Table.Briefing: ESG

Gemeinwohldividende für Bauern + FDP gegen EU-Lieferkettenrichtlinie + Förderung für Batterieforschung bedroht

Liebe Leserin, lieber Leser,

die globale Ungleichheit wächst: Während die reichsten fünf Milliardäre ihr Vermögen seit 2020 mehr als verdoppelt haben, sind 60 Prozent der Weltbevölkerung ärmer geworden – das stellt der Oxfam-Bericht zur sozialen Ungleichheit fest, den die Entwicklungsorganisation zu Beginn des Weltwirtschaftsforums veröffentlicht hat. Unternehmensmacht sei “eine unerbittliche Maschine, die Ungleichheit erzeugt”, heißt es.

Entwicklungsministerin Svenja Schulze kritisiert mit Blick auf die extreme Ungleichheit, dass bei Verteilungsfragen oft ausgeblendet würde, “dass es in Deutschland und weltweit Superreiche und Übergewinne gibt, die viel zu wenig zum Gemeinwesen beitragen“. Viele Probleme könne man ihr zufolge schon mit geringen Steuersätzen auf sehr große Vermögen und Übergewinne lösen, weshalb das Thema “hoch auf die internationale Agenda der Finanzminister” gehöre.

Einen signifikanten Beitrag für das Gemeinwohl leisten Landwirtschaftsbetriebe, das ist das Ergebnis einer Pilotstudie des Sozialunternehmers Christian Hiß. Im Interview mit Caspar Dohmen spricht der Geschäftsführer der Regionalwert Leistungen GmbH über ein Verfahren, mit dem Betriebe ihre Leistungen für Ökosysteme berechnen können, ob es dabei einen Unterschied zwischen Bio- und konventioneller Landwirtschaft gibt und warum er die aktuellen Proteste der Bauern verstehen kann.

Unternehmerische Verantwortung für die Gesellschaft wird inzwischen nicht mehr nur erwartet, sondern auch durch Gesetze wie jene zu Lieferkettensorgfaltspflichten vorgeschrieben. Einige Wirtschaftsvertreter klagen über zu viel Aufwand für die Einhaltung, die FDP startet nun einen Vorstoß, um das deutsche Gesetz zu ändern und die Bundesregierung zur Ablehnung des EU-Gesetzes zu bewegen. Über die Reaktionen berichten Caspar Dohmen und Leonie Düngefeld.

Ihr
Nicolas Heronymus
Bild von Nicolas  Heronymus

Analyse

Christian Hiß: Bauern sollten für Gemeinwohlleistungen im Schnitt 1.000 Euro je Hektar erhalten

Christian Hiß ist Geschäftsführer der Firma Regionalwert Leistungen GmbH und war selbst lange als Gemüsebauer und Landwirt tätig.

Haben Sie die Bauernproteste überrascht?
Grundsätzlich überhaupt nicht. Schließlich kenne ich seit Jahrzehnten das Spannungsfeld von Rentabilität, landwirtschaftlicher Produktion und Betriebsführung, in dem sich die Bauern bewegen, aus eigener Erfahrung. Aber der Zeitpunkt und der Diesel als Auslöser und die Wucht des Protests haben mich überrascht. Tatsächlich benötigen die Landwirte aber eine wesentlich umfassendere Honorierung ihrer Arbeit als einen ermäßigten Steuersatz auf Diesel, was umgelegt auf Flächen etwa 25 Euro je Hektar sind. Sie brauchen meiner Ansicht nach sogar mehr als die 350 Euro, die sie heute im Schnitt durch die europäische Agrarpolitik an Subventionen bekommen.

Ginge es nach Ihnen, dann würden die Bauern für ihren Aufwand für das Gemeinwohl Geld erhalten. Wie passt das damit zusammen, dass die Landwirtschaft in immensem Umfang die Umwelt schädigt? Die Unternehmensberatung Boston Consulting veranschlagt diese negativen externen Effekte in Deutschland auf mindestens 90 Milliarden Euro jährlich.
Genau, umgelegt ungefähr 6.000 Euro je Hektar. Aber bei aller berechtigter Kritik, Bäuerinnen und Bauern investieren auf der anderen Seite schon immer einen gehörigen Aufwand in den Schutz der Ökosysteme und anderer Gemeingüter. Aber dieser Aufwand ist bisher in den betriebswirtschaftlichen Zahlen nicht sichtbar und wird deshalb als selbstverständlich hingenommen. Wir beziffern den betriebswirtschaftlichen Wert der Leistungen der Betriebe auf durchschnittlich 1.000 Euro je Hektar und Jahr. Der Wert variiert, weil er unter anderem von der Art der Bodennutzung abhängt. Bei Sonderkulturen wie dem Gemüsebau haben wir Gemeinwohlleistungen der Betriebe je Hektar von 5.000 bis 8.000 Euro berechnet. Die Leistung erfolgt dort konzentrierter, weil die Wertschöpfung, aber auch der Aufwand pro Hektar wesentlich höher ist als zum Beispiel bei Grünland.

1.000 Euro sollte jeder landwirtschaftliche Betrieb im Schnitt je Hektar von der Allgemeinheit erhalten, sagen Sie. Das ist eine Menge Geld.
Aber es wäre gerecht und angemessen. Denn die Landwirte investieren durchschnittlich eben in dem Umfang in die Gemeingüter, in dem sie beispielsweise die Ökosysteme erhalten oder die Versorgung mit Nahrungsmitteln sichern. Dafür sollten sie explizit und direkt bezahlt werden, sonst können die Betriebe diese Leistungen nicht mehr erbringen

Wie gehen Sie bei der Berechnung dieser Gemeinwohlleistungen vor?
Wichtig ist: Wir berechnen nicht den Wert der Ökosysteme und deren Leistungen an sich in Geld. Das funktioniert auch gar nicht. Man kann beispielsweise den Wert eines fruchtbaren Bodens oder eines Rotkehlchens und seinen Lebensraum nicht in Geld ausdrücken. Außerdem verbietet es sich aus ethischen Gründen. Aber ich kann den Preis für die Bereitstellung von Leistungen berechnen, die ein Betrieb zum Schutz des Rotkehlchens aufbringt, indem er beispielsweise eine Hecke pflanzt oder kleinräumiger wirtschaftet und Randstreifen anlegt. Das ist eine wirtschaftliche Tätigkeit, sie löst Aufwand und Kosten aus und wird damit automatisch eine betriebswirtschaftliche Größe. Wir definieren diese als betriebswirtschaftliche Kennzahlen. Es geht uns im Grunde um die Erweiterung der Buchhaltung und betrieblichen Erfolgsrechnung mit Kennzahlen zum Schutze der natürlichen und sozialen Lebensgrundlagen auf der Ebene des Einzelbetriebes, das ist die entscheidende Neuheit.

Was zählt dabei zu Gemeinwohlleistungen?
Das ganze ESG-Spektrum, ökologische Aspekte wie Bodenfruchtbarkeit oder Artenerhalt genauso wie soziale Aspekte, beispielsweise die Ausbildung von Menschen oder die Bildungsarbeit über landwirtschaftliches Tun durch Führungen, und auch Kennzahlen zur wirtschaftlichen Souveränität. Das sind alles Maßnahmen, die Aufwand und Kosten verursachen, aber das langfristige Produktivvermögen erhalten. Bis heute werden sie in der Erfolgsrechnung als betriebswirtschaftliche Ineffizienzen betrachtet, was ein kolossaler Denkfehler ist und aus meiner Sicht die tiefer liegende Ursache für den Zorn der Bauern darstellt.

Wie ermitteln Sie den konkreten Geldwert der Leistungen eines Betriebes?
In einem aufwändigen Prozess über die vergangenen 15 Jahre haben wir gemeinsam mit einer Vielzahl von Bäuerinnen und Bauern ermittelt, was sie aufgrund ihrer Erfahrungen aufwenden würden, damit ihr Betrieb langfristig, das heißt nachhaltig produktiv bleibt. Aus diesem Erfahrungswissen und unter Zuhilfenahme von nationalen und internationalen Rahmenwerken haben wir 500 Leistungskennzahlen aus der ökologischen, sozialen und regionalökonomischen Dimension erstellt und einen Grad an Nachhaltigkeit von 100 Prozent definiert. Wir haben für alle gängigen Betriebszweige, wie Ackerbau, Nutztierhaltung, Gemüse- und Obstbau, sowie für den Weinbau und sogar die Waldwirtschaft Kennzahlen ausgearbeitet und in unsere Datenbank übertragen.

Sie hatten ein Pilotprojekt mit 50 Bauern in Niedersachsen, nun mit 1.000 Bauern bundesweit …
1.000 beteiligte Betriebe ist die Mindestgröße, damit wir danach verlässliche Aussagen über die Nachhaltigkeit und die Gemeinwohlleistungen von unterschiedlichen Gruppen von Betrieben machen können, etwa zu Betrieben verschiedener Größe oder Ausrichtung, also Viehhaltung, Waldwirtschaft, Ackerbau oder Gartenbau. Wir werden bei dem Projekt unter anderem auch vom Landwirtschaftsministerium Baden-Württemberg bei der Suche nach Betrieben, die mitmachen, unterstützt. Auch das Ministerium für Umwelt und Landwirtschaft des Saarlandes hat mit uns ein erfolgreiches Pilotprojekt durchgeführt.

Wie ist die Resonanz der Bauern?
Bislang haben sich 350 Betriebe beteiligt, es werden jeden Tag mehr. Vor allem reagieren die Landwirte positiv auf ihr jeweiliges Ergebnis. Denn sie bekommen zum ersten Mal dokumentiert, welch gehörigen Beitrag für das Gemeinwohl sie leisten. Das stärkt das Selbstvertrauen der Bäuerinnen und Bauern. Das ist mir wichtig, denn das konkrete Sichtbarmachen ist die erste Stufe der Wertschätzung ihrer Arbeit. Zahlen sind greifbarer als warme Worte und ihre Forderung wird faktischer.

Welche Spannbreite sehen Sie in der Gruppe der konventionellen und Biobetriebe?
Die Betriebe bewegen sich zwischen 50 und 80 Prozent unseres Nachhaltigkeitsgrades. Das gilt für Biobetriebe und konventionelle Höfe. Es gibt eben nicht schwarz und weiß, jeder Betrieb erbringt Leistungen für das Gemeinwohl. Die Gruppe der Biobetriebe bewegt sich bisher zwischen einem Grad der Nachhaltigkeit von 60 bis 80 Prozent, bei den konventionellen sind es 50 bis 70 Prozent. Genaue Zahlen kann ich aber erst nach dem Abschluss des Projektes liefern. Wir können auch zeigen, dass der Nachhaltigkeitsgrad nicht von der Betriebsgröße abhängt.

Was würde das kosten?
Umgelegt auf jeden Bundesbürger jedes Jahr rund 200 Euro, wobei ich die 70 Euro für bereits aus Steuergeldern bezahlten EU-Ausgleichszahlungen davon abziehen würde. Das heißt, es bleiben 130 Euro, also rund 10 Euro pro Bundesbürger pro Monat. Diese Größenordnung halte ich für sozial vertretbar, zumal die Produkte am Markt dadurch etwas günstiger werden dürften, ohne einen Schaden anzurichten, wie es aktuell der Fall ist. Die eingangs erwähnten Schadenssummen werden immerhin auf circa 1.000 Euro pro Bundesbürger und Jahr beziffert. Schon die Zukunftskommission Landwirtschaft hat 2019 festgestellt, dass die Schadensvermeidung für die Volkswirtschaft wesentlich günstiger wäre als die Schadensbehebung. Die ZKL kommt übrigens zu einer ähnlichen Gesamtsumme wie wir.

Seit 15 Jahren entwickeln Sie ihren Ansatz – ist nun der Moment für die Umsetzung gekommen?
Selbst Bauernpräsident Joachim Rukwied redet ja im Zusammenhang mit der zukünftigen GAP von Vergütung für Gemeinwohlleistungen. Cem Özdemir redet über Gemeinwohlleistungen, Robert Habeck weist auf die Bedeutung der Landwirtschaft für das Gemeinwesen hin. Viele Kommentatoren sagen es und auch für die Liberalen wäre die Methode annehmbar, denn es werden erbrachte Leistungen bezahlt und keine Subventionen vergeben. Es liegt in der Luft. Wenn wir Glück haben in den nächsten Tagen und Wochen, kriegen wir es vielleicht hin, dass die Rolle der Bäuerinnen und Bauern für das Gemeinwohl mehr Menschen bewusst und anerkannt wird. Es braucht Lösungen für die grundlegenden Probleme der Landwirte. Unser Ansatz wäre eine Lösung, aber er ist noch zu wenig bekannt.

Wie weit die Idee in anderen Ländern bereits verfolgt wird, lesen Sie in der Langfassung.

  • Gemeinsamer Wohlstand
  • Landwirtschaft
  • Nachhaltigkeit
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BMZ: “Das Bafa wird weiterhin für die Kontrolle des Lieferkettengesetzes zuständig sein”

Arbeitskräfte in Bangladesch gehören zu den billigsten auf der Welt. Das hat dem Land eine vorteilhafte Position auf dem globalen Textilmarkt verschafft.
Arbeitskräfte in Bangladesch gehören zu den billigsten auf der Welt.

Die FDP lehnt den aktuellen Entwurf der EU-Lieferkettenrichtlinie (CSDDD) ab und positioniert sich damit gegen den Kompromiss von Rat und Europaparlament aus dem Dezember 2023. Damit distanzierte sich die Partei auch von der Linie, welche die Bundesregierung bislang auf europäischer Ebene verfolgt. Zudem hinterfragt die FDP die Wirkung des deutschen Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LKSG) kritisch und schlägt Reformen vor, wie die Übernahme der Prüfpflichten bei Unternehmen im Rahmen des LKSG durch private Wirtschaftsprüfer von der zuständigen Bundesbehörde.

Die Position der FDP stößt auf Ablehnung beim Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ). Das Bundesamt für Wirtschaft und Ausuhrkontrolle (Bafa) werde “weiterhin für die Kontrolle des Lieferkettengesetzes zuständig sein”, sagte die BMZ-Staatssekretärin Bärbel Kofler (SPD) am Dienstag Table.Media.

