Table.Briefing: ESG

CSRD-Umsetzung in Deutschland steht bevor + Deutschland importiert mehr Fracking-Gas

Liebe Leserin, lieber Leser,

Die Bundesregierung hat sich Zeit gelassen mit ihrem Entwurf für die Umsetzung der CSRD-Richtlinie. Erst letzten Freitag veröffentlichte Justizminister Marco Buschmann das Dokument. Seitdem haben berichtspflichtige Unternehmen über ihre Verbände die Möglichkeit, es zu kommentieren und zu analysieren, welche unliebsamen Details darin versteckt sein könnten. Wir haben mit ersten Stakeholdern gesprochen und erklären, wie nah der Entwurf an der EU-Vorlage ist und welcher Konflikt vor allem kleine und mittlere Unternehmen betreffen könnte.

Mein Kollege Carsten Hübner hat derweil die LNG-Lieferkette zurückverfolgt. Um das russische Gas zu ersetzen, wurde ja versucht zu diversifizieren. Wie Abkommen von deutschen Energieversorgern und Daten zeigen, wächst aber eine neue Abhängigkeit: nämlich die von Gas, das aus den USA stammt, auch wenn es andere Herkunftslabels trägt, und das durch Fracking gewonnen wurde. Diese Methode ist nicht nur umstritten, weil sie der Umwelt, dem Klima und den Menschen schadet – sie ist in Deutschland auch verboten. Die Versorgung mag nun gesichert worden sein. Allerdings bringt sie neue Risiken mit sich.

Ihr
Marc Winkelmann
Bild von Marc  Winkelmann

Analyse

CSRD: Bundesregierung orientiert sich bei ihrem Gesetzentwurf eng an europäischer Vorgabe

Für das aktuelle Geschäftsjahr müssen einige große Unternehmen bereits nach der CSRD berichten. Im Bild: Edeka-Logistikzentrum in Hamm.

Am 6. Juli läuft die Frist ab. Dann sind 18 Monate seit dem Inkrafttreten der “Corporate Sustainability Reporting Directive” (CSRD) vergangen, und die europäischen Mitgliedsstaaten müssen die von der EU beschlossenen Richtlinie in nationales Recht umgesetzt haben. Damit der deutsche Prozess vorangeht, hat Bundesjustizminister Marco Buschmann vor wenigen Tagen seinen Gesetzentwurf verschickt und Verbände gebeten, Stellungnahmen einzureichen. Bis zum 19. April haben sie dafür Zeit.

Nicolette Behncke, Leiterin Sustainability Reporting bei PwC, geht davon aus, “dass die betroffenen Unternehmen eher weniger Kritik äußern werden”. Die Regierung habe sich mit ihrem Gesetzentwurf “sehr eng an der europäischen Vorgabe orientiert“, große Überraschungen sind also ausgeblieben. Der Anwenderkreis sei nicht über die EU-Vorgabe hinaus ausgedehnt worden, die Verantwortung der gesetzlichen Vertreter der Unternehmen bei den Berichten sowie die Überwachungspflichten des Aufsichtsrats “wurden stringent 1:1 umgesetzt”.

Für “eine kleine Überraschung” hält sie es hingegen, dass CSRD-Anwender von der Berichtspflicht nach dem deutschen Lieferkettengesetz (LkSG) befreit werden sollen. “Das bedeutet im Klartext, dass ein Unternehmen, das dem deutschen LkSG und dem CSRD-Umsetzungsgesetz unterliegt, keinen eigenen BAFA-Bericht mehr aufstellen muss. Der CSRD-Nachhaltigkeitsbericht ist dann ausreichend.”

Einige Stakeholder wollten sich auf Anfrage noch nicht zu dem Entwurf äußern, sondern erst das Feedback ihrer Verbandsmitglieder zu dem 631 Seiten langen Dokument abwarten, das die geplanten Änderungen der bestehenden Gesetze – darunter das Handelsgesetzbuch, das Wertpapiergesetz und die Wirtschaftsprüferordnung – gegenüberstellt. Klar ist aber, dass die CSRD weitreichende Folgen haben wird.

Die Verbindung von LkSG- und CSRD-Berichtspflichten erhöht die Akzeptanz

Nach der seit 2014 gültigen Non-financial Reporting Directive (NFRD) waren in Deutschland nur etwa 500 Unternehmen zur nicht-finanziellen Berichterstattung verpflichtet. Die CSRD erweitert den Kreis, sie ist ein Baustein der EU bei dem Vorhaben, Europa klimafreundlich sowie ökologisch und sozial verträglich umzugestalten. Allein hierzulande werden künftig 15.000 Unternehmen nach CSRD berichten müssen, europaweit sollen es rund 50.000 sein.

Beim Bundesverband Nachhaltige Wirtschaft (BNW) befürwortet man die Ausweitung. “Die CSRD ist ein wichtiger Schritt in Richtung nachhaltiger Unternehmensführung“, sagt Geschäftsführerin Katharina Reuter. “Hierüber wird nicht nur für die notwendige Transparenz gesorgt, sondern auch für einen Aufbau von Nachhaltigkeits-Knowhow in den Unternehmen.” Die vorgesehene Option, eine doppelte Berichtspflicht auch nach dem Lieferkettengesetz zu vermeiden, “erhöht die Akzeptanz in der Wirtschaft“.

Das dürfte wichtig sein. Unternehmen sehen sich zunehmend mit gesetzlichen Regulierungen und Offenlegungsverpflichtungen konfrontiert. Driften die Anforderungen zu weit auseinander und wird der bürokratische Aufwand zu hoch, erschwert das die praktische Umsetzung im Alltag. Das ist auch Birgit Buth in ihrer ersten Reaktion auf den deutschen Gesetzentwurf wichtig. Die Geschäftsführerin des Deutschen Raiffeisenverbands (DRV) sagt: “Wir begrüßen die vorgesehene 1:1-Umsetzung der CSRD. Aufwand und Nutzen müssen dennoch im Einklang stehen. Es darf zu keiner Überforderung kommen durch überbordende bürokratische Belastungen.” Richtig sei deshalb die “weitgehende Verknüpfung” der Berichtspflichten des LkSG mit den Pflichten der CSRD. “Das trägt zu einer Entbürokratisierung bei.”

Nicolette Behncke von PwC weist trotzdem darauf hin, dass die Anforderungen aus dem deutschen und dem europäischen Lieferkettengesetz variieren. “Während die CSRD eine Transparenzpflicht über die verpflichtende Nachhaltigkeitsberichterstattung auslöst, geht es beim Lieferkettengesetz um eine Pflicht zur Einrichtung von Sorgfaltsvorkehrungen entlang der Lieferkette in puncto Menschenrechte und Umwelt.”

Kritik: Nur Wirtschaftsprüfer sollen Berichte abnehmen dürfen

Die Einführung der neuen Regelungen erfolgt stufenweise. Zunächst sind die Konzerne, die nach der NFRD berichten mussten, angehalten, die CSRD schon für das Geschäftsjahr 2024 anzuwenden. In den folgenden Jahren müssen bilanzrechtlich große und mittlere Unternehmen mit Kapitalmarktorientierung nachziehen. Die Kosten, die der Wirtschaft daraus entstehen, beziffert das Justizministerium auf einmalig 748 Millionen Euro. Die zusätzlichen jährlichen Ausgaben betragen 1,4 Milliarden Euro.

Ein Teil des Geldes wird in die vorgeschriebenen Prüfungen der Berichte fließen. Der Entwurf sieht vor, dass Wirtschaftsprüfer diese Aufgabe übernehmen sollen, was PwC-Partnerin Behncke naturgemäß begrüßt. Katharina Reuter vom BNW hingegen sagt: “Die Prüfung der Berichterstattung sollte nicht zu einer Exklusivdomäne der ‘Big Four’ werden.” Sie hofft, dass noch eine andere Möglichkeit geschaffen wird für die unabhängige Überprüfung der Berichte, “die über die großen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften hinausgeht”. Das sei gerade für kleine und mittlere Unternehmen wichtig.

Technische Sachverständige wie die Dekra, zu deren Portfolio auch Zertifizierungen bei Umweltfragen und sozialen Themen gehören, argumentierten schon im vergangenen Herbst ganz ähnlich. In einem Positionspapier erklärte das Unternehmen, dass eine “künstliche Verknappung der Anbieter von Bestätigungsleistungen bei der CSRD-Umsetzung” vermieden werden müsse – dies widerspräche “dem Leitgedanken der CSRD-Richtlinie und hätte gerade für KMU massive negative Auswirkungen, die unter Umständen existenzbedrohend sein können”.

Unabhängig davon sagt Behncke, dass Unternehmen sich beeilen sollten. “Die Weichen für die Berichtspflicht waren schon lange klar und die Inhalte ausreichend konkretisiert.” Trotzdem wird der CSRD offenbar keine hohe Priorität eingeräumt: Einer PwC-Umfrage unter rund 300 Mittelständlern zufolge hat die Hälfte noch nicht mit der Umsetzung begonnen.

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  • CSRD
  • Nachhaltigkeitsberichterstattung
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Umweltschädlich und in Deutschland verboten: Der Anteil von Fracking-Gas an Gasimporten wächst

Fracking im US-Bundesstaat Kalifornien: Erhebliche Umwelt- und Gesundheitsschäden.

Deutschland ist auf Erdgasimporte angewiesen. Rund 95 Prozent des Bedarfs müssen aus dem Ausland gedeckt werden. Weil Russland als eine Folge des Kriegs in der Ukraine seit Ende August 2022 nichts mehr liefert, beschafften die Energieunternehmen kurzfristig vor allem am Spotmarkt Liquefied Natural Gas (LNG).

Es zeigt sich aber, dass ein großer und wachsender Teil davon aus den USA stammt – wo es durch die umweltschädigende und gesundheitsgefährdende Methode des Frackings aus den Gesteinsschichten geholt wird. Das Gas wird anschließend entweder über die im Bau befindlichen Terminals an der deutschen Nord- und Ostseeküste importiert; hier lag der Anteil laut Jahresbericht 2023 des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) bei 84 Prozent. Oder es wird in den Häfen Rotterdam (Niederlande) und Seebrügge (Belgien) angelandet und über das Gasnetz nach Deutschland transportiert – weshalb es dann offiziell nicht mehr als LNG, sondern als Pipelinegas gilt.

Belgien selbst fördert kein Erdgas in nennenswertem Umfang. Die Niederlande haben im vergangenen Herbst ihr letztes Gasfeld geschlossen. Dennoch hatten beide Länder laut Bundesnetzagentur im Jahr 2023 einen Anteil von 48 Prozent an den gesamten deutschen Gasimporten. Obwohl eigentlich nur die USA und Katar in der Lage sind, kurzfristig größere Mengen LNG auf den Spotmärkten anzubieten, können jedoch weder die Bundesnetzagentur noch das Bundeswirtschaftsministerium (BMWK) Auskunft über die tatsächliche Herkunft der Erdgaslieferungen geben.

Langfristig immer mehr US-Fracking-Gas

“Auf dem Weltmarkt für LNG gibt es verschiedene Länder, aus denen LNG angeboten wird”, so eine Sprecherin des BMWK zu Table.Briefings. “Die Verträge werden hier von den Unternehmen gemacht. Sie sind verantwortlich und zuständig für die Lieferungen. Wir haben keinen Einblick in die Verträge.”

Mit der Zunahme langfristiger LNG-Lieferverträge wird sich das ändern. Denn anders als bei den schwer nachvollziehbaren Einkäufen am Spotmarkt, berichten die Unternehmen über den Abschluss solcher Importverträge öffentlich. Und sie sind bereits mit einer Reihe von US-Firmen handelseinig geworden:

  • EnBW bezieht ab 2026 jährlich 1,5 Millionen Tonnen LNG von Venture Global. Laufzeit: 20 Jahre.
  • SEFE bekommt ab 2026 jährlich 2,25 Millionen Tonnen LNG von Venture Global. Laufzeit: 20 Jahre.
  • BASF werden ab 2026 jährlich 800.000 Tonnen LNG von Cheniere geliefert. Laufzeit: 17 Jahre.
  • RWE erhält ab 2027 jährlich 2,25 Millionen Tonnen LNG von Sempra Infrastructure. Laufzeit: 15 Jahre.

Rund zehn Milliarden Euro investiert die Bundesregierung in die dafür notwendige Infrastruktur. Drei schwimmende Terminals, sogenannte “Floating Storage and Regasification Units” (FSRU), arbeiten in Wilhelmshaven, Lubmin und Brunsbüttel bereits im Regelbetrieb. Stade und Mukran auf Rügen werden in Kürze folgen. Ab 2026 sollen dann einige der FSRUs durch stationäre, leistungsfähigere Terminals ersetzt werden.

Erhebliche Umwelt- und Gesundheitsschäden

Die zunehmenden LNG-Importe aus den USA sind vor allem aber aus zwei Gründen umstritten. Zum einen, weil dort rund 80 Prozent der Erdgasförderung durch Fracking erfolgt. Dabei wird Wasser mit Chemikalien vermischt und unter hohem Druck in gasführende Gesteinsschichten gepumpt, um diese aufzubrechen und das Gas freizusetzen.

Die Umweltrisiken des Frackings sind erheblich und reichen laut Bundesumweltministerium von der Verunreinigung von Grund- und Trinkwasser über Lärm- und Luftemissionen bis hin zu einem hohen Flächen- und Wasserverbrauch. In Deutschland ist Fracking daher seit 2017 gesetzlich verboten.

Aber auch die Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit können erheblich sein. So hat eine Studie der Yale University aus dem Jahr 2022 gezeigt, dass Kinder, die in der Nähe von Fracking-Standorten leben, ein zwei- bis dreifach erhöhtes Risiko haben, an einer schweren Form von Kinderleukämie zu erkranken. Auch Neugeborene kommen dort häufiger mit niedrigem Geburtsgewicht und schlechterem Gesundheitszustand zur Welt, wie eine in “Science Advances” veröffentlichte Studie zeigt.

Von den direkten Umwelt- und Gesundheitsgefahren bei der Förderung fossiler Energien sind besonders arme Gemeinden und Minderheiten betroffen. Die Umweltschutzorganisation Greenpeace USA hat dazu 2021 einen Bericht mit dem Titel “Fossil Fuel Racism” vorlegt. Er zeige, so die Autoren, “dass die fossile Brennstoffindustrie zu Gesundheitsschäden beiträgt, die jedes Jahr Hunderttausende von Menschen in den USA töten und schwarze, braune, indigene und arme Gemeinschaften unverhältnismäßig stark gefährden”.

Ein weiterer Aspekt sind die hohen Methanemissionen von gefracktem LNG aus den USA. Methan gilt als besonders schädlich für das Klima. Es wirkt in der Atmosphäre in den ersten 20 Jahren 80-mal stärker als CO₂.

CO₂-Emissionen zusammengenommen bis zu 274 Prozent höher als Kohle

Einer kürzlich vorgestellten Studie von Robert Howarth zufolge, der als Klimawissenschaftler an der Cornell University forscht, seien die Treibhausgasemissionen von Erdgas bei der Verbrennung zwar geringer als die von Kohle. Beziehe man aber die Emissionen aufgrund von Leckagen und dem Energieverbrauch bei der Förderung, Verarbeitung und dem Transport in die Berechnung mit ein, könnten die Emissionen von LNG um bis zu 274 Prozent höher als bei Kohle liegen. Besonders schlecht fällt die Bilanz aus, so Howarth, wenn das Erdgas durch Fracking gewonnen wurde.

Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) rät daher in einer aktuellen Studie von einem übermäßigen Ausbau der LNG-Infrastruktur in Deutschland ab. “Vielmehr sollten langfristig wirksame Investitionen nur in Projekte fließen, die vollständig mit dem Ziel von 100 Prozent erneuerbarer Energien vereinbar sind”, heißt es dort. “Weitere Ausbaupläne von LNG-Terminals an der deutschen Nord- und Ostseeküste erscheinen daher aus energiewirtschaftlicher und aus klimapolitischer Perspektive als kontraproduktiv.”

Norwegisches Gas als Alternative?

Angesichts des tendenziell sinkenden Erdgasbedarfs Deutschlands wäre es laut DIW stattdessen möglich, die Versorgung mittelfristig vor allem durch norwegisches Pipelinegas sicherzustellen. Das sei “nicht nur preiswerter, sondern auch weniger umweltschädlich als Fracking-Gas”, so die Forscher.

Ludwig Möhring, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands Erdgas, Erdöl und Geoenergie (BVEG), hält es hingegen für denkbar, das Fracking-Verbot in Deutschland aufzuheben, statt LNG aus den USA zu importieren.

“Eine erhöhte heimische Erdgasförderung würde die Abhängigkeiten von internationalen Erdgasbeschaffungsmärkten reduzieren und für Druck auf die Preise sorgen.” Aufgrund der höheren Umweltauflagen in Deutschland sei eine umweltverträgliche Förderung möglich, ist Möhring überzeugt. “Aber es ist eben einfacher, die Produkte einfach zu importieren. Widerspruchsfrei ist das nicht, aber offenbar politisch und gesellschaftlich akzeptiert.”

  • Energie
  • Gas
  • LNG

Termine

4.-7. April 2024, Stuttgart
Messe Fair Handeln 2024 (Veranstalter: Messe Stuttgart) Info & Anmeldung

9. April 2024, 13-17 Uhr, Stuttgart
Workshop Nachhaltiges Lieferkettenmanagement: Regulatorische Herausforderungen und Handlungsmöglichkeiten (Veranstalter: UPJ) Info & Anmeldung

10. April 2024, 9-13 Uhr, Online
Online-Seminar Betriebliches Klimamanagement (Veranstalter: KliMa Wirtschaft) Info & Anmeldung

11. April 2024, 8:40-13 Uhr, Online
Seminar Online-Grundlagenschulung zur Fairen Beschaffung in Kommunen (Veranstalter: SKEW – Servicestelle Kommunen in der Einen Welt) Info & Anmeldung

11. April 2024, 16:30-18:30 Uhr, Online
Seminar Konfliktfeld Energie- und Klimapolitik: Die EU zwischen Klimakrise und ökonomischen Zukunftsmärkten (Veranstalter: Friederich-Ebert-Stiftung) Info & Anmeldung

15. -19. April 2024, Kochel am See
Seminar Das Versprechen von Diversität und Nachhaltigkeit – Unternehmen nutzen den Zeitgeist (Veranstalter: Georg-von-Vollmar-Akademie e.V.) Info & Anmeldung

15.-19. April 2024, Darmstadt
Konferenz 6. Darmstädter Tage der Transformation (Veranstalter: Schader-Stiftung) Info & Anmeldung

16. April 2024, 9:30-15:30 Uhr, Online
Webinar Systematischer Klimaschutz – Klimamanagement in Unternehmen (Veranstalter: KliMaWirtschaft) Info & Anmeldung

18. April 2024, 16:30-18:30 Uhr, Online
Seminar SpringSchool on Corporate Sustainability Management II: Sustainability Reporting und doppelte Wesentlichkeit (Veranstalter: Renn Netzwerk) Info & Anmeldung

News

Generationenkapital: NGOs kritisieren fehlende gesetzliche ESG-Vorgaben

Der kürzlich veröffentlichte Referentenentwurf für das geplante Rentenniveaustabilisierungs- und Generationenkapitalgesetz stößt in der Zivilgesellschaft auf Widerspruch. Der Grund: Es fehle an einer gesetzlich verankerten ESG- und Nachhaltigkeitsstrategie für den Kapitalstock. Derzeit läuft die Verbändeanhörung. Das Gesetz soll bis zur Sommerpause den Bundestag passieren.

Ziel des Gesetzes ist es, ein Rentenniveau von 48 Prozent dauerhaft zu sichern. Dazu soll eine Stiftung Generationenkapital gegründet werden, um ab 2036 jährlich durchschnittlich zehn Milliarden Euro zur Entlastung des Rentenbeitragssatzes auszuschütten.

Das Stiftungsvermögen soll in den kommenden Jahren durch Darlehen des Bundes und Eigenmittel aufgebaut und “am Kapitalmarkt global-diversifiziert, renditeorientiert, langfristig und zu marktüblichen Bedingungen investiert” werden, so der Entwurf. “Die gesetzlichen Anlagevorschriften”, heißt es dort weiter, “enthalten keine Vorgabe für die Anwendung von ESG-Kriterien”. Dies solle, wie beim KENFO, erst in einer Anlagerichtlinie geregelt werden.

Tilman Massa, Co-Geschäftsführer des Dachverbands der Kritischen Aktionäre, findet das falsch. “Es ist ein Skandal, dass die Bundesregierung außer Rendite und globaler Diversifikation keinerlei gesetzliche Vorgaben machen will, wie das geplante Generationenkapital angelegt werden soll”, so Massa in einer Stellungnahme. Es reiche nicht aus, die Einhaltung von ESG-Kriterien lediglich in Aussicht zu stellen.

Ähnlich sieht es die Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di. Der Druck, hohe Renditen zu erwirtschaften, heißt es in ihrer Stellungnahme, “erzeuge das Risiko, in riskante Anlagen zu investieren, zumal auch keine gesetzliche Verpflichtung besteht, nachhaltig, umweltbewusst und sozial ethisch vertretbare Anlagen zu wählen”.

Kritik auch an Zuständigkeit vom KENFO

Die Umweltorganisation Urgewald kritisiert zudem, dass die bereits bestehende Stiftung “Fonds zur Finanzierung der kerntechnischen Entsorgung” (KENFO) für den Aufbau der Stiftung Generationenkapital zuständig sein soll. Denn trotz wiederholter Beteuerungen verfolge der KENFO keine nachhaltige Anlagestrategie, sondern investiere auch in Kohle-, Öl- und Gasunternehmen.

Die Aussicht, dass mit Generationenkapital weitere Milliarden in fossile Unternehmen fließen, sei untragbar, so Anna Lena Samborski von Urgewald. “Die Anlagestrategie muss verpflichtend in Einklang mit den Pariser Klimazielen und der 1,5°C-Grenze gebracht werden, zu der sich auch die Bundesregierung bekannt hat”, fordert sie. ch

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USA: Volkswagen steht vor nächster Gewerkschaftswahl

Vom 17. bis 19. April 2024 können die mehr als 4.000 Beschäftigten bei VW in Chattanooga im US-Bundestaat Tennessee zum dritten Mal innerhalb von zehn Jahren über eine Interessenvertretung entscheiden. Die Gewerkschaft United Autoworkers (UAW) hatte die Abstimmung am 18. März bei der zuständigen Bundesbehörde beantragt. Am Montag wurde der Termin schließlich festgesetzt.

UAW braucht Mehrheit der Stimmen

Wie groß der Rückhalt in der Belegschaft tatsächlich ist, wird sich erst Mitte April zeigen. Entsprechend der 30-50-70-Strategie der UAW müssten derzeit aber von mindestens 70 Prozent der Beschäftigten Unterstützungskarten vorliegen. Die UAW selbst hat bisher keine konkrete Zahl genannt, spricht aber von einer “Supermajority”. Bereits 30 Prozent reichen aus, um eine Wahl zu beantragen.

Bei den Wahlen 2014 und 2019 war die UAW jeweils knapp an der 50-Prozent-Hürde gescheitert. In den USA muss sich die Mehrheit der Belegschaft eines Betriebes für eine Gewerkschaft aussprechen, damit sie als Tarifpartei anerkannt wird.

US-amerikanische Automobilhersteller wie Ford, General Motors und Chrysler sind seit Jahrzehnten gewerkschaftlich organisiert. Im Herbst 2023 hat die UAW hier in offensiv geführten Tarifverhandlungen unter anderem Lohnerhöhungen von 25 Prozent über eine Laufzeit von vier Jahren und einen Inflationsausgleich durchgesetzt.

Wahlsieg bei VW könnte Signalwirkung haben

An den Standorten ausländischer Automobilhersteller wie BMW, Hyundai, Mercedes-Benz, Nissan oder Volkswagen gibt es dagegen bislang weder eine Gewerkschaft noch Tarifverträge. Das gilt auch für Tesla. Deshalb hat die UAW, beflügelt von ihren Tariferfolgen, Ende vergangenen Jahres eine groß angelegte Kampagne gestartet, um die rund 150.000 Beschäftigten dieser Unternehmen zu organisieren. Dafür will sie 40 Millionen US-Dollar in die Hand nehmen.

Landesweite Aufmerksamkeit ist der Wahl bei VW allein deshalb sicher. Denn ein Wahlsieg der UAW könnte Signalwirkung haben. In den Werken von Hyundai in Montgomery und Toyota in Troy ist die Gewerkschaft nach eigenen Angaben auf einem guten Weg. Bei Mercedes-Benz in Alabama habe sie sogar schon eine Mehrheit hinter sich, heißt es. ch

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Sachverständigenrat für Umweltfragen: Deutschland hat das CO₂-Budget ausgeschöpft

Deutschland hat seinen “fairen Anteil” am CO₂-Budget, das sich aus dem 1,5-Grad-Limit ergibt, schon Anfang 2023 aufgebraucht. Zu dem Ergebnis kommt der Sachverständigenrat für Umweltfragen der Bundesregierung (SRU) in einer neuen Kalkulation. Das Restbudget habe im vergangenen Jahr noch CO₂-Emissionen in Höhe von 19 Millionen Tonnen erlaubt. Tatsächlich betrug der deutsche CO₂-Ausstoß 2023 laut Umweltbundesamt 594 Millionen Tonnen. Damit habe Deutschland Anfang 2024 bereits 575 Millionen Tonnen CO₂ über den errechneten Grenzen gelegen.

Die Nutzung des CO₂-Budgets ist aber seit Langem umstritten. Während der SRU oder etwa Fridays for Future die Größe als Maßstab für die deutsche Klimapolitik ansehen, hat die Bundesregierung nie offiziell mit dem Budget gerechnet. Eine Begründung dafür: Das Pariser Klimaabkommen benennt selbst kein globales Budget, sondern legt Temperaturobergrenzen fest.

Auch in den internationalen Verhandlungen des Rahmenübereinkommens der Vereinten Nationen über Klimaänderungen ist von einer klaren globalen Obergrenze für Treibhausgase nicht die Rede – erst recht nicht von nationalen Budgets. Und auch in der EU-Klimapolitik gilt kein allgemeines Budget, sondern nur eine CO₂-Obergrenze im Emissionshandel. Ein weiteres Contra-Argument: Die Budgets ignorieren mögliche überraschende Schwankungen in der Emissionskurve wie die Corona-Pandemie, Wirtschaftskrisen oder technologische Durchbrüche.

Wissenschaftler betonen große Spannbreiten und Unsicherheiten

In der Wissenschaft ist der Blick auf Budgets differenziert. Zwar hat der Weltklimarat IPCC in seinem sechsten Sachstandsbericht 2022 das globale Budget zur Einhaltung von 1,5 Grad mit einer 67-prozentigen Wahrscheinlichkeit und einem hohen zwischenzeitlichen “Überschießen” der Temperaturen auf 400 Milliarden Tonnen CO₂ ab 2020 kalkuliert. Gleichzeitig betonten die IPCC-Experten aber auch die relativ großen Spannbreiten und Unsicherheiten der Rechnung. Der SRU setzt das globale Budget in seiner aktuellen Kalkulation niedriger an als der IPCC – und leitet daraus dann das deutsche Budget ab.

Aufgrund der wissenschaftlichen Unsicherheiten bewerten die Experten vom Klima-Thinktank “Climate Analytics” das Budget daher als einen hilfreichen Ansatz, der aber nicht absolut gesehen werden sollte: “Die sehr großen Unsicherheiten bei CO₂-Budgets bedeuten, dass sie im besten Fall nur Orientierung bieten können, ob ein vorgegebenes Temperaturziel erreicht werden kann.” ae/bpo

Die ausführliche Analyse zu den CO₂-Budgets lesen Sie im Climate.Table.

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Northvolt-Batteriefabrik: Planmäßiger Baubeginn, unklarer Schienenanschluss

Parteiübergreifende Begeisterung herrschte am Montag bei Heide in Schleswig-Holstein: Beim symbolischen Baubeginn für die große Batteriefabrik des schwedischen Konzerns Northvolt feierten Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) das Projekt als Beispiel für die klimafreundliche Transformation der deutschen Wirtschaft. “Industrie siedelt sich dort an, wo Energie ist”, sagte Scholz beim Festakt. “Es war keine Fügung, sondern eine klare Entscheidung, auf Windenergie zu setzen.” Habeck hatte im Vorfeld betont, dass durch die Fabrik die Abhängigkeit von China bei der E-Auto-Produktion verringert werde.

Die Fabrik westlich von Heide soll im Jahr 2026 die Produktion aufnehmen und 2029 ihre volle Kapazität erreichen. Dann sollen rund 3.000 Mitarbeitende dort jedes Jahr Batterien für eine Million Elektroautos herstellen. Um die Ansiedlung zu erreichen, nehmen Bund und Land trotz der massiven Kürzungen im KTF viel Geld in die Hand: Insgesamt bekommt Northvolt über mehrere Jahre Subventionen von bis zu 900 Millionen Euro, davon 700 Millionen als Direktzuschuss und gut 200 Millionen als Garantien. Erst im Januar hatte die EU dafür grünes Licht gegeben.

Rechtzeitiger Schienenanschluss zweifelhaft

Während die in Heide hergestellten Batterien den Verkehr klimafreundlicher machen sollen, ist das für die Transporte zur und aus der Fabrik allerdings noch nicht gewährleistet. Zwar möchte Northvolt diese überwiegend auf der Schiene abwickeln, doch ob das klappt, ist zweifelhaft, warnten die Bundestagsabgeordneten Matthias Gastel (Grüne) und Stefan Seidler (Südschleswigscher Wählerverband) am Montag. Denn auf der Strecke nach Süden muss der Nordostsee-Kanal überquert werden – doch die Hochdonner Hochbrücke auf der Hauptstrecke nach Hamburg ist für die schweren Güterzüge nicht geeignet.

Als Alternative kommt die Hochbrücke auf der Strecke nach Neumünster infrage, doch diese Strecke ist bisher nur eingleisig ausgebaut. Dort seien dringend Ausweichstellen erforderlich, für die der Bund zuständig sei, erklärte Seidler. “Damit bis 2026 überhaupt ein Güterzug nach Heide verkehren kann, muss das Thema Chefsache in Berlin werden und auf den Tisch des Kanzlers.” Gastel forderte, man brauche “Deutschlandtempo nicht nur beim Bau der Industrieanlage, sondern auch bei der Anbindung über die Schiene”. mkr

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CO₂-Speicherung: Zementindustrie drängt auf schnellen Bau eines Leitungsnetzes

Der Verein Deutscher Zementwerke (VDZ) hat in einer Studie Vorschläge zu einer CO₂-Transportinfrastruktur vorgelegt. Die drei Sektoren, so der Verband, hätten bis 2040 einen Transportbedarf von 35 Millionen Tonnen pro Jahr für mittels CCS-Technik (“Carbon Capture and Storage”) abgeschiedenes und verpresstes CO₂. Hinzukommen könnten 15 bis 20 Millionen Tonnen durchgeleitetes CO₂ aus den Nachbarländern Österreich, Schweiz und Frankreich.

Das dafür notwendige Leitungsnetz solle 4.800 Kilometer lang sein und vor allem die deutschen Industriezentren mit Nordseehäfen verbinden, von wo das CO₂ zur Verpressung im Meeresboden gebracht werden könne. Den Finanzierungsbedarf sieht der Verband der Zementhersteller bei 14 Milliarden Euro, den die Netzbetreiber stemmen müssten. Aus Sicht des VDZ sollte die Bundesregierung deren Finanzierungsrisiken ähnlich wie beim Wasserstoffkernnetz absichern.

Aus den Netzinvestitionen allein errechnet der VDZ einen Preis von 25 bis 35 Euro pro Tonne CO₂. Hinzu kämen allerdings noch die Energiekosten für die Abscheidung und die Lagerkosten. Beim Strom rechnet der Verband mit einer knappen Vervierfachung des derzeitigen Bedarfs bei der Zement- und Kalkherstellung auf rund 17 Terrawattstunden im Jahr 2045. In den Szenarien würden sich Gesamtkosten von 115 bis 220 Euro pro abgeschiedener und gelagerter Tonne CO₂ ergeben.

Emissionsreduzierungen durch Kreislaufwirtschaft nicht berücksichtigt

Im vergangenen Jahr verursachten die drei Sektoren Zement, Kalk und Abfallverbrennung der Studie und Zahlen des Umweltbundesamts zufolge mit 65,4 Millionen Tonnen 9,7 Prozent der gesamten deutschen CO₂-Emissionen. Aus den Zahlen in der Studie ergibt sich, dass bis 2045 die Menge des nicht abgeschiedenen Treibhausgases auf 12 Millionen Tonnen sinken könnte – die vollständig in der Abfallwirtschaft entstehen würden. Zugrunde gelegt werden allerdings aus der Gegenwart fortgeschriebene CO₂-Emissionen dieses Sektors, ohne eine Berücksichtigung von Einsparpotenzialen durch mehr Kreislaufwirtschaft.

Aus Sicht des Verbands drängt die Zeit. Um bis 2040 in der Zementindustrie klimaneutral zu wirtschaften, müssten die zehn wichtigsten Industrie-Cluster bis spätestens 2035 per Leitung und teils per Schiene an die CCS-Infrastruktur angebunden sein. Bereits in vier Jahren müsse es erste Anbindungen geben. “Viele Zementhersteller stehen in den Startlöchern mit ihren CO₂-Abscheideprojekten”, sagte dazu VDZ-Hauptgeschäftsführer Martin Schneider. “Was fehlt, ist der nationale Rechtsrahmen und eine geeignete Transportinfrastruktur”. av

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  • Zementindustrie

Presseschau

Die Frau hinter Habeck Der Spiegel
Mit Franziska Brantner, Parlamentarische Staatssekretärin im BMWK, war Gerald Traufetter in Südamerika auf Rohstofftour. Chinesische Konkurrenz, Menschenrechte, Umweltschutz – alles nichts gegen das Problem, dass die deutsche Wirtschaft lieber günstig einkauft, als selbst zu investieren. Der Rohstofffonds der KfW soll die Zauderer nun aus der Reserve locken. Zum Artikel

Die Energiewende braucht einen neuen Anlauf – Frankfurter Allgemeine
Nur wenn sie “ein ökonomisches Erfolgsmodell” wird und sozialverträglich bleibt, werde die ökologische Transformation gelingen, schreibt Ralf Fücks, langjähriger Vorstand der Heinrich-Böll-Stiftung. Dafür müsse unter anderem der CO₂-Preis kontinuierlich ansteigen und die Energiewende stärker in internationaler Zusammenarbeit umgesetzt werden. Das Zurückhalten des Klimagelds bezeichnet er als “Riesenfehler”. Zum Artikel

Diversität: Wie gutes Generationen-Management gelingt – Handelsblatt
Manuel Heckel schreibt, dass die Vielfaltsdimension “Alter” durch den demografischen Wandel für Unternehmen wichtiger werde. Bislang gebe es aber erst in wenigen Unternehmen klare Kennzahlen und verbindliche Vereinbarungen – etwa bei Instrumenten für Personalentwicklung, die auch die Bedürfnisse von älteren Mitarbeitern berücksichtigt. Zum Artikel

Der Elektroschock: Existenzkrise der deutschen Autoindustrie – Der Spiegel
Der Absatz von E-Autos hierzulande schwächle, auch weil die deutschen Modelle zu teuer seien. Gleichzeitig wachse der Druck des chinesischen Herstellers BYD. In der aktuellen Titelstory geht ein Autorenteam des Spiegels daher der Frage nach, wie die “Krise” sich auf die Hersteller, ihre Beschäftigten und die Wertschöpfung auswirken könnte. Ihr Fazit: Noch sei nichts entschieden. Zum Artikel

Akkus sollen in Zukunft kein Lithium mehr enthalten, da es immer knapper wird. Künstliche Intelligenz sucht blitzschnell nach Materialien für den Ersatz – Neue Zürcher Zeitung
Mit Hilfe von KI wollen sich Materialforscher schneller im Dschungel potenzieller Werkstoffe zurechtfinden. Bei der Suche nach einem Ersatz für Lithium in Batterien ist das kürzlich besonders gut gelungen. Doch die Sache hat einen Haken, hat Christian J. Meier herausgefunden. Zum Artikel

Fast Fashion: Es darf nicht nur um den Preis gehen – Süddeutsche Zeitung
Ein Preisaufschlag auf Billigmode, wie ihn Frankreich plant, wirke wie eine einfache Lösung zur Bekämpfung von Fast Fashion – die Schwachstelle des Vorschlags sei aber, dass der Preis keine verlässliche Auskunft über die Nachhaltigkeit von Mode gebe, kommentiert Silvia Liebrich. Der größte Hebel für weniger Modekonsum sei die Einsicht der Verbraucher. Zum Artikel

‘New climate reality’ stretches global freshwater supply – Financial Times
Industrie, private Verbraucher und Landwirtschaft dürsten nach immer mehr Wasser, während durch den Klimawandel die Reserven knapper werden. Zum Weltwasser-Tag analysiert Attracta Mooney die Problematik. Experten sagen, die Technik für nachhaltigeren Verbrauch und weniger Verschmutzung stehe bereits zur Verfügung. Doch es fehle an der politischen Rahmensetzung. Zum Artikel

Energy Dept. Awards $6 Billion for Green Steel, Cement and Even Macaroni Factories – The New York Times
Der CO₂-neutrale Umbau der US-Industrie verlief bisher eher schleppend. Nun stellt die Biden-Administration bis zu sechs Milliarden US-Dollar bereit, um neue Technologien zur Reduzierung des CO₂-Ausstoßes von Schwerindustrien wie Stahl, Zement, Chemikalien und Aluminium zu fördern. Geplant sind 33 Projekte in 20 Staaten. Energieministerin Jennifer Granholm spricht von der “größten Einzelinvestition in die industrielle Dekarbonisierung in der amerikanischen Geschichte”, berichtet Brad Plummer. Zum Artikel

20 Milliarden für die Industrie: Warum Bablers Plan Kapitalisten nicht verschreckt – Der Standard
SPÖ-Chef Andreas Babler fordert einen starken Staat und will die Industrie mit einem Transformationsfonds umbauen. Mit dem Geld soll deren Dekarbonisierung gefördert werden, um Arbeitsplätze und Wertschöpfung in Österreich zu sichern. Kritiker werfen ihm prompt Staatsdirigismus vor. Dabei ist der Vorschlag weniger revolutionär als er klingt. In vielen Punkten ist er Mainstream, meint András Szigetvari. Zum Artikel

Der Wasserstoff-Bluff – Correctiv.org
2023 wurde in Leipzig mit großem medialen Getöse das angeblich “erste vollständig wasserstofffähige Kraftwerk” in Betrieb genommen. Einer Recherche von Correctiv zufolge sei es indes völlig unklar, ob das Kraftwerk tatsächlich in der Lage sein wird, die Versprechen zu halten, weil es nie getestet wurde. Zum Artikel

Heads

Heike Vesper: “Wir versuchen ein Orchester zu sein”

Heike Vesper ist Meeresbiologin und sitzt im Vorstand des WWF.

Sie wollte zunächst eine “tolle Wissenschaftlerin” werden, wie Heike Vesper es beschreibt. Doch das Biologie-Studium in Bremen und Amsterdam eröffnete ihr eine weitere Perspektive: als Brückenbauerin zwischen wissenschaftlichen Erkenntnissen und praktischer Politik. Daher verließ sie die Universität und ging zum WWF Deutschland. Dort arbeitet sie nun seit drei Jahrzehnten, mittlerweile als Vorständin für “Transformation Politik & Wirtschaft”.

In dieser Funktion tritt Vesper regelmäßig auf und ist so ein öffentliches Gesicht des deutschen Ablegers des WWF geworden. Internationale und lokale Kampagnen sind eine Spezialität der gemeinnützigen Organisation, für die aktuell fast 500 Menschen tätig sind.

Zurückblicken kann Vesper, die von 1999 bis 2023 den Fachbereich Meeresschutz beim WWF Deutschland leitete, auf die Verbreitung des Begriffs “Überfischung”, an der sie beteiligt war. Obwohl der Tatbestand selbst bereits seit Langem existierte, musste er erst ins öffentliche Bewusstsein gerückt werden. Vesper nahm sich dem neuen Arbeitsfeld an und entwickelte das Thema nachhaltiger Fischkonsum. “Als wir damit angefangen haben, Anfang der 2000er-Jahre, gab es dazu gar nichts”, erinnert sie sich. “Der WWF hat deshalb einen Fischratgeber erarbeitet und mit diesem verknüpft eine große wissenschaftliche Datenbank aufgebaut.” Über die Jahre zahlte sich die Beharrlichkeit aus: “Ich würde es als absoluten Erfolg feiern, dass heute so viel mehr Menschen darüber Bescheid wissen, was Überfischung ist.”

Überfischung hat “mit mir zu tun”

Später ging die NGO mit dem Einzelhandel Partnerschaften ein – eine Praxis, für die der WWF über die Jahre immer mal wieder kritisiert wurde. “Wir arbeiten mit Kampagnen, wir arbeiten an Lösungen, wir arbeiten mit der Industrie”, sagt Vesper. “Wir versuchen, ein Orchester zu sein, und nicht nur Einzelspielerinnen und Einzelspieler.”

Doch reicht es, ein Problem in der Öffentlichkeit bekannt zu machen? “Es gibt ein Problem, das heißt Überfischung. Und es hat mit mir zu tun, weil ich Fisch esse. Das ist der Schritt, der gegangen werden musste. Zur Verhaltensänderung ist es dann noch ein langer Weg”, argumentiert sie.

Zuweilen kommt es vor, dass Vesper selbst im Privaten in der Rolle als Expertin wahrgenommen wird. “Bis zu dem Punkt, wo Leute sich im Supermarkt über ihren Einkaufswagen werfen, wenn sie mich sehen und sagen: ‘Nein, du sollst nicht reingucken'”, amüsiert sich Vesper. “Das muss ich auch nicht. Du musst doch selbst wissen, was du einkaufst.”

Die WWF-Verantwortliche will nicht das individuelle Essverhalten regulieren. Aber es bräuchte aus ihrer Sicht Anreize zur Veränderung des Konsumverhaltens. “Die Lebensmittel, die einen besonders geringen ökologischen Fußabdruck haben, und die auch noch gesundheitlich für mich besser sind, sollten zum Beispiel günstiger sein”, erklärt Vesper einen Ansatz. “Das kann man mit Stellschrauben regulieren: indem man zum Beispiel einen niedrigeren Mehrwertsteuersatz auf Gemüse, Hülsenfrüchte oder Obst setzt als auf Fleisch.”

Regularien ergänzen Überzeugungsarbeit

Nun brauche es ein noch stärkeres Bewusstsein für die negativen Entwicklungen in der Lebensmittelvermarktung, aber auch gesetzliche Vorschriften. “Die Folie, die die eingeschweißte kleingeschnittene Banane im Supermarkt hat, besteht aus sieben Schichten. Und diese sieben Schichten sind alles unterschiedliche Stoffe”, nennt Vesper ein Beispiel. Daraus könne man nichts Neues mehr machen. “Deshalb braucht es diese ganzen Regulierungen zum Abfall oder zur Herstellung von solchen Produkten, damit man dann eben auch sortenrein recyceln kann.”

Der Grad der Entscheidungsfreiheit sei laut Vesper massiv abhängig vom Grad des Problems und der Zeit, die zur Verfügung stehe, um das Problem zu lösen. “Wenn uns die Zeit davonrennt und wir als gesamte Menschheit agieren müssen, dann wird das nicht allein durch Überzeugung klappen. Deshalb braucht es manchmal auch Regularien”, sagt sie. Constantin Eckner

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ESG.Table Redaktion

ESG.TABLE REDAKTION

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    Liebe Leserin, lieber Leser,

    Die Bundesregierung hat sich Zeit gelassen mit ihrem Entwurf für die Umsetzung der CSRD-Richtlinie. Erst letzten Freitag veröffentlichte Justizminister Marco Buschmann das Dokument. Seitdem haben berichtspflichtige Unternehmen über ihre Verbände die Möglichkeit, es zu kommentieren und zu analysieren, welche unliebsamen Details darin versteckt sein könnten. Wir haben mit ersten Stakeholdern gesprochen und erklären, wie nah der Entwurf an der EU-Vorlage ist und welcher Konflikt vor allem kleine und mittlere Unternehmen betreffen könnte.

    Mein Kollege Carsten Hübner hat derweil die LNG-Lieferkette zurückverfolgt. Um das russische Gas zu ersetzen, wurde ja versucht zu diversifizieren. Wie Abkommen von deutschen Energieversorgern und Daten zeigen, wächst aber eine neue Abhängigkeit: nämlich die von Gas, das aus den USA stammt, auch wenn es andere Herkunftslabels trägt, und das durch Fracking gewonnen wurde. Diese Methode ist nicht nur umstritten, weil sie der Umwelt, dem Klima und den Menschen schadet – sie ist in Deutschland auch verboten. Die Versorgung mag nun gesichert worden sein. Allerdings bringt sie neue Risiken mit sich.

    Ihr
    Marc Winkelmann
    Bild von Marc  Winkelmann

    Analyse

    CSRD: Bundesregierung orientiert sich bei ihrem Gesetzentwurf eng an europäischer Vorgabe

    Für das aktuelle Geschäftsjahr müssen einige große Unternehmen bereits nach der CSRD berichten. Im Bild: Edeka-Logistikzentrum in Hamm.

    Am 6. Juli läuft die Frist ab. Dann sind 18 Monate seit dem Inkrafttreten der “Corporate Sustainability Reporting Directive” (CSRD) vergangen, und die europäischen Mitgliedsstaaten müssen die von der EU beschlossenen Richtlinie in nationales Recht umgesetzt haben. Damit der deutsche Prozess vorangeht, hat Bundesjustizminister Marco Buschmann vor wenigen Tagen seinen Gesetzentwurf verschickt und Verbände gebeten, Stellungnahmen einzureichen. Bis zum 19. April haben sie dafür Zeit.

    Nicolette Behncke, Leiterin Sustainability Reporting bei PwC, geht davon aus, “dass die betroffenen Unternehmen eher weniger Kritik äußern werden”. Die Regierung habe sich mit ihrem Gesetzentwurf “sehr eng an der europäischen Vorgabe orientiert“, große Überraschungen sind also ausgeblieben. Der Anwenderkreis sei nicht über die EU-Vorgabe hinaus ausgedehnt worden, die Verantwortung der gesetzlichen Vertreter der Unternehmen bei den Berichten sowie die Überwachungspflichten des Aufsichtsrats “wurden stringent 1:1 umgesetzt”.

    Für “eine kleine Überraschung” hält sie es hingegen, dass CSRD-Anwender von der Berichtspflicht nach dem deutschen Lieferkettengesetz (LkSG) befreit werden sollen. “Das bedeutet im Klartext, dass ein Unternehmen, das dem deutschen LkSG und dem CSRD-Umsetzungsgesetz unterliegt, keinen eigenen BAFA-Bericht mehr aufstellen muss. Der CSRD-Nachhaltigkeitsbericht ist dann ausreichend.”

    Einige Stakeholder wollten sich auf Anfrage noch nicht zu dem Entwurf äußern, sondern erst das Feedback ihrer Verbandsmitglieder zu dem 631 Seiten langen Dokument abwarten, das die geplanten Änderungen der bestehenden Gesetze – darunter das Handelsgesetzbuch, das Wertpapiergesetz und die Wirtschaftsprüferordnung – gegenüberstellt. Klar ist aber, dass die CSRD weitreichende Folgen haben wird.

    Die Verbindung von LkSG- und CSRD-Berichtspflichten erhöht die Akzeptanz

    Nach der seit 2014 gültigen Non-financial Reporting Directive (NFRD) waren in Deutschland nur etwa 500 Unternehmen zur nicht-finanziellen Berichterstattung verpflichtet. Die CSRD erweitert den Kreis, sie ist ein Baustein der EU bei dem Vorhaben, Europa klimafreundlich sowie ökologisch und sozial verträglich umzugestalten. Allein hierzulande werden künftig 15.000 Unternehmen nach CSRD berichten müssen, europaweit sollen es rund 50.000 sein.

    Beim Bundesverband Nachhaltige Wirtschaft (BNW) befürwortet man die Ausweitung. “Die CSRD ist ein wichtiger Schritt in Richtung nachhaltiger Unternehmensführung“, sagt Geschäftsführerin Katharina Reuter. “Hierüber wird nicht nur für die notwendige Transparenz gesorgt, sondern auch für einen Aufbau von Nachhaltigkeits-Knowhow in den Unternehmen.” Die vorgesehene Option, eine doppelte Berichtspflicht auch nach dem Lieferkettengesetz zu vermeiden, “erhöht die Akzeptanz in der Wirtschaft“.

    Das dürfte wichtig sein. Unternehmen sehen sich zunehmend mit gesetzlichen Regulierungen und Offenlegungsverpflichtungen konfrontiert. Driften die Anforderungen zu weit auseinander und wird der bürokratische Aufwand zu hoch, erschwert das die praktische Umsetzung im Alltag. Das ist auch Birgit Buth in ihrer ersten Reaktion auf den deutschen Gesetzentwurf wichtig. Die Geschäftsführerin des Deutschen Raiffeisenverbands (DRV) sagt: “Wir begrüßen die vorgesehene 1:1-Umsetzung der CSRD. Aufwand und Nutzen müssen dennoch im Einklang stehen. Es darf zu keiner Überforderung kommen durch überbordende bürokratische Belastungen.” Richtig sei deshalb die “weitgehende Verknüpfung” der Berichtspflichten des LkSG mit den Pflichten der CSRD. “Das trägt zu einer Entbürokratisierung bei.”

    Nicolette Behncke von PwC weist trotzdem darauf hin, dass die Anforderungen aus dem deutschen und dem europäischen Lieferkettengesetz variieren. “Während die CSRD eine Transparenzpflicht über die verpflichtende Nachhaltigkeitsberichterstattung auslöst, geht es beim Lieferkettengesetz um eine Pflicht zur Einrichtung von Sorgfaltsvorkehrungen entlang der Lieferkette in puncto Menschenrechte und Umwelt.”

    Kritik: Nur Wirtschaftsprüfer sollen Berichte abnehmen dürfen

    Die Einführung der neuen Regelungen erfolgt stufenweise. Zunächst sind die Konzerne, die nach der NFRD berichten mussten, angehalten, die CSRD schon für das Geschäftsjahr 2024 anzuwenden. In den folgenden Jahren müssen bilanzrechtlich große und mittlere Unternehmen mit Kapitalmarktorientierung nachziehen. Die Kosten, die der Wirtschaft daraus entstehen, beziffert das Justizministerium auf einmalig 748 Millionen Euro. Die zusätzlichen jährlichen Ausgaben betragen 1,4 Milliarden Euro.

    Ein Teil des Geldes wird in die vorgeschriebenen Prüfungen der Berichte fließen. Der Entwurf sieht vor, dass Wirtschaftsprüfer diese Aufgabe übernehmen sollen, was PwC-Partnerin Behncke naturgemäß begrüßt. Katharina Reuter vom BNW hingegen sagt: “Die Prüfung der Berichterstattung sollte nicht zu einer Exklusivdomäne der ‘Big Four’ werden.” Sie hofft, dass noch eine andere Möglichkeit geschaffen wird für die unabhängige Überprüfung der Berichte, “die über die großen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften hinausgeht”. Das sei gerade für kleine und mittlere Unternehmen wichtig.

    Technische Sachverständige wie die Dekra, zu deren Portfolio auch Zertifizierungen bei Umweltfragen und sozialen Themen gehören, argumentierten schon im vergangenen Herbst ganz ähnlich. In einem Positionspapier erklärte das Unternehmen, dass eine “künstliche Verknappung der Anbieter von Bestätigungsleistungen bei der CSRD-Umsetzung” vermieden werden müsse – dies widerspräche “dem Leitgedanken der CSRD-Richtlinie und hätte gerade für KMU massive negative Auswirkungen, die unter Umständen existenzbedrohend sein können”.

    Unabhängig davon sagt Behncke, dass Unternehmen sich beeilen sollten. “Die Weichen für die Berichtspflicht waren schon lange klar und die Inhalte ausreichend konkretisiert.” Trotzdem wird der CSRD offenbar keine hohe Priorität eingeräumt: Einer PwC-Umfrage unter rund 300 Mittelständlern zufolge hat die Hälfte noch nicht mit der Umsetzung begonnen.

    • Berichtspflichten
    • CSRD
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    Umweltschädlich und in Deutschland verboten: Der Anteil von Fracking-Gas an Gasimporten wächst

    Fracking im US-Bundesstaat Kalifornien: Erhebliche Umwelt- und Gesundheitsschäden.

    Deutschland ist auf Erdgasimporte angewiesen. Rund 95 Prozent des Bedarfs müssen aus dem Ausland gedeckt werden. Weil Russland als eine Folge des Kriegs in der Ukraine seit Ende August 2022 nichts mehr liefert, beschafften die Energieunternehmen kurzfristig vor allem am Spotmarkt Liquefied Natural Gas (LNG).

    Es zeigt sich aber, dass ein großer und wachsender Teil davon aus den USA stammt – wo es durch die umweltschädigende und gesundheitsgefährdende Methode des Frackings aus den Gesteinsschichten geholt wird. Das Gas wird anschließend entweder über die im