viel Kritik gab es am Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz: zu bürokratisch sei es, zu viel Aufwand müssten die Firmen erbringen. Der Menschenrechtsbeauftragte des Bayer-Konzerns, Matthias Berninger, hat auch keinen Spaß am Verfassen von Berichten. Aber er sieht große Vorteile in der Berichtspflicht, wie er im Interview mit Caspar Dohmen sagt: Denn menschenrechtliche Missstände bei Zulieferern würden oft auf andere Probleme und Risiken verweisen. Daher sei der Aufwand nicht nur gerechtfertigt, um Sorgfaltspflichten zu gewährleisten, sondern habe sogar einen weiteren wichtigen Mehrwert für Unternehmen.
Ob die Einführung einer neuen Berufsausbildung zur “Klimafachkraft” hingegen einen Mehrwert hätte, wie es die Bertelsmann Stiftung und das Institut der deutschen Wirtschaft vermuten, wird hingegen bezweifelt. Carsten Hübner konnte sich vorab deren neue Studie zum Thema Aus- und Weiterbildung im Solar- und Windkraftbereich ansehen, und hat mit Experten aus der Branche zum Thema gesprochen.
Erkenntnisreiche Lektüre wünscht Ihnen
Herr Berninger, was sind die größten Menschenrechtsrisiken in den Wertschöpfungsketten von Bayer?
Unsere größten Risiken liegen im Bereich der Saatgutproduktion, die häufig lokal ist. Damit einher gehen dann Themen wie extreme Armut, extreme Hitze und die gewerkschaftliche Selbstorganisation, also die Rechte von Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen.
Glyphosat zählen Sie nicht dazu?
Die EU hat, nach intensivster wissenschaftlicher Betrachtung, durch die Zulassung für weitere zehn Jahre die Unbedenklichkeit von Glyphosat bei sachgerechter Anwendung bestätigt. Das sollte auch von Kritikern anerkannt werden. Für alle Pflanzenschutzmittel gilt, wir haben mit SURPASS einen firmeninternen Standard, der über den Rechtsrahmen vieler Länder hinausgeht, um Risiken bei der Anwendung dieser Chemikalien zu reduzieren.
Hilft es Unternehmen generell, wenn sie sich mit Risiken in ihren Lieferketten beschäftigen?
Viele reden sehr negativ über den bürokratischen Aufwand des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG). Aber Menschenrechtsverletzungen sind für uns nicht nur an sich ein wichtiges Thema, sondern auch ein Vorwarnsignal für andere Probleme. Umgekehrt gilt: Wenn Zulieferer Menschenrechte achten, liefern sie oft auch die bessere Produktqualität.
Der Widerstand gegen das nationale und europäische Lieferkettengesetz bleibt hoch.
Bayer hat seit 2020 beide Vorhaben unterstützt. Solche Lieferkettengesetze gehen auf die Prinzipien von John Ruggie zurück, also die sogenannten UN-Leitsätze für die Einhaltung der Menschenrechte im Bereich der Geschäftswelt. Ich finde sie richtig.
Vor über zehn Jahren hat die UN sie beschlossen und die Wirtschaft hat sie mitgetragen.
Oft vergessen heutige Kritikerinnen und Kritiker dieser Gesetze, dass eigentlich fast alle Unternehmen und auch die Wirtschaftsverbände, die heute dagegen sind, sich seinerzeit selbst verpflichtet haben, genau diesen Prinzipien zu folgen. In der Genese des deutschen LkSG wurde deutlich: Viele Unternehmen hatten seinerzeit zwar versprochen, diese Prinzipien freiwillig umzusetzen. Aber sie haben nicht die notwendigen Strukturen geschaffen, um nachzuvollziehen, ob diese Versprechen eingehalten werden. Die Prinzipien werden auch nicht dadurch falsch, dass der Gesetzgeber den Unternehmen nun genauer auf die Finger schaut.
Wie bewerten Sie die jüngsten Pläne der Bundesregierung zur Änderung des LkSG?
Im Kern befürworte ich den Versuch, über die Entlastung einen Gleichschritt mit den europäischen Regeln hinzubekommen. Aber natürlich kommen auf kleinere Unternehmen dennoch indirekt Sorgfaltspflichten zu. Denn große Unternehmen wie wir sind weiter rechtlich verpflichtet, allen Themen nachzugehen, die das Gesetz uns auferlegt.
Viele KMU kritisieren, große Auftraggeber würden Verpflichtungen aus dem LkSG auf sie abwälzen. Gibt es solchen Ärger auch bei Bayer?
Wir haben über 90.000 Zulieferer weltweit. Insofern kann ich keine pauschale Antwort geben. Klar wird unser Verhältnis mit Zulieferern strapaziert, wenn wir Veränderungen verlangen oder Verstöße gegen menschenrechtliche Sorgfaltspflichten erkennen. Wir verfolgen hier aber einen kollaborativen Ansatz und unterstützen die Lieferanten bei der Umsetzung unserer Anforderungen.
Viele vergessen aber einen wichtigen Punkt: Es ist prinzipiell Sache des Staates, Menschenrechte zu schützen und die Einhaltung von Menschenrechten gesetzlich zu regeln. Unternehmen müssen ein präventives Sorgfaltspflichtensystem aufbauen und dann handeln, wenn sie Kenntnis von Menschenrechtsverletzungen erlangen. Und wer kann ernsthaft etwas dagegen haben, gegen Menschenrechtsverletzungen vorzugehen, wenn er davon hört? Das ist für mich auch keine Frage der Größe eines Unternehmens, sondern eine Frage des gesunden Menschenverstandes.
Halten sie es für sinnvoll, dass die Unternehmen sich demnächst aussuchen können, ob sie nach der CSRD oder nach dem Lieferkettengesetz berichten?
Ja. Wir haben jetzt den ersten Berichtszyklus hinter uns. Es ist weniger komplex als von manchen befürchtet. Manche Kritiker haben die Berichtspflicht zu einem Riesenthema gemacht. Sicher gehört das Schreiben von Berichten auch nicht zu unserer Lieblingsarbeit, weil Berichte selbst keinen direkten Impact generieren. Aber es ist weniger aufwändig, als viele vorher geglaubt haben. Das muss man konstatieren. Trotzdem finde ich es gut, dass wir das künftig alles in einem Aufwasch berichten können.
Wie sind Ihre Erfahrungen mit dem Bafa?
Sehr gut. Sie machen den Job, den ihnen der Gesetzgeber auferlegt hat. Dafür sollte sie niemand kritisieren.
Gibt es einen Unterschied zwischen dem, was Sie an Beschwerden über die Beschwerdekanäle erreicht oder dem, was Auditunternehmen auffällt?
Nach wie vor decken Auditoren mehr Probleme auf als uns Betroffene Informationen über entsprechende Probleme über Hotlines melden.
Wie viele Menschen arbeiten in Ihren Saatgutlieferketten?
Abertausende. Und das ist eine Lieferkette, für die wir eine direkte Verantwortung haben, weil es unsere Saatgutproduktion ist. Mich hat es deswegen nicht überrascht, dass das Bafa uns erstmals im Kontext des LkSG mit Vorwürfen aus dieser Lieferkette konfrontiert hat.
Worum ging es?
Wir würden in unserer Saatgut-Lieferkette in Peru die Versammlungs- und Organisationsfreiheitsrechte der Mitarbeitenden nicht respektieren. Wir waren erleichtert, als sich das nicht bestätigte. Aber wir fanden andere Missstände und haben gehandelt.
Schon vor zehn Jahren stand Bayer wegen Kinderarbeit in der indischen Saatgut-Lieferkette in der Kritik. Was ist nach der Beschwerde bei der OECD passiert?
Den Prozess moderierte damals die Bundesregierung. Wir haben einige Maßnahmen ergriffen, die sich positiv auf unsere gesamte Lieferkette ausgewirkt haben. Deswegen stehen wir im Bereich Kinderarbeit heute möglicherweise besser da als Unternehmen, die dieses Problem damals nicht hatten.
Gibt es also keine Kinderarbeit mehr in der Saatgut-Lieferkette?
Das kann man nie völlig ausschließen. Aber das ist auch nicht unsere Aufgabe als Unternehmen. Unsere Aufgabe ist es, Problemen nachzugehen, wenn wir welche sehen. Wenn wir Kinderarbeit vollkommen ausschließen wollen, müssten wir jedes Land verlassen, wo Kinderarbeit endemisch vorkommt. Leider machen das viele Unternehmen. Aber dadurch verbessert sich die Situation der Menschen im Sinne des LkSG nicht. Stattdessen höhlen Unternehmen mit dem Rückzug die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit von Ländern aus.
Wie haben Sie die Kinderarbeit in Ihrer Lieferkette in Indien reduziert?
Man muss auf die Ursachen schauen. Dazu gehören Löhne, Vorhandensein von Bildungseinrichtungen, aber auch die Attraktivität für Eltern, ihre Kinder zur Schule zu schicken, statt sie arbeiten zu lassen. Eine Möglichkeit ist, dass Kinder in Schulen nicht nur unterrichtet werden, sondern auch ein kostenloses Mittagessen bekommen. Das erhöht die Attraktivität der Schule ungemein, gerade in armen Regionen, wo Hunger und Mangelernährung auf der Tagesordnung stehen. Das Problem der Kinderarbeit lässt sich nicht durch Audits oder Gesetze lösen, sondern man muss die Ursachen in armen Gemeinden in den Blick nehmen.
Sind existenzsichernde Mindestlöhne in den Wertschöpfungsketten für Bayer ein Thema?
Das ist ein wichtiges Thema. Wir können sehr gut Regeln in dem Bereich setzen, den wir kontrollieren. In den Gliedern der Lieferkette wird es schwieriger.