Das FDP-Präsidium hatte am Montag in seinem Beschluss neun Gründe für sein Votum gegen die EU-Lieferkettenrichtlinie genannt, unter anderem: 

  • Die Richtlinie würde in der aktuellen Form die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen und europäischen Wirtschaft bedrohen, “da sie neben Bußgeldern auch erstmals explizite Haftungsregelungen einführen, umweltrechtliche Anforderungen erheblich verschärfen und den Verantwortungsbereich der Unternehmen ernstlich ausweiten würde”. 
  • Der Bausektor werde als “Risikosektor eingestuft”, was das Bauen verteure. 
  • Bedauerlicherweise sei es nicht gelungen, die Haftungsregelungen durch eine Privilegierung (Safe Harbour) abzumildern, wenn Unternehmen bestimmte Branchenstandards erfüllen oder Zertifizierungen vorweisen können. 
  • Die Verpflichtung zur Aufstellung eines Klimaplans und die Pflicht, finanzielle Anreize zu dessen Durchsetzung für Vorstand und Aufsichtsrat einzuführen, greife “tief in die interne Organisation der Unternehmen ein”
  • Die Umsetzungsfristen müssten jeweils um zwei Jahre verlängert werden, damit Unternehmen die Chance hätten, das neue Gesetz vernünftig umzusetzen. 
  • Gefordert wird zudem ein sofortiges allgemeines Belastungsmoratorium für Mittelstand und Industrie auf EU-Ebene, zur Bewältigung der wirtschaftlich schwierigen Lage.

Der Beschluss der FDP kommt zu einem späten Zeitpunkt. Denn am 14. Dezember hatten sich Kommission, Rat und Parlament im Trilog auf die Inhalte “der Richtlinie über die Sorgfaltspflichten von Unternehmen mit Blick auf die Nachhaltigkeit” verständigt. Damit gilt eine Verabschiedung im Rat und Parlament gewöhnlich nur noch als Formsache.

Der Rat beschäftigt sich nach Informationen von Table.Media noch im Januar auf Arbeitsebene mit der Richtlinie, die EU-Botschafter werden sich jedoch nicht vor Februar damit befassen. Die Abstimmung im Parlament ist für April geplant. Dort wird mit den gleichen Mehrheiten wie bei der Abstimmung über die Parlamentsposition gerechnet, welche die FDP-Abgeordneten ebenfalls abgelehnt hatten. 

Aktuell deutet wenig darauf hin, dass die FDP eine Verabschiedung des Sorgfaltspflichtengesetzes in Brüssel verhindern kann. Da SPD und Grüne das Vorhaben unterstützen, wird sich Deutschland voraussichtlich im Rat enthalten. Die FDP müsste also mindestens eine massive Kampagne starten, wie vor einem Jahr beim Thema E-Fuels, um die Richtlinie noch zu stoppen. Bislang hat sie keinen Anlauf dafür genommen.

Der Beschluss der FDP überrascht

Viele andere Mitgliedstaaten haben das Anliegen der Richtlinie ausdrücklich befürwortet. Bei einem ersten Meinungsaustausch vor Weihnachten bewerteten die Experten der meisten Regierungen das Trilog-Ergebnis grundsätzlich positiv, auch wenn viele Details noch offen sind.

Zuvor hatte sich nur die ehemalige polnische PiS-Regierung gegen das Vorhaben gestellt. Ein Ausscheren Frankreichs gilt als unwahrscheinlich, weil sich Frankreich in einem wichtigen Punkt durchgesetzt hat: dem vorläufigen Ausschluss von Finanzdienstleistern aus der Richtlinie. Als Verfechter der Regelung gelten Länder quer durch die EU wie Spanien, Belgien, die Niederlande oder Tschechien. 

Der Beschluss der FDP überrascht, denn die Bundesregierung hat nicht zuletzt auf Bestreben der Freien Demokraten bereits einige Änderungen der Richtlinie in Brüssel erreicht, wie eine deutliche Abschwächung der klimapolitischen Vorstellungen des EU-Parlaments.

Zwar sollen Unternehmen künftig Klimapläne erarbeiten und umsetzen, die im Einklang mit dem Pariser Klimaziel stehen. Allerdings sollen Behörden künftig nur überprüfen, ob es diese Pläne gibt und sie theoretisch den inhaltlichen Ansprüchen genügen. Ungeprüft bleibt die praktische Umsetzung. Untätigkeit würde damit nicht bestraft.

Anders als die FDP hatten der grüne Wirtschaftsminister Robert Habeck und Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) im Sommer 2023 noch Sanktionen für Fälle befürwortet, in denen Unternehmen ihre Klimapläne nicht umsetzen.

Als Erfolg konnten die FDP und Gleichgesinnte für sich ebenfalls verbuchen, dass die Sorgfaltspflichten auf europäischer Ebene nicht die gesamte Wertschöpfungskette von Unternehmen erfassen, sondern nur die sogenannte “Aktivitätenkette”. Außen vor bleiben sollen der Verkauf und die Verwendung exportierter Produkte, also die nachgelagerte Wertschöpfungskette. Ob beispielsweise gesundheitsgefährdende Pestizide in Ländern des globalen Südens auf Feldern versprüht werden, liegt damit außerhalb der Verantwortung von europäischen Chemiekonzernen. 

Zudem lehnt sich die vorgesehene konkrete Ausgestaltung der Haftungsregelung eng an das deutsche Zivilrecht an, ebenfalls ein Verhandlungserfolg für die FDP. Unter dem Strich habe die Einigung im Trilog in etwa den Positionen der Bundesregierung entsprochen, heißt es in Regierungskreisen.

Wirtschaftsverbände machen Druck

Warum rückt die FDP dann trotzdem von der Einigung ab? Das dürfte maßgeblich am Druck einiger großer Wirtschaftsverbände liegen. Bereits kurz vor dem Trilog hatten sich Spitzenvertreter von BDI, BDA, der italienischen Confindustra und des Mouvement des Enterprises de France in einem Schreiben an Bundeskanzler Olaf Scholz, Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und Italiens Ministerpräsident Giorgia Meloni gegen die Einigung ausgesprochen.

Am Dienstag kritisierte BDI-Chef Siegfried Russwurm erneut das geplante europäische Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz scharf. “Wir brauchen mehr Europa – aber richtig”, sagte er, vor allem einen Binnenmarkt, der es erlaube, Größenvorteile zu nutzen. Doch was derzeit aus Brüssel komme, sei “irritierend”, etwa beim Rechtsrahmen für Künstliche Intelligenz (AI Act) oder dem Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz, zu denen nach der Einigung im Trilog bis heute nichts Schriftliches vorliege. 

Aber es gibt aus der Wirtschaft auch viel Zustimmung: Eine Menge deutscher und europäischer Unternehmen haben sich für das deutsche Gesetz und die strengere EU-Variante ausgesprochen. Dazu zählen Ikea, Epson, Tchibo, Primark oder Vaude. Von 2000 vom Handelsblatt Research Institute im Auftrag von Creditreform befragten Unternehmen lehnten kürzlich nur sieben Prozent verbindliche Lieferkettenvorgaben für menschenrechtliche und Umweltstandards ab. Knapp 44 Prozent der Befragten achteten bereits heute auf Nachhaltigkeit in ihren Lieferketten, weitere 37 Prozent täten dies schon teilweise, nur elf Prozent täten gar nichts. 

Mit Blick auf die möglichen Belastungen mittelständische Unternehmen durch das LkSG, sagte Yvonne Jamal vom Jaro-Institut für Nachhaltigkeit und Digitalisierung, welches unter anderem Einkäufer von Unternehmen mit Blick auf Lieferkettenverantwortung unterstützt. “Es wettern meistens Unternehmen gegen das LkSG, die es nicht gelesen haben. Die KMUs, die sich damit beschäftigten, entwickelten meist kreative und kollaborative Lösungen.

Kunden fordern Sorgfaltspflichten ein

Eine Umfrage des Hamburger Instituts für Wirtschaftsethik zeigte vergangenen Sommer auch einen Widerspruch zwischen der entschiedenen Ablehnung von Vertretern großer Verbände der europäischen Lieferkettenrichtlinie und Unternehmen selbst. Ein Argument der Unternehmen: Sie seien aufgrund von Kundenanforderungen längst damit konfrontiert, ihren menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten nachkommen zu müssen.

Auf Kritik stößt die Haltung der FDP im BMZ. “Mit einer Ablehnung würde Deutschland sich vor allem selbst schaden”, sagte die Staatssekretärin Bärbel Kofler Table.Media. Die EU könne nur dann gut funktionieren, wenn sich alle an die Spielregeln hielten und Kompromisse akzeptieren. “Die anderen Mitgliedstaaten und das Parlament sind den deutschen Anliegen weit entgegengekommen“, betonte sie. Den Kompromiss jetzt trotzdem abzulehnen, würde “Deutschlands Ruf als verlässlicher Partner beschädigen”. Auch für die deutschen Unternehmen wäre eine europäische Regelung ein Gewinn, weil sie dann “gleiche Wettbewerbsbedingungen in der EU hätten”. Mit dem deutschen Lieferkettengesetz seien sie darauf bereits gut vorbereitet.

Mit Unverständnis reagierte die Initiative Lieferkettengesetz, die mehr als 120 Organisationen vertritt. “Beim EU-Lieferkettengesetz geht es nicht um lästige Bürokratie, sondern um grundlegende Menschenrechte und Umweltstandards“, hieß es. Bemerkenswert findet Armin Paasch von Misereor, dass die FDP nun eine fehlende Safe-Harbour-Lösung beklage, obwohl Justizminister Marco Buschmann sie “nie im Trilog gefordert” habe. Mit ihrer Blockadehaltung isoliere sich die FDP auch international, heißt es bei der Initiative Lieferkettengesetz. Denn die liberale Fraktion im EU-Parlament habe die Einigung auf einen Kompromiss zum EU-Lieferkettengesetz im Dezember als großen Erfolg gefeiert

BMZ signalisiert Reformbereitschaft

Die liberale Fraktion im EU-Parlament unterstütze weiterhin die Einigung über das Sorgfaltspflichtengesetz, sagte der Schattenberichterstatter von Renew, Adrián Vázquez Lazara. “Dies wurde in mehreren Fraktionssitzungen beschlossen, in denen das Thema intern erörtert wurde, und hat sich in der Plenarabstimmung über den Standpunkt des Parlaments am 1. Juni 2023 gezeigt”, erklärte er. Eine große Mehrheit der Renew-Fraktion habe den Text unterstützt. “Natürlich ist es bei dieser und jeder anderen Richtlinie oder Verordnung möglich, dass einige Parteien innerhalb der Fraktion legitimerweise beschließen, den Text abzulehnen”, fügte Vázquez Lazara hinzu. 

Die FDP kritisiert aber auch das deutschen Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG). “Das Gesetz tut wenig für Menschen in Schwellenländern, ist aber ein sehr teures Misstrauensvotum gegen die Wirtschaft”, sagte Finanzminister Christian Lindner Table.Media. Dem widerspricht die BMZ-Staatssekretärin Bärbel Kofler: “Das Gesetz bewirkt viel für Menschen in den globalen Lieferketten”, sagte sie Table.Media. Ihr werde in vielen Gesprächen mit Arbeiterinnen und Gewerkschaften aus dem Globalen Süden bestätigt, “dass das Lieferkettengesetz ein echter Meilenstein für die Durchsetzung von Arbeitsrechten und Umweltstandards ist”.

Die Forderung von FDP-Chef Lindner, die Überprüfung der Berichtspflichten durch Wirtschaftsprüfer durchführen zu lassen ist nicht neu. “Es ist aber keine gute Idee die Wirtschaft durch die Wirtschaft kontrollieren zu lassen”, sagt Yvonne Jamal vom Jaro Institut. Schon alleine, weil regelmäßig Governance-Probleme daraus resultierten, dass Wirtschaftsprüfer gleichzeitig Unternehmen prüfen und beraten würden.

Das BMZ signalisiert mit Blick auf die Lieferkettengesetze Reformbereitschaft. “Wir verhandeln in der Bundesregierung bereits, um doppelte Berichtspflichten zu vermeiden”, sagt Kofler. Zudem setze sich das BMZ für “eine unternehmensfreundliche und bürokratiearme Umsetzung ein, ohne das Schutzniveau abzusenken”Mitarbeit: Till Hoppe

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Batterieforschung: Ein Großteil der Förderung könnte wegfallen

Forschungsministerin Stark-Watzinger und Bundeskanzler Scholz erhielten Post vom Kompetenznetzwerk Lithium-Ionen-Batterien.

Die Batterieforschung und insbesondere der Transfer von der Forschung in die Unternehmen scheinen vor deutlichen Kürzungen zu stehen. Das Kompetenznetzwerk Lithium-Ionen-Batterien (KLiB) hat in einem Brandbrief an Bundeskanzler Olaf Scholz, Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne), Finanzminister Christian Lindner und Forschungsministerin Bettina Stark-Watzinger (beide FDP) vor den drastischen Konsequenzen der geplanten Streichung für die Batterieforschung gewarnt. Das Schreiben liegt Table.Media vor. 

Die Regierung plant, den Titel “Maßnahmen zur Weiterentwicklung der Elektromobilität” im Klima- und Transformationsfonds zu streichen, was laut KLiB 75 Prozent der geplanten Fördermittel des Forschungsministeriums für die Batterieforschung beträfe. Das KLiB fordert die Regierung auf, die Streichung rückgängig zu machen und eine Batteriestrategie ähnlich der in Frankreich, Norwegen und Finnland zu entwickeln

Wo wird gekürzt? 

  • Die Förderung der Batterieforschung und des Transfers in diesem Bereich von ungefähr 156 Millionen Euro, die das BMBF über den KTF tätigt, steht anscheinend infrage. Dies wurde nun auch seitens des BMBF bestätigt. Nachdem das BMBF gut 53 Millionen Euro über den eigenen Haushalt – inklusive der Förderung der Errichtung der Forschungsfertigung Batteriezelle in Münster – in die Batterieforschung einbringt, könnte also ein wesentlicher Teil der gesamten Förderung wegfallen.  
  • Weiterhin wird wohl auch beim BMWK eingespart. Davon ist vor allem die Industrie betroffen. Insider schätzen jedoch, dass auch hier rund zehn Prozent der betroffenen Mittel in die Forschung geflossen wären. 

Auswirkungen der Kürzungen  

Die KLiB weist vor allem auf die Gefährdung der Wettbewerbsfähigkeit in “einer der wichtigsten Zukunftstechnologien des 21. Jahrhunderts” hin. Mit dem Dachkonzept Batterieforschung des BMBF sei in den letzten 15 Jahren mit enormen finanziellen Anstrengungen eine international einmalige Forschungsplattform in Deutschland installiert worden, die den Hochlauf und Betrieb der Batterie(zell)produktion seit Jahren begleitet. Diese Plattform könnte verloren gehen.  

Betroffen sind auch die internationalen Kooperationen. Der stellvertretende Vorsitzende des BMBF Beirat Batterieforschung Deutschland, Arno Kwade, betont, dass Deutschland international heute eine führende Position in der Batterieforschung eingenommen hat und mit mehreren Ländern gemeinsame Forschungsprojekte fördert, oder aktiv vorangeht, um weitere kurzfristig zu fördern. Die Gefahr ist jetzt groß, dass schon durchgeplante internationale Kooperationsprojekte nicht zum Tragen kommen. Die internationale Reputation der deutschen Batterieforschung werde so einen großen Schaden nehmen. 

