches Engagement der Mitarbeiter durch entsprechende Programme unterstützen
  • Mitarbeitern und Führungskräften Kompetenzen in den Bereichen Nachhaltigkeit und Gesundheit durch Schulungen vermitteln. ag
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Planetare Grenzen: Warum sich der Green Deal negativ auf die globalen Emissionen auswirken könnte

Die geplante Reduktion von Treibhausgasen in der EU könnte zu einem massiven Anstieg der Emissionen in anderen Teilen der Welt führen. Zu diesem Schluss kommt ein internationales Wissenschaftlerteam an der Universität Groningen unter der Leitung von Klaus Hubacek. Ihre Analyse wurde gerade im Fachmagazin Nature Sustainability veröffentlicht.

CO₂-Einsparungen in der EU – Anstieg der Emissionen anderorts

In der Studie wurden die geplanten Maßnahmen des Green New Deal im Bereich der Land- und Forstwirtschaft einschließlich der damit verbundenen Lieferketten untersucht. Dabei hat sich gezeigt, dass der Green Deal in seiner jetzigen Form im Vergleich zum Einsparziel innerhalb der EU zu einem mehr als doppelt so hohen Anstieg der Emissionen in Ländern außerhalb der EU führen würde.

Als Beispiel nannte Hubacek das Pflanzen von drei Milliarden Bäumen, eine Maßnahme zur Erhöhung der Biodiversität in Europa. Da Bäume viel Land brauchen, bedeute dies, dass in Zukunft anderswo, etwa in Afrika oder Südamerika, mehr Nahrungsmittel produziert werden müssten. Dafür werde aber zusätzliches Ackerland benötigt. “Das erhöht den Kohlendioxidausstoß und verringert die Artenvielfalt”, so Hubacek.

Green Deal muss von CO₂-Einsparungen innerhalb der EU begleitet werden

Zwar verbietet die Anti-Entwaldungsverordnung der EU den Import von Produkten, für die Waldflächen in Ackerland umgewandelt wurden. Aber: “Nichts hält diese Länder davon ab, auf bestehenden landwirtschaftlichen Flächen Produkte für Europa anzubauen und Wälder zu fällen, um für den lokalen Markt zu produzieren”, so Hubacek.

Um die befürchteten negativen Auswirkungen des Green Deal zu minimieren, schlagen die Wissenschaftler drei flankierende Maßnahmen vor:

  • Eine Ernährungswende hin zu der überwiegend pflanzenbasierten Planetary Health Diet, was “enorme Mengen an Kohlenstoffemissionen” einsparen würde.
  • Den schrittweisen Ausstieg der EU aus Biokraftstoffen auf Nahrungsmittelbasis, was den Bedarf an landwirtschaftlichen Nutzflächen reduzieren würde.
  • Die Unterstützung der Entwicklungsländer bei der Effizienzsteigerung ihrer Landwirtschaft, was ebenfalls den Flächenverbrauch verringern könnte.

PIK: Sechs von neun planetaren Grenzen sind bereits überschritten

Wie der am Dienstag erstmals vorgestellte Planetary Health Check des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) zeigt, sind bereits sechs der neun planetaren Grenzen überschritten. Dies gilt sowohl für die Treibhausgaskonzentration in der Atmosphäre, die Biodiversität, als auch den Zustand der Wälder. Damit steige das Risiko, Kipppunkte zu überschreiten, so PIK-Forscherin Levke Caesar.

Das PIK will künftig jährlich einen “planetaren Gesundheitscheck” vorlegen. Dazu sollen Erdbeobachtungsdaten mit neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen und multidisziplinären Ansätzen kombiniert werden. ch

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Must reads

Entwaldungsfreie Lieferketten lassen Sägewerke verzweifeln – Frankfurter Allgemeine Zeitung 
Sägewerke stöhnen über Nachweispflichten zur Herkunft ihres Rohstoffs. Die kommende EU-Anti-Entwaldungsverordnung überfordere laut einer Umfrage des Branchenverbands die meisten Betriebe, schreibt Bernd Freytag. Dabei bezögen die Firmen 95 Prozent des Holzes aus Deutschland, den Rest aus Nachbarländern. Zum Artikel 

So soll die Zukunft der deutschen Chemieindustrie aussehen – Handelsblatt 
In Wesseling bei Köln baut der Kunststoffproduzent Lyondell-Basell die erste industrielle Großanlage für chemisches Recycling. Damit wolle das Unternehmen die Kreislaufwirtschaft für Kunststoffe voranbringen, so Bert Fröndhoff. Umweltschützer forderten jedoch, weniger Plastik zu verbrauchen. Eine positive CO₂-Bilanz sei beim chemischen Recycling nicht gesichert. Zum Artikel 

Lego will nachhaltiger werden, aber kommt nicht weg vom Plastik – Neue Zürcher Zeitung 
Das dänische Unternehmen forscht seit Jahren an Legosteinen aus recyceltem Kunststoff. Bisher ohne Erfolg, wie Malin Hunziker herausgefunden hat. Denn nachhaltiger Kunststoff, zum Beispiel aus recycelten PET-Flaschen, ist weicher als herkömmlicher Kunststoff. Um ihn in die Form harter Legosteine zu bringen, brauche es viel mehr Energie. Das würde derzeit auch den CO₂-Ausstoß erhöhen. Zum Artikel 

Die Grüne Modernisierung des Carpitalismus – Makronom 
Nina Schlosser von den Economists for Future beschreibt, wie sich CSR-Strategien von Lithium-Bergbaukonzernen auf indigene Gruppen in Chile auswirken. Vor allem Kompensationszahlungen schlössen große Gruppen aus und spalten die Gemeinden in Gewinner und Verlierer. Zum Artikel 

Ist das Wasserstoffkernnetz zu groß oder zu klein? – Klimareporter 
Aus Sicht des Beratungsunternehmens Aurora Energy Research könnte das Wasserstoffnetz mit knapp 10.000 Kilometern Länge angesichts der erwarteten kurz- bis mittelfristigen Nachfrageentwicklung überdimensioniert sein. Baden-württembergische CDU-Politiker beklagen hingegen, dass der Südwesten nicht berücksichtigt sei, wie David Zauner berichtet. Zum Artikel 

Spain calls for disaster ‘pause clauses’ for developing nation debt – Financial Times 
Die spanische Regierung schlägt die regelmäßige Aufnahme von “Pausenklauseln” in Kreditverträge mit Ländern des Globalen Südens vor. Diese Regelungen sollen die Aussetzung von Rück- und Zinszahlungen erlauben, wenn ein Land von einer Klimakatastrophe betroffen ist. So könnten Schuldenspiralen vermieden werden, analysieren Lee Harris und Joseph Cotterill. Im Sommer hat der Inselstaat Grenada nach einem Hurrikan von einer solchen Klausel Gebrauch machen können. Zum Artikel  

Standpunkt

Kreislaufwirtschaft: Die Transformation muss Effekte auf globale Gerechtigkeit berücksichtigen

Von Luisa Denter und Julius Neu
Julius Neu ist für das INKOTA-netzwerk e.V. tätig, Luisa Denter für Germanwatch e.V.