Die “Taskforce Fachkräfte” der von der Bundesregierung einberufenen Allianz für Transformation geht davon aus, dass für die Umsetzung der Energiewende bis zum Jahr 2030 mehr als 300.000 Arbeitskräfte fehlen. “Ohne genügend und gut qualifizierte Fachkräfte wird Deutschland die Energiewende nicht gelingen”, heißt es in ihrem Ergebnisbericht aus dem vergangenen Jahr.
Doch Handwerker, die in diesem Bereich arbeiten wollen, müssen eine Reihe von Qualifikationen mitbringen, die sich zum Teil deutlich von den Anforderungsprofilen anderer Branchen unterscheiden. Das zeigt eine am Mittwoch veröffentlichte Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) im Auftrag der Bertelsmann Stiftung, die Table.Briefings vorab vorlag.
Im Fokus der Untersuchung standen 13 für die Energiewende zentrale Handwerksberufe, darunter Dachdecker, Elektriker sowie Sanitär-, Heizungs- und Klimatechniker. Auf Basis von rund 2,7 Millionen Online-Stellenangeboten aus dem Zeitraum 2019 bis Mitte 2023 wurde analysiert, welche Kompetenzen in diesen Berufen von der Wind- und Solarbranche und welche von anderen Branchen nachgefragt wurden.
Dabei hat sich gezeigt, dass die von der Windbranche geforderten Qualifikationen im Durchschnitt nur zu 77 Prozent mit denen anderer Wirtschaftszweige übereinstimmten, obwohl es sich um die gleichen Berufe handelte. Besonders groß war der Unterschied bei den Bauelektrikern, wo das Anforderungsprofil lediglich zu 64 Prozent deckungsgleich war.
Auch bei den von der Solarbranche erwarteten Kompetenzen lag die Schnittmenge mit den anderen Branchen im Durchschnitt nur bei 85 Prozent. Am größten war hier die Differenz bei den Dachdeckern mit 71 Prozent.
“Die starken Unterschiede bei den Kompetenzanforderungen innerhalb eines Berufes zeigen, dass der Blick auf die Zahl der Arbeitskräfte allein nicht ausreicht”, sagt Jana Fingerhut, Arbeitsmarktexpertin der Bertelsmann Stiftung. “Wir brauchen nicht nur mehr Fachkräfte. Sie müssen eben auch die richtigen Kompetenzen für die Aufgaben in der Wind- und Solarbranche mitbringen. Diese Kompetenzen müssen erst erlernt werden.”
Um die “Kompetenzlücke” zu schließen, gibt die Studie drei Handlungsempfehlungen:
“Zu prüfen wäre außerdem eine Bündelung von Kompetenzen aus bestehenden Berufen zu einem neuen Beruf Fachkraft für Erneuerbare Energien oder Klimafachkraft”, so Fingerhut. Dieser Schritt könnte für Jugendliche die Ausbildung im Bereich der Energiewende “deutlich attraktiver machen”.
Monika Hackel, Leiterin der Abteilung Struktur und Ordnung der Berufsbildung im Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB), teilt die Auffassung, dass der steigende Fachkräftebedarf durch “Weiterbildungen und bevorzugt auch Umschulungen” gedeckt werden müsse. Von der Schaffung eines eigenen Berufsbilds hält sie dagegen nichts. Das Thema sei bereits vor über zehn Jahren intensiv diskutiert worden, sagt sie auf Anfrage von Table.Briefings. “Es bestand und besteht nach wie vor Konsens, dass ein isoliertes Berufsbild vor dem Hintergrund der Branchen und Betriebsstrukturen in Deutschland nicht zielführend ist”, so Hackel.
“Dabei prägt unser Handeln die Überzeugung, dass sich das deutsche Prinzip der Strukturierung des Arbeitsmarktes auf der Grundlage breiter Ausbildungsberufskonzepte bewährt hat”, so Hackel. Vor allem in Bezug auf die Arbeitsmarktverwertbarkeit und Transferfähigkeit von Qualifikationen habe sie im Lebensverlauf große Vorteile gegenüber kürzeren, auf einzelne Skills und Tätigkeiten hin orientierte Bildungsangebote.
Vor diesem Hintergrund sehe sie auch “kein Defizit in Bezug auf die berufliche Erstausbildung in Deutschland“.
Der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) scheint mit den bisherigen Berufsbildern ebenfalls zufrieden zu sein. “Als wichtiges Transformations- und Zukunftsfeld ist das Klimahandwerk auch für junge Menschen überaus attraktiv“, hieß es im Gespräch mit Table.Briefings.
So seien im Jahr 2023 insgesamt 92.000 neue Ausbildungsverträge in diesem Bereich abgeschlossen worden. Das entspräche einem Zuwachs von acht Prozent seit 2013. Allerdings habe sich in diesem Zeitraum nicht nur die Zahl der angebotenen Ausbildungsplätze deutlich erhöht, sondern auch die Zahl der unbesetzten Ausbildungsplätze auf inzwischen 11.500 mehr als verdoppelt. Auch für 2024 deutet sich wieder ein Überhang der angebotenen Stellen an.
Zum Klimahandwerk zählt der ZDH knapp 30 Gewerke, die aus seiner Sicht “alle unverzichtbar für die Energiewende und die Umsetzung der klimapolitischen Ziele der Bundesregierung” seien. Die Zahl der Beschäftigten liegt nach Angaben des Verbands inzwischen bei 3,1 Millionen. Das entspricht einem Zuwachs von mehr als zehn Prozent in den vergangenen zehn Jahren.
Eine ähnliche Entwicklung meldet der Bundesverband Solarwirtschaft (BSW). “Die deutsche Solarbranche hat in den vergangenen Jahren viele qualifizierte Arbeitskräfte gewonnen und dürfte inzwischen rund 150.000 Beschäftigte zählen”, sagt BSW-Hauptgeschäftsführer Carsten Körnig.
Zwar sei die Kapazitätslage im Handwerk derzeit angespannt. Entlastend wirke sich jedoch aus, dass nach Schätzungen des Verbandes in den vergangenen zwei Jahren zusätzlich rund 5.000 Betriebe aus dem klassischen Elektrohandwerk in die Solarbranche eingestiegen sind und ihre Mitarbeiter für die Photovoltaik ausgebildet haben oder derzeit weiterqualifizieren.
19. August 2024, 19 bis 21 Uhr, Buchholz
Diskussion Wachstum und Nachhaltigkeit – ein unauflösbarer Widerspruch? (Veranstalter: Klimaforum Buchholz) Info & Anmeldung
19. bis 23. August 2024, Königswinter
Seminar Herausforderungen einer sozial und ökologisch verträglichen Bau- und Wohnungspolitik (Veranstalter: Johannes-Albers-Bildungsforum gGmbH) Info & Anmeldung
20. August 2024, 9:30 bis 15:30 Uhr, Erfurt
Workshop Klimawerkstatt Thüringen (Veranstalter: Zentrum KlimaAnpassung) Info & Anmeldung
20. und 21. August 2024, Dubai, Vereinigte Arabische Emirate
Konferenz World ESG Summit (Veranstalter: Gulf Xellence) Info & Anmeldung
21. bis 23. August 2024, London, Großbritannien
Konferenz International Conference on Environment and Sustainable Development (Veranstalter: EU Agenda Network) Info & Anmeldung
21. und 22. August 2024, 9 bis 15 Uhr, Online
Schulung Berufliche Bildung für Nachhaltige Entwicklung (BBNE) (Veranstalter: Heinrich-Böll-Stiftung) Info & Anmeldung
Die Arbeiter- und Studentenproteste der letzten Monate haben in vielen Teilen Bangladeschs die Produktion von Bekleidung und Stoffen zum Erliegen gebracht. Die Übergangsregierung unter Friedensnobelpreisträger Muhammad Yunus hat nun angekündigt, die Textilfabriken durch das Militär schützen zu lassen. Sie erwirtschaften rund vier Fünftel der Exporte und etwa 15 Prozent des Bruttosozialprodukts, und sind damit ein entscheidender Faktor für die wirtschaftliche Stabilität des südasiatischen Landes.
Nach Angaben des Statistikportals Statista war Bangladesch im Jahr 2023 mit Importen im Wert von über 7,2 Milliarden Euro nach China das zweitwichtigste Herkunftsland für Textilien und Bekleidung in Deutschland. Der Anteil an den Importen in diesen Bereichen stieg von rund zehn Prozent im Jahr 2013 auf zuletzt mehr als ein Fünftel. Negative Auswirkungen auf die Verfügbarkeit von Textilien oder Preissteigerungen sind nach Angaben von Branchenverbänden derzeit jedoch nicht zu erwarten.
Die Textilindustrie in Bangladesch galt lange Zeit als besonders prägnantes Beispiel für katastrophale Arbeitsbedingungen und Hungerlöhne. Im April 2013 erregte der Einsturz des achtstöckigen Fabrikkomplexes Rana Plaza, bei dem mehr als 1.100 Menschen ums Leben kamen, weltweites Aufsehen.
Politischer Druck und das Engagement in- und ausländischer Gewerkschaften haben die Situation inzwischen etwas verbessert. Dennoch kritisieren Arbeiter weiterhin Löhne, die nicht zum Leben reichen. Auch dem Bangladesh Accord, der die Arbeitsbedingungen in den Textilfabriken sicherer machen soll, sind noch längst nicht alle internationalen Konzerne beigetreten.
Der 84-jährige Wirtschaftswissenschaftler Yunus, der als Erfinder der Mikrokredite gilt, stellte bei seinem Amtsantritt als Übergangspräsident drei Transformationsziele in den Mittelpunkt: “Null Emissionen, null Konzentration von Reichtum und null Arbeitslosigkeit”. ch
Ein internationales Forscherteam hat unter Beteiligung des österreichischen Internationalen Instituts für angewandte Systemanalyse (IIASA) eine Matrix entwickelt, um die Nachhaltigkeitsmessung in der Landwirtschaft regional und praktisch anwendbar zu machen. Aufbauend auf der Sustainable Agricultural Matrix (SAM) betrachtet das Team die Dimensionen Umwelt, Wirtschaft und Soziales. Anhand von 18 Indikatoren soll ihre Matrix weltweit vergleichbare Datensätze ermöglichen. “Unsere Matrix zeigt, wie gut Länder in verschiedenen Bereichen der landwirtschaftlichen Nachhaltigkeit abschneiden”, erklärte Christian Folberth, Umweltwissenschaftler am IIASA.
