Table.Briefing: ESG

IAA: Deutsche Zulieferer unter Druck + EU: Neue Altfahrzeug-Richtlinie + Entwurf für globales Plastikabkommen

Liebe Leserin, lieber Leser,

Nachhaltigkeit ist allgegenwärtig, auch auf der IAA Mobility in München. Natalie Portman, Schauspielerin, Veganerin, Aktivistin, erklärt in einem “Visionary Talk”, wie die bezahlbare Verkehrswende aussehen sollte, in den Panels geht es um selbstfahrende Autos, Mikromobilität und Diversität. Und die IAA erklärt auf ihrer Website: “Um das Klima nicht zu verändern, ändern wir alles andere: Antriebe, Rohstoffe, Produktionsprozesse.” 

Wir ändern alles? Das wäre neu. Bislang ist der Sektor dadurch aufgefallen, dass seine Produkte immer größer und schwerer werden, noch immer vor allem mit Verbrennern laufen und unterm Strich seit Jahrzehnten fast nichts zur Reduktion der Treibhausgase beitragen. Ermöglicht wurde das auch durch eine Politik, die dem motorisierten Individualverkehr den Vorrang gegeben hat. Die Folge: Fast 49 Millionen Autos sind auf deutschen Straßen unterwegs. So viele wie nie zuvor. 

Wirtschaftlich betrachtet ist das natürlich erfreulich. Nur wer Geld einnimmt, kann sich verändern – die Transformation ist teuer. Allerdings zeigt sich inzwischen, dass die Margen stark schrumpfen, wie Carsten Hübner in seiner Analyse beschreibt. Wer sich also nicht beeilt, dem geht womöglich der finanzielle Spielraum verloren. Und dann sind Sätze wie “Wir ändern alles” erst recht nicht mehr haltbar. 

Übrigens sind diese aus anderer Sicht ebenfalls problematisch: Die EU diskutiert derzeit, wie Mitgliedstaaten Greenwashing künftig abstrafen könnten. Die Autobranche sollte sich auch deshalb überlegen, verbal ein wenig abzurüsten. 

Zum Schluss noch zwei Hinweise: Am kommenden Montag (11. September) diskutieren wir über die Halbzeitbilanz der Sustainable Development Goals – und Sie können dabei sein. Zusammen mit dem Rat für Nachhaltige Entwicklung, dem Sustainable Development Solutions Network (SDSN) Germany und dem Netzwerk Weitblick e.V. laden wir zu einer Online-Veranstaltung ein. Los geht es um 11 Uhr, die Anmeldung finden Sie hier. 

Und: Mit dem Start der Haushaltsberatungen des Bundestages geht die Regierungszeit der Ampel-Koalition in dieser Woche in die zweite Hälfte. Welche politischen Themen sollte die Bundesregierung in den kommenden Monaten anpacken, in welchen Politikfeldern erwarten Sie Einigungen? Diese und andere Fragen zur Zukunft der Ampel – aber auch zur Bewertung der ersten Hälfte der Legislatur und der Leistungen der Ministerinnen und Minister – stellt Table.Media in einer Umfrage. Wir laden Sie ein, daran teilzunehmen und bitten Sie um Ihre Einschätzungen. Seien Sie gespannt auf die Ergebnisse, die wir Ihnen natürlich auch gern zusenden. 

Ihr
Marc Winkelmann
Bild von Marc  Winkelmann

Analyse

Autozulieferer: Transformationspfad mit Schlaglöchern

Bundeskanzler Scholz bei IAA-Eröffnung: Die Deutschen haben die Wucht des Wandels in der Autoindustrie nicht kommen sehen.

Die internationale Automobilindustrie befindet sich in einem tiefgreifenden Transformationsprozess. Neben der Digitalisierung ist die Elektrifizierung des Antriebs die zentrale Herausforderung. Die IAA Mobility, die am Dienstag offiziell eröffnet wurde, spiegelt das Ausmaß des Umbruchs wider. Fast die Hälfte der Aussteller kommt aus Asien, allein 40 Prozent aus China. Experten wie Stefan Bratzel, Direktor des Center of Automotive Management (CAM), sprechen deshalb von einer “China-Show”.

Ein großer Teil des Problems ist hausgemacht. Viel zu lange haben die deutschen Autobauer die Mobilitätswende verschlafen und am Verbrennungsmotor festgehalten. Noch immer fahren über 80 Prozent der verkauften Neuwagen mit Benzin oder Diesel. Dass die Hersteller trotzdem oder gerade deshalb derzeit satte Gewinne einfahren, macht die Sache nicht einfacher.

Denn schon jetzt laufen ausländische Autobauer mit einem klaren Fokus auf Elektromobilität den Deutschen den Rang ab. Das gilt für Tesla ebenso wie für BYD, das Volkswagen in China beim Absatz überholt hat. Hinzu kommt, dass die deutschen Konzerne keine preiswerten Einstiegsmodelle und Kleinwagen haben. Da hilft es auch wenig, dass VW jetzt angekündigt hat, die E-Mobilität zu “demokratisieren” und ab 2025 erschwingliche Elektroautos zu bauen. Der Vorsprung der Konkurrenz wird bis dahin eher noch größer werden.

Deutsche Zulieferer: hoher Umsatz, niedrige Marge

Lena Donat, Verkehrsexpertin der Umweltschutzorganisation Greenpeace, überrascht das nicht. “Die deutschen Autobauer haben über Jahre das Potenzial von E-Autos kleingeredet und sich an klimaschädliche Verbrenner geklammert.” Niemand dürfe sich wundern, dass die Deutschen von E-Autoherstellern aus den USA und China abgehängt werden, so Donat. “Auch viele Zulieferer haben das absehbare Ende des Verbrennungsmotors viel zu lange ignoriert, ohne sich neu aufzustellen.”

Die deutschen Zulieferer stecken in diesem Prozess zwischen Baum und Borke – und kämpfen sich durch eine unwirtliche Transformationslandschaft. Denn auch wenn Bosch, ZF Friedrichshafen und Continental noch immer die Top-100-Liste der größten Automobilzulieferer anführen – die Marge stimmt trotz steigender Umsätze seit Jahren nicht mehr. Der Strategieberatung Berylls zufolge lag sie 2022 im Schnitt bei mageren 3,5 Prozent.

Hoher Investitionsbedarf, geringe Stückzahl

Dafür gibt drei Hauptgründe: Erstens die stark gestiegenen Erzeugerpreise. So mussten die deutschen Zulieferer im Jahr 2022 Preissteigerungen bei Löhnen, Energie und Rohstoffen von 33 Prozent gegenüber dem Vorjahr verkraften, die sie kaum an die Hersteller weitergeben konnten. Zweitens machen sich zunehmend der Fachkräftemangel und steigende Zinsen bemerkbar.

Hinzu kommt, drittens, dass viele deutsche Zulieferer – ebenso wie ihre Kunden – erst am Anfang des Wandels stehen. Das bedeutet, dass ein hoher Investitionsbedarf auf geringe Stückzahlen trifft, was sich zwangsläufig negativ auf die Marge auswirkt. Die chinesischen und koreanischen Wettbewerber sowie Tesla profitieren bereits von ersten Skaleneffekten, die sich aus ihrer starken Marktposition in China und bei Batterien insgesamt ergeben. Die Batterie macht noch bis zu 40 Prozent der Produktionskosten eines Elektroautos aus.

Zulieferer nicht kreditwürdig

Die niedrigen Margen wiederum erschweren die Umstrukturierung. Denn die Transformation kostet viel Geld – und die Zulieferer haben es laut der Strategieberatung Oliver Wyman zufolge oft unnötig schwer, an frisches Kapital zu kommen. Grund seien die seit der Coronakrise rapide gesunkenen Ratings der Branche, die sich bis heute nicht erholt hätten. Selbst führende Unternehmen erreichten nicht einmal das Niveau BB+.

“Mit diesem Rating, das als spekulativ gilt, hat die deutsche Zulieferindustrie bei Banken einen äußerst schweren Stand – und das oft zu Unrecht”, sagt Lutz Jäde, Leiter für Turnaround & Restructuring in Europa bei Oliver Wyman. Zwar gebe es Unternehmen, die unzureichend auf die Herausforderungen reagiert hätten oder deren Geschäftsmodell gefährdet sei. “Aber viele der Unternehmen sind hochprofitabel, systemrelevante Innovationstreiber und gut aufgestellt für die Transformation in Richtung Elektromobilität.”

Zulieferindustrie verliert bereits Arbeitsplätze

Das bestätigt auch Helena Wisbert, Direktorin des Center Automotive Research (CAR). Zulieferer, die früh auf Technologien wie die immer wichtiger werdende Sensorik oder Elektromotoren gesetzt haben, seien gut unterwegs und zum Teil Innovationsführer, sagt sie. “Bei mittelständischen Zulieferern, die sich auf Zulieferteile für Verbrennerfahrzeuge spezialisiert haben und jetzt die Transformation finanziell nicht stemmen können, wird die Luft in den nächsten Jahren hingegen dünn.” Die Folgen sind spürbar. Zwischen 2018 und 2022 haben die Zulieferer 37.000 Arbeitsplätze verloren. Heute liegt die Zahl der Beschäftigten im Jahresdurchschnitt bei knapp 274.000.

VDA: Zulieferindustrie ist Treiber des Wandels

Der Verband der deutschen Automobilindustrie (VDA) lobt dennoch die Transformationsanstrengungen der Branche. “Die Zulieferindustrie ist Treiber des Wandels und gleichzeitig liefert sie Spitzenprodukte für die aktuellen Produkte”, sagte ein Sprecher auf Anfrage. Laut VDA wird die deutsche Automobilindustrie von 2023 bis 2027 weltweit rund 250 Milliarden Euro in Forschung und Entwicklung investieren. Hinzu kämen 130 Milliarden Euro für den Neu- und Umbau von Fabriken. “Das unterstreicht den Willen, klimaneutrale Mobilität schnellstmöglich Realität werden zu lassen.”

Anton Pieper, Referent für Wirtschaft und Menschenrechte bei der Organisation Weltwirtschaft, Ökologie & Entwicklung (WEED) hält das nicht für ausreichend. “Nur wenn Mobilitätswende und Rohstoffwende zusammen gedacht werden, kann die E-Mobilität ein nachhaltiger Baustein bei der Transformation des Verkehrssektors werden.” Denn die Herstellung der Batterien gehe mit gravierenden Auswirkungen auf Mensch und Umwelt einher, vor allem in Ländern des globalen Südens. “Hinzu kommt, dass Recyclingkapazitäten noch nicht weit ausgebaut sind, auch wenn es zunehmend Recyclinganlagen für Batterien in Europa gibt.”

Doch mehr Innovation als erwartet?

Ein soeben erschienener Econpol Policy Brief des Münchner Ifo-Instituts fällt deutlich optimistischer aus. Das gilt insbesondere für den Qualifikationsstand und die Innovationspotenziale. Demnach ist der Anteil der Beschäftigten, die für Elektromotoren oder Batteriezellen qualifiziert sind, in Deutschland höher als in Frankreich, Italien, Spanien oder den USA. Auch bei “grünen” Patenten in der Elektromobilität oder beim Brennstoffzellenantrieb liege Deutschland weit vor allen anderen Wirtschaftsnationen.

Grundlage der Untersuchung waren Patentanmeldungen in der EU, Japan und den USA sowie die Profile von mehr als einer halben Million Beschäftigten der Automobilindustrie im Online-Netzwerk LinkedIn. Mitautor Oliver Falck, Leiter des Ifo-Zentrums Industrieökonomik und Neue Technologien, sieht darin einen klaren Beleg dafür, dass die deutsche Automobilindustrie nicht nur bei Verbrennungsmotoren, sondern auch bei der Elektromobilität ganz vorne mitspielt.

  • Autoindustrie
  • Elektromobilität
  • Transformation

EU will Kreislaufwirtschaft für Fahrzeuge stärken

Altautos auf dem Schrottplatz: Die deutsche Automobilindustrie ist der größte Verbraucher nicht-recycelter Rohstoffe.

Sechs Millionen Fahrzeuge erreichen in Europa jährlich das Ende ihrer Lebensdauer. Dann gelten sie als Altfahrzeuge – und bergen einen enormen Schatz an Materialien, von energieintensiven Grundstoffen wie Stahl und Aluminium über Edelmetalle bis hin zu Seltenen Erden.

Die EU-Altfahrzeugrichtlinie aus dem Jahr 2000, die in Deutschland durch die Altfahrzeug-Verordnung umgesetzt ist, legt Maßnahmen zur Vermeidung und Begrenzung von Abfällen aus Altfahrzeugen und deren Bauteilen fest und stellt sicher, dass diese wiederverwendet, recycelt oder verwertet werden.

Seit 2015 müssen mindestens 95 Prozent des Leergewichts aller Altfahrzeuge wiederverwendet oder verwertet werden. Davon müssen mindestens 85 Gewichtsprozent wiederverwendet oder recycelt werden. Die Mitgliedstaaten berichten jährlich über die Menge an Altfahrzeugen sowie die Wiederverwertungs- und Recyclingraten; diese sind bereits sehr hoch: Im EU-Durchschnitt beträgt die Wiederverwertungsrate knapp 95 Prozent, die Recyclingrate 89 Prozent. In Deutschland liegt sie nur knapp darunter, bei 94 Prozent Wiederverwertung und 87 Prozent Recycling.

Die EU-Kommission überarbeitet die Richtlinie nun und hat im Juli einen Entwurf für eine Verordnung vorgestellt. Denn trotz hoher Recyclingquoten stehen einer funktionierenden Kreislaufwirtschaft im Automobilsektor einige Hindernisse im Weg: Nur geringe Mengen an Kunststoffen werden bislang recycelt und wiederverwendet, und die anfallenden Altmetalle sind von geringer Qualität. Zudem wird mit dem Übergang zur Elektromobilität und der zunehmenden Integration von Elektronik in Fahrzeugen die Nachfrage nach Kupfer und kritischen Rohstoffen steigen. Deshalb liegt der Fokus der Überarbeitung auf Zielen für den Einsatz von Rezyklat. Zudem adressiert sie das Problem des “unbekannten Verbleibs” von Altfahrzeugen.

Hersteller verwenden vor allem Primärrohstoffe

Die Automobilindustrie gehört zu den größten Verbrauchern von Primärrohstoffen und setzt bisher nur wenig recycelte Materialien ein. Laut Angaben der EU-Kommission kommt der europäische Automobilsektor im Jahr auf:

  • 19 Prozent der Nachfrage der EU-Stahlindustrie,
  • 10 Prozent des Gesamtverbrauchs an Kunststoffen,
  • 42 Prozent der Nachfrage nach Aluminium,
  • 6 Prozent der Nachfrage nach Kupfer,
  • 65 Prozent der Produktion von Gummiwaren,
  • sowie einen großen Teil in der EU hergestelltes Flachglas.

Dazu kommen die Rohstoffe für Batterien, deren Bedarf mit dem Hochlauf der E-Mobilität immens steigen wird: Kobalt, Lithium, Nickel, Mangan und Graphit. Vorgaben zur Zirkularität der Batterierohstoffe werden in der Batterieverordnung reguliert, die Anfang 2024 in Kraft tritt.

Die Kommission geht zudem davon aus, “dass die Automobilindustrie in Europa zum größten Verbraucher kritischer Rohstoffe für Dauermagnete von Elektromotoren werden wird”. Hier besteht eine immense Abhängigkeit von China: Permanentmagnete werden zu 94 Prozent aus China importiert, die dafür benötigten Seltenen Erden zum Großteil in China abgebaut und verarbeitet.