Der politisch forcierte Ausbau der Kreislaufwirtschaft in Deutschland und der EU soll Klima und Umwelt schützen, Rohstoffabhängigkeiten reduzieren und gleichzeitig Wachstumsimpulse setzen. Doch schafft das eine globale Win-Win-Situation? Die gute Nachricht: Wenn durch die Schließung von Stoffkreisläufen wirklich die Nachfrage nach Primärrohstoffen sinkt, werden nicht nur Klima und Umwelt geschützt, sondern auch Menschen, deren Lebensorte derzeit durch Rohstoffabbau mittel- oder unmittelbar bedroht sind. Doch die globalen Effekte sind komplexer und werden bislang politisch viel zu wenig berücksichtigt.

Wiederaufbereitung und Weiterverwendung sind wichtig für lokale Wertschöpfung

Erwägungen zu globaler Gerechtigkeit finden bisher im politischen Diskurs über Kreislaufwirtschaft wenig Beachtung. So heißt es beispielsweise im Entwurf der Nationalen Kreislaufwirtschaftsstrategie, dass verringerte Gebrauchtwaren- und Abfallexporte global gesehen vermutlich “kaum negative Auswirkungen nach sich ziehen” würden.

Diese Feststellung übersieht jedoch, dass bereits existierende zirkuläre Wertschöpfungsketten oftmals global aufgestellt sind. So werden Elektronikgeräte oder Autos in Ländern des Globalen Südens für lokale Märkte wieder aufbereitet oder Sekundärrohstoffe für eigene Industrien oder den Weiterverkauf extrahiert. Der Import von Stahlschrotten ist beispielsweise für Indiens Stahl- und Fertigungsindustrie von hoher Bedeutung. In westafrikanischen Ländern wie Nigeria oder Ghana entsteht durch Reparatur und Wiederaufbereitung von gebrauchten Elektronikprodukten lokale Wertschöpfung.

Natürlich sind Gebrauchtwaren- und vor allem (illegale) Abfallexporte für viele ökologische und soziale Probleme in Ländern des Globalen Südens verantwortlich. Die Bilder von den menschenunwürdigen Zuständen auf der Mülldeponie Agbogbloshie in Ghana gingen um die Welt. Doch zur Wahrheit gehört auch, dass diese Wirtschaftszweige viele Menschen beschäftigen, sowohl im formellen als auch im informellen Sektor. In Ghana sind zum Beispiel schätzungsweise mindestens 200.000 Menschen mit ihrem Einkommen vom Elektroschrott-Sektor abhängig.

Menschen des Globalen Südens müssen in die Politikgestaltung einbezogen werden

Damit der Umbau zur Kreislaufwirtschaft global gerecht erfolgt, müssen diese Menschen mitgedacht und ihre jeweiligen gewerkschaftlichen und zivilgesellschaftlichen Vertretungen sowie lokale Unternehmen in die europäische Politikgestaltung mit einbezogen werden. Dafür braucht es einen besseren Dialog zu politischen Vorhaben zwischen der EU und ihren Mitgliedstaaten und Regierungen des Globalen Südens. Im Zentrum sollten dabei auf den lokalen Kontext angepasste Ansätze stehen, die informelle Arbeiter:innen berücksichtigen und besserstellen.

Auch gilt es, Unternehmen über globale Systeme der Erweiterten Herstellerverantwortung stärker in die Pflicht zu nehmen, um Abfallströme besser zu kontrollieren und zu verarbeiten. Beispielsweise könnte ein Teil der Mittel aus Herstellerabgaben für die Stärkung von Kreislaufwirtschaft in den Ländern des Globalen Südens genutzt werden, in die viele Gebrauchtwaren exportiert werden.

Wissen zu weltweiten sozialen, ökologischen und ökonomischen Effekten ist ausbaufähig

Wie der Umbau zur Kreislaufwirtschaft global gerecht gestaltet werden kann, braucht noch deutlich mehr Forschung. Welche Veränderungen aus der Transformation sind bezüglich der globalen Verteilung von Wertschöpfungschancen zu erwarten? In welchen Ländern werden welche Arten von Jobs entstehen oder wegfallen? Wie wirkt sich die Transformation auf den globalen Zugang zu Rohstoffen aus?

Neben Forschung zu solch grundsätzlichen Fragen braucht es Spill-Over-Analysen zu deutschen und europäischen Politikvorhaben, die soziale, ökologische und ökonomische Auswirkungen auf Länder des Globalen Südens aufdecken. Europa hat sich, auch im Rahmen der Kolonialzeit, diverse Zugänge zu Primärrohstoffen verschafft und dadurch einen immensen Bestand an Materialien in Infrastruktur und Produkten angehäuft (“Anthropogenes Lager”).

Somit – und aufgrund der Zugangsmöglichkeiten zu Kapital – hat Europa vergleichsweise sehr gute Bedingungen, um den Rohstoffbedarf zukünftig vermehrt durch zirkuläre Strategien zu decken. Diese ungleichen Startbedingungen gilt es besser zu verstehen und auszugleichen – auch durch finanzielle Unterstützung, die es Ländern des Globalen Südens ermöglicht, die Kreislaufwirtschaft zugunsten der eigenen Bevölkerung zu gestalten.

Die Abfallhierarchie muss über Ländergrenzen hinweg umgesetzt werden

Auf der anderen Seite sind zirkuläre Strategien, die dazu beitragen, Produkte länger zu verwenden (etwa professionelle Wiederaufarbeitung, Reparatur), in den Ländern des Globalen Südens teils besser entwickelt und gesellschaftlich verankert als in Europa. Werden Smartphones, die aktuell in Ländern des Globalen Südens wiederverwendet werden, künftig stattdessen in Europa recycelt, verkürzt sich deren Lebensspanne und dadurch werden weniger Ressourcen geschont. Die Abfallhierarchie (Reparatur und Wiederverwendung vor Recycling) muss deshalb global umgesetzt werden.

Was bedeutet das für politische Entscheidungen über Kreislaufwirtschaft? Die Transformation sollte – mit einem verstärkten Fokus auf eine Verringerung des Rohstoffbedarfs und Wiederverwendung – unbedingt weiter vorangetrieben werden.

Die weltweiten sozialen, ökonomischen und ökologischen Effekte müssen jedoch stärker mitgedacht werden. Dazu braucht es deutlich mehr Forschung, Dialog und Maßnahmen, die Wertschöpfung und menschenwürdige Arbeits- und Lebensbedingungen im Globalen Süden besser berücksichtigen. Dies muss sowohl bundespolitisch – insbesondere in der sich aktuell in der Ressortabstimmung befindenden Nationalen Kreislaufwirtschaftsstrategie – als auch auf EU-Ebene durch die neue Kommission stärker verankert werden.

Luisa Denter ist Referentin für Ressourcenpolitik und zirkuläres Wirtschaften bei der Umwelt-, Entwicklungs- und Menschenrechtsorganisation Germanwatch e.V. Sie arbeitet dort insbesondere zu Fragen der Produktpolitik, der erweiterten Herstellerverantwortung und der gerechten Transformation.

Julius Neu ist Eine-Welt Promotor für Klima- und Ressourcengerechtigkeit bei INKOTA-netzwerk e.V. Er arbeitet dort vor allem zu Fragen des Abbaus und der Nutzung von metallischen Rohstoffen.

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ESG.Table Redaktion

ESG.TABLE REDAKTION

Licenses:
    Liebe Leserin, lieber Leser,

    fünf der globalen Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen beziehen sich spezifisch auf die Inklusion von Menschen mit Behinderung. Das SDG-Ziel Nummer 8 etwa soll menschenwürdige Arbeit für alle erreichen. Doch Unternehmen auch in Deutschland sind weit davon entfernt, ihren Verpflichtungen zur Beschäftigung von Menschen mit Behinderung nachzukommen. Leonie Düngefeld hat für unsere heutige Ausgabe ein Interview mit dem Sozialunternehmer Andreas Heinecke geführt, in dem die Gründe für dieses Versäumnis beleuchtet werden – und die Möglichkeiten, wie Firmen sich besser auf diese Arbeitnehmer einstellen können.