Um herauszufinden, ob die internationalen Indikatoren auch in der Praxis nützlich sind, testete das Team sein Konzept in Österreich. “Landwirtschaftliche Nachhaltigkeitsindikatoren wie SAM werden meist von internationalen Organisationen oder im akademischen Bereich entwickelt”, sagte Folberth. Für den praktischen regionalen Bezug holten sich die Forscher Rückmeldungen von Landwirten, NGOs und anderen Stakeholdern aus Österreich.
Unter anderem bei der Nutzung der sogenannten gesamtaggregierten Zahlen – wie dem landwirtschaftlichen Bruttoinlandsprodukt – sahen die Experten weiteren Verbesserungsbedarf. Diese seien im regionalen Kontext häufig wenig aussagekräftig und spiegelten nicht die tatsächliche Effizienz der Landwirtschaft wider. Auch der Grenzwert für den Stickstoffüberschuss in Europa – 50 Kilogramm pro Hektar – sei viel zu hoch angesetzt. Viele Stakeholder begrüßten den Versuch, ein globales System an lokale Bedingungen anzupassen.
Die Forscher planen nun, die Matrix weiterzuentwickeln und regional relevante Indikatoren einzubauen. In Österreich zum Beispiel soll die Zahl der Höfe, die an Nachfolger übergeben werden können, als sozialer Nachhaltigkeitsindikator berücksichtigt werden. Insgesamt entwickelten die Forscher über 30 solcher Vorschläge und überprüfen diese nun auf ihre Praxistauglichkeit. Das Team hofft, dass die Matrix so als Grundlage für politische Entscheidungen dienen wird. spm
In zwei Publikationen haben das Green and Sustainable Finance Cluster (GSFC) und die Net Zero Banking Alliance den Umgang mit Nachhaltigkeitsdaten sowie Klimaschutzstrategien im Finanzsektor analysiert. Die Studien sowie entsprechende Handlungsempfehlungen veröffentlichte das GSFC vergangene und diese Woche.
Die Studie “Eine ESG-Datenplattform für eine gelingende Transformation!?“, die im Auftrag des Forschungsprojekts Safe Financial Big Data Cluster (Safe FBDC) entstanden ist, untersucht das Konzept eines gemeinsamen ESG-Datenökosystems für Banken. Dieses soll qualitativ hochwertige und verlässliche Daten verfügbar machen.
In Zusammenarbeit mit Finanzinstituten haben die Autoren Erfolgsfaktoren und Hindernisse bei der Umsetzung einer solchen Datenbank analysiert. Für die Studie interviewten sie 23 Expertinnen und Experten aus operativen, technischen und strategischen Bereichen von acht Finanzinstituten. Sie führten zudem Hintergrundgespräche mit weiteren Akteuren aus der Wirtschaft.
Auf dieser Grundlage veröffentlichte das GSFC acht Handlungsempfehlungen für Finanzinstitute, darunter:
Die zweite Studie “Net Zero Banking in Practice: Climate Change in Banks’ Core Business” diskutiert die Integration von Klimaschutzstrategien in die Geschäftsprozesse von Banken. Dazu gehören etwa das Bilanzmanagement, Preisgestaltungsstrategien und Informationsverbreitung. Die Studienautoren wollen Wege aufzeigen, mit denen die Banken den Klimaschutz in ihren Portfolios und in der Realwirtschaft beeinflussen können. Zu den Handlungsempfehlungen für politische Entscheidungsträger, Regulierungsbehörden und Banken gehören der Ausbau der Dateninfrastruktur, die Angleichung von Wettbewerbsbedingungen sowie die Weiterentwicklung von Klimarisikomodellen. leo
Einige der größten Projekte, die im Rahmen des Inflation Reduction Acts (IRA) und des Chips and Science Acts angekündigt wurden, sind einer Recherche der Financial Times (FT) zufolge um mehrere Monate oder Jahre verschoben worden. Einige lägen sogar auf unbestimmte Zeit auf Eis.
Die FT-Recherche umfasst 114 Projekte mit einem Investitionsumfang von jeweils mindestens 100 Millionen US-Dollar. Zusammengenommen stehen die analysierten Vorhaben für Investitionen in Höhe von rund 228 Milliarden US-Dollar. Manche der recherchierten Verzögerungen seien bislang noch nicht öffentlich, schreiben die FT-Reporterinnen. Zu den größten Projekten in Wartestellung gehört demnach eine Fabrik für Solarpanel von Enel in Oklahoma (Investitionshöhe: eine Milliarde US-Dollar), eine Batteriespeicheranlage von LG Energy Solution in Arizona (2,3 Milliarden US-Dollar) und eine Lithiumraffinerie des Chemiekonzerns Albemarle in South Carolina (1,3 Milliarden US-Dollar).
Die Verzögerungen stellten “Bidens Wette” infrage, “dass ein industrieller Wandel den USA, die ihre Produktion seit Jahrzehnten ins Ausland verlagert haben, Arbeitsplätze und wirtschaftliche Erträge bringen kann”, schreibt die FT. Daneben könnten sie es für Vizepräsidentin Kamala Harris erschweren, bei den Präsidentschaftswahlen im November Stimmen aus der Arbeiterschaft zu gewinnen.
Die von der Zeitung befragten Unternehmen nennen als Ursachen für ihre gegenwärtige Zurückhaltung:
Der ehemalige US-Präsident Donald Trump hat angekündigt, den IRA im Falle seines Wahlsiegs im November “zu beenden”. Der Solarhersteller VSK Energy habe deshalb Pläne für Investitionen in Höhe von 250 Millionen US-Dollar und die Schaffung von 900 Arbeitsplätzen in Brighton, Colorado, aufgegeben, schreibt die FT. Nun suche das Unternehmen nach Standorten in einem republikanisch geprägten Bundesstaat im Mittleren Westen, um sich abzusichern. Im Fall der Fälle wolle man “wahrscheinlich in einem roten [republikanisch regierten] Bundesstaat sein”, zitiert die Zeitung einen Manager, damit jemand aus der Partei des Präsidenten “für Sie und Ihre Rechte kämpft”. ae
Zur Finanzierung des EU-Haushalts erwägt das Bundeswirtschaftsministerium, sich für Abgaben auf Lebensmittelabfälle und Methanemissionen im Öl- und Gassektor einzusetzen. Das BMWK veröffentlichte vor wenigen Tagen eine Ausschreibung für ein Gutachten zu Eigenmitteln der EU. Vor Beginn der neuen Haushaltsperiode 2027 suchen die Brüsseler Institutionen derzeit nach Möglichkeiten, neue, eigene Finanzierungsquellen für die Europäische Union einzuführen.
“Ziel dieses Gutachtens ist vor diesem Hintergrund, Vorschläge für neue Eigenmittel zu erarbeiten, auch solcher, die bislang noch nicht in der Mitte der politischen Diskussion stehen”, heißt es in der Ausschreibung des BMWK. Der Fokus solle auf sogenannten genuinen Eigenmitteln liegen, die direkt erhoben werden und nicht über nationale Haushalte laufen.
“So sind etwa Optionen für Eigenmittel auf Grundlage von Lebensmittelabfällen (statistikbasiertes Eigenmittel) oder einer Abgabe auf Upstream-Methanemissionen im Öl- und Gassektor im Rahmen des Gutachtens zu prüfen. In die Analyse ist zudem ausdrücklich auch die Prüfung von Optionen für eine (stärkere) Finanzierung der EU über Gebühren einzubeziehen”, schreibt das Ministerium weiter. Die Vorschläge für neue Eigenmittel sollen die Gutachter ungewöhnlich schnell vorlegen – um den Jahreswechsel herum. Eine Steuer auf Lebensmittelabfälle hatte auch bereits der Haushaltsausschuss des Europaparlaments gefordert.
Frühere Beschlüsse zu EU-Abgaben wurden in Berlin durchaus kontrovers gesehen. Eine 2021 eingeführte Abgabe auf Kunststoffverpackungen zahlt der Bund bislang aus dem eigenen Haushalt. Derzeit verhandelt die Bundesregierung darüber, die Plastiksteuer ab 2025 oder 2026 tatsächlich zu erheben. Gebühren für öffentliche Leistungen wiederum machen bislang einen verschwindend geringen Teil der EU-Mittel aus. Der Vorstoß des BMWK dürfte auch darauf zielen, Forderungen nach höheren Zuschüssen aus den nationalen Haushalten für das EU-Budget abzuwehren.
Beim Koalitionspartner SPD trifft der Vorstoß des Grünen-geführten Wirtschaftsministeriums auf Zustimmung. “Wenn wir eine stärkere und handlungsfähigere EU wollen, müssen wir uns ernsthaft mit der Einführung echter Eigenmittel auf europäischer Ebene auseinandersetzen”, sagte Christian Petry, europapolitischer Sprecher der Sozialdemokraten im Bundestag.