Ein Bereich macht besonders vielen Forschenden große Sorgen: die Fachkräfte. Für alle deutschen Forschungseinrichtungen stellt sich bei Wegfall der Batterieforschungsmittel die Frage, wie sie diese wissenschaftliche Mitarbeitende mittel- bis langfristig weiter beschäftigen sollen, insbesondere bis zum Abschluss einer Promotion. Es fehlen vielfach die Anschlussfinanzierungen für die auslaufenden Verträge, berichten betroffene Forschende. Damit befeuern diese Kürzungen den bereits bestehenden Fachkräftemangel weiter. Nach Berechnungen von Branchenexperten müsste es in Deutschland 2030 doppelt so viele Experten in diesem Bereich geben, wie derzeit absehbar. Wenn jetzt wichtige Forschungsbereiche wegfallen, könnte die Lücke noch größer werden. 

Forschungsministerin ist nächste Woche zu Gast bei der Batterieforschung

In ihrem Brief fordern die beiden Vorstände der KLiB, Burkard Straube (CEO Vianode) und Martin Winter (Universität Münster) den Aufbau eines wettbewerbsfähigen, technologisch souveränen deutschen Ökosystems Batterie. Dazu sollte eine Koordinierungsstelle, ähnlich der Nationalen Organisation Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie (NOW) eingerichtet werden. Letztlich müsse man bei der Batterieforschung nicht streichen, sondern im Gegenteil mehr investieren. Nächste Woche, beim vom KLiB ausgerichteten Batterieforum Deutschland, wird Bettina Stark-Watzinger für ein Grußwort erwartet. Man darf gespannt sein, welche Nachrichten sie im Gepäck hat. 

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  • BMWK
  • Forschungspolitik
  • Haushalt
  • Transfer

Termine

22.-23. Januar 2023, Stuttgart
Seminar Gestaltung nachhaltiger Logistik: kompakt – Nachhaltigkeit verstehen, gestalten und steuern (BVL Seminare) Info & Anmeldung

23. bis 25. Januar 2024, Berlin
Konferenz Handelsblatt Energiegipfel 2024 Info & Anmeldung

24. Januar 2024, 9:00-10:00 Uhr, Online
Webinar Sustainability Year 2024 – kompaktes Update für Unternehmen (Ecosense) Info & Anmeldung

24. Januar 2024, 09:30 bis 13:00 Uhr, Online
Workshop Was bedeutet Rechtspopulismus für den grünen Wandel? (Kompetenzzentrum Nachhaltiger Konsum) Info & Anmeldung

25. Januar 2024, 09:30 bis 13:00 Uhr, Online
Konferenz Highlights der Umweltbewusstseinsstudie 2022 und Impulse für die sozial-ökologische Transformationsforschung (UBA) Info & Anmeldung

25. Januar 2024, 09:30 bis 13:00 Uhr, Online
Konferenz Highlights der Umweltbewusstseinsstudie 2022 und Impulse für die sozial-ökologische Transformationsforschung (UBA) Info & Anmeldung

26. Januar 2024, 12:00 bis 13:30 Uhr, Online
Online-Vortrag FairDeepDive zur Kreislaufwirtschaft (Fairantwortung gAG) Info & Anmeldung

News

BDI-Präsident will mit IG Metall-Vorsitzender über Sondervermögen für Transformation sprechen

Siegfried Russwurm, Präsident des Bundesverbands der deutschen Industrie (BDI), signalisierte bei der Jahresauftakts-Pressekonferenz seines Verbands am Dienstag verhaltene Zustimmung zu einem Sondervermögen für die ökologische Transformation der Industrie. Mit IG Metall-Chefin Christiane Benner, die den Vorschlag eines Sondervermögens eingebracht hat, will er bald darüber sprechen. Der mächtigste Industrieverband und die größte Industriegewerkschaft tendieren damit in eine ähnliche Richtung in der Frage, wie trotz des Haushaltsurteils des Bundesverfassungsgerichts staatliche Investitionen in großem Maßstab finanziert werden könnten.

Die IG-Metall-Vorsitzende Benner hatte am Wochenende argumentiert, dass “500 bis 600 Milliarden Euro bis zum Jahr 2030” für den Ausbau der erneuerbaren Energien und der Wasserstoffinfrastruktur nötig seien. Daher solle, ähnlich wie beim Sondervermögen zur Aufrüstung der Bundeswehr, eine Zweidrittelmehrheit im Bundestag eine zweckgebundene Kreditaufnahme ins Grundgesetz schreiben. Anders als bei der regelmäßigen staatlichen Kreditaufnahme kann die Verwendung einmaliger Sondervermögen genauer definiert werden. Benner forderte “alle demokratischen Parteien” auf, sich hinter der Idee zu versammeln.

BDI-Präsident Russwurm betrachtet höhere Staatsschulden eigentlich mit Skepsis. Er sieht jedoch “erheblichen Nachholbedarf, was Investitionen angeht”. Dafür brauche es “schnell eine Lösung”. Er betonte seine Vorstellung, dass ein Sondervermögen “nur investiv verwendet wird und nicht zum Löcher stopfen”. Vorrangig investieren würde der Industrielobbyist, ähnlich wie Benner, in den Umbau der Infrastruktur. Erst nachrangig sollte auch Unternehmen direkt geholfen werden, “damit sie eine Dürreperiode überleben können.”

Bislang wird eine weitere Schuldenaufnahme von den Unionsparteien und der FDP abgelehnt. SPD und Grüne hatten ein zweckgebundenes Sondervermögen bereits vor längerer Zeit als eine Möglichkeit zur Finanzierung der Transformation und der Unterstützung der Industrie in der Energiekrise in die Diskussion gebracht. Beide Parteien präferieren jedoch eigentlich eine Reform der Schuldenbremse. av

  • Schuldenbremse

Nickel aus Indonesien hat einen hohen CO₂-Fußabdruck.

An Indonesien mit seinen weltgrößten Nickelvorkommen führt in der Transformation kein Weg vorbei. Das Metall selbst oder daraus gefertigte Produkte wie Batterien stecken in vielen Lieferketten, weil sie für die E-Mobilität oder Erneuerbare-Energie-Anlagen gebraucht werden. Allerdings verursachen Abbau und Weiterverarbeitung von Nickel in Indonesien einen hohen CO₂-Fußabdruck. Darauf weist die US-amerikanische NGO Climate Rights International (CRI) in einer am Mittwoch erscheinenden Studie hin. Im Fokus steht der Indonesia Weda Bay Industrial Park (IWIP), einer der weltweit größten Förder- und Verarbeitungsplätze von Nickel.

Anstelle erneuerbarer Energien aus Sonne und Wind zu nutzen, habe IWIP bereits fünf kohlebefeuerte Kohlekraftwerke gebaut und plane weitere sieben Kohlekraftwerke.

Sie verfeuerten minderwertige Kohle von der Insel Borneo. Wenn sie voll in Betrieb seien, würden sie mehr Kohle verbrauchen als heute Spanien oder Brasilien in einem Jahr.

Außerdem komme es in den Nickelminen nahe des IWIP zu einer gewaltigen Abholzung, die ebenfalls zur Klimakrise und zum Verlust der biologischen Artenvielfalt beitrage. Mithilfe einer Geodatenanalyse haben CRI und Wissenschaftler der University of California in Berkeley ermittelt, dass mindestens 5.331 Hektar tropische Wälder wegen des Nickelabbaus auf der Insel Halmahera abgeholzt worden seien. Von CRI befragte Menschen berichteten von:

  • unfairen Landverkäufen und Landraub,
  • Fällen von Bedrohung und Einschüchterung, wenn sich Menschen weigerten, ihr Land zu verkaufen, oder den angebotenen Preis anfochten
  • sowie Vergeltungsmaßnahmen durch Unternehmensvertreter, Polizeibeamte und das Militär.

In Indonesien kaufen laut der Studie Autobauer ein wie Tesla, Ford oder Volkswagen. Sie hätten Verträge zur Beschaffung mit Unternehmen, die in IWIP tätig seien. Die Aktivisten appellieren an die Unternehmen, sich für nachhaltige und gerechte Lieferketten einzusetzen. Gleichzeitig fordern sie von der indonesischen Regierung sowie den Bergbau- und Hüttenunternehmen die Achtung der Rechte indigener Völker und Gemeinden in den rohstoffreichen Gebieten. Überdies sollten sie die Abholzung und die Luft- und Wasserverschmutzung minimieren.

Indonesien verfügt weltweit über die größten Vorkommen von Nickel und hatte 2022 einen Weltmarktanteil von 48 Prozent. Nickel wird unter anderem für Legierung und die Stahlveredelung benötigt sowie bei der Herstellung von Batterien. Schätzungen zufolge benötigt man für die Umsetzung der Pariser Klimaziele – für den damit verbundenen Aufbau von E-Mobilität und erneuerbarer Energie – schätzungsweise 60 Prozent mehr Nickel. cd

  • Lieferketten
  • Rohstoffe

Arbeitswelt: Hohes Job-Risiko für Industrienationen

Das Risiko, seinen Arbeitsplatz zu verlieren und durch Künstliche Intelligenz zum Teil oder ganz ersetzt zu werden, ist vor allem in entwickelten Ländern groß. Während der globale Durchschnitt bei 40 Prozent der Tätigkeiten liegt, muss man in westlichen Nationen von etwa 60 Prozent aller Jobs ausgehen – ihre höher entwickelten Tätigkeiten in Industrie und Dienstleistung sind anfälliger. Zu diesem Ergebnis kommt eine neue Untersuchung des Internationalen Währungsfonds.

Studien und Berichte über die Zukunft der Arbeit in Zeiten von KI sind nicht neu. Anders als vorige Papiere betonen die Autoren in diesem Fall, dass sie sich auch der Frage genähert haben, wie groß der Grad der jeweiligen Anpassungsfähigkeit der Jobs ist, wie komplementär also ein Jobprofil mit der Technik ist und Arbeiter sich durch KI helfen lassen und Prozesse vereinfachen können. In entwickelten Ländern liegt der Anteil von sogenannten “high exposure” Jobs, die auch eine “high complementarity” auszeichnet, demnach bei 27 Prozent; der Anteil von Jobs mit “high exposure” und “low complementarity” beträgt dagegen 33 Prozent – vor allem letztere sind stark gefährdet. In weniger entwickelten Ländern fallen diese Werte geringer aus: In Schwellenländern (“emerging markets”) liegen sie bei 16 und 24 Prozent; bei Entwicklungsländern (“low income countries”) sind es acht sowie 18 Prozent. 

Ähnlich stellt sich die Situation bei der Frage dar, wie gut Länder auf den Einfluss von KI vorbereitet sind. Betrachte man die Kriterien digitale Infrastruktur, Regulierung, Innovationen und Bildungsstandard, komme man zu dem Schluss, so die Autoren, dass entwickelte Länder zwar stärker betroffen seien, aber auch besser auf den Wandel reagieren könnten. Zugleich erklären sie, dass KI-Vorhersagen immer unter Vorbehalt zu betrachten sind. Die dynamische Entwicklung der Technologie, ihre Integration, die politischen Rahmen und die gesellschaftliche Akzeptanz beeinflussen sich gegenseitig und machen Künstliche Intelligenz nur bedingt berechenbar. maw 

  • Künstliche Intelligenz

Sozial-verantwortliche Beschaffung: Europaabgeordnete fordern Reform der EU-Vergaberichtlinie 

EU-Abgeordnete mehrerer Fraktionen sprachen sich im Zuge einer Befragung des Kommissars für Beschäftigung und soziale Rechte, Nicolas Schmit, am Montagabend vor dem EU-Parlament (EP) für eine Reform der EU-Vergaberichtlinie aus. Die aktuellen Regeln seien nicht geeignet, die Potenziale sozial-verantwortlicher Beschaffung auszuschöpfen, weil rechtliche Unsicherheiten öffentliche Einkäufer davon abhielten, entsprechende Bedingungen wie die Zahlung von Tarifvertragslöhnen von den Auftragnehmern einzufordern. 

Schmit sagte, dass die aktuellen Vergaberegelungen öffentlichen Einkäufern bereits mehr Flexibilität ermöglichten, den öffentlichen Einkauf als strategisches Werkzeug zu nutzen. Wünschenswert wäre es, wenn noch mehr Vergaben auf Qualitätskriterien beruhen könnten als nur auf dem Preis, um die grüne und soziale Transformation voranzubringen. Dafür müssten die EU-Institutionen darüber nachdenken, wie Vergabestellen solche Kriterien stärker in der Vergabe einbeziehen könnten, damit Einkäufer der öffentlichen Hand mehr Rechtssicherheit bekommen. 

Der Renew-Abgeordneten Dragoş Pîslaru zählte mögliche Lösungen auf, die aus Sicht des EP-Ausschusses für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten infrage kommen:

  • Öffentliche Aufträge dürften nicht mehr ohne Bindung an Tarifverträge vergeben werden.
  • Es brauche eine Klarstellung darüber, dass die Förderung von Tarifbindung mit entsprechenden Anforderungen bei der Vergabe nicht gegen EU-Recht verstoße. 
  • Die Berücksichtigung sozialer Kriterien müsse verpflichtend werden. 

Kurzfristig wird sich aber voraussichtlich nichts an den EU-Vergaberegeln ändern, weil im Juni die Europawahl stattfindet. Bis dahin arbeiten die Institutionen nur noch bereits begonnene Initiativen ab. Die Bundesregierung hingegen will im Laufe dieses Jahres endlich das Bundestariftreuegesetz beschließen, das die Aufträge von Bundesbehörden über 10.000 Euro auf Unternehmensseite an die Einhaltung von Tarifverträgen koppeln soll. nh 

  • Europäisches Parlament
  • Öffentliche Beschaffung

Hamburg Sustainability Conference verschoben

Die Initiatoren der ersten Hamburg Sustainability Conference (HSC) haben einen neuen Termin für ihren Kongress festgelegt. Wie das Bundesministerium für Entwicklung und Zusammenarbeit, die Stadt Hamburg und die Michael Otto Stiftung erklärten, wird er am 7. und 8. Oktober 2024 stattfinden. Ursprünglich waren dafür zwei Tage im Juni vorgesehen. Dieser Plan habe sich nun aber “mit Blick auf die Personalsituation bei Landes- und Bundespolizei während der Fußball-EM als nicht umsetzbar erwiesen”, so die Begründung.

Damit verändert sich auch das Ziel der Hamburg Sustainability Conference (HSC). Die Bundesregierung wollte sie zur Vorbereitung des Summit of the Future nutzen, den die UN im September in New York ausrichten und der dem stockenden SDG-Fortschritt neuen Schwung verleihen soll. Das dortige Ziel – ein “Pakt für die Zukunft” – muss bis zum Herbst auf internationaler Ebene formuliert und abgestimmt werden und hätte auf der HSC verhandelt werden können. Stattdessen wollen die Initiatoren jetzt Anfang Oktober “eine Brücke schlagen von den politischen Nachhaltigkeitszielen auf UN-Ebene hin zur praktischen Umsetzung”. maw

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  • Hamburg Sustainability Conference
  • Nachhaltigkeit

Die Woche im Bundestag: Haushalt, Agrarbericht, Wasserstoffinfrastruktur und Agenda 2030

  • Während die Bundesregierung noch mit den Protesten von Landwirten und anderen Berufsgruppen zu tun hat, berät der Bundestag am Mittwoch über das Zweite Haushaltsfinanzierungsgesetz 2024. Es regelt genau die Einsparungen, die derzeit für so viel Unmut sorgen, darunter das Auslaufen der Subventionen für Agrardiesel.
  • Auf der Tagesordnung steht außerdem ein Antrag der CDU/CSU-Fraktion zur Bioenergie. Er fordert eine Anhebung des Ausbauziels für Biomasseanlagen sowie Anreize und verbesserte Rahmenbedingungen für den Umbau.
  • Am späten Nachmittag tagt, wie jede Sitzungswoche, der Parlamentarische Beirat für nachhaltige Entwicklung. Diesmal beschäftigt er sich vor allem mit sich selbst, nämlich mit der Gestaltung seiner weiteren Arbeit.
  • Öffentliches Interesse ist dem Sitzungsauftakt am Donnerstag sicher. Denn das Plenum debattiert den Agrarpolitischen Bericht 2023 der Bundesregierung und wird dabei über viele Transformationsthemen der Landwirtschaft sprechen, die im Schlagabtausch der vergangenen Wochen eher untergegangen sind.
  • Am frühen Abend steht zudem die abschließende Beratung eines Antrags der CDU/CSU-Fraktion zur Rohstoffabhängigkeit Deutschlands auf der Tagesordnung. Sie will neue Rohstoffpartnerschaften initiieren und die heimische Rohstoffgewinnung stärken.
  • Anschließend beraten die Abgeordneten in erster Lesung den von der Bundesregierung eingebrachten “Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Energiewirtschaftsgesetzes”. Damit wird der rechtliche Rahmen für den Aufbau einer nationalen Wasserstoffinfrastruktur geschaffen.
  • Am Freitagvormittag geht es schließlich in erster Beratung um den Bericht der Bundesregierung zur Halbzeit der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung. Ihr allgemein festgestellter unbefriedigender Umsetzungsstand verspricht eine lebhafte Debatte.
  • Bevor es ins Wochenende geht, nimmt sich der Bundestag am Freitagmittag dann noch der Frage an, ob die Chemie stimmt. Es geht um per- und polyfluorierte Alkylsubstanzen (PFAS), die sogenannten Ewigkeits-Chemikalien. Die CDU/CSU-Fraktion ist dafür, sie weiterzuverwenden, um die damit verbundene Wertschöpfung zu erhalten. ch
  • Bundestag

Presseschau

Verfahren, Herr Wissing? – Süddeutsche Zeitung
Der Verkehr in Deutschland werde bis 2051 um 22 Prozentabnehmen. Zu dem Ergebnis kommt das Prognos Institut im Auftrag von Greenpeace und der Mobilitäts-Denkfabrik Transport & Environment. Eine Studie im Auftrag des Verkehrsministeriums war vor einem Jahr zu gegenteiligen Ergebnis gekommen: Bis 2051 soll demnach der Personenverkehr um 7% und der Güterverkehr um gut 50 % zunehmen. Die Differenz erkläre sich durch unterschiedliche Annahmen, schreibt Markus Balser. Zum Artikel

»Sehr schade, liebe Bundesregierung« – Der Spiegel
Der Stahlhersteller GMH in Georgmarienhütte investiere seit Jahren in klimafreundliche Elektroöfen und fühle sich von der Ampel für seinen Ökokurs bestraft. Das sagt der GMH-Manager im Interview mit Isabell Hülsen und Benedikt Müller-Arnold. Man brauche keine direkten Fördermittel, sondern wettbewerbsfähige Strompreise. Die Transformation sei notwendig, sagt der Stahlmanager, aber Deutschland dürfte “nicht im Herzen der grünen Transformation sparen, bei den Netzentgelten oder der E-Auto-Förderung. Ausgerechnet dort zu sparen, ist absurd”. Zum Artikel

Biodiversity Credits Gain Traction But Questions Persist – Bloomberg
Seit der Einigung auf das Abkommen über die biologische Vielfalt Ende 2022 wachse der Markt für Biodiversitätsgutschriften, diese könnten aber ein ähnliches Greenwashing-Risiko haben wie CO₂-Zertifikate. Befürworter argumentierten, dass Gutschriften für die Artenvielfalt nicht für den Schadenausgleich, sondern für Projekte mit positiver Wirkung vergeben würden. Zum Artikel

Biden Administration to Fine Oil and Gas Companies for Excess Methane – The New York Times
Die Öl- und Gasproduktion in den USA läuft auf Hochtouren. Jetzt plant die US-Regierung, eine Abgabe auf Methanemissionen bei der Förderung zu erheben. Die Rede ist von 900 bis 1.500 US-Dollar pro Tonne. Damit würde der Ausstoß von Treibhausgasen erstmals landesweit bepreist. Den Unternehmen drohen Zahlungen in Millionenhöhe, berichtet Lisa Friedman. Zum Artikel

Geht das nicht schneller? – Der Spiegel
Im Handwerk fehlen die Fachkräfte, gerade was den Einbau von Wärmepumpen angeht, aber auch für alle anderen transformativen Aufgaben. Kann da neue Technik helfen? Benjamin Bidder recherchierte bei Unternehmen, die mittels digitaler Instrumente das Handwerk effizienter machen wollen, damit weniger Fachkräfte mehr schaffen. Zum Artikel

Wie der Werkstoff Holz Deutschlands Wohnungsprobleme lösen könnte – Handelsblatt
Mit Holz ließen sich beim Gebäudebau Zeit und CO₂-Emissionen sparen, doch bislang sei die Holzbauquote in Deutschland sehr niedrig. Die 2023 von der Bundesregierung beschlossene Holzbauinitiative wolle das Bauen mit dem nachwachsenden Rohstoff fördern, laut Kritikern stünden aber nicht die nötigen Mittel bereit. Zum Artikel

Erste E-Autos mit lithiumfreien Batterien rollen in China vom Band – Next Mobility
Zum Jahreswechsel hat sich auf dem Markt für Elektromobilität eine kleine Revolution ereignet, schreibt Hendrik Bork. In China sind die ersten beiden Elektroautos mit Natrium-Ionen-Batterien in Serie gegangen. Der neue Akku-Typ kommt ohne Lithium aus und lässt sich billiger und umweltfreundlicher produzieren. Zum Artikel

Five maddening facts about climate finance – African Arguments
Trotzdem inzwischen so viele Daten mit großer Präzision zusammengestellt werden, gilt dies nicht für Klimahilfen reicher Industrieländer für ärmere Staaten. Joe Kraus von der NGO ONE hat sich die Mühe gemacht nachzurechnen: seinen Ergebnissen zufolge wurden mindestens 228 Milliarden US-Dollar eigentlich zugesagte Mittel zwischen 2013 und 2021 nicht in Klimaprojekte investiert – 24 Milliarden weniger, als nachweislich in diesem Zeitraum ausgegeben wurden. Zum Artikel

Politik ist der Austausch von Positionen – und nicht dessen Verhinderung – NZZ
Das politische Establishment verhindere die Debatte mit dem Argument, die Demokratie verteidigen zu müssen, schreibt in seinem Meinungsbeitrag der Politologe Michael Bröning, Mitglied der SPD-Grundwertekommission. “Die realen Gefahren des Extremismus sollen nicht in Abrede gestellt werden. Doch was, wenn sich nicht die Menschen von der Politik abwenden, sondern die Politik sich von den Menschen entfremdet?” Schließlich belege die Meinungsforschung kein “Abdriften der Öffentlichkeit in den Extremismus”. Vielmehr wolle die Bevölkerung in Deutschland mehrheitlich die Umwelt schützen, ohne die Wirtschaft zu ruinieren oder gleich den Kapitalismus zu zerschlagen. Zum Artikel

A Huge Underground Battery Is Coming to a Tiny Utah Town – New York Times
Im US-Bundesstaat Utah entsteht ein riesiger Energiespeicher in Salzstöcken. Henry Fountain hat sich mit Fotografin Nina Riggio die Baustelle angesehen. 40 tonnenschwere Elektrolyseure sollen dort einmal Solar- und Windstrom nutzen, um Wasserstoff zu generieren. Doch ganz ohne klimaschädliches Erdgas kommt das Projekt, an dem Fossilmulti Chevron beteiligt ist, vorerst nicht aus. Zum Artikel

Heads

Gesine Langlotz: “Dieser Beruf ist ein riesiges Abenteuer”

Gesine Langlotz (29) ist Baumwirtin und arbeitet als Ausbilderin an der Obstbaumschnittschule in Erfurt.

Bevor Gesine Langlotz über die Landwirtschaft und die aktuellen Proteste spricht, ist ihr eine Klarstellung wichtig: “‘Die Bauern gibt es nicht. Man muss ganz klar unterscheiden zwischen klein- und mittelständischen Betrieben und der Agrarindustrie.” Mit der Industrie hat die 29-jährige Thüringerin nicht viel am Hut. Auch deshalb engagiert sie sich in der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft Mitteldeutschland (AbL). Derzeit befindet sich die gelernte Baumwirtin im Übernahmeprozess eines eigenen Hofes in Thüringen. Dort will sie in Zukunft Obstbau und Agroforstwirtschaft betreiben.

Den großen Bruder der AbL, den mächtigen Deutschen Bauernverband (DBV), sieht sie mit gemischten Gefühlen. Er sei ein “komplexes, großes Schiff”. Einerseits lobt sie dessen Arbeit an der Basis. Die Beratungs- und Sozialleistungen für die Landwirte seien gut. Auch am Engagement der Regional- und Kreisverbände will sie nicht rütteln. Kritischer sieht sie hingegen die Verbandsspitze. “Grundsätzlich muss man sagen, dass dort oft agrarindustrielle Interessen vertreten werden”, sagt Langlotz. “Deshalb hat es auch immer wieder Austrittswellen gegeben.”

Die Rolle des DBV bei den Bauernprotesten sieht sie differenziert. Einerseits sei es gut gewesen, dass der Unmut und die Empörung der Bauern auf die Straße getragen wurden. Die teilweise Rücknahme der pauschalen Subventionskürzungen sei ein Erfolg. Aber sie hätte sich schon gewünscht, dass konkrete Inhalte eine größere Rolle gespielt hätten – etwa die Marktordnung und der Milchpreis, die Rolle des Lebensmitteleinzelhandels oder die aus ihrer Sicht dringend notwendigen Agrarstrukturgesetze.”Aber ich habe das Gefühl, dass der Bauernverband explizit darüber nicht reden will.”

Bei der AbL sieht das anders aus. Für den Landesverband Mitteldeutschland, der im Jahr 2009 gegründet wurde und die Bundesländer Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt umfasst, sind die Verzerrungen am Bodenmarkt und die Vergabe des öffentlichen Landes im Sinne des Gemeinwohls zentrale Themen.

“Seit der Finanzkrise im Jahr 2008 hat sich der Pacht- und Kaufpreis von Ackerland rasant verteuert“, beklagt Langlotz. Verantwortlich dafür seien oft außerlandwirtschaftliche Investoren, die vor allem in Ostdeutschland riesige Flächen aufgekauft haben. “Heute kann sich keine normale Landwirtin und kein normaler Bauer mehr Land leisten, Gründerinnen und Junglandwirte schon gar nicht.”

Für Langlotz ist das ein wichtiger Grund, warum die Bauern so unter Druck stehen. Wie soll ich, fragt sie, nachhaltig und klimaangepasst wirtschaften, wenn ich diese riesigen Pachten oder einen überhöhten Kaufpreis zahlen muss und hoch verschuldet bin? Umso wichtiger seien Agrarstrukturgesetze, die diesen Ausverkauf verhindern. In Sachsen steht ein solches Gesetz derzeit kurz vor der Verabschiedung.

Landwirtschaft ist die Grundlage aller Dinge

Man merkt, dass ihr das Thema Boden besonders am Herzen liegt. Zusammen mit zwei Kolleginnen und dem Konzeptwerk Neue Ökonomie hat sie im April 2023 das Dossier “Gerechte Bodenpolitik” veröffentlicht. Auch am Bodenatlas 2024, der gerade vorgestellt wurde, hat sie mitgearbeitet. Der Beitrag trägt den Titel “Bodenausverkauf: Nur eine Ware?”.

Neben der Bodenpolitik müsse sich aber auch die Preispolitik dringend ändern, so Langlotz. Sie spricht von einer “Übermacht des Lebensmitteleinzelhandels”. Dessen “Preisdiktat” müsse gebrochen werden, um Preis- und Planungssicherheit für die Landwirte zu schaffen und dafür zu sorgen, dass mehr Gewinne bei den Erzeugern bleiben – und nicht vor allem in die Taschen der Lebensmittelindustrie und der Supermarktketten fließen.

Ein weiterer Punkt seien gezielte Investitionen in die Landwirtschaft. “Der Umbau kann nicht von den Höfen alleine geschultert werden”, ist sie sich sicher. Dafür brauche es Förderungen. “Aber diese Subventionen müssen gut gelenkt werden, damit sie auch wirklich bei den Höfen ankommen.”

Langlotz ist es wichtig, dass die Landwirtschaft nicht nur als Teil der Wirtschaft gesehen wird, sondern auch die entsprechende Wertschätzung erfährt. “Landwirtschaft ist die Grundlage aller Dinge. Wenn wir nichts zu essen haben, ist der Rest der Wirtschaft egal”, ist sie überzeugt. “Und die Menschen, die in der Landwirtschaft arbeiten, müssen gut bezahlt werden”, genauso wie bei anderen Grundbedürfnissen wie in der Bildung oder der Gesundheit und Pflege.

“Eigentlich wünsche ich mir, dass alle Leute Lust haben, in der Landwirtschaft zu arbeiten, weil das ein toller Beruf ist.” Er sei vielfältig und herausfordernd, finde draußen und drinnen statt. Man müsse langfristig planen, aber auch immer wieder mit Notfällen umgehen. Zudem habe er mit Technik und Zahlen, mit Pflanzen, Menschen und Tieren zu tun. Außerdem sei man ständig dem Wetter ausgesetzt. “Eigentlich ist dieser Beruf ein riesiges Abenteuer“, sagt Langlotz. “Und ich hätte große Lust, mit mehr jungen Leuten auf dem Land zu arbeiten und zu leben. Aber dafür brauchen wir andere Verhältnisse.” Carsten Hübner

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ESG.Table Redaktion

ESG.TABLE REDAKTION

Licenses:
    Liebe Leserin, lieber Leser,

    die globale Ungleichheit wächst: Während die reichsten fünf Milliardäre ihr Vermögen seit 2020 mehr als verdoppelt haben, sind 60 Prozent der Weltbevölkerung ärmer geworden – das stellt der Oxfam-Bericht zur sozialen Ungleichheit fest, den die Entwicklungsorganisation zu Beginn des Weltwirtschaftsforums veröffentlicht hat. Unternehmensmacht sei “eine unerbittliche Maschine, die Ungleichheit erzeugt”, heißt es.

    Entwicklungsministerin Svenja Schulze kritisiert mit Blick auf die extreme Ungleichheit, dass bei Verteilungsfragen oft ausgeblendet würde, “dass es in Deutschland und weltweit Superreiche und Übergewinne gibt, die viel zu wenig zum Gemeinwesen beitragen“. Viele Probleme könne man ihr zufolge schon mit geringen Steuersätzen auf sehr große Vermögen und Übergewinne lösen, weshalb das Thema “hoch auf die internationale Agenda der Finanzminister” gehöre.

    Einen signifikanten Beitrag für das Gemeinwohl leisten Landwirtschaftsbetriebe, das ist das Ergebnis einer Pilotstudie des Sozialunternehmers Christian Hiß. Im Interview mit Caspar Dohmen spricht der Geschäftsführer der Regionalwert Leistungen GmbH über ein Verfahren, mit dem Betriebe ihre Leistungen für Ökosysteme berechnen können, ob es dabei einen Unterschied zwischen Bio- und konventioneller Landwirtschaft gibt und warum er die aktuellen Proteste der Bauern verstehen kann.

    Unternehmerische Verantwortung für die Gesellschaft wird inzwischen nicht mehr nur erwartet, sondern auch durch Gesetze wie jene zu Lieferkettensorgfaltspflichten vorgeschrieben. Einige Wirtschaftsvertreter klagen über zu viel Aufwand für die Einhaltung, die FDP startet nun einen Vorstoß, um das deutsche Gesetz zu ändern und die Bundesregierung zur Ablehnung des EU-Gesetzes zu bewegen. Über die Reaktionen berichten Caspar Dohmen und Leonie Düngefeld.

    Ihr
    Nicolas Heronymus
    Bild von Nicolas  Heronymus

    Analyse

    Christian Hiß: Bauern sollten für Gemeinwohlleistungen im Schnitt 1.000 Euro je Hektar erhalten

    Christian Hiß ist Geschäftsführer der Firma Regionalwert Leistungen GmbH und war selbst lange als Gemüsebauer und Landwirt tätig.

    Haben Sie die Bauernproteste überrascht?
    Grundsätzlich überhaupt nicht. Schließlich kenne ich seit Jahrzehnten das Spannungsfeld von Rentabilität, landwirtschaftlicher Produktion und Betriebsführung, in dem sich die Bauern bewegen, aus eigener Erfahrung. Aber der Zeitpunkt und der Diesel als Auslöser und die Wucht des Protests haben mich überrascht. Tatsächlich benötigen die Landwirte aber eine wesentlich umfassendere Honorierung ihrer Arbeit als einen ermäßigten Steuersatz auf Diesel, was umgelegt auf Flächen etwa 25 Euro je Hektar sind. Sie brauchen meiner Ansicht nach sogar mehr als die 350 Euro, die sie heute im Schnitt durch die europäische Agrarpolitik an Subventionen bekommen.

    Ginge es nach Ihnen, dann würden die Bauern für ihren Aufwand für das Gemeinwohl Geld erhalten. Wie passt das damit zusammen, dass die Landwirtschaft in immensem Umfang die Umwelt schädigt? Die Unternehmensberatung Boston Consulting veranschlagt diese negativen externen Effekte in Deutschland auf mindestens 90 Milliarden Euro jährlich.
    Genau, umgelegt ungefähr 6.000 Euro je Hektar. Aber bei aller berechtigter Kritik, Bäuerinnen und Bauern investieren auf der anderen Seite schon immer einen gehörigen Aufwand in den Schutz der Ökosysteme und anderer Gemeingüter. Aber dieser Aufwand ist bisher in den betriebswirtschaftlichen Zahlen nicht sichtbar und wird deshalb als selbstverständlich hingenommen. Wir beziffern den betriebswirtschaftlichen Wert der Leistungen der Betriebe auf durchschnittlich 1.000 Euro je Hektar und Jahr. Der Wert variiert, weil er unter anderem von der Art der Bodennutzung abhängt. Bei Sonderkulturen wie dem Gemüsebau haben wir Gemeinwohlleistungen der Betriebe je Hektar von 5.000 bis 8.000 Euro berechnet. Die Leistung erfolgt dort konzentrierter, weil die Wertschöpfung, aber auch der Aufwand pro Hektar wesentlich höher ist als zum Beispiel bei Grünland.

    1.000 Euro sollte jeder landwirtschaftliche Betrieb im Schnitt je Hektar von der Allgemeinheit erhalten, sagen Sie. Das ist eine Menge Geld.
    Aber es wäre gerecht und angemessen. Denn die Landwirte investieren durchschnittlich eben in dem Umfang in die Gemeingüter, in dem sie beispielsweise die Ökosysteme erhalten oder die Versorgung mit Nahrungsmitteln sichern. Dafür sollten sie explizit und direkt bezahlt werden, sonst können die Betriebe diese Leistungen nicht mehr erbringen

    Wie gehen Sie bei der Berechnung dieser Gemeinwohlleistungen vor?
    Wichtig ist: Wir berechnen nicht den Wert der Ökosysteme und deren Leistungen an sich in Geld. Das funktioniert auch gar nicht. Man kann beispielsweise den Wert eines fruchtbaren Bodens oder eines Rotkehlchens und seinen Lebensraum nicht in Geld ausdrücken. Außerdem verbietet es sich aus ethischen Gründen. Aber ich kann den Preis für die Bereitstellung von Leistungen berechnen, die ein Betrieb zum Schutz des Rotkehlchens aufbringt, indem er beispielsweise eine Hecke pflanzt oder kleinräumiger wirtschaftet und Randstreifen anlegt. Das ist eine wirtschaftliche Tätigkeit, sie löst Aufwand und Kosten aus und wird damit automatisch eine betriebswirtschaftliche Größe. Wir definieren diese als betriebswirtschaftliche Kennzahlen. Es geht uns im Grunde um die Erweiterung der Buchhaltung und betrieblichen Erfolgsrechnung mit Kennzahlen zum Schutze der natürlichen und sozialen Lebensgrundlagen auf der Ebene des Einzelbetriebes, das ist die entscheidende Neuheit.

    Was zählt dabei zu Gemeinwohlleistungen?
    Das ganze ESG-Spektrum, ökologische Aspekte wie Bodenfruchtbarkeit oder Artenerhalt genauso wie soziale Aspekte, beispielsweise die Ausbildung von Menschen oder die Bildungsarbeit über landwirtschaftliches Tun durch Führungen, und auch Kennzahlen zur wirtschaftlichen Souveränität. Das sind alles Maßnahmen, die Aufwand und Kosten verursachen, aber das langfristige Produktivvermögen erhalten. Bis heute werden sie in der Erfolgsrechnung als betriebswirtschaftliche Ineffizienzen betrachtet, was ein kolossaler Denkfehler ist und aus meiner Sicht die tiefer liegende Ursache für den Zorn der Bauern darstellt.

    Wie ermitteln Sie den konkreten Geldwert der Leistungen eines Betriebes?
    In einem aufwändigen Prozess über die vergangenen 15 Jahre haben wir gemeinsam mit einer Vielzahl von Bäuerinnen und Bauern ermittelt, was sie aufgrund ihrer Erfahrungen aufwenden würden, damit ihr Betrieb langfristig, das heißt nachhaltig produktiv bleibt. Aus diesem Erfahrungswissen und unter Zuhilfenahme von nationalen und internationalen Rahmenwerken haben wir 500 Leistungskennzahlen aus der ökologischen, sozialen und regionalökonomischen Dimension erstellt und einen Grad an Nachhaltigkeit von 100 Prozent definiert. Wir haben für alle gängigen Betriebszweige, wie Ackerbau, Nutztierhaltung, Gemüse- und Obstbau, sowie für den Weinbau und sogar die Waldwirtschaft Kennzahlen ausgearbeitet und in unsere Datenbank übertragen.

    Sie hatten ein Pilotprojekt mit 50 Bauern in Niedersachsen, nun mit 1.000 Bauern bundesweit …
    1.000 beteiligte Betriebe ist die Mindestgröße, damit wir danach verlässliche Aussagen über die Nachhaltigkeit und die Gemeinwohlleistungen von unterschiedlichen Gruppen von Betrieben machen können, etwa zu Betrieben verschiedener Größe oder Ausrichtung, also Viehhaltung, Waldwirtschaft, Ackerbau oder Gartenbau. Wir werden bei dem Projekt unter anderem auch vom Landwirtschaftsministerium Baden-Württemberg bei der Suche nach Betrieben, die mitmachen, unterstützt. Auch das Ministerium für Umwelt und Landwirtschaft des Saarlandes hat mit uns ein erfolgreiches Pilotprojekt durchgeführt.

    Wie ist die Resonanz der Bauern?
    Bislang haben sich 350 Betriebe beteiligt, es werden jeden Tag mehr. Vor allem reagieren die Landwirte positiv auf ihr jeweiliges Ergebnis. Denn sie bekommen zum ersten Mal dokumentiert, welch gehörigen Beitrag für das Gemeinwohl sie leisten. Das stärkt das Selbstvertrauen der Bäuerinnen und Bauern. Das ist mir wichtig, denn das konkrete Sichtbarmachen ist die erste Stufe der Wertschätzung ihrer Arbeit. Zahlen sind greifbarer als warme Worte und ihre Forderung wird faktischer.

    Welche Spannbreite sehen Sie in der Gruppe der konventionellen und Biobetriebe?
    Die Betriebe bewegen sich zwischen 50 und 80 Prozent unseres Nachhaltigkeitsgrades. Das gilt für Biobetriebe und konventionelle Höfe. Es gibt eben nicht schwarz und weiß, jeder Betrieb erbringt Leistungen für das Gemeinwohl. Die Gruppe der Biobetriebe bewegt sich bisher zwischen einem Grad der Nachhaltigkeit von 60 bis 80 Prozent, bei den konventionellen sind es 50 bis 70 Prozent. Genaue Zahlen kann ich aber erst nach dem Abschluss des Projektes liefern. Wir können auch zeigen, dass der Nachhaltigkeitsgrad nicht von der Betriebsgröße abhängt.

    Was würde das kosten?
    Umgelegt auf jeden Bundesbürger jedes Jahr rund 200 Euro, wobei ich die 70 Euro für bereits aus Steuergeldern bezahlten EU-Ausgleichszahlungen davon abziehen würde. Das heißt, es bleiben 130 Euro, also rund 10 Euro pro Bundesbürger pro Monat. Diese Größenordnung halte ich für sozial vertretbar, zumal die Produkte am Markt dadurch etwas günstiger werden dürften, ohne einen Schaden anzurichten, wie es aktuell der Fall ist. Die eingangs erwähnten Schadenssummen werden immerhin auf circa 1.000 Euro pro Bundesbürger und Jahr beziffert. Schon die Zukunftskommission Landwirtschaft hat 2019 festgestellt, dass die Schadensvermeidung für die Volkswirtschaft wesentlich günstiger wäre als die Schadensbehebung. Die ZKL kommt übrigens zu einer ähnlichen Gesamtsumme wie wir.

    Seit 15 Jahren entwickeln Sie ihren Ansatz – ist nun der Moment für die Umsetzung gekommen?
    Selbst Bauernpräsident Joachim Rukwied redet ja im Zusammenhang mit der zukünftigen GAP von Vergütung für Gemeinwohlleistungen. Cem Özdemir redet über Gemeinwohlleistungen, Robert Habeck weist auf die Bedeutung der Landwirtschaft für das Gemeinwesen hin. Viele Kommentatoren sagen es und auch für die Liberalen wäre die Methode annehmbar, denn es werden erbrachte Leistungen bezahlt und keine Subventionen vergeben. Es liegt in der Luft. Wenn wir Glück haben in den nächsten Tagen und Wochen, kriegen wir es vielleicht hin, dass die Rolle der Bäuerinnen und Bauern für das Gemeinwohl mehr Menschen bewusst und anerkannt wird. Es braucht Lösungen für die grundlegenden Probleme der Landwirte. Unser Ansatz wäre eine Lösung, aber er ist noch zu wenig bekannt.

    Wie weit die Idee in anderen Ländern bereits verfolgt wird, lesen Sie in der Langfassung.

    • Gemeinsamer Wohlstand
    • Landwirtschaft
    • Nachhaltigkeit
    Translation missing.

    BMZ: “Das Bafa wird weiterhin für die Kontrolle des Lieferkettengesetzes zuständig sein”

    Arbeitskräfte in Bangladesch gehören zu den billigsten auf der Welt. Das hat dem Land eine vorteilhafte Position auf dem globalen Textilmarkt verschafft.
    Arbeitskräfte in Bangladesch gehören zu den billigsten auf der Welt.

    Die FDP lehnt den aktuellen Entwurf der EU-Lieferkettenrichtlinie (CSDDD) ab und positioniert sich damit gegen den Kompromiss von Rat und Europaparlament aus dem Dezember 2023. Damit distanzierte sich die Partei auch von der Linie, welche die Bundesregierung bislang auf europäischer Ebene verfolgt. Zudem hinterfragt die FDP die Wirkung des deutschen Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LKSG) kritisch und schlägt Reformen vor, wie die Übernahme der Prüfpflichten bei Unternehmen im Rahmen des LKSG durch private Wirtschaftsprüfer von der zuständigen Bundesbehörde.

    Die Position der FDP stößt auf Ablehnung beim Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ). Das Bundesamt für Wirtschaft und Ausuhrkontrolle (Bafa) werde “weiterhin für die Kontrolle des Lieferkettengesetzes zuständig sein”, sagte die BMZ-Staatssekretärin Bärbel Kofler (SPD) am Dienstag Table.Media.

    Das FDP-Präsidium hatte am Montag in seinem Beschluss neun Gründe für sein Votum gegen die EU-Lieferkettenrichtlinie genannt, unter anderem: 

    • Die Richtlinie würde in der aktuellen Form die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen und europäischen Wirtschaft bedrohen, “da sie neben Bußgeldern auch erstmals explizite Haftungsregelungen einführen, umweltrechtliche Anforderungen erheblich verschärfen und den Verantwortungsbereich der Unternehmen ernstlich ausweiten würde”. 
    • Der Bausektor werde als “Risikosektor eingestuft”, was das Bauen verteure. 
    • Bedauerlicherweise sei es nicht gelungen, die Haftungsregelungen durch eine Privilegierung (Safe Harbour) abzumildern, wenn Unternehmen bestimmte Branchenstandards erfüllen oder Zertifizierungen vorweisen können. 
    • Die Verpflichtung zur Aufstellung eines Klimaplans und die Pflicht, finanzielle Anreize zu dessen Durchsetzung für Vorstand und Aufsichtsrat einzuführen, greife “tief in die interne Organisation der Unternehmen ein”
    • Die Umsetzungsfristen müssten jeweils um zwei Jahre verlängert werden, damit Unternehmen die Chance hätten, das neue Gesetz vernünftig umzusetzen. 
    • Gefordert wird zudem ein sofortiges allgemeines Belastungsmoratorium für Mittelstand und Industrie auf EU-Ebene, zur Bewältigung der wirtschaftlich schwierigen Lage.

    Der Beschluss der FDP kommt zu einem späten Zeitpunkt. Denn am 14. Dezember hatten sich Kommission, Rat und Parlament im Trilog auf die Inhalte “der Richtlinie über die Sorgfaltspflichten von Unternehmen mit Blick auf die Nachhaltigkeit” verständigt. Damit gilt eine Verabschiedung im Rat und Parlament gewöhnlich nur noch als Formsache.

    Der Rat beschäftigt sich nach Informationen von Table.Media noch im Januar auf Arbeitsebene mit der Richtlinie, die EU-Botschafter werden sich jedoch nicht vor Februar damit befassen. Die Abstimmung im Parlament ist für April geplant. Dort wird mit den gleichen Mehrheiten wie bei der Abstimmung über die Parlamentsposition gerechnet, welche die FDP-Abgeordneten ebenfalls abgelehnt hatten. 

    Aktuell deutet wenig darauf hin, dass die FDP eine Verabschiedung des Sorgfaltspflichtengesetzes in Brüssel verhindern kann. Da SPD und Grüne das Vorhaben unterstützen, wird sich Deutschland voraussichtlich im Rat enthalten. Die FDP müsste also mindestens eine massive Kampagne starten, wie vor einem Jahr beim Thema E-Fuels, um die Richtlinie noch zu stoppen. Bislang hat sie keinen Anlauf dafür genommen.

    Der Beschluss der FDP überrascht

    Viele andere Mitgliedstaaten haben das Anliegen der Richtlinie ausdrücklich befürwortet. Bei einem ersten Meinungsaustausch vor Weihnachten bewerteten die Experten der meisten Regierungen das Trilog-Ergebnis grundsätzlich positiv, auch wenn viele Details noch offen sind.

    Zuvor hatte sich nur die ehemalige polnische PiS-Regierung gegen das Vorhaben gestellt. Ein Ausscheren Frankreichs gilt als unwahrscheinlich, weil sich Frankreich in einem wichtigen Punkt durchgesetzt hat: dem vorläufigen Ausschluss von Finanzdienstleistern aus der Richtlinie. Als Verfechter der Regelung gelten Länder quer durch die EU wie Spanien, Belgien, die Niederlande oder Tschechien. 

    Der Beschluss der FDP überrascht, denn die Bundesregierung hat nicht zuletzt auf Bestreben der Freien Demokraten bereits einige Änderungen der Richtlinie in Brüssel erreicht, wie eine deutliche Abschwächung der klimapolitischen Vorstellungen des EU-Parlaments.

    Zwar sollen Unternehmen künftig Klimapläne erarbeiten und umsetzen, die im Einklang mit dem Pariser Klimaziel stehen. Allerdings sollen Behörden künftig nur überprüfen, ob es diese Pläne gibt und sie theoretisch den inhaltlichen Ansprüchen genügen. Ungeprüft bleibt die praktische Umsetzung. Untätigkeit würde damit nicht bestraft.

    Anders als die FDP hatten der grüne Wirtschaftsminister Robert Habeck und Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) im Sommer 2023 noch Sanktionen für Fälle befürwortet, in denen Unternehmen ihre Klimapläne nicht umsetzen.

    Als Erfolg konnten die FDP und Gleichgesinnte für sich ebenfalls verbuchen, dass die Sorgfaltspflichten auf europäischer Ebene nicht die gesamte Wertschöpfungskette von Unternehmen erfassen, sondern nur die sogenannte “Aktivitätenkette”. Außen vor bleiben sollen der Verkauf und die Verwendung exportierter Produkte, also die nachgelagerte Wertschöpfungskette. Ob beispielsweise gesundheitsgefährdende Pestizide in Ländern des globalen Südens auf Feldern versprüht werden, liegt damit außerhalb der Verantwortung von europäischen Chemiekonzernen. 

    Zudem lehnt sich die vorgesehene konkrete Ausgestaltung der Haftungsregelung eng an das deutsche Zivilrecht an, ebenfalls ein Verhandlungserfolg für die FDP. Unter dem Strich habe die Einigung im Trilog in etwa den Positionen der Bundesregierung entsprochen, heißt es in Regierungskreisen.

    Wirtschaftsverbände machen Druck

    Warum rückt die FDP dann trotzdem von der Einigung ab? Das dürfte maßgeblich am Druck einiger großer Wirtschaftsverbände liegen. Bereits kurz vor dem Trilog hatten sich Spitzenvertreter von BDI, BDA, der italienischen Confindustra und des Mouvement des Enterprises de France in einem Schreiben an Bundeskanzler Olaf Scholz, Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und Italiens Ministerpräsident Giorgia Meloni gegen die Einigung ausgesprochen.

    Am Dienstag kritisierte BDI-Chef Siegfried Russwurm erneut das geplante europäische Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz scharf. “Wir brauchen mehr Europa – aber richtig”, sagte er, vor allem einen Binnenmarkt, der es erlaube, Größenvorteile zu nutzen. Doch was derzeit aus Brüssel komme, sei “irritierend”, etwa beim Rechtsrahmen für Künstliche Intelligenz (AI Act) oder dem Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz, zu denen nach der Einigung im Trilog bis heute nichts Schriftliches vorliege. 

    Aber es gibt aus der Wirtschaft auch viel Zustimmung: Eine Menge deutscher und europäischer Unternehmen haben sich für das deutsche Gesetz und die strengere EU-Variante ausgesprochen. Dazu zählen Ikea, Epson, Tchibo, Primark oder Vaude. Von 2000 vom Handelsblatt Research Institute im Auftrag von Creditreform befragten Unternehmen lehnten kürzlich nur sieben Prozent verbindliche Lieferkettenvorgaben für menschenrechtliche und Umweltstandards ab. Knapp 44 Prozent der Befragten achteten bereits heute auf Nachhaltigkeit in ihren Lieferketten, weitere 37 Prozent täten dies schon teilweise, nur elf Prozent täten gar nichts. 

    Mit Blick auf die möglichen Belastungen mittelständische Unternehmen durch das LkSG, sagte Yvonne Jamal vom Jaro-Institut für Nachhaltigkeit und Digitalisierung, welches unter anderem Einkäufer von Unternehmen mit Blick auf Lieferkettenverantwortung unterstützt. “Es wettern meistens Unternehmen gegen das LkSG, die es nicht gelesen haben. Die KMUs, die sich damit beschäftigten, entwickelten meist kreative und kollaborative Lösungen.

    Kunden fordern Sorgfaltspflichten ein

    Eine Umfrage des Hamburger Instituts für Wirtschaftsethik zeigte vergangenen Sommer auch einen Widerspruch zwischen der entschiedenen Ablehnung von Vertretern großer Verbände der europäischen Lieferkettenrichtlinie und Unternehmen selbst. Ein Argument der Unternehmen: Sie seien aufgrund von Kundenanforderungen längst damit konfrontiert, ihren menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten nachkommen zu müssen.

    Auf Kritik stößt die Haltung der FDP im BMZ. “Mit einer Ablehnung würde Deutschland sich vor allem selbst schaden”, sagte die Staatssekretärin Bärbel Kofler Table.Media. Die EU könne nur dann gut funktionieren, wenn sich alle an die Spielregeln hielten und Kompromisse akzeptieren. “Die anderen Mitgliedstaaten und das Parlament sind den deutschen Anliegen weit entgegengekommen“, betonte sie. Den Kompromiss jetzt trotzdem abzulehnen, würde “Deutschlands Ruf als verlässlicher Partner beschädigen”. Auch für die deutschen Unternehmen wäre eine europäische Regelung ein Gewinn, weil sie dann “gleiche Wettbewerbsbedingungen in der EU hätten”. Mit dem deutschen Lieferkettengesetz seien sie darauf bereits gut vorbereitet.

    Mit Unverständnis reagierte die Initiative Lieferkettengesetz, die mehr als 120 Organisationen vertritt. “Beim EU-Lieferkettengesetz geht es nicht um lästige Bürokratie, sondern um grundlegende Menschenrechte und Umweltstandards“, hieß es. Bemerkenswert findet Armin Paasch von Misereor, dass die FDP nun eine fehlende Safe-Harbour-Lösung beklage, obwohl Justizminister Marco Buschmann sie “nie im Trilog gefordert” habe. Mit ihrer Blockadehaltung isoliere sich die FDP auch international, heißt es bei der Initiative Lieferkettengesetz. Denn die liberale Fraktion im EU-Parlament habe die Einigung auf einen Kompromiss zum EU-Lieferkettengesetz im Dezember als großen Erfolg gefeiert

    BMZ signalisiert Reformbereitschaft

    Die liberale Fraktion im EU-Parlament unterstütze weiterhin die Einigung über das Sorgfaltspflichtengesetz, sagte der Schattenberichterstatter von Renew, Adrián Vázquez Lazara. “Dies wurde in mehreren Fraktionssitzungen beschlossen, in denen das Thema intern erörtert wurde, und hat sich in der Plenarabstimmung über den Standpunkt des Parlaments am 1. Juni 2023 gezeigt”, erklärte er. Eine große Mehrheit der Renew-Fraktion habe den Text unterstützt. “Natürlich ist es bei dieser und jeder anderen Richtlinie oder Verordnung möglich, dass einige Parteien innerhalb der Fraktion legitimerweise beschließen, den Text abzulehnen”, fügte Vázquez Lazara hinzu. 

    Die FDP kritisiert aber auch das deutschen Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG). “Das Gesetz tut wenig für Menschen in Schwellenländern, ist aber ein sehr teures Misstrauensvotum gegen die Wirtschaft”, sagte Finanzminister Christian Lindner Table.Media. Dem widerspricht die BMZ-Staatssekretärin Bärbel Kofler: “Das Gesetz bewirkt viel für Menschen in den globalen Lieferketten”, sagte sie Table.Media. Ihr werde in vielen Gesprächen mit Arbeiterinnen und Gewerkschaften aus dem Globalen Süden bestätigt, “dass das Lieferkettengesetz ein echter Meilenstein für die Durchsetzung von Arbeitsrechten und Umweltstandards ist”.

    Die Forderung von FDP-Chef Lindner, die Überprüfung der Berichtspflichten durch Wirtschaftsprüfer durchführen zu lassen ist nicht neu. “Es ist aber keine gute Idee die Wirtschaft durch die Wirtschaft kontrollieren zu lassen”, sagt Yvonne Jamal vom Jaro Institut. Schon alleine, weil regelmäßig Governance-Probleme daraus resultierten, dass Wirtschaftsprüfer gleichzeitig Unternehmen prüfen und beraten würden.

    Das BMZ signalisiert mit Blick auf die Lieferkettengesetze Reformbereitschaft. “Wir verhandeln in der Bundesregierung bereits, um doppelte Berichtspflichten zu vermeiden”, sagt Kofler. Zudem setze sich das BMZ für “eine unternehmensfreundliche und bürokratiearme Umsetzung ein, ohne das Schutzniveau abzusenken”Mitarbeit: Till Hoppe

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    Batterieforschung: Ein Großteil der Förderung könnte wegfallen

    Forschungsministerin Stark-Watzinger und Bundeskanzler Scholz erhielten Post vom Kompetenznetzwerk Lithium-Ionen-Batterien.

    Die Batterieforschung und insbesondere der Transfer von der Forschung in die Unternehmen scheinen vor deutlichen Kürzungen zu stehen. Das Kompetenznetzwerk Lithium-Ionen-Batterien (KLiB) hat in einem Brandbrief an Bundeskanzler Olaf Scholz, Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne), Finanzminister Christian Lindner und Forschungsministerin Bettina Stark-Watzinger (beide FDP) vor den drastischen Konsequenzen der geplanten Streichung für die Batterieforschung gewarnt. Das Schreiben liegt Table.Media vor. 

    Die Regierung plant, den Titel “Maßnahmen zur Weiterentwicklung der Elektromobilität” im Klima- und Transformationsfonds zu streichen, was laut KLiB 75 Prozent der geplanten Fördermittel des Forschungsministeriums für die Batterieforschung beträfe. Das KLiB fordert die Regierung auf, die Streichung rückgängig zu machen und eine Batteriestrategie ähnlich der in Frankreich, Norwegen und Finnland zu entwickeln

    Wo wird gekürzt? 

    • Die Förderung der Batterieforschung und des Transfers in diesem Bereich von ungefähr 156 Millionen Euro, die das BMBF über den KTF tätigt, steht anscheinend infrage. Dies wurde nun auch seitens des BMBF bestätigt. Nachdem das BMBF gut 53 Millionen Euro über den eigenen Haushalt – inklusive der Förderung der Errichtung der Forschungsfertigung Batteriezelle in Münster – in die Batterieforschung einbringt, könnte also ein wesentlicher Teil der gesamten Förderung wegfallen.  
    • Weiterhin wird wohl auch beim BMWK eingespart. Davon ist vor allem die Industrie betroffen. Insider schätzen jedoch, dass auch hier rund zehn Prozent der betroffenen Mittel in die Forschung geflossen wären. 

    Auswirkungen der Kürzungen  

    Die KLiB weist vor allem auf die Gefährdung der Wettbewerbsfähigkeit in “einer der wichtigsten Zukunftstechnologien des 21. Jahrhunderts” hin. Mit dem Dachkonzept Batterieforschung des BMBF sei in den letzten 15 Jahren mit enormen finanziellen Anstrengungen eine international einmalige Forschungsplattform in Deutschland installiert worden, die den Hochlauf und Betrieb der Batterie(zell)produktion seit Jahren begleitet. Diese Plattform könnte verloren gehen.  

    Betroffen sind auch die internationalen Kooperationen. Der stellvertretende Vorsitzende des BMBF Beirat Batterieforschung Deutschland, Arno Kwade, betont, dass Deutschland international heute eine führende Position in der Batterieforschung eingenommen hat und mit mehreren Ländern gemeinsame Forschungsprojekte fördert, oder aktiv vorangeht, um weitere kurzfristig zu fördern. Die Gefahr ist jetzt groß, dass schon durchgeplante internationale Kooperationsprojekte nicht zum Tragen kommen. Die internationale Reputation der deutschen Batterieforschung werde so einen großen Schaden nehmen. 

    Ein Bereich macht besonders vielen Forschenden große Sorgen: die Fachkräfte. Für alle deutschen Forschungseinrichtungen stellt sich bei Wegfall der Batterieforschungsmittel die Frage, wie sie diese wissenschaftliche Mitarbeitende mittel- bis langfristig weiter beschäftigen sollen, insbesondere bis zum Abschluss einer Promotion. Es fehlen vielfach die Anschlussfinanzierungen für die auslaufenden Verträge, berichten betroffene Forschende. Damit befeuern diese Kürzungen den bereits bestehenden Fachkräftemangel weiter. Nach Berechnungen von Branchenexperten müsste es in Deutschland 2030 doppelt so viele Experten in diesem Bereich geben, wie derzeit absehbar. Wenn jetzt wichtige Forschungsbereiche wegfallen, könnte die Lücke noch größer werden. 

    Forschungsministerin ist nächste Woche zu Gast bei der Batterieforschung

    In ihrem Brief fordern die beiden Vorstände der KLiB, Burkard Straube (CEO Vianode) und Martin Winter (Universität Münster) den Aufbau eines wettbewerbsfähigen, technologisch souveränen deutschen Ökosystems Batterie. Dazu sollte eine Koordinierungsstelle, ähnlich der Nationalen Organisation Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie (NOW) eingerichtet werden. Letztlich müsse man bei der Batterieforschung nicht streichen, sondern im Gegenteil mehr investieren. Nächste Woche, beim vom KLiB ausgerichteten Batterieforum Deutschland, wird Bettina Stark-Watzinger für ein Grußwort erwartet. Man darf gespannt sein, welche Nachrichten sie im Gepäck hat. 

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    Termine

    22.-23. Januar 2023, Stuttgart
    Seminar Gestaltung nachhaltiger Logistik: kompakt – Nachhaltigkeit verstehen, gestalten und steuern (BVL Seminare) Info & Anmeldung

    23. bis 25. Januar 2024, Berlin
    Konferenz Handelsblatt Energiegipfel 2024 Info & Anmeldung

    24. Januar 2024, 9:00-10:00 Uhr, Online
    Webinar Sustainability Year 2024 – kompaktes Update für Unternehmen (Ecosense) Info & Anmeldung

    24. Januar 2024, 09:30 bis 13:00 Uhr, Online
    Workshop Was bedeutet Rechtspopulismus für den grünen Wandel? (Kompetenzzentrum Nachhaltiger Konsum) Info & Anmeldung

    25. Januar 2024, 09:30 bis 13:00 Uhr, Online
    Konferenz Highlights der Umweltbewusstseinsstudie 2022 und Impulse für die sozial-ökologische Transformationsforschung (UBA) Info & Anmeldung

    25. Januar 2024, 09:30 bis 13:00 Uhr, Online
    Konferenz Highlights der Umweltbewusstseinsstudie 2022 und Impulse für die sozial-ökologische Transformationsforschung (UBA) Info & Anmeldung

    26. Januar 2024, 12:00 bis 13:30 Uhr, Online
    Online-Vortrag FairDeepDive zur Kreislaufwirtschaft (Fairantwortung gAG) Info & Anmeldung

    News

    BDI-Präsident will mit IG Metall-Vorsitzender über Sondervermögen für Transformation sprechen

    Siegfried Russwurm, Präsident des Bundesverbands der deutschen Industrie (BDI), signalisierte bei der Jahresauftakts-Pressekonferenz seines Verbands am Dienstag verhaltene Zustimmung zu einem Sondervermögen für die ökologische Transformation der Industrie. Mit IG Metall-Chefin Christiane Benner, die den Vorschlag eines Sondervermögens eingebracht hat, will er bald darüber sprechen. Der mächtigste Industrieverband und die größte Industriegewerkschaft tendieren damit in eine ähnliche Richtung in der Frage, wie trotz des Haushaltsurteils des Bundesverfassungsgerichts staatliche Investitionen in großem Maßstab finanziert werden könnten.

    Die IG-Metall-Vorsitzende Benner hatte am Wochenende argumentiert, dass “500 bis 600 Milliarden Euro bis zum Jahr 2030” für den Ausbau der erneuerbaren Energien und der Wasserstoffinfrastruktur nötig seien. Daher solle, ähnlich wie beim Sondervermögen zur Aufrüstung der Bundeswehr, eine Zweidrittelmehrheit im Bundestag eine zweckgebundene Kreditaufnahme ins Grundgesetz schreiben. Anders als bei der regelmäßigen staatlichen Kreditaufnahme kann die Verwendung einmaliger Sondervermögen genauer definiert werden. Benner forderte “alle demokratischen Parteien” auf, sich hinter der Idee zu versammeln.

    BDI-Präsident Russwurm betrachtet höhere Staatsschulden eigentlich mit Skepsis. Er sieht jedoch “erheblichen Nachholbedarf, was Investitionen angeht”. Dafür brauche es “schnell eine Lösung”. Er betonte seine Vorstellung, dass ein Sondervermögen “nur investiv verwendet wird und nicht zum Löcher stopfen”. Vorrangig investieren würde der Industrielobbyist, ähnlich wie Benner, in den Umbau der Infrastruktur. Erst nachrangig sollte auch Unternehmen direkt geholfen werden, “damit sie eine Dürreperiode überleben können.”

    Bislang wird eine weitere Schuldenaufnahme von den Unionsparteien und der FDP abgelehnt. SPD und Grüne hatten ein zweckgebundenes Sondervermögen bereits vor längerer Zeit als eine Möglichkeit zur Finanzierung der Transformation und der Unterstützung der Industrie in der Energiekrise in die Diskussion gebracht. Beide Parteien präferieren jedoch eigentlich eine Reform der Schuldenbremse. av

    • Schuldenbremse

    Nickel aus Indonesien hat einen hohen CO₂-Fußabdruck.

    An Indonesien mit seinen weltgrößten Nickelvorkommen führt in der Transformation kein Weg vorbei. Das Metall selbst oder daraus gefertigte Produkte wie Batterien stecken in vielen Lieferketten, weil sie für die E-Mobilität oder Erneuerbare-Energie-Anlagen gebraucht werden. Allerdings verursachen Abbau und Weiterverarbeitung von Nickel in Indonesien einen hohen CO₂-Fußabdruck. Darauf weist die US-amerikanische NGO Climate Rights International (CRI) in einer am Mittwoch erscheinenden Studie hin. Im Fokus steht der Indonesia Weda Bay Industrial Park (IWIP), einer der weltweit größten Förder- und Verarbeitungsplätze von Nickel.

    Anstelle erneuerbarer Energien aus Sonne und Wind zu nutzen, habe IWIP bereits fünf kohlebefeuerte Kohlekraftwerke gebaut und plane weitere sieben Kohlekraftwerke.

    Sie verfeuerten minderwertige Kohle von der Insel Borneo. Wenn sie voll in Betrieb seien, würden sie mehr Kohle verbrauchen als heute Spanien oder Brasilien in einem Jahr.

    Außerdem komme es in den Nickelminen nahe des IWIP zu einer gewaltigen Abholzung, die ebenfalls zur Klimakrise und zum Verlust der biologischen Artenvielfalt beitrage. Mithilfe einer Geodatenanalyse haben CRI und Wissenschaftler der University of California in Berkeley ermittelt, dass mindestens 5.331 Hektar tropische Wälder wegen des Nickelabbaus auf der Insel Halmahera abgeholzt worden seien. Von CRI befragte Menschen berichteten von:

    • unfairen Landverkäufen und Landraub,
    • Fällen von Bedrohung und Einschüchterung, wenn sich Menschen weigerten, ihr Land zu verkaufen, oder den angebotenen Preis anfochten
    • sowie Vergeltungsmaßnahmen durch Unternehmensvertreter, Polizeibeamte und das Militär.

    In Indonesien kaufen laut der Studie Autobauer ein wie Tesla, Ford oder Volkswagen. Sie hätten Verträge zur Beschaffung mit Unternehmen, die in IWIP tätig seien. Die Aktivisten appellieren an die Unternehmen, sich für nachhaltige und gerechte Lieferketten einzusetzen. Gleichzeitig fordern sie von der indonesischen Regierung sowie den Bergbau- und Hüttenunternehmen die Achtung der Rechte indigener Völker und Gemeinden in den rohstoffreichen Gebieten. Überdies sollten sie die Abholzung und die Luft- und Wasserverschmutzung minimieren.

    Indonesien verfügt weltweit über die größten Vorkommen von Nickel und hatte 2022 einen Weltmarktanteil von 48 Prozent. Nickel wird unter anderem für Legierung und die Stahlveredelung benötigt sowie bei der Herstellung von Batterien. Schätzungen zufolge benötigt man für die Umsetzung der Pariser Klimaziele – für den damit verbundenen Aufbau von E-Mobilität und erneuerbarer Energie – schätzungsweise 60 Prozent mehr Nickel. cd

    • Lieferketten
    • Rohstoffe

    Arbeitswelt: Hohes Job-Risiko für Industrienationen

    Das Risiko, seinen Arbeitsplatz zu verlieren und durch Künstliche Intelligenz zum Teil oder ganz ersetzt zu werden, ist vor allem in entwickelten Ländern groß. Während der globale Durchschnitt bei 40 Prozent der Tätigkeiten liegt, muss man in westlichen Nationen von etwa 60 Prozent aller Jobs ausgehen – ihre höher entwickelten Tätigkeiten in Industrie und Dienstleistung sind anfälliger. Zu diesem Ergebnis kommt eine neue Untersuchung des Internationalen Währungsfonds.

    Studien und Berichte über die Zukunft der Arbeit in Zeiten von KI sind nicht neu. Anders als vorige Papiere betonen die Autoren in diesem Fall, dass sie sich auch der Frage genähert haben, wie groß der Grad der jeweiligen Anpassungsfähigkeit der Jobs ist, wie komplementär also ein Jobprofil mit der Technik ist und Arbeiter sich durch KI helfen lassen und Prozesse vereinfachen können. In entwickelten Ländern liegt der Anteil von sogenannten “high exposure” Jobs, die auch eine “high complementarity” auszeichnet, demnach bei 27 Prozent; der Anteil von Jobs mit “high exposure” und “low complementarity” beträgt dagegen 33 Prozent – vor allem letztere sind stark gefährdet. In weniger entwickelten Ländern fallen diese Werte geringer aus: In Schwellenländern (“emerging markets”) liegen sie bei 16 und 24 Prozent; bei Entwicklungsländern (“low income countries”) sind es acht sowie 18 Prozent. 

    Ähnlich stellt sich die Situation bei der Frage dar, wie gut Länder auf den Einfluss von KI vorbereitet sind. Betrachte man die Kriterien digitale Infrastruktur, Regulierung, Innovationen und Bildungsstandard, komme man zu dem Schluss, so die Autoren, dass entwickelte Länder zwar stärker betroffen seien, aber auch besser auf den Wandel reagieren könnten. Zugleich erklären sie, dass KI-Vorhersagen immer unter Vorbehalt zu betrachten sind. Die dynamische Entwicklung der Technologie, ihre Integration, die politischen Rahmen und die gesellschaftliche Akzeptanz beeinflussen sich gegenseitig und machen Künstliche Intelligenz nur bedingt berechenbar. maw 

    • Künstliche Intelligenz

    Sozial-verantwortliche Beschaffung: Europaabgeordnete fordern Reform der EU-Vergaberichtlinie 

    EU-Abgeordnete mehrerer Fraktionen sprachen sich im Zuge einer Befragung des Kommissars für Beschäftigung und soziale Rechte, Nicolas Schmit, am Montagabend vor dem EU-Parlament (EP) für eine Reform der EU-Vergaberichtlinie aus. Die aktuellen Regeln seien nicht geeignet, die Potenziale sozial-verantwortlicher Beschaffung auszuschöpfen, weil rechtliche Unsicherheiten öffentliche Einkäufer davon abhielten, entsprechende Bedingungen wie die Zahlung von Tarifvertragslöhnen von den Auftragnehmern einzufordern. 

    Schmit sagte, dass die aktuellen Vergaberegelungen öffentlichen Einkäufern bereits mehr Flexibilität ermöglichten, den öffentlichen Einkauf als strategisches Werkzeug zu nutzen. Wünschenswert wäre es, wenn noch mehr Vergaben auf Qualitätskriterien beruhen könnten als nur auf dem Preis, um die grüne und soziale Transformation voranzubringen. Dafür müssten die EU-Institutionen darüber nachdenken, wie Vergabestellen solche Kriterien stärker in der Vergabe einbeziehen könnten, damit Einkäufer der öffentlichen Hand mehr Rechtssicherheit bekommen. 

    Der Renew-Abgeordneten Dragoş Pîslaru zählte mögliche Lösungen auf, die aus Sicht des EP-Ausschusses für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten infrage kommen:

    • Öffentliche Aufträge dürften nicht mehr ohne Bindung an Tarifverträge vergeben werden.
    • Es brauche eine Klarstellung darüber, dass die Förderung von Tarifbindung mit entsprechenden Anforderungen bei der Vergabe nicht gegen EU-Recht verstoße. 
    • Die Berücksichtigung sozialer Kriterien müsse verpflichtend werden. 

    Kurzfristig wird sich aber voraussichtlich nichts an den EU-Vergaberegeln ändern, weil im Juni die Europawahl stattfindet. Bis dahin arbeiten die Institutionen nur noch bereits begonnene Initiativen ab. Die Bundesregierung hingegen will im Laufe dieses Jahres endlich das Bundestariftreuegesetz beschließen, das die Aufträge von Bundesbehörden über 10.000 Euro auf Unternehmensseite an die Einhaltung von Tarifverträgen koppeln soll. nh 

    • Europäisches Parlament
    • Öffentliche Beschaffung

    Hamburg Sustainability Conference verschoben

    Die Initiatoren der ersten Hamburg Sustainability Conference (HSC) haben einen neuen Termin für ihren Kongress festgelegt. Wie das Bundesministerium für Entwicklung und Zusammenarbeit, die Stadt Hamburg und die Michael Otto Stiftung erklärten, wird er am 7. und 8. Oktober 2024 stattfinden. Ursprünglich waren dafür zwei Tage im Juni vorgesehen. Dieser Plan habe sich nun aber “mit Blick auf die Personalsituation bei Landes- und Bundespolizei während der Fußball-EM als nicht umsetzbar erwiesen”, so die Begründung.

    Damit verändert sich auch das Ziel der Hamburg Sustainability Conference (HSC). Die Bundesregierung wollte sie zur Vorbereitung des Summit of the Future nutzen, den die UN im September in New York ausrichten und der dem stockenden SDG-Fortschritt neuen Schwung verleihen soll. Das dortige Ziel – ein “Pakt für die Zukunft” – muss bis zum Herbst auf internationaler Ebene formuliert und abgestimmt werden und hätte auf der HSC verhandelt werden können. Stattdessen wollen die Initiatoren jetzt Anfang Oktober “eine Brücke schlagen von den politischen Nachhaltigkeitszielen auf UN-Ebene hin zur praktischen Umsetzung”. maw

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    Die Woche im Bundestag: Haushalt, Agrarbericht, Wasserstoffinfrastruktur und Agenda 2030

    • Während die Bundesregierung noch mit den Protesten von Landwirten und anderen Berufsgruppen zu tun hat, berät der Bundestag am Mittwoch über das Zweite Haushaltsfinanzierungsgesetz 2024. Es regelt genau die Einsparungen, die derzeit für so viel Unmut sorgen, darunter das Auslaufen der Subventionen für Agrardiesel.
    • Auf der Tagesordnung steht außerdem ein Antrag der CDU/CSU-Fraktion zur Bioenergie. Er fordert eine Anhebung des Ausbauziels für Biomasseanlagen sowie Anreize und verbesserte Rahmenbedingungen für den Umbau.
    • Am späten Nachmittag tagt, wie jede Sitzungswoche, der Parlamentarische Beirat für nachhaltige Entwicklung. Diesmal beschäftigt er sich vor allem mit sich selbst, nämlich mit der Gestaltung seiner weiteren Arbeit.
    • Öffentliches Interesse ist dem Sitzungsauftakt am Donnerstag sicher. Denn das Plenum debattiert den Agrarpolitischen Bericht 2023 der Bundesregierung und wird dabei über viele Transformationsthemen der Landwirtschaft sprechen, die im Schlagabtausch der vergangenen Wochen eher untergegangen sind.
    • Am frühen Abend steht zudem die abschließende Beratung eines Antrags der CDU/CSU-Fraktion zur Rohstoffabhängigkeit Deutschlands auf der Tagesordnung. Sie will neue Rohstoffpartnerschaften initiieren und die heimische Rohstoffgewinnung stärken.
    • Anschließend beraten die Abgeordneten in erster Lesung den von der Bundesregierung eingebrachten “Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Energiewirtschaftsgesetzes”. Damit wird der rechtliche Rahmen für den Aufbau einer nationalen Wasserstoffinfrastruktur geschaffen.
    • Am Freitagvormittag geht es schließlich in erster Beratung um den Bericht der Bundesregierung zur Halbzeit der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung. Ihr allgemein festgestellter unbefriedigender Umsetzungsstand verspricht eine lebhafte Debatte.
    • Bevor es ins Wochenende geht, nimmt sich der Bundestag am Freitagmittag dann noch der Frage an, ob die Chemie stimmt. Es geht um per- und polyfluorierte Alkylsubstanzen (PFAS), die sogenannten Ewigkeits-Chemikalien. Die CDU/CSU-Fraktion ist dafür, sie weiterzuverwenden, um die damit verbundene Wertschöpfung zu erhalten. ch
    • Bundestag

    Presseschau

    Verfahren, Herr Wissing? – Süddeutsche Zeitung
    Der Verkehr in Deutschland werde bis 2051 um 22 Prozentabnehmen. Zu dem Ergebnis kommt das Prognos Institut im Auftrag von Greenpeace und der Mobilitäts-Denkfabrik Transport & Environment. Eine Studie im Auftrag des Verkehrsministeriums war vor einem Jahr zu gegenteiligen Ergebnis gekommen: Bis 2051 soll demnach der Personenverkehr um 7% und der Güterverkehr um gut 50 % zunehmen. Die Differenz erkläre sich durch unterschiedliche Annahmen, schreibt Markus Balser. Zum Artikel

    »Sehr schade, liebe Bundesregierung« – Der Spiegel
    Der Stahlhersteller GMH in Georgmarienhütte investiere seit Jahren in klimafreundliche Elektroöfen und fühle sich von der Ampel für seinen Ökokurs bestraft. Das sagt der GMH-Manager im Interview mit Isabell Hülsen und Benedikt Müller-Arnold. Man brauche keine direkten Fördermittel, sondern wettbewerbsfähige Strompreise. Die Transformation sei notwendig, sagt der Stahlmanager, aber Deutschland dürfte “nicht im Herzen der grünen Transformation sparen, bei den Netzentgelten oder der E-Auto-Förderung. Ausgerechnet dort zu sparen, ist absurd”. Zum Artikel

    Biodiversity Credits Gain Traction But Questions Persist – Bloomberg
    Seit der Einigung auf das Abkommen über die biologische Vielfalt Ende 2022 wachse der Markt für Biodiversitätsgutschriften, diese könnten aber ein ähnliches Greenwashing-Risiko haben wie CO₂-Zertifikate. Befürworter argumentierten, dass Gutschriften für die Artenvielfalt nicht für den Schadenausgleich, sondern für Projekte mit positiver Wirkung vergeben würden. Zum Artikel

    Biden Administration to Fine Oil and Gas Companies for Excess Methane – The New York Times
    Die Öl- und Gasproduktion in den USA läuft auf Hochtouren. Jetzt plant die US-Regierung, eine Abgabe auf Methanemissionen bei der Förderung zu erheben. Die Rede ist von 900 bis 1.500 US-Dollar pro Tonne. Damit würde der Ausstoß von Treibhausgasen erstmals landesweit bepreist. Den Unternehmen drohen Zahlungen in Millionenhöhe, berichtet Lisa Friedman. Zum Artikel

    Geht das nicht schneller? – Der Spiegel
    Im Handwerk fehlen die Fachkräfte, gerade was den Einbau von Wärmepumpen angeht, aber auch für alle anderen transformativen Aufgaben. Kann da neue Technik helfen? Benjamin Bidder recherchierte bei Unternehmen, die mittels digitaler Instrumente das Handwerk effizienter machen wollen, damit weniger Fachkräfte mehr schaffen. Zum Artikel

    Wie der Werkstoff Holz Deutschlands Wohnungsprobleme lösen könnte – Handelsblatt
    Mit Holz ließen sich beim Gebäudebau Zeit und CO₂-Emissionen sparen, doch bislang sei die Holzbauquote in Deutschland sehr niedrig. Die 2023 von der Bundesregierung beschlossene Holzbauinitiative wolle das Bauen mit dem nachwachsenden Rohstoff fördern, laut Kritikern stünden aber nicht die nötigen Mittel bereit. Zum Artikel

    Erste E-Autos mit lithiumfreien Batterien rollen in China vom Band – Next Mobility
    Zum Jahreswechsel hat sich auf dem Markt für Elektromobilität eine kleine Revolution ereignet, schreibt Hendrik Bork. In China sind die ersten beiden Elektroautos mit Natrium-Ionen-Batterien in Serie gegangen. Der neue Akku-Typ kommt ohne Lithium aus und lässt sich billiger und umweltfreundlicher produzieren. Zum Artikel

    Five maddening facts about climate finance – African Arguments
    Trotzdem inzwischen so viele Daten mit großer Präzision zusammengestellt werden, gilt dies nicht für Klimahilfen reicher Industrieländer für ärmere Staaten. Joe Kraus von der NGO ONE hat sich die Mühe gemacht nachzurechnen: seinen Ergebnissen zufolge wurden mindestens 228 Milliarden US-Dollar eigentlich zugesagte Mittel zwischen 2013 und 2021 nicht in Klimaprojekte investiert – 24 Milliarden weniger, als nachweislich in diesem Zeitraum ausgegeben wurden. Zum Artikel

    Politik ist der Austausch von Positionen – und nicht dessen Verhinderung – NZZ
    Das politische Establishment verhindere die Debatte mit dem Argument, die Demokratie verteidigen zu müssen, schreibt in seinem Meinungsbeitrag der Politologe Michael Bröning, Mitglied der SPD-Grundwertekommission. “Die realen Gefahren des Extremismus sollen nicht in Abrede gestellt werden. Doch was, wenn sich nicht die Menschen von der Politik abwenden, sondern die Politik sich von den Menschen entfremdet?” Schließlich belege die Meinungsforschung kein “Abdriften der Öffentlichkeit in den Extremismus”. Vielmehr wolle die Bevölkerung in Deutschland mehrheitlich die Umwelt schützen, ohne die Wirtschaft zu ruinieren oder gleich den Kapitalismus zu zerschlagen. Zum Artikel

    A Huge Underground Battery Is Coming to a Tiny Utah Town – New York Times
    Im US-Bundesstaat Utah entsteht ein riesiger Energiespeicher in Salzstöcken. Henry Fountain hat sich mit Fotografin Nina Riggio die Baustelle angesehen. 40 tonnenschwere Elektrolyseure sollen dort einmal Solar- und Windstrom nutzen, um Wasserstoff zu generieren. Doch ganz ohne klimaschädliches Erdgas kommt das Projekt, an dem Fossilmulti Chevron beteiligt ist, vorerst nicht aus. Zum Artikel

    Heads

    Gesine Langlotz: “Dieser Beruf ist ein riesiges Abenteuer”

    Gesine Langlotz (29) ist Baumwirtin und arbeitet als Ausbilderin an der Obstbaumschnittschule in Erfurt.

    Bevor Gesine Langlotz über die Landwirtschaft und die aktuellen Proteste spricht, ist ihr eine Klarstellung wichtig: “‘Die Bauern gibt es nicht. Man muss ganz klar unterscheiden zwischen klein- und mittelständischen Betrieben und der Agrarindustrie.” Mit der Industrie hat die 29-jährige Thüringerin nicht viel am Hut. Auch deshalb engagiert sie sich in der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft Mitteldeutschland (AbL). Derzeit befindet sich die gelernte Baumwirtin im Übernahmeprozess eines eigenen Hofes in Thüringen. Dort will sie in Zukunft Obstbau und Agroforstwirtschaft betreiben.

    Den großen Bruder der AbL, den mächtigen Deutschen Bauernverband (DBV), sieht sie mit gemischten Gefühlen. Er sei ein “komplexes, großes Schiff”. Einerseits lobt sie dessen Arbeit an der Basis. Die Beratungs- und Sozialleistungen für die Landwirte seien gut. Auch am Engagement der Regional- und Kreisverbände will sie nicht rütteln. Kritischer sieht sie hingegen die Verbandsspitze. “Grundsätzlich muss man sagen, dass dort oft agrarindustrielle Interessen vertreten werden”, sagt Langlotz. “Deshalb hat es auch immer wieder Austrittswellen gegeben.”

    Die Rolle des DBV bei den Bauernprotesten sieht sie differenziert. Einerseits sei es gut gewesen, dass der Unmut und die Empörung der Bauern auf die Straße getragen wurden. Die teilweise Rücknahme der pauschalen Subventionskürzungen sei ein Erfolg. Aber sie hätte sich schon gewünscht, dass konkrete Inhalte eine größere Rolle gespielt hätten – etwa die Marktordnung und der Milchpreis, die Rolle des Lebensmitteleinzelhandels oder die aus ihrer Sicht dringend notwendigen Agrarstrukturgesetze.”Aber ich habe das Gefühl, dass der Bauernverband explizit darüber nicht reden will.”

    Bei der AbL sieht das anders aus. Für den Landesverband Mitteldeutschland, der im Jahr 2009 gegründet wurde und die Bundesländer Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt umfasst, sind die Verzerrungen am Bodenmarkt und die Vergabe des öffentlichen Landes im Sinne des Gemeinwohls zentrale Themen.

    “Seit der Finanzkrise im Jahr 2008 hat sich der Pacht- und Kaufpreis von Ackerland rasant verteuert“, beklagt Langlotz. Verantwortlich dafür seien oft außerlandwirtschaftliche Investoren, die vor allem in Ostdeutschland riesige Flächen aufgekauft haben. “Heute kann sich keine normale Landwirtin und kein normaler Bauer mehr Land leisten, Gründerinnen und Junglandwirte schon gar nicht.”

    Für Langlotz ist das ein wichtiger Grund, warum die Bauern so unter Druck stehen. Wie soll ich, fragt sie, nachhaltig und klimaangepasst wirtschaften, wenn ich diese riesigen Pachten oder einen überhöhten Kaufpreis zahlen muss und hoch verschuldet bin? Umso wichtiger seien Agrarstrukturgesetze, die diesen Ausverkauf verhindern. In Sachsen steht ein solches Gesetz derzeit kurz vor der Verabschiedung.

    Landwirtschaft ist die Grundlage aller Dinge

    Man merkt, dass ihr das Thema Boden besonders am Herzen liegt. Zusammen mit zwei Kolleginnen und dem Konzeptwerk Neue Ökonomie hat sie im April 2023 das Dossier “Gerechte Bodenpolitik” veröffentlicht. Auch am Bodenatlas 2024, der gerade vorgestellt wurde, hat sie mitgearbeitet. Der Beitrag trägt den Titel “Bodenausverkauf: Nur eine Ware?”.

    Neben der Bodenpolitik müsse sich aber auch die Preispolitik dringend ändern, so Langlotz. Sie spricht von einer “Übermacht des Lebensmitteleinzelhandels”. Dessen “Preisdiktat” müsse gebrochen werden, um Preis- und Planungssicherheit für die Landwirte zu schaffen und dafür zu sorgen, dass mehr Gewinne bei den Erzeugern bleiben – und nicht vor allem in die Taschen der Lebensmittelindustrie und der Supermarktketten fließen.

    Ein weiterer Punkt seien gezielte Investitionen in die Landwirtschaft. “Der Umbau kann nicht von den Höfen alleine geschultert werden”, ist sie sich sicher. Dafür brauche es Förderungen. “Aber diese Subventionen müssen gut gelenkt werden, damit sie auch wirklich bei den Höfen ankommen.”

    Langlotz ist es wichtig, dass die Landwirtschaft nicht nur als Teil der Wirtschaft gesehen wird, sondern auch die entsprechende Wertschätzung erfährt. “Landwirtschaft ist die Grundlage aller Dinge. Wenn wir nichts zu essen haben, ist der Rest der Wirtschaft egal”, ist sie überzeugt. “Und die Menschen, die in der Landwirtschaft arbeiten, müssen gut bezahlt werden”, genauso wie bei anderen Grundbedürfnissen wie in der Bildung oder der Gesundheit und Pflege.

    “Eigentlich wünsche ich mir, dass alle Leute Lust haben, in der Landwirtschaft zu arbeiten, weil das ein toller Beruf ist.” Er sei vielfältig und herausfordernd, finde draußen und drinnen statt. Man müsse langfristig planen, aber auch immer wieder mit Notfällen umgehen. Zudem habe er mit Technik und Zahlen, mit Pflanzen, Menschen und Tieren zu tun. Außerdem sei man ständig dem Wetter ausgesetzt. “Eigentlich ist dieser Beruf ein riesiges Abenteuer“, sagt Langlotz. “Und ich hätte große Lust, mit mehr jungen Leuten auf dem Land zu arbeiten und zu leben. Aber dafür brauchen wir andere Verhältnisse.” Carsten Hübner

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