    Auch insgesamt hängt die Weltgemeinschaft bei der Erfüllung der SDG weit hinterher. Abhilfe schaffen soll nun der UN-Zukunftspakt, der am Wochenende in New York beschlossen wurde. Marc Winkelmann hat sich mit Anna-Katharina Hornidge vom Forschungsinstitut IDOS über den Pakt unterhalten. Ein Erfolg sei das Abkommen schon, sagt Hornidge, aber nur im Kontext der derzeitigen Konflikte zwischen den Staaten. Zumal, wie so oft, verbindliche Vorschläge für eine bessere Finanzierung der SDG-Anstrengungen fehlen. Vielleicht wird darüber Anfang Oktober noch einmal konkreter gesprochen – wenn sich bei der Hamburg Sustainability Conference Regierungschefs und Konzernlenker treffen.

    Im heutigen Standpunkt schließlich steuern zwei Gastautoren von INKOTA und Germanwatch Ideen bei, wie sich Gerechtigkeit im Rahmen einer globalen Kreislaufwirtschaft verwirklichen lässt. Einerseits ist ein viel geringerer Verbrauch von Rohstoffen eine gute und notwendige Sache für die Natur. Andererseits jedoch würde sich durch eine verwirklichte Kreislaufwirtschaft die globale Arbeitsteilung radikal ändern – entsprechend gelte es, diese Folgen schon jetzt zu bedenken.

    Eine anregende Lektüre wünscht

    Ihr
    Alex Veit
    Bild von Alex  Veit

    Analyse

    Inklusion: “Die Hürden sind immer noch sehr hoch”

    Andreas Heinecke, Gründer von INNOKLUSIO, bei der Abschlussfeier des Modellprojekts.

    Herr Heinecke, Sie haben kürzlich den Abschluss des Modellprojekts Innoklusio gefeiert, das vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales gefördert wurde. Worum ging es?
    Das Ziel war, dass wir in Unternehmen und Organisationen, und zwar von Dax-Konzernen, multinationalen Konzernen bis hin zu Kleinstunternehmen, Inklusionskompetenz aufbauen. Inklusion ist nicht nur eine politische Forderung, sondern vor allen Dingen auch ein Bildungsthema. Mit dem Projekt wollten wir Zugänge schaffen, um das Thema Inklusion in den 13 beteiligten Unternehmen und Organisationen voranzubringen.

    Wie genau haben Sie das gemacht?
    Unser Ansatz war dreigliedrig: Zum einen haben wir eine Ausstellung konzipiert, um die Belegschaft der Unternehmen abzuholen. Dort ging es um Fragen wie: Wie spreche ich jemanden an, der eine Behinderung hat? Wie kann ich mich korrekt verhalten, ohne Grenzen zu überschreiten oder falsches Mitleid zu vermitteln? Außerdem haben wir ein Führungskräftetraining für die Geschäftsführungen angeboten. Und die dritte Komponente war ein Bildungsprogramm für Mitarbeitende, die das Thema in ihrem Unternehmen vorantreiben wollen, etwa Inklusions- oder Diversitätsbeauftragte. Ganz wichtig: Der Großteil dieser Angebote wurde von Menschen mit Behinderung angeleitet.

    Teilgenommen haben Unternehmen wie Bayer, HHLA, die GLS Bank und die Deutsche Welle und es wurden 90 Menschen mit Behinderung neu eingestellt. Sind Sie zufrieden?
    Das ist auf jeden Fall ein Erfolg. Wir haben nicht damit gerechnet, dass wir mit dem Projekt schon gleich Menschen in Arbeit bringen, weil es gar nicht im Vordergrund stand. Normalerweise dauern diese Inklusionsprozesse wesentlich länger. Bei einem Unternehmen hat das auch zu einer eklatanten Reduktion der Ausgleichsabgabe geführt.

    Die Abgabe müssen Unternehmen mit mehr als 20 Angestellten als Strafe zahlen, wenn sie nicht fünf Prozent ihrer Jobs an Menschen mit Behinderung vergeben. 
    Es gibt über 40.000 Unternehmen in Deutschland, die eigentlich verpflichtet wären, Menschen mit Behinderungen zu beschäftigen, aber es nicht tun. Für jeden nicht besetzten Arbeitsplatz müssen sie dann eine Ausgleichsabgabe zahlen. Meiner Kenntnis nach kommen da ungefähr 500 Millionen Euro pro Jahr zusammen. Die werden unter anderem an die Integrationsämter der Bundesländer, an Behindertenwerkstätten und Rehazentren verteilt.

    Oft lautet die Begründung, es sei schwierig, diese Stellen zu vermitteln.
    Das Argument halte ich für schwach. Wenn die Bereitschaft da ist, findet man auch Wege. Unternehmen haben auch eine ethische Verantwortung. Wenn ich ein Menschenrecht völlig ignoriere, nämlich die Beschäftigung und Gleichstellung von Menschen mit Behinderung, ist es richtig, dass ich dafür eine Strafe zahlen muss.

    Also mangelt es eher an der Bereitschaft?
    Die Hürden sind immer noch sehr hoch. Es fängt damit an, dass ein völliges Missverständnis darüber besteht, was eigentlich eine Behinderung ist. Behinderungen sind enorm vielfältig und oft unsichtbar. Dann gibt es in Unternehmen die völlige Fehleinschätzung, dass Menschen mit Behinderungen unkündbar sind. Und es wird von einer Minderleistung gesprochen, man sieht also eine geringere Belastungsfähigkeit und einen höheren Krankenstand. Ein Grund ist aber auch die Lücke zwischen dem Talentpool von Menschen mit Behinderung und dem Arbeitsmarkt. Die Bewerbungsverfahren sind nicht darauf ausgerichtet, deren Bedürfnisse einzubeziehen. Viele Unternehmen sagen außerdem, es sei zu teuer, ihr Gebäude barrierefrei zu gestalten.

    Wie sollten Unternehmen vorgehen, um Menschen mit Behinderungen stärker einzubeziehen?
    Erst einmal geht es um den altbekannten Top-down-Ansatz: Es braucht ein starkes Commitment der obersten Führungsebene. Dann müssen die Voraussetzungen geschaffen werden, also ein Budget und eine eindeutige Verantwortlichkeit bei der Inklusionsbeauftragten. Außerdem ist es notwendig, immer wieder aus dem eigenen Silo rauszugehen und offen zu sein, Kooperationen mit NGOs zu schaffen, die wesentlich näher dran sind an dem Thema. Und: einfach mal machen! Einfach mal jemanden einstellen, der mit seiner Behinderung offen umgeht. Dann entwickelt sich auch nach und nach eine Dynamik.

    Welche Vorteile ergeben sich für ein inklusives Unternehmen?
    Erst einmal geht es um Compliance: Ich erfülle als Unternehmen nicht nur die Beschäftigungspflicht, sondern auch die EU-Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung, in der ich diese Maßnahmen ausweisen muss. Ich kann Menschen mit Behinderung auch stärker als Zielgruppe adressieren. Etwa ein Drittel der Weltbevölkerung hat direkten oder indirekten Bezug zu einer Behinderung. Wenn ich deren Belange bei meinen Produkten stärker einbeziehe, etwa durch einfache Sprache, kann ich neue Kundensegmente erreichen.
    Und eine andere Ebene ist die ethische: Wenn ich Menschen mit Behinderung beschäftige, erfülle ich ein Menschenrecht. Ich trage dazu bei, dass sich eine himmelschreiende Ungerechtigkeit auflöst. Das ist auch im Rahmen des Employer Brandings vorteilhaft, um gerade die jüngeren Generationen auf dem Arbeitsmarkt zu überzeugen.