Kupfer und Seltene Erden stehen bereits auf der EU-Liste der Rohstoffe, die aufgrund der derzeitigen Abhängigkeiten von einzelnen Exportländern, ihrer Bedeutung für die Industrie und der rasant steigenden Nachfrage als strategisch gelten. Für sie sieht der derzeit im EU-Parlament verhandelte Critical Raw Materials Act größere Produktionskapazitäten innerhalb der EU, eine Importdiversifizierung und größere Recyclingkapazitäten vor. Bauxit, aus dem Aluminium hergestellt wird, steht auf der Liste kritischer Rohstoffe. Für sie gelten die Ziele, das Versorgungsrisiko zu überwachen und zu mindern sowie ihren freien Verkehr im EU-Binnenmarkt zu gewährleisten. Laut dem Verhandlungsmandat des Rats sollen Bauxit, Aluminiumoxid und Aluminium als strategische Rohstoffe eingestuft werden.

VDA kritisiert Closed-Loop-Ansatz

Die Kommission will das Recycling und die Wiederverwertung dieser Rohstoffe im Automobilsektor fördern und deshalb in der neuen Verordnung Zielvorgaben für den Einsatz von Rezyklat in Fahrzeugen festlegen. Im Entwurf gibt es jedoch nur eine konkrete Zahl: 25 Prozent des Kunststoffs, der für den Bau eines neuen Fahrzeugs verwendet wird, müssen aus dem Recycling stammen. Davon wiederum müssen 25 Prozent aus Altfahrzeugen rezykliert werden. Für eine mögliche Festlegung von Zielvorgaben für den Recyclinganteil von Seltenen Erden, Aluminium und Magnesium sowie deren Legierungen soll die Kommission zunächst Machbarkeitsstudien durchführen.

Der Verband der deutschen Automobilindustrie (VDA) ist laut einem aktuellen Positionspapier zur Kreislaufwirtschaft “bestrebt, den Einsatz von Sekundärmaterialien zu erhöhen und somit weniger Neumaterialien aus fossilen Quellen und Erzen zu verwenden”. Bislang werden nur wenig Sekundärmaterialien eingesetzt; viele Vorhaben beziehen sich vor allem auf das Recycling der Batterien von E-Autos. Fahrzeuge der BMW Group bestehen laut eigenen Angaben aktuell aus “bis zu 30 Prozent recyceltem und wiederverwendetem Material”. Audi hat in diesem Jahr ein Projekt gestartet, um “den Anteil an eingesetzten Rezyklaten in der Audi-Flotte in den nächsten Jahren beständig zu erhöhen”.

Anders als im Gesetzesentwurf der EU-Kommission vorgesehen, sollte die Nutzung aller Materialquellen ermöglicht werden, sagt Michael Püschner, Leiter des Fachgebiets Umwelt und Nachhaltigkeit beim VDA. Der Kommissionsentwurf sehe zum Beispiel für Kunststoff lediglich einen Post-Consumer- sowie einen Closed-Loop-Ansatz vor, bei dem die Rezyklateinsatzquoten durch wiedergewonnene Materialien desselben Fahrzeugtyps erreicht werden müssen. Dies sei in der Praxis nicht umsetzbar. Deshalb sollte es mehr und branchenübergreifende Optionen für die Unternehmen geben, um vorgegebenen Quoten überhaupt ansatzweise erreichen zu können. Der VDA schlägt daher vor, die Höhe und Zusammensetzung der Rezyklateinsatzquote noch einmal grundsätzlich zu überdenken und an die tatsächlichen Marktgegebenheiten anzupassen.

Exporte und illegale Demontagen stören Kreislauf

Ein weiteres Hindernis für die Kreislaufwirtschaft: Etwa 78 Prozent der Altfahrzeuge werden exportiert und sind deshalb für eine Verwertung in Deutschland nicht mehr verfügbar. Laut einer neuen Publikation des Wuppertal Instituts und der nordrhein-westfälischen Landesgesellschaft NRW.Energy4Climate ist dies zwar zunächst begrüßenswert, da durch die Weiternutzung im Ausland die Lebensdauer verlängert werde. Allerdings sei fraglich, was mit den Fahrzeugen im Ausland passiere.

Fast 90 Prozent der Altfahrzeuge aus Deutschland werden zwar in andere EU-Staaten exportiert. Anschließend folgt jedoch oft der Export ins außereuropäische Ausland, etwa nach Westafrika. Nach Angaben des UN-Umweltprogramms (UNEP) wurden 42 Prozent der Gebrauchtfahrzeuge, die von 2015 bis 2020 in EU-Ländern gehandelt wurden, in Länder außerhalb der EU exportiert. “Grundsätzlich gehen mit diesen Exporten signifikante Mengen an Sekundärrohstoffen für eine Verwertung in Deutschland verloren, was den Bedarf nach energieintensiver Primärproduktion erhöht und gerade bei kritischen Rohstoffen zur Abhängigkeit von globalen Lieferketten beiträgt”, heißt es in der Analyse des Wuppertal Instituts.

Darüber hinaus werden in Deutschland jährlich rund 150.000 Altfahrzeuge überhaupt nicht erfasst. Laut der Analyse ist oft eine nicht anerkannte Demontage in illegalen Verwertungsbetrieben der Grund. Hier setzt auch der Vorschlag der EU-Kommission an: Durch mehr Inspektionen, eine digitale Verfolgung von Altfahrzeugen in der gesamten EU und höhere Geldbußen für Verstöße soll das Verschwinden von Fahrzeugen gestoppt werden. Die Ausfuhr nicht verkehrstauglicher Gebrauchtfahrzeuge soll zudem verboten werden.

Kommission stärkt erweiterte Herstellerverantwortung

Der Entwurf enthält darüber hinaus die folgenden Vorgaben:

  • Die Automobilhersteller müssen den Demontagebetrieben klare und detaillierte Anweisungen dazu geben, wie Teile und Bauteile während der Nutzung und am Ende der Lebensdauer eines Fahrzeugs ersetzt und entfernt werden können.
  • Nationale Systeme der erweiterten Herstellerverantwortung sollen gestärkt werden. Diese zielen darauf ab, eine angemessene Finanzierung für obligatorische Abfallbehandlungsverfahren bereitzustellen, Anreize für Recyclingunternehmen zu schaffen, die Qualität recycelter Materialien aus Altfahrzeugen zu verbessern und so eine verstärkte Zusammenarbeit zwischen den Betreibern der Behandlung und den Herstellern zu fördern.
  • Die Maßnahmen sollen mehr Fahrzeuge abdecken. Der Anwendungsbereich wird schrittweise auf neue Kategorien wie Motorräder, Lastkraftwagen und Busse ausgeweitet.
  • Die Mitgliedstaaten sollen Anreize für Werkstätten und Reparaturwerkstätten schaffen, um den Verkauf von Ersatzteilen zu unterstützen.

Bis Ende Oktober läuft nun die öffentliche Konsultation zu dem Entwurf.

  • Circular Economy
  • EU-Batterieverordnung
  • Kreislaufwirtschaft
  • kritische Rohstoffe

“Afrikas Reserven an Seltenen Erden sind weitgehend unerforscht”

Abbau Seltener Erden in Südafrika: Der Kontinent hat viel ungenutztes Potenzial.

Herr Ahadjie, bei den Seltenen Erden gibt es ein häufiges Missverständnis. Anders als der Name suggeriert, sind sie in vielen Teilen der Welt in großen Mengen vorhanden. Wozu werden sie benötigt?
Seltene Erden kommen in einer Vielzahl von Gesteinen vor. Per Definition sind Seltene Erden eine Gruppe von 17 Elementen im Periodensystem, die geologisch immer gemeinsam vorkommen. Das bedeutet, dass man nicht nur ein einzelnes Seltenerdelement abbauen kann. Einige von ihnen sind wichtig für die Herstellung von Magneten, die in den Motoren von Windkraftanlagen verwendet werden.

Oft werden kritische Mineralien und Seltene Erden verwechselt. Worin besteht der Unterschied?
Da gibt es Überschneidungen. Die USA haben 16 der 17 Seltenen Erden als “kritisch” für ihre Wirtschaft eingestuft: Auf der anderen Seite haben wir zum Beispiel Kobalt, Lithium, Mangan, Nickel und Grafit, die für die Batteriechemie und die Energiewende äußerst wichtig sind. Sie gehören jedoch nicht zur Gruppe der Seltenen Erden. Ihre Verfügbarkeit ist geografisch eingeschränkt, Kobalt und Lithium etwa sind nicht überall zu finden. Aus diesem Grund werden sie von den USA, der EU und anderen Ländern als “kritische Mineralien” eingestuft. Hinzu kommen andere Faktoren wie die Verwendung für die Verteidigung oder andere wichtige Sektoren.

Was ist bekannt über die Vorkommen von Seltenen Erden auf dem afrikanischen Kontinent im Vergleich zum Rest der Welt?
China steht mit etwa 44 Millionen Tonnen an Reserven an der Spitze. Das Land ist auch der größte Produzent weltweit. Nach China folgen Brasilien, Vietnam, Russland, Indien, Australien und Grönland. In Afrika ist Burundi derzeit der einzige Produzent von Seltenen Erden. Länder wie Südafrika und Uganda haben ein paar Projekte angekündigt. In unserer Analyse für die Afrikanische Entwicklungsbank über die Wertschöpfungskette für Seltene Erden haben wir festgestellt, dass auch Simbabwe, Malawi, Angola und Madagaskar das Potenzial zum Bergbau haben.

Könnte Afrika ein wichtiger Akteur werden, wenn die Produktion ausgeweitet würde?
Afrikas Seltene Erden sind weitgehend untererforscht. Europa, Amerika und Australien wissen sehr gut, über welche Ressourcen sie verfügen. In Afrika haben wir noch nicht das nötige Explorationskapital generieren können, um die Vorkommen zu erschließen. Aber wir wissen aus den bisherigen Bodenproben auf dem Kontinent, dass die Qualität der Lagerstätten sehr hoch ist. Deshalb glaube ich, dass Afrika in Zukunft ein wichtiger Akteur in diesem Geschäft sein wird.

Heute ist China nicht nur die größte Nation, die Seltene Erden fördert. Nach Angaben der Internationalen Energieagentur werden über 90 Prozent der weltweiten Seltenen Erden in China veredelt. Europa ist besorgt über diese Abhängigkeit und möchte seine Lieferquellen diversifizieren. Welche Rolle könnte Afrika spielen?
Alle wollen das Monopol von China brechen. Aber momentan haben sie die großen Vorkommen an Seltenen Erden. Wenn es Afrika gelingt, beträchtliches Kapital anzuziehen, dann werden im Laufe der Zeit mehr Seltene Erden auf dem Kontinent entdeckt und produziert werden. Ich sehe Afrika da als Partner sowohl der EU als auch Amerikas, um die Lieferkette schrittweise zu diversifizieren.

Es wird viel über Partnerschaften und strategische Allianzen geredet, aber die Praxis sieht oft anders aus. Was muss getan werden, um wirklich etwas zu bewirken?
Seit der Kolonialzeit verbindet Europa und Afrika eine Geschichte der Abhängigkeit. Vertrauen auf der Seite der afrikanischen Staaten muss wiederhergestellt werden. Es muss gezeigt werden, dass sich das Vorgehen dieses Mal geändert hat und es nicht nur um den Export von Rohstoffen nach Europa geht. Die EU muss dafür sorgen, dass Teile der Wertschöpfungsketten für Batterien und E-Autos auf dem afrikanischen Kontinent stattfinden, wo auch die Rohstoffe herkommen. Nur so wird daraus eine Beziehung, von der beide Seiten profitieren.

Woran denken Sie konkret?
Rund 600 Millionen Menschen in Afrika haben keinen Zugang zu Elektrizität. Aber der Kontinent hat enormes Potenzial für die Erzeugung erneuerbarer Energie durch Solarkraft, Windkraft und Erdwärme. Wie können wir dafür sorgen, dass auch die Energieanlagen vor Ort in Afrika hergestellt werden? Es müssen jene Magnete produziert werden, die in Windturbinen und ähnlichem verbaut werden. Das Lied, das Afrika hören möchte, handelt nicht allein von Rohstoffexporten.

Jerry Kwame Ahadjie ist Chief Minerals Officer am African Natural Resources Management and Investment Centre der Afrikanischen Entwicklungsbank.

  • Afrika
  • Rohstoffe
  • Seltene Erden

Termine

10. bis 15. September 2023, Hattingen
Seminar Chic aber schmutzig: Globale Wertschöpfung und soziale Kämpfe in der Bekleidungsindustrie (DGB Bildungswerk) Info & Anmeldung

11. September 2023, 11:00-12:00 Uhr, Online
Table.Live-Briefing Halbzeit für die SDGs – Kann die Agenda 2030 noch erreicht werden? (Table.Media) Info & Anmeldung

12. September 2023, 19:00 Uhr, Online
Vortrag Partnerschaft auf Augenhöhe: Wie werden internationale Pläne für nachhaltige Entwicklung umgesetzt? (Hanns-Seidel-Stiftung) Info & Anmeldung

13. September 2023, 7:30-8:30 Uhr, Online
Workshop Fokus Gemeinwohl: Einstieg für Unternehmen und Organisationen in die Nachhaltigkeit (Gemeinwohl Ökonomie Deutschland) Info & Anmeldung

13. September 2023, 11:30-12:30 Uhr, Online
Webinar Bilanzierung von Scope 3-Emissionen (B.A.U.M. e.V.) Info & Anmeldung

13. September 2023, 12:00-15:00 Uhr, Berlin
Diskussion Endspurt für die SDG – Wie können wir die Agenda 2030 noch erreichen? (Venro) Info & Anmeldung

13. September 2023, 17:00-20:00 Uhr, Online
Workshop Wie geht gute Klimakommunikation? – Teil 2 (Heinrich-Böll-Stiftung) Info & Anmeldung

13. September 2023, 18:00-19:30 Uhr, Berlin
Diskussion Sozial-ökologische Transformation finanzieren – Mit mehr, weniger oder einem ganz anderen Finanzmarkt? (Friedrich-Ebert-Stiftung) Info & Anmeldung

13. September 2023, Frankfurt am Main
16. Jahreskonferenz: Nachhaltige Geldanlagen 2023 (Frankfurt School Verlag) Info & Anmeldung

13.-14. September 2023, Offenbach
Festival Impact Festival 2023 (Neosfer) Info & Anmeldung

13. und 14. September 2023, Jena
16. Bundeskongress Nationale Stadtentwicklungspolitik: “Zukunftswerkstatt StadtLand – Wege zu einem neuen Miteinander!” (Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen) Info & Anmeldung

14. September 2023, Berlin und Online
Konferenz Unternehmen & Verantwortung für die Umwelt – Die neuen OECD Leitsätze (OECD) Info & Anmeldung

14.-15. September 2023, Frankfurt am Main
Workshop Grüner wird’s nicht – ESG Finance Workshop zum Thema Green Financing (Linklaters) Info & Anmeldung

News

Plastik: UNEP-Entwurf für globales Abkommen

Das Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP) hat einen Entwurf für das geplante globale Abkommen gegen Plastikmüll veröffentlicht. Er listet zu relevanten Handlungsfeldern mögliche Pflichten auf, welche die beteiligten Staaten beschließen könnten – von einem gänzlichen Verbot “kurzlebiger” Kunststoffprodukte bis hin zu Aufforderungen, notwendige Schritte zu unternehmen, diese zu reduzieren.

Der Entwurf dient als Diskussionsgrundlage für das dritte Verhandlungstreffen vom 13. bis 19. November in Nairobi (Kenia), dem Hauptsitz des VN-Umweltprogramms. Insgesamt sind fünf Treffen geplant, im nächsten Jahr soll das Abkommen stehen. Wie ambitioniert es wird, also ob es zu Verboten kurzlebiger Kunststoffe kommt, lässt sich kaum abschätzen, da die Interessen der Staaten zum Teil weit auseinanderliegen. Dabei geht es vor allem um grundsätzliche Fragen, etwa: Inwieweit sollten die Plastikmengen reduziert werden und was kann Recycling leisten?