“Dass im Rahmen des Gutachtens auch mögliche Verteilungswirkungen zwischen den Mitgliedstaaten und klimapolitische Lenkungseffekte in Betracht gezogen werden sollen, stimmt mich erwartungsvoll auf den Debattenbeitrag, den das Gutachten liefern könnte. Grundsätzlich könnte ich mir ein europäisches Steuerrecht, insbesondere bei der Körperschaftssteuer zur Verminderung legaler Steuervermeidung vorstellen”, so Petry weiter. ber
The uninsurable world: rethinking how to cover for climate damage – Financial Times
Im dritten Teil einer Serie über Klimawandel und Versicherungsindustrie schaut sich Ian Smith neue Modelle an. Verfeinerte Daten erleichtern schon heute passgenaue Absicherung, so sein Eindruck. Doch letztlich seien es die Kunden, die durch Vorsorge die Risiken – und damit die Prämien – senken müssen. Zum Artikel
Noch keine Einigung über Finanzierung für Thyssen-Krupp Steel – Handelsblatt
Weil sich der Aufsichtsrat der Stahlsparte von Thyssen-Krupp vergangene Woche nicht auf ein Finanzierungskonzept für die Transformation geeinigt hat, ist Konzernchef Miguel López sauer. Ende September endet zudem der Gewinn- und Beherrschungsvertrag mit dem Mutterkonzern, danach stünde die verlustreiche Stahltochter allein da. Ein Investor löste die knappe Frist durch seinen Einstieg aus. Der könnte sich aber wieder verabschieden, sollte Thyssen-Krupp nicht mehr für Verluste einstehen. In jedem Fall soll eine Beteiligung an den Hüttenwerken Krupp Mannesmann verkauft werden, berichtet Isabelle Wermke. Zum Artikel
Does Europe need Chinese wind technology to meet climate goals? – Financial Times
Nach der Solarindustrie könnte der europäischen Windturbinenindustrie unfaire Konkurrenz aus China drohen. Die EU hat bereits eine Dumpinguntersuchung eingeleitet, berichten Rachel Millard, Shotaro Tani and Alice Hancock. Experten aber warnen, dass ohne die leistungsstarken und günstigen Turbinen aus China die Energiewende gefährdet sei. Zum Artikel
‘We’re still in the 1970s with cement’: Norway plant to blaze carbon-free concrete trail – Guardian
Eine Carbon Capture-Anlage von Heidelberg Materials soll Ende des Jahres in Norwegen in Betrieb gehen. Wenn sie technisch und finanziell ein Erfolg wird, könnte sie den Weg der Zementindustrie ins 21. Jahrhundert ebnen, berichtet Ajit Niranjan. Falls nicht, drohen Rückschritte bei der Dekarbonisierung einer Industrie, die den Wandel bislang verschlafen habe. Zum Artikel
In Trippelschritten zur Energiewende – Süddeutsche Zeitung
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck hat im Emsland einen neuen Elektrolyseur eingeweiht. Die Anlage soll grünen Wasserstoff produzieren. Björn Finke analysiert, warum die Wasserstoff-Produktion in Deutschland viel zu langsam anläuft. Trotz üppiger Subventionen werde die Bundesregierung ihre Ziele für die Elektrolyseur-Kapazität verfehlen. Denn die Produktionskosten seien zu hoch – insbesondere die Strompreise. Zum Artikel
New batteries are stretchable enough to wear against the skin – Economist
Bei der Entwicklung von flexiblen Batterien ließen sich Forscher der University of Cambridge vom Aal inspirieren, um flexible und weiche Batterien aus Hydrogel zu entwickeln. Sie bestehen aus Schichten organischer Polymere, die über 60 Prozent Wasser enthalten. Elektrizität wird auf die gleiche Art und Weise geleitet wie in biologischen Prozessen, etwa im Nervensystem. Als Einsatzfelder solcher Batterien gelten unter anderem medizinische Bereiche und die Robotik. Zum Artikel
Wie der Planet unter der menschlichen Natur leidet – Deutschlandfunk Kultur
Dagmar Röhrlich beschäftigt in einem Radiofeature mit Blick auf die planetaren Grenzen die Frage, warum es Menschen so schwerfällt, ihr Verhalten zu ändern. Von “Wissen ohne Wandel” spricht der Sozialwissenschaftler Jens Beckert, der auf mangelnde Anreizstrukturen verweist. Selbst wenn die Transformation voranschreite, müssten die Menschen damit rechnen, dass die Krisen weiter zunehmen. Zur Sendung
KI-Tools für Umweltgesetze: Sie sollen Robert Habecks Problem lösen – Die Zeit
Annette Beutler berichtet über den Boom bei Unternehmen für ESG-Software, wie Planted oder Osapiens. Größere Unternehmen seien aber zurückhaltend. Softwareanbieter wie SAP, Microsoft oder Salesforce seien überraschend spät auf den Zug aufgesprungen. Dabei schätzten Branchenkenner den noch jungen Markt schon jetzt auf rund drei Milliarden Euro. Zum Artikel
Deutsche Umwelthilfe gewinnt Rechtsstreit gegen Tui Cruises – Süddeutsche Zeitung
Die Deutsche Umwelthilfe hat Tui Cruises wegen zu vager Nachhaltigkeitsversprechen in ihrer Werbung verklagt – zurecht, wie das Landgericht Hamburg feststellte. Insbesondere ging es dabei um die Aussage “2050 dekarbonisierter Kreuzfahrtbetrieb (Net zero)”. Laut DUH beruht die Dekarbonisierungsstrategie von Tui Cruises auf “realitätsfernen Zukunftsannahmen”, so Sonja Salzburger. Zum Artikel
Das Gewerbekunden-Problem des Elektroautos – FAZ
Gewerbekunden galten als Hoffnungsträger für die Nachfrage nach Elektroautos in Deutschland. Viele Großkonzerne wollten nur noch Elektroautos in ihre Flotten aufnehmen – auch um ihre ESG-Ziele zu erreichen. Tobias Piller konstatiert mit Blick auf Daten des Kraftfahrtbundesamtes: Die Zulassungen für Elektroautos bei Privat- und Gewerbekunden seien zuletzt gesunken, der Verbrenner gewann an Beliebtheit. Zum Artikel
Immer in der Mitte, so beschreibt Jeromin Zettelmeyer seine Karriere. In der Mitte zwischen Forschung und Politik. Der Spitzenökonom arbeitete lange beim Internationalen Währungsfonds (IWF), einige Jahre bei der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung, und war zwei Jahre lang Chefökonom im deutschen Ministerium für Wirtschaft und Energie. Seit 2022 leitet er nun den Brüsseler Thinktank Bruegel.
Zettelmeyer ist ein Ökonom, für den die Disziplin zunächst vor allem ein Interesse war. “Heute liebe ich Wirtschaftswissenschaften, aber als ich mit dem Studium begann, interessierte mich vor allem, warum manche Länder arm sind und andere nicht“, sagt er. Für ihn ging es immer um die Schnittstelle zwischen Theorie und Praxis.
Während sein Master in Bonn eher durch einen starken Theoriefokus geprägt war, kehrte er mit der Dissertation am Massachusetts Institute of Technology (MIT) wieder mehr zurück in die Praxis. “Die Vorstellung, dass die Wirtschaftswissenschaften irgendetwas mit der realen Welt zu tun haben, was ja der Grund war, warum ich sie studieren wollte, war in der Zwischenzeit in weite Ferne gerückt”, erklärt Zettelmeyer.
Das zog sich auch durch seine beruflichen Stationen. Sei es in seinen 13 Jahren beim Internationalen Währungsfonds, wo er Vizedirektor des Strategy, Policy and Review Department war, oder bei seinem “klaren Policy Job” im deutschen Wirtschaftsministerium. Das forderte immer wieder Umgewöhnung. “Man freut sich darauf, etwas zu verändern, aber es ist nicht so einfach”, sagt er. “Es dauert etwa anderthalb Jahre, bis man sich eingewöhnt hat.”
Eineinhalb Jahre ist Zettelmeyer nun bereits bei Bruegel. “Wenn man einen Thinktank leitet, misst man sein Wohlbefinden aber auch daran, ob die Institution dort ist, wo man sie haben möchte, und das ist bei Bruegel noch nicht der Fall.” Sein Vertrag geht zunächst drei Jahre. Zettelmeyer würde ihn nach Ablauf gerne verlängern. “Jede Veränderung, die man vornimmt, braucht Zeit.”
Inhaltlich hat Bruegel vor allem einen “Fokus auf die EU im internationalen Umfeld”, wie Zettelmeyer sagt. Und da geht es gerade um große Fragen: von der Reform der Haushaltsregeln bis hin zum grundlegenden Paradigma des europäischen Wirtschaftsmodells. Parlament und Rat haben sich im Februar bereits auf die neue Reform der Haushaltsregeln geeinigt. “Wir hatten auf einen radikaleren Ansatz gehofft, aber es ist besser als vorher und besser als gar nichts“, resümiert Zettelmeyer. Bruegel habe Einschätzungen dazu in den vergangenen Monaten besonders mit Nationalstaaten geteilt. Zu den Mitgliedern der Denkfabrik zählen unter anderem 17 EU-Mitgliedstaaten, darunter auch Deutschland und Frankreich. “Das eröffnet uns Kommunikationskanäle.”
In den kommenden Jahren wird aber nach Zettelmeyers Einschätzung besonders eine Frage im Mittelpunkt stehen: “Wie sollte die EU auf wirtschaftliche Bedrohungen nicht nur aus China, sondern auch aus den USA reagieren?” Und das betreffe auch das grundlegende europäische Wirtschaftsmodell. “Es ist eine faszinierende Frage, weil sie immanent politisch ist, aber tief in die Theorie des wirtschaftlichen Erfolgs eintaucht.” Katharina Kausche
Raymond van Eck wird ab dem 31. August CEO des niederländischen Smartphone-Herstellers Fairphone. Laut Angaben des Unternehmens soll er “die nächste Wachstumsphase des Unternehmens leiten”. Van Eck hat zuvor unter anderem im Energie- und Versorgungssektor gearbeitet; bis 2023 war er CEO des Online-Marketing-Unternehmens Youvia. Bei Fairphone wird er Nachfolger von Reinier Henriks, der die Position erst im Januar 2024 angetreten hatte.
