die Menschheit verbraucht Natur wesentlich schneller, als sie sich erholen kann – weswegen das Naturkapital zwischen 1992 und 2014 weltweit um 40 Prozent gesunken ist. Das zeigt der Ökonom Sir Partha Dasgupta eindrucksvoll in seinem Bericht “Die Ökonomie der Artenvielfalt“. Die Nahrungsmittelproduktion ist eine der Hauptursachen des Verlusts von Biodiversität. Ob die Menschheit den Trend umkehren kann, hängt also entscheidend davon ab, wie Landwirtschaftsbetriebe künftig Nahrungsmittel produzieren.
Die notwendige Transformation zu einer Landwirtschaft, die Böden aufbaut statt verbraucht, wird auch auf der Weltleitmesse für Bio-Lebensmittel Biofach Thema sein, die kommende Woche in Nürnberg stattfindet. Caspar Dohmen schildert vorab am Beispiel der toskanischen Fattoria La Vialla, wie regenerative Landwirtschaft großflächig funktionieren kann. Ob auch konventionelle Landwirtschaft zum Artenschutz beitragen kann, soll das Pilotprojekt F.R.A.N.Z. zeigen. Katarina Jakob zieht eine erste Zwischenbilanz.
Christian Hiß, eine wichtige Stimme für nachhaltige Bewirtschaftung von Böden, argumentiert in seinem Standpunkt für die Einrichtung eines nationalen Transformationsfonds, um Landwirte für Leistungen zu bezahlen, die sie für das Allgemeinwohl erbringen. Anders gelinge es nicht, die Landwirtschaft nachhaltiger zu machen.
Die Pläne der US-Regierung für einen grünen Umbau ihrer Industrie lobt Wirtschaftsminister Robert Habeck, der zusammen mit seinem französischen Amtskollegen Bruno Le Maire in den USA auslotet, inwiefern Schaden von der europäischen Wirtschaft abgewendet werden kann. Bernhard Pötter berichtet von vor Ort.
Um Zukunftsfähigkeit und die Rolle des Staates geht es auch in der Analyse von Leonie Düngefeld. Sie berichtet über Pläne des BMWK, das Bergrecht zu reformieren, wonach der heimische Rohstoffabbau erleichtert und gleichzeitig ökologischer ausgerichtet werden soll.
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Industriell betriebene Landwirtschaft verursacht immense ökologische Schäden. Das bestreiten selbst Befürworter nicht. Sie gehen aber davon aus, dass die wachsende Weltbevölkerung nur mit einer – reformierten – industriellen Landwirtschaft ernährt werden kann. Dem widersprachen schon 2008 mehr als 400 Wissenschaftler im Weltagrarbericht und propagierten eine ökologische Landwirtschaft. Dieses Konzept ist wichtig für die Vereinten Nationen, die im Rahmen der Dekade zur Wiederstellung von Ökosystemen die Zerstörung und Verschlechterung von Milliarden Hektar an Ökosystemen stoppen und umkehren will. Einer der Partnerbetriebe ist die Fattoria La Vialla.
Der Betrieb praktiziert mit der biologisch-dynamischen eine Form der regenerativen Landwirtschaft. Er zeigt, dass dies großflächig möglich ist: Seit mehr als 40 Jahren bewirtschaftet die Familie Lo Franco mehr als 2.000 Hektar Land und Wald. In dem Projekt der UN sieht sie eine große Chance. “Vor allem hoffen wir, dass dadurch mehr Bewusstsein, mehr Sichtbarkeit für eine regenerative, klimapolitische Landwirtschaft entsteht – die andere inspiriert, zu handeln”, sagt Antonio Lo Franco, der mit seinen beiden Brüdern den Betrieb führt. Denn die biologisch-dynamische Landwirtschaft könne nicht nur die Weltbevölkerung ernähren, sondern auch einen Mehrwert für das Gemeinwohl schaffen.
Die fast 200 Menschen, die in dem Betrieb Landwirtschaft betreiben und Nahrungsmittel herstellen, arbeiten nicht gegen, sondern mit der Natur. Wichtige Arbeitsfelder sind:
Mit ihrer Art der Landwirtschaft beteiligen sie sich an der Lösung zweier zentraler Probleme der Menschheit: Der Zerstörung von Böden sowie der Verursachung von CO₂-Emissionen.
In einer Handvoll Ackerboden leben mehr Kleinstorganismen als Menschen auf dem Planeten. Sie bilden einen wichtigen Teil des Humus, also jener dünnen Schicht, auf dem unsere Nahrung wächst. Eigentlich müsste die Menschheit sorgsam mit den Böden umgehen. Denn nur ein Drittel der Fläche ist für die Landwirtschaft überhaupt geeignet und davon wiederum nur ein Drittel für eine intensive Landwirtschaft. Aber vielerorts zerstört die Landwirtschaft Böden und damit die Lebensgrundlage der Menschen. Wind und Wasser tragen jedes Jahr mehr als 24 Milliarden Tonnen der Erdkrume fort.
Weltweit sind schon 20 bis 25 Prozent der Böden erodiert, was enorme Kosten verursacht, weltweit 10 bis 17 Prozent der Weltwirtschaftsleistung. “Das können wir ändern”, sagt Hans Rudolf Herren, Co-Herausgeber des Weltagrarberichts. Denn die Natur habe selbst effektive Maßnahmen, die man wirken lassen solle. Und die Landwirte hätten über die Jahrtausende ein Wissen entwickelt, wie die Bodenfruchtbarkeit erhalten werden kann.
Alceo Orsini, Chefagronom bei der Fattoria La Vialla, hat früher in einer konventionellen Hühnerfarm gearbeitet, mit hunderttausenden Federviechern in Legebatterien. “Gab es ein Problem, studierte ich die Kataloge der Chemiekonzerne.” Vor mehr als 20 Jahren wechselte er die Seite und dachte um: Früher war Natur für ihn “ein notwendiges Übel, heute ist sie ein Ermöglicher und Partner“. Sie finde auch selbst wieder zum Gleichgewicht. Bei falschem Mehltau hätte er früher zum Spritzmittel gegriffen, heute lasse er die Natur wirken.
“Wenn man den Boden pflügt, ist er nackt”, sagt er: Und diese Nacktheit versetze den Boden praktisch in eine “Schockstarre”. Er und sein Team greifen so wenig wie möglich in die Natur ein, bei den Oliven praktisch gar nicht. “Eigentlich bringen wir nur Kompost auf, der Grundgedanke ist einfach, den ganzen Hain fruchtbar zu halten. Also bearbeiten wir nicht jeden einzelnen Baum, sondern das ganze Ökosystem“, sagt er beim Gang über das Gelände. Im Weinberg arbeiten die Bauern zusätzlich mit Gründüngung. “Was wir praktisch aus dem Olivenhain und dem Weinberg an organischer Substanz holen, kompensieren wir mit dem, was wir dem Boden zurückgeben”, sagt er.
Den Effekt ließen sie von einem Labor bestimmen – sie gaben im Abstand von fünf Jahren Bodenproben aus sieben ihrer Weinberge ab. Demnach stieg der Anteil des Humus im Boden, von 2015 bis 2020 je nach Weinberg um elf bis 46 Prozent. “Das ist eine sehr hohe Zahl”, sagt der Agrarwissenschaftler Axel Don vom staatlichen Thünen-Institut in Braunschweig. Denn der Aufbau von Humus vollziehe sich nur sehr langsam. Bei einer guten Herangehensweise sei gewöhnlich ein Aufbau von einem halben Prozent jährlich möglich, also 10 Prozent in 20 Jahren. Man könne auch mehr erreichen, wenn man Humus oder Stallmist aufbringe, aber das sei nur eine Verschiebung der organischen Substanz.
Die Landwirtschaft ist einer der Hauptverursacher von Treibhausgas-Emissionen, neben den Branchen Energieerzeugung, Industrie und Verkehr. La Vialla misst seinen CO₂-Fußabdruck seit dem Jahr 2008. 2021 hat der Betrieb nach eigenen Angaben durch seine Art der Landwirtschaft und Umweltprojekte rund 7.000 Tonnen mehr CO₂ gebunden als emittiert. Für den Zeitraum von 2014 bis 2021 belaufe sich dieser Wert auf fast 37.000 Tonnen CO₂.
Der Betrieb mit Vorbildcharakter engagiert sich lokal und international. So half die Familienstiftung 122 Kleinbetrieben in Italien bei der Umstellung auf Methoden der biologisch-dynamischen Landwirtschaft, verarbeitet teilweise auch deren Ernte. Aber zu den praktischen und theoretischen Schulungen kommen auch Bauern und Bäuerinnen aus der Ferne. Zudem unterstützt die Stiftung Projekte, wie das von Slow Food International vorangetriebene Anlegen von kommunalen Gemüsegartenprojekten in einigen afrikanischen Ländern wie Togo, Burkina Faso oder Nigeria.
Der Betrieb setzt auch Technologie ein, wo es ihm sinnvoll erscheint. So hätten sie mit Partnern eine Maschine entwickelt, die es erlaube, jedes einzelne Blatt eines Rebstocks mit Kupfer zu besprühen. Gleichzeitig sauge die Maschine alles auf, was nicht auf das Blatt gelangt.
“Ökonomisch funktioniert diese Art des Wirtschaftens aber nur, weil wir den ganzen Kreislauf geschlossen haben”, sagt Orsini, “weil wir Obst, Gemüse, Getreide und Fleisch eben selbst weiterverarbeiten und direkt an die Endverbraucher verkaufen”. Denn für solchermaßen verarbeitete Produkte seien die Margen höher als für frische Sachen, wo der Markt “kaputt sei”. Der Betrieb profitiert allerdings auch von den Subventionen, die landwirtschaftliche Betriebe in der EU erhalten.
Die intensive Landwirtschaft gilt als einer der Haupttreiber des Artensterbens, mit ihrem Pestizideinsatz, ihren Monokulturen und der industriellen Tierhaltung. Deshalb hat sich die Bundesregierung das ehrgeizige Ziel gesetzt, bis 2030 den Anteil des Ökolandbaus von rund 10 auf 30 Prozent zu erhöhen. Doch selbst wenn das gelingen sollte – die große Mehrheit der Agrarflächen würde weiter intensiv genutzt. Soll der Artenschwund also wirksam und vor allem zügig gestoppt werden, muss sich vordringlich hier etwas ändern, im konventionellen Bereich.
Das ist der Grundgedanke des F.R.A.N.Z.-Projekts (“Für Ressourcen, Agrarwirtschaft und Naturschutz mit Zukunft”), das 2017 in vergleichsweise kleinem Maßstab startete – mit insgesamt zehn Demobetrieben unterschiedlichster Art, darunter ein Weinbauer, ein Milchviehhalter und mehrere Ackerbaubetriebe. Diese Höfe testen 16 Biodiversitäts-Maßnahmen wie Brachflächen, Feldvogelinseln und Blühstreifen. Auch wenn kein einziger Betrieb dabei zum Biohof wird, sondern weiter Pestizide und Düngemittel einsetzt. Etwaige Ernteausfälle, Mehraufwand und die Kosten der Maßnahmen, wie zum Beispiel das Saatgut, werden den Landwirten ersetzt.
Die Projektleitung teilen sich die Umweltstiftung Michael Otto und der Deutsche Bauernverband, die Fördermittel kommen von der Landwirtschaftlichen Rentenbank, der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung sowie vom Bundesamt für Naturschutz, unterstützt von den beiden Ministerien BMEL und BMUV. Zudem gibt es eine wissenschaftliche Begleitung durch zwei Thünen-Institute, die Universität Göttingen und das Michael-Otto-Institut im NABU.
Denn das Projekt ist mit seinen zehn Demobetrieben zwar recht überschaubar angelegt, aber es erforscht nicht nur die Wirkung von Artenschutzmaßnahmen. Sondern auch, wie sie sich ganz konkret in einen laufenden Intensiv-Betrieb integrieren lassen, der weiterhin auf Effizienz getrimmt ist. Welche Hemmnisse gibt es, wovor schrecken Landwirte zurück? Und welche Vorgaben kollidieren mit ihrer Lebenswirklichkeit? Solche Fragen sind genauso Gegenstand der Begleitforschung wie das Tagfalter-Monitoring oder die Analyse, ob und wie sich die Maßnahmen später auf andere Höfe und Regionen übertragen lassen.
Die Zwischenergebnisse stimmen nun verhalten positiv: Es hat sich gezeigt, dass die Artenvielfalt auch auf konventionell bewirtschafteten Höfen wieder zunehmen kann, manchmal sogar verblüffend stark. So verdoppelte sich etwa die Feldvogeldichte auf den Maßnahmenflächen, auch die Feldhasenpopulation stieg deutlich. Die Insektenwälle – Erdaufschüttungen von etwa zwei Metern Breite und einem halben Meter Höhe – haben sich als besonders effektiv erwiesen und verzeichnen bis zu doppelt so viel Artenreichtum wie andere Maßnahmenflächen. Dagegen haben sich einjährige Blühstreifen in der Praxis nicht bewährt, weil Insekten Überwinterungshabitate und Bodenruhe brauchen. Blühstreifen werden also besser mehrjährig angelegt. Und, ganz wichtig: Landwirte müssen mitreden, mitentscheiden und Maßnahmen auch ablehnen können, sonst machen sie nicht mit.
Das bestätigt auch Jens Dauber, Direktor des Thünen-Instituts für Biodiversität und einer der wissenschaftlichen Begleiter des Projekts: “Das F.R.A.N.Z.-Projekt versucht ganz konkret, mit Landwirten zusammen aufzuzeigen, was auf ihren Betrieben funktioniert. Da gibt es durchaus auch Grenzen, nicht alles ist positiv. Etwa wenn sich bei einer Maßnahme Folgekosten einstellen, weil da im nächsten Jahr mehr Unkraut wächst.”
Eine weitere Erkenntnis der Zwischenbilanz: Es gibt kein “one size fits all”. Nicht zu jedem Betrieb passen alle Maßnahmen, sie müssen flexibel einsetzbar sein, zugeschnitten auf den jeweiligen Hof und passend zum Standort. Davon hängt auch die spätere Übertragbarkeit auf andere Betriebe ab. So sagt Jens Dauber: “Es geht nicht um die einzelnen Maßnahmen an sich. Es geht um die Idee: Welche Kombinationen von Maßnahmen passen am besten zur jeweiligen Landschaft und zu den Agrarsystemen, die sich dort befinden?”
Daher dient das Projekt vor allem dem Ausloten von Kompromissen zwischen Wunsch und Wirklichkeit. Darin liegt auch seine Stärke: Es bringt konträre Parteien wie Artenschützer und Landwirte an einen Tisch und lässt sie gemeinsam praktikable Lösungen finden, die dem Betrieb nicht schaden, die Artenvielfalt trotzdem fördern und deren Effekte wissenschaftlich belegt sind.
Kritische Stimmen kommen hingegen von Forschenden des Ökolandbaus. Die Agraringenieurin Karin Stein-Bachinger untersucht am Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung die Artenvielfalt in der ökologischen Landwirtschaft und sagt: “Diese Bewirtschaftung erbringt bereits viele Naturschutzleistungen. Generell wissen wir auch schon seit Langem von vielen Maßnahmen, wie sie wirken und welche ökonomischen Konsequenzen damit verbunden sind.” Aber noch immer fehle es an der Umsetzung in der Fläche. “Es müsste dringend mehr Geld für die gezielte Umsetzung von Arten- und Klimaschutzmaßnahmen gezahlt werden. Wenn Landwirte für solche Maßnahmen richtig honoriert werden, sind sie zu vielem bereit.”
Doch dazu müsste ein richtig großes Rad gedreht und eine altbekannte Forderung auch tatsächlich umgesetzt werden: mehr Geld aus der ersten Säule der GAP – also den Direktzahlungen an die Landwirte nach Agrarflächen - in die zweite Säule fließen zu lassen. Dort wo Artenschutzmaßnahmen und Klimaschutzleistungen vergütet werden. Und zwar im großen Maßstab. Katharina Jakob
Mitten in der Debatte um einen befürchteten “grünen Handelskrieg” soll es zwischen der EU und den USA mehr Zusammenarbeit beim Austausch von grünen Gütern geben. Die beiden großen Handelsblöcke planen, den gegenseitigen Handel von Greentech durch erleichterte Vorschriften und Standardisierung zu verbessern. “Wir sprechen darüber, ob über gemeinsame Standards und Normensetzung bei den grünen Industrien gemeinsame Märkte geschaffen werden können”, sagte Wirtschaftsminister Robert Habeck am Dienstag zum Abschluss seines Besuches in Washington. Das soll über die bereits bestehende Expertengruppe zwischen den USA und der EU, den “Trade Technology Council” (TTC), geschehen.
Ein “gemeinsames Verständnis” solle “pragmatisch und niedrigschwellig” neue Märkte schaffen, so Habeck. Im Gespräch sei kein umfassendes Freihandelsabkommen, sondern Einigungen in einzelnen Punkten: So könnten etwa “Produkte, die auf dem US-Markt zugelassen sind, automatisch auch in Europa zugelassen werden oder umgekehrt”, sagt Habeck. Bisher sei das nicht der Fall, eine solche Regelung sei aber “keine Raketenwissenschaft”. So solle eine “grüne Brücke über den Atlantik” gebaut werden.
Der Vorstoß zeigt, wie die USA und die EU sich im Streit um Subventionen für grüne US-Produkte vorsichtig annähern wollen. Um die europäischen Interessen anzumelden und Spielräume bei der US-Regierung zu sondieren, war Habeck zusammen mit dem französischen Wirtschafts- und Finanzminister Bruno Le Maire am Dienstag nach Washington gekommen.
Sie absolvierten “in enger Absprache mit der EU-Kommission, die diese Verhandlungen führt”, wie immer wieder betont wurde, einen Tag voller Gespräche in Washington: Auf Habecks Besuchsliste standen neben der Energieministerin Jennifer Granholm auch Außenminister Antony Blinken, Finanzministerin Janet Yellen, Handelsministerin Gina Raimondo und der IRA-Berater von US-Präsident Biden, John Podesta.
Habeck lobte mehrfach den US-amerikanischen “Inflation Reduction Act” (IRA), mit dem der US-Kongress im vergangenen Sommer den Weg frei gemacht hat für massive Investitionen, unter anderem in grüne Technologien: Etwa 370 Milliarden Dollar sollen über zehn Jahre unter anderem in Erneuerbare Energien, grünen Wasserstoff, saubere Mobilität, Batteriefertigung, Kohlenstoffspeicherung (CCS) fließen. Das Paket soll außerdem helfen, die CO₂-Emissionen der USA bis 2030 um jährlich eine Milliarde Tonnen zu senken. Es schafft damit bisher nach einer umfassenden Studie zwei Drittel der Reduktionen, die nötig sind, um die USA wie beschlossen bis 2050 auf Netto-Null-Emissionen zu bringen.
Der IRA ist in den USA vor allem wichtig,
Für US-Präsident Joe Biden war die Verabschiedung des IRA im Sommer 2022 ein großer und überraschender Erfolg. Es wurde erwartet, dass er ihn bei seiner Rede an die Nation am Dienstagabend (nach Redaktionsschluss) zu einem Hauptthema machen würde.
“Wir haben die USA lange gedrängt, beim Klimaschutz ernst zu machen, und IRA ist eine großartige Sache“, so Habeck. Das IRA sei “eigentlich identisch mit dem Green Deal der EU”. Auch Le Maire betonte, eine starke europäische Industrie kooperiere am besten mit einer starken amerikanischen Industrie. Vom IRA und der starken Nachfrage nach Produkten würden laut Habeck auch europäische Industrien wie der Anlagenbau stark profitieren.
Le Maire betonte aber auch, es brauche Fairness im Umgang miteinander. Das bezieht sich auf Vorschriften im IRA, wonach etwa 60 Prozent aller Steuervergünstigungen eine “local content”-Klausel vorsehen. Damit müssen Produkte ganz oder teilweise in den USA gefertigt sein oder aus Kanada oder Mexiko stammen, mit denen die USA Freihandelsabkommen haben. Die EU hat bereits angekündigt, auf das IRA auch damit zu reagieren, ihre Subventions- und Beihilferegeln zu entschlacken, wie Table Media berichtete.
Beim IRA drängen die Europäer besonders an folgenden Punkte auf Änderungen:
Habeck und Le Maire betonten, sie erwarteten nicht, dass der IRA als Gesetzespaket noch einmal verändert werde. Es gehe nun darum, in den Ausführungsbestimmungen noch Fortschritte zu erzielen.
Wie wichtig die Lieferketten für das grüne Wachstum in den USA sind, zeigt eine am Mittwoch erscheinende Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), die Table.Media vorab vorlag. Demnach kommen bislang 76 Prozent der kritischen Rohstoffe aus Ländern, die kein Freihandelsabkommen mit den USA haben. Bei kritischer Greentech wie Photovoltaik, Windturbinen oder Lithium-Batterien stammen die Rohstoffe zu mehr als der Hälfte aus Nicht-Freihandelsländern.
“Die USA wollen mit dem Inflation Reduction Act vor allem die heimische Wirtschaft stützen, sie resilienter gegen Lieferengpässe machen und sich als Technologieführer positionieren. Aber ihre starke Rohstoff- und Technologieabhängigkeit könnte dazu führen, dass sie weiterhin auch auf Länder ohne Freihandelsabkommen angewiesen sind”, erläutert Studienautorin Josefin Meyer.
Noch in dieser Legislaturperiode will das Bundeswirtschaftsministerium das Bundesberggesetz ändern, um den heimischen Bergbau zu stärken. Das kündigte es Anfang Januar im Eckpunktepapier zur Rohstoffstrategie an (Europe.Table berichtete). Die Rohstoffgewinnung in Deutschland soll ökologisch ausgerichtet und erleichtert werden. Das gleiche Ziel verfolgt der für Anfang März angekündigte EU Critical Raw Materials Act: Die Kommission plant, Genehmigungen für Projekte in der EU zu vereinfachen und hohe Umwelt- und Sozialstandards zu etablieren.
Im Mai 2022 hatte sich das BMWK bei einem ersten Fachgespräch mit Expertinnen und Vertretern der Länder zu einer Reform ausgetauscht. Zudem plant das Ministerium, eine Umfrage unter NGO und Verbänden durchzuführen, damit diese ihre Ideen für Reformen teilen können, erklärt eine Sprecherin auf Nachfrage. Aufbauend darauf erstelle das BMWK dann Eckpunkte. Anschließend soll die reguläre Verbändeanhörung stattfinden. Zuständig im Ministerium ist der Parlamentarische Staatssekretär Michael Kellner.
Für die Transformation der Wirtschaft ist eine ausreichende Versorgung der heimischen Industrie mit Rohstoffen unabdingbar. Auch künftig wird Deutschland von Rohstoffimporten abhängig bleiben. Aber nach Ansicht der Industrie sollte auch Deutschland selbst eine größere Rolle beim Abbau von Rohstoffen spielen, so wie dies beispielsweise bei Sand, Kies, Steinsalze und Kali bereits der Fall ist. So hatte der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) bei seinem Rohstoffgipfel im Herbst etwa darauf verwiesen, dass es große Vorkommen an Lithium und Schiefergas gebe und mitgeteilt, dass der Bergbau in Deutschland “nach höchsten Transparenz- und Nachhaltigkeitskriterien” stattfinde. In den vergangenen Jahrzehnten waren es aber die Unternehmen selbst, die Rohstoffe in immer größerem Ausmaß in anderen Regionen der Welt einkauften, weil es dort günstiger war, auch wegen geringerer Umwelt- und Sozialauflagen.
Die Koalitionsfraktionen sind sich zumindest über den Handlungsbedarf einig: “Aus unserer Sicht ist das notwendig, weil wir unser heimisches und europäisches Rohstoffpotential nutzen müssen“, erklärt Sebastian Roloff (SPD). “Nur so können wir Rohstoffabbau unter höchsten ökologischen und sozialen Standards gewährleisten, unsere Abhängigkeiten minimieren und die Resilienz von Lieferketten stärken”. Der Berichterstatter der FDP-Fraktion, Reinhard Houben, erhofft sich von der Novellierung “die heimischen Rohstoff-Potentiale endlich adäquat zu erschließen und eine Abkehr von der Not-in-my-backyard-Politik der vergangenen Jahrzehnte einzuläuten”. Das Bergrecht sei aus der Zeit gefallen und gehöre “auf den Klimaprüfstand”, sagt Armin Grau (Grüne).
Das Bundesberggesetz (BBergG) stammt aus dem Jahr 1980 und führte damals die Landesgesetzgebungen in einen einheitlichen Rechtsrahmen über. Es reguliert das Aufsuchen, Gewinnen und Aufbereiten von Bodenschätzen und die Wiedernutzbarmachung der Flächen nach der bergbaulichen Nutzung.
Laut dem Umweltbundesamt (UBA) “erweist sich das BBergG über die Jahrzehnte seines Bestehens als erstaunlich undurchlässig für die Integration von umwelt- und naturschutzrechtlichen Anforderungen“. Zwar seien zwingende EU-Vorgaben, wie die Richtlinie zur Einführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung, umgesetzt worden. Davon abgesehen habe “der Bundesgesetzgeber bisher wenig Reformwillen erkennen lassen”, schreibt das UBA. Daher räume das Gesetz der Sicherung der Rohstoffversorgung noch heute einen “klaren Vorrang vor anderen Gemeinwohlbelangen” ein, heißt es in einem Positionspapier des UBA von Dezember 2020.
Aufgrund der oftmals erheblichen Eingriffe in die Natur und die Folgen für die lokale Bevölkerung, auch lange nach Durchführung der Projekte, spricht sich das UBA schon lange für eine umfassende Reform des BBergG aus. Diese müsse das Ziel verfolgen, “dass sowohl der Bedarf heutiger als auch künftiger Generationen gedeckt wird und hohe Umwelt- und Arbeitsschutzstandards effektiv eingehalten werden”.
“Natur-, Umwelt- und Ressourcenschutz sowie individuelle Grundrechte finden im BBergG kaum Beachtung“, sagt auch Josephine Koch, Referentin beim Forum Umwelt und Entwicklung. Sie sieht die Gefahr, dass diese Belange zugunsten schnellerer und einfacherer Genehmigungsverfahren noch stärker verwässert werden. Der Vorrang für den Rohstoffabbau müsse abgeschafft und Naturschutzbehörden mit einem Vetorecht ausgestattet werden, fordert sie.
Die Industrie sieht das anders: “Das Bergrecht wurde fortlaufend an die rechtlichen Entwicklungen angepasst. Bei Bergbauvorhaben sind bereits heute dieselben ökologischen Anforderungen wie bei anderen Vorhaben zu beachten”, heißt es in einer Stellungnahme der Vereinigung Rohstoffe und Bergbau (VRB) und des Verbands der Kali- und Salzindustrie. “Daher ist das Bergrecht modern, ökologisch und auf der Höhe der Zeit, und es besteht kein grundlegender Änderungsbedarf“.
Aus Sicht der Verbände sind eines der “wirklichen Probleme” die bisher sehr langen Planungs- und Genehmigungsverfahren. Zügige, entschlackte und digitalisierte Verfahren sollten der Standard werden. Die schnelle Genehmigung und Umsetzung der LNG-Terminals habe der Branche Hoffnung gemacht, sagt Olaf Alisch vom Verband Bergbau, Geologie und Umwelt (VBGU). Für den Bergbau sei ein vergleichbarer Zeitraum aber nicht realistisch: “Dazu sind diese Projekte zu komplex”. Verfahren in beispielsweise vier bis sechs Jahren wären aber – im Vergleich zu den heutigen Verfahren über zehn bis zwölf Jahre – schon ein riesiger Erfolg.
Stefan Rouenhoff (CDU) bemängelt, die Bergbauindustrie sei zu wenig in den Konsultationsprozess des BMWK eingebunden. Im Herbst stellte er dazu eine schriftliche Frage. Unter 30 geladenen Gästen bei dem Fachgespräch im Mai waren “ein ehemaliger Mitarbeiter der Ruhrkohle AG und ein Mitarbeiter der Vereinigung Rohstoffe und Bergbau”, antwortete das BMWK. “Statt kritischen Stimmen aus der Praxis Gehör zu schenken, nimmt das Bundeswirtschaftsministerium scheinbar lieber nur von Rechtsanwälten, Professoren, Ministerialbeamten und Vertretern des Öko-Instituts Änderungsvorschläge zum Bergrecht entgegen”, kritisiert Rouenhoff.
Die Bundesländer drängen schon länger auf eine Reform: Im November 2021 hatte sich die Umweltministerkonferenz für eine Novellierung des Bergrechts ausgesprochen, mit dem Ziel, Transparenz, Klima- und Umweltschutz sowie Ressourcenschonung darin zu verankern. Ein Jahr später brachte Rheinland-Pfalz einen Gesetzesentwurf für mehr Transparenz und Öffentlichkeitsbeteiligung im Bergbau in den Bundesrat ein. Dieser zielt auf Änderungen des Bundesberggesetzes und der Verordnung über die Umweltverträglichkeitsprüfung von bergbaulichen Vorhaben (UVP-V Bergbau) ab.
Der Entwurf sieht unter anderem vor, dass Bergbaubehörden die betroffene Öffentlichkeit vor Ort frühzeitig über die Ziele und den Umfang von Vorhaben sowie “die voraussichtlichen Auswirkungen auf Klima und Umwelt sowie Nachbarschaft” unterrichten. Ende Januar wurde der Entwurf im Wirtschaftsausschuss diskutiert, mit der Empfehlung für die Sitzung des Bundesrats am kommenden Freitag, 10. Februar, den Entwurf beim Bundestag einzubringen.
8.2.2023, 10:30 Uhr, online
Öffentliche Anhörung Erhebung einer Einwegkunststoffabgabe (Umweltausschuss des Bundestags)
In der Anhörung geht es um die von der Bundesregierung geplante Einwegkunststoffabgabe für Hersteller. Die Sitzung wird live auf der Website des Bundestags übertragen. Info
8.2.2023, 17 Uhr, online
Fachgespräch Solide Brücken – die starken Schultern unserer Gesellschaft (Bündnis 90/Die Grünen-Bundestagsfraktion)
Ausgehend vom großen Brücken-Sanierungsbedarf in Deutschland soll die Frage diskutiert werden, wie bestehende Infrastruktur fit für die Zukunft gemacht werden kann, ohne Umwelt und Klima zu zerstören. Info & Anmeldung
9.2.2023, 16 Uhr, online
Diskussion Energiedialog 2023: Die BEE-Plattform zur Umsetzung der Energiewende
Wie können wir die Energiewende schneller vorantreiben, damit die Erneuerbaren Energien mehr Verantwortung übernehmen für eine sichere Versorgung? Diese und weitere Fragen diskutiert der Bundesverband Erneuerbare Energien mit Wirtschaftsminister Robert Habeck und der Industrie. Info & Anmeldung
13.-14.2.2023, Osnabrück
Tagung Resiliente Agri-Food-Systeme: Herausforderungen und Lösungsansätze (GIL)
Die 43. Jahrestagung der Gesellschaft für Informatik in der Land-, Forst- und Ernährungswirtschaft (GIL) findet in einer Zeit statt, in der die globalen AgriFood-Systeme großen Herausforderungen ausgesetzt sind. Info & Anmeldung
14.-15.2.2023, online
Jahreskongress Deutsche Gesellschaft für nachhaltiges Bauen
Die Veranstaltung liefert eine Bestandsaufnahme, wo nachhaltiges Bauen zu Beginn des Jahres 2023 steht und diskutiert Wege in eine klimapositive Zukunft des Bau- und Immobiliensektors. Info & Anmeldung
14.2.2023, 16 Uhr
Webinar CO2-Reduktion in logistischen Prozessen (IPD)
In diesem Webinar bekommen Teilnehmende einen Überblick über die globalen und nationalen Anforderungen an die Logistik-Branche, bestehende Standards und die Unterschiede sowie die Möglichkeiten zur Reduktion und Kompensation von Emissionen. Info & Anmeldung
14.2.2023, 19 Uhr, Köln und online
Kurs Wie Nachhaltigkeit in der Dauerkrise gelingen kann
Vier Autoren und Autorinnen des Buches “Vom betrieblichen Umweltschutz zur großen Transformation” diskutieren über die Chancen und Herausforderungen der Dauerkrise. Info & Anmeldung
15.2.2023, 18:30 Uhr, Berlin
Diskussion European Day of Demography. “Wir alle altern – aber manche altern besser als andere”
Wie hängen Bildungserwerb, Lebensarbeitszeit und ein gesundes, aktives und produktives Altern zusammen? Diese und weitere Fragen diskutiert Dubravka Šuica, Vizepräsidentin der EU-Kommission für Demokratie und Demografie, mit weiteren Experten und Expertinnen. Anmeldeschluss ist der 15. Februar. Info & Anmeldung
15.2.2023, online
Diskussion Politischer Mittagstisch: Eine globale Krise – wie steht’s um die Klimapolitik in Hessens Kommunen? (FES)
In der Diskussion soll herausgearbeitet werden, inwieweit bei der sozial-ökologischen Transformation in hessischen Kommunen Fortschritte erzielt wurden und wo sich der Handlungsbedarf vergrößert hat. Info & Anmeldung
16.2.2023, Berlin und online
Diskussion Konflikte und Chancen der ökologisch-sozialen Verkehrswende (FÖS)
Welche Instrumente für eine gerechte Verkehrswende gebraucht werden sowie welche Konflikte und Herausforderungen mit der Integration verschiedener Politikfelder einhergehen, diskutieren auf dieser Veranstaltung Experten aus Verbänden, Wissenschaft und Politik. Info & Anmeldung
2.-3.3.2023, Berlin
Fachtagung Transformation in der Weiterbildung (DGB)
Betriebliche Qualifizierung und berufliche Weiterbildung sind eine wesentliche Voraussetzung, damit sich Beschäftigte in der digitalen und sozial-ökologischen Transformation beruflich weiterentwickeln können. Auf dieser Fachtagung des DGB geht es um die Frage, wie es gelingt, diese Weiterbildung zu fördern. Anmeldeschluss ist der 9. Februar. Info & Anmeldung
Während Industrievertreter den Green Deal Industrial Plan (GDIP) als Schritt in die richtige Richtung begrüßen, kommt Kritik von den europäischen Gewerkschaften. Mit dem GDIP will die EU ein Abwandern von Industrieproduktion und Arbeitsplätzen verhindern und gleichzeitig umweltfreundliche Industrien stärken sowie die Transformation zur Klimaneutralität unterstützen.
In einer Erklärung sprachen der Europäische Gewerkschaftsbund (EGB) und IndustriALL Europe, der Dachverband der europäischen Industriegewerkschaften, von einem Blankoscheck für Unternehmen. “So wie es aussieht, werden private Unternehmen Milliarden von Euro an öffentlichen Geldern erhalten, ohne dass sie sich verpflichten müssen, angemessene Löhne zu zahlen, die Rechte der Arbeitnehmer zu respektieren oder hochwertige Arbeitsplätze und Ausbildungsplätze zu schaffen”, beklagte EGB-Generalsekretärin Esther Lynch.
Nach derzeitigem Stand berücksichtige der IRA in den USA die Interessen der Arbeitnehmer mehr als der GDIP, heißt es in dem Papier weiter. EGB und IndustriALL Europe drängen deshalb darauf, dass folgende Bedingungen bei der Förderung von Unternehmen erfüllt sein müssen:
IndustriALL-Generalsekretär Luc Triangle ist sich sicher, dass der GDIP nur dann zu einem Erfolg für Europa werde, “wenn er sozialer wird und einen fairen Übergang mit Arbeitnehmerbeteiligung, guten Jobs und hohen sozialen Standards gewährleistet”. ch
Das EU-Parlament hat sich dafür ausgesprochen, die Position der rund 1.200 Europäischen Betriebsräte (EBR) zu verbessern. Zur Abstimmung stand ein legislativer Initiativbericht des EVP-Abgeordneten Dennis Radtke (CDU). Darin werden härtere Strafen bei Verstößen gegen Mitbestimmungsrechte und vereinfachte Verwaltungs- und Gerichtsverfahren gefordert. Die EU-Kommission hat nun bis Januar 2024 Zeit, einen Vorschlag zur Überarbeitung der geltenden Richtlinie vorzulegen.
“Wir wollen das Rad nicht neu erfinden, sondern geltendes Recht stärken und besser umsetzen”, sagte Radtke in einem Pressegespräch. Ziel sei es, die “europäische Demokratie am Arbeitsplatz zu stärken”. Die digitale und grüne Transformation könne nur gelingen, wenn Betriebsräte “eng in mögliche Umstrukturierungen eingebunden werden”, ergänzte er. Vor seinem Einzug in das EU-Parlament war Radtke für die Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie und Energie (IG BCE) tätig.
Zentrale Forderungen des Berichts sind:
Das Europäische Gewerkschaftsinstitut (ETUI) hat im vergangenen Jahr eine Studie veröffentlicht, in der auf den schwachen Rechtsstatus der EBR hingewiesen wird. Dies schränke ihre Wirksamkeit deutlich ein. EBR können in Unternehmen etabliert werden, die in der EU mindestens 1.000 Beschäftigte haben. Davon müssen jeweils 150 Arbeitnehmer in wenigstens zwei Mitgliedsstaaten tätig sein. ch
Die Produktion von Einwegplastik, einer der größten Umweltbedrohungen der Welt, ist von 2019 bis 2021 trotz strengerer weltweiter Vorschriften um sechs Millionen Tonnen jährlich gestiegen. Das Wachstum habe sich verlangsamt, aber die Produktion von Einwegplastik aus neuen fossilen Brennstoffen sei noch lange nicht am Höhepunkt angelangt und die Verwendung von recycelten Rohstoffen bleibe bestenfalls eine marginale Aktivität, heißt es bei der australischen Minderoo-Stiftung in ihrem Plastic Waste Makers Index.
Exxon Mobil steht an der Spitze der Liste der weltweiten Petrochemieunternehmen, die neue Polymere für Einwegkunststoffe herstellen, gefolgt von der chinesischen Sinopec. Letzteres ist führend, wenn es um den Bau neuer Produktionsanlagen im Zeitraum 2019-2027 geht, so der Bericht.
China hat in den vergangenen 15 Jahren das schnelle Wachstum der weltweiten Kunststoffnachfrage angetrieben. Trotz des viel beachteten Verbots einiger Einwegprodukte ab 2019 entstand die Hälfte der 15 Millionen Tonnen neuer Kapazitäten zwischen 2019 und 2021 in China. Das Land hat vergangenes Jahr in einem “Fünfjahresplan” die Bekämpfung der Kunststoffproduktion angekündigt, dass es die Produktion und Verwendung von Einwegkunststoffen stark einschränken und einige Produkte ganz verbieten werde.
Im Jahr 2021 wurden rund 137 Millionen Tonnen Einwegkunststoffe aus fossilen Brennstoffen hergestellt, und es wird erwartet, dass diese Menge bis 2027 um weitere 17 Millionen Tonnen ansteigen wird, so die Forscher. rtr/cd
Bei der Transformation des Verkehrssektors kommt dem ÖPNV eine zentrale Rolle zu. Einen Schub verspricht sich die Politik vom 49-Euro-Ticket. Aber Experten äußern sich verhalten, was die mögliche Nachfrage und damit die Wirkung auf den Klimaschutz anbelangt. Erste Erkenntnisse aus Interviews mit Nutzern des 9-Euro-Tickets deuteten darauf hin, “dass für viele heutige Gelegenheitsnutzer des ÖPNV der Preis von 49 Euro zu hoch ist, um sich das Ticket auf Verdacht zu Beginn des Monats anzuschaffen oder gar ein Abo abzuschließen”, sagt Gernot Liedtke, Verkehrsexperte von der TU-Berlin.
Bei einem Preis von 29 Euro für einen Monat wären die allermeisten Verkäufe zu erwarten, sagt Andreas Knie, Leiter der Forschungsgruppe Digitale Mobilität und gesellschaftliche Differenzierung, Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung. “Jedenfalls sind 49 Euro zu teuer, um wirklich einen großen Durchbruch zu schaffen.” Wie viele Menschen sich ein solches Abo kaufen würden, könne aber jetzt noch nicht abgeschätzt werden, weil die Länder und Stadtstaaten ebenfalls an neuen Angeboten feilten. So will Berlin am 29-Euro-Ticket festhalten. “In jedem Fall sind 49 Euro für Haushalte besonders mit geringem Einkommen deutlich zu hoch”, sagt Knie.
Der Verkehr erreicht nicht die politisch vorgegeben Senkungen beim CO₂-Ausstoß. Laut dem Think Tank Agora Energiewende lag der CO₂-Ausstoß 2022 mit 150 Millionen Tonnen deutlich über dem laut Klimaschutzgesetz erlaubten 139 Millionen Tonnen. Zur Zielerreichung kann das Deutschlandticket wohl nur einen kleinen Teil beitragen. Wenn bisher sporadischen ÖPNV-Nutzer häufiger das Auto stehen ließen, könne man zwei Millionen Tonnen als obere Grenze für jährliche CO₂-Einsparungen abschätzen, sagt Gernot Liedtke. “Wahrscheinlicher sind Einsparungen in der Größenordnung einer Million Tonnen pro Jahr.”
Skeptisch ist Mark Andor, Leiter der Forschungsgruppe “Prosoziales Verhalten” am RWI Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung: Bisherige Erfahrungen mit kostenlosen ÖPNV-Angeboten und dem 9-Euro-Ticket deuteten darauf hin, “dass kein starker Rückgang der Autonutzung zu erwarten ist”. Entscheidend für den Umstieg sei neben dem Preis vor allem die Qualität des Angebots, etwa weniger Überlastungen oder bessere Anbindungen auch zu Randzeiten und am Wochenende. Eigene Umfragen in den drei Ruhrgebietsstädten Bochum, Dortmund und Essen zeigten, dass sich die Bevölkerung als wesentliche Verkehrsmaßnahme insbesondere eine Verbesserung des ÖPNV-Angebotes wünsche. cd
Dänemark hat die ersten drei Zulassungen erteilt, damit Unternehmen in größerem Maßstab CO₂ unter dem Meeresgrund der Nordsee einlagern können. Die Zulassungen gingen an den Konzern TotalEnergies und ein Konsortium aus den Unternehmen Ineos und Wintershall Dea, wie das dänische Klimaministerium am Montag mitteilte. Damit könnten die Arbeiten sofort beginnen. Es wird demnach damit gerechnet, dass im Rahmen der beiden Projekte ab 2030 bis zu 13 Millionen Tonnen Kohlendioxid jährlich unter dem dänischen Teil der Nordsee eingelagert werden können.
Die dänische Energiebehörde hat dem Ministerium nach eigenen Angaben empfohlen, die ersten drei Zulassungen zur Erforschung einer größeren CO₂-Lagerung in der Nordsee an die besagten Unternehmen zu vergeben. Es handle sich um einen wichtigen Schritt, um Dänemarks CCS-Strategie zu verwirklichen, sagte die Behörde. CCS steht für “Carbon capture and storage” (CO₂-Abscheidung und -Speicherung). Bei dem Prozess wird ausgestoßenes CO₂ eingefangen und unter die Erde gepumpt.
Dänemark will bis 2045 klimaneutral sein. Die neue Regierung in Kopenhagen hatte kurz nach der COP27 sogar ein neues Netto-Emissionsminderungsziel von 110 Prozent bis 2050 angekündigt.
Das Projekt von TotalEnergies heißt Bifrost und soll ab 2027 bis zu 3 Millionen Tonnen CO₂ in einem bereits ausgeschöpften Öl- und Gasfeld einlagern – bis 2030 schließlich 5 Millionen Tonnen. Ineos und Wintershall Dea wollen mit dem Greensand-Projekt bis 2025 mit der Einspeicherung von bis zu 1,5 Millionen Tonnen CO₂ in erschöpfte Öl- und Gasfelder in der Nordsee beginnen. 2030 soll die Kapazität auf 8 Millionen Tonnen pro Jahr erhöht werden.
Der dänische Staat will laut Reuters-Informationen knapp die Hälfte der Gesamtinvestitionen von umgerechnet 60 Millionen Euro für Greensand und 21 Millionen Euro für Bifrost tragen. dpa/luk/rtr
In den USA setzen ausgerechnet republikanische Staaten auf erneuerbare Energien – Handelsblatt
Das Handelsblatt berichtet über das vermeintliche Paradox, dass gerade republikanische US-Bundesstaaten den Ausbau Erneuerbarer Energien vorantreiben. Diese Staaten würden zwar weiter Öl und Gas fördern, gleichzeitig aber aus wirtschaftlichen und politischen Gründen auf erneuerbare Energien setzen. Zum Artikel
World’s biggest investment fund warns directors to tackle climate crisis or face sack – The Guardian
Rupert Neat beschreibt in diesem Beitrag, wie der norwegische Staatsfonds Unternehmen dazu bringen will, sich ökologisch und sozial nachhaltig aufzustellen. Entwickeln Unternehmen gar keine Strategie, behält sich der Fonds vor, auf Hauptversammlungen gegen die Vorstände zu stimmen. Zum Artikel
Brüsseler Wumms-Versuch – Der Spiegel
Der Spiegel schreibt über das Infrastrukturprojekt “Global Gateway”, mit dem die EU Chinas Projekt der Neuen Seidenstraße Paroli bieten will. Aber die Initiative der Europäer drohe “im Klein-Klein” zerrieben zu werden, weil es unter den EU-Staaten Streit gebe um den regionalen Schwerpunkt. Zum Artikel
Joe Biden’s effort to remake the economy is ambitious, risky and selfish – The Economist
Der Economist hält die Pläne von Joe Biden zur Transformation der amerikanischen Wirtschaft für die ehrgeizigsten seit vielen Jahrzehnten. Erfolgreich sein können sie der Zeitschrift zufolge nur, wenn die USA gleichzeitig eine kluge Handelspolitik verfolgen, Subventionen für die richtigen Technologien zahlen und ihre Genehmigungsgesetze reformieren. Der Artikel ist Teil einer Serie zur Industrialisierungsstrategie der USA. Zum Artikel
America’s government is spending lavishly to revive manufacturing – The Economist
Zum Auftakt der Economist-Serie geht es auch, um die Arbeitsplätze, die entstehen könnten. Mit dem Inflation Reduction Act könnten in den nächsten zehn Jahren jährlich 912.000 Arbeitsplätze geschaffen werden, schätzt die University of Massachusetts Amhert. Angesichts von öffentlichen und privaten Investitionen von jährlich 98 Milliarden Dollar, seien dies pro neu geschaffenen Arbeitsplatz rund 100.000 Dollar. Zum Artikel
ESG-Transformation auch in Asien – FAZ
Europa gilt international als Vorreiter der ESG-Transformation. Doch auch Länder wie Japan und Singapur zeigen ein deutlich wachsendes Interesse an Nachhaltigkeitskriterien und ihrer Umsetzung, schreibt Christiane Conrads. Zum Artikel
In the global race to dominate green technology, Britain is still tying its shoelaces – The Guardian
Laut Andrew Rawnsley besteht für Großbritannien angesichts der Investitionsoffensive der USA sowie von China und der EU die Gefahr, dass Großbritannien bei wichtigen Zukunftstechnologien ins Hintertreffen gerät. Der Wirtschaftsausschuss warne zu Recht, dass das Fehlen einer Strategie bei der Versorgung mit Halbleitern “ein Akt der nationalen Selbstbeschädigung” sei, der das Vereinigte Königreich in eine gefährliche Lage bringe. Zum Artikel
Willkommen im Exponentialzeitalter – SZ
Helmut Martin-Jung beschäftigt sich in seinem Wirtschaftsessay mit den Wirkungen des exponentiellen Wachstums für die Gesellschaft. Der Mensch habe nicht gelernt, mit exponentiellem Wachstum umzugehen. Doch die Welt der Technologie bewege sich längst auf dieser Kurve. Er schreibt: “Wer nicht überrollt werden will, muss eingreifen.” Zum Artikel
Erntehelfer: Schutzlos auf den Feldern – FR
Die Initiative Faire Landarbeit hat ihren Jahresbericht zur Situation ausländischer Saisonarbeiter vorgelegt. Steffen Herrmann hat einen Blick in die Untersuchung geworfen und besorgniserregende Zustände ausgemacht: Feldarbeit in praller Sonne, verschimmelte Unterkünfte, Akkordarbeit, ausbleibende Löhne und fehlende Krankenversicherungen. Zum Artikel
Nachhaltigkeitsberichte: Was auf kleine Betriebe zukommt – Handwerk.com
Marina Jahn beschreibt die Aufwände, die Handwerkbetrieben aufgrund neuer EU-Standards haben, und wie KMU mit der ESG-Regulatorik umgehen sowie ihr Nachhaltigkeitsengagement mit Blick auf ESG-incentivierte Kreditvergaben dokumentieren können. Zum Artikel
Pilot: Atemschlauch-Recycling spart jährlich eine Tonne Ressourcen – Klinik Einkauf
Ein Rücknahmesystem für Atemschläuche aus dem OP soll jährlich bis zu 1 Tonne Ressourcen der stofflichen Verwertung zuführen. Das Pilotprojekt haben der Medizintechnik-Spezialisten Dräger (Beatmungsgeräte), das Universitätsklinikum Hamburg und die Abfallmanagementplattform Resourcify angestoßen. Zum Artikel
Reparieren statt neu bauen: Deutschlands größtes Fliesenarchiv – Deutsche Handwerkszeitung
Der Gebrauchtfliesenhändler Schittek in Hamburg sorgt mit seiner einzigartigen Sammlung von 7 Millionen Fliesen aus Abrisshäusern, Restposten, aus Kellern- und Garagenfunden dafür, dass bei Wasserschäden nicht gleich komplette Bäder abgerissen werden müssen, sondern beschädigte Fliesen ersetzt werden können. Der nachhaltige Ansatz erfreue sich steigender Nachfrage, schreibt die Zeitung. Zum Artikel
Für mehr Klimaschutz, Resilienz und Nachhaltigkeit braucht es rasch einen Transformationsfonds zur Finanzierung der Umgestaltung der Land- und Ernährungswirtschaft. Öffentliches Geld für öffentliche Leistungen ist die Argumentationslinie, an der sich nationale und europäische Politik orientieren sollte, um weitere Schäden und Verluste an den Gemeingütern, wie Versorgungssicherheit, Klima, Wasser und Biodiversität nicht noch weiter eskalieren zu lassen. Der Markt versagt an dieser Stelle, wie wir gerade erleben.
Die Inflation lenkt den Konsum zum günstigen Produkt und heizt die industrielle Nahrungsmittelproduktion noch weiter an. Betriebe, die sich bereits auf den Weg gemacht haben, schon nachhaltig und ökologisch wirtschaften und ihre vielen Leistungen für das Gemeinwohl in ihre Produktpreise internalisieren, stehen plötzlich im Regen – das betrifft nicht nur ökologische Produkte, sondern auch konventionelle, vor allem aus hochwertiger regionaler und regenerativer Erzeugung. Sie alle leiden unter der aktuellen Kaufzurückhaltung.
Gerade jetzt zeigt sich die Verwundbarkeit der nationalen Nahrungsmittelversorgung durch die globalisierten Wertschöpfungsketten bei Roherzeugnissen und Produktionsmitteln, wie Dünger, Energie und Technik. Der Krieg in der Ukraine hat mit einem Schlag offengelegt, welche Abhängigkeiten bestehen. Wenn die Agrarwende gelingen soll, hin zu einer zukunftsfähigen, im Einklang mit den planetaren Grenzen stehenden Art der Bodenbewirtschaftung und Nutztierhaltung, sollte der Staat eingreifen und starke Anreize setzen für die Umgestaltung der Land- und Ernährungswirtschaft zu mehr Resilienz und Nachhaltigkeit.
Die Einrichtung eines nationalen Transformationsfonds für zunächst drei Jahre wäre eine angemessene Reaktion auf die existierenden Verhältnisse und würde in der aktuellen Situation eine ausreichende wirtschaftliche, politische und gesellschaftliche Entspannung mit sich bringen, um die dringend notwendigen Strategien für mittel- und langfristige Lösungen auszuarbeiten. Mit dem Rücken an der Wand ist es schwierig, langfristige Strategien zu entwickeln und auszuhandeln.
Regionales und nachhaltig regeneratives Wirtschaften gewinnt aktuell eine ganz andere Dimension als bisher, wo Regionalität höchstens als Nische für Betriebe galt, die aufgrund ihrer geringen Größe, im großen Weltmarkt nicht mehr mitspielen konnten. Nachhaltiges und resilientes Wirtschaften in regionalen Wertschöpfungsräumen ist das neue Theorem, das von vielen Akteuren in großer Einigkeit gefordert wird. Folgerichtig fordern sie von der Politik, endlich die notwendigen Rahmenbedingungen zu schaffen. Das haben die jüngsten Veranstaltungen in Berlin gezeigt, wie der Agrarkongress des Bundesumweltministeriums und die Internationale Grüne Woche in Berlin mit ihren zahlreichen Veranstaltungen, unter anderem der alljährlichen Großdemonstration “Wir haben es satt”, bei dem ein breites Agrar-Bündnis aus Landwirten, Verbänden und Konsumenten gemeinsam für eine zukunftsfähige Agrarpolitik auf die Straße gingen.
Die landwirtschaftlichen Betriebe sollten die Bereitstellung ihrer Leistungen für das Gemeinwohl von der öffentlichen Hand direkt und nicht wie bisher über die Produkte bezahlt bekommen. Schätzungsweise 200 Euro pro Bundesbürger*in und Jahr würde es nach unseren Berechnungen kosten, wenn alle entsprechenden Leistungen und Maßnahmen der gesamten deutschen Landwirtschaft, nicht nur der ökologischen vergütet würden. Das wären durchschnittlich knapp 1.000 Euro pro Hektar, abhängig vom Nachhaltigkeitsgrad des einzelnen Betriebs. Die Methoden und Instrumente, wie diese Mehrwertleistungen der Landwirtschaft für Gemeinwohl und Nachhaltigkeit berechnet werden können, sind entwickelt und anwendungsbereit.
Eine solche Intervention des Staates hätte zur Folge, dass die Nahrungsmittel im Regal günstiger würden. Für die Kosten zum Schutz der Gemeingüter in der landwirtschaftlichen Produktion kämen nicht die Verbraucher*innen über den Produktpreis auf, sondern sie würden aus allgemeinen staatlichen Mitteln bezahlt, was eine breitere Finanzierungsbasis wäre. Der große Vorteil: Einkommensschwächere Haushalte könnten sich mehr hochwertiges Essen leisten und gleichzeitig würde die Produktion insgesamt nachhaltiger.
Um darüber hinaus die notwendige Agrarwende zu finanzieren, bräuchte es ein ganzes Bündel an Maßnahmen, die aber alle ihre Zeit brauchen, bis sie wirksam werden. Zum Beispiel könnten Kredite an die Nachhaltigkeitsperformance der Unternehmen gebunden werden: Wer nachhaltig wirtschaftet, zahlt weniger Zinsen als die, die nicht nachhaltig arbeiten, also Risiken für sich und die Gesellschaft verursachen.
Mit neuen Regeln der betrieblichen Erfolgsrechnung, die bereits in Wissenschaft, Regulatorik und Praxis in Bearbeitung sind, könnte die Politik die Weichen für wirtschaftlichen Erfolg auf Nachhaltigkeit stellen. Betriebswirtschaftliche Effizienz dürfte dann nicht mehr zulasten der langfristigen Produktivität gehen. Die in Ausarbeitung befindlichen neuen Regeln zur Geschäftsberichterstattung auf EU-Ebene, wie die Taxonomie und die Corporate Sustainable Reporting Directive (CSRD) sind die Vorboten einer solchen neuen Regulatorik in der Rechnungslegung.
Künftig sollen nach den Vorstellungen einiger Reformer aus Wissenschaft, Politik und Wirtschaft sogar Investitionen in nachhaltiges Wirtschaften dem Betriebsvermögen zugeschrieben und nicht mehr als betriebliche Kosten veranschlagt werden. Damit wäre nachhaltiges, unternehmerisches Handeln im Wettbewerb nicht mehr benachteiligt. Wer dann nachweislich nicht in die nachhaltige Unternehmensführung investieren würde, müsste dafür Risikorückstellungen in der Bilanz vornehmen. Damit wäre ein neues Sustainable Performance Accounting geschaffen.
Richtig rechnen ist das Gebot der Stunde, Schäden zu vermeiden ist billiger, als bereits entstandene Schäden zu beheben. Die Zukunftskommission Landwirtschaft, die ihre Arbeit wieder aufgenommen hat, trifft diese Feststellung in ihrem ersten Abschlussbericht ebenso wie viele Experten.
Nicht zuletzt die Gemeinsame Agrarpolitik der EU, deren Neuausrichtung ab 2028 in den kommenden Jahren ausgearbeitet wird, wäre ein sinnvolles Instrument, um endlich den konsequenten Schritt zur vollständigen Leistungsvergütung zu machen, statt das Geld mit der Gießkanne auf die Fläche zu verteilen. Leistungen für den Schutz der Gemeingüter durch ökologisch nachhaltige und regenerative Nahrungsmittelproduktion müssen bezahlt werden, sonst können sie nicht erbracht werden. Die Logik entspricht doch unserem gesellschaftlich fest verankerten Leistungsdenken “Öffentliches Geld für öffentliche Leistungen“! Was spricht dagegen?
Christian Hiß, Gründer und Geschäftsführer der Regionalwert Leistungen GmbH, wo er sich seinem Lebensthema widmet, der bilanziellen Berücksichtigung sozialer und ökologischer Leistungen von landwirtschaftlichen Betrieben. Er hat selbst viele Jahre als Landwirt und Gärtner gearbeitet, bevor er 2006 in Freiburg die erste Regionalwert AG gründete. Später holte er sein Abitur nach und machte den Master of Social Banking and Social Finance, um sich mit einer erweiterten Form der Finanzbuchhaltung zu beschäftigen.
Djulio Bondoko zeigt Qualitäten wie ein Ausdauersportler. Der Agrarunternehmer versucht seit Jahren bei internationalen Geldgebern Kapital für den Ausbau seiner Farm zu finden, stößt aber überall auf verschlossene Türen. Dabei mangelt es Bondoko wahrlich nicht am Ehrgeiz. Überschaubare fünf Hektar bewirtschaftet er derzeit in der Nähe von Kisangani, einer Großstadt im fernsten Winkel der DR Kongo.
Djulio, wie ihn alle nennen, sucht Kapitalgeber, die es ihm ermöglichen, seine Farm auf 210 Hektar zu vergrößern. In großem Stil will er dort Gemüse, Reis, Maniok und Mais anbauen. 70 Arbeitsplätze sollen dort entstehen.
“Meine Farm Congo Grow wird dann der erste landwirtschaftliche Großbetrieb in der Region sein”, erzählt Djulio. Denn die drei Millionen Menschen, die rund um Kisangani leben, müssen bislang mit einer unsicheren Lebensmittelversorgung zurechtkommen. Die meisten Bauern bewirtschaften Kleinstflächen, die im besten Fall gerade mal für ihre Familien reichen. Die Hauptstadt Kinshasa liegt mehr als 1200 Kilometer entfernt und ist nur per Flugzeug oder mit dem Schiff über den Kongo zu erreichen.
Die Region um Kisangani ist auf Händler angewiesen, die aus dem rund 500 Kilometer entfernten Uganda und Ruanda die Nahrungsmittel per Lkw über schlechte Straßen herankarren und dafür hohe Preise verlangen.
Das brachte den 37 Jahre alten Unternehmer dazu, in die Landwirtschaft einzusteigen. Zunächst hatte er eine Lehrerausbildung absolviert und dann umgesattelt. Er erwarb ein erstes Diplom in Agrarwissenschaften, dann ein zweites in Landwirtschaftstechnik und schließlich einen Abschluss in Betriebswirtschaft. Im Jahr 2017 schließlich gründete er Congo Grow.
Djulio hat sich an viele Institutionen gewandt, von denen er Unterstützung erhofft hatte: Er nahm Kontakt auf zu internationalen Organisationen für die Entwicklungshilfe, zu europäischen und afrikanischen Förderbanken, zu den großen Private-Equity-Fonds, die oft auch europäisches Fördergeld aufnehmen, um Agrarprojekte in ganz Afrika zu finanzieren. Wenn er überhaupt eine Antwort bekam, dann meist zwei, drei freundliche, aber ablehnende Sätze.
Europäische Geschäftsbanken tun sich aufgrund der restriktiven Bankenregulierung in der EU schwer damit, eine Investition in einem Land wie der DR Kongo zu finanzieren. Auch Entwicklungsfinanziers, Förderbanken und Private-Equity-Fonds schrecken vor solchen Investitionen zurück. Die Kosten für Wirtschaftsprüfer, Anwälte, Steuerberater oder auch Agrarberater fallen unabhängig von der Höhe der Investition an. Bondoko bräuchte lediglich 3,5 Millionen Euro. Doch das ist möglichen Finanziers zu wenig, um eine aufwändige Prüfung zu starten.
Er habe versucht, sagt Djulio, auch Aspekte der Nachhaltigkeit zu berücksichtigen. Er führte Anbaumethoden ein, die den Boden schonen, Fruchtfolgen, die die Vegetation intakt halten, und schuf überhaupt erste Arbeitsplätze in der Landwirtschaft. Gemeinsam mit einer staatlichen Berufsschule will er auf seiner Farm Möglichkeiten zur Weiterbildung schaffen. Vergeblich. Auch Investmentfonds, die kleinere Investitionen im Agrarbereich fördern wollen, haben abgewunken.
“Ich verstehe nicht, warum mir niemand helfen will”, sagt Djulio. Er habe einen professionellen Businessplan erstellt, Arbeitsplätze geschaffen und wolle viele weitere aufbauen. “Vor allem sind meine Produkte frischer und billiger als die der Händler.”
Doch von den Schwierigkeiten lässt er sich nicht unterkriegen. Er zeigt Bilder von seinem Schweinestall, den Wirtschaftsgebäuden, seinen Äckern und den Arbeitern, die dort gerade hacken. Und er zeigt den Platz, wo Gänse und Hühner untergebracht werden soll.
“Wenn ich meine eigenen Tiere auf der Farm züchte, kann ich den Dung verwenden und muss weniger Dünger kaufen”, sagt Djulio. “Ich gehe Schritt für Schritt vor, arbeite hart und investiere das Geld, das ich verdiene, in den Kauf von Land und Maschinen.” So will er, allen Hindernissen zum Trotz, seine Farm vergrößern. “Ich werde nicht aufgeben und meinen Traum verwirklichen. Ich werde den ersten kommerziellen Landwirtschaftsbetrieb in Kisangani aufbauen.” Christian von Hiller
Aktualisierte Fassung. In einer früheren Version war der Name von Herrn Bondoko versehentlich falsch geschrieben.
Mercedes-Benz hat die Zeichen der Zeit verstanden. Künftig haben beim Stuttgarter Autobauer Ressourcenschonung, Recycling und CO₂-Neutralität die sprichwörtliche eingebaute Vorfahrt. Um das zu unterstreichen, hat das Unternehmen eine weltweite Crossmedia-Kampagne gestartet: “Land. Sea. Air.” Im Zentrum steht ein “bildstarker Hauptfilm”. Gezeigt wird, wie gut die Vision des Unternehmensgründers Gottlieb Daimlers von der Mobilität zu Lande, zu Wasser und in der Luft zur neuen Vision eines verantwortungsvollen Umgangs mit den drei Elementen passt. Auch dies symbolisiert durch den traditionsreichen dreizackigen Stern. “It’s a sign of new times”, so der Slogan.
Filmkunst ist Geschmackssache, Werbespots sowieso. Über weite Strecken aber folgt der “bildstarke Hauptfilm” dem gängigen Drehbuch für Autoreklame. Ausnahmen mitgedacht. Beeindruckende Landschaften, blaues Meer, blauer Himmel, gerne auch mal Wald und Wiesen – und außer dem Fahrer möglichst keine Menschen. Durch dieses Paradies schlängelt sich ein picobello gepflegter Fahrweg, gerne auf einer Küsten-, Berg- oder Landstraße, auf der man ohne Gegenverkehr gediegen cruisen kann.
Nun gut, es ist Werbung. Aber nachgefragt, was hat das mit Nachhaltigkeit und der Mobilität von heute oder morgen zu tun? Und wie passt das zum Gefeilsche von Mercedes-Benz und den anderen Autokonzernen um jedes Gramm CO₂?
Statt also wieder und wieder dieses falsche Autoidyll zu bemühen, ist doch viel interessanter, wie die vermeintlich kleinen Schritte aussehen, die Mercedes-Benz geht. Zum Beispiel, um die eigenen Fahrzeuge bis 2030 aus bis zu 40 Prozent Recyclingmaterial herzustellen. Im Imagefilm werden immerhin alte Fischernetze gezeigt, die zu neuen Bodenbelägen werden. Doch die Ingenieure in Stuttgart haben noch viel mehr in petto: Materialien für den Innenraum aus PET-Flaschen, Bügeltürgriffe aus aufbereiteten Altreifen oder Teppiche aus Bambusfasern. Und richtig spannend wird es dann bei Sitzen aus tierfreien Lederalternativen auf Basis von Kakteen. Sowas in das Zentrum eines Werbefilms zu stellen, wäre wirklich neu für einen Autokonzern. Carsten Hübner
die Menschheit verbraucht Natur wesentlich schneller, als sie sich erholen kann – weswegen das Naturkapital zwischen 1992 und 2014 weltweit um 40 Prozent gesunken ist. Das zeigt der Ökonom Sir Partha Dasgupta eindrucksvoll in seinem Bericht “Die Ökonomie der Artenvielfalt“. Die Nahrungsmittelproduktion ist eine der Hauptursachen des Verlusts von Biodiversität. Ob die Menschheit den Trend umkehren kann, hängt also entscheidend davon ab, wie Landwirtschaftsbetriebe künftig Nahrungsmittel produzieren.
Die notwendige Transformation zu einer Landwirtschaft, die Böden aufbaut statt verbraucht, wird auch auf der Weltleitmesse für Bio-Lebensmittel Biofach Thema sein, die kommende Woche in Nürnberg stattfindet. Caspar Dohmen schildert vorab am Beispiel der toskanischen Fattoria La Vialla, wie regenerative Landwirtschaft großflächig funktionieren kann. Ob auch konventionelle Landwirtschaft zum Artenschutz beitragen kann, soll das Pilotprojekt F.R.A.N.Z. zeigen. Katarina Jakob zieht eine erste Zwischenbilanz.
Christian Hiß, eine wichtige Stimme für nachhaltige Bewirtschaftung von Böden, argumentiert in seinem Standpunkt für die Einrichtung eines nationalen Transformationsfonds, um Landwirte für Leistungen zu bezahlen, die sie für das Allgemeinwohl erbringen. Anders gelinge es nicht, die Landwirtschaft nachhaltiger zu machen.
Die Pläne der US-Regierung für einen grünen Umbau ihrer Industrie lobt Wirtschaftsminister Robert Habeck, der zusammen mit seinem französischen Amtskollegen Bruno Le Maire in den USA auslotet, inwiefern Schaden von der europäischen Wirtschaft abgewendet werden kann. Bernhard Pötter berichtet von vor Ort.
Um Zukunftsfähigkeit und die Rolle des Staates geht es auch in der Analyse von Leonie Düngefeld. Sie berichtet über Pläne des BMWK, das Bergrecht zu reformieren, wonach der heimische Rohstoffabbau erleichtert und gleichzeitig ökologischer ausgerichtet werden soll.
Zu guter Letzt: Wenn Ihnen der ESG.Table gefällt, leiten Sie uns bitte weiter. Wenn Ihnen diese Mail zugeleitet wurde: Hier können Sie das Briefing kostenlos testen.
Industriell betriebene Landwirtschaft verursacht immense ökologische Schäden. Das bestreiten selbst Befürworter nicht. Sie gehen aber davon aus, dass die wachsende Weltbevölkerung nur mit einer – reformierten – industriellen Landwirtschaft ernährt werden kann. Dem widersprachen schon 2008 mehr als 400 Wissenschaftler im Weltagrarbericht und propagierten eine ökologische Landwirtschaft. Dieses Konzept ist wichtig für die Vereinten Nationen, die im Rahmen der Dekade zur Wiederstellung von Ökosystemen die Zerstörung und Verschlechterung von Milliarden Hektar an Ökosystemen stoppen und umkehren will. Einer der Partnerbetriebe ist die Fattoria La Vialla.
Der Betrieb praktiziert mit der biologisch-dynamischen eine Form der regenerativen Landwirtschaft. Er zeigt, dass dies großflächig möglich ist: Seit mehr als 40 Jahren bewirtschaftet die Familie Lo Franco mehr als 2.000 Hektar Land und Wald. In dem Projekt der UN sieht sie eine große Chance. “Vor allem hoffen wir, dass dadurch mehr Bewusstsein, mehr Sichtbarkeit für eine regenerative, klimapolitische Landwirtschaft entsteht – die andere inspiriert, zu handeln”, sagt Antonio Lo Franco, der mit seinen beiden Brüdern den Betrieb führt. Denn die biologisch-dynamische Landwirtschaft könne nicht nur die Weltbevölkerung ernähren, sondern auch einen Mehrwert für das Gemeinwohl schaffen.
Die fast 200 Menschen, die in dem Betrieb Landwirtschaft betreiben und Nahrungsmittel herstellen, arbeiten nicht gegen, sondern mit der Natur. Wichtige Arbeitsfelder sind:
Mit ihrer Art der Landwirtschaft beteiligen sie sich an der Lösung zweier zentraler Probleme der Menschheit: Der Zerstörung von Böden sowie der Verursachung von CO₂-Emissionen.
In einer Handvoll Ackerboden leben mehr Kleinstorganismen als Menschen auf dem Planeten. Sie bilden einen wichtigen Teil des Humus, also jener dünnen Schicht, auf dem unsere Nahrung wächst. Eigentlich müsste die Menschheit sorgsam mit den Böden umgehen. Denn nur ein Drittel der Fläche ist für die Landwirtschaft überhaupt geeignet und davon wiederum nur ein Drittel für eine intensive Landwirtschaft. Aber vielerorts zerstört die Landwirtschaft Böden und damit die Lebensgrundlage der Menschen. Wind und Wasser tragen jedes Jahr mehr als 24 Milliarden Tonnen der Erdkrume fort.
Weltweit sind schon 20 bis 25 Prozent der Böden erodiert, was enorme Kosten verursacht, weltweit 10 bis 17 Prozent der Weltwirtschaftsleistung. “Das können wir ändern”, sagt Hans Rudolf Herren, Co-Herausgeber des Weltagrarberichts. Denn die Natur habe selbst effektive Maßnahmen, die man wirken lassen solle. Und die Landwirte hätten über die Jahrtausende ein Wissen entwickelt, wie die Bodenfruchtbarkeit erhalten werden kann.
Alceo Orsini, Chefagronom bei der Fattoria La Vialla, hat früher in einer konventionellen Hühnerfarm gearbeitet, mit hunderttausenden Federviechern in Legebatterien. “Gab es ein Problem, studierte ich die Kataloge der Chemiekonzerne.” Vor mehr als 20 Jahren wechselte er die Seite und dachte um: Früher war Natur für ihn “ein notwendiges Übel, heute ist sie ein Ermöglicher und Partner“. Sie finde auch selbst wieder zum Gleichgewicht. Bei falschem Mehltau hätte er früher zum Spritzmittel gegriffen, heute lasse er die Natur wirken.
“Wenn man den Boden pflügt, ist er nackt”, sagt er: Und diese Nacktheit versetze den Boden praktisch in eine “Schockstarre”. Er und sein Team greifen so wenig wie möglich in die Natur ein, bei den Oliven praktisch gar nicht. “Eigentlich bringen wir nur Kompost auf, der Grundgedanke ist einfach, den ganzen Hain fruchtbar zu halten. Also bearbeiten wir nicht jeden einzelnen Baum, sondern das ganze Ökosystem“, sagt er beim Gang über das Gelände. Im Weinberg arbeiten die Bauern zusätzlich mit Gründüngung. “Was wir praktisch aus dem Olivenhain und dem Weinberg an organischer Substanz holen, kompensieren wir mit dem, was wir dem Boden zurückgeben”, sagt er.
Den Effekt ließen sie von einem Labor bestimmen – sie gaben im Abstand von fünf Jahren Bodenproben aus sieben ihrer Weinberge ab. Demnach stieg der Anteil des Humus im Boden, von 2015 bis 2020 je nach Weinberg um elf bis 46 Prozent. “Das ist eine sehr hohe Zahl”, sagt der Agrarwissenschaftler Axel Don vom staatlichen Thünen-Institut in Braunschweig. Denn der Aufbau von Humus vollziehe sich nur sehr langsam. Bei einer guten Herangehensweise sei gewöhnlich ein Aufbau von einem halben Prozent jährlich möglich, also 10 Prozent in 20 Jahren. Man könne auch mehr erreichen, wenn man Humus oder Stallmist aufbringe, aber das sei nur eine Verschiebung der organischen Substanz.
Die Landwirtschaft ist einer der Hauptverursacher von Treibhausgas-Emissionen, neben den Branchen Energieerzeugung, Industrie und Verkehr. La Vialla misst seinen CO₂-Fußabdruck seit dem Jahr 2008. 2021 hat der Betrieb nach eigenen Angaben durch seine Art der Landwirtschaft und Umweltprojekte rund 7.000 Tonnen mehr CO₂ gebunden als emittiert. Für den Zeitraum von 2014 bis 2021 belaufe sich dieser Wert auf fast 37.000 Tonnen CO₂.
Der Betrieb mit Vorbildcharakter engagiert sich lokal und international. So half die Familienstiftung 122 Kleinbetrieben in Italien bei der Umstellung auf Methoden der biologisch-dynamischen Landwirtschaft, verarbeitet teilweise auch deren Ernte. Aber zu den praktischen und theoretischen Schulungen kommen auch Bauern und Bäuerinnen aus der Ferne. Zudem unterstützt die Stiftung Projekte, wie das von Slow Food International vorangetriebene Anlegen von kommunalen Gemüsegartenprojekten in einigen afrikanischen Ländern wie Togo, Burkina Faso oder Nigeria.
Der Betrieb setzt auch Technologie ein, wo es ihm sinnvoll erscheint. So hätten sie mit Partnern eine Maschine entwickelt, die es erlaube, jedes einzelne Blatt eines Rebstocks mit Kupfer zu besprühen. Gleichzeitig sauge die Maschine alles auf, was nicht auf das Blatt gelangt.
“Ökonomisch funktioniert diese Art des Wirtschaftens aber nur, weil wir den ganzen Kreislauf geschlossen haben”, sagt Orsini, “weil wir Obst, Gemüse, Getreide und Fleisch eben selbst weiterverarbeiten und direkt an die Endverbraucher verkaufen”. Denn für solchermaßen verarbeitete Produkte seien die Margen höher als für frische Sachen, wo der Markt “kaputt sei”. Der Betrieb profitiert allerdings auch von den Subventionen, die landwirtschaftliche Betriebe in der EU erhalten.
Die intensive Landwirtschaft gilt als einer der Haupttreiber des Artensterbens, mit ihrem Pestizideinsatz, ihren Monokulturen und der industriellen Tierhaltung. Deshalb hat sich die Bundesregierung das ehrgeizige Ziel gesetzt, bis 2030 den Anteil des Ökolandbaus von rund 10 auf 30 Prozent zu erhöhen. Doch selbst wenn das gelingen sollte – die große Mehrheit der Agrarflächen würde weiter intensiv genutzt. Soll der Artenschwund also wirksam und vor allem zügig gestoppt werden, muss sich vordringlich hier etwas ändern, im konventionellen Bereich.
Das ist der Grundgedanke des F.R.A.N.Z.-Projekts (“Für Ressourcen, Agrarwirtschaft und Naturschutz mit Zukunft”), das 2017 in vergleichsweise kleinem Maßstab startete – mit insgesamt zehn Demobetrieben unterschiedlichster Art, darunter ein Weinbauer, ein Milchviehhalter und mehrere Ackerbaubetriebe. Diese Höfe testen 16 Biodiversitäts-Maßnahmen wie Brachflächen, Feldvogelinseln und Blühstreifen. Auch wenn kein einziger Betrieb dabei zum Biohof wird, sondern weiter Pestizide und Düngemittel einsetzt. Etwaige Ernteausfälle, Mehraufwand und die Kosten der Maßnahmen, wie zum Beispiel das Saatgut, werden den Landwirten ersetzt.
Die Projektleitung teilen sich die Umweltstiftung Michael Otto und der Deutsche Bauernverband, die Fördermittel kommen von der Landwirtschaftlichen Rentenbank, der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung sowie vom Bundesamt für Naturschutz, unterstützt von den beiden Ministerien BMEL und BMUV. Zudem gibt es eine wissenschaftliche Begleitung durch zwei Thünen-Institute, die Universität Göttingen und das Michael-Otto-Institut im NABU.
Denn das Projekt ist mit seinen zehn Demobetrieben zwar recht überschaubar angelegt, aber es erforscht nicht nur die Wirkung von Artenschutzmaßnahmen. Sondern auch, wie sie sich ganz konkret in einen laufenden Intensiv-Betrieb integrieren lassen, der weiterhin auf Effizienz getrimmt ist. Welche Hemmnisse gibt es, wovor schrecken Landwirte zurück? Und welche Vorgaben kollidieren mit ihrer Lebenswirklichkeit? Solche Fragen sind genauso Gegenstand der Begleitforschung wie das Tagfalter-Monitoring oder die Analyse, ob und wie sich die Maßnahmen später auf andere Höfe und Regionen übertragen lassen.
Die Zwischenergebnisse stimmen nun verhalten positiv: Es hat sich gezeigt, dass die Artenvielfalt auch auf konventionell bewirtschafteten Höfen wieder zunehmen kann, manchmal sogar verblüffend stark. So verdoppelte sich etwa die Feldvogeldichte auf den Maßnahmenflächen, auch die Feldhasenpopulation stieg deutlich. Die Insektenwälle – Erdaufschüttungen von etwa zwei Metern Breite und einem halben Meter Höhe – haben sich als besonders effektiv erwiesen und verzeichnen bis zu doppelt so viel Artenreichtum wie andere Maßnahmenflächen. Dagegen haben sich einjährige Blühstreifen in der Praxis nicht bewährt, weil Insekten Überwinterungshabitate und Bodenruhe brauchen. Blühstreifen werden also besser mehrjährig angelegt. Und, ganz wichtig: Landwirte müssen mitreden, mitentscheiden und Maßnahmen auch ablehnen können, sonst machen sie nicht mit.
Das bestätigt auch Jens Dauber, Direktor des Thünen-Instituts für Biodiversität und einer der wissenschaftlichen Begleiter des Projekts: “Das F.R.A.N.Z.-Projekt versucht ganz konkret, mit Landwirten zusammen aufzuzeigen, was auf ihren Betrieben funktioniert. Da gibt es durchaus auch Grenzen, nicht alles ist positiv. Etwa wenn sich bei einer Maßnahme Folgekosten einstellen, weil da im nächsten Jahr mehr Unkraut wächst.”
Eine weitere Erkenntnis der Zwischenbilanz: Es gibt kein “one size fits all”. Nicht zu jedem Betrieb passen alle Maßnahmen, sie müssen flexibel einsetzbar sein, zugeschnitten auf den jeweiligen Hof und passend zum Standort. Davon hängt auch die spätere Übertragbarkeit auf andere Betriebe ab. So sagt Jens Dauber: “Es geht nicht um die einzelnen Maßnahmen an sich. Es geht um die Idee: Welche Kombinationen von Maßnahmen passen am besten zur jeweiligen Landschaft und zu den Agrarsystemen, die sich dort befinden?”
Daher dient das Projekt vor allem dem Ausloten von Kompromissen zwischen Wunsch und Wirklichkeit. Darin liegt auch seine Stärke: Es bringt konträre Parteien wie Artenschützer und Landwirte an einen Tisch und lässt sie gemeinsam praktikable Lösungen finden, die dem Betrieb nicht schaden, die Artenvielfalt trotzdem fördern und deren Effekte wissenschaftlich belegt sind.
Kritische Stimmen kommen hingegen von Forschenden des Ökolandbaus. Die Agraringenieurin Karin Stein-Bachinger untersucht am Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung die Artenvielfalt in der ökologischen Landwirtschaft und sagt: “Diese Bewirtschaftung erbringt bereits viele Naturschutzleistungen. Generell wissen wir auch schon seit Langem von vielen Maßnahmen, wie sie wirken und welche ökonomischen Konsequenzen damit verbunden sind.” Aber noch immer fehle es an der Umsetzung in der Fläche. “Es müsste dringend mehr Geld für die gezielte Umsetzung von Arten- und Klimaschutzmaßnahmen gezahlt werden. Wenn Landwirte für solche Maßnahmen richtig honoriert werden, sind sie zu vielem bereit.”
Doch dazu müsste ein richtig großes Rad gedreht und eine altbekannte Forderung auch tatsächlich umgesetzt werden: mehr Geld aus der ersten Säule der GAP – also den Direktzahlungen an die Landwirte nach Agrarflächen - in die zweite Säule fließen zu lassen. Dort wo Artenschutzmaßnahmen und Klimaschutzleistungen vergütet werden. Und zwar im großen Maßstab. Katharina Jakob
Mitten in der Debatte um einen befürchteten “grünen Handelskrieg” soll es zwischen der EU und den USA mehr Zusammenarbeit beim Austausch von grünen Gütern geben. Die beiden großen Handelsblöcke planen, den gegenseitigen Handel von Greentech durch erleichterte Vorschriften und Standardisierung zu verbessern. “Wir sprechen darüber, ob über gemeinsame Standards und Normensetzung bei den grünen Industrien gemeinsame Märkte geschaffen werden können”, sagte Wirtschaftsminister Robert Habeck am Dienstag zum Abschluss seines Besuches in Washington. Das soll über die bereits bestehende Expertengruppe zwischen den USA und der EU, den “Trade Technology Council” (TTC), geschehen.
Ein “gemeinsames Verständnis” solle “pragmatisch und niedrigschwellig” neue Märkte schaffen, so Habeck. Im Gespräch sei kein umfassendes Freihandelsabkommen, sondern Einigungen in einzelnen Punkten: So könnten etwa “Produkte, die auf dem US-Markt zugelassen sind, automatisch auch in Europa zugelassen werden oder umgekehrt”, sagt Habeck. Bisher sei das nicht der Fall, eine solche Regelung sei aber “keine Raketenwissenschaft”. So solle eine “grüne Brücke über den Atlantik” gebaut werden.
Der Vorstoß zeigt, wie die USA und die EU sich im Streit um Subventionen für grüne US-Produkte vorsichtig annähern wollen. Um die europäischen Interessen anzumelden und Spielräume bei der US-Regierung zu sondieren, war Habeck zusammen mit dem französischen Wirtschafts- und Finanzminister Bruno Le Maire am Dienstag nach Washington gekommen.
Sie absolvierten “in enger Absprache mit der EU-Kommission, die diese Verhandlungen führt”, wie immer wieder betont wurde, einen Tag voller Gespräche in Washington: Auf Habecks Besuchsliste standen neben der Energieministerin Jennifer Granholm auch Außenminister Antony Blinken, Finanzministerin Janet Yellen, Handelsministerin Gina Raimondo und der IRA-Berater von US-Präsident Biden, John Podesta.
Habeck lobte mehrfach den US-amerikanischen “Inflation Reduction Act” (IRA), mit dem der US-Kongress im vergangenen Sommer den Weg frei gemacht hat für massive Investitionen, unter anderem in grüne Technologien: Etwa 370 Milliarden Dollar sollen über zehn Jahre unter anderem in Erneuerbare Energien, grünen Wasserstoff, saubere Mobilität, Batteriefertigung, Kohlenstoffspeicherung (CCS) fließen. Das Paket soll außerdem helfen, die CO₂-Emissionen der USA bis 2030 um jährlich eine Milliarde Tonnen zu senken. Es schafft damit bisher nach einer umfassenden Studie zwei Drittel der Reduktionen, die nötig sind, um die USA wie beschlossen bis 2050 auf Netto-Null-Emissionen zu bringen.
Der IRA ist in den USA vor allem wichtig,
Für US-Präsident Joe Biden war die Verabschiedung des IRA im Sommer 2022 ein großer und überraschender Erfolg. Es wurde erwartet, dass er ihn bei seiner Rede an die Nation am Dienstagabend (nach Redaktionsschluss) zu einem Hauptthema machen würde.
“Wir haben die USA lange gedrängt, beim Klimaschutz ernst zu machen, und IRA ist eine großartige Sache“, so Habeck. Das IRA sei “eigentlich identisch mit dem Green Deal der EU”. Auch Le Maire betonte, eine starke europäische Industrie kooperiere am besten mit einer starken amerikanischen Industrie. Vom IRA und der starken Nachfrage nach Produkten würden laut Habeck auch europäische Industrien wie der Anlagenbau stark profitieren.
Le Maire betonte aber auch, es brauche Fairness im Umgang miteinander. Das bezieht sich auf Vorschriften im IRA, wonach etwa 60 Prozent aller Steuervergünstigungen eine “local content”-Klausel vorsehen. Damit müssen Produkte ganz oder teilweise in den USA gefertigt sein oder aus Kanada oder Mexiko stammen, mit denen die USA Freihandelsabkommen haben. Die EU hat bereits angekündigt, auf das IRA auch damit zu reagieren, ihre Subventions- und Beihilferegeln zu entschlacken, wie Table Media berichtete.
Beim IRA drängen die Europäer besonders an folgenden Punkte auf Änderungen:
Habeck und Le Maire betonten, sie erwarteten nicht, dass der IRA als Gesetzespaket noch einmal verändert werde. Es gehe nun darum, in den Ausführungsbestimmungen noch Fortschritte zu erzielen.
Wie wichtig die Lieferketten für das grüne Wachstum in den USA sind, zeigt eine am Mittwoch erscheinende Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), die Table.Media vorab vorlag. Demnach kommen bislang 76 Prozent der kritischen Rohstoffe aus Ländern, die kein Freihandelsabkommen mit den USA haben. Bei kritischer Greentech wie Photovoltaik, Windturbinen oder Lithium-Batterien stammen die Rohstoffe zu mehr als der Hälfte aus Nicht-Freihandelsländern.
“Die USA wollen mit dem Inflation Reduction Act vor allem die heimische Wirtschaft stützen, sie resilienter gegen Lieferengpässe machen und sich als Technologieführer positionieren. Aber ihre starke Rohstoff- und Technologieabhängigkeit könnte dazu führen, dass sie weiterhin auch auf Länder ohne Freihandelsabkommen angewiesen sind”, erläutert Studienautorin Josefin Meyer.
Noch in dieser Legislaturperiode will das Bundeswirtschaftsministerium das Bundesberggesetz ändern, um den heimischen Bergbau zu stärken. Das kündigte es Anfang Januar im Eckpunktepapier zur Rohstoffstrategie an (Europe.Table berichtete). Die Rohstoffgewinnung in Deutschland soll ökologisch ausgerichtet und erleichtert werden. Das gleiche Ziel verfolgt der für Anfang März angekündigte EU Critical Raw Materials Act: Die Kommission plant, Genehmigungen für Projekte in der EU zu vereinfachen und hohe Umwelt- und Sozialstandards zu etablieren.
Im Mai 2022 hatte sich das BMWK bei einem ersten Fachgespräch mit Expertinnen und Vertretern der Länder zu einer Reform ausgetauscht. Zudem plant das Ministerium, eine Umfrage unter NGO und Verbänden durchzuführen, damit diese ihre Ideen für Reformen teilen können, erklärt eine Sprecherin auf Nachfrage. Aufbauend darauf erstelle das BMWK dann Eckpunkte. Anschließend soll die reguläre Verbändeanhörung stattfinden. Zuständig im Ministerium ist der Parlamentarische Staatssekretär Michael Kellner.
Für die Transformation der Wirtschaft ist eine ausreichende Versorgung der heimischen Industrie mit Rohstoffen unabdingbar. Auch künftig wird Deutschland von Rohstoffimporten abhängig bleiben. Aber nach Ansicht der Industrie sollte auch Deutschland selbst eine größere Rolle beim Abbau von Rohstoffen spielen, so wie dies beispielsweise bei Sand, Kies, Steinsalze und Kali bereits der Fall ist. So hatte der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) bei seinem Rohstoffgipfel im Herbst etwa darauf verwiesen, dass es große Vorkommen an Lithium und Schiefergas gebe und mitgeteilt, dass der Bergbau in Deutschland “nach höchsten Transparenz- und Nachhaltigkeitskriterien” stattfinde. In den vergangenen Jahrzehnten waren es aber die Unternehmen selbst, die Rohstoffe in immer größerem Ausmaß in anderen Regionen der Welt einkauften, weil es dort günstiger war, auch wegen geringerer Umwelt- und Sozialauflagen.
Die Koalitionsfraktionen sind sich zumindest über den Handlungsbedarf einig: “Aus unserer Sicht ist das notwendig, weil wir unser heimisches und europäisches Rohstoffpotential nutzen müssen“, erklärt Sebastian Roloff (SPD). “Nur so können wir Rohstoffabbau unter höchsten ökologischen und sozialen Standards gewährleisten, unsere Abhängigkeiten minimieren und die Resilienz von Lieferketten stärken”. Der Berichterstatter der FDP-Fraktion, Reinhard Houben, erhofft sich von der Novellierung “die heimischen Rohstoff-Potentiale endlich adäquat zu erschließen und eine Abkehr von der Not-in-my-backyard-Politik der vergangenen Jahrzehnte einzuläuten”. Das Bergrecht sei aus der Zeit gefallen und gehöre “auf den Klimaprüfstand”, sagt Armin Grau (Grüne).
Das Bundesberggesetz (BBergG) stammt aus dem Jahr 1980 und führte damals die Landesgesetzgebungen in einen einheitlichen Rechtsrahmen über. Es reguliert das Aufsuchen, Gewinnen und Aufbereiten von Bodenschätzen und die Wiedernutzbarmachung der Flächen nach der bergbaulichen Nutzung.
Laut dem Umweltbundesamt (UBA) “erweist sich das BBergG über die Jahrzehnte seines Bestehens als erstaunlich undurchlässig für die Integration von umwelt- und naturschutzrechtlichen Anforderungen“. Zwar seien zwingende EU-Vorgaben, wie die Richtlinie zur Einführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung, umgesetzt worden. Davon abgesehen habe “der Bundesgesetzgeber bisher wenig Reformwillen erkennen lassen”, schreibt das UBA. Daher räume das Gesetz der Sicherung der Rohstoffversorgung noch heute einen “klaren Vorrang vor anderen Gemeinwohlbelangen” ein, heißt es in einem Positionspapier des UBA von Dezember 2020.
Aufgrund der oftmals erheblichen Eingriffe in die Natur und die Folgen für die lokale Bevölkerung, auch lange nach Durchführung der Projekte, spricht sich das UBA schon lange für eine umfassende Reform des BBergG aus. Diese müsse das Ziel verfolgen, “dass sowohl der Bedarf heutiger als auch künftiger Generationen gedeckt wird und hohe Umwelt- und Arbeitsschutzstandards effektiv eingehalten werden”.
“Natur-, Umwelt- und Ressourcenschutz sowie individuelle Grundrechte finden im BBergG kaum Beachtung“, sagt auch Josephine Koch, Referentin beim Forum Umwelt und Entwicklung. Sie sieht die Gefahr, dass diese Belange zugunsten schnellerer und einfacherer Genehmigungsverfahren noch stärker verwässert werden. Der Vorrang für den Rohstoffabbau müsse abgeschafft und Naturschutzbehörden mit einem Vetorecht ausgestattet werden, fordert sie.
Die Industrie sieht das anders: “Das Bergrecht wurde fortlaufend an die rechtlichen Entwicklungen angepasst. Bei Bergbauvorhaben sind bereits heute dieselben ökologischen Anforderungen wie bei anderen Vorhaben zu beachten”, heißt es in einer Stellungnahme der Vereinigung Rohstoffe und Bergbau (VRB) und des Verbands der Kali- und Salzindustrie. “Daher ist das Bergrecht modern, ökologisch und auf der Höhe der Zeit, und es besteht kein grundlegender Änderungsbedarf“.
Aus Sicht der Verbände sind eines der “wirklichen Probleme” die bisher sehr langen Planungs- und Genehmigungsverfahren. Zügige, entschlackte und digitalisierte Verfahren sollten der Standard werden. Die schnelle Genehmigung und Umsetzung der LNG-Terminals habe der Branche Hoffnung gemacht, sagt Olaf Alisch vom Verband Bergbau, Geologie und Umwelt (VBGU). Für den Bergbau sei ein vergleichbarer Zeitraum aber nicht realistisch: “Dazu sind diese Projekte zu komplex”. Verfahren in beispielsweise vier bis sechs Jahren wären aber – im Vergleich zu den heutigen Verfahren über zehn bis zwölf Jahre – schon ein riesiger Erfolg.
Stefan Rouenhoff (CDU) bemängelt, die Bergbauindustrie sei zu wenig in den Konsultationsprozess des BMWK eingebunden. Im Herbst stellte er dazu eine schriftliche Frage. Unter 30 geladenen Gästen bei dem Fachgespräch im Mai waren “ein ehemaliger Mitarbeiter der Ruhrkohle AG und ein Mitarbeiter der Vereinigung Rohstoffe und Bergbau”, antwortete das BMWK. “Statt kritischen Stimmen aus der Praxis Gehör zu schenken, nimmt das Bundeswirtschaftsministerium scheinbar lieber nur von Rechtsanwälten, Professoren, Ministerialbeamten und Vertretern des Öko-Instituts Änderungsvorschläge zum Bergrecht entgegen”, kritisiert Rouenhoff.
Die Bundesländer drängen schon länger auf eine Reform: Im November 2021 hatte sich die Umweltministerkonferenz für eine Novellierung des Bergrechts ausgesprochen, mit dem Ziel, Transparenz, Klima- und Umweltschutz sowie Ressourcenschonung darin zu verankern. Ein Jahr später brachte Rheinland-Pfalz einen Gesetzesentwurf für mehr Transparenz und Öffentlichkeitsbeteiligung im Bergbau in den Bundesrat ein. Dieser zielt auf Änderungen des Bundesberggesetzes und der Verordnung über die Umweltverträglichkeitsprüfung von bergbaulichen Vorhaben (UVP-V Bergbau) ab.
Der Entwurf sieht unter anderem vor, dass Bergbaubehörden die betroffene Öffentlichkeit vor Ort frühzeitig über die Ziele und den Umfang von Vorhaben sowie “die voraussichtlichen Auswirkungen auf Klima und Umwelt sowie Nachbarschaft” unterrichten. Ende Januar wurde der Entwurf im Wirtschaftsausschuss diskutiert, mit der Empfehlung für die Sitzung des Bundesrats am kommenden Freitag, 10. Februar, den Entwurf beim Bundestag einzubringen.
8.2.2023, 10:30 Uhr, online
Öffentliche Anhörung Erhebung einer Einwegkunststoffabgabe (Umweltausschuss des Bundestags)
In der Anhörung geht es um die von der Bundesregierung geplante Einwegkunststoffabgabe für Hersteller. Die Sitzung wird live auf der Website des Bundestags übertragen. Info
8.2.2023, 17 Uhr, online
Fachgespräch Solide Brücken – die starken Schultern unserer Gesellschaft (Bündnis 90/Die Grünen-Bundestagsfraktion)
Ausgehend vom großen Brücken-Sanierungsbedarf in Deutschland soll die Frage diskutiert werden, wie bestehende Infrastruktur fit für die Zukunft gemacht werden kann, ohne Umwelt und Klima zu zerstören. Info & Anmeldung
9.2.2023, 16 Uhr, online
Diskussion Energiedialog 2023: Die BEE-Plattform zur Umsetzung der Energiewende
Wie können wir die Energiewende schneller vorantreiben, damit die Erneuerbaren Energien mehr Verantwortung übernehmen für eine sichere Versorgung? Diese und weitere Fragen diskutiert der Bundesverband Erneuerbare Energien mit Wirtschaftsminister Robert Habeck und der Industrie. Info & Anmeldung
13.-14.2.2023, Osnabrück
Tagung Resiliente Agri-Food-Systeme: Herausforderungen und Lösungsansätze (GIL)
Die 43. Jahrestagung der Gesellschaft für Informatik in der Land-, Forst- und Ernährungswirtschaft (GIL) findet in einer Zeit statt, in der die globalen AgriFood-Systeme großen Herausforderungen ausgesetzt sind. Info & Anmeldung
14.-15.2.2023, online
Jahreskongress Deutsche Gesellschaft für nachhaltiges Bauen
Die Veranstaltung liefert eine Bestandsaufnahme, wo nachhaltiges Bauen zu Beginn des Jahres 2023 steht und diskutiert Wege in eine klimapositive Zukunft des Bau- und Immobiliensektors. Info & Anmeldung
14.2.2023, 16 Uhr
Webinar CO2-Reduktion in logistischen Prozessen (IPD)
In diesem Webinar bekommen Teilnehmende einen Überblick über die globalen und nationalen Anforderungen an die Logistik-Branche, bestehende Standards und die Unterschiede sowie die Möglichkeiten zur Reduktion und Kompensation von Emissionen. Info & Anmeldung
14.2.2023, 19 Uhr, Köln und online
Kurs Wie Nachhaltigkeit in der Dauerkrise gelingen kann
Vier Autoren und Autorinnen des Buches “Vom betrieblichen Umweltschutz zur großen Transformation” diskutieren über die Chancen und Herausforderungen der Dauerkrise. Info & Anmeldung
15.2.2023, 18:30 Uhr, Berlin
Diskussion European Day of Demography. “Wir alle altern – aber manche altern besser als andere”
Wie hängen Bildungserwerb, Lebensarbeitszeit und ein gesundes, aktives und produktives Altern zusammen? Diese und weitere Fragen diskutiert Dubravka Šuica, Vizepräsidentin der EU-Kommission für Demokratie und Demografie, mit weiteren Experten und Expertinnen. Anmeldeschluss ist der 15. Februar. Info & Anmeldung
15.2.2023, online
Diskussion Politischer Mittagstisch: Eine globale Krise – wie steht’s um die Klimapolitik in Hessens Kommunen? (FES)
In der Diskussion soll herausgearbeitet werden, inwieweit bei der sozial-ökologischen Transformation in hessischen Kommunen Fortschritte erzielt wurden und wo sich der Handlungsbedarf vergrößert hat. Info & Anmeldung
16.2.2023, Berlin und online
Diskussion Konflikte und Chancen der ökologisch-sozialen Verkehrswende (FÖS)
Welche Instrumente für eine gerechte Verkehrswende gebraucht werden sowie welche Konflikte und Herausforderungen mit der Integration verschiedener Politikfelder einhergehen, diskutieren auf dieser Veranstaltung Experten aus Verbänden, Wissenschaft und Politik. Info & Anmeldung
2.-3.3.2023, Berlin
Fachtagung Transformation in der Weiterbildung (DGB)
Betriebliche Qualifizierung und berufliche Weiterbildung sind eine wesentliche Voraussetzung, damit sich Beschäftigte in der digitalen und sozial-ökologischen Transformation beruflich weiterentwickeln können. Auf dieser Fachtagung des DGB geht es um die Frage, wie es gelingt, diese Weiterbildung zu fördern. Anmeldeschluss ist der 9. Februar. Info & Anmeldung
Während Industrievertreter den Green Deal Industrial Plan (GDIP) als Schritt in die richtige Richtung begrüßen, kommt Kritik von den europäischen Gewerkschaften. Mit dem GDIP will die EU ein Abwandern von Industrieproduktion und Arbeitsplätzen verhindern und gleichzeitig umweltfreundliche Industrien stärken sowie die Transformation zur Klimaneutralität unterstützen.
In einer Erklärung sprachen der Europäische Gewerkschaftsbund (EGB) und IndustriALL Europe, der Dachverband der europäischen Industriegewerkschaften, von einem Blankoscheck für Unternehmen. “So wie es aussieht, werden private Unternehmen Milliarden von Euro an öffentlichen Geldern erhalten, ohne dass sie sich verpflichten müssen, angemessene Löhne zu zahlen, die Rechte der Arbeitnehmer zu respektieren oder hochwertige Arbeitsplätze und Ausbildungsplätze zu schaffen”, beklagte EGB-Generalsekretärin Esther Lynch.
Nach derzeitigem Stand berücksichtige der IRA in den USA die Interessen der Arbeitnehmer mehr als der GDIP, heißt es in dem Papier weiter. EGB und IndustriALL Europe drängen deshalb darauf, dass folgende Bedingungen bei der Förderung von Unternehmen erfüllt sein müssen:
IndustriALL-Generalsekretär Luc Triangle ist sich sicher, dass der GDIP nur dann zu einem Erfolg für Europa werde, “wenn er sozialer wird und einen fairen Übergang mit Arbeitnehmerbeteiligung, guten Jobs und hohen sozialen Standards gewährleistet”. ch
Das EU-Parlament hat sich dafür ausgesprochen, die Position der rund 1.200 Europäischen Betriebsräte (EBR) zu verbessern. Zur Abstimmung stand ein legislativer Initiativbericht des EVP-Abgeordneten Dennis Radtke (CDU). Darin werden härtere Strafen bei Verstößen gegen Mitbestimmungsrechte und vereinfachte Verwaltungs- und Gerichtsverfahren gefordert. Die EU-Kommission hat nun bis Januar 2024 Zeit, einen Vorschlag zur Überarbeitung der geltenden Richtlinie vorzulegen.
“Wir wollen das Rad nicht neu erfinden, sondern geltendes Recht stärken und besser umsetzen”, sagte Radtke in einem Pressegespräch. Ziel sei es, die “europäische Demokratie am Arbeitsplatz zu stärken”. Die digitale und grüne Transformation könne nur gelingen, wenn Betriebsräte “eng in mögliche Umstrukturierungen eingebunden werden”, ergänzte er. Vor seinem Einzug in das EU-Parlament war Radtke für die Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie und Energie (IG BCE) tätig.
Zentrale Forderungen des Berichts sind:
Das Europäische Gewerkschaftsinstitut (ETUI) hat im vergangenen Jahr eine Studie veröffentlicht, in der auf den schwachen Rechtsstatus der EBR hingewiesen wird. Dies schränke ihre Wirksamkeit deutlich ein. EBR können in Unternehmen etabliert werden, die in der EU mindestens 1.000 Beschäftigte haben. Davon müssen jeweils 150 Arbeitnehmer in wenigstens zwei Mitgliedsstaaten tätig sein. ch
Die Produktion von Einwegplastik, einer der größten Umweltbedrohungen der Welt, ist von 2019 bis 2021 trotz strengerer weltweiter Vorschriften um sechs Millionen Tonnen jährlich gestiegen. Das Wachstum habe sich verlangsamt, aber die Produktion von Einwegplastik aus neuen fossilen Brennstoffen sei noch lange nicht am Höhepunkt angelangt und die Verwendung von recycelten Rohstoffen bleibe bestenfalls eine marginale Aktivität, heißt es bei der australischen Minderoo-Stiftung in ihrem Plastic Waste Makers Index.
Exxon Mobil steht an der Spitze der Liste der weltweiten Petrochemieunternehmen, die neue Polymere für Einwegkunststoffe herstellen, gefolgt von der chinesischen Sinopec. Letzteres ist führend, wenn es um den Bau neuer Produktionsanlagen im Zeitraum 2019-2027 geht, so der Bericht.
China hat in den vergangenen 15 Jahren das schnelle Wachstum der weltweiten Kunststoffnachfrage angetrieben. Trotz des viel beachteten Verbots einiger Einwegprodukte ab 2019 entstand die Hälfte der 15 Millionen Tonnen neuer Kapazitäten zwischen 2019 und 2021 in China. Das Land hat vergangenes Jahr in einem “Fünfjahresplan” die Bekämpfung der Kunststoffproduktion angekündigt, dass es die Produktion und Verwendung von Einwegkunststoffen stark einschränken und einige Produkte ganz verbieten werde.
Im Jahr 2021 wurden rund 137 Millionen Tonnen Einwegkunststoffe aus fossilen Brennstoffen hergestellt, und es wird erwartet, dass diese Menge bis 2027 um weitere 17 Millionen Tonnen ansteigen wird, so die Forscher. rtr/cd
Bei der Transformation des Verkehrssektors kommt dem ÖPNV eine zentrale Rolle zu. Einen Schub verspricht sich die Politik vom 49-Euro-Ticket. Aber Experten äußern sich verhalten, was die mögliche Nachfrage und damit die Wirkung auf den Klimaschutz anbelangt. Erste Erkenntnisse aus Interviews mit Nutzern des 9-Euro-Tickets deuteten darauf hin, “dass für viele heutige Gelegenheitsnutzer des ÖPNV der Preis von 49 Euro zu hoch ist, um sich das Ticket auf Verdacht zu Beginn des Monats anzuschaffen oder gar ein Abo abzuschließen”, sagt Gernot Liedtke, Verkehrsexperte von der TU-Berlin.
Bei einem Preis von 29 Euro für einen Monat wären die allermeisten Verkäufe zu erwarten, sagt Andreas Knie, Leiter der Forschungsgruppe Digitale Mobilität und gesellschaftliche Differenzierung, Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung. “Jedenfalls sind 49 Euro zu teuer, um wirklich einen großen Durchbruch zu schaffen.” Wie viele Menschen sich ein solches Abo kaufen würden, könne aber jetzt noch nicht abgeschätzt werden, weil die Länder und Stadtstaaten ebenfalls an neuen Angeboten feilten. So will Berlin am 29-Euro-Ticket festhalten. “In jedem Fall sind 49 Euro für Haushalte besonders mit geringem Einkommen deutlich zu hoch”, sagt Knie.
Der Verkehr erreicht nicht die politisch vorgegeben Senkungen beim CO₂-Ausstoß. Laut dem Think Tank Agora Energiewende lag der CO₂-Ausstoß 2022 mit 150 Millionen Tonnen deutlich über dem laut Klimaschutzgesetz erlaubten 139 Millionen Tonnen. Zur Zielerreichung kann das Deutschlandticket wohl nur einen kleinen Teil beitragen. Wenn bisher sporadischen ÖPNV-Nutzer häufiger das Auto stehen ließen, könne man zwei Millionen Tonnen als obere Grenze für jährliche CO₂-Einsparungen abschätzen, sagt Gernot Liedtke. “Wahrscheinlicher sind Einsparungen in der Größenordnung einer Million Tonnen pro Jahr.”
Skeptisch ist Mark Andor, Leiter der Forschungsgruppe “Prosoziales Verhalten” am RWI Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung: Bisherige Erfahrungen mit kostenlosen ÖPNV-Angeboten und dem 9-Euro-Ticket deuteten darauf hin, “dass kein starker Rückgang der Autonutzung zu erwarten ist”. Entscheidend für den Umstieg sei neben dem Preis vor allem die Qualität des Angebots, etwa weniger Überlastungen oder bessere Anbindungen auch zu Randzeiten und am Wochenende. Eigene Umfragen in den drei Ruhrgebietsstädten Bochum, Dortmund und Essen zeigten, dass sich die Bevölkerung als wesentliche Verkehrsmaßnahme insbesondere eine Verbesserung des ÖPNV-Angebotes wünsche. cd
Dänemark hat die ersten drei Zulassungen erteilt, damit Unternehmen in größerem Maßstab CO₂ unter dem Meeresgrund der Nordsee einlagern können. Die Zulassungen gingen an den Konzern TotalEnergies und ein Konsortium aus den Unternehmen Ineos und Wintershall Dea, wie das dänische Klimaministerium am Montag mitteilte. Damit könnten die Arbeiten sofort beginnen. Es wird demnach damit gerechnet, dass im Rahmen der beiden Projekte ab 2030 bis zu 13 Millionen Tonnen Kohlendioxid jährlich unter dem dänischen Teil der Nordsee eingelagert werden können.
Die dänische Energiebehörde hat dem Ministerium nach eigenen Angaben empfohlen, die ersten drei Zulassungen zur Erforschung einer größeren CO₂-Lagerung in der Nordsee an die besagten Unternehmen zu vergeben. Es handle sich um einen wichtigen Schritt, um Dänemarks CCS-Strategie zu verwirklichen, sagte die Behörde. CCS steht für “Carbon capture and storage” (CO₂-Abscheidung und -Speicherung). Bei dem Prozess wird ausgestoßenes CO₂ eingefangen und unter die Erde gepumpt.
Dänemark will bis 2045 klimaneutral sein. Die neue Regierung in Kopenhagen hatte kurz nach der COP27 sogar ein neues Netto-Emissionsminderungsziel von 110 Prozent bis 2050 angekündigt.
Das Projekt von TotalEnergies heißt Bifrost und soll ab 2027 bis zu 3 Millionen Tonnen CO₂ in einem bereits ausgeschöpften Öl- und Gasfeld einlagern – bis 2030 schließlich 5 Millionen Tonnen. Ineos und Wintershall Dea wollen mit dem Greensand-Projekt bis 2025 mit der Einspeicherung von bis zu 1,5 Millionen Tonnen CO₂ in erschöpfte Öl- und Gasfelder in der Nordsee beginnen. 2030 soll die Kapazität auf 8 Millionen Tonnen pro Jahr erhöht werden.
Der dänische Staat will laut Reuters-Informationen knapp die Hälfte der Gesamtinvestitionen von umgerechnet 60 Millionen Euro für Greensand und 21 Millionen Euro für Bifrost tragen. dpa/luk/rtr
In den USA setzen ausgerechnet republikanische Staaten auf erneuerbare Energien – Handelsblatt
Das Handelsblatt berichtet über das vermeintliche Paradox, dass gerade republikanische US-Bundesstaaten den Ausbau Erneuerbarer Energien vorantreiben. Diese Staaten würden zwar weiter Öl und Gas fördern, gleichzeitig aber aus wirtschaftlichen und politischen Gründen auf erneuerbare Energien setzen. Zum Artikel
World’s biggest investment fund warns directors to tackle climate crisis or face sack – The Guardian
Rupert Neat beschreibt in diesem Beitrag, wie der norwegische Staatsfonds Unternehmen dazu bringen will, sich ökologisch und sozial nachhaltig aufzustellen. Entwickeln Unternehmen gar keine Strategie, behält sich der Fonds vor, auf Hauptversammlungen gegen die Vorstände zu stimmen. Zum Artikel
Brüsseler Wumms-Versuch – Der Spiegel
Der Spiegel schreibt über das Infrastrukturprojekt “Global Gateway”, mit dem die EU Chinas Projekt der Neuen Seidenstraße Paroli bieten will. Aber die Initiative der Europäer drohe “im Klein-Klein” zerrieben zu werden, weil es unter den EU-Staaten Streit gebe um den regionalen Schwerpunkt. Zum Artikel
Joe Biden’s effort to remake the economy is ambitious, risky and selfish – The Economist
Der Economist hält die Pläne von Joe Biden zur Transformation der amerikanischen Wirtschaft für die ehrgeizigsten seit vielen Jahrzehnten. Erfolgreich sein können sie der Zeitschrift zufolge nur, wenn die USA gleichzeitig eine kluge Handelspolitik verfolgen, Subventionen für die richtigen Technologien zahlen und ihre Genehmigungsgesetze reformieren. Der Artikel ist Teil einer Serie zur Industrialisierungsstrategie der USA. Zum Artikel
America’s government is spending lavishly to revive manufacturing – The Economist
Zum Auftakt der Economist-Serie geht es auch, um die Arbeitsplätze, die entstehen könnten. Mit dem Inflation Reduction Act könnten in den nächsten zehn Jahren jährlich 912.000 Arbeitsplätze geschaffen werden, schätzt die University of Massachusetts Amhert. Angesichts von öffentlichen und privaten Investitionen von jährlich 98 Milliarden Dollar, seien dies pro neu geschaffenen Arbeitsplatz rund 100.000 Dollar. Zum Artikel
ESG-Transformation auch in Asien – FAZ
Europa gilt international als Vorreiter der ESG-Transformation. Doch auch Länder wie Japan und Singapur zeigen ein deutlich wachsendes Interesse an Nachhaltigkeitskriterien und ihrer Umsetzung, schreibt Christiane Conrads. Zum Artikel
In the global race to dominate green technology, Britain is still tying its shoelaces – The Guardian
Laut Andrew Rawnsley besteht für Großbritannien angesichts der Investitionsoffensive der USA sowie von China und der EU die Gefahr, dass Großbritannien bei wichtigen Zukunftstechnologien ins Hintertreffen gerät. Der Wirtschaftsausschuss warne zu Recht, dass das Fehlen einer Strategie bei der Versorgung mit Halbleitern “ein Akt der nationalen Selbstbeschädigung” sei, der das Vereinigte Königreich in eine gefährliche Lage bringe. Zum Artikel
Willkommen im Exponentialzeitalter – SZ
Helmut Martin-Jung beschäftigt sich in seinem Wirtschaftsessay mit den Wirkungen des exponentiellen Wachstums für die Gesellschaft. Der Mensch habe nicht gelernt, mit exponentiellem Wachstum umzugehen. Doch die Welt der Technologie bewege sich längst auf dieser Kurve. Er schreibt: “Wer nicht überrollt werden will, muss eingreifen.” Zum Artikel
Erntehelfer: Schutzlos auf den Feldern – FR
Die Initiative Faire Landarbeit hat ihren Jahresbericht zur Situation ausländischer Saisonarbeiter vorgelegt. Steffen Herrmann hat einen Blick in die Untersuchung geworfen und besorgniserregende Zustände ausgemacht: Feldarbeit in praller Sonne, verschimmelte Unterkünfte, Akkordarbeit, ausbleibende Löhne und fehlende Krankenversicherungen. Zum Artikel
Nachhaltigkeitsberichte: Was auf kleine Betriebe zukommt – Handwerk.com
Marina Jahn beschreibt die Aufwände, die Handwerkbetrieben aufgrund neuer EU-Standards haben, und wie KMU mit der ESG-Regulatorik umgehen sowie ihr Nachhaltigkeitsengagement mit Blick auf ESG-incentivierte Kreditvergaben dokumentieren können. Zum Artikel
Pilot: Atemschlauch-Recycling spart jährlich eine Tonne Ressourcen – Klinik Einkauf
Ein Rücknahmesystem für Atemschläuche aus dem OP soll jährlich bis zu 1 Tonne Ressourcen der stofflichen Verwertung zuführen. Das Pilotprojekt haben der Medizintechnik-Spezialisten Dräger (Beatmungsgeräte), das Universitätsklinikum Hamburg und die Abfallmanagementplattform Resourcify angestoßen. Zum Artikel
Reparieren statt neu bauen: Deutschlands größtes Fliesenarchiv – Deutsche Handwerkszeitung
Der Gebrauchtfliesenhändler Schittek in Hamburg sorgt mit seiner einzigartigen Sammlung von 7 Millionen Fliesen aus Abrisshäusern, Restposten, aus Kellern- und Garagenfunden dafür, dass bei Wasserschäden nicht gleich komplette Bäder abgerissen werden müssen, sondern beschädigte Fliesen ersetzt werden können. Der nachhaltige Ansatz erfreue sich steigender Nachfrage, schreibt die Zeitung. Zum Artikel
Für mehr Klimaschutz, Resilienz und Nachhaltigkeit braucht es rasch einen Transformationsfonds zur Finanzierung der Umgestaltung der Land- und Ernährungswirtschaft. Öffentliches Geld für öffentliche Leistungen ist die Argumentationslinie, an der sich nationale und europäische Politik orientieren sollte, um weitere Schäden und Verluste an den Gemeingütern, wie Versorgungssicherheit, Klima, Wasser und Biodiversität nicht noch weiter eskalieren zu lassen. Der Markt versagt an dieser Stelle, wie wir gerade erleben.
Die Inflation lenkt den Konsum zum günstigen Produkt und heizt die industrielle Nahrungsmittelproduktion noch weiter an. Betriebe, die sich bereits auf den Weg gemacht haben, schon nachhaltig und ökologisch wirtschaften und ihre vielen Leistungen für das Gemeinwohl in ihre Produktpreise internalisieren, stehen plötzlich im Regen – das betrifft nicht nur ökologische Produkte, sondern auch konventionelle, vor allem aus hochwertiger regionaler und regenerativer Erzeugung. Sie alle leiden unter der aktuellen Kaufzurückhaltung.
Gerade jetzt zeigt sich die Verwundbarkeit der nationalen Nahrungsmittelversorgung durch die globalisierten Wertschöpfungsketten bei Roherzeugnissen und Produktionsmitteln, wie Dünger, Energie und Technik. Der Krieg in der Ukraine hat mit einem Schlag offengelegt, welche Abhängigkeiten bestehen. Wenn die Agrarwende gelingen soll, hin zu einer zukunftsfähigen, im Einklang mit den planetaren Grenzen stehenden Art der Bodenbewirtschaftung und Nutztierhaltung, sollte der Staat eingreifen und starke Anreize setzen für die Umgestaltung der Land- und Ernährungswirtschaft zu mehr Resilienz und Nachhaltigkeit.
Die Einrichtung eines nationalen Transformationsfonds für zunächst drei Jahre wäre eine angemessene Reaktion auf die existierenden Verhältnisse und würde in der aktuellen Situation eine ausreichende wirtschaftliche, politische und gesellschaftliche Entspannung mit sich bringen, um die dringend notwendigen Strategien für mittel- und langfristige Lösungen auszuarbeiten. Mit dem Rücken an der Wand ist es schwierig, langfristige Strategien zu entwickeln und auszuhandeln.
Regionales und nachhaltig regeneratives Wirtschaften gewinnt aktuell eine ganz andere Dimension als bisher, wo Regionalität höchstens als Nische für Betriebe galt, die aufgrund ihrer geringen Größe, im großen Weltmarkt nicht mehr mitspielen konnten. Nachhaltiges und resilientes Wirtschaften in regionalen Wertschöpfungsräumen ist das neue Theorem, das von vielen Akteuren in großer Einigkeit gefordert wird. Folgerichtig fordern sie von der Politik, endlich die notwendigen Rahmenbedingungen zu schaffen. Das haben die jüngsten Veranstaltungen in Berlin gezeigt, wie der Agrarkongress des Bundesumweltministeriums und die Internationale Grüne Woche in Berlin mit ihren zahlreichen Veranstaltungen, unter anderem der alljährlichen Großdemonstration “Wir haben es satt”, bei dem ein breites Agrar-Bündnis aus Landwirten, Verbänden und Konsumenten gemeinsam für eine zukunftsfähige Agrarpolitik auf die Straße gingen.
Die landwirtschaftlichen Betriebe sollten die Bereitstellung ihrer Leistungen für das Gemeinwohl von der öffentlichen Hand direkt und nicht wie bisher über die Produkte bezahlt bekommen. Schätzungsweise 200 Euro pro Bundesbürger*in und Jahr würde es nach unseren Berechnungen kosten, wenn alle entsprechenden Leistungen und Maßnahmen der gesamten deutschen Landwirtschaft, nicht nur der ökologischen vergütet würden. Das wären durchschnittlich knapp 1.000 Euro pro Hektar, abhängig vom Nachhaltigkeitsgrad des einzelnen Betriebs. Die Methoden und Instrumente, wie diese Mehrwertleistungen der Landwirtschaft für Gemeinwohl und Nachhaltigkeit berechnet werden können, sind entwickelt und anwendungsbereit.
Eine solche Intervention des Staates hätte zur Folge, dass die Nahrungsmittel im Regal günstiger würden. Für die Kosten zum Schutz der Gemeingüter in der landwirtschaftlichen Produktion kämen nicht die Verbraucher*innen über den Produktpreis auf, sondern sie würden aus allgemeinen staatlichen Mitteln bezahlt, was eine breitere Finanzierungsbasis wäre. Der große Vorteil: Einkommensschwächere Haushalte könnten sich mehr hochwertiges Essen leisten und gleichzeitig würde die Produktion insgesamt nachhaltiger.
Um darüber hinaus die notwendige Agrarwende zu finanzieren, bräuchte es ein ganzes Bündel an Maßnahmen, die aber alle ihre Zeit brauchen, bis sie wirksam werden. Zum Beispiel könnten Kredite an die Nachhaltigkeitsperformance der Unternehmen gebunden werden: Wer nachhaltig wirtschaftet, zahlt weniger Zinsen als die, die nicht nachhaltig arbeiten, also Risiken für sich und die Gesellschaft verursachen.
Mit neuen Regeln der betrieblichen Erfolgsrechnung, die bereits in Wissenschaft, Regulatorik und Praxis in Bearbeitung sind, könnte die Politik die Weichen für wirtschaftlichen Erfolg auf Nachhaltigkeit stellen. Betriebswirtschaftliche Effizienz dürfte dann nicht mehr zulasten der langfristigen Produktivität gehen. Die in Ausarbeitung befindlichen neuen Regeln zur Geschäftsberichterstattung auf EU-Ebene, wie die Taxonomie und die Corporate Sustainable Reporting Directive (CSRD) sind die Vorboten einer solchen neuen Regulatorik in der Rechnungslegung.
Künftig sollen nach den Vorstellungen einiger Reformer aus Wissenschaft, Politik und Wirtschaft sogar Investitionen in nachhaltiges Wirtschaften dem Betriebsvermögen zugeschrieben und nicht mehr als betriebliche Kosten veranschlagt werden. Damit wäre nachhaltiges, unternehmerisches Handeln im Wettbewerb nicht mehr benachteiligt. Wer dann nachweislich nicht in die nachhaltige Unternehmensführung investieren würde, müsste dafür Risikorückstellungen in der Bilanz vornehmen. Damit wäre ein neues Sustainable Performance Accounting geschaffen.
Richtig rechnen ist das Gebot der Stunde, Schäden zu vermeiden ist billiger, als bereits entstandene Schäden zu beheben. Die Zukunftskommission Landwirtschaft, die ihre Arbeit wieder aufgenommen hat, trifft diese Feststellung in ihrem ersten Abschlussbericht ebenso wie viele Experten.
Nicht zuletzt die Gemeinsame Agrarpolitik der EU, deren Neuausrichtung ab 2028 in den kommenden Jahren ausgearbeitet wird, wäre ein sinnvolles Instrument, um endlich den konsequenten Schritt zur vollständigen Leistungsvergütung zu machen, statt das Geld mit der Gießkanne auf die Fläche zu verteilen. Leistungen für den Schutz der Gemeingüter durch ökologisch nachhaltige und regenerative Nahrungsmittelproduktion müssen bezahlt werden, sonst können sie nicht erbracht werden. Die Logik entspricht doch unserem gesellschaftlich fest verankerten Leistungsdenken “Öffentliches Geld für öffentliche Leistungen“! Was spricht dagegen?
Christian Hiß, Gründer und Geschäftsführer der Regionalwert Leistungen GmbH, wo er sich seinem Lebensthema widmet, der bilanziellen Berücksichtigung sozialer und ökologischer Leistungen von landwirtschaftlichen Betrieben. Er hat selbst viele Jahre als Landwirt und Gärtner gearbeitet, bevor er 2006 in Freiburg die erste Regionalwert AG gründete. Später holte er sein Abitur nach und machte den Master of Social Banking and Social Finance, um sich mit einer erweiterten Form der Finanzbuchhaltung zu beschäftigen.
Djulio Bondoko zeigt Qualitäten wie ein Ausdauersportler. Der Agrarunternehmer versucht seit Jahren bei internationalen Geldgebern Kapital für den Ausbau seiner Farm zu finden, stößt aber überall auf verschlossene Türen. Dabei mangelt es Bondoko wahrlich nicht am Ehrgeiz. Überschaubare fünf Hektar bewirtschaftet er derzeit in der Nähe von Kisangani, einer Großstadt im fernsten Winkel der DR Kongo.
Djulio, wie ihn alle nennen, sucht Kapitalgeber, die es ihm ermöglichen, seine Farm auf 210 Hektar zu vergrößern. In großem Stil will er dort Gemüse, Reis, Maniok und Mais anbauen. 70 Arbeitsplätze sollen dort entstehen.
“Meine Farm Congo Grow wird dann der erste landwirtschaftliche Großbetrieb in der Region sein”, erzählt Djulio. Denn die drei Millionen Menschen, die rund um Kisangani leben, müssen bislang mit einer unsicheren Lebensmittelversorgung zurechtkommen. Die meisten Bauern bewirtschaften Kleinstflächen, die im besten Fall gerade mal für ihre Familien reichen. Die Hauptstadt Kinshasa liegt mehr als 1200 Kilometer entfernt und ist nur per Flugzeug oder mit dem Schiff über den Kongo zu erreichen.
Die Region um Kisangani ist auf Händler angewiesen, die aus dem rund 500 Kilometer entfernten Uganda und Ruanda die Nahrungsmittel per Lkw über schlechte Straßen herankarren und dafür hohe Preise verlangen.
Das brachte den 37 Jahre alten Unternehmer dazu, in die Landwirtschaft einzusteigen. Zunächst hatte er eine Lehrerausbildung absolviert und dann umgesattelt. Er erwarb ein erstes Diplom in Agrarwissenschaften, dann ein zweites in Landwirtschaftstechnik und schließlich einen Abschluss in Betriebswirtschaft. Im Jahr 2017 schließlich gründete er Congo Grow.
Djulio hat sich an viele Institutionen gewandt, von denen er Unterstützung erhofft hatte: Er nahm Kontakt auf zu internationalen Organisationen für die Entwicklungshilfe, zu europäischen und afrikanischen Förderbanken, zu den großen Private-Equity-Fonds, die oft auch europäisches Fördergeld aufnehmen, um Agrarprojekte in ganz Afrika zu finanzieren. Wenn er überhaupt eine Antwort bekam, dann meist zwei, drei freundliche, aber ablehnende Sätze.
Europäische Geschäftsbanken tun sich aufgrund der restriktiven Bankenregulierung in der EU schwer damit, eine Investition in einem Land wie der DR Kongo zu finanzieren. Auch Entwicklungsfinanziers, Förderbanken und Private-Equity-Fonds schrecken vor solchen Investitionen zurück. Die Kosten für Wirtschaftsprüfer, Anwälte, Steuerberater oder auch Agrarberater fallen unabhängig von der Höhe der Investition an. Bondoko bräuchte lediglich 3,5 Millionen Euro. Doch das ist möglichen Finanziers zu wenig, um eine aufwändige Prüfung zu starten.
Er habe versucht, sagt Djulio, auch Aspekte der Nachhaltigkeit zu berücksichtigen. Er führte Anbaumethoden ein, die den Boden schonen, Fruchtfolgen, die die Vegetation intakt halten, und schuf überhaupt erste Arbeitsplätze in der Landwirtschaft. Gemeinsam mit einer staatlichen Berufsschule will er auf seiner Farm Möglichkeiten zur Weiterbildung schaffen. Vergeblich. Auch Investmentfonds, die kleinere Investitionen im Agrarbereich fördern wollen, haben abgewunken.
“Ich verstehe nicht, warum mir niemand helfen will”, sagt Djulio. Er habe einen professionellen Businessplan erstellt, Arbeitsplätze geschaffen und wolle viele weitere aufbauen. “Vor allem sind meine Produkte frischer und billiger als die der Händler.”
Doch von den Schwierigkeiten lässt er sich nicht unterkriegen. Er zeigt Bilder von seinem Schweinestall, den Wirtschaftsgebäuden, seinen Äckern und den Arbeitern, die dort gerade hacken. Und er zeigt den Platz, wo Gänse und Hühner untergebracht werden soll.
“Wenn ich meine eigenen Tiere auf der Farm züchte, kann ich den Dung verwenden und muss weniger Dünger kaufen”, sagt Djulio. “Ich gehe Schritt für Schritt vor, arbeite hart und investiere das Geld, das ich verdiene, in den Kauf von Land und Maschinen.” So will er, allen Hindernissen zum Trotz, seine Farm vergrößern. “Ich werde nicht aufgeben und meinen Traum verwirklichen. Ich werde den ersten kommerziellen Landwirtschaftsbetrieb in Kisangani aufbauen.” Christian von Hiller
Aktualisierte Fassung. In einer früheren Version war der Name von Herrn Bondoko versehentlich falsch geschrieben.
Mercedes-Benz hat die Zeichen der Zeit verstanden. Künftig haben beim Stuttgarter Autobauer Ressourcenschonung, Recycling und CO₂-Neutralität die sprichwörtliche eingebaute Vorfahrt. Um das zu unterstreichen, hat das Unternehmen eine weltweite Crossmedia-Kampagne gestartet: “Land. Sea. Air.” Im Zentrum steht ein “bildstarker Hauptfilm”. Gezeigt wird, wie gut die Vision des Unternehmensgründers Gottlieb Daimlers von der Mobilität zu Lande, zu Wasser und in der Luft zur neuen Vision eines verantwortungsvollen Umgangs mit den drei Elementen passt. Auch dies symbolisiert durch den traditionsreichen dreizackigen Stern. “It’s a sign of new times”, so der Slogan.
Filmkunst ist Geschmackssache, Werbespots sowieso. Über weite Strecken aber folgt der “bildstarke Hauptfilm” dem gängigen Drehbuch für Autoreklame. Ausnahmen mitgedacht. Beeindruckende Landschaften, blaues Meer, blauer Himmel, gerne auch mal Wald und Wiesen – und außer dem Fahrer möglichst keine Menschen. Durch dieses Paradies schlängelt sich ein picobello gepflegter Fahrweg, gerne auf einer Küsten-, Berg- oder Landstraße, auf der man ohne Gegenverkehr gediegen cruisen kann.
Nun gut, es ist Werbung. Aber nachgefragt, was hat das mit Nachhaltigkeit und der Mobilität von heute oder morgen zu tun? Und wie passt das zum Gefeilsche von Mercedes-Benz und den anderen Autokonzernen um jedes Gramm CO₂?
Statt also wieder und wieder dieses falsche Autoidyll zu bemühen, ist doch viel interessanter, wie die vermeintlich kleinen Schritte aussehen, die Mercedes-Benz geht. Zum Beispiel, um die eigenen Fahrzeuge bis 2030 aus bis zu 40 Prozent Recyclingmaterial herzustellen. Im Imagefilm werden immerhin alte Fischernetze gezeigt, die zu neuen Bodenbelägen werden. Doch die Ingenieure in Stuttgart haben noch viel mehr in petto: Materialien für den Innenraum aus PET-Flaschen, Bügeltürgriffe aus aufbereiteten Altreifen oder Teppiche aus Bambusfasern. Und richtig spannend wird es dann bei Sitzen aus tierfreien Lederalternativen auf Basis von Kakteen. Sowas in das Zentrum eines Werbefilms zu stellen, wäre wirklich neu für einen Autokonzern. Carsten Hübner