    Wie geht es in den Pilotunternehmen des Modellprojekts jetzt weiter?
    Wir haben bei diesen Unternehmen nun einen Impuls gesetzt, und sie nehmen ihn unterschiedlich auf. Eine Firma überarbeitet jetzt komplett ihre Website. Andere haben angefangen, mit NGOs zu kooperieren und gehen ganz gezielt in den Arbeitsmarkt rein. Wir hätten uns gewünscht, dass es noch eine Vertiefungsphase gibt, aber solche Modellversuche werden nur gefördert, wenn sie innovativ sind. Für unser Bildungsprogramm gibt es aber bereits eine zweite Kohorte, und auch die Ausstellung wird von weiteren Unternehmen gebucht.

    Die Vorurteile und Fehleinschätzungen, von denen Sie sprachen, herrschen ja nicht nur in Unternehmen – was muss geschehen, um diese auch in der breiteren Gesellschaft abzubauen?
    Die wesentliche Ursache, warum immer noch diese Parallelwelten zwischen Menschen mit und ohne Behinderung bestehen, ist: Es fehlen Begegnungen. Es fehlt der offene Austausch, um sich über genau diese Fehlannahmen von Einstellungen und Vorurteilen austauschen zu können. Wir müssen mehr Plattformen schaffen, wo sich Menschen mit und ohne Behinderung begegnen, wo alle Fragen erlaubt sind. Dann können die Barrieren, die vorhanden sind, sukzessive auch abgearbeitet werden.

    Andreas Heinecke ist Sozialunternehmer und hat als Mitgründer des Dialogue Social Enterprise in Hamburg die Ausstellung “Dialog im Dunkeln” mitentwickelt, um das Leben nicht-sehender Menschen erfahrbar zu machen. Heinecke hat eine Professur für Social Business an der European Business School inne.

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    SDG: Was nach dem UN-Zukunftspakt kommen muss

    António Guterres bei der Generaldebatte in New York: “Ein Spiegel der aktuellen geopolitischen Weltlage”.

    Am vergangenen Sonntag haben die UN-Mitgliedsstaaten den “Pact for the Future” angenommen. Mit ihm soll die Umsetzung der Nachhaltigkeits- und Klimaziele beschleunigt, die internationale Zusammenarbeit gestärkt und die gealterte UN fit gemacht werden für das 21. Jahrhundert. Die Verhandlungen seit dem ersten Entwurf Anfang des Jahres gestalteten sich durch die aktuellen Krisen, Konflikte und Kriege allerdings schwierig – und bis zuletzt war unklar, wie die Abstimmung ausfallen würde.

    Zuletzt war es eine russisch geführte Allianz, der unter anderem Nordkorea, Belarus und Nicaragua angehörten, die mit einer zusätzlichen Passage den Text in letzter Minute deutlich entkräften wollte. Generalsekretär António Guterres hatte einem Bericht zufolge gleich drei verschiedene Reden mit in die Eröffnung genommen, um im Notfall das Scheitern des Vorhabens erklären oder weitere Verhandlungen ankündigen zu können.

    Ein Erfolg – den Umständen entsprechend

    Anna-Katharina Hornidge, Direktorin des Forschungsinstituts und Thinktanks German Institute of Development and Sustainability (IDOS), war vor Ort in New York. Sie zieht eine gemischte Bilanz: “Guterres hatte sich anfangs ein ‘Legacy Document’ gewünscht, vergleichbar mit der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte.” Gemessen an den Verhandlungen und den inhaltlichen Kompromissen sei nun stattdessen “eher ein Spiegel der aktuellen geopolitischen Weltlage” herausgekommen. Aber: “Vor diesem Hintergrund ist der Pakt ein Erfolg.”

    Dazu gehöre auch, dass die Staatengemeinschaft die Notwendigkeit benenne, die laufenden Reformprozesse bei der Welthandelsorganisation (WTO), der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) und der Generalversammlung gezielt voranzutreiben. Der Reformbedarf im UN-Sicherheitsrat werde bestätigt. Außerdem erkennt Hornidge eine “hohe Kohärenz” zu Reformen, die bei der Weltbank und dem Internationalen Währungsfonds (IWF) bereits angestoßen wurden und angegangen werden müssten.

    Zudem spricht der Pakt auch davon, den großen Schwellenländern, die in der Gruppe der G20 vertreten sind, über eine alle zwei Jahre stattfindende Konferenz im Austausch mit Weltbank und dem Internationalen Währungsfonds eine gestärkte Rolle zuzumessen. Das soll den Einfluss von Staaten, die bei Finanzfragen bislang unterrepräsentiert sind, vergrößern. Andererseits: “Die Passagen zur Einführung einer globalen Besteuerung von Superreichen wurden stark abgeschwächt und fallen deutlich hinter dem zurück, was zuletzt innerhalb der G20 debattiert wurde.” Bei dem informellen Club der zwanzig wirtschaftsstärksten Länder hatte sich Brasilien vor ein paar Wochen dafür ausgesprochen, dass Milliardäre pro Jahr zwei Prozent auf ihr Vermögen zahlen sollten. So könnten Schätzungen zufolge bis zu 250 Milliarden US-Dollar für nachhaltige Ziele wie den Kampf gegen den Klimawandel und die Linderung von Armut zusammenkommen. Deutschland lehnte diesen Vorschlag ab.

    Abgeschwächte Unterstützung für Entwicklungsländer

    Ein anderer Aspekt bleibt in dem Pakt ebenfalls vage. UN-Generalsekretär António Guterres hatte im Vorfeld einen “Stimulus” von 500 Milliarden US-Dollar jährlich für Schwellen- und Entwicklungsländer vorgeschlagen. In dem Zukunftspakt wird der Vorschlag nun aufgegriffen – die Summe jedoch nicht. Hornidge bemängelt das und vermisst auch eine Ausführung dazu, wie diese Unterstützung finanziert werden soll. Als eine Möglichkeit nennt sie den Carbon Border Adjustment Mechanism, kurz: CBAM. Das EU-Instrument erhebt Ausgleichszahlungen beim Import von Waren mit hoher CO₂-Intensität. Damit schützt die EU einheimische Unternehmen, die in das europäische CO₂-Emissionshandelssystem einzahlen müssen. Länder des Südens befürchten durch den CBAM aber unfaire Nachteile für ihre Exportwirtschaft und nehmen ihn laut Hornidge als “grünverkleidete Form des Protektionismus” wahr. Deshalb wäre es aus ihrer Sicht angebracht, die eingenommenen Mittel wieder umzuleiten.

    Der Bedarf dafür ist groß. Zahlreiche Schwellen- und Entwicklungsländer sind stark verschuldet, müssen hohe Zinsen zahlen und können die globalen Nachhaltigkeitsziele, die 2015 von den Vereinten Nationen beschlossen und bis 2030 umgesetzt sein sollen, nicht erfüllen. Nur bei 17 Prozent der Ziele ist die Weltgemeinschaft aktuell auf dem richtigen Kurs, um sie zu erreichen.