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viel Kritik gab es am Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz: zu bürokratisch sei es, zu viel Aufwand müssten die Firmen erbringen. Der Menschenrechtsbeauftragte des Bayer-Konzerns, Matthias Berninger, hat auch keinen Spaß am Verfassen von Berichten. Aber er sieht große Vorteile in der Berichtspflicht, wie er im Interview mit Caspar Dohmen sagt: Denn menschenrechtliche Missstände bei Zulieferern würden oft auf andere Probleme und Risiken verweisen. Daher sei der Aufwand nicht nur gerechtfertigt, um Sorgfaltspflichten zu gewährleisten, sondern habe sogar einen weiteren wichtigen Mehrwert für Unternehmen.
Ob die Einführung einer neuen Berufsausbildung zur “Klimafachkraft” hingegen einen Mehrwert hätte, wie es die Bertelsmann Stiftung und das Institut der deutschen Wirtschaft vermuten, wird hingegen bezweifelt. Carsten Hübner konnte sich vorab deren neue Studie zum Thema Aus- und Weiterbildung im Solar- und Windkraftbereich ansehen, und hat mit Experten aus der Branche zum Thema gesprochen.
Erkenntnisreiche Lektüre wünscht Ihnen
Herr Berninger, was sind die größten Menschenrechtsrisiken in den Wertschöpfungsketten von Bayer?
Unsere größten Risiken liegen im Bereich der Saatgutproduktion, die häufig lokal ist. Damit einher gehen dann Themen wie extreme Armut, extreme Hitze und die gewerkschaftliche Selbstorganisation, also die Rechte von Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen.
Glyphosat zählen Sie nicht dazu?
Die EU hat, nach intensivster wissenschaftlicher Betrachtung, durch die Zulassung für weitere zehn Jahre die Unbedenklichkeit von Glyphosat bei sachgerechter Anwendung bestätigt. Das sollte auch von Kritikern anerkannt werden. Für alle Pflanzenschutzmittel gilt, wir haben mit SURPASS einen firmeninternen Standard, der über den Rechtsrahmen vieler Länder hinausgeht, um Risiken bei der Anwendung dieser Chemikalien zu reduzieren.
Hilft es Unternehmen generell, wenn sie sich mit Risiken in ihren Lieferketten beschäftigen?
Viele reden sehr negativ über den bürokratischen Aufwand des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG). Aber Menschenrechtsverletzungen sind für uns nicht nur an sich ein wichtiges Thema, sondern auch ein Vorwarnsignal für andere Probleme. Umgekehrt gilt: Wenn Zulieferer Menschenrechte achten, liefern sie oft auch die bessere Produktqualität.
Der Widerstand gegen das nationale und europäische Lieferkettengesetz bleibt hoch.
Bayer hat seit 2020 beide Vorhaben unterstützt. Solche Lieferkettengesetze gehen auf die Prinzipien von John Ruggie zurück, also die sogenannten UN-Leitsätze für die Einhaltung der Menschenrechte im Bereich der Geschäftswelt. Ich finde sie richtig.
Vor über zehn Jahren hat die UN sie beschlossen und die Wirtschaft hat sie mitgetragen.
Oft vergessen heutige Kritikerinnen und Kritiker dieser Gesetze, dass eigentlich fast alle Unternehmen und auch die Wirtschaftsverbände, die heute dagegen sind, sich seinerzeit selbst verpflichtet haben, genau diesen Prinzipien zu folgen. In der Genese des deutschen LkSG wurde deutlich: Viele Unternehmen hatten seinerzeit zwar versprochen, diese Prinzipien freiwillig umzusetzen. Aber sie haben nicht die notwendigen Strukturen geschaffen, um nachzuvollziehen, ob diese Versprechen eingehalten werden. Die Prinzipien werden auch nicht dadurch falsch, dass der Gesetzgeber den Unternehmen nun genauer auf die Finger schaut.
Wie bewerten Sie die jüngsten Pläne der Bundesregierung zur Änderung des LkSG?
Im Kern befürworte ich den Versuch, über die Entlastung einen Gleichschritt mit den europäischen Regeln hinzubekommen. Aber natürlich kommen auf kleinere Unternehmen dennoch indirekt Sorgfaltspflichten zu. Denn große Unternehmen wie wir sind weiter rechtlich verpflichtet, allen Themen nachzugehen, die das Gesetz uns auferlegt.
Viele KMU kritisieren, große Auftraggeber würden Verpflichtungen aus dem LkSG auf sie abwälzen. Gibt es solchen Ärger auch bei Bayer?
Wir haben über 90.000 Zulieferer weltweit. Insofern kann ich keine pauschale Antwort geben. Klar wird unser Verhältnis mit Zulieferern strapaziert, wenn wir Veränderungen verlangen oder Verstöße gegen menschenrechtliche Sorgfaltspflichten erkennen. Wir verfolgen hier aber einen kollaborativen Ansatz und unterstützen die Lieferanten bei der Umsetzung unserer Anforderungen.
Viele vergessen aber einen wichtigen Punkt: Es ist prinzipiell Sache des Staates, Menschenrechte zu schützen und die Einhaltung von Menschenrechten gesetzlich zu regeln. Unternehmen müssen ein präventives Sorgfaltspflichtensystem aufbauen und dann handeln, wenn sie Kenntnis von Menschenrechtsverletzungen erlangen. Und wer kann ernsthaft etwas dagegen haben, gegen Menschenrechtsverletzungen vorzugehen, wenn er davon hört? Das ist für mich auch keine Frage der Größe eines Unternehmens, sondern eine Frage des gesunden Menschenverstandes.
Halten sie es für sinnvoll, dass die Unternehmen sich demnächst aussuchen können, ob sie nach der CSRD oder nach dem Lieferkettengesetz berichten?
Ja. Wir haben jetzt den ersten Berichtszyklus hinter uns. Es ist weniger komplex als von manchen befürchtet. Manche Kritiker haben die Berichtspflicht zu einem Riesenthema gemacht. Sicher gehört das Schreiben von Berichten auch nicht zu unserer Lieblingsarbeit, weil Berichte selbst keinen direkten Impact generieren. Aber es ist weniger aufwändig, als viele vorher geglaubt haben. Das muss man konstatieren. Trotzdem finde ich es gut, dass wir das künftig alles in einem Aufwasch berichten können.
Wie sind Ihre Erfahrungen mit dem Bafa?
Sehr gut. Sie machen den Job, den ihnen der Gesetzgeber auferlegt hat. Dafür sollte sie niemand kritisieren.
Gibt es einen Unterschied zwischen dem, was Sie an Beschwerden über die Beschwerdekanäle erreicht oder dem, was Auditunternehmen auffällt?
Nach wie vor decken Auditoren mehr Probleme auf als uns Betroffene Informationen über entsprechende Probleme über Hotlines melden.
Wie viele Menschen arbeiten in Ihren Saatgutlieferketten?
Abertausende. Und das ist eine Lieferkette, für die wir eine direkte Verantwortung haben, weil es unsere Saatgutproduktion ist. Mich hat es deswegen nicht überrascht, dass das Bafa uns erstmals im Kontext des LkSG mit Vorwürfen aus dieser Lieferkette konfrontiert hat.
Worum ging es?
Wir würden in unserer Saatgut-Lieferkette in Peru die Versammlungs- und Organisationsfreiheitsrechte der Mitarbeitenden nicht respektieren. Wir waren erleichtert, als sich das nicht bestätigte. Aber wir fanden andere Missstände und haben gehandelt.
Schon vor zehn Jahren stand Bayer wegen Kinderarbeit in der indischen Saatgut-Lieferkette in der Kritik. Was ist nach der Beschwerde bei der OECD passiert?
Den Prozess moderierte damals die Bundesregierung. Wir haben einige Maßnahmen ergriffen, die sich positiv auf unsere gesamte Lieferkette ausgewirkt haben. Deswegen stehen wir im Bereich Kinderarbeit heute möglicherweise besser da als Unternehmen, die dieses Problem damals nicht hatten.
Gibt es also keine Kinderarbeit mehr in der Saatgut-Lieferkette?
Das kann man nie völlig ausschließen. Aber das ist auch nicht unsere Aufgabe als Unternehmen. Unsere Aufgabe ist es, Problemen nachzugehen, wenn wir welche sehen. Wenn wir Kinderarbeit vollkommen ausschließen wollen, müssten wir jedes Land verlassen, wo Kinderarbeit endemisch vorkommt. Leider machen das viele Unternehmen. Aber dadurch verbessert sich die Situation der Menschen im Sinne des LkSG nicht. Stattdessen höhlen Unternehmen mit dem Rückzug die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit von Ländern aus.
Wie haben Sie die Kinderarbeit in Ihrer Lieferkette in Indien reduziert?
Man muss auf die Ursachen schauen. Dazu gehören Löhne, Vorhandensein von Bildungseinrichtungen, aber auch die Attraktivität für Eltern, ihre Kinder zur Schule zu schicken, statt sie arbeiten zu lassen. Eine Möglichkeit ist, dass Kinder in Schulen nicht nur unterrichtet werden, sondern auch ein kostenloses Mittagessen bekommen. Das erhöht die Attraktivität der Schule ungemein, gerade in armen Regionen, wo Hunger und Mangelernährung auf der Tagesordnung stehen. Das Problem der Kinderarbeit lässt sich nicht durch Audits oder Gesetze lösen, sondern man muss die Ursachen in armen Gemeinden in den Blick nehmen.
Sind existenzsichernde Mindestlöhne in den Wertschöpfungsketten für Bayer ein Thema?
Das ist ein wichtiges Thema. Wir können sehr gut Regeln in dem Bereich setzen, den wir kontrollieren. In den Gliedern der Lieferkette wird es schwieriger.
Die “Taskforce Fachkräfte” der von der Bundesregierung einberufenen Allianz für Transformation geht davon aus, dass für die Umsetzung der Energiewende bis zum Jahr 2030 mehr als 300.000 Arbeitskräfte fehlen. “Ohne genügend und gut qualifizierte Fachkräfte wird Deutschland die Energiewende nicht gelingen”, heißt es in ihrem Ergebnisbericht aus dem vergangenen Jahr.
Doch Handwerker, die in diesem Bereich arbeiten wollen, müssen eine Reihe von Qualifikationen mitbringen, die sich zum Teil deutlich von den Anforderungsprofilen anderer Branchen unterscheiden. Das zeigt eine am Mittwoch veröffentlichte Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) im Auftrag der Bertelsmann Stiftung, die Table.Briefings vorab vorlag.
Im Fokus der Untersuchung standen 13 für die Energiewende zentrale Handwerksberufe, darunter Dachdecker, Elektriker sowie Sanitär-, Heizungs- und Klimatechniker. Auf Basis von rund 2,7 Millionen Online-Stellenangeboten aus dem Zeitraum 2019 bis Mitte 2023 wurde analysiert, welche Kompetenzen in diesen Berufen von der Wind- und Solarbranche und welche von anderen Branchen nachgefragt wurden.
Dabei hat sich gezeigt, dass die von der Windbranche geforderten Qualifikationen im Durchschnitt nur zu 77 Prozent mit denen anderer Wirtschaftszweige übereinstimmten, obwohl es sich um die gleichen Berufe handelte. Besonders groß war der Unterschied bei den Bauelektrikern, wo das Anforderungsprofil lediglich zu 64 Prozent deckungsgleich war.
Auch bei den von der Solarbranche erwarteten Kompetenzen lag die Schnittmenge mit den anderen Branchen im Durchschnitt nur bei 85 Prozent. Am größten war hier die Differenz bei den Dachdeckern mit 71 Prozent.
“Die starken Unterschiede bei den Kompetenzanforderungen innerhalb eines Berufes zeigen, dass der Blick auf die Zahl der Arbeitskräfte allein nicht ausreicht”, sagt Jana Fingerhut, Arbeitsmarktexpertin der Bertelsmann Stiftung. “Wir brauchen nicht nur mehr Fachkräfte. Sie müssen eben auch die richtigen Kompetenzen für die Aufgaben in der Wind- und Solarbranche mitbringen. Diese Kompetenzen müssen erst erlernt werden.”
Um die “Kompetenzlücke” zu schließen, gibt die Studie drei Handlungsempfehlungen:
“Zu prüfen wäre außerdem eine Bündelung von Kompetenzen aus bestehenden Berufen zu einem neuen Beruf Fachkraft für Erneuerbare Energien oder Klimafachkraft”, so Fingerhut. Dieser Schritt könnte für Jugendliche die Ausbildung im Bereich der Energiewende “deutlich attraktiver machen”.
Monika Hackel, Leiterin der Abteilung Struktur und Ordnung der Berufsbildung im Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB), teilt die Auffassung, dass der steigende Fachkräftebedarf durch “Weiterbildungen und bevorzugt auch Umschulungen” gedeckt werden müsse. Von der Schaffung eines eigenen Berufsbilds hält sie dagegen nichts. Das Thema sei bereits vor über zehn Jahren intensiv diskutiert worden, sagt sie auf Anfrage von Table.Briefings. “Es bestand und besteht nach wie vor Konsens, dass ein isoliertes Berufsbild vor dem Hintergrund der Branchen und Betriebsstrukturen in Deutschland nicht zielführend ist”, so Hackel.
“Dabei prägt unser Handeln die Überzeugung, dass sich das deutsche Prinzip der Strukturierung des Arbeitsmarktes auf der Grundlage breiter Ausbildungsberufskonzepte bewährt hat”, so Hackel. Vor allem in Bezug auf die Arbeitsmarktverwertbarkeit und Transferfähigkeit von Qualifikationen habe sie im Lebensverlauf große Vorteile gegenüber kürzeren, auf einzelne Skills und Tätigkeiten hin orientierte Bildungsangebote.
Vor diesem Hintergrund sehe sie auch “kein Defizit in Bezug auf die berufliche Erstausbildung in Deutschland“.
Der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) scheint mit den bisherigen Berufsbildern ebenfalls zufrieden zu sein. “Als wichtiges Transformations- und Zukunftsfeld ist das Klimahandwerk auch für junge Menschen überaus attraktiv“, hieß es im Gespräch mit Table.Briefings.
So seien im Jahr 2023 insgesamt 92.000 neue Ausbildungsverträge in diesem Bereich abgeschlossen worden. Das entspräche einem Zuwachs von acht Prozent seit 2013. Allerdings habe sich in diesem Zeitraum nicht nur die Zahl der angebotenen Ausbildungsplätze deutlich erhöht, sondern auch die Zahl der unbesetzten Ausbildungsplätze auf inzwischen 11.500 mehr als verdoppelt. Auch für 2024 deutet sich wieder ein Überhang der angebotenen Stellen an.
Zum Klimahandwerk zählt der ZDH knapp 30 Gewerke, die aus seiner Sicht “alle unverzichtbar für die Energiewende und die Umsetzung der klimapolitischen Ziele der Bundesregierung” seien. Die Zahl der Beschäftigten liegt nach Angaben des Verbands inzwischen bei 3,1 Millionen. Das entspricht einem Zuwachs von mehr als zehn Prozent in den vergangenen zehn Jahren.
Eine ähnliche Entwicklung meldet der Bundesverband Solarwirtschaft (BSW). “Die deutsche Solarbranche hat in den vergangenen Jahren viele qualifizierte Arbeitskräfte gewonnen und dürfte inzwischen rund 150.000 Beschäftigte zählen”, sagt BSW-Hauptgeschäftsführer Carsten Körnig.
Zwar sei die Kapazitätslage im Handwerk derzeit angespannt. Entlastend wirke sich jedoch aus, dass nach Schätzungen des Verbandes in den vergangenen zwei Jahren zusätzlich rund 5.000 Betriebe aus dem klassischen Elektrohandwerk in die Solarbranche eingestiegen sind und ihre Mitarbeiter für die Photovoltaik ausgebildet haben oder derzeit weiterqualifizieren.
19. August 2024, 19 bis 21 Uhr, Buchholz
Diskussion Wachstum und Nachhaltigkeit – ein unauflösbarer Widerspruch? (Veranstalter: Klimaforum Buchholz) Info & Anmeldung
19. bis 23. August 2024, Königswinter
Seminar Herausforderungen einer sozial und ökologisch verträglichen Bau- und Wohnungspolitik (Veranstalter: Johannes-Albers-Bildungsforum gGmbH) Info & Anmeldung
20. August 2024, 9:30 bis 15:30 Uhr, Erfurt
Workshop Klimawerkstatt Thüringen (Veranstalter: Zentrum KlimaAnpassung) Info & Anmeldung
20. und 21. August 2024, Dubai, Vereinigte Arabische Emirate
Konferenz World ESG Summit (Veranstalter: Gulf Xellence) Info & Anmeldung
21. bis 23. August 2024, London, Großbritannien
Konferenz International Conference on Environment and Sustainable Development (Veranstalter: EU Agenda Network) Info & Anmeldung
21. und 22. August 2024, 9 bis 15 Uhr, Online
Schulung Berufliche Bildung für Nachhaltige Entwicklung (BBNE) (Veranstalter: Heinrich-Böll-Stiftung) Info & Anmeldung
Die Arbeiter- und Studentenproteste der letzten Monate haben in vielen Teilen Bangladeschs die Produktion von Bekleidung und Stoffen zum Erliegen gebracht. Die Übergangsregierung unter Friedensnobelpreisträger Muhammad Yunus hat nun angekündigt, die Textilfabriken durch das Militär schützen zu lassen. Sie erwirtschaften rund vier Fünftel der Exporte und etwa 15 Prozent des Bruttosozialprodukts, und sind damit ein entscheidender Faktor für die wirtschaftliche Stabilität des südasiatischen Landes.
Nach Angaben des Statistikportals Statista war Bangladesch im Jahr 2023 mit Importen im Wert von über 7,2 Milliarden Euro nach China das zweitwichtigste Herkunftsland für Textilien und Bekleidung in Deutschland. Der Anteil an den Importen in diesen Bereichen stieg von rund zehn Prozent im Jahr 2013 auf zuletzt mehr als ein Fünftel. Negative Auswirkungen auf die Verfügbarkeit von Textilien oder Preissteigerungen sind nach Angaben von Branchenverbänden derzeit jedoch nicht zu erwarten.
Die Textilindustrie in Bangladesch galt lange Zeit als besonders prägnantes Beispiel für katastrophale Arbeitsbedingungen und Hungerlöhne. Im April 2013 erregte der Einsturz des achtstöckigen Fabrikkomplexes Rana Plaza, bei dem mehr als 1.100 Menschen ums Leben kamen, weltweites Aufsehen.
Politischer Druck und das Engagement in- und ausländischer Gewerkschaften haben die Situation inzwischen etwas verbessert. Dennoch kritisieren Arbeiter weiterhin Löhne, die nicht zum Leben reichen. Auch dem Bangladesh Accord, der die Arbeitsbedingungen in den Textilfabriken sicherer machen soll, sind noch längst nicht alle internationalen Konzerne beigetreten.
Der 84-jährige Wirtschaftswissenschaftler Yunus, der als Erfinder der Mikrokredite gilt, stellte bei seinem Amtsantritt als Übergangspräsident drei Transformationsziele in den Mittelpunkt: “Null Emissionen, null Konzentration von Reichtum und null Arbeitslosigkeit”. ch
Ein internationales Forscherteam hat unter Beteiligung des österreichischen Internationalen Instituts für angewandte Systemanalyse (IIASA) eine Matrix entwickelt, um die Nachhaltigkeitsmessung in der Landwirtschaft regional und praktisch anwendbar zu machen. Aufbauend auf der Sustainable Agricultural Matrix (SAM) betrachtet das Team die Dimensionen Umwelt, Wirtschaft und Soziales. Anhand von 18 Indikatoren soll ihre Matrix weltweit vergleichbare Datensätze ermöglichen. “Unsere Matrix zeigt, wie gut Länder in verschiedenen Bereichen der landwirtschaftlichen Nachhaltigkeit abschneiden”, erklärte Christian Folberth, Umweltwissenschaftler am IIASA.
Um herauszufinden, ob die internationalen Indikatoren auch in der Praxis nützlich sind, testete das Team sein Konzept in Österreich. “Landwirtschaftliche Nachhaltigkeitsindikatoren wie SAM werden meist von internationalen Organisationen oder im akademischen Bereich entwickelt”, sagte Folberth. Für den praktischen regionalen Bezug holten sich die Forscher Rückmeldungen von Landwirten, NGOs und anderen Stakeholdern aus Österreich.
Unter anderem bei der Nutzung der sogenannten gesamtaggregierten Zahlen – wie dem landwirtschaftlichen Bruttoinlandsprodukt – sahen die Experten weiteren Verbesserungsbedarf. Diese seien im regionalen Kontext häufig wenig aussagekräftig und spiegelten nicht die tatsächliche Effizienz der Landwirtschaft wider. Auch der Grenzwert für den Stickstoffüberschuss in Europa – 50 Kilogramm pro Hektar – sei viel zu hoch angesetzt. Viele Stakeholder begrüßten den Versuch, ein globales System an lokale Bedingungen anzupassen.
Die Forscher planen nun, die Matrix weiterzuentwickeln und regional relevante Indikatoren einzubauen. In Österreich zum Beispiel soll die Zahl der Höfe, die an Nachfolger übergeben werden können, als sozialer Nachhaltigkeitsindikator berücksichtigt werden. Insgesamt entwickelten die Forscher über 30 solcher Vorschläge und überprüfen diese nun auf ihre Praxistauglichkeit. Das Team hofft, dass die Matrix so als Grundlage für politische Entscheidungen dienen wird. spm
In zwei Publikationen haben das Green and Sustainable Finance Cluster (GSFC) und die Net Zero Banking Alliance den Umgang mit Nachhaltigkeitsdaten sowie Klimaschutzstrategien im Finanzsektor analysiert. Die Studien sowie entsprechende Handlungsempfehlungen veröffentlichte das GSFC vergangene und diese Woche.
Die Studie “Eine ESG-Datenplattform für eine gelingende Transformation!?“, die im Auftrag des Forschungsprojekts Safe Financial Big Data Cluster (Safe FBDC) entstanden ist, untersucht das Konzept eines gemeinsamen ESG-Datenökosystems für Banken. Dieses soll qualitativ hochwertige und verlässliche Daten verfügbar machen.
In Zusammenarbeit mit Finanzinstituten haben die Autoren Erfolgsfaktoren und Hindernisse bei der Umsetzung einer solchen Datenbank analysiert. Für die Studie interviewten sie 23 Expertinnen und Experten aus operativen, technischen und strategischen Bereichen von acht Finanzinstituten. Sie führten zudem Hintergrundgespräche mit weiteren Akteuren aus der Wirtschaft.
Auf dieser Grundlage veröffentlichte das GSFC acht Handlungsempfehlungen für Finanzinstitute, darunter:
Die zweite Studie “Net Zero Banking in Practice: Climate Change in Banks’ Core Business” diskutiert die Integration von Klimaschutzstrategien in die Geschäftsprozesse von Banken. Dazu gehören etwa das Bilanzmanagement, Preisgestaltungsstrategien und Informationsverbreitung. Die Studienautoren wollen Wege aufzeigen, mit denen die Banken den Klimaschutz in ihren Portfolios und in der Realwirtschaft beeinflussen können. Zu den Handlungsempfehlungen für politische Entscheidungsträger, Regulierungsbehörden und Banken gehören der Ausbau der Dateninfrastruktur, die Angleichung von Wettbewerbsbedingungen sowie die Weiterentwicklung von Klimarisikomodellen. leo
Einige der größten Projekte, die im Rahmen des Inflation Reduction Acts (IRA) und des Chips and Science Acts angekündigt wurden, sind einer Recherche der Financial Times (FT) zufolge um mehrere Monate oder Jahre verschoben worden. Einige lägen sogar auf unbestimmte Zeit auf Eis.
Die FT-Recherche umfasst 114 Projekte mit einem Investitionsumfang von jeweils mindestens 100 Millionen US-Dollar. Zusammengenommen stehen die analysierten Vorhaben für Investitionen in Höhe von rund 228 Milliarden US-Dollar. Manche der recherchierten Verzögerungen seien bislang noch nicht öffentlich, schreiben die FT-Reporterinnen. Zu den größten Projekten in Wartestellung gehört demnach eine Fabrik für Solarpanel von Enel in Oklahoma (Investitionshöhe: eine Milliarde US-Dollar), eine Batteriespeicheranlage von LG Energy Solution in Arizona (2,3 Milliarden US-Dollar) und eine Lithiumraffinerie des Chemiekonzerns Albemarle in South Carolina (1,3 Milliarden US-Dollar).
Die Verzögerungen stellten “Bidens Wette” infrage, “dass ein industrieller Wandel den USA, die ihre Produktion seit Jahrzehnten ins Ausland verlagert haben, Arbeitsplätze und wirtschaftliche Erträge bringen kann”, schreibt die FT. Daneben könnten sie es für Vizepräsidentin Kamala Harris erschweren, bei den Präsidentschaftswahlen im November Stimmen aus der Arbeiterschaft zu gewinnen.
Die von der Zeitung befragten Unternehmen nennen als Ursachen für ihre gegenwärtige Zurückhaltung:
Der ehemalige US-Präsident Donald Trump hat angekündigt, den IRA im Falle seines Wahlsiegs im November “zu beenden”. Der Solarhersteller VSK Energy habe deshalb Pläne für Investitionen in Höhe von 250 Millionen US-Dollar und die Schaffung von 900 Arbeitsplätzen in Brighton, Colorado, aufgegeben, schreibt die FT. Nun suche das Unternehmen nach Standorten in einem republikanisch geprägten Bundesstaat im Mittleren Westen, um sich abzusichern. Im Fall der Fälle wolle man “wahrscheinlich in einem roten [republikanisch regierten] Bundesstaat sein”, zitiert die Zeitung einen Manager, damit jemand aus der Partei des Präsidenten “für Sie und Ihre Rechte kämpft”. ae
Zur Finanzierung des EU-Haushalts erwägt das Bundeswirtschaftsministerium, sich für Abgaben auf Lebensmittelabfälle und Methanemissionen im Öl- und Gassektor einzusetzen. Das BMWK veröffentlichte vor wenigen Tagen eine Ausschreibung für ein Gutachten zu Eigenmitteln der EU. Vor Beginn der neuen Haushaltsperiode 2027 suchen die Brüsseler Institutionen derzeit nach Möglichkeiten, neue, eigene Finanzierungsquellen für die Europäische Union einzuführen.
“Ziel dieses Gutachtens ist vor diesem Hintergrund, Vorschläge für neue Eigenmittel zu erarbeiten, auch solcher, die bislang noch nicht in der Mitte der politischen Diskussion stehen”, heißt es in der Ausschreibung des BMWK. Der Fokus solle auf sogenannten genuinen Eigenmitteln liegen, die direkt erhoben werden und nicht über nationale Haushalte laufen.
“So sind etwa Optionen für Eigenmittel auf Grundlage von Lebensmittelabfällen (statistikbasiertes Eigenmittel) oder einer Abgabe auf Upstream-Methanemissionen im Öl- und Gassektor im Rahmen des Gutachtens zu prüfen. In die Analyse ist zudem ausdrücklich auch die Prüfung von Optionen für eine (stärkere) Finanzierung der EU über Gebühren einzubeziehen”, schreibt das Ministerium weiter. Die Vorschläge für neue Eigenmittel sollen die Gutachter ungewöhnlich schnell vorlegen – um den Jahreswechsel herum. Eine Steuer auf Lebensmittelabfälle hatte auch bereits der Haushaltsausschuss des Europaparlaments gefordert.
Frühere Beschlüsse zu EU-Abgaben wurden in Berlin durchaus kontrovers gesehen. Eine 2021 eingeführte Abgabe auf Kunststoffverpackungen zahlt der Bund bislang aus dem eigenen Haushalt. Derzeit verhandelt die Bundesregierung darüber, die Plastiksteuer ab 2025 oder 2026 tatsächlich zu erheben. Gebühren für öffentliche Leistungen wiederum machen bislang einen verschwindend geringen Teil der EU-Mittel aus. Der Vorstoß des BMWK dürfte auch darauf zielen, Forderungen nach höheren Zuschüssen aus den nationalen Haushalten für das EU-Budget abzuwehren.
Beim Koalitionspartner SPD trifft der Vorstoß des Grünen-geführten Wirtschaftsministeriums auf Zustimmung. “Wenn wir eine stärkere und handlungsfähigere EU wollen, müssen wir uns ernsthaft mit der Einführung echter Eigenmittel auf europäischer Ebene auseinandersetzen”, sagte Christian Petry, europapolitischer Sprecher der Sozialdemokraten im Bundestag.
“Dass im Rahmen des Gutachtens auch mögliche Verteilungswirkungen zwischen den Mitgliedstaaten und klimapolitische Lenkungseffekte in Betracht gezogen werden sollen, stimmt mich erwartungsvoll auf den Debattenbeitrag, den das Gutachten liefern könnte. Grundsätzlich könnte ich mir ein europäisches Steuerrecht, insbesondere bei der Körperschaftssteuer zur Verminderung legaler Steuervermeidung vorstellen”, so Petry weiter. ber
The uninsurable world: rethinking how to cover for climate damage – Financial Times
Im dritten Teil einer Serie über Klimawandel und Versicherungsindustrie schaut sich Ian Smith neue Modelle an. Verfeinerte Daten erleichtern schon heute passgenaue Absicherung, so sein Eindruck. Doch letztlich seien es die Kunden, die durch Vorsorge die Risiken – und damit die Prämien – senken müssen. Zum Artikel
Noch keine Einigung über Finanzierung für Thyssen-Krupp Steel – Handelsblatt
Weil sich der Aufsichtsrat der Stahlsparte von Thyssen-Krupp vergangene Woche nicht auf ein Finanzierungskonzept für die Transformation geeinigt hat, ist Konzernchef Miguel López sauer. Ende September endet zudem der Gewinn- und Beherrschungsvertrag mit dem Mutterkonzern, danach stünde die verlustreiche Stahltochter allein da. Ein Investor löste die knappe Frist durch seinen Einstieg aus. Der könnte sich aber wieder verabschieden, sollte Thyssen-Krupp nicht mehr für Verluste einstehen. In jedem Fall soll eine Beteiligung an den Hüttenwerken Krupp Mannesmann verkauft werden, berichtet Isabelle Wermke. Zum Artikel
Does Europe need Chinese wind technology to meet climate goals? – Financial Times
Nach der Solarindustrie könnte der europäischen Windturbinenindustrie unfaire Konkurrenz aus China drohen. Die EU hat bereits eine Dumpinguntersuchung eingeleitet, berichten Rachel Millard, Shotaro Tani and Alice Hancock. Experten aber warnen, dass ohne die leistungsstarken und günstigen Turbinen aus China die Energiewende gefährdet sei. Zum Artikel
‘We’re still in the 1970s with cement’: Norway plant to blaze carbon-free concrete trail – Guardian
Eine Carbon Capture-Anlage von Heidelberg Materials soll Ende des Jahres in Norwegen in Betrieb gehen. Wenn sie technisch und finanziell ein Erfolg wird, könnte sie den Weg der Zementindustrie ins 21. Jahrhundert ebnen, berichtet Ajit Niranjan. Falls nicht, drohen Rückschritte bei der Dekarbonisierung einer Industrie, die den Wandel bislang verschlafen habe. Zum Artikel
In Trippelschritten zur Energiewende – Süddeutsche Zeitung
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck hat im Emsland einen neuen Elektrolyseur eingeweiht. Die Anlage soll grünen Wasserstoff produzieren. Björn Finke analysiert, warum die Wasserstoff-Produktion in Deutschland viel zu langsam anläuft. Trotz üppiger Subventionen werde die Bundesregierung ihre Ziele für die Elektrolyseur-Kapazität verfehlen. Denn die Produktionskosten seien zu hoch – insbesondere die Strompreise. Zum Artikel
New batteries are stretchable enough to wear against the skin – Economist
Bei der Entwicklung von flexiblen Batterien ließen sich Forscher der University of Cambridge vom Aal inspirieren, um flexible und weiche Batterien aus Hydrogel zu entwickeln. Sie bestehen aus Schichten organischer Polymere, die über 60 Prozent Wasser enthalten. Elektrizität wird auf die gleiche Art und Weise geleitet wie in biologischen Prozessen, etwa im Nervensystem. Als Einsatzfelder solcher Batterien gelten unter anderem medizinische Bereiche und die Robotik. Zum Artikel
Wie der Planet unter der menschlichen Natur leidet – Deutschlandfunk Kultur
Dagmar Röhrlich beschäftigt in einem Radiofeature mit Blick auf die planetaren Grenzen die Frage, warum es Menschen so schwerfällt, ihr Verhalten zu ändern. Von “Wissen ohne Wandel” spricht der Sozialwissenschaftler Jens Beckert, der auf mangelnde Anreizstrukturen verweist. Selbst wenn die Transformation voranschreite, müssten die Menschen damit rechnen, dass die Krisen weiter zunehmen. Zur Sendung
KI-Tools für Umweltgesetze: Sie sollen Robert Habecks Problem lösen – Die Zeit
Annette Beutler berichtet über den Boom bei Unternehmen für ESG-Software, wie Planted oder Osapiens. Größere Unternehmen seien aber zurückhaltend. Softwareanbieter wie SAP, Microsoft oder Salesforce seien überraschend spät auf den Zug aufgesprungen. Dabei schätzten Branchenkenner den noch jungen Markt schon jetzt auf rund drei Milliarden Euro. Zum Artikel
Deutsche Umwelthilfe gewinnt Rechtsstreit gegen Tui Cruises – Süddeutsche Zeitung
Die Deutsche Umwelthilfe hat Tui Cruises wegen zu vager Nachhaltigkeitsversprechen in ihrer Werbung verklagt – zurecht, wie das Landgericht Hamburg feststellte. Insbesondere ging es dabei um die Aussage “2050 dekarbonisierter Kreuzfahrtbetrieb (Net zero)”. Laut DUH beruht die Dekarbonisierungsstrategie von Tui Cruises auf “realitätsfernen Zukunftsannahmen”, so Sonja Salzburger. Zum Artikel
Das Gewerbekunden-Problem des Elektroautos – FAZ
Gewerbekunden galten als Hoffnungsträger für die Nachfrage nach Elektroautos in Deutschland. Viele Großkonzerne wollten nur noch Elektroautos in ihre Flotten aufnehmen – auch um ihre ESG-Ziele zu erreichen. Tobias Piller konstatiert mit Blick auf Daten des Kraftfahrtbundesamtes: Die Zulassungen für Elektroautos bei Privat- und Gewerbekunden seien zuletzt gesunken, der Verbrenner gewann an Beliebtheit. Zum Artikel
Immer in der Mitte, so beschreibt Jeromin Zettelmeyer seine Karriere. In der Mitte zwischen Forschung und Politik. Der Spitzenökonom arbeitete lange beim Internationalen Währungsfonds (IWF), einige Jahre bei der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung, und war zwei Jahre lang Chefökonom im deutschen Ministerium für Wirtschaft und Energie. Seit 2022 leitet er nun den Brüsseler Thinktank Bruegel.
Zettelmeyer ist ein Ökonom, für den die Disziplin zunächst vor allem ein Interesse war. “Heute liebe ich Wirtschaftswissenschaften, aber als ich mit dem Studium begann, interessierte mich vor allem, warum manche Länder arm sind und andere nicht“, sagt er. Für ihn ging es immer um die Schnittstelle zwischen Theorie und Praxis.
Während sein Master in Bonn eher durch einen starken Theoriefokus geprägt war, kehrte er mit der Dissertation am Massachusetts Institute of Technology (MIT) wieder mehr zurück in die Praxis. “Die Vorstellung, dass die Wirtschaftswissenschaften irgendetwas mit der realen Welt zu tun haben, was ja der Grund war, warum ich sie studieren wollte, war in der Zwischenzeit in weite Ferne gerückt”, erklärt Zettelmeyer.
Das zog sich auch durch seine beruflichen Stationen. Sei es in seinen 13 Jahren beim Internationalen Währungsfonds, wo er Vizedirektor des Strategy, Policy and Review Department war, oder bei seinem “klaren Policy Job” im deutschen Wirtschaftsministerium. Das forderte immer wieder Umgewöhnung. “Man freut sich darauf, etwas zu verändern, aber es ist nicht so einfach”, sagt er. “Es dauert etwa anderthalb Jahre, bis man sich eingewöhnt hat.”
Eineinhalb Jahre ist Zettelmeyer nun bereits bei Bruegel. “Wenn man einen Thinktank leitet, misst man sein Wohlbefinden aber auch daran, ob die Institution dort ist, wo man sie haben möchte, und das ist bei Bruegel noch nicht der Fall.” Sein Vertrag geht zunächst drei Jahre. Zettelmeyer würde ihn nach Ablauf gerne verlängern. “Jede Veränderung, die man vornimmt, braucht Zeit.”
Inhaltlich hat Bruegel vor allem einen “Fokus auf die EU im internationalen Umfeld”, wie Zettelmeyer sagt. Und da geht es gerade um große Fragen: von der Reform der Haushaltsregeln bis hin zum grundlegenden Paradigma des europäischen Wirtschaftsmodells. Parlament und Rat haben sich im Februar bereits auf die neue Reform der Haushaltsregeln geeinigt. “Wir hatten auf einen radikaleren Ansatz gehofft, aber es ist besser als vorher und besser als gar nichts“, resümiert Zettelmeyer. Bruegel habe Einschätzungen dazu in den vergangenen Monaten besonders mit Nationalstaaten geteilt. Zu den Mitgliedern der Denkfabrik zählen unter anderem 17 EU-Mitgliedstaaten, darunter auch Deutschland und Frankreich. “Das eröffnet uns Kommunikationskanäle.”
In den kommenden Jahren wird aber nach Zettelmeyers Einschätzung besonders eine Frage im Mittelpunkt stehen: “Wie sollte die EU auf wirtschaftliche Bedrohungen nicht nur aus China, sondern auch aus den USA reagieren?” Und das betreffe auch das grundlegende europäische Wirtschaftsmodell. “Es ist eine faszinierende Frage, weil sie immanent politisch ist, aber tief in die Theorie des wirtschaftlichen Erfolgs eintaucht.” Katharina Kausche
Raymond van Eck wird ab dem 31. August CEO des niederländischen Smartphone-Herstellers Fairphone. Laut Angaben des Unternehmens soll er “die nächste Wachstumsphase des Unternehmens leiten”. Van Eck hat zuvor unter anderem im Energie- und Versorgungssektor gearbeitet; bis 2023 war er CEO des Online-Marketing-Unternehmens Youvia. Bei Fairphone wird er Nachfolger von Reinier Henriks, der die Position erst im Januar 2024 angetreten hatte.
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