wie kann die EU wettbewerbsfähiger werden? Die Europäische Kommission hatte den ehemaligen EZB-Präsidenten Mario Draghi beauftragt, seine Antworten auf diese Frage in einem Bericht aufzuschreiben. Am Montag hat er diesen vorgestellt. Er schlägt darin eine gemeinsame europäische Industriepolitik vor, mit dem zentralen Element der Dekarbonisierung. Die EU solle “die Führungsrolle in neuen, sauberen Technologien und bei Lösungen für die Kreislaufwirtschaft übernehmen”. Alexandra Endres, Alina Leimbach, Till Hoppe, János Allenbach-Ammann und Alex Veit haben den Bericht und die Reaktionen analysiert.
50 Prozent des weltweiten Bedarfs an Gold stammt aus der Schmuckherstellung. Weil der Abbau des begehrten Rohstoffs wegen Umweltverschmutzung und Menschenrechtsverletzungen in der Kritik steht, bemüht die Branche sich um mehr Nachhaltigkeit. Doch welches Gold ist wirklich nachhaltig, das faire oder das recycelte? Die Debatte habe ich in meiner Analyse zusammengefasst.
Die Bundesregierung will der chemischen Industrie offenbar beim geplanten Verbot von per- und polyfluorierten Alkylsubstanzen (PFAS) entgegenkommen. Die industriell hergestellten organischen Verbindungen werden für Produkte wie Windkraftanlagen, Wärmepumpen, Smartphones und Kochgeräte benötigt. Die Rückstände gelten jedoch als gesundheitsgefährdend, sammeln sich in Pflanzen und Böden. Wie der “pragmatische Weg” aussieht, den die Bundesregierung nun vorschlägt, lesen Sie in der News von Michael Bröcker.
Der frühere EZB-Präsident Mario Draghi schlägt in einem Bericht zur Wettbewerbsfähigkeit eine gemeinsame europäische Industriepolitik vor. Ein zentrales Element darin sei die Dekarbonisierung. Durch sie könne die EU sowohl “die Führungsrolle in neuen, sauberen Technologien und bei Lösungen für die Kreislaufwirtschaft übernehmen”, schreibt Draghi in der am Montag vorgestellten Studie, die er für die EU-Kommission erarbeitet hat. Der Bericht bettet Draghis Empfehlungen zur Dekarbonisierung in eine breitere Strategie ein, um die Wettbewerbsfähigkeit der EU vor allem gegenüber den USA und China zu verbessern.
Wie gut die Dekarbonisierung der europäischen Wirtschaft gelänge, entscheide maßgeblich über die künftige Wettbewerbsfähigkeit der EU – und umgekehrt entscheide die künftige Wettbewerbsfähigkeit der EU maßgeblich über den Erfolg der Dekarbonisierung, schreibt Draghi.
Für verschiedene Sektoren schlägt der Bericht je unterschiedliche Maßnahmen vor. Energieintensive Industrien etwa sollten durch “ausreichende finanzielle Mittel” unterstützt werden, beispielsweise aus dem Emissionshandelssystems ETS. Das Geld solle etwa für die Einführung von grünem Wasserstoff oder für CO₂-Abscheidung und Speicherung (CCS) ausgegeben werden.
Auch für die Automobilbranche plädiert Draghi für spezifische Unterstützung. Ein “Industrie-Aktionsplan” solle “eine radikale Abwanderung der Produktion aus der EU oder eine schnelle Übernahme der EU-Fabriken und Unternehmen durch staatlich unterstützte ausländische Produzenten verhindern und zugleich die Dekarbonisierung fortsetzen“.
Bei der industriellen Produktion insgesamt solle sich die EU sich auf Technologien konzentrieren, bei denen sie “entweder eine Führungsrolle hat oder bei denen es strategische Argumente für die Entwicklung inländischer Kapazitäten gibt”. Dazu werden vier Kategorien identifiziert:
Handelspolitik bezeichnet der Draghi-Bericht als “fundamental”, um Wettbewerbsfähigkeit und Dekarbonisierung zu kombinieren. Dafür müsste einerseits auf unfaire Handelspraktiken im Ausland reagiert werden – und andererseits sollten essenzielle europäische Lieferketten etwa durch strategische Partnerschaften abgesichert werden.
Solche Handelsabkommen sollen auch den europäischen Zugang zu kritischen Rohstoffen und anderen essenziellen Produkten gewährleisten. Das geht in dieselbe Richtung, die auch Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen im Juli in ihren politischen Leitlinien für die nächsten Jahre ausformuliert hatte. Daneben plädiert Draghi für einen umweltfreundlichen Tiefseebergbau, den Abbau von Bodenschätzen in Europa selbst sowie die Entwicklung eines gemeinsamen, nach außen geschützten Markt für Abfälle.
Präferenzielle, auf einige Sektoren beschränkte Handelsabkommen wie auch einige der vorgeschlagenen protektionistischen Instrumente widersprechen allerdings den Regeln der World Trade Organisation.Aber Draghi sieht die multilaterale Handelsordnung ohnehin in einer “tiefen Krise” und die EU müsse sich an die neue Realität anpassen. “Die EU wird eine genuine Außenwirtschaftspolitik entwickeln müssen, die präferenzielle Handelsabkommen und Direktinvestitionen mit ressourcenreichen Ländern, den Aufbau von Vorräten in ausgewählten kritischen Bereichen und die Schaffung von Industriepartnerschaften zur Sicherung der Lieferkette für Schlüsseltechnologien koordiniert.”
Das sensible Thema Finanzierung hat Draghi auf vier der insgesamt rund 400 Seiten seines Berichts abgehandelt, um ablehnende Reflexe gegenüber gemeinsamen EU-Schulden aus einigen Mitgliedsstaaten nicht herauszufordern. Zwischen 750 und 800 Milliarden Euro an jährlichen Zusatzinvestitionen sind demnach nötig. Davon sollten 300 Milliarden Euro in die Transformation des Energiesystems und weitere 150 Milliarden in die Transportnetze fließen. Den Rest setzte Draghi für digitale Technologien, Verteidigung und Innovationen an.
Draghi betont, dass ein Teil davon aus der öffentlichen Kasse kommen müsse. “Gemeinsame Finanzierung wird benötigt”, sagte er, und daher müsse die EU ein gemeinsames “Safe Asset” herausgeben. Dies sei auch hilfreich, um eine Kapitalmarktunion voranzutreiben.
Die ersten Reaktionen ließen nicht lange auf sich warten: Mario Draghi hatte seine Pressekonferenz am Mittag kaum beendet, da meldete sich bereits Bundesfinanzminister Christian Lindner zu Wort: “Mit einer gemeinsamen Schuldenaufnahme durch die EU lösen wir die strukturellen Probleme nicht“, erklärte der FDP-Chef. Deutschland werde dem nicht zustimmen.
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) nannte den Bericht hingegen einen “Weckruf an Europa”. Draghi habe recht, die EU brauche massive Investitionen, umfassende Reformen und eine Stärkung der Resilienz. Es gelte, jetzt nicht einfach zur Tagesordnung überzugehen, mahnte Habeck. Der Bericht sei eine Handlungsaufforderung an die neue Kommission und die EU insgesamt. “Ich sage gern meine Unterstützung zu.”
Die einmal mehr widersprüchlichen Reaktionen aus Berlin demonstrieren, wie weit der Weg zur Umsetzung der Vorschläge Draghis ist. Ursula von der Leyen hingegen bemerkte, dass es in den EU-Institutionen “einen breiten Konsens” gäbe, dass die Wettbewerbsfähigkeit ganz oben auf die Agenda gehöre. Draghis “Plan für Dekarbonisierung und Wettbewerbsfähigkeit” decke sich weitgehend mit ihrem eigenen Vorhaben, einem “Clean Industrial Deal”.
Alexandra Endres, Alina Leimbach, Till Hoppe, János Allenbach-Ammann, Alex Veit
Gold hat als Schmuckstück und Anlageobjekt seit Jahrtausenden in vielen Kulturen großen Wert: Es symbolisiert Wohlstand und dient als Inflationsschutz. Die Nachfrage nach Gold wächst – vor allem in Indien und China, die heute Hauptabsatzmärkte sind. Auch Deutschland ist ein wichtiger Markt. Laut Studien besitzen Privathaushalte mehr als 9.000 Tonnen Gold; die deutsche Bundesbank hält die global zweithöchsten offiziellen Goldreserven nach den USA.
80 Prozent des Goldes, das auf diese Märkte gelangt, stammt aus dem industriellen, hoch technologisierten Bergbau, den oft große, multinationale Konzerne aus dem Globalen Norden betreiben. 90 Prozent der Menschen, die im Goldabbau beschäftigt sind, arbeiten allerdings im Kleinbergbau. Schätzungen zufolge ist dieser der Lebensunterhalt für weltweit 150 Millionen Menschen.
Der Abbau des Goldes ist hoch umstritten: zum Beispiel wegen des oftmaligen Einsatzes von giftigem Quecksilber, des hohen Wasser- und Flächenbedarfs, der CO₂-Emissionen, wegen Arbeitsunfällen in den Minen, des Risikos von Kinder- und Zwangsarbeit in vielen Abbauländern, wegen Korruption und anderen Formen von Kriminalität. Eine lange Liste, die von Rufen nach einem nachhaltigeren Goldabbau begleitet wird.