    Nächste Station: Hamburg

    Um das zu ändern, sollen Anfang Oktober auf der Hamburg Sustainability Conference (HSC) Wege gefunden werden, die private Wirtschaft stärker einzubinden. Nur durch öffentliche Gelder alleine ließen sich die Nachhaltigkeitsziele nicht erreichen, sagen das UN-Entwicklungsprogramm, die Michael Otto Stiftung und das Bundesministerium für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ), die zur HSC einladen.

    Geplant ist, dass unter anderen Bundeskanzler Olaf Scholz, BMZ-Ministerin Svenja Schulze, mehrere Staats- und Regierungschefs, Weltbankpräsident Ajay Banga sowie Vertreterinnen und Vertreter von DHL Group, Beiersdorf, Deutsche Bank, BASF, Thyssenkrupp, Siemens Energy, Microsoft, Bayer und weiteren Unternehmen zusammenkommen.

    Auf der Agenda stehen beispielsweise

    • grüner Wasserstoff,
    • nachhaltige Digitalisierung,
    • klimaneutrale Städte,
    • die Dekarbonisierung der Schifffahrt,
    • die Rolle von Gewerkschaften in der Transformation,
    • junge Entrepreneure Afrikas und Fairtrade-Handel.

    Die Initiatoren sprechen von “Co-Kreation” bei der nachhaltigen Entwicklung, von gemeinschaftlich erarbeiteten Ideen. Hornidge, die als IDOS-Direktorin im Beirat der Konferenz sitzt, sagt: “Die HSC ist keine Fortsetzung des UN-Zukunftsgipfels. Aber sie ist eine Dialogplattform für viele, die gerade in New York waren oder auch nicht teilnehmen konnten und jetzt skalierbare Lösungen und deren Finanzierungen entwickeln wollen.” Erst wenn das gelänge, sei der gerade beschlossene UN-Zukunftspakt kein “leeres Dokument” mehr.

    • BMZ
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    • Vereinte Nationen
    • Zukunftsstrategie
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    Termine

    26. September 2024, 9:30 bis 16:30 Uhr, Frankfurt am Main
    Konferenz Fachtagung Sustainable Finance – Was Banken müssen, die EU will und Kunden herausfordert (Veranstalter: VÖB Service) Info & Anmeldung

    26. September 2024, 12:00 bis 17:30 Uhr, Berlin
    Tagung Jahrestagung 2024 des Gebäudeforums klimaneutral (Veranstalter: Gebäudeforum klimaneutral) Info & Anmeldung

    26. bis 27. September 2024, Hamburg
    Konferenz Klimamanagementtagung 2024 (Veranstalter: Klimamanagementtagung) Info & Anmeldung

    26. bis 27. September 2024, Düsseldorf
    Tagung ESG-Reporting und -Steuerung 2024 – Wegweiser für nachhaltiges Wirtschaften (Veranstalter: Handelsblatt) Info & Anmeldung

    27. September 2024, Online
    Workshop Förderlinie Transformation (Teil II) (Veranstalter: Hans-Böckler-Stiftung) Info & Anmeldung

    30. September 2024, 13:00 bis 18:00 Uhr, Online
    Webinar Zertifizierte Nachhaltigkeit als Chance – der ZNU-Standard Nachhaltiger Wirtschaften 2024 (Veranstalter: ZNU – Zentrum für Nachhaltige Unternehmensführung) Info & Anmeldung

    7. bis 8. Oktober 2024, Hamburg
    Tagung Hamburg Sustainability Conference: A New Era for Sustainability Alliances (Veranstalter: UNDP, BMZ & Michael Otto Stiftung) Info & Anmeldung

    7. bis 8. Oktober 2024, Frankfurt
    Konferenz ESG-Forum: Nachhaltig denken, nachhaltig handeln, die Transformation mitgestalten (Veranstalter: Frankfurter Allgemeine Zeitung & Goethe-Universität Frankfurt) Info & Anmeldung

    7. bis 8. Oktober 2024, Eschborn
    Tagung Haufe ESRS Summit 2024 (Veranstalter: Haufe) Info & Anmeldung

    News

    Anti-Entwaldung: Weber fordert Verschiebung um mindestens ein Jahr

    EVP-Fraktionschef Manfred Weber hat Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen per Brief aufgefordert, die Anwendung der Entwaldungsverordnung “um mindestens zwölf Monate” zu verschieben. Das Schreiben vom 20. September liegt Table.Briefings vor. In EVP-Kreisen hieß es, dass von der Leyen bereits “innerhalb von Tagen” einen Vorschlag dazu vorlegen wolle.

    Eigentlich sollen die EUDR-Regeln für große Unternehmen am 30. Dezember in Kraft treten, für kleine Unternehmen ein halbes Jahr später. Von der Leyen hatte in der EVP-Fraktionssitzung vor einer Woche angekündigt, den Umsetzungszeitplan für das Gesetz noch einmal zu überprüfen, wie Table.Briefings zuerst berichtet hatte. Weber warnt in seinem Brief, die EU riskiere ansonsten eine Verknappung und möglicherweise starke Preiserhöhungen bei Konsumgütern wie Kaffee. Vor dem Hintergrund der nach wie vor hohen Inflationsraten könne dies “das Vertrauen der Bürger in die EU-Institutionen weiter gefährden”.

    Formales Gesetzgebungsverfahren nötig

    Um den beschlossenen Rechtstext zu ändern, ist ein formales Gesetzgebungsverfahren in Rat und Europaparlament nötig. Doch sofern einzig das Datum der Umsetzungsfrist geändert wird, könnte es für eine Mehrheit im Parlament reichen. Auch bei den Sozialdemokraten mehren sich die Stimmen, das Gesetz zu verschieben, da es in der kurzen Zeit bis Ende des Jahres nicht mehr umzusetzen sei. 

    Laut den Vorgaben dürfen Unternehmen Einfuhren bestimmter Produkte – unter anderem Kakao, Kaffee, Palmöl, Soja und Holz – nur in der EU verkaufen, wenn die Lieferanten eine Sorgfaltserklärung eingereicht haben. Diese bestätigt, dass ein Produkt nicht von einer nach dem 31. Dezember 2020 abgeholzten Fläche stammt, und dass bei seiner Herstellung die lokale Gesetzgebung eingehalten wurde.

    Neben EU-Mitgliedstaaten wie Deutschland hatten sich Verbände und mehrere Handelspartner der EU – darunter die USA, Australien und Brasilien – in den vergangenen Monaten an die EU-Kommission gewandt und um eine Verschiebung der Regeln gebeten. Am Mittwoch forderten knapp 30 Verbände aus Agrarhandel, Land- und Forstwirtschaft in einem gemeinsamen Schreiben erneut eine Verschiebung. Umweltschützer argumentieren dagegen, das Inkrafttreten sei dringlich und die Regeln keine übermäßige bürokratische Belastung. luk/tho

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    Nachhaltigkeitsstrategie: CDU/CSU-Fraktion fordert Verabschiedung durch den Bundestag

    Nach dem Willen der CDU/CSU-Bundestagsfraktion soll der Bundestag Änderungen an der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie (DNS) künftig mitbeschließen. Am Dienstag hat sie einen entsprechenden Antrag verabschiedet, der Table.Briefings vorliegt. Bislang werden Änderungen an der DNS allein von der Bundesregierung beschlossen. Wann der Antrag ins Plenum geht, ist unklar.