Im März 2022 hatten sich die UN-Mitgliedstaaten darauf geeinigt, einen Vertrag zu erarbeiten, der die weltweite Plastikverschmutzung beenden soll. Die OECD geht bislang davon aus, dass sich die Kunststoffabfälle bis 2060 verdreifachen werden – von 353 Millionen Tonnen auf rund 1 Milliarde Tonnen, die Hälfte werde auf Deponien landen, ein Fünftel verbrannt. Zwei Drittel der Abfälle werden kurzlebige Produkte wie Verpackungen, Billigwaren oder Textilien sein, schätzt die OECD. Der Anteil recycelter Abfälle werde sich bis 2060 nur auf 17 Prozent erhöhen, von 9 Prozent in 2019. nh

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  • Plastik

Studie: Resiliente Lieferketten für Klima-Tech

Für eine resiliente Transformation zur Klimaneutralität muss die Politik die gesamte Wertschöpfungskette zentraler Technologien wie Fotovoltaik, Batterien und Elektrolyseure in den Blick nehmen und darf sich nicht nur auf die Versorgung mit Rohstoffen konzentrieren. Das ist das Ergebnis einer neuen Studie im Auftrag der Stiftung Klimaneutralität.

Demnach sollten für besonders kritische Teile der Wertschöpfungskette (etwa Teile der PV-Industrie, die Herstellung von Permanentmagneten, die komplette Lieferkette von Lithium-Ionen-Batterien und die Produktion von grünem Stahl) mithilfe einer offensiveren Ansiedlungspolitik Märkte in Deutschland und der EU aufgebaut werden. Subventionen und befristete Betriebskostenbeihilfen können laut der Studie ein Level Playing Field zu Konkurrenten außerhalb Europas schaffen.

Wissenschaftler von Prognos, dem Öko-Institut und dem Wuppertal Institut haben in der Studie die Wertschöpfungsketten von sieben besonders kritischen Transformationstechnologien untersucht:

  • Fotovoltaik
  • Windkraft
  • Lithium-Ionen-Batterien
  • Permanentmagneten
  • Elektrolyseure
  • Wärmepumpen
  • Stahl

Für diese Schlüsseltechnologien werden sieben Rohstoffe hinsichtlich ihrer Förderung und Verarbeitung als kritisch bewertet: Grafit, Iridium, Kobalt, Lithium, Mangan, Nickel, sowie Leichte und Schwere Seltene Erden. Entschlossenes politisches Handeln, insbesondere in der Transformationsphase bis 2030/35, könne diese Kritikalität jedoch entscheidend abmildern.

Zu den Handlungsempfehlungen an die Politik zählt außerdem die Einführung eines Resilienz-Monitorings auf deutscher und europäischer Ebene, welches der Politik und Wirtschaft regelmäßig relevante Informationen liefern könnte. Um die Position deutscher und europäischer Unternehmen auf dem Weltmarkt zu stärken, empfiehlt die Studie gebündelte Einkaufsgemeinschaften für strategische Rohstoffe und Güter. Dafür müsste das Kartellrecht angepasst werden, das eine solche Einkaufsmacht bisher verhindert.

Laut den Wissenschaftlern sind resiliente Lieferketten eine entscheidende Frage der nationalen Sicherheit und Souveränität. Die Debatte konzentriere sich jedoch häufig nur auf die Verfügbarkeit der benötigten Rohstoffe und lasse außer Acht, dass es entlang der gesamten Lieferkette zu Versorgungsengpässen kommen kann. leo

  • Elektrolyseure
  • Rohstoffe
  • Rohstoffstrategie

EU-Nachhaltigkeitsstandards mit GRI kompatibel

Die European Financial Reporting Advisory Group (EFRAG) und die Global Reporting Initiative (GRI) haben eigenen Angaben zufolge ein hohes Maß an Interoperabilität zwischen den neuen EU-Standards für die Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen (ESRS) und jenen der GRI hergestellt.

Unternehmen, die bisher die GRI-Standards nutzen, um über Nachhaltigkeit zu berichten, seien daher gut vorbereitet auf die Berichterstattung nach den ESRS, von denen die EU-Kommission die branchenunabhängigen Standards im Juli beschlossen hat. Laut Mitteilung von EFRAG und GRI werden Firmen, die im Rahmen der CSRD nach ESRS berichten, als solche betrachtet, die nach GRI-Standards berichten. Doppelaufwand entfiele dadurch.

Weltweit nutzen mehr als 10.000 Organisationen die GRI-Standards, um über Nachhaltigkeit zu berichten. Laut der Beratungsfirma KPMG sind sie global die am weitverbreitetsten Standards. Die ersten Leitlinien des GRI für Nachhaltigkeitsberichterstattung wurden 2000 veröffentlicht, drei Jahre nach der Gründung der Initiative durch die Non-Profit-Organisationen Ceres und Tellus Institute in Partnerschaft mit dem Umweltprogramm der Vereinten Nationen. Seit 2016 veröffentlicht GRI globale Standards für die Nachhaltigkeitsberichterstattung. nh

  • Berichtspflichten
  • Nachhaltigkeit

Vermögensverwalter: Nur wenige ESG-“Leader” 

Welche Vermögensverwalter sind glaubwürdig bei ESG-Investments? Das Finanzinformations- und Analyseunternehmen Morningstar hat zum vierten Mal untersucht, wie gut Firmen weltweit abschneiden und ein neues Ranking erstellt. Ergebnis: Von 108 untersuchten Assetmanagern bleibt die Mehrheit auf einem niedrigeren Niveau. Nur acht konnten sich als “Leader” qualifizieren. 

Mit seinem Ranking zielt Morningstar darauf ab, Anlegern dabei zu helfen, dass ihre Investments sozial-ökologische Aspekte berücksichtigen und etwa das Klima schonen. Konkrete Benchmarks oder Ausschlusskriterien legten die Analysten nicht an, vielmehr bewerteten sie nach den drei Kriterien “Philosophy & Process”, “Resources” sowie “Active Ownership”. Heißt: Wer sein Geschäft und die Prozesse schon vor Jahren nach ESG-Aspekten ausgerichtet hat, ein Team von Experten unterhält, dieses eng mit den Investment-Kollegen arbeitet, Rahmenwerke und internationale Vereinbarungen wie “Principles for Responsible Investment” (PRI) oder die Sustainable Development Goals (SDG) unterstützt und Veränderungen bei den Vorständen und Aufsichtsräten von Konzernen anstößt, landet auf der Skala oben.

Gemessen daran erhielten 21 Vermögensverwalter die zweitbeste Auszeichnung “Advanced”, 48 “Basic” und 31 “Low”. Im Vergleich zur letzten Untersuchung wurde UBS Asset Management auf “Basic” herabgestuft, BlackRock, Capital Group und JPMorgan rangieren ebenfalls auf dem Level, Vanguard wurde als “Low” einsortiert. Zu den besten zählen unter anderem Domino, Robeco, Australian Ethical und Stewart Investors. maw

  • ESG-Investments
  • Investitionen

Bankenverband kritisiert Indikator zur Nachhaltigkeitsmessung

Laut Bankenverband eignet sich die Kennzahl “Green Asset Ratio” nicht als Steuerungsgröße, um Fortschritte in der Transformation der Wirtschaft sichtbar zu machen. Mit dem Indikator sollen Banken ab nächstem Jahr den Anteil ökologisch-nachhaltiger Finanzierungen an ihrer Bilanzsumme nachweisen, um Anforderungen der EU-Taxonomie zu erfüllen – einem System, mit dem nachhaltige Wirtschaftsaktivitäten klassifiziert werden sollen, um Kapital in solche umzulenken.

Zu diesem Ergebnis kommt der Bankenverband in einer Analyse der Taxonomie-Quoten von 450 Unternehmen in Europa. Demnach bilde die Green Asset Ratio “die Nachhaltigkeitsprofile der Banken nur unzureichend ab”, sagte Heiner Herkenhoff, Hauptgeschäftsführer des Bankenverbands. Denn die Taxonomie erfasse ohnehin nur etwa 30 Prozent der Wirtschaft, 70 Prozent seien im regulatorischen Sinne nicht nachhaltig. Zudem erfüllten erst sieben Prozent der untersuchten Unternehmen die Kriterien der Taxonomie. Im Mittelstand seien es weniger.

Herkenhoff sagte deshalb: “Wir stehen erst am Anfang der Transformation und sollten uns vom ‘Grün oder Nicht-Grün’-Denken verabschieden.” Stattdessen forderte er, den Blick auf Firmen zu richten, die gerade erst mit der Transformation beginnen oder kurz davorstehen. In der Studie heißt es dazu: “Transformationsaktivitäten von Unternehmen und deren Finanzierung sollten viel größeres Gewicht bekommen.” Um den Indikator Green Asset Ratio “zumindest ansatzweise zu verbessern […] sollten Projektfinanzierungen einfließen”, wie von Windparks. nh

  • Banken
  • Taxonomie

Klimagipfel in Afrika: Grünes Wachstum im Fokus

Bärbel Kofler, Staatssekretärin im BMZ, will sich beim Afrikanischen Klimagipfel, der am Montag in Nairobi (Kenia) begonnen hat, für afrikanische Lösungen bei der Bekämpfung des Klimawandels in Afrika einsetzen. Das sagte Kofler im Vorfeld des Treffens, das bis zum heutigen Mittwoch läuft. “Wir starten bewusst keine neuen deutschen Initiativen bei diesem Gipfel, sondern konzentrieren uns auf die tatkräftige Unterstützung afrikanischer Initiativen. Denn Afrika spürt nicht nur die Folgen des Klimawandels, der Kontinent hat auch viel zu bieten, wenn es um konkrete Lösungen geht”, so Kofler.

Im Fokus des internationalen Treffens stehen die Themen grünes Wachstum und Klimafinanzierung in Afrika. Beim Gipfel sind die afrikanischen Staatschefs aufgerufen, ambitioniertere Klimaziele zu formulieren. Kenias Regierung richtet den Gipfel gemeinsam mit der Kommission der Afrikanischen Union (AU) aus.

“Die Maßnahmen, die wir jetzt ergreifen, werden entscheidend sein, um das 1,5-Grad-Ziel in Reichweite zu halten”, hieß es in einer gemeinsamen Mitteilung des kenianischen Präsidenten William Ruto, des designierten Präsidenten der Klimakonferenz in Abu Dhabi, Sultan Ahmed Al Jaber, und des Vorsitzenden der Kommission der AU Moussa Faki Mahama. Die Industriestaaten müssten zudem die bereits zugesagten Hilfen zur Klimafinanzierung einhalten, hieß es in der Mitteilung.

Zudem sollen Rahmenbedingungen geschaffen werden, um das enorme Potenzial des Kontinents bei den Erneuerbaren Energien zu erschließen. Obwohl die afrikanischen Staaten nur für drei Prozent der historischen Treibhausemissionen verantwortlich sind, werden viele afrikanische Länder schon jetzt besonders stark von Klimakatastrophen wie Dürren oder Überschwemmungen heimgesucht. dre

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Fossile Energien: Banken investieren Billionen US-Dollar

Statt die Transformation hin zu einer nachhaltigen Wirtschaft zu fördern, investieren internationale Großbanken Billionen von Dollar in den Ausbau der emissionsintensivsten Industrien im globalen Süden. Das ist das Resultat einer Studie der NGO ActionAid, die die Kreditvergabe global aktiver Finanzinstitute analysiert hat.

Demnach flossen zwischen 2016 und 2022 rund 3,2 Billionen Dollar in den Ausbau der fossilen Energiewirtschaft und etwa 370 Milliarden in die Expansion der industriellen Landwirtschaft im globalen Süden. Neben US-amerikanischen und europäischen Geldhäusern waren auch chinesische Banken maßgeblich beteiligt. Im Durchschnitt hätten Banken des globalen Nordens dem Bericht zufolge im genannten Zeitraum rund 513 Milliarden Dollar pro Jahr in beide Wirtschaftszweige investiert.

Neben privaten seien auch öffentliche Finanzinstitute maßgeblich an dieser Praxis beteiligt, so die Studie. Demgegenüber stünden lediglich 22 Milliarden Dollar, die die Länder des Nordens für die Bekämpfung und Eindämmung der Klimakrise im globalen Süden aufgebracht hätten. Größter Kreditnehmer im Bereich Agrarwirtschaft sei der Studie zufolge mit rund 20 Milliarden Dollar übrigens der deutsche Multi Bayer gewesen.

Die Länder des globalen Südens sind nicht nur am stärksten von den Auswirkungen der globalen Klimakrise betroffen und zugleich vergleichsweise schlecht für deren Bekämpfung aufgestellt, sie tragen mit ihren deutlich geringeren CO₂-Emissionen auch wesentlich weniger Verantwortung. Am Ende des Berichts findet ActionAid daher deutliche Worte: “In dieser dringlichen Zeit des Klimawandels müssen öffentliche Mittel aufgestockt und im globalen öffentlichen Interesse eingesetzt werden, um einen gerechten Übergang zu erneuerbaren Energien und Agrarökologie zu ermöglichen. Zugleich muss der Wahnsinn, dass Banken und Regierungen weiterhin die Zerstörung des Planeten finanzieren, ein Ende haben.” Lukas Franke

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Presseschau

Clean Energy Projects Are Booming Everywhere. Except in Poor Nations – The New York Times
Die Investitionen in erneuerbare Energien nehmen weltweit zu. In diesem Jahr wird erstmals mehr Geld in Solarenergie als in Öl investiert. Doch an den ärmsten Ländern der Welt geht dieser Wandel weitgehend vorbei, hat Max Bearak recherchiert. Der Grund: Das globale Kreditsystem stuft die Investitionsbedingungen vor allem für Staaten in Afrika als zu riskant ein. Zum Artikel

African leaders at odds over climate plans as crucial Nairobi summit opens – The Guardian
Laut Caroline Kimeu wird eine entscheidende Frage beim derzeit stattfindenden Africa Climate Summit sein, ob afrikanische Länder ihre Energieinfrastruktur direkt mit Erneuerbaren Energien ausbauen werden. Dass es dazu kommt, sei aber unwahrscheinlich, weil es einige gibt, die ihre Vorkommen an fossilen Energien ausbeuten oder planen dies zu tun, um ökonomisch zu wachsen. Zum Artikel

Herausforderung nachhaltige Arzneimittelverpackungen – Deutsche Apothekerzeitung
Vor welche Herausforderungen die Umsetzung der geplanten EU-Verpackungsverordnung die Pharmaindustrie stellen würde und welche Materialien Potenzial für nachhaltigere Arzneimittelverpackungen haben, erläutern Elmar Kroth und Dennis Stern vom Bundesverband der Arzneimittel-Hersteller im DAZ-Interview mit Gesa Gnegel. Zum Artikel

The Vertical Farming Boom is over (for now). What went wrong? – Sifted
Vor drei Jahren steckten Investoren viel Geld in Start-ups, die den Vertical-Farming-Markt aufbauen wollten. Der große Erfolg blieb aus – und Selin Bucak geht den Gründen nach. Ein paar davon: sehr hohe Energiekosten, hohe Marketingausgaben, kein tragfähiges Geschäftsmodell, das sich skalieren lässt. Fazit: Tot ist der Markt nicht, aber nach einer Revolution sieht es auch nicht aus. Zum Artikel

Rewe hat alle Papierprospekte abgeschafft – so reagieren die Kunden – Wirtschaftswoche
Keine Handzettel mehr: Rewe preist seine Produkte seit wenigen Wochen nur noch digital an, um CO₂ und Papier einzusparen. Die Kunden würden die Umstellung mitmachen, bilanziert Hendryk Hielscher, der Umsatz ginge nicht zurück. Die Konkurrenz ist trotzdem skeptisch – und setzt weiter auf Papier. Zum Artikel

Wie grün können Waschmaschinen, Kühlschränke und Smartphones sein? – Handelsblatt
Für viele Käufer sei Nachhaltigkeit ein “wichtiges Kriterium” bei Elektroartikeln, schreiben Christof Kerkmann und Nadine Schimroszik – und attestieren, dass das Thema bei der Ifa 2023 allgegenwärtig ist. Trotzdem stecke die Branche in einem Dilemma: “Den Widerspruch zwischen Weihnachtsgeschäft und Nachhaltigkeit kann die IFA nicht auflösen.” Hohe Umsätze will trotzdem jeder machen. Zum Artikel

Mobility as a Service muss Spaß machen! – Fraunhofer IAO Blog
Sharing-Angebote könnten den Verkehr nachhaltiger machen. Aber unter welchen Bedingungen nehmen Kunden sie an? Wenn der “emotionale Nutzen” hoch ist, sagt Nicolaj Motzer vom Fraunhofer Institut und erklärt, warum dieser wichtiger ist als der ökonomische und der funktionale Nutzen. Zum Artikel

CDP: Most G20 countries lack nature-related corporate disclosure policies – Business Green
Vor dem G20-Gipfel in Delhi hat das Carbon Disclosure Projekt eine Mitteilung herausgegeben, wonach die meisten der G20-Staaten noch keine Regeln für Unternehmen eingeführt hätten, über naturbezogene Risiken zu berichten, obwohl dies im Dezember auf dem Weltnaturgipfel in Montreal beschlossen worden sei. Das berichtet Cecilia Keating. Zum Artikel

Wann kommt der Klima-Finanzcrash? – taz
Das weitverbreitete “Nordhaus-Modell”, das Ökonomen verwendeten, um zu simulieren, wie groß Schäden durch den Klimawandel sein werden, unterschätze systematisch die möglichen Schäden, schreibt Christian Mihatsch. Ein Grund dafür sei, dass Kipppunkte nicht eingepreist seien. Das führe dazu, dass Finanzmarktakteure davon ausgingen, Börsenkurse würden nur um drei bis zehn Prozent sinken, wenn sich die Erde um vier Grad erwärmt. Zum Artikel

Konservatismus und Naturschutz sind nur scheinbar Gegensätze – Neue Zürcher Zeitung
Edward Knaterian argumentiert in seinem Gastbeitrag für die NZZ, dass Umweltschutz ein Kernanliegen von Konservativen sein müsste – auch weil durch die Unbestimmtheit dessen, was bewahrt (“conservare”) werden soll, langfristig nur Mensch und Natur bleibe. Stattdessen wolle Konservatismus heute vielfach das unbeschränkte Wirtschaftswachstum bewahren. Zum Artikel

Nachhaltigkeit: “Wir sind mit der Natur verwoben” – Der Standard
Ronald Pohl hat die Philosophin Eva von Redecker interviewt. Mit ihrem Buch Bleibefreiheit hatte sie heftige Diskussionen ausgelöst. Die Autorin fordert eine Neuorientierung des Denkens. Dabei soll Maß an den Zyklen der Natur genommen werden. Zum Artikel

Standpunkt

Anlauf nehmen mit ESRS: Sieben Gründe, warum Nachhaltigkeit Unternehmen stärkt

Von Nicolette Behncke
Die Wirtschaftsprüferin Nicolette Behncke ist als Partnerin im Bereich Nachhaltigkeitsberatung bei PwC Deutschland tätig.

Mit den European Sustainability Reporting Standards (ESRS) beginnt eine neue Ära. Denn diese einheitlichen europaweiten Berichtspflichten sollen und werden die Produktions- wie Arbeitsbedingungen durch mehr Transparenz deutlich verbessern: Konkrete Vorgaben und bessere Kontrollen sollen künftig helfen, Menschenrechtsverletzungen, Korruption und Greenwashing zu verhindern. Am 31. Juli 2023 hat die Europäische Kommission nach einer umfangreichen, öffentlichen Rückmeldungsphase den endgültigen delegierten Rechtsakt verabschiedet.

Nach der Bearbeitung von über 600 Kommentaren bleiben nun zwölf finalisierte ESRS, aufgeteilt in zwei übergreifende Standards zu Nachhaltigkeitsfragen und zehn themenspezifische Vorgaben zu Umwelt-, Sozial- und Governance-Fragen (“ESG”). Eine wichtige Entwicklung, denn Unternehmen mussten bisher – anders als beispielsweise in der Finanzbranche – ihren Einsatz für ESG-Themen bisher kaum dokumentieren. Das ändert sich mit den ESRS, die als Teil der EU Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) die Nachhaltigkeitsberichterstattung von über 50.000 Unternehmen bestimmen.

Europäische Kommission kommt Firmen entgegen

Um Firmen die Umstellung auf eine funktionierende Berichterstattung zu erleichtern, hat die Europäische Kommission Anpassungen vorgenommen. So bleibt Unternehmen für die erstmalige Abgabe besonders herausfordernder Informationen mehr Zeit, um innerhalb komplexer Lieferketten Routinen zu etablieren. Schließlich braucht es für faire Arbeitsbedingungen und nachhaltigere Produktionen bessere Absprachen und klare Koordination.

Die EU-Kommission kommt Unternehmen weiter entgegen: So hat sie die Frage der Wesentlichkeit bei einzelnen Angabepflichten neu verhandelt und einige Pflichtangaben in freiwillige Angaben umgewandelt. Auch damit will sie vor allem den Aufwand für Unternehmen reduzieren und die Erstanwendung erleichtern.

Aber wann greifen die ESRS? Für Firmen, die aktuell schon eine nicht-finanzielle Berichterstattung ablegen müssen, ist das Geschäftsjahr 2024 bindend. Allen anderen bleibt ein Jahr mehr Zeit. Doch das ist kein Grund, sich auszuruhen – vielmehr geht es darum, die verbleibende Zeit zu nutzen, um die eigenen Prozesse zu prüfen und sich in eine gut vorbereitete Ausgangsposition zu bringen.

1. Selbst aktiv werden für einen langfristigen Wandel

Es gibt gute Gründe, auch außerhalb der ESRS die eigenen Nachhaltigkeitsbemühungen voranzutreiben. Die Standards sollten lediglich den letzten Anstoß geben, um die dringend nötigen Verbesserungen konsequent umzusetzen.

2. Reputations- und Markenvorteile

Eine transparente, nachvollziehbare Nachhaltigkeitsberichterstattung stärkt das Ansehen und die Glaubwürdigkeit eines Unternehmens immens. Statt leerer grüner Versprechen zählen tatsächliches Engagement und valide Zahlen. Wer ein ehrliches Interesse daran hat, den eigenen ökologischen Fußabdruck zu reduzieren, punktet bei Kunden, Investoren und der Öffentlichkeit.

3. Investorenanforderungen und Kapitalgeber

ESG-Bemühungen rücken für Stakeholder immer stärker in den Fokus. Das gilt in besonderem Maße für Geldgeber, die bewusst in Firmen investieren, die ihre Nachhaltigkeitsleistungen aktiv vorantreiben. Damit können Unternehmen, die auf Investoren oder andere Kapitalgeber angewiesen sind, es sich nicht leisten, bei ihrem Handeln ESG-Kriterien nicht zu berücksichtigen.

3. Risikomanagement

Eine gründliche Nachhaltigkeitsberichterstattung ist die beste Investition, um nicht von drohenden Risiken überrascht zu werden. Wer die eigenen Ressourcen und Prozesse im Blick hat, kann rechtliche Konflikte ebenso wie Störungen in der Lieferkette frühzeitig erkennen und beheben. Das spart Kosten, wertvolle Arbeitsstunden und mühsames Nachjustieren.

4. Mitarbeitendenbindung und -motivation

Im Alltagsgeschäft sollte dabei eines nie unterschätzt werden: die Bedeutung von klaren Nachhaltigkeitsbemühungen für die Mitarbeitendenbindung. In einer Zeit des Fachkräftemangels und einem Bewusstsein dafür, dass faire Arbeitsbedingungen zu mehr Zufriedenheit und besseren Ergebnissen führen, wiegt eine klare Nachhaltigkeitsstrategie umso schwerer. Denn Mitarbeitende fühlen sich deutlich verbundener mit einem Unternehmen, mit dessen Werten und Zielen sie sich identifizieren können.

5. Innovationsanreize

Wer die eigenen Daten genau analysiert, kann offene Potenziale erkennen und im zweiten Schritt neue Wege entdecken, mit denen sich die Firma nachhaltiger aufstellt. Bei der Suche nach konkreten Ansätzen zur Umsetzung offenbaren sich dann häufig neue Geschäftsmodelle und Innovationen, die helfen, gesetzte Nachhaltigkeitsziele schneller zu erreichen und sich an die volatilen Marktbedingungen anzupassen.

6. Regulatorische Voraussicht

Das ESG-Umfeld ist besonders regulatorisch äußerst volatil. Um nicht von Gesetzesänderungen überrascht zu werden, ist es ratsam, entsprechende Entwicklungen im Blick zu behalten. Denn sicher ist vor allem eins: Die ESRS werden nicht die letzten Regularien sein, die zum Thema Nachhaltigkeit auf Unternehmen zukommen. Betroffene, die sich frühzeitig aller Anforderungen bewusst sind, haben mehr Zeit, entsprechende Anpassungen vorzunehmen und so zu den Vorreitern zu gehören.

7. Langfristige Wertschöpfung

Je tiefer der ESG-Gedanke in der eigenen Unternehmensstrategie verankert ist, desto mehr profitieren alle Beteiligten davon. Denn klare, faire Verhältnisse sorgen für eine Wertschöpfung, die auf Stabilität und Resilienz innerhalb der einzelnen Prozessschritte gebaut ist. Indem Firmen ihre Geschäftsstrategie auf nachhaltige Weise ausrichten, verändern sie ihre eigenen Arbeitsbedingungen positiv – eine wichtige Grundlage für echte Zukunftssicherheit.

Auf den ersten Blick sind die ESRS für viele Unternehmen ein deutlicher organisatorischer und zeitlicher Mehraufwand. Verbunden mit – je nach Ausgangssituation – tiefgreifenden Umstellungen entlang der Produktions- und Lieferkette. Daneben sind die Standards aber insbesondere der notwendige Impuls, um Unternehmen zu ermutigen, Nachhaltigkeit als integralen Bestandteil ihrer Strategie zu verstehen und entsprechend zu priorisieren.

Nicolette Behncke ist Partnerin im Bereich Nachhaltigkeitsberatung bei PwC Deutschland und Gründungsmitglied des Arbeitskreises Integrated Reporting und Sustainable Management der Schmalenbachgesellschaft für Betriebswirtschaft e.V. 

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Heads

Tine Laufer – Lobbyistin für Klimaschutz in einer gerechteren Welt

Tine Laufer beschäftigt sich als Geschäftsführerin der NGO Powershift mit Fragen der sozial-ökologischen Transformation.

Mit ihrer Kampagne zum Ausstieg Deutschlands aus dem Energiecharta-Vertrag hat die Berliner Nichtregierungsorganisation Powershift die Bundesregierung lobbyiert. Dass Deutschland Ende 2022 aus dem Vertrag ausgestiegen ist, wertet die Organisation daher auch als eigenen Erfolg. Berlins Austritt hatte Auswirkungen bis nach Europa, schließlich hat die Kommission nun einen kollektiven EU-Austritt vorgeschlagen. Zu den weiteren Erfolgen zählt Powershift den Stopp von TTIP und den Berliner Kohleausstieg. Tine Laufer, die Vorständin, stellt fest: “Manchmal sind wir selbst erstaunt, wie weit wir kommen”. 

Tine Laufer ist eine echte Berlinerin. Aufgewachsen ist sie im ehemaligen Ostberlin in Prenzlauer Berg. Die 46-Jährige studierte Jura an der Humboldt-Universität zu Berlin, absolvierte dort ihr zweites Staatsexamen. Für einen Master in internationalen Beziehungen ging sie nach Australien, an die University of New South Wales in Sydney. Und weil sie “sehr viele verschiedene Interessen hat”, entschied sie sich für ein weiteres Masterstudium in Organisationswissenschaften, das mit Auslandsaufenthalten in Russland und Armenien verbunden war. In diesem Rahmen leitete sie von 2010 bis 2015 das Informationszentrum des Deutschen Akademischen Austauschdienstes in Armenien. Somit hat sie eine “ganz große Generalistinnen-Ausbildung” genossen, wie sie sagt.

Keine Hierarchien

Privat treibt sie der Wunsch an, zu einer gerechteren Welt mit mehr Klimaschutz beizutragen. Seit Ende 2017 ist sie deshalb bei Powershift tätig, Anfang 2018 übernahm sie bereits die Rolle der Geschäftsführerin. Die Organisation wurde 2010 gegründet und zählt heute zehn Mitarbeitende. Powershift versteht sich weder als klassische NGO, noch als Thinktank – “eine Mischung von beidem” treffe es am besten. Denn: “Wir wollen keine großen wissenschaftlichen Studien schreiben, sondern die schwierigen Sachverhalte so weit herunterbrechen, dass die interessierte Öffentlichkeit sie auch versteht.”

In ihrer Organisation versucht Laufer Hierarchien zu vermeiden: “Wir sind alle gleichgestellt und verdienen auch das Gleiche.” Als Geschäftsführerin kümmert sie sich darum, dass abseits der inhaltlichen Arbeit alles läuft: Personalfragen, Finanzen, normative Entscheidungen und Satzungsänderungen. “Ich behalte den Überblick und greife ein, falls etwas nicht rund läuft. Aber innerhalb der inhaltlichen Fragestellungen hat jeder und jede größtmögliche Entscheidungsfreiheit.” Alle Entscheidungen, die die Gesamtorganisation betreffen, werden im Team besprochen und abgestimmt. Ihren Führungsstil bezeichnet sie als “partizipativ”: “Wir reden so lange, bis wir uns einig sind.”

Mehr Klimapolitik trotz Mehrfachkrise

Einen wichtigen Teil der Arbeit von Powershift macht die Lobbyarbeit aus. Ob diese auf nationaler oder auf europäischer Ebene ansetzt, hängt von den jeweiligen Themen ab. Laufer selbst ist dauerhaft in Berlin und behält von dort den Überblick. Doch ihre Kolleginnen und Kollegen reisen oft nach Brüssel, um Kontakte ins Parlament herzustellen und zu pflegen. Derzeit ist das Handelsabkommen Mercosur ein wichtiges Thema auf EU-Ebene. Powershift arbeitet bereits seit einigen Jahren inhaltlich dazu, wie Tine Laufer berichtet, und hat somit “bei Mercosur derzeit keine Probleme, Kontakt zu entscheidungsrelevanten Abgeordneten herzustellen.”

Sorge bereitet ihr die Entwicklung, dass im Zuge der multiplen Krisen und Unterbrechungen der Lieferketten “Gesetzesvorhaben nun mit einer totalen Geschwindigkeit durch die Parlamente getrieben werden, dass man den Eindruck bekommt, es gehe nur noch um Versorgungssicherheit. Dabei rückt der Fokus auf Klimaschutz und Menschenrechte in den Hintergrund.” Als Beispiel nennt sie den Critical Raw Materials Act. Die kurzen Zeiträume, innerhalb derer auf Gesetzesvorschläge reagiert werden müsse, “umgehen festgelegte demokratische Entscheidungsprozesse.” Der vermeintliche Druck, sich in internationaler Konkurrenz mit China Rohstoffe um jeden Preis sichern zu müssen, ist für Tine Laufer nicht vereinbar mit konsequenter Klimapolitik und einem damit einhergehenden Reduktionsgedanken. Ihr fehlt derzeit eine Kohärenz in der europäischen Politik. Clara Baldus

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ESG.Table Redaktion

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    Liebe Leserin, lieber Leser,

    Nachhaltigkeit ist allgegenwärtig, auch auf der IAA Mobility in München. Natalie Portman, Schauspielerin, Veganerin, Aktivistin, erklärt in einem “Visionary Talk”, wie die bezahlbare Verkehrswende aussehen sollte, in den Panels geht es um selbstfahrende Autos, Mikromobilität und Diversität. Und die IAA erklärt auf ihrer Website: “Um das Klima nicht zu verändern, ändern wir alles andere: Antriebe, Rohstoffe, Produktionsprozesse.” 

    Wir ändern alles? Das wäre neu. Bislang ist der Sektor dadurch aufgefallen, dass seine Produkte immer größer und schwerer werden, noch immer vor allem mit Verbrennern laufen und unterm Strich seit Jahrzehnten fast nichts zur Reduktion der Treibhausgase beitragen. Ermöglicht wurde das auch durch eine Politik, die dem motorisierten Individualverkehr den Vorrang gegeben hat. Die Folge: Fast 49 Millionen Autos sind auf deutschen Straßen unterwegs. So viele wie nie zuvor. 

    Wirtschaftlich betrachtet ist das natürlich erfreulich. Nur wer Geld einnimmt, kann sich verändern – die Transformation ist teuer. Allerdings zeigt sich inzwischen, dass die Margen stark schrumpfen, wie Carsten Hübner in seiner Analyse beschreibt. Wer sich also nicht beeilt, dem geht womöglich der finanzielle Spielraum verloren. Und dann sind Sätze wie “Wir ändern alles” erst recht nicht mehr haltbar. 

    Übrigens sind diese aus anderer Sicht ebenfalls problematisch: Die EU diskutiert derzeit, wie Mitgliedstaaten Greenwashing künftig abstrafen könnten. Die Autobranche sollte sich auch deshalb überlegen, verbal ein wenig abzurüsten. 

    Zum Schluss noch zwei Hinweise: Am kommenden Montag (11. September) diskutieren wir über die Halbzeitbilanz der Sustainable Development Goals – und Sie können dabei sein. Zusammen mit dem Rat für Nachhaltige Entwicklung, dem Sustainable Development Solutions Network (SDSN) Germany und dem Netzwerk Weitblick e.V. laden wir zu einer Online-Veranstaltung ein. Los geht es um 11 Uhr, die Anmeldung finden Sie hier. 

    Und: Mit dem Start der Haushaltsberatungen des Bundestages geht die Regierungszeit der Ampel-Koalition in dieser Woche in die zweite Hälfte. Welche politischen Themen sollte die Bundesregierung in den kommenden Monaten anpacken, in welchen Politikfeldern erwarten Sie Einigungen? Diese und andere Fragen zur Zukunft der Ampel – aber auch zur Bewertung der ersten Hälfte der Legislatur und der Leistungen der Ministerinnen und Minister – stellt Table.Media in einer Umfrage. Wir laden Sie ein, daran teilzunehmen und bitten Sie um Ihre Einschätzungen. Seien Sie gespannt auf die Ergebnisse, die wir Ihnen natürlich auch gern zusenden. 

    Ihr
    Marc Winkelmann
    Bild von Marc  Winkelmann

    Analyse

    Autozulieferer: Transformationspfad mit Schlaglöchern

    Bundeskanzler Scholz bei IAA-Eröffnung: Die Deutschen haben die Wucht des Wandels in der Autoindustrie nicht kommen sehen.

    Die internationale Automobilindustrie befindet sich in einem tiefgreifenden Transformationsprozess. Neben der Digitalisierung ist die Elektrifizierung des Antriebs die zentrale Herausforderung. Die IAA Mobility, die am Dienstag offiziell eröffnet wurde, spiegelt das Ausmaß des Umbruchs wider. Fast die Hälfte der Aussteller kommt aus Asien, allein 40 Prozent aus China. Experten wie Stefan Bratzel, Direktor des Center of Automotive Management (CAM), sprechen deshalb von einer “China-Show”.

    Ein großer Teil des Problems ist hausgemacht. Viel zu lange haben die deutschen Autobauer die Mobilitätswende verschlafen und am Verbrennungsmotor festgehalten. Noch immer fahren über 80 Prozent der verkauften Neuwagen mit Benzin oder Diesel. Dass die Hersteller trotzdem oder gerade deshalb derzeit satte Gewinne einfahren, macht die Sache nicht einfacher.

    Denn schon jetzt laufen ausländische Autobauer mit einem klaren Fokus auf Elektromobilität den Deutschen den Rang ab. Das gilt für Tesla ebenso wie für BYD, das Volkswagen in China beim Absatz überholt hat. Hinzu kommt, dass die deutschen Konzerne keine preiswerten Einstiegsmodelle und Kleinwagen haben. Da hilft es auch wenig, dass VW jetzt angekündigt hat, die E-Mobilität zu “demokratisieren” und ab 2025 erschwingliche Elektroautos zu bauen. Der Vorsprung der Konkurrenz wird bis dahin eher noch größer werden.

    Deutsche Zulieferer: hoher Umsatz, niedrige Marge

    Lena Donat, Verkehrsexpertin der Umweltschutzorganisation Greenpeace, überrascht das nicht. “Die deutschen Autobauer haben über Jahre das Potenzial von E-Autos kleingeredet und sich an klimaschädliche Verbrenner geklammert.” Niemand dürfe sich wundern, dass die Deutschen von E-Autoherstellern aus den USA und China abgehängt werden, so Donat. “Auch viele Zulieferer haben das absehbare Ende des Verbrennungsmotors viel zu lange ignoriert, ohne sich neu aufzustellen.”

    Die deutschen Zulieferer stecken in diesem Prozess zwischen Baum und Borke – und kämpfen sich durch eine unwirtliche Transformationslandschaft. Denn auch wenn Bosch, ZF Friedrichshafen und Continental noch immer die Top-100-Liste der größten Automobilzulieferer anführen – die Marge stimmt trotz steigender Umsätze seit Jahren nicht mehr. Der Strategieberatung Berylls zufolge lag sie 2022 im Schnitt bei mageren 3,5 Prozent.

    Hoher Investitionsbedarf, geringe Stückzahl

    Dafür gibt drei Hauptgründe: Erstens die stark gestiegenen Erzeugerpreise. So mussten die deutschen Zulieferer im Jahr 2022 Preissteigerungen bei Löhnen, Energie und Rohstoffen von 33 Prozent gegenüber dem Vorjahr verkraften, die sie kaum an die Hersteller weitergeben konnten. Zweitens machen sich zunehmend der Fachkräftemangel und steigende Zinsen bemerkbar.

    Hinzu kommt, drittens, dass viele deutsche Zulieferer – ebenso wie ihre Kunden – erst am Anfang des Wandels stehen. Das bedeutet, dass ein hoher Investitionsbedarf auf geringe Stückzahlen trifft, was sich zwangsläufig negativ auf die Marge auswirkt. Die chinesischen und koreanischen Wettbewerber sowie Tesla profitieren bereits von ersten Skaleneffekten, die sich aus ihrer starken Marktposition in China und bei Batterien insgesamt ergeben. Die Batterie macht noch bis zu 40 Prozent der Produktionskosten eines Elektroautos aus.

    Zulieferer nicht kreditwürdig

    Die niedrigen Margen wiederum erschweren die Umstrukturierung. Denn die Transformation kostet viel Geld – und die Zulieferer haben es laut der Strategieberatung Oliver Wyman zufolge oft unnötig schwer, an frisches Kapital zu kommen. Grund seien die seit der Coronakrise rapide gesunkenen Ratings der Branche, die sich bis heute nicht erholt hätten. Selbst führende Unternehmen erreichten nicht einmal das Niveau BB+.

    “Mit diesem Rating, das als spekulativ gilt, hat die deutsche Zulieferindustrie bei Banken einen äußerst schweren Stand – und das oft zu Unrecht”, sagt Lutz Jäde, Leiter für Turnaround & Restructuring in Europa bei Oliver Wyman. Zwar gebe es Unternehmen, die unzureichend auf die Herausforderungen reagiert hätten oder deren Geschäftsmodell gefährdet sei. “Aber viele der Unternehmen sind hochprofitabel, systemrelevante Innovationstreiber und gut aufgestellt für die Transformation in Richtung Elektromobilität.”

    Zulieferindustrie verliert bereits Arbeitsplätze

    Das bestätigt auch Helena Wisbert, Direktorin des Center Automotive Research (CAR). Zulieferer, die früh auf Technologien wie die immer wichtiger werdende Sensorik oder Elektromotoren gesetzt haben, seien gut unterwegs und zum Teil Innovationsführer, sagt sie. “Bei mittelständischen Zulieferern, die sich auf Zulieferteile für Verbrennerfahrzeuge spezialisiert haben und jetzt die Transformation finanziell nicht stemmen können, wird die Luft in den nächsten Jahren hingegen dünn.” Die Folgen sind spürbar. Zwischen 2018 und 2022 haben die Zulieferer 37.000 Arbeitsplätze verloren. Heute liegt die Zahl der Beschäftigten im Jahresdurchschnitt bei knapp 274.000.

    VDA: Zulieferindustrie ist Treiber des Wandels

    Der Verband der deutschen Automobilindustrie (VDA) lobt dennoch die Transformationsanstrengungen der Branche. “Die Zulieferindustrie ist Treiber des Wandels und gleichzeitig liefert sie Spitzenprodukte für die aktuellen Produkte”, sagte ein Sprecher auf Anfrage. Laut VDA wird die deutsche Automobilindustrie von 2023 bis 2027 weltweit rund 250 Milliarden Euro in Forschung und Entwicklung investieren. Hinzu kämen 130 Milliarden Euro für den Neu- und Umbau von Fabriken. “Das unterstreicht den Willen, klimaneutrale Mobilität schnellstmöglich Realität werden zu lassen.”

    Anton Pieper, Referent für Wirtschaft und Menschenrechte bei der Organisation Weltwirtschaft, Ökologie & Entwicklung (WEED) hält das nicht für ausreichend. “Nur wenn Mobilitätswende und Rohstoffwende zusammen gedacht werden, kann die E-Mobilität ein nachhaltiger Baustein bei der Transformation des Verkehrssektors werden.” Denn die Herstellung der Batterien gehe mit gravierenden Auswirkungen auf Mensch und Umwelt einher, vor allem in Ländern des globalen Südens. “Hinzu kommt, dass Recyclingkapazitäten noch nicht weit ausgebaut sind, auch wenn es zunehmend Recyclinganlagen für Batterien in Europa gibt.”

    Doch mehr Innovation als erwartet?

    Ein soeben erschienener Econpol Policy Brief des Münchner Ifo-Instituts fällt deutlich optimistischer aus. Das gilt insbesondere für den Qualifikationsstand und die Innovationspotenziale. Demnach ist der Anteil der Beschäftigten, die für Elektromotoren oder Batteriezellen qualifiziert sind, in Deutschland höher als in Frankreich, Italien, Spanien oder den USA. Auch bei “grünen” Patenten in der Elektromobilität oder beim Brennstoffzellenantrieb liege Deutschland weit vor allen anderen Wirtschaftsnationen.

    Grundlage der Untersuchung waren Patentanmeldungen in der EU, Japan und den USA sowie die Profile von mehr als einer halben Million Beschäftigten der Automobilindustrie im Online-Netzwerk LinkedIn. Mitautor Oliver Falck, Leiter des Ifo-Zentrums Industrieökonomik und Neue Technologien, sieht darin einen klaren Beleg dafür, dass die deutsche Automobilindustrie nicht nur bei Verbrennungsmotoren, sondern auch bei der Elektromobilität ganz vorne mitspielt.

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    EU will Kreislaufwirtschaft für Fahrzeuge stärken

    Altautos auf dem Schrottplatz: Die deutsche Automobilindustrie ist der größte Verbraucher nicht-recycelter Rohstoffe.

    Sechs Millionen Fahrzeuge erreichen in Europa jährlich das Ende ihrer Lebensdauer. Dann gelten sie als Altfahrzeuge – und bergen einen enormen Schatz an Materialien, von energieintensiven Grundstoffen wie Stahl und Aluminium über Edelmetalle bis hin zu Seltenen Erden.

    Die EU-Altfahrzeugrichtlinie aus dem Jahr 2000, die in Deutschland durch die Altfahrzeug-Verordnung umgesetzt ist, legt Maßnahmen zur Vermeidung und Begrenzung von Abfällen aus Altfahrzeugen und deren Bauteilen fest und stellt sicher, dass diese wiederverwendet, recycelt oder verwertet werden.

    Seit 2015 müssen mindestens 95 Prozent des Leergewichts aller Altfahrzeuge wiederverwendet oder verwertet werden. Davon müssen mindestens 85 Gewichtsprozent wiederverwendet oder recycelt werden. Die Mitgliedstaaten berichten jährlich über die Menge an Altfahrzeugen sowie die Wiederverwertungs- und Recyclingraten; diese sind bereits sehr hoch: Im EU-Durchschnitt beträgt die Wiederverwertungsrate knapp 95 Prozent, die Recyclingrate 89 Prozent. In Deutschland liegt sie nur knapp darunter, bei 94 Prozent Wiederverwertung und 87 Prozent Recycling.

    Die EU-Kommission überarbeitet die Richtlinie nun und hat im Juli einen Entwurf für eine Verordnung vorgestellt. Denn trotz hoher Recyclingquoten stehen einer funktionierenden Kreislaufwirtschaft im Automobilsektor einige Hindernisse im Weg: Nur geringe Mengen an Kunststoffen werden bislang recycelt und wiederverwendet, und die anfallenden Altmetalle sind von geringer Qualität. Zudem wird mit dem Übergang zur Elektromobilität und der zunehmenden Integration von Elektronik in Fahrzeugen die Nachfrage nach Kupfer und kritischen Rohstoffen steigen. Deshalb liegt der Fokus der Überarbeitung auf Zielen für den Einsatz von Rezyklat. Zudem adressiert sie das Problem des “unbekannten Verbleibs” von Altfahrzeugen.

    Hersteller verwenden vor allem Primärrohstoffe

    Die Automobilindustrie gehört zu den größten Verbrauchern von Primärrohstoffen und setzt bisher nur wenig recycelte Materialien ein. Laut Angaben der EU-Kommission kommt der europäische Automobilsektor im Jahr auf:

    • 19 Prozent der Nachfrage der EU-Stahlindustrie,
    • 10 Prozent des Gesamtverbrauchs an Kunststoffen,
    • 42 Prozent der Nachfrage nach Aluminium,
    • 6 Prozent der Nachfrage nach Kupfer,
    • 65 Prozent der Produktion von Gummiwaren,
    • sowie einen großen Teil in der EU hergestelltes Flachglas.

    Dazu kommen die Rohstoffe für Batterien, deren Bedarf mit dem Hochlauf der E-Mobilität immens steigen wird: Kobalt, Lithium, Nickel, Mangan und Graphit. Vorgaben zur Zirkularität der Batterierohstoffe werden in der Batterieverordnung reguliert, die Anfang 2024 in Kraft tritt.

    Die Kommission geht zudem davon aus, “dass die Automobilindustrie in Europa zum größten Verbraucher kritischer Rohstoffe für Dauermagnete von Elektromotoren werden wird”. Hier besteht eine immense Abhängigkeit von China: Permanentmagnete werden zu 94 Prozent aus China importiert, die dafür benötigten Seltenen Erden zum Großteil in China abgebaut und verarbeitet.

    Kupfer und Seltene Erden stehen bereits auf der EU-Liste der Rohstoffe, die aufgrund der derzeitigen Abhängigkeiten von einzelnen Exportländern, ihrer Bedeutung für die Industrie und der rasant steigenden Nachfrage als strategisch gelten. Für sie sieht der derzeit im EU-Parlament verhandelte Critical Raw Materials Act größere Produktionskapazitäten innerhalb der EU, eine Importdiversifizierung und größere Recyclingkapazitäten vor. Bauxit, aus dem Aluminium hergestellt wird, steht auf der Liste kritischer Rohstoffe. Für sie gelten die Ziele, das Versorgungsrisiko zu überwachen und zu mindern sowie ihren freien Verkehr im EU-Binnenmarkt zu gewährleisten. Laut dem Verhandlungsmandat des Rats sollen Bauxit, Aluminiumoxid und Aluminium als strategische Rohstoffe eingestuft werden.

    VDA kritisiert Closed-Loop-Ansatz

    Die Kommission will das Recycling und die Wiederverwertung dieser Rohstoffe im Automobilsektor fördern und deshalb in der neuen Verordnung Zielvorgaben für den Einsatz von Rezyklat in Fahrzeugen festlegen. Im Entwurf gibt es jedoch nur eine konkrete Zahl: 25 Prozent des Kunststoffs, der für den Bau eines neuen Fahrzeugs verwendet wird, müssen aus dem Recycling stammen. Davon wiederum müssen 25 Prozent aus Altfahrzeugen rezykliert werden. Für eine mögliche Festlegung von Zielvorgaben für den Recyclinganteil von Seltenen Erden, Aluminium und Magnesium sowie deren Legierungen soll die Kommission zunächst Machbarkeitsstudien durchführen.

    Der Verband der deutschen Automobilindustrie (VDA) ist laut einem aktuellen Positionspapier zur Kreislaufwirtschaft “bestrebt, den Einsatz von Sekundärmaterialien zu erhöhen und somit weniger Neumaterialien aus fossilen Quellen und Erzen zu verwenden”. Bislang werden nur wenig Sekundärmaterialien eingesetzt; viele Vorhaben beziehen sich vor allem auf das Recycling der Batterien von E-Autos. Fahrzeuge der BMW Group bestehen laut eigenen Angaben aktuell aus “bis zu 30 Prozent recyceltem und wiederverwendetem Material”. Audi hat in diesem Jahr ein Projekt gestartet, um “den Anteil an eingesetzten Rezyklaten in der Audi-Flotte in den nächsten Jahren beständig zu erhöhen”.

    Anders als im Gesetzesentwurf der EU-Kommission vorgesehen, sollte die Nutzung aller Materialquellen ermöglicht werden, sagt Michael Püschner, Leiter des Fachgebiets Umwelt und Nachhaltigkeit beim VDA. Der Kommissionsentwurf sehe zum Beispiel für Kunststoff lediglich einen Post-Consumer- sowie einen Closed-Loop-Ansatz vor, bei dem die Rezyklateinsatzquoten durch wiedergewonnene Materialien desselben Fahrzeugtyps erreicht werden müssen. Dies sei in der Praxis nicht umsetzbar. Deshalb sollte es mehr und branchenübergreifende Optionen für die Unternehmen geben, um vorgegebenen Quoten überhaupt ansatzweise erreichen zu können. Der VDA schlägt daher vor, die Höhe und Zusammensetzung der Rezyklateinsatzquote noch einmal grundsätzlich zu überdenken und an die tatsächlichen Marktgegebenheiten anzupassen.

    Exporte und illegale Demontagen stören Kreislauf

    Ein weiteres Hindernis für die Kreislaufwirtschaft: Etwa 78 Prozent der Altfahrzeuge werden exportiert und sind deshalb für eine Verwertung in Deutschland nicht mehr verfügbar. Laut einer neuen Publikation des Wuppertal Instituts und der nordrhein-westfälischen Landesgesellschaft NRW.Energy4Climate ist dies zwar zunächst begrüßenswert, da durch die Weiternutzung im Ausland die Lebensdauer verlängert werde. Allerdings sei fraglich, was mit den Fahrzeugen im Ausland passiere.

    Fast 90 Prozent der Altfahrzeuge aus Deutschland werden zwar in andere EU-Staaten exportiert. Anschließend folgt jedoch oft der Export ins außereuropäische Ausland, etwa nach Westafrika. Nach Angaben des UN-Umweltprogramms (UNEP) wurden 42 Prozent der Gebrauchtfahrzeuge, die von 2015 bis 2020 in EU-Ländern gehandelt wurden, in Länder außerhalb der EU exportiert. “Grundsätzlich gehen mit diesen Exporten signifikante Mengen an Sekundärrohstoffen für eine Verwertung in Deutschland verloren, was den Bedarf nach energieintensiver Primärproduktion erhöht und gerade bei kritischen Rohstoffen zur Abhängigkeit von globalen Lieferketten beiträgt”, heißt es in der Analyse des Wuppertal Instituts.

    Darüber hinaus werden in Deutschland jährlich rund 150.000 Altfahrzeuge überhaupt nicht erfasst. Laut der Analyse ist oft eine nicht anerkannte Demontage in illegalen Verwertungsbetrieben der Grund. Hier setzt auch der Vorschlag der EU-Kommission an: Durch mehr Inspektionen, eine digitale Verfolgung von Altfahrzeugen in der gesamten EU und höhere Geldbußen für Verstöße soll das Verschwinden von Fahrzeugen gestoppt werden. Die Ausfuhr nicht verkehrstauglicher Gebrauchtfahrzeuge soll zudem verboten werden.

    Kommission stärkt erweiterte Herstellerverantwortung

    Der Entwurf enthält darüber hinaus die folgenden Vorgaben:

    • Die Automobilhersteller müssen den Demontagebetrieben klare und detaillierte Anweisungen dazu geben, wie Teile und Bauteile während der Nutzung und am Ende der Lebensdauer eines Fahrzeugs ersetzt und entfernt werden können.
    • Nationale Systeme der erweiterten Herstellerverantwortung sollen gestärkt werden. Diese zielen darauf ab, eine angemessene Finanzierung für obligatorische Abfallbehandlungsverfahren bereitzustellen, Anreize für Recyclingunternehmen zu schaffen, die Qualität recycelter Materialien aus Altfahrzeugen zu verbessern und so eine verstärkte Zusammenarbeit zwischen den Betreibern der Behandlung und den Herstellern zu fördern.
    • Die Maßnahmen sollen mehr Fahrzeuge abdecken. Der Anwendungsbereich wird schrittweise auf neue Kategorien wie Motorräder, Lastkraftwagen und Busse ausgeweitet.
    • Die Mitgliedstaaten sollen Anreize für Werkstätten und Reparaturwerkstätten schaffen, um den Verkauf von Ersatzteilen zu unterstützen.

    Bis Ende Oktober läuft nun die öffentliche Konsultation zu dem Entwurf.

    • Circular Economy
    • EU-Batterieverordnung
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    • kritische Rohstoffe

    “Afrikas Reserven an Seltenen Erden sind weitgehend unerforscht”

    Abbau Seltener Erden in Südafrika: Der Kontinent hat viel ungenutztes Potenzial.

    Herr Ahadjie, bei den Seltenen Erden gibt es ein häufiges Missverständnis. Anders als der Name suggeriert, sind sie in vielen Teilen der Welt in großen Mengen vorhanden. Wozu werden sie benötigt?
    Seltene Erden kommen in einer Vielzahl von Gesteinen vor. Per Definition sind Seltene Erden eine Gruppe von 17 Elementen im Periodensystem, die geologisch immer gemeinsam vorkommen. Das bedeutet, dass man nicht nur ein einzelnes Seltenerdelement abbauen kann. Einige von ihnen sind wichtig für die Herstellung von Magneten, die in den Motoren von Windkraftanlagen verwendet werden.

    Oft werden kritische Mineralien und Seltene Erden verwechselt. Worin besteht der Unterschied?
    Da gibt es Überschneidungen. Die USA haben 16 der 17 Seltenen Erden als “kritisch” für ihre Wirtschaft eingestuft: Auf der anderen Seite haben wir zum Beispiel Kobalt, Lithium, Mangan, Nickel und Grafit, die für die Batteriechemie und die Energiewende äußerst wichtig sind. Sie gehören jedoch nicht zur Gruppe der Seltenen Erden. Ihre Verfügbarkeit ist geografisch eingeschränkt, Kobalt und Lithium etwa sind nicht überall zu finden. Aus diesem Grund werden sie von den USA, der EU und anderen Ländern als “kritische Mineralien” eingestuft. Hinzu kommen andere Faktoren wie die Verwendung für die Verteidigung oder andere wichtige Sektoren.

    Was ist bekannt über die Vorkommen von Seltenen Erden auf dem afrikanischen Kontinent im Vergleich zum Rest der Welt?
    China steht mit etwa 44 Millionen Tonnen an Reserven an der Spitze. Das Land ist auch der größte Produzent weltweit. Nach China folgen Brasilien, Vietnam, Russland, Indien, Australien und Grönland. In Afrika ist Burundi derzeit der einzige Produzent von Seltenen Erden. Länder wie Südafrika und Uganda haben ein paar Projekte angekündigt. In unserer Analyse für die Afrikanische Entwicklungsbank über die Wertschöpfungskette für Seltene Erden haben wir festgestellt, dass auch Simbabwe, Malawi, Angola und Madagaskar das Potenzial zum Bergbau haben.

    Könnte Afrika ein wichtiger Akteur werden, wenn die Produktion ausgeweitet würde?
    Afrikas Seltene Erden sind weitgehend untererforscht. Europa, Amerika und Australien wissen sehr gut, über welche Ressourcen sie verfügen. In Afrika haben wir noch nicht das nötige Explorationskapital generieren können, um die Vorkommen zu erschließen. Aber wir wissen aus den bisherigen Bodenproben auf dem Kontinent, dass die Qualität der Lagerstätten sehr hoch ist. Deshalb glaube ich, dass Afrika in Zukunft ein wichtiger Akteur in diesem Geschäft sein wird.

    Heute ist China nicht nur die größte Nation, die Seltene Erden fördert. Nach Angaben der Internationalen Energieagentur werden über 90 Prozent der weltweiten Seltenen Erden in China veredelt. Europa ist besorgt über diese Abhängigkeit und möchte seine Lieferquellen diversifizieren. Welche Rolle könnte Afrika spielen?
    Alle wollen das Monopol von China brechen. Aber momentan haben sie die großen Vorkommen an Seltenen Erden. Wenn es Afrika gelingt, beträchtliches Kapital anzuziehen, dann werden im Laufe der Zeit mehr Seltene Erden auf dem Kontinent entdeckt und produziert werden. Ich sehe Afrika da als Partner sowohl der EU als auch Amerikas, um die Lieferkette schrittweise zu diversifizieren.

    Es wird viel über Partnerschaften und strategische Allianzen geredet, aber die Praxis sieht oft anders aus. Was muss getan werden, um wirklich etwas zu bewirken?
    Seit der Kolonialzeit verbindet Europa und Afrika eine Geschichte der Abhängigkeit. Vertrauen auf der Seite der afrikanischen Staaten muss wiederhergestellt werden. Es muss gezeigt werden, dass sich das Vorgehen dieses Mal geändert hat und es nicht nur um den Export von Rohstoffen nach Europa geht. Die EU muss dafür sorgen, dass Teile der Wertschöpfungsketten für Batterien und E-Autos auf dem afrikanischen Kontinent stattfinden, wo auch die Rohstoffe herkommen. Nur so wird daraus eine Beziehung, von der beide Seiten profitieren.

    Woran denken Sie konkret?
    Rund 600 Millionen Menschen in Afrika haben keinen Zugang zu Elektrizität. Aber der Kontinent hat enormes Potenzial für die Erzeugung erneuerbarer Energie durch Solarkraft, Windkraft und Erdwärme. Wie können wir dafür sorgen, dass auch die Energieanlagen vor Ort in Afrika hergestellt werden? Es müssen jene Magnete produziert werden, die in Windturbinen und ähnlichem verbaut werden. Das Lied, das Afrika hören möchte, handelt nicht allein von Rohstoffexporten.

    Jerry Kwame Ahadjie ist Chief Minerals Officer am African Natural Resources Management and Investment Centre der Afrikanischen Entwicklungsbank.

    • Afrika
    • Rohstoffe
    • Seltene Erden

    Termine

    10. bis 15. September 2023, Hattingen
    Seminar Chic aber schmutzig: Globale Wertschöpfung und soziale Kämpfe in der Bekleidungsindustrie (DGB Bildungswerk) Info & Anmeldung

    11. September 2023, 11:00-12:00 Uhr, Online
    Table.Live-Briefing Halbzeit für die SDGs – Kann die Agenda 2030 noch erreicht werden? (Table.Media) Info & Anmeldung

    12. September 2023, 19:00 Uhr, Online
    Vortrag Partnerschaft auf Augenhöhe: Wie werden internationale Pläne für nachhaltige Entwicklung umgesetzt? (Hanns-Seidel-Stiftung) Info & Anmeldung

    13. September 2023, 7:30-8:30 Uhr, Online
    Workshop Fokus Gemeinwohl: Einstieg für Unternehmen und Organisationen in die Nachhaltigkeit (Gemeinwohl Ökonomie Deutschland) Info & Anmeldung

    13. September 2023, 11:30-12:30 Uhr, Online
    Webinar Bilanzierung von Scope 3-Emissionen (B.A.U.M. e.V.) Info & Anmeldung

    13. September 2023, 12:00-15:00 Uhr, Berlin
    Diskussion Endspurt für die SDG – Wie können wir die Agenda 2030 noch erreichen? (Venro) Info & Anmeldung

    13. September 2023, 17:00-20:00 Uhr, Online
    Workshop Wie geht gute Klimakommunikation? – Teil 2 (Heinrich-Böll-Stiftung) Info & Anmeldung

    13. September 2023, 18:00-19:30 Uhr, Berlin
    Diskussion Sozial-ökologische Transformation finanzieren – Mit mehr, weniger oder einem ganz anderen Finanzmarkt? (Friedrich-Ebert-Stiftung) Info & Anmeldung

    13. September 2023, Frankfurt am Main
    16. Jahreskonferenz: Nachhaltige Geldanlagen 2023 (Frankfurt School Verlag) Info & Anmeldung

    13.-14. September 2023, Offenbach
    Festival Impact Festival 2023 (Neosfer) Info & Anmeldung

    13. und 14. September 2023, Jena
    16. Bundeskongress Nationale Stadtentwicklungspolitik: “Zukunftswerkstatt StadtLand – Wege zu einem neuen Miteinander!” (Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen) Info & Anmeldung

    14. September 2023, Berlin und Online
    Konferenz Unternehmen & Verantwortung für die Umwelt – Die neuen OECD Leitsätze (OECD) Info & Anmeldung

    14.-15. September 2023, Frankfurt am Main
    Workshop Grüner wird’s nicht – ESG Finance Workshop zum Thema Green Financing (Linklaters) Info & Anmeldung

    News

    Plastik: UNEP-Entwurf für globales Abkommen

    Das Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP) hat einen Entwurf für das geplante globale Abkommen gegen Plastikmüll veröffentlicht. Er listet zu relevanten Handlungsfeldern mögliche Pflichten auf, welche die beteiligten Staaten beschließen könnten – von einem gänzlichen Verbot “kurzlebiger” Kunststoffprodukte bis hin zu Aufforderungen, notwendige Schritte zu unternehmen, diese zu reduzieren.

    Der Entwurf dient als Diskussionsgrundlage für das dritte Verhandlungstreffen vom 13. bis 19. November in Nairobi (Kenia), dem Hauptsitz des VN-Umweltprogramms. Insgesamt sind fünf Treffen geplant, im nächsten Jahr soll das Abkommen stehen. Wie ambitioniert es wird, also ob es zu Verboten kurzlebiger Kunststoffe kommt, lässt sich kaum abschätzen, da die Interessen der Staaten zum Teil weit auseinanderliegen. Dabei geht es vor allem um grundsätzliche Fragen, etwa: Inwieweit sollten die Plastikmengen reduziert werden und was kann Recycling leisten?

    Im März 2022 hatten sich die UN-Mitgliedstaaten darauf geeinigt, einen Vertrag zu erarbeiten, der die weltweite Plastikverschmutzung beenden soll. Die OECD geht bislang davon aus, dass sich die Kunststoffabfälle bis 2060 verdreifachen werden – von 353 Millionen Tonnen auf rund 1 Milliarde Tonnen, die Hälfte werde auf Deponien landen, ein Fünftel verbrannt. Zwei Drittel der Abfälle werden kurzlebige Produkte wie Verpackungen, Billigwaren oder Textilien sein, schätzt die OECD. Der Anteil recycelter Abfälle werde sich bis 2060 nur auf 17 Prozent erhöhen, von 9 Prozent in 2019. nh

    • Abfall
    • Plastik

    Studie: Resiliente Lieferketten für Klima-Tech

    Für eine resiliente Transformation zur Klimaneutralität muss die Politik die gesamte Wertschöpfungskette zentraler Technologien wie Fotovoltaik, Batterien und Elektrolyseure in den Blick nehmen und darf sich nicht nur auf die Versorgung mit Rohstoffen konzentrieren. Das ist das Ergebnis einer neuen Studie im Auftrag der Stiftung Klimaneutralität.

    Demnach sollten für besonders kritische Teile der Wertschöpfungskette (etwa Teile der PV-Industrie, die Herstellung von Permanentmagneten, die komplette Lieferkette von Lithium-Ionen-Batterien und die Produktion von grünem Stahl) mithilfe einer offensiveren Ansiedlungspolitik Märkte in Deutschland und der EU aufgebaut werden. Subventionen und befristete Betriebskostenbeihilfen können laut der Studie ein Level Playing Field zu Konkurrenten außerhalb Europas schaffen.

    Wissenschaftler von Prognos, dem Öko-Institut und dem Wuppertal Institut haben in der Studie die Wertschöpfungsketten von sieben besonders kritischen Transformationstechnologien untersucht:

    • Fotovoltaik
    • Windkraft
    • Lithium-Ionen-Batterien
    • Permanentmagneten
    • Elektrolyseure
    • Wärmepumpen
    • Stahl

    Für diese Schlüsseltechnologien werden sieben Rohstoffe hinsichtlich ihrer Förderung und Verarbeitung als kritisch bewertet: Grafit, Iridium, Kobalt, Lithium, Mangan, Nickel, sowie Leichte und Schwere Seltene Erden. Entschlossenes politisches Handeln, insbesondere in der Transformationsphase bis 2030/35, könne diese Kritikalität jedoch entscheidend abmildern.

    Zu den Handlungsempfehlungen an die Politik zählt außerdem die Einführung eines Resilienz-Monitorings auf deutscher und europäischer Ebene, welches der Politik und Wirtschaft regelmäßig relevante Informationen liefern könnte. Um die Position deutscher und europäischer Unternehmen auf dem Weltmarkt zu stärken, empfiehlt die Studie gebündelte Einkaufsgemeinschaften für strategische Rohstoffe und Güter. Dafür müsste das Kartellrecht angepasst werden, das eine solche Einkaufsmacht bisher verhindert.

    Laut den Wissenschaftlern sind resiliente Lieferketten eine entscheidende Frage der nationalen Sicherheit und Souveränität. Die Debatte konzentriere sich jedoch häufig nur auf die Verfügbarkeit der benötigten Rohstoffe und lasse außer Acht, dass es entlang der gesamten Lieferkette zu Versorgungsengpässen kommen kann. leo

    • Elektrolyseure
    • Rohstoffe
    • Rohstoffstrategie

    EU-Nachhaltigkeitsstandards mit GRI kompatibel

    Die European Financial Reporting Advisory Group (EFRAG) und die Global Reporting Initiative (GRI) haben eigenen Angaben zufolge ein hohes Maß an Interoperabilität zwischen den neuen EU-Standards für die Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen (ESRS) und jenen der GRI hergestellt.

    Unternehmen, die bisher die GRI-Standards nutzen, um über Nachhaltigkeit zu berichten, seien daher gut vorbereitet auf die Berichterstattung nach den ESRS, von denen die EU-Kommission die branchenunabhängigen Standards im Juli beschlossen hat. Laut Mitteilung von EFRAG und GRI werden Firmen, die im Rahmen der CSRD nach ESRS berichten, als solche betrachtet, die nach GRI-Standards berichten. Doppelaufwand entfiele dadurch.

    Weltweit nutzen mehr als 10.000 Organisationen die GRI-Standards, um über Nachhaltigkeit zu berichten. Laut der Beratungsfirma KPMG sind sie global die am weitverbreitetsten Standards. Die ersten Leitlinien des GRI für Nachhaltigkeitsberichterstattung wurden 2000 veröffentlicht, drei Jahre nach der Gründung der Initiative durch die Non-Profit-Organisationen Ceres und Tellus Institute in Partnerschaft mit dem Umweltprogramm der Vereinten Nationen. Seit 2016 veröffentlicht GRI globale Standards für die Nachhaltigkeitsberichterstattung. nh

    • Berichtspflichten
    • Nachhaltigkeit

    Vermögensverwalter: Nur wenige ESG-“Leader” 

    Welche Vermögensverwalter sind glaubwürdig bei ESG-Investments? Das Finanzinformations- und Analyseunternehmen Morningstar hat zum vierten Mal untersucht, wie gut Firmen weltweit abschneiden und ein neues Ranking erstellt. Ergebnis: Von 108 untersuchten Assetmanagern bleibt die Mehrheit auf einem niedrigeren Niveau. Nur acht konnten sich als “Leader” qualifizieren. 

    Mit seinem Ranking zielt Morningstar darauf ab, Anlegern dabei zu helfen, dass ihre Investments sozial-ökologische Aspekte berücksichtigen und etwa das Klima schonen. Konkrete Benchmarks oder Ausschlusskriterien legten die Analysten nicht an, vielmehr bewerteten sie nach den drei Kriterien “Philosophy & Process”, “Resources” sowie “Active Ownership”. Heißt: Wer sein Geschäft und die Prozesse schon vor Jahren nach ESG-Aspekten ausgerichtet hat, ein Team von Experten unterhält, dieses eng mit den Investment-Kollegen arbeitet, Rahmenwerke und internationale Vereinbarungen wie “Principles for Responsible Investment” (PRI) oder die Sustainable Development Goals (SDG) unterstützt und Veränderungen bei den Vorständen und Aufsichtsräten von Konzernen anstößt, landet auf der Skala oben.

    Gemessen daran erhielten 21 Vermögensverwalter die zweitbeste Auszeichnung “Advanced”, 48 “Basic” und 31 “Low”. Im Vergleich zur letzten Untersuchung wurde UBS Asset Management auf “Basic” herabgestuft, BlackRock, Capital Group und JPMorgan rangieren ebenfalls auf dem Level, Vanguard wurde als “Low” einsortiert. Zu den besten zählen unter anderem Domino, Robeco, Australian Ethical und Stewart Investors. maw

    • ESG-Investments
    • Investitionen

    Bankenverband kritisiert Indikator zur Nachhaltigkeitsmessung

    Laut Bankenverband eignet sich die Kennzahl “Green Asset Ratio” nicht als Steuerungsgröße, um Fortschritte in der Transformation der Wirtschaft sichtbar zu machen. Mit dem Indikator sollen Banken ab nächstem Jahr den Anteil ökologisch-nachhaltiger Finanzierungen an ihrer Bilanzsumme nachweisen, um Anforderungen der EU-Taxonomie zu erfüllen – einem System, mit dem nachhaltige Wirtschaftsaktivitäten klassifiziert werden sollen, um Kapital in solche umzulenken.

    Zu diesem Ergebnis kommt der Bankenverband in einer Analyse der Taxonomie-Quoten von 450 Unternehmen in Europa. Demnach bilde die Green Asset Ratio “die Nachhaltigkeitsprofile der Banken nur unzureichend ab”, sagte Heiner Herkenhoff, Hauptgeschäftsführer des Bankenverbands. Denn die Taxonomie erfasse ohnehin nur etwa 30 Prozent der Wirtschaft, 70 Prozent seien im regulatorischen Sinne nicht nachhaltig. Zudem erfüllten erst sieben Prozent der untersuchten Unternehmen die Kriterien der Taxonomie. Im Mittelstand seien es weniger.

    Herkenhoff sagte deshalb: “Wir stehen erst am Anfang der Transformation und sollten uns vom ‘Grün oder Nicht-Grün’-Denken verabschieden.” Stattdessen forderte er, den Blick auf Firmen zu richten, die gerade erst mit der Transformation beginnen oder kurz davorstehen. In der Studie heißt es dazu: “Transformationsaktivitäten von Unternehmen und deren Finanzierung sollten viel größeres Gewicht bekommen.” Um den Indikator Green Asset Ratio “zumindest ansatzweise zu verbessern […] sollten Projektfinanzierungen einfließen”, wie von Windparks. nh

    • Banken
    • Taxonomie

    Klimagipfel in Afrika: Grünes Wachstum im Fokus

    Bärbel Kofler, Staatssekretärin im BMZ, will sich beim Afrikanischen Klimagipfel, der am Montag in Nairobi (Kenia) begonnen hat, für afrikanische Lösungen bei der Bekämpfung des Klimawandels in Afrika einsetzen. Das sagte Kofler im Vorfeld des Treffens, das bis zum heutigen Mittwoch läuft. “Wir starten bewusst keine neuen deutschen Initiativen bei diesem Gipfel, sondern konzentrieren uns auf die tatkräftige Unterstützung afrikanischer Initiativen. Denn Afrika spürt nicht nur die Folgen des Klimawandels, der Kontinent hat auch viel zu bieten, wenn es um konkrete Lösungen geht”, so Kofler.

    Im Fokus des internationalen Treffens stehen die Themen grünes Wachstum und Klimafinanzierung in Afrika. Beim Gipfel sind die afrikanischen Staatschefs aufgerufen, ambitioniertere Klimaziele zu formulieren. Kenias Regierung richtet den Gipfel gemeinsam mit der Kommission der Afrikanischen Union (AU) aus.

    “Die Maßnahmen, die wir jetzt ergreifen, werden entscheidend sein, um das 1,5-Grad-Ziel in Reichweite zu halten”, hieß es in einer gemeinsamen Mitteilung des kenianischen Präsidenten William Ruto, des designierten Präsidenten der Klimakonferenz in Abu Dhabi, Sultan Ahmed Al Jaber, und des Vorsitzenden der Kommission der AU Moussa Faki Mahama. Die Industriestaaten müssten zudem die bereits zugesagten Hilfen zur Klimafinanzierung einhalten, hieß es in der Mitteilung.

    Zudem sollen Rahmenbedingungen geschaffen werden, um das enorme Potenzial des Kontinents bei den Erneuerbaren Energien zu erschließen. Obwohl die afrikanischen Staaten nur für drei Prozent der historischen Treibhausemissionen verantwortlich sind, werden viele afrikanische Länder schon jetzt besonders stark von Klimakatastrophen wie Dürren oder Überschwemmungen heimgesucht. dre

    • Afrika
    • Klimaschutz

    Fossile Energien: Banken investieren Billionen US-Dollar

    Statt die Transformation hin zu einer nachhaltigen Wirtschaft zu fördern, investieren internationale Großbanken Billionen von Dollar in den Ausbau der emissionsintensivsten Industrien im globalen Süden. Das ist das Resultat einer Studie der NGO ActionAid, die die Kreditvergabe global aktiver Finanzinstitute analysiert hat.

    Demnach flossen zwischen 2016 und 2022 rund 3,2 Billionen Dollar in den Ausbau der fossilen Energiewirtschaft und etwa 370 Milliarden in die Expansion der industriellen Landwirtschaft im globalen Süden. Neben US-amerikanischen und europäischen Geldhäusern waren auch chinesische Banken maßgeblich beteiligt. Im Durchschnitt hätten Banken des globalen Nordens dem Bericht zufolge im genannten Zeitraum rund 513 Milliarden Dollar pro Jahr in beide Wirtschaftszweige investiert.

    Neben privaten seien auch öffentliche Finanzinstitute maßgeblich an dieser Praxis beteiligt, so die Studie. Demgegenüber stünden lediglich 22 Milliarden Dollar, die die Länder des Nordens für die Bekämpfung und Eindämmung der Klimakrise im globalen Süden aufgebracht hätten. Größter Kreditnehmer im Bereich Agrarwirtschaft sei der Studie zufolge mit rund 20 Milliarden Dollar übrigens der deutsche Multi Bayer gewesen.

    Die Länder des globalen Südens sind nicht nur am stärksten von den Auswirkungen der globalen Klimakrise betroffen und zugleich vergleichsweise schlecht für deren Bekämpfung aufgestellt, sie tragen mit ihren deutlich geringeren CO₂-Emissionen auch wesentlich weniger Verantwortung. Am Ende des Berichts findet ActionAid daher deutliche Worte: “In dieser dringlichen Zeit des Klimawandels müssen öffentliche Mittel aufgestockt und im globalen öffentlichen Interesse eingesetzt werden, um einen gerechten Übergang zu erneuerbaren Energien und Agrarökologie zu ermöglichen. Zugleich muss der Wahnsinn, dass Banken und Regierungen weiterhin die Zerstörung des Planeten finanzieren, ein Ende haben.” Lukas Franke

    • Finanzen
    • Globaler Süden

    Presseschau

    Clean Energy Projects Are Booming Everywhere. Except in Poor Nations – The New York Times
    Die Investitionen in erneuerbare Energien nehmen weltweit zu. In diesem Jahr wird erstmals mehr Geld in Solarenergie als in Öl investiert. Doch an den ärmsten Ländern der Welt geht dieser Wandel weitgehend vorbei, hat Max Bearak recherchiert. Der Grund: Das globale Kreditsystem stuft die Investitionsbedingungen vor allem für Staaten in Afrika als zu riskant ein. Zum Artikel

    African leaders at odds over climate plans as crucial Nairobi summit opens – The Guardian
    Laut Caroline Kimeu wird eine entscheidende Frage beim derzeit stattfindenden Africa Climate Summit sein, ob afrikanische Länder ihre Energieinfrastruktur direkt mit Erneuerbaren Energien ausbauen werden. Dass es dazu kommt, sei aber unwahrscheinlich, weil es einige gibt, die ihre Vorkommen an fossilen Energien ausbeuten oder planen dies zu tun, um ökonomisch zu wachsen. Zum Artikel

    Herausforderung nachhaltige Arzneimittelverpackungen – Deutsche Apothekerzeitung
    Vor welche Herausforderungen die Umsetzung der geplanten EU-Verpackungsverordnung die Pharmaindustrie stellen würde und welche Materialien Potenzial für nachhaltigere Arzneimittelverpackungen haben, erläutern Elmar Kroth und Dennis Stern vom Bundesverband der Arzneimittel-Hersteller im DAZ-Interview mit Gesa Gnegel. Zum Artikel

    The Vertical Farming Boom is over (for now). What went wrong? – Sifted
    Vor drei Jahren steckten Investoren viel Geld in Start-ups, die den Vertical-Farming-Markt aufbauen wollten. Der große Erfolg blieb aus – und Selin Bucak geht den Gründen nach. Ein paar davon: sehr hohe Energiekosten, hohe Marketingausgaben, kein tragfähiges Geschäftsmodell, das sich skalieren lässt. Fazit: Tot ist der Markt nicht, aber nach einer Revolution sieht es auch nicht aus. Zum Artikel

    Rewe hat alle Papierprospekte abgeschafft – so reagieren die Kunden – Wirtschaftswoche
    Keine Handzettel mehr: Rewe preist seine Produkte seit wenigen Wochen nur noch digital an, um CO₂ und Papier einzusparen. Die Kunden würden die Umstellung mitmachen, bilanziert Hendryk Hielscher, der Umsatz ginge nicht zurück. Die Konkurrenz ist trotzdem skeptisch – und setzt weiter auf Papier. Zum Artikel

    Wie grün können Waschmaschinen, Kühlschränke und Smartphones sein? – Handelsblatt
    Für viele Käufer sei Nachhaltigkeit ein “wichtiges Kriterium” bei Elektroartikeln, schreiben Christof Kerkmann und Nadine Schimroszik – und attestieren, dass das Thema bei der Ifa 2023 allgegenwärtig ist. Trotzdem stecke die Branche in einem Dilemma: “Den Widerspruch zwischen Weihnachtsgeschäft und Nachhaltigkeit kann die IFA nicht auflösen.” Hohe Umsätze will trotzdem jeder machen. Zum Artikel

    Mobility as a Service muss Spaß machen! – Fraunhofer IAO Blog
    Sharing-Angebote könnten den Verkehr nachhaltiger machen. Aber unter welchen Bedingungen nehmen Kunden sie an? Wenn der “emotionale Nutzen” hoch ist, sagt Nicolaj Motzer vom Fraunhofer Institut und erklärt, warum dieser wichtiger ist als der ökonomische und der funktionale Nutzen. Zum Artikel

    CDP: Most G20 countries lack nature-related corporate disclosure policies – Business Green
    Vor dem G20-Gipfel in Delhi hat das Carbon Disclosure Projekt eine Mitteilung herausgegeben, wonach die meisten der G20-Staaten noch keine Regeln für Unternehmen eingeführt hätten, über naturbezogene Risiken zu berichten, obwohl dies im Dezember auf dem Weltnaturgipfel in Montreal beschlossen worden sei. Das berichtet Cecilia Keating. Zum Artikel

    Wann kommt der Klima-Finanzcrash? – taz
    Das weitverbreitete “Nordhaus-Modell”, das Ökonomen verwendeten, um zu simulieren, wie groß Schäden durch den Klimawandel sein werden, unterschätze systematisch die möglichen Schäden, schreibt Christian Mihatsch. Ein Grund dafür sei, dass Kipppunkte nicht eingepreist seien. Das führe dazu, dass Finanzmarktakteure davon ausgingen, Börsenkurse würden nur um drei bis zehn Prozent sinken, wenn sich die Erde um vier Grad erwärmt. Zum Artikel

    Konservatismus und Naturschutz sind nur scheinbar Gegensätze – Neue Zürcher Zeitung
    Edward Knaterian argumentiert in seinem Gastbeitrag für die NZZ, dass Umweltschutz ein Kernanliegen von Konservativen sein müsste – auch weil durch die Unbestimmtheit dessen, was bewahrt (“conservare”) werden soll, langfristig nur Mensch und Natur bleibe. Stattdessen wolle Konservatismus heute vielfach das unbeschränkte Wirtschaftswachstum bewahren. Zum Artikel

    Nachhaltigkeit: “Wir sind mit der Natur verwoben” – Der Standard
    Ronald Pohl hat die Philosophin Eva von Redecker interviewt. Mit ihrem Buch Bleibefreiheit hatte sie heftige Diskussionen ausgelöst. Die Autorin fordert eine Neuorientierung des Denkens. Dabei soll Maß an den Zyklen der Natur genommen werden. Zum Artikel

    Standpunkt

    Anlauf nehmen mit ESRS: Sieben Gründe, warum Nachhaltigkeit Unternehmen stärkt

    Von Nicolette Behncke
    Die Wirtschaftsprüferin Nicolette Behncke ist als Partnerin im Bereich Nachhaltigkeitsberatung bei PwC Deutschland tätig.

    Mit den European Sustainability Reporting Standards (ESRS) beginnt eine neue Ära. Denn diese einheitlichen europaweiten Berichtspflichten sollen und werden die Produktions- wie Arbeitsbedingungen durch mehr Transparenz deutlich verbessern: Konkrete Vorgaben und bessere Kontrollen sollen künftig helfen, Menschenrechtsverletzungen, Korruption und Greenwashing zu verhindern. Am 31. Juli 2023 hat die Europäische Kommission nach einer umfangreichen, öffentlichen Rückmeldungsphase den endgültigen delegierten Rechtsakt verabschiedet.

    Nach der Bearbeitung von über 600 Kommentaren bleiben nun zwölf finalisierte ESRS, aufgeteilt in zwei übergreifende Standards zu Nachhaltigkeitsfragen und zehn themenspezifische Vorgaben zu Umwelt-, Sozial- und Governance-Fragen (“ESG”). Eine wichtige Entwicklung, denn Unternehmen mussten bisher – anders als beispielsweise in der Finanzbranche – ihren Einsatz für ESG-Themen bisher kaum dokumentieren. Das ändert sich mit den ESRS, die als Teil der EU Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) die Nachhaltigkeitsberichterstattung von über 50.000 Unternehmen bestimmen.

    Europäische Kommission kommt Firmen entgegen

    Um Firmen die Umstellung auf eine funktionierende Berichterstattung zu erleichtern, hat die Europäische Kommission Anpassungen vorgenommen. So bleibt Unternehmen für die erstmalige Abgabe besonders herausfordernder Informationen mehr Zeit, um innerhalb komplexer Lieferketten Routinen zu etablieren. Schließlich braucht es für faire Arbeitsbedingungen und nachhaltigere Produktionen bessere Absprachen und klare Koordination.

    Die EU-Kommission kommt Unternehmen weiter entgegen: So hat sie die Frage der Wesentlichkeit bei einzelnen Angabepflichten neu verhandelt und einige Pflichtangaben in freiwillige Angaben umgewandelt. Auch damit will sie vor allem den Aufwand für Unternehmen reduzieren und die Erstanwendung erleichtern.

    Aber wann greifen die ESRS? Für Firmen, die aktuell schon eine nicht-finanzielle Berichterstattung ablegen müssen, ist das Geschäftsjahr 2024 bindend. Allen anderen bleibt ein Jahr mehr Zeit. Doch das ist kein Grund, sich auszuruhen – vielmehr geht es darum, die verbleibende Zeit zu nutzen, um die eigenen Prozesse zu prüfen und sich in eine gut vorbereitete Ausgangsposition zu bringen.

    1. Selbst aktiv werden für einen langfristigen Wandel

    Es gibt gute Gründe, auch außerhalb der ESRS die eigenen Nachhaltigkeitsbemühungen voranzutreiben. Die Standards sollten lediglich den letzten Anstoß geben, um die dringend nötigen Verbesserungen konsequent umzusetzen.

    2. Reputations- und Markenvorteile

    Eine transparente, nachvollziehbare Nachhaltigkeitsberichterstattung stärkt das Ansehen und die Glaubwürdigkeit eines Unternehmens immens. Statt leerer grüner Versprechen zählen tatsächliches Engagement und valide Zahlen. Wer ein ehrliches Interesse daran hat, den eigenen ökologischen Fußabdruck zu reduzieren, punktet bei Kunden, Investoren und der Öffentlichkeit.

    3. Investorenanforderungen und Kapitalgeber

    ESG-Bemühungen rücken für Stakeholder immer stärker in den Fokus. Das gilt in besonderem Maße für Geldgeber, die bewusst in Firmen investieren, die ihre Nachhaltigkeitsleistungen aktiv vorantreiben. Damit können Unternehmen, die auf Investoren oder andere Kapitalgeber angewiesen sind, es sich nicht leisten, bei ihrem Handeln ESG-Kriterien nicht zu berücksichtigen.

    3. Risikomanagement

    Eine gründliche Nachhaltigkeitsberichterstattung ist die beste Investition, um nicht von drohenden Risiken überrascht zu werden. Wer die eigenen Ressourcen und Prozesse im Blick hat, kann rechtliche Konflikte ebenso wie Störungen in der Lieferkette frühzeitig erkennen und beheben. Das spart Kosten, wertvolle Arbeitsstunden und mühsames Nachjustieren.

    4. Mitarbeitendenbindung und -motivation

    Im Alltagsgeschäft sollte dabei eines nie unterschätzt werden: die Bedeutung von klaren Nachhaltigkeitsbemühungen für die Mitarbeitendenbindung. In einer Zeit des Fachkräftemangels und einem Bewusstsein dafür, dass faire Arbeitsbedingungen zu mehr Zufriedenheit und besseren Ergebnissen führen, wiegt eine klare Nachhaltigkeitsstrategie umso schwerer. Denn Mitarbeitende fühlen sich deutlich verbundener mit einem Unternehmen, mit dessen Werten und Zielen sie sich identifizieren können.

    5. Innovationsanreize

    Wer die eigenen Daten genau analysiert, kann offene Potenziale erkennen und im zweiten Schritt neue Wege entdecken, mit denen sich die Firma nachhaltiger aufstellt. Bei der Suche nach konkreten Ansätzen zur Umsetzung offenbaren sich dann häufig neue Geschäftsmodelle und Innovationen, die helfen, gesetzte Nachhaltigkeitsziele schneller zu erreichen und sich an die volatilen Marktbedingungen anzupassen.

    6. Regulatorische Voraussicht

    Das ESG-Umfeld ist besonders regulatorisch äußerst volatil. Um nicht von Gesetzesänderungen überrascht zu werden, ist es ratsam, entsprechende Entwicklungen im Blick zu behalten. Denn sicher ist vor allem eins: Die ESRS werden nicht die letzten Regularien sein, die zum Thema Nachhaltigkeit auf Unternehmen zukommen. Betroffene, die sich frühzeitig aller Anforderungen bewusst sind, haben mehr Zeit, entsprechende Anpassungen vorzunehmen und so zu den Vorreitern zu gehören.

    7. Langfristige Wertschöpfung

    Je tiefer der ESG-Gedanke in der eigenen Unternehmensstrategie verankert ist, desto mehr profitieren alle Beteiligten davon. Denn klare, faire Verhältnisse sorgen für eine Wertschöpfung, die auf Stabilität und Resilienz innerhalb der einzelnen Prozessschritte gebaut ist. Indem Firmen ihre Geschäftsstrategie auf nachhaltige Weise ausrichten, verändern sie ihre eigenen Arbeitsbedingungen positiv – eine wichtige Grundlage für echte Zukunftssicherheit.

    Auf den ersten Blick sind die ESRS für viele Unternehmen ein deutlicher organisatorischer und zeitlicher Mehraufwand. Verbunden mit – je nach Ausgangssituation – tiefgreifenden Umstellungen entlang der Produktions- und Lieferkette. Daneben sind die Standards aber insbesondere der notwendige Impuls, um Unternehmen zu ermutigen, Nachhaltigkeit als integralen Bestandteil ihrer Strategie zu verstehen und entsprechend zu priorisieren.

    Nicolette Behncke ist Partnerin im Bereich Nachhaltigkeitsberatung bei PwC Deutschland und Gründungsmitglied des Arbeitskreises Integrated Reporting und Sustainable Management der Schmalenbachgesellschaft für Betriebswirtschaft e.V. 

    • Berichtspflichten
    • CSRD
    • ESG-Kriterien

    Heads

    Tine Laufer – Lobbyistin für Klimaschutz in einer gerechteren Welt

    Tine Laufer beschäftigt sich als Geschäftsführerin der NGO Powershift mit Fragen der sozial-ökologischen Transformation.

    Mit ihrer Kampagne zum Ausstieg Deutschlands aus dem Energiecharta-Vertrag hat die Berliner Nichtregierungsorganisation Powershift die Bundesregierung lobbyiert. Dass Deutschland Ende 2022 aus dem Vertrag ausgestiegen ist, wertet die Organisation daher auch als eigenen Erfolg. Berlins Austritt hatte Auswirkungen bis nach Europa, schließlich hat die Kommission nun einen kollektiven EU-Austritt vorgeschlagen. Zu den weiteren Erfolgen zählt Powershift den Stopp von TTIP und den Berliner Kohleausstieg. Tine Laufer, die Vorständin, stellt fest: “Manchmal sind wir selbst erstaunt, wie weit wir kommen”. 

    Tine Laufer ist eine echte Berlinerin. Aufgewachsen ist sie im ehemaligen Ostberlin in Prenzlauer Berg. Die 46-Jährige studierte Jura an der Humboldt-Universität zu Berlin, absolvierte dort ihr zweites Staatsexamen. Für einen Master in internationalen Beziehungen ging sie nach Australien, an die University of New South Wales in Sydney. Und weil sie “sehr viele verschiedene Interessen hat”, entschied sie sich für ein weiteres Masterstudium in Organisationswissenschaften, das mit Auslandsaufenthalten in Russland und Armenien verbunden war. In diesem Rahmen leitete sie von 2010 bis 2015 das Informationszentrum des Deutschen Akademischen Austauschdienstes in Armenien. Somit hat sie eine “ganz große Generalistinnen-Ausbildung” genossen, wie sie sagt.

    Keine Hierarchien

    Privat treibt sie der Wunsch an, zu einer gerechteren Welt mit mehr Klimaschutz beizutragen. Seit Ende 2017 ist sie deshalb bei Powershift tätig, Anfang 2018 übernahm sie bereits die Rolle der Geschäftsführerin. Die Organisation wurde 2010 gegründet und zählt heute zehn Mitarbeitende. Powershift versteht sich weder als klassische NGO, noch als Thinktank – “eine Mischung von beidem” treffe es am besten. Denn: “Wir wollen keine großen wissenschaftlichen Studien schreiben, sondern die schwierigen Sachverhalte so weit herunterbrechen, dass die interessierte Öffentlichkeit sie auch versteht.”

    In ihrer Organisation versucht Laufer Hierarchien zu vermeiden: “Wir sind alle gleichgestellt und verdienen auch das Gleiche.” Als Geschäftsführerin kümmert sie sich darum, dass abseits der inhaltlichen Arbeit alles läuft: Personalfragen, Finanzen, normative Entscheidungen und Satzungsänderungen. “Ich behalte den Überblick und greife ein, falls etwas nicht rund läuft. Aber innerhalb der inhaltlichen Fragestellungen hat jeder und jede größtmögliche Entscheidungsfreiheit.” Alle Entscheidungen, die die Gesamtorganisation betreffen, werden im Team besprochen und abgestimmt. Ihren Führungsstil bezeichnet sie als “partizipativ”: “Wir reden so lange, bis wir uns einig sind.”

    Mehr Klimapolitik trotz Mehrfachkrise

    Einen wichtigen Teil der Arbeit von Powershift macht die Lobbyarbeit aus. Ob diese auf nationaler oder auf europäischer Ebene ansetzt, hängt von den jeweiligen Themen ab. Laufer selbst ist dauerhaft in Berlin und behält von dort den Überblick. Doch ihre Kolleginnen und Kollegen reisen oft nach Brüssel, um Kontakte ins Parlament herzustellen und zu pflegen. Derzeit ist das Handelsabkommen Mercosur ein wichtiges Thema auf EU-Ebene. Powershift arbeitet bereits seit einigen Jahren inhaltlich dazu, wie Tine Laufer berichtet, und hat somit “bei Mercosur derzeit keine Probleme, Kontakt zu entscheidungsrelevanten Abgeordneten herzustellen.”

    Sorge bereitet ihr die Entwicklung, dass im Zuge der multiplen Krisen und Unterbrechungen der Lieferketten “Gesetzesvorhaben nun mit einer totalen Geschwindigkeit durch die Parlamente getrieben werden, dass man den Eindruck bekommt, es gehe nur noch um Versorgungssicherheit. Dabei rückt der Fokus auf Klimaschutz und Menschenrechte in den Hintergrund.” Als Beispiel nennt sie den Critical Raw Materials Act. Die kurzen Zeiträume, innerhalb derer auf Gesetzesvorschläge reagiert werden müsse, “umgehen festgelegte demokratische Entscheidungsprozesse.” Der vermeintliche Druck, sich in internationaler Konkurrenz mit China Rohstoffe um jeden Preis sichern zu müssen, ist für Tine Laufer nicht vereinbar mit konsequenter Klimapolitik und einem damit einhergehenden Reduktionsgedanken. Ihr fehlt derzeit eine Kohärenz in der europäischen Politik. Clara Baldus

    • Klimaschutz
    • NGO
    • Transformation

    ESG.Table Redaktion

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