50 Prozent der globalen Nachfrage nach Gold stammt aus der Schmuckbranche. Die Industrie legt inzwischen einen Fokus auf Nachhaltigkeit, erklärt Guido Grohmann, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands Schmuck, Uhren, Silberwaren und verwandte Industrien (BVUS). In der vergangenen Woche lud der Verband mit Sitz in Pforzheim erstmals zum “Sustainable Jewellery Day” – wo neben weiteren Themen insbesondere eine Frage diskutiert wurde: Fair oder recycelt?
“Recyceltes Gold ist wie kein anderer Produktionsfaktor existenzieller Bestandteil der DNA der Pforzheimer und deutschen Schmuckindustrie”, sagt Grohmann und hebt die hohen Recyclingraten hervor. Etwa ein Viertel des globalen Angebots ist Recyclingware, 90 Prozent des jemals abgebauten Goldes sei noch im Umlauf.
Das Problem: Es gibt bislang keine klare Definition von Recycling-Gold. Es handelt sich deshalb oft vielmehr um ein Reprocessing, also eine Wiederaufbereitung von Schmuck, Investment-Produkten und Produktionsresten, als um die Verwertung von tatsächlichen Abfällen, etwa aus Elektroschrott. Auch illegal abgebautes und mit Umweltverschmutzung und Menschenrechtsverletzungen verbundenes Gold, kann in die Recyclingkreisläufe gelangen. Die Internationale Organisation für Normung (ISO) entwickelt deshalb zurzeit eine Norm für die Anforderungen an recyceltes Gold.
Bei den Konsumentinnen erwecke der Begriff den Eindruck, es handele sich um eine besonders nachhaltige Weise, Gold zu beziehen, kritisiert Désirée Binternagel, Geschäftsführerin der Fairever GmbH. Das Unternehmen aus Leipzig handelt mit zertifiziertem Gold und Silber und setzt sich für einen verantwortungsvollen Bergbau ein. “Tatsächlich betrachtet man den Rohstoff jedoch erst ab einem bestimmten Punkt in der Lieferkette”, erklärt sie. “Dies führt nicht dazu, dass weniger Gold abgebaut wird oder sich die Bedingungen für die Menschen in den Lieferketten verbessern.”
Drei Viertel des globalen Goldangebots stammt schließlich trotzdem aus dem Bergbau. Jeder, der mit Gold arbeite, sollte sich damit auseinandersetzen, woher es kommt, sagt Binternagel. Ihr Unternehmen arbeitet deshalb mit Fairtrade und dem Label Fairmined der Alliance for Responsible Mining zusammen. Beide Zertifizierungssysteme definieren Standards für den Abbau, eine getrennte Lagerung und die Nachverfolgung des produzierten Goldes. Die Akteure in den nachgelagerten Lieferketten erhalten Sozial- und Umweltprämien, die sie etwa für den Bau von Schulen oder für Renaturierungsprojekte verwenden. Zudem schreiben beide Systeme vor, dass die Minenbetreiber mindestens 95 Prozent des Goldwerts erhalten müssen.
Kaufen Jan Spille und sein Team Gold an, um es in einer Scheideanstalt recyceln zu lassen und dann wieder zu Schmuck zu verarbeiten, achten sie auf den Gebrauchswert: Kunden können etwa aus dem alten, getragenen Goldschmuck ihrer Großeltern neue Schmuckstücke herstellen lassen, nicht aber aus neuen Industrieprodukten. Recycling zu strengen Bedingungen.
Dies ist eines von vier Rohstoff-Konzepten, aus denen die Kundinnen des Hamburger Schmuckunternehmens auswählen können. Spille setzt vor allem auf durch “Fairtrade” und “Fairmined” zertifiziertes Material. Seit 2003 engagiert sich der Goldschmied und Schmuckdesigner für einen ökologisch- und sozialgerechten Bergbau, reist regelmäßig zu den Minen in Asien, Afrika und Südamerika und wurde mehrfach für seine Arbeit ausgezeichnet.
“Natürlich wäre es am besten, das bisher abgebaute Gold ab sofort nur noch zu recyceln und alle Minen zu schließen”, sagt Spille. “Aber das ist eine sehr begrenzte Perspektive auf die Wirklichkeit, denn: Man kann den Goldbergbau nicht abschaffen.” Besonders in Zeiten hoher Goldpreise – wie zurzeit – merke man in den Bergbauregionen: Gold wird weiter abgebaut werden. Zu wichtig ist dieser Sektor als Lebensgrundlage von Millionen von Menschen. “Und deshalb müssen die Lieferketten über Zertifizierungssysteme wie Fairtrade reguliert werden.”
Der Anteil dieser Systeme an der Gesamtproduktion im Kleinbergbau ist bisher gering: Weniger als 1 Prozent der globalen Goldförderung aus dem Kleinbergbau werden zurzeit durch sie erfasst. Von Fairtrade Gold sind bisher 14 Minen, alle mit Sitz in Peru, zertifiziert. In Deutschland wurden 2023 12 Kilogramm Fairtrade-Gold verarbeitet. In der Schweiz, wo etwa ein Drittel des globalen Goldes weiterverarbeitet wird, ist es schon etwas mehr: Laut Fairtrade werden heute jährlich mehr als eine Tonne Fairtrade-Gold in die Schweiz geliefert. Seit 2021 gibt es dort den weltweit ersten Fonds mit physischem Fairtrade-Gold.
Die Nachfrage sei zurzeit gleichbleibend gering, erzählt Désirée Binternagel. “Sie war eigentlich stetig im Wachstum, aber die Covid-Pandemie und der Krieg haben das ausgebremst.” Beim Sustainable Jewellery Day warb sie dafür, dass auch die größeren Schmuckunternehmen zertifizierte Kleinbergbauern unterstützen. “Wenn jeder Schmuckschaffende nur 20 Prozent zertifiziertes Gold verwenden würde, wäre schon viel getan”, sagt sie. Schließlich hätten auch Discounter inzwischen Fairtrade-Produkte in ihr Sortiment aufgenommen. “Händler können damit zusätzliche Kundengruppen ansprechen, zu den Nachhaltigkeitszielen beitragen und ihre Reputation stärken.”
11. September 2024, Frankfurt
Tagung 17. Jahreskonferenz Nachhaltige Geldanlagen 2024 (Veranstalter: Frankfurt School Verlag) Info & Anmeldung
12. September 2024, 9:00 bis 13:00 Uhr, Online
Online-Seminar Betriebliches Klimamanagement II (Veranstalter: KliMa Wirtschaft) Info & Anmeldung
12. September 2024, 9:00 bis 18:00 Uhr, Dortmund
Tagung Zukunftsforum nachhaltige Beschaffung (Veranstalter: Akademie für Textilverarbeitung) Info & Anmeldung
12. September 2024, 9:00 bis 21:00 Uhr, Berlin
Konferenz 5. Climate Transformation Summit (Veranstalter: The Climate Choice) Info & Anmeldung
13. September 2024, 10:00 bis 16:00 Uhr, Berlin
Tagung Engage-Konferenz (Veranstalter: BMWK) Info & Anmeldung
15. bis 20. September 2024, Hattingen
Seminar Wer, wie, was? Menschenrechte und Nachhaltigkeit im globalen Kapitalismus (Veranstalter: DGB Bildungswerk) Info & Anmeldung
17. September 2024, 10:00 bis 11:00 Uhr, Online
Webinar Nachhaltigkeitsstrategie und regionales Engagement transparent und erlebbar gestalten (Veranstalter: Klimaschutz-Unternehmen und DEUTIM GmbH) Info & Anmeldung
17. September 2024, 10:00 bis 16:00 Uhr, Bonn
Tagung Umweltgutachtertag 2024 – Umweltmanagersysteme im Wandel (Veranstalter: Verband für Nachhaltigkeits- und Umweltmanagement) Info & Anmeldung
18. September 2024, Hamburg
Konferenz TextilWirtschaft Sustainability Summit 2024 (Veranstalter: TextilWirtschaft und dfv Conference Group GmbH) Info & Anmeldung
Die Bundesregierung will der chemischen Industrie offenbar beim geplanten Verbot von per- und polyfluorierten Alkylsubstanzen (PFAS) entgegenkommen. Die industriell hergestellten organischen Verbindungen werden für Produkte wie Windkraftanlagen, Wärmepumpen, Smartphones und Kochgeräte benötigt, doch die Rückstände gelten als umweltschädlich und gesundheitsgefährdend. Sie sammeln sich in Pflanzen und Böden als sogenannte Ewigkeitschemikalien an, die lange in der Natur verbleiben.
Die PFAS-Substanzen seien bei vielen modernen Industrieanlagen unverzichtbar, heißt es nun in Regierungskreisen. Man werde einen “pragmatischen Weg” finden, der die industrielle Entwicklung Deutschlands nicht behindere. Dabei soll es sich um einen risikobasierten Ansatz bei der Einschränkung der Substanzen handeln, nicht um ein pauschales Verbot. Zuvor hatten knapp 40 Wirtschaftsverbände einen Brief an den Kanzler und die zuständigen Ressorts geschrieben, in dem sie eine “stärker zielgerichtete” Vorgehensweise anmahnen und einen PFAS-Gipfel im Kanzleramt fordern. Im Chemie-Dreieck in Bayern sollen Unternehmen wegen der bevorstehenden Regulierung bereits angekündigt haben, den Standort zu verlassen.
Die Fachpolitiker der Ampel haben ein Stärkungspaket für die Chemieindustrie vereinbart, das beim Chemie & Pharma Summit an diesem Donnerstag in Berlin präsentiert werden soll. Neben der Abschwächung bei der PFAS-Regulierung gehören angeblich weitere Maßnahmen zum Bürokratieabbau und ein Level Playing Field in Europa bei der Lieferkettengesetzgebung dazu. Die jüngste Wachstumsinitiative der Bundesregierung wird als stützende Maßnahme für die Branche benannt, heißt es. Nach dem Chemie-Gipfel im Herbst 2023 war der Druck der Industrie gestiegen, angesichts hoher Energiepreise und schwächelnder Wirtschaft die Branche zu stützen.
Bundeskanzler Olaf Scholz hält die zentrale Rede bei der Veranstaltung des Verbands der Chemischen Industrie. Auch CDU-Chef Friedrich Merz und FDP-Finanzminister Christian Lindner haben sich angekündigt. Deutschland ist der viertgrößte Chemiestandort der Welt nach den USA, China und Japan. Table.Briefings ist Medienpartner der Konferenz. In der Bundesregierung hält man die Aufregung der Branche für übertrieben. Ein Vorschlag der EU-Kommission zum Umgang mit den PFAS-Substanzen werde frühestens 2026 erwartet. brö
Mehrere Wirtschaftsverbände drängen erneut darauf, dass nicht nur Wirtschaftsprüfer, sondern auch unabhängige technische Dienstleister künftig CSRD-Reports (Corporate Sustainability Reporting Directive) testieren dürfen. In einem gemeinsamen Schreiben, das Table.Briefings vorliegt, weisen sie darauf hin, dass sich bei der Verbändeanhörung im Frühjahr zu dem geplanten CSRD-Gesetz der Bundesregierung “die überwiegende Mehrheit der über 80 Verbände” genau für diese Option ausgesprochen habe. Außerdem sei es über ein “Konformitätsbewertungsprogramm” nach “gegenwärtiger Rechtslage in Deutschland sehr wohl möglich, gleichwertige rechtliche Anforderungen für unabhängige Erbringer von Prüfdienstleistungen” festzulegen – anders als von der Bundesregierung behauptet. Die Akkreditierung für diese Dienstleistung könne über die Deutsche Akkreditierungsstelle (DAkkS) erfolgen.
Der Brief wurde von Dekra, dem TÜV-Verband, dem Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA), dem Mittelstandsverband BVMW sowie dem Verband für die mittelständische Wirtschaftsprüfung unterzeichnet. Er richtet sich an die CSRD-Berichterstatter der Fraktionen sowie die Abgeordneten, die das Gesetz im Herbst im Bundestag verabschieden wollen. Mit der Umsetzung verschärft die EU die Pflichten von Unternehmen, zu ihren nachhaltigen Aktivitäten zu berichten; künftig werden knapp 15.000 Unternehmen im Deutschland dem Gesetz nachkommen müssen.
Die Frage, wer die CSRD-Reports prüft, gehört zu größten Streitpunkten bei der Umsetzung des Gesetzes in nationales Recht. Die Befürworter der von der Regierung vorgeschlagenen Regelung argumentieren, dass die Prüfung künftig an die gängigen Finanzprüfungen angeglichen werden soll und dementsprechend Wirtschaftsprüfer vorzuziehen sind. maw
Seit Montag befindet sich der Referentenentwurf für ein Bundestariftreuegesetz in der Ressortabstimmung. Es soll für Liefer-, Bau und Dienstleistungsaufträge ab einem geschätzten Auftragswert von 25.000 Euro gelten, die an nicht tarifgebundene Unternehmen vergeben werden. Um den Zuschlag zu erhalten, müssen diese künftig ein “Tariftreueversprechen” abgeben, also ihren Beschäftigten bestimmte Arbeitsbedingungen bei der jeweiligen Leistungserbringung garantieren.
Mit dem bereits im Koalitionsvertrag angekündigten Gesetz will die Bundesregierung nicht nur unfaire Wettbewerbsbedingungen bekämpfen und die Tarifautonomie stärken, sondern auch einen Beitrag zur Erreichung der relevanten UN-Nachhaltigkeitsziele (SDGs) leisten. Drei SDGs werden explizit hervorgehoben:
Deutschland steht bei der Umsetzung der globalen Nachhaltigkeitsziele vergleichsweise gut da. Im Ranking des Sustainable Development Report liegt es aktuell auf Platz 4, hinter Finnland, Schweden und Dänemark. ch
Nachhaltige Geldanlagen spielen für Privatanleger in Deutschland heute eine geringere Rolle als noch vor zwei Jahren. Das geht aus einer am Montag veröffentlichten repräsentativen Umfrage des Vergleichsportals Verivox hervor. Demnach interessieren sich derzeit 69 Prozent der Befragten für Finanzprodukte, die bestimmte ökologische, soziale und ethische Mindeststandards erfüllen. 2022 seien es noch zehn Prozent mehr gewesen.
Auch der Anteil der Befragten, die angaben, selbst in nachhaltige Geldanlagen zu investieren, ist demnach gesunken. Er ging von knapp einem Viertel im Jahr 2022 auf aktuell 21 Prozent zurück.
“Das Interesse an nachhaltigen Geldanlagen wird auch von der aktuellen Nachrichtenlage beeinflusst”, sagt Verivox-Geschäftsführer Oliver Maier. “Vor zwei Jahren war die gesellschaftliche Debatte noch stärker als heute von Themen geprägt, die von vielen Menschen mit Nachhaltigkeit verbunden werden.” Nachhaltige Finanzprodukte hätten ihr früheres Nischendasein dennoch hinter sich gelassen.
Doch die Vorstellungen darüber, was eine nachhaltige Geldanlage im Kern ausmacht, gehen weit auseinander. “Jeder versteht unter Nachhaltigkeit etwas anderes”, sagt Maier. Auch gäbe es bislang keine gesetzlichen Mindeststandards oder ein staatliches Zertifikat für nachhaltige Finanzprodukte. “Darum wissen viele Menschen überhaupt nicht, ob die Anlageprodukte, in die sie investieren, Nachhaltigkeitskriterien erfüllen.”
Gütesiegel wie das FNG-Siegel des Forums Nachhaltige Geldanlagen können bei der Auswahl helfen. Zudem veröffentlichen Finanzunternehmen wie der Rating- und Analysespezialist Morningstar oder der Indexanbieter MSCI eigene Nachhaltigkeitsratings, legen dabei aber unterschiedliche Maßstäbe an. “Die Prüfkriterien sind so verschieden, dass die Bewertungen für ein und denselben Fonds sehr unterschiedlich ausfallen können.” ch
Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) hält hohe Investitionen und tiefgreifende Strukturreformen für erforderlich, um Deutschland als Industriestandort zu erhalten. Anderenfalls seien bis zum Jahr 2030 rund 20 Prozent der deutschen Industriewertschöpfung gefährdet, heißt es in einer am Dienstag vorgestellten Studie, die die Boston Consulting Group und das Institut der Deutschen Wirtschaft im Auftrag des BDI erstellt haben. Besonders groß ist der Gefährdungsanteil demnach bei Kokereien und Mineralölverarbeitung mit rund 60 Prozent, in der Grundstoff-Chemie mit 40 Prozent und im Automobilbau mit 30 Prozent.
Die Studie sei ein “lauter Weckruf” für die Politik, sagte BDI-Präsident Siegfried Russwurm. Allerdings dürfte sich Wirtschaftsminister Robert Habeck durch viele BDI-Forderungen eher bestärkt fühlen – etwa nach niedrigeren Industriestrompreisen, die er in der Regierung nicht durchsetzen konnte, oder nach einem schnellen Aufbau einer Wasserstoff-Infrastruktur, die die Regierung gerade auf den Weg gebracht hat. Zudem macht die Studie auch deutlich, dass viele der Probleme nicht allein von der deutschen Politik verursacht wurden – etwa die Demografiekrise, die gestiegenen Gaspreise oder wachsender Protektionismus. Eine Abschwächung der Klimaziele fordert der BDI nicht, auch der aktuellen Kritik am Verbrenner-Verbot schließt er sich nicht an, sondern stellt fest: “Die Zukunft des Automobilsektors hängt mehr als alles andere davon ab, ob deutsche Hersteller auch in Elektromobilität erfolgreich sind.”
Zur Stärkung des Standorts fordert der BDI eine “industriepolitische Agenda”. Zu dieser gehörten günstigere Energiepreise durch gezielte Entlastung, der Abbau von Bürokratie, eine schnellere Digitalisierung und die Modernisierung der Infrastruktur. Die zusätzlichen Investitionen dafür schätzt der Verband bis 2030 auf rund 1,4 Billionen Euro. Ein Drittel davon müsse vom Staat aufgebracht werden. Zur Finanzierung setzt der BDI dabei zunächst auf Priorisierung und effizienteren Mitteleinsatz; wenn dies erfolgt sei, hält der Verband zusätzliche Schulden in Form von zweckgebundenen Sondervermögen für vertretbar. mkr
Um alle öffentlichen Gebäude in Deutschland bis 2045 klimaneutral zu machen, müssten Bund, Länder und Kommunen insgesamt 120 Milliarden Euro in die energetische Sanierung investieren. Zu diesem Ergebnis kommt eine am Montag veröffentlichte Studie der Prognos AG und des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme ISE im Auftrag der Deutschen Energie-Agentur (Dena).
Den Berechnungen zufolge entfallen davon zwei Drittel auf die Kommunen, da sich die meisten öffentlichen Immobilien wie Schulen und Verwaltungsgebäude in kommunalem Besitz befinden.
“Die Umsetzung der Energiewende benötigt in den nächsten Jahrzehnten hohe Investitionen, insbesondere im Gebäudesektor. Die öffentliche Hand sollte hier Vorreiter sein“, sagte Corinna Enders, Vorsitzende der Dena-Geschäftsführung. Ziel müsse es sein, privates Kapital zu aktivieren und die Aufgaben rund um die energetische Sanierung zu bündeln und zu beschleunigen, so Enders. Mit “weiter wie bisher” würde das gesteckte Klimaziel verfehlt.
Um Wege aufzuzeigen, wie diese Investitionen in Zeiten der Schuldenbremse und knapper Kassen bewältigt werden können, werden in der Studie sechs Finanzierungsoptionen ausführlich dargestellt: der Einsatz von Eigen- und Fremdkapital, Energieliefer-Contracting, Energiespar-Contracting, Klimaschutz-Contracting und Intracting.
Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass die Umsetzungsgeschwindigkeit und die energetische Sanierungstiefe bereits heute erheblich gesteigert werden könnten, wenn externe Dienstleister privates Know-how einbringen, Ausführungs- und Betriebsrisiken übernehmen sowie Ergebnis- und Einspargarantien abgeben.
Dem in der Studie errechneten Gesamtinvestitionsbedarf von 120 Milliarden Euro bis 2045 stehen bereits in den ersten 20 Jahren Energiekosteneinsparungen von 45 Milliarden Euro gegenüber. Nach weiteren 20 Jahren hätten sich die eingesetzten Mittel amortisiert, so die Studie. Bis 2085 würde sich sogar ein positiver Saldo von rund 90 Milliarden Euro ergeben. ch
Bis zu 40 Prozent der Emissionen aus dem Ackerbau könnten durch die Nutzung technologischer Innovationen vermieden werden. Zu diesem Ergebnis kommt eine vom Industrieverband Agrar (IVA) in Auftrag gegebene Studie, die unter der Leitung von Enno Bahrs, Professor für landwirtschaftliche Betriebslehre an der Universität Hohenheim, durchgeführt und am Montag vorgestellt wurde.
Die Studienautoren haben vier Verfahren untersucht, die aus ihrer Sicht Potenzial bei der Reduzierung der THG-Emissionen bieten: die Düngeherstellung mittels grünen Ammoniaks, die teilflächenspezifische Düngung, der Einsatz von Nitrifikationsinhibitoren und der Einsatz neuer genomischer Techniken (NGT) in der Pflanzenzüchtung.
Die Autoren betonen, dass die Reduzierung der THG-Emissionen im Land- und Forstwirtschaftssektor (LULUCF) auch aus globaler Sicht eine wichtige Rolle für den Klimaschutz spiele. Derzeit sei der Sektor für rund 22 Prozent der globalen Gesamtemissionen verantwortlich.
Basierend auf ihren Ergebnissen haben sie fünf politische Handlungsempfehlungen formuliert:
IVA-Präsident Michael Wagner betonte die wichtige Rolle, die Innovationen für den Klimaschutz spielen. “Damit die technologischen Lösungen flächendeckend die Klimabilanz verbessern, muss die Politik jetzt die notwendigen Rahmenbedingungen für eine klimaverträglichere Landwirtschaft schaffen”, forderte er.
Die Agrarproduktion müsse “effizienter” werden, sagte Wagner. “Doch ohne Mehrkosten wird das nicht gehen.” Um das Potenzial der Landwirtschaft zu heben, müssten deshalb die Energiepreise für erneuerbare Energien sinken. Zum Einsatz von NGT sagte er: “Wir plädieren sehr stark dafür, dass die praxistaugliche und beschleunigte Züchtung künftig möglich wird.”
Einer der Streitpunkte im Fachdialog, der im Anschluss an die Pressekonferenz stattfand, war die Frage, ob der Einsatz von Nitrifikationsinhibitoren in der Landwirtschaft bereits hinreichend erforscht sei. Luisa Rölke, Leiterin des Referats “Klimaschutz, Klimaanpassung, Wasser” im Bundeslandwirtschaftsministerium (BMEL), monierte, dass das Ministerium in diesem Bereich noch Forschungsbedarf sehe und die vorhandenen Studien nicht ausreichen würden. ag
Wie ESG-Reporting europäische Konzerne belastet – Heise
Die europäischen ESG-Regeln belasten die Unternehmen. Eine Studie von Bloomberg zeigt auf, dass der Druck zu Investitionen in Bereichen wie Klima auf Kosten der Gewinne geht. In den letzten fünf Jahren hat der US-amerikanische S&P 500 Index mehr als doppelt so stark zugelegt wie der europäische Stoxx 600 Index. Europäische Energieunternehmen werden mittlerweile mit einem Abschlag von 40 Prozent im Vergleich zu ihren US-amerikanischen Konkurrenten gehandelt. Zum Artikel
Wandel tut weh – egal ob digital oder nachhaltig – FAZ
Für viele Unternehmen ist die Pflicht, über Nachhaltigkeit zu berichten, sehr aufwendig. Allerdings sehen Manager auch eine Chance in den Pflichtberichten, denn sie gehen davon aus, dass Nachhaltigkeit künftig für die Kunden ein wichtiges Kriterium sein wird, wenn es um Kaufentscheidungen geht. Zum Artikel
Auf diese ESG-Kriterien achten Banken – Impulse
Banken legen vermehrt Wert auf ESG-Kriterien und berücksichtigen diese beispielsweise bei der Kreditvergabe. Eine EU-Richtlinie fordert von Banken, zu überprüfen, ob Kreditnehmer Nachhaltigkeitskriterien erfüllen. Dies führt dazu, dass Unternehmen mit einem schlechten ESG-Scoring teilweise mit höheren Kreditkosten rechnen müssen. Zum Artikel
Die neue Ökodesign-Verordnung als weitreichende Vorgabe zur nachhaltigen Kreislaufwirtschaft – Der Standard
Die neue Ökodesign-Verordnung der Europäischen Union (ESPR) ist als Rahmenverordnung gestaltet. Das bedeutet, dass sie im Allgemeinen keine spezifischen Ökodesign-Anforderungen für die betroffenen Produkte festlegt, sondern die EU-Kommission diese durch delegierte Rechtsakte auf Basis detaillierter Produktfolgenabschätzungen erlässt. Eine Ausnahme ist das in der ESPR vorgesehene Verbot der Vernichtung unverkaufter Verbraucherprodukte wie Kleidung und Bekleidungszubehör. Zum Artikel
An ESG Backlash Erupts in Europe on World’s Strictest Rules – Bloomberg
Nirgendwo auf der Welt sind die ESG-Regeln so streng wie in der Europäischen Union. Der European Round Table for Industry, dessen Mitgliedsunternehmen zusammen einen Jahresumsatz von 2 Billionen Euro erwirtschaften, geht davon aus, dass die Vorschriften den Verlust der Wettbewerbsfähigkeit beschleunigen und warnt, dass die Aussichten der Mitglieder “außerhalb Europas” besser seien. Zum Artikel
Greenwashing kann Firmen schaden – taz
Nach einer Studie des Vereins Finanzwende hat Greenwashing finanzielle Nachteile für Banken und Vermögensverwalter. Wenn Aufsichtsbehörden wie die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BAFin) eingreifen, sinke der Aktienkurs der betroffenen Unternehmen. Wird der Greenwashing-Vorwurf jedoch nur öffentlich gemacht und diskutiert, reagieren die Investoren nicht und der Aktienkurs bleibe stabil. Zum Artikel
A response to Savin and van den Bergh: Ceci n’est pas degrowth – Timothée Parrique
Ist Postwachstum die Lösung für die dekarbonisierte, faire Wirtschaft der Zukunft? Zwei Ökonomen haben zahlreiche Studien zum Thema untersucht und gezeigt, dass die meisten Veröffentlichungen mehr von Meinungen als von wissenschaftlicher Analyse geprägt sind, wie die FAZ berichtete. Daran gibt es nun deutliche Kritik: In einem Blog-Beitrag reagiert der Ökonom Timothée Parrique und fasst die Mängel der Meta-Studie zusammen. Ein wichtiger Punkt: Ein Großteil wichtiger Degrowth-Publikationen sei nicht einbezogen worden. Zum Artikel
wie kann die EU wettbewerbsfähiger werden? Die Europäische Kommission hatte den ehemaligen EZB-Präsidenten Mario Draghi beauftragt, seine Antworten auf diese Frage in einem Bericht aufzuschreiben. Am Montag hat er diesen vorgestellt. Er schlägt darin eine gemeinsame europäische Industriepolitik vor, mit dem zentralen Element der Dekarbonisierung. Die EU solle “die Führungsrolle in neuen, sauberen Technologien und bei Lösungen für die Kreislaufwirtschaft übernehmen”. Alexandra Endres, Alina Leimbach, Till Hoppe, János Allenbach-Ammann und Alex Veit haben den Bericht und die Reaktionen analysiert.
50 Prozent des weltweiten Bedarfs an Gold stammt aus der Schmuckherstellung. Weil der Abbau des begehrten Rohstoffs wegen Umweltverschmutzung und Menschenrechtsverletzungen in der Kritik steht, bemüht die Branche sich um mehr Nachhaltigkeit. Doch welches Gold ist wirklich nachhaltig, das faire oder das recycelte? Die Debatte habe ich in meiner Analyse zusammengefasst.
Die Bundesregierung will der chemischen Industrie offenbar beim geplanten Verbot von per- und polyfluorierten Alkylsubstanzen (PFAS) entgegenkommen. Die industriell hergestellten organischen Verbindungen werden für Produkte wie Windkraftanlagen, Wärmepumpen, Smartphones und Kochgeräte benötigt. Die Rückstände gelten jedoch als gesundheitsgefährdend, sammeln sich in Pflanzen und Böden. Wie der “pragmatische Weg” aussieht, den die Bundesregierung nun vorschlägt, lesen Sie in der News von Michael Bröcker.
Der frühere EZB-Präsident Mario Draghi schlägt in einem Bericht zur Wettbewerbsfähigkeit eine gemeinsame europäische Industriepolitik vor. Ein zentrales Element darin sei die Dekarbonisierung. Durch sie könne die EU sowohl “die Führungsrolle in neuen, sauberen Technologien und bei Lösungen für die Kreislaufwirtschaft übernehmen”, schreibt Draghi in der am Montag vorgestellten Studie, die er für die EU-Kommission erarbeitet hat. Der Bericht bettet Draghis Empfehlungen zur Dekarbonisierung in eine breitere Strategie ein, um die Wettbewerbsfähigkeit der EU vor allem gegenüber den USA und China zu verbessern.
Wie gut die Dekarbonisierung der europäischen Wirtschaft gelänge, entscheide maßgeblich über die künftige Wettbewerbsfähigkeit der EU – und umgekehrt entscheide die künftige Wettbewerbsfähigkeit der EU maßgeblich über den Erfolg der Dekarbonisierung, schreibt Draghi.
Für verschiedene Sektoren schlägt der Bericht je unterschiedliche Maßnahmen vor. Energieintensive Industrien etwa sollten durch “ausreichende finanzielle Mittel” unterstützt werden, beispielsweise aus dem Emissionshandelssystems ETS. Das Geld solle etwa für die Einführung von grünem Wasserstoff oder für CO₂-Abscheidung und Speicherung (CCS) ausgegeben werden.
Auch für die Automobilbranche plädiert Draghi für spezifische Unterstützung. Ein “Industrie-Aktionsplan” solle “eine radikale Abwanderung der Produktion aus der EU oder eine schnelle Übernahme der EU-Fabriken und Unternehmen durch staatlich unterstützte ausländische Produzenten verhindern und zugleich die Dekarbonisierung fortsetzen“.
Bei der industriellen Produktion insgesamt solle sich die EU sich auf Technologien konzentrieren, bei denen sie “entweder eine Führungsrolle hat oder bei denen es strategische Argumente für die Entwicklung inländischer Kapazitäten gibt”. Dazu werden vier Kategorien identifiziert:
Handelspolitik bezeichnet der Draghi-Bericht als “fundamental”, um Wettbewerbsfähigkeit und Dekarbonisierung zu kombinieren. Dafür müsste einerseits auf unfaire Handelspraktiken im Ausland reagiert werden – und andererseits sollten essenzielle europäische Lieferketten etwa durch strategische Partnerschaften abgesichert werden.
Solche Handelsabkommen sollen auch den europäischen Zugang zu kritischen Rohstoffen und anderen essenziellen Produkten gewährleisten. Das geht in dieselbe Richtung, die auch Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen im Juli in ihren politischen Leitlinien für die nächsten Jahre ausformuliert hatte. Daneben plädiert Draghi für einen umweltfreundlichen Tiefseebergbau, den Abbau von Bodenschätzen in Europa selbst sowie die Entwicklung eines gemeinsamen, nach außen geschützten Markt für Abfälle.
Präferenzielle, auf einige Sektoren beschränkte Handelsabkommen wie auch einige der vorgeschlagenen protektionistischen Instrumente widersprechen allerdings den Regeln der World Trade Organisation.Aber Draghi sieht die multilaterale Handelsordnung ohnehin in einer “tiefen Krise” und die EU müsse sich an die neue Realität anpassen. “Die EU wird eine genuine Außenwirtschaftspolitik entwickeln müssen, die präferenzielle Handelsabkommen und Direktinvestitionen mit ressourcenreichen Ländern, den Aufbau von Vorräten in ausgewählten kritischen Bereichen und die Schaffung von Industriepartnerschaften zur Sicherung der Lieferkette für Schlüsseltechnologien koordiniert.”
Das sensible Thema Finanzierung hat Draghi auf vier der insgesamt rund 400 Seiten seines Berichts abgehandelt, um ablehnende Reflexe gegenüber gemeinsamen EU-Schulden aus einigen Mitgliedsstaaten nicht herauszufordern. Zwischen 750 und 800 Milliarden Euro an jährlichen Zusatzinvestitionen sind demnach nötig. Davon sollten 300 Milliarden Euro in die Transformation des Energiesystems und weitere 150 Milliarden in die Transportnetze fließen. Den Rest setzte Draghi für digitale Technologien, Verteidigung und Innovationen an.
Draghi betont, dass ein Teil davon aus der öffentlichen Kasse kommen müsse. “Gemeinsame Finanzierung wird benötigt”, sagte er, und daher müsse die EU ein gemeinsames “Safe Asset” herausgeben. Dies sei auch hilfreich, um eine Kapitalmarktunion voranzutreiben.
Die ersten Reaktionen ließen nicht lange auf sich warten: Mario Draghi hatte seine Pressekonferenz am Mittag kaum beendet, da meldete sich bereits Bundesfinanzminister Christian Lindner zu Wort: “Mit einer gemeinsamen Schuldenaufnahme durch die EU lösen wir die strukturellen Probleme nicht“, erklärte der FDP-Chef. Deutschland werde dem nicht zustimmen.
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) nannte den Bericht hingegen einen “Weckruf an Europa”. Draghi habe recht, die EU brauche massive Investitionen, umfassende Reformen und eine Stärkung der Resilienz. Es gelte, jetzt nicht einfach zur Tagesordnung überzugehen, mahnte Habeck. Der Bericht sei eine Handlungsaufforderung an die neue Kommission und die EU insgesamt. “Ich sage gern meine Unterstützung zu.”
Die einmal mehr widersprüchlichen Reaktionen aus Berlin demonstrieren, wie weit der Weg zur Umsetzung der Vorschläge Draghis ist. Ursula von der Leyen hingegen bemerkte, dass es in den EU-Institutionen “einen breiten Konsens” gäbe, dass die Wettbewerbsfähigkeit ganz oben auf die Agenda gehöre. Draghis “Plan für Dekarbonisierung und Wettbewerbsfähigkeit” decke sich weitgehend mit ihrem eigenen Vorhaben, einem “Clean Industrial Deal”.
Alexandra Endres, Alina Leimbach, Till Hoppe, János Allenbach-Ammann, Alex Veit
Gold hat als Schmuckstück und Anlageobjekt seit Jahrtausenden in vielen Kulturen großen Wert: Es symbolisiert Wohlstand und dient als Inflationsschutz. Die Nachfrage nach Gold wächst – vor allem in Indien und China, die heute Hauptabsatzmärkte sind. Auch Deutschland ist ein wichtiger Markt. Laut Studien besitzen Privathaushalte mehr als 9.000 Tonnen Gold; die deutsche Bundesbank hält die global zweithöchsten offiziellen Goldreserven nach den USA.
80 Prozent des Goldes, das auf diese Märkte gelangt, stammt aus dem industriellen, hoch technologisierten Bergbau, den oft große, multinationale Konzerne aus dem Globalen Norden betreiben. 90 Prozent der Menschen, die im Goldabbau beschäftigt sind, arbeiten allerdings im Kleinbergbau. Schätzungen zufolge ist dieser der Lebensunterhalt für weltweit 150 Millionen Menschen.
Der Abbau des Goldes ist hoch umstritten: zum Beispiel wegen des oftmaligen Einsatzes von giftigem Quecksilber, des hohen Wasser- und Flächenbedarfs, der CO₂-Emissionen, wegen Arbeitsunfällen in den Minen, des Risikos von Kinder- und Zwangsarbeit in vielen Abbauländern, wegen Korruption und anderen Formen von Kriminalität. Eine lange Liste, die von Rufen nach einem nachhaltigeren Goldabbau begleitet wird.
50 Prozent der globalen Nachfrage nach Gold stammt aus der Schmuckbranche. Die Industrie legt inzwischen einen Fokus auf Nachhaltigkeit, erklärt Guido Grohmann, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands Schmuck, Uhren, Silberwaren und verwandte Industrien (BVUS). In der vergangenen Woche lud der Verband mit Sitz in Pforzheim erstmals zum “Sustainable Jewellery Day” – wo neben weiteren Themen insbesondere eine Frage diskutiert wurde: Fair oder recycelt?
“Recyceltes Gold ist wie kein anderer Produktionsfaktor existenzieller Bestandteil der DNA der Pforzheimer und deutschen Schmuckindustrie”, sagt Grohmann und hebt die hohen Recyclingraten hervor. Etwa ein Viertel des globalen Angebots ist Recyclingware, 90 Prozent des jemals abgebauten Goldes sei noch im Umlauf.
Das Problem: Es gibt bislang keine klare Definition von Recycling-Gold. Es handelt sich deshalb oft vielmehr um ein Reprocessing, also eine Wiederaufbereitung von Schmuck, Investment-Produkten und Produktionsresten, als um die Verwertung von tatsächlichen Abfällen, etwa aus Elektroschrott. Auch illegal abgebautes und mit Umweltverschmutzung und Menschenrechtsverletzungen verbundenes Gold, kann in die Recyclingkreisläufe gelangen. Die Internationale Organisation für Normung (ISO) entwickelt deshalb zurzeit eine Norm für die Anforderungen an recyceltes Gold.
Bei den Konsumentinnen erwecke der Begriff den Eindruck, es handele sich um eine besonders nachhaltige Weise, Gold zu beziehen, kritisiert Désirée Binternagel, Geschäftsführerin der Fairever GmbH. Das Unternehmen aus Leipzig handelt mit zertifiziertem Gold und Silber und setzt sich für einen verantwortungsvollen Bergbau ein. “Tatsächlich betrachtet man den Rohstoff jedoch erst ab einem bestimmten Punkt in der Lieferkette”, erklärt sie. “Dies führt nicht dazu, dass weniger Gold abgebaut wird oder sich die Bedingungen für die Menschen in den Lieferketten verbessern.”
Drei Viertel des globalen Goldangebots stammt schließlich trotzdem aus dem Bergbau. Jeder, der mit Gold arbeite, sollte sich damit auseinandersetzen, woher es kommt, sagt Binternagel. Ihr Unternehmen arbeitet deshalb mit Fairtrade und dem Label Fairmined der Alliance for Responsible Mining zusammen. Beide Zertifizierungssysteme definieren Standards für den Abbau, eine getrennte Lagerung und die Nachverfolgung des produzierten Goldes. Die Akteure in den nachgelagerten Lieferketten erhalten Sozial- und Umweltprämien, die sie etwa für den Bau von Schulen oder für Renaturierungsprojekte verwenden. Zudem schreiben beide Systeme vor, dass die Minenbetreiber mindestens 95 Prozent des Goldwerts erhalten müssen.
Kaufen Jan Spille und sein Team Gold an, um es in einer Scheideanstalt recyceln zu lassen und dann wieder zu Schmuck zu verarbeiten, achten sie auf den Gebrauchswert: Kunden können etwa aus dem alten, getragenen Goldschmuck ihrer Großeltern neue Schmuckstücke herstellen lassen, nicht aber aus neuen Industrieprodukten. Recycling zu strengen Bedingungen.
Dies ist eines von vier Rohstoff-Konzepten, aus denen die Kundinnen des Hamburger Schmuckunternehmens auswählen können. Spille setzt vor allem auf durch “Fairtrade” und “Fairmined” zertifiziertes Material. Seit 2003 engagiert sich der Goldschmied und Schmuckdesigner für einen ökologisch- und sozialgerechten Bergbau, reist regelmäßig zu den Minen in Asien, Afrika und Südamerika und wurde mehrfach für seine Arbeit ausgezeichnet.
“Natürlich wäre es am besten, das bisher abgebaute Gold ab sofort nur noch zu recyceln und alle Minen zu schließen”, sagt Spille. “Aber das ist eine sehr begrenzte Perspektive auf die Wirklichkeit, denn: Man kann den Goldbergbau nicht abschaffen.” Besonders in Zeiten hoher Goldpreise – wie zurzeit – merke man in den Bergbauregionen: Gold wird weiter abgebaut werden. Zu wichtig ist dieser Sektor als Lebensgrundlage von Millionen von Menschen. “Und deshalb müssen die Lieferketten über Zertifizierungssysteme wie Fairtrade reguliert werden.”
Der Anteil dieser Systeme an der Gesamtproduktion im Kleinbergbau ist bisher gering: Weniger als 1 Prozent der globalen Goldförderung aus dem Kleinbergbau werden zurzeit durch sie erfasst. Von Fairtrade Gold sind bisher 14 Minen, alle mit Sitz in Peru, zertifiziert. In Deutschland wurden 2023 12 Kilogramm Fairtrade-Gold verarbeitet. In der Schweiz, wo etwa ein Drittel des globalen Goldes weiterverarbeitet wird, ist es schon etwas mehr: Laut Fairtrade werden heute jährlich mehr als eine Tonne Fairtrade-Gold in die Schweiz geliefert. Seit 2021 gibt es dort den weltweit ersten Fonds mit physischem Fairtrade-Gold.
Die Nachfrage sei zurzeit gleichbleibend gering, erzählt Désirée Binternagel. “Sie war eigentlich stetig im Wachstum, aber die Covid-Pandemie und der Krieg haben das ausgebremst.” Beim Sustainable Jewellery Day warb sie dafür, dass auch die größeren Schmuckunternehmen zertifizierte Kleinbergbauern unterstützen. “Wenn jeder Schmuckschaffende nur 20 Prozent zertifiziertes Gold verwenden würde, wäre schon viel getan”, sagt sie. Schließlich hätten auch Discounter inzwischen Fairtrade-Produkte in ihr Sortiment aufgenommen. “Händler können damit zusätzliche Kundengruppen ansprechen, zu den Nachhaltigkeitszielen beitragen und ihre Reputation stärken.”
11. September 2024, Frankfurt
Tagung 17. Jahreskonferenz Nachhaltige Geldanlagen 2024 (Veranstalter: Frankfurt School Verlag) Info & Anmeldung
12. September 2024, 9:00 bis 13:00 Uhr, Online
Online-Seminar Betriebliches Klimamanagement II (Veranstalter: KliMa Wirtschaft) Info & Anmeldung
12. September 2024, 9:00 bis 18:00 Uhr, Dortmund
Tagung Zukunftsforum nachhaltige Beschaffung (Veranstalter: Akademie für Textilverarbeitung) Info & Anmeldung
12. September 2024, 9:00 bis 21:00 Uhr, Berlin
Konferenz 5. Climate Transformation Summit (Veranstalter: The Climate Choice) Info & Anmeldung
13. September 2024, 10:00 bis 16:00 Uhr, Berlin
Tagung Engage-Konferenz (Veranstalter: BMWK) Info & Anmeldung
15. bis 20. September 2024, Hattingen
Seminar Wer, wie, was? Menschenrechte und Nachhaltigkeit im globalen Kapitalismus (Veranstalter: DGB Bildungswerk) Info & Anmeldung
17. September 2024, 10:00 bis 11:00 Uhr, Online
Webinar Nachhaltigkeitsstrategie und regionales Engagement transparent und erlebbar gestalten (Veranstalter: Klimaschutz-Unternehmen und DEUTIM GmbH) Info & Anmeldung
17. September 2024, 10:00 bis 16:00 Uhr, Bonn
Tagung Umweltgutachtertag 2024 – Umweltmanagersysteme im Wandel (Veranstalter: Verband für Nachhaltigkeits- und Umweltmanagement) Info & Anmeldung
18. September 2024, Hamburg
Konferenz TextilWirtschaft Sustainability Summit 2024 (Veranstalter: TextilWirtschaft und dfv Conference Group GmbH) Info & Anmeldung
Die Bundesregierung will der chemischen Industrie offenbar beim geplanten Verbot von per- und polyfluorierten Alkylsubstanzen (PFAS) entgegenkommen. Die industriell hergestellten organischen Verbindungen werden für Produkte wie Windkraftanlagen, Wärmepumpen, Smartphones und Kochgeräte benötigt, doch die Rückstände gelten als umweltschädlich und gesundheitsgefährdend. Sie sammeln sich in Pflanzen und Böden als sogenannte Ewigkeitschemikalien an, die lange in der Natur verbleiben.
Die PFAS-Substanzen seien bei vielen modernen Industrieanlagen unverzichtbar, heißt es nun in Regierungskreisen. Man werde einen “pragmatischen Weg” finden, der die industrielle Entwicklung Deutschlands nicht behindere. Dabei soll es sich um einen risikobasierten Ansatz bei der Einschränkung der Substanzen handeln, nicht um ein pauschales Verbot. Zuvor hatten knapp 40 Wirtschaftsverbände einen Brief an den Kanzler und die zuständigen Ressorts geschrieben, in dem sie eine “stärker zielgerichtete” Vorgehensweise anmahnen und einen PFAS-Gipfel im Kanzleramt fordern. Im Chemie-Dreieck in Bayern sollen Unternehmen wegen der bevorstehenden Regulierung bereits angekündigt haben, den Standort zu verlassen.
Die Fachpolitiker der Ampel haben ein Stärkungspaket für die Chemieindustrie vereinbart, das beim Chemie & Pharma Summit an diesem Donnerstag in Berlin präsentiert werden soll. Neben der Abschwächung bei der PFAS-Regulierung gehören angeblich weitere Maßnahmen zum Bürokratieabbau und ein Level Playing Field in Europa bei der Lieferkettengesetzgebung dazu. Die jüngste Wachstumsinitiative der Bundesregierung wird als stützende Maßnahme für die Branche benannt, heißt es. Nach dem Chemie-Gipfel im Herbst 2023 war der Druck der Industrie gestiegen, angesichts hoher Energiepreise und schwächelnder Wirtschaft die Branche zu stützen.
Bundeskanzler Olaf Scholz hält die zentrale Rede bei der Veranstaltung des Verbands der Chemischen Industrie. Auch CDU-Chef Friedrich Merz und FDP-Finanzminister Christian Lindner haben sich angekündigt. Deutschland ist der viertgrößte Chemiestandort der Welt nach den USA, China und Japan. Table.Briefings ist Medienpartner der Konferenz. In der Bundesregierung hält man die Aufregung der Branche für übertrieben. Ein Vorschlag der EU-Kommission zum Umgang mit den PFAS-Substanzen werde frühestens 2026 erwartet. brö
Mehrere Wirtschaftsverbände drängen erneut darauf, dass nicht nur Wirtschaftsprüfer, sondern auch unabhängige technische Dienstleister künftig CSRD-Reports (Corporate Sustainability Reporting Directive) testieren dürfen. In einem gemeinsamen Schreiben, das Table.Briefings vorliegt, weisen sie darauf hin, dass sich bei der Verbändeanhörung im Frühjahr zu dem geplanten CSRD-Gesetz der Bundesregierung “die überwiegende Mehrheit der über 80 Verbände” genau für diese Option ausgesprochen habe. Außerdem sei es über ein “Konformitätsbewertungsprogramm” nach “gegenwärtiger Rechtslage in Deutschland sehr wohl möglich, gleichwertige rechtliche Anforderungen für unabhängige Erbringer von Prüfdienstleistungen” festzulegen – anders als von der Bundesregierung behauptet. Die Akkreditierung für diese Dienstleistung könne über die Deutsche Akkreditierungsstelle (DAkkS) erfolgen.
Der Brief wurde von Dekra, dem TÜV-Verband, dem Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA), dem Mittelstandsverband BVMW sowie dem Verband für die mittelständische Wirtschaftsprüfung unterzeichnet. Er richtet sich an die CSRD-Berichterstatter der Fraktionen sowie die Abgeordneten, die das Gesetz im Herbst im Bundestag verabschieden wollen. Mit der Umsetzung verschärft die EU die Pflichten von Unternehmen, zu ihren nachhaltigen Aktivitäten zu berichten; künftig werden knapp 15.000 Unternehmen im Deutschland dem Gesetz nachkommen müssen.
Die Frage, wer die CSRD-Reports prüft, gehört zu größten Streitpunkten bei der Umsetzung des Gesetzes in nationales Recht. Die Befürworter der von der Regierung vorgeschlagenen Regelung argumentieren, dass die Prüfung künftig an die gängigen Finanzprüfungen angeglichen werden soll und dementsprechend Wirtschaftsprüfer vorzuziehen sind. maw
Seit Montag befindet sich der Referentenentwurf für ein Bundestariftreuegesetz in der Ressortabstimmung. Es soll für Liefer-, Bau und Dienstleistungsaufträge ab einem geschätzten Auftragswert von 25.000 Euro gelten, die an nicht tarifgebundene Unternehmen vergeben werden. Um den Zuschlag zu erhalten, müssen diese künftig ein “Tariftreueversprechen” abgeben, also ihren Beschäftigten bestimmte Arbeitsbedingungen bei der jeweiligen Leistungserbringung garantieren.
Mit dem bereits im Koalitionsvertrag angekündigten Gesetz will die Bundesregierung nicht nur unfaire Wettbewerbsbedingungen bekämpfen und die Tarifautonomie stärken, sondern auch einen Beitrag zur Erreichung der relevanten UN-Nachhaltigkeitsziele (SDGs) leisten. Drei SDGs werden explizit hervorgehoben:
Deutschland steht bei der Umsetzung der globalen Nachhaltigkeitsziele vergleichsweise gut da. Im Ranking des Sustainable Development Report liegt es aktuell auf Platz 4, hinter Finnland, Schweden und Dänemark. ch
Nachhaltige Geldanlagen spielen für Privatanleger in Deutschland heute eine geringere Rolle als noch vor zwei Jahren. Das geht aus einer am Montag veröffentlichten repräsentativen Umfrage des Vergleichsportals Verivox hervor. Demnach interessieren sich derzeit 69 Prozent der Befragten für Finanzprodukte, die bestimmte ökologische, soziale und ethische Mindeststandards erfüllen. 2022 seien es noch zehn Prozent mehr gewesen.
Auch der Anteil der Befragten, die angaben, selbst in nachhaltige Geldanlagen zu investieren, ist demnach gesunken. Er ging von knapp einem Viertel im Jahr 2022 auf aktuell 21 Prozent zurück.
“Das Interesse an nachhaltigen Geldanlagen wird auch von der aktuellen Nachrichtenlage beeinflusst”, sagt Verivox-Geschäftsführer Oliver Maier. “Vor zwei Jahren war die gesellschaftliche Debatte noch stärker als heute von Themen geprägt, die von vielen Menschen mit Nachhaltigkeit verbunden werden.” Nachhaltige Finanzprodukte hätten ihr früheres Nischendasein dennoch hinter sich gelassen.
Doch die Vorstellungen darüber, was eine nachhaltige Geldanlage im Kern ausmacht, gehen weit auseinander. “Jeder versteht unter Nachhaltigkeit etwas anderes”, sagt Maier. Auch gäbe es bislang keine gesetzlichen Mindeststandards oder ein staatliches Zertifikat für nachhaltige Finanzprodukte. “Darum wissen viele Menschen überhaupt nicht, ob die Anlageprodukte, in die sie investieren, Nachhaltigkeitskriterien erfüllen.”
Gütesiegel wie das FNG-Siegel des Forums Nachhaltige Geldanlagen können bei der Auswahl helfen. Zudem veröffentlichen Finanzunternehmen wie der Rating- und Analysespezialist Morningstar oder der Indexanbieter MSCI eigene Nachhaltigkeitsratings, legen dabei aber unterschiedliche Maßstäbe an. “Die Prüfkriterien sind so verschieden, dass die Bewertungen für ein und denselben Fonds sehr unterschiedlich ausfallen können.” ch
Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) hält hohe Investitionen und tiefgreifende Strukturreformen für erforderlich, um Deutschland als Industriestandort zu erhalten. Anderenfalls seien bis zum Jahr 2030 rund 20 Prozent der deutschen Industriewertschöpfung gefährdet, heißt es in einer am Dienstag vorgestellten Studie, die die Boston Consulting Group und das Institut der Deutschen Wirtschaft im Auftrag des BDI erstellt haben. Besonders groß ist der Gefährdungsanteil demnach bei Kokereien und Mineralölverarbeitung mit rund 60 Prozent, in der Grundstoff-Chemie mit 40 Prozent und im Automobilbau mit 30 Prozent.
Die Studie sei ein “lauter Weckruf” für die Politik, sagte BDI-Präsident Siegfried Russwurm. Allerdings dürfte sich Wirtschaftsminister Robert Habeck durch viele BDI-Forderungen eher bestärkt fühlen – etwa nach niedrigeren Industriestrompreisen, die er in der Regierung nicht durchsetzen konnte, oder nach einem schnellen Aufbau einer Wasserstoff-Infrastruktur, die die Regierung gerade auf den Weg gebracht hat. Zudem macht die Studie auch deutlich, dass viele der Probleme nicht allein von der deutschen Politik verursacht wurden – etwa die Demografiekrise, die gestiegenen Gaspreise oder wachsender Protektionismus. Eine Abschwächung der Klimaziele fordert der BDI nicht, auch der aktuellen Kritik am Verbrenner-Verbot schließt er sich nicht an, sondern stellt fest: “Die Zukunft des Automobilsektors hängt mehr als alles andere davon ab, ob deutsche Hersteller auch in Elektromobilität erfolgreich sind.”
Zur Stärkung des Standorts fordert der BDI eine “industriepolitische Agenda”. Zu dieser gehörten günstigere Energiepreise durch gezielte Entlastung, der Abbau von Bürokratie, eine schnellere Digitalisierung und die Modernisierung der Infrastruktur. Die zusätzlichen Investitionen dafür schätzt der Verband bis 2030 auf rund 1,4 Billionen Euro. Ein Drittel davon müsse vom Staat aufgebracht werden. Zur Finanzierung setzt der BDI dabei zunächst auf Priorisierung und effizienteren Mitteleinsatz; wenn dies erfolgt sei, hält der Verband zusätzliche Schulden in Form von zweckgebundenen Sondervermögen für vertretbar. mkr
Um alle öffentlichen Gebäude in Deutschland bis 2045 klimaneutral zu machen, müssten Bund, Länder und Kommunen insgesamt 120 Milliarden Euro in die energetische Sanierung investieren. Zu diesem Ergebnis kommt eine am Montag veröffentlichte Studie der Prognos AG und des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme ISE im Auftrag der Deutschen Energie-Agentur (Dena).
Den Berechnungen zufolge entfallen davon zwei Drittel auf die Kommunen, da sich die meisten öffentlichen Immobilien wie Schulen und Verwaltungsgebäude in kommunalem Besitz befinden.
“Die Umsetzung der Energiewende benötigt in den nächsten Jahrzehnten hohe Investitionen, insbesondere im Gebäudesektor. Die öffentliche Hand sollte hier Vorreiter sein“, sagte Corinna Enders, Vorsitzende der Dena-Geschäftsführung. Ziel müsse es sein, privates Kapital zu aktivieren und die Aufgaben rund um die energetische Sanierung zu bündeln und zu beschleunigen, so Enders. Mit “weiter wie bisher” würde das gesteckte Klimaziel verfehlt.
Um Wege aufzuzeigen, wie diese Investitionen in Zeiten der Schuldenbremse und knapper Kassen bewältigt werden können, werden in der Studie sechs Finanzierungsoptionen ausführlich dargestellt: der Einsatz von Eigen- und Fremdkapital, Energieliefer-Contracting, Energiespar-Contracting, Klimaschutz-Contracting und Intracting.
Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass die Umsetzungsgeschwindigkeit und die energetische Sanierungstiefe bereits heute erheblich gesteigert werden könnten, wenn externe Dienstleister privates Know-how einbringen, Ausführungs- und Betriebsrisiken übernehmen sowie Ergebnis- und Einspargarantien abgeben.
Dem in der Studie errechneten Gesamtinvestitionsbedarf von 120 Milliarden Euro bis 2045 stehen bereits in den ersten 20 Jahren Energiekosteneinsparungen von 45 Milliarden Euro gegenüber. Nach weiteren 20 Jahren hätten sich die eingesetzten Mittel amortisiert, so die Studie. Bis 2085 würde sich sogar ein positiver Saldo von rund 90 Milliarden Euro ergeben. ch
Bis zu 40 Prozent der Emissionen aus dem Ackerbau könnten durch die Nutzung technologischer Innovationen vermieden werden. Zu diesem Ergebnis kommt eine vom Industrieverband Agrar (IVA) in Auftrag gegebene Studie, die unter der Leitung von Enno Bahrs, Professor für landwirtschaftliche Betriebslehre an der Universität Hohenheim, durchgeführt und am Montag vorgestellt wurde.
Die Studienautoren haben vier Verfahren untersucht, die aus ihrer Sicht Potenzial bei der Reduzierung der THG-Emissionen bieten: die Düngeherstellung mittels grünen Ammoniaks, die teilflächenspezifische Düngung, der Einsatz von Nitrifikationsinhibitoren und der Einsatz neuer genomischer Techniken (NGT) in der Pflanzenzüchtung.
Die Autoren betonen, dass die Reduzierung der THG-Emissionen im Land- und Forstwirtschaftssektor (LULUCF) auch aus globaler Sicht eine wichtige Rolle für den Klimaschutz spiele. Derzeit sei der Sektor für rund 22 Prozent der globalen Gesamtemissionen verantwortlich.
Basierend auf ihren Ergebnissen haben sie fünf politische Handlungsempfehlungen formuliert:
IVA-Präsident Michael Wagner betonte die wichtige Rolle, die Innovationen für den Klimaschutz spielen. “Damit die technologischen Lösungen flächendeckend die Klimabilanz verbessern, muss die Politik jetzt die notwendigen Rahmenbedingungen für eine klimaverträglichere Landwirtschaft schaffen”, forderte er.
Die Agrarproduktion müsse “effizienter” werden, sagte Wagner. “Doch ohne Mehrkosten wird das nicht gehen.” Um das Potenzial der Landwirtschaft zu heben, müssten deshalb die Energiepreise für erneuerbare Energien sinken. Zum Einsatz von NGT sagte er: “Wir plädieren sehr stark dafür, dass die praxistaugliche und beschleunigte Züchtung künftig möglich wird.”
Einer der Streitpunkte im Fachdialog, der im Anschluss an die Pressekonferenz stattfand, war die Frage, ob der Einsatz von Nitrifikationsinhibitoren in der Landwirtschaft bereits hinreichend erforscht sei. Luisa Rölke, Leiterin des Referats “Klimaschutz, Klimaanpassung, Wasser” im Bundeslandwirtschaftsministerium (BMEL), monierte, dass das Ministerium in diesem Bereich noch Forschungsbedarf sehe und die vorhandenen Studien nicht ausreichen würden. ag
Wie ESG-Reporting europäische Konzerne belastet – Heise
Die europäischen ESG-Regeln belasten die Unternehmen. Eine Studie von Bloomberg zeigt auf, dass der Druck zu Investitionen in Bereichen wie Klima auf Kosten der Gewinne geht. In den letzten fünf Jahren hat der US-amerikanische S&P 500 Index mehr als doppelt so stark zugelegt wie der europäische Stoxx 600 Index. Europäische Energieunternehmen werden mittlerweile mit einem Abschlag von 40 Prozent im Vergleich zu ihren US-amerikanischen Konkurrenten gehandelt. Zum Artikel
Wandel tut weh – egal ob digital oder nachhaltig – FAZ
Für viele Unternehmen ist die Pflicht, über Nachhaltigkeit zu berichten, sehr aufwendig. Allerdings sehen Manager auch eine Chance in den Pflichtberichten, denn sie gehen davon aus, dass Nachhaltigkeit künftig für die Kunden ein wichtiges Kriterium sein wird, wenn es um Kaufentscheidungen geht. Zum Artikel
Auf diese ESG-Kriterien achten Banken – Impulse
Banken legen vermehrt Wert auf ESG-Kriterien und berücksichtigen diese beispielsweise bei der Kreditvergabe. Eine EU-Richtlinie fordert von Banken, zu überprüfen, ob Kreditnehmer Nachhaltigkeitskriterien erfüllen. Dies führt dazu, dass Unternehmen mit einem schlechten ESG-Scoring teilweise mit höheren Kreditkosten rechnen müssen. Zum Artikel
Die neue Ökodesign-Verordnung als weitreichende Vorgabe zur nachhaltigen Kreislaufwirtschaft – Der Standard
Die neue Ökodesign-Verordnung der Europäischen Union (ESPR) ist als Rahmenverordnung gestaltet. Das bedeutet, dass sie im Allgemeinen keine spezifischen Ökodesign-Anforderungen für die betroffenen Produkte festlegt, sondern die EU-Kommission diese durch delegierte Rechtsakte auf Basis detaillierter Produktfolgenabschätzungen erlässt. Eine Ausnahme ist das in der ESPR vorgesehene Verbot der Vernichtung unverkaufter Verbraucherprodukte wie Kleidung und Bekleidungszubehör. Zum Artikel
An ESG Backlash Erupts in Europe on World’s Strictest Rules – Bloomberg
Nirgendwo auf der Welt sind die ESG-Regeln so streng wie in der Europäischen Union. Der European Round Table for Industry, dessen Mitgliedsunternehmen zusammen einen Jahresumsatz von 2 Billionen Euro erwirtschaften, geht davon aus, dass die Vorschriften den Verlust der Wettbewerbsfähigkeit beschleunigen und warnt, dass die Aussichten der Mitglieder “außerhalb Europas” besser seien. Zum Artikel
Greenwashing kann Firmen schaden – taz
Nach einer Studie des Vereins Finanzwende hat Greenwashing finanzielle Nachteile für Banken und Vermögensverwalter. Wenn Aufsichtsbehörden wie die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BAFin) eingreifen, sinke der Aktienkurs der betroffenen Unternehmen. Wird der Greenwashing-Vorwurf jedoch nur öffentlich gemacht und diskutiert, reagieren die Investoren nicht und der Aktienkurs bleibe stabil. Zum Artikel
A response to Savin and van den Bergh: Ceci n’est pas degrowth – Timothée Parrique
Ist Postwachstum die Lösung für die dekarbonisierte, faire Wirtschaft der Zukunft? Zwei Ökonomen haben zahlreiche Studien zum Thema untersucht und gezeigt, dass die meisten Veröffentlichungen mehr von Meinungen als von wissenschaftlicher Analyse geprägt sind, wie die FAZ berichtete. Daran gibt es nun deutliche Kritik: In einem Blog-Beitrag reagiert der Ökonom Timothée Parrique und fasst die Mängel der Meta-Studie zusammen. Ein wichtiger Punkt: Ein Großteil wichtiger Degrowth-Publikationen sei nicht einbezogen worden. Zum Artikel