    Als Grundlage für die deutschen Nachhaltigkeitsziele habe die Strategie weitreichenden Einfluss auf das Leben hierzulande. Trotzdem sei der Bundestag “bisher weitestgehend in der Rolle des Zuschauers”, so der Antrag. Die Beschlüsse des Staatssekretärsausschusses für nachhaltige Entwicklung würden den Parlamentariern “lediglich übermittelt”, die Nachhaltigkeitsprüfung von Gesetzen durch den Parlamentarischen Beirat für nachhaltige Entwicklung (PBnE) wiederum sei “überwiegend Formalität”. Aufgrund ihrer “überragenden Wichtigkeit” sollte die Strategie jedoch die Legitimation des Bundestags haben, schreibt die CDU/CSU-Fraktion.

    Aufwertung von Bundestag und PBnE: Debatten dauern an

    Forderungen nach einer Stärkung des Bundestags und des PBnE bei der Nachhaltigkeitsstrategie gibt es schon länger. Bei der Auftaktveranstaltung für die turnusmäßige Weiterentwicklung der Strategie im Oktober 2023 sagte Gunda Röstel, stellvertretende Vorsitzende des Rats für Nachhaltige Entwicklung, dass sie sich eine Beschlussfassung auch im Bundestag wünsche. Im Januar legte der PBnE Vorschläge für die Weiterentwicklung der eigenen Befugnisse vor – unter anderem soll der Beirat eine materielle Nachhaltigkeitsprüfung von Gesetzen vornehmen können.

    Ralph Brinkhaus, Mitglied im PBnE für die CDU/CSU-Fraktion, forderte im ESG.Table vor rund zwei Wochen, dass der Bundestag “als höchstes deutsches Verfassungsorgan” zum “Taktgeber bei der Umsetzung der Nachhaltigkeitsziele” werden müsse.

    In der Fraktionssitzung am Dienstag haben CDU und CSU zudem einen Antrag für eine “praxistaugliche und effektive Nationale Kreislaufwirtschaftsstrategie beschlossen. Die Strategie müsse “auf Wettbewerb, Kosten- und Ressourceneffizienz, Technologie- und Materialoffenheit und zielgerichtete Innovationen ausgerichtet” sein, heißt es im Antrag. Die Beratung im Plenum ist für Freitag angesetzt. nh

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    Wärmewende: Wie viel der Netzausbau in den Kommunen kostet

    Der Auf- und Ausbau klimaneutraler kommunaler Wärmenetze wird Stadtwerke und Energieversorger in den nächsten 20 Jahren 11,5 Milliarden Euro kosten. Hinzu kommen 520 Millionen Euro, die bei der öffentlichen Hand für die kommunale Wärmeplanung anfallen. Das geht aus einer Studie des Kompetenzzentrums Öffentliche Wirtschaft, Infrastruktur und Daseinsvorsorge (KOWID) der Universität Leipzig hervor, die Table.Briefings vorab vorlag. Rund 600 Kommunen und knapp 100 Stadtwerke und Energieversorger waren daran beteiligt.

    Nur 14 Prozent der Haushalte haben Fernwärme

    Derzeit wird nur etwa jeder siebte Haushalt in Deutschland mit Fernwärme versorgt. Gleichzeitig stammen lediglich 20 Prozent der Fernwärme aus erneuerbaren Energien. Dennoch sind die Autoren der Studie davon überzeugt, dass Wärmenetze “den Nukleus auf kommunaler Ebene” bilden, um die Wärmewende zu realisieren. “Fernwärme wird in der klimaneutralen Wärmeversorgung in Zukunft, insbesondere in urbanen Gebieten, eine zentrale Rolle spielen”, schreiben sie.

    Das Anfang des Jahres in Kraft getretene Wärmeplanungsgesetz macht hier klare Vorgaben und setzt den Rahmen für eine schrittweise Dekarbonisierung und den Ausbau der Fernwärme fest. Bis 2030 sollen die Wärmenetze zur Hälfte, bis 2040 zu 80 Prozent und bis 2045 vollständig klimaneutral betrieben werden.

    DStGB: Aufstockung der BEW-Mittel auf drei Milliarden Euro im Jahr

    In einem Positionspapier zur Wärmewende hat der Deutsche Städte- und Gemeindebund (DStGB) kürzlich darauf hingewiesen, dass die Kommunen, Stadtwerke und kommunal geprägten Energieversorger eine finanzielle Unterstützung für die Wärmewende brauchen. Zentral sei dabei die Aufstockung der Bundesförderung Effiziente Wärmenetze auf mindestens drei Milliarden Euro jährlich.

    Darüber hinaus schlägt der DStGB eine Förderung des Wärmenetzausbaus vor, die sich an den tatsächlich erreichten Anschlussdichten orientiert: Je mehr Gebäudeeigentümer sich anschließen, desto geringer sollte die Förderung ausfallen. Hilfreich wäre aus seiner Sicht auch ein KfW-Programm mit zinslosen Darlehen, die erst fällig werden, wenn die Wirtschaftlichkeit des Netzes durch zusätzliche Anschlüsse steigt. ch

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    CSRD: SPD-Berichterstatter fordert “breite Auswahl an Prüfern”

    Esra Limbacher ist dafür, die Prüfung und Testierung der künftigen CSRD-Nachhaltigkeitsberichte nicht nur Wirtschaftsprüfern zu überlassen. “Richtig ist, dass den betroffenen Betrieben eine breite Auswahl an Prüfern zur Verfügung stehen soll”, sagte der CSRD-Berichterstatter der SPD-Fraktion zu Table.Briefings. Dies solle in den anstehenden Verhandlungen geklärt werden. “Ich bin mir sicher, dass wir in den Gesprächen im parlamentarischen Verfahren und im Nachgang der öffentlichen Anhörung eine sehr gute Lösung finden werden.”

    Nachdem das Kabinett den Gesetzentwurf Ende Juli verabschiedet hat, steht er jetzt im Bundestag auf der Agenda. Wer die Berichte abnehmen darf, gehört zu den größten offenen Streitpunkten. Im Frühjahr hatten sich zahlreiche Verbände dafür ausgesprochen, dass auch technische Sachverständige zum Zuge kommen sollten. Dies sei im Interesse des Mittelstands. Die Bundesregierung lehnte das ab.

    Für Limbacher geht es zudem darum, die Bedenken von kommunalen Unternehmen und indirekt betroffenen mittelständischen Betrieben ernst zu nehmen, sagte er. “Gerade in einer wirtschaftlich angespannten Lage, wie wir sie derzeit erleben, dürfen neue europäische Regulierungen die deutsche Wirtschaft nicht noch weiter belasten.” maw

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    Unternehmen: Welche ESG-Faktoren den Erfolg steigern können

    Strategisches Engagement für ökologische und soziale Nachhaltigkeit kann die Leistung von Unternehmen steigern. Zu diesem Ergebnis kommt die diesjährige Trendstudie des Zentrums für Arbeitgeberattraktivität. In Zusammenarbeit mit der Universität St. Gallen wurden über 9.000 Mitarbeiter und Führungskräfte deutscher Unternehmen zu der ökologischen und sozialen Ausrichtung ihres Betriebs befragt. Als Orientierung dienten dabei ESG-Kriterien.

    Knapp die Hälfte der 73 befragten Unternehmen zählt zum Mittelstand, je ein Viertel besteht aus kleinen Firmen und Großunternehmen. Besonders häufig vertreten waren Unternehmen aus den Bereichen Dienstleistungen und Produktion. Auch Unternehmen der Finanzbranche, des Einzelhandels und der Bauindustrie nahmen an der Befragung teil.

    Ökologie-orientiertes Führungsklima fördert die Mitarbeiterzufriedenheit

    Wie es in der Studie heißt, erhöht eine stärkere Ausrichtung auf ökologische Belange und ein vielfältiges und inklusives Arbeitsumfeld die Zufriedenheit der Mitarbeiter. Dadurch steige auch die Unternehmensleistung.

    Einen besonders positiven Einfluss habe es, wenn Ökologie eine Führungsaufgabe ist und dementsprechend ein “ökologisch orientiertes Führungsklima” vorherrscht. Die Befragten in solchen Unternehmen schätzten die Leistung ihrer Firma um 21 Prozent höher ein als die Mitarbeiter anderer Firmen mit weniger ökologisch engagierten Führungsebenen. Auch die Zufriedenheit der Mitarbeiter ist um 20 Prozent höher.

    Bezüglich der sozialen Faktoren spiele Diversität eine zentrale Rolle, so die Studienautorinnen. Unternehmen, die eine vielfältige und integrative Arbeitsumgebung schaffen, fördern demnach auch das Wohlbefinden und die Gesundheit der Mitarbeitenden. Die emotionale Erschöpfung der Mitarbeitenden sei in Unternehmen mit einem starken Diversitätsklima um 30 Prozent und die Altersdiskriminierung um 60 Prozent geringer.

    Zu wenige Unternehmen verfolgen konkrete Nachhaltigkeitsziele

    Dennoch würden zu wenige Firmen konsequent eine nachhaltige Strategie verfolgen, wie die Studienautorinnen bemängeln. Zwar verfügt ein Viertel der befragten Unternehmen über Nachhaltigkeitsrichtlinien, konkrete Nachhaltigkeitsziele verfolgt aber nur jedes zehnte der teilnehmenden Unternehmen

    Die Studie identifiziert folgende Handlungsempfehlungen:

    • Nachhaltigkeit als zentralen Wert in der Unternehmensstrategie verankern
    • Nachhaltige Führung vorleben und ein gesundes Arbeitsumfeld fördern
    • Gesellschaftliches Engagement der Mitarbeiter durch entsprechende Programme unterstützen
    • Mitarbeitern und Führungskräften Kompetenzen in den Bereichen Nachhaltigkeit und Gesundheit durch Schulungen vermitteln. ag
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    Planetare Grenzen: Warum sich der Green Deal negativ auf die globalen Emissionen auswirken könnte

    Die geplante Reduktion von Treibhausgasen in der EU könnte zu einem massiven Anstieg der Emissionen in anderen Teilen der Welt führen. Zu diesem Schluss kommt ein internationales Wissenschaftlerteam an der Universität Groningen unter der Leitung von Klaus Hubacek. Ihre Analyse wurde gerade im Fachmagazin Nature Sustainability veröffentlicht.

    CO₂-Einsparungen in der EU – Anstieg der Emissionen anderorts

    In der Studie wurden die geplanten Maßnahmen des Green New Deal im Bereich der Land- und Forstwirtschaft einschließlich der damit verbundenen Lieferketten untersucht. Dabei hat sich gezeigt, dass der Green Deal in seiner jetzigen Form im Vergleich zum Einsparziel innerhalb der EU zu einem mehr als doppelt so hohen Anstieg der Emissionen in Ländern außerhalb der EU führen würde.

    Als Beispiel nannte Hubacek das Pflanzen von drei Milliarden Bäumen, eine Maßnahme zur Erhöhung der Biodiversität in Europa. Da Bäume viel Land brauchen, bedeute dies, dass in Zukunft anderswo, etwa in Afrika oder Südamerika, mehr Nahrungsmittel produziert werden müssten. Dafür werde aber zusätzliches Ackerland benötigt. “Das erhöht den Kohlendioxidausstoß und verringert die Artenvielfalt”, so Hubacek.

    Green Deal muss von CO₂-Einsparungen innerhalb der EU begleitet werden

    Zwar verbietet die Anti-Entwaldungsverordnung der EU den Import von Produkten, für die Waldflächen in Ackerland umgewandelt wurden. Aber: “Nichts hält diese Länder davon ab, auf bestehenden landwirtschaftlichen Flächen Produkte für Europa anzubauen und Wälder zu fällen, um für den lokalen Markt zu produzieren”, so Hubacek.

    Um die befürchteten negativen Auswirkungen des Green Deal zu minimieren, schlagen die Wissenschaftler drei flankierende Maßnahmen vor:

    • Eine Ernährungswende hin zu der überwiegend pflanzenbasierten Planetary Health Diet, was “enorme Mengen an Kohlenstoffemissionen” einsparen würde.
    • Den schrittweisen Ausstieg der EU aus Biokraftstoffen auf Nahrungsmittelbasis, was den Bedarf an landwirtschaftlichen Nutzflächen reduzieren würde.
    • Die Unterstützung der Entwicklungsländer bei der Effizienzsteigerung ihrer Landwirtschaft, was ebenfalls den Flächenverbrauch verringern könnte.

    PIK: Sechs von neun planetaren Grenzen sind bereits überschritten

    Wie der am Dienstag erstmals vorgestellte Planetary Health Check des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) zeigt, sind bereits sechs der neun planetaren Grenzen überschritten. Dies gilt sowohl für die Treibhausgaskonzentration in der Atmosphäre, die Biodiversität, als auch den Zustand der Wälder. Damit steige das Risiko, Kipppunkte zu überschreiten, so PIK-Forscherin Levke Caesar.

    Das PIK will künftig jährlich einen “planetaren Gesundheitscheck” vorlegen. Dazu sollen Erdbeobachtungsdaten mit neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen und multidisziplinären Ansätzen kombiniert werden. ch

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    Die Grüne Modernisierung des Carpitalismus – Makronom 
    Nina Schlosser von den Economists for Future beschreibt, wie sich CSR-Strategien von Lithium-Bergbaukonzernen auf indigene Gruppen in Chile auswirken. Vor allem Kompensationszahlungen schlössen große Gruppen aus und spalten die Gemeinden in Gewinner und Verlierer. Zum Artikel 

    Ist das Wasserstoffkernnetz zu groß oder zu klein? – Klimareporter 
    Aus Sicht des Beratungsunternehmens Aurora Energy Research könnte das Wasserstoffnetz mit knapp 10.000 Kilometern Länge angesichts der erwarteten kurz- bis mittelfristigen Nachfrageentwicklung überdimensioniert sein. Baden-württembergische CDU-Politiker beklagen hingegen, dass der Südwesten nicht berücksichtigt sei, wie David Zauner berichtet. Zum Artikel 

    Spain calls for disaster ‘pause clauses’ for developing nation debt – Financial Times 
    Die spanische Regierung schlägt die regelmäßige Aufnahme von “Pausenklauseln” in Kreditverträge mit Ländern des Globalen Südens vor. Diese Regelungen sollen die Aussetzung von Rück- und Zinszahlungen erlauben, wenn ein Land von einer Klimakatastrophe betroffen ist. So könnten Schuldenspiralen vermieden werden, analysieren Lee Harris und Joseph Cotterill. Im Sommer hat der Inselstaat Grenada nach einem Hurrikan von einer solchen Klausel Gebrauch machen können. Zum Artikel  

    Standpunkt

    Kreislaufwirtschaft: Die Transformation muss Effekte auf globale Gerechtigkeit berücksichtigen

    Von Luisa Denter und Julius Neu
    Julius Neu ist für das INKOTA-netzwerk e.V. tätig, Luisa Denter für Germanwatch e.V.

    Der politisch forcierte Ausbau der Kreislaufwirtschaft in Deutschland und der EU soll Klima und Umwelt schützen, Rohstoffabhängigkeiten reduzieren und gleichzeitig Wachstumsimpulse setzen. Doch schafft das eine globale Win-Win-Situation? Die gute Nachricht: Wenn durch die Schließung von Stoffkreisläufen wirklich die Nachfrage nach Primärrohstoffen sinkt, werden nicht nur Klima und Umwelt geschützt, sondern auch Menschen, deren Lebensorte derzeit durch Rohstoffabbau mittel- oder unmittelbar bedroht sind. Doch die globalen Effekte sind komplexer und werden bislang politisch viel zu wenig berücksichtigt.

    Wiederaufbereitung und Weiterverwendung sind wichtig für lokale Wertschöpfung

    Erwägungen zu globaler Gerechtigkeit finden bisher im politischen Diskurs über Kreislaufwirtschaft wenig Beachtung. So heißt es beispielsweise im Entwurf der Nationalen Kreislaufwirtschaftsstrategie, dass verringerte Gebrauchtwaren- und Abfallexporte global gesehen vermutlich “kaum negative Auswirkungen nach sich ziehen” würden.

    Diese Feststellung übersieht jedoch, dass bereits existierende zirkuläre Wertschöpfungsketten oftmals global aufgestellt sind. So werden Elektronikgeräte oder Autos in Ländern des Globalen Südens für lokale Märkte wieder aufbereitet oder Sekundärrohstoffe für eigene Industrien oder den Weiterverkauf extrahiert. Der Import von Stahlschrotten ist beispielsweise für Indiens Stahl- und Fertigungsindustrie von hoher Bedeutung. In westafrikanischen Ländern wie Nigeria oder Ghana entsteht durch Reparatur und Wiederaufbereitung von gebrauchten Elektronikprodukten lokale Wertschöpfung.

    Natürlich sind Gebrauchtwaren- und vor allem (illegale) Abfallexporte für viele ökologische und soziale Probleme in Ländern des Globalen Südens verantwortlich. Die Bilder von den menschenunwürdigen Zuständen auf der Mülldeponie Agbogbloshie in Ghana gingen um die Welt. Doch zur Wahrheit gehört auch, dass diese Wirtschaftszweige viele Menschen beschäftigen, sowohl im formellen als auch im informellen Sektor. In Ghana sind zum Beispiel schätzungsweise mindestens 200.000 Menschen mit ihrem Einkommen vom Elektroschrott-Sektor abhängig.

    Menschen des Globalen Südens müssen in die Politikgestaltung einbezogen werden

    Damit der Umbau zur Kreislaufwirtschaft global gerecht erfolgt, müssen diese Menschen mitgedacht und ihre jeweiligen gewerkschaftlichen und zivilgesellschaftlichen Vertretungen sowie lokale Unternehmen in die europäische Politikgestaltung mit einbezogen werden. Dafür braucht es einen besseren Dialog zu politischen Vorhaben zwischen der EU und ihren Mitgliedstaaten und Regierungen des Globalen Südens. Im Zentrum sollten dabei auf den lokalen Kontext angepasste Ansätze stehen, die informelle Arbeiter:innen berücksichtigen und besserstellen.

    Auch gilt es, Unternehmen über globale Systeme der Erweiterten Herstellerverantwortung stärker in die Pflicht zu nehmen, um Abfallströme besser zu kontrollieren und zu verarbeiten. Beispielsweise könnte ein Teil der Mittel aus Herstellerabgaben für die Stärkung von Kreislaufwirtschaft in den Ländern des Globalen Südens genutzt werden, in die viele Gebrauchtwaren exportiert werden.

    Wissen zu weltweiten sozialen, ökologischen und ökonomischen Effekten ist ausbaufähig

    Wie der Umbau zur Kreislaufwirtschaft global gerecht gestaltet werden kann, braucht noch deutlich mehr Forschung. Welche Veränderungen aus der Transformation sind bezüglich der globalen Verteilung von Wertschöpfungschancen zu erwarten? In welchen Ländern werden welche Arten von Jobs entstehen oder wegfallen? Wie wirkt sich die Transformation auf den globalen Zugang zu Rohstoffen aus?

    Neben Forschung zu solch grundsätzlichen Fragen braucht es Spill-Over-Analysen zu deutschen und europäischen Politikvorhaben, die soziale, ökologische und ökonomische Auswirkungen auf Länder des Globalen Südens aufdecken. Europa hat sich, auch im Rahmen der Kolonialzeit, diverse Zugänge zu Primärrohstoffen verschafft und dadurch einen immensen Bestand an Materialien in Infrastruktur und Produkten angehäuft (“Anthropogenes Lager”).

    Somit – und aufgrund der Zugangsmöglichkeiten zu Kapital – hat Europa vergleichsweise sehr gute Bedingungen, um den Rohstoffbedarf zukünftig vermehrt durch zirkuläre Strategien zu decken. Diese ungleichen Startbedingungen gilt es besser zu verstehen und auszugleichen – auch durch finanzielle Unterstützung, die es Ländern des Globalen Südens ermöglicht, die Kreislaufwirtschaft zugunsten der eigenen Bevölkerung zu gestalten.

    Die Abfallhierarchie muss über Ländergrenzen hinweg umgesetzt werden

    Auf der anderen Seite sind zirkuläre Strategien, die dazu beitragen, Produkte länger zu verwenden (etwa professionelle Wiederaufarbeitung, Reparatur), in den Ländern des Globalen Südens teils besser entwickelt und gesellschaftlich verankert als in Europa. Werden Smartphones, die aktuell in Ländern des Globalen Südens wiederverwendet werden, künftig stattdessen in Europa recycelt, verkürzt sich deren Lebensspanne und dadurch werden weniger Ressourcen geschont. Die Abfallhierarchie (Reparatur und Wiederverwendung vor Recycling) muss deshalb global umgesetzt werden.

    Was bedeutet das für politische Entscheidungen über Kreislaufwirtschaft? Die Transformation sollte – mit einem verstärkten Fokus auf eine Verringerung des Rohstoffbedarfs und Wiederverwendung – unbedingt weiter vorangetrieben werden.

    Die weltweiten sozialen, ökonomischen und ökologischen Effekte müssen jedoch stärker mitgedacht werden. Dazu braucht es deutlich mehr Forschung, Dialog und Maßnahmen, die Wertschöpfung und menschenwürdige Arbeits- und Lebensbedingungen im Globalen Süden besser berücksichtigen. Dies muss sowohl bundespolitisch – insbesondere in der sich aktuell in der Ressortabstimmung befindenden Nationalen Kreislaufwirtschaftsstrategie – als auch auf EU-Ebene durch die neue Kommission stärker verankert werden.

    Luisa Denter ist Referentin für Ressourcenpolitik und zirkuläres Wirtschaften bei der Umwelt-, Entwicklungs- und Menschenrechtsorganisation Germanwatch e.V. Sie arbeitet dort insbesondere zu Fragen der Produktpolitik, der erweiterten Herstellerverantwortung und der gerechten Transformation.

    Julius Neu ist Eine-Welt Promotor für Klima- und Ressourcengerechtigkeit bei INKOTA-netzwerk e.V. Er arbeitet dort vor allem zu Fragen des Abbaus und der Nutzung von metallischen Rohstoffen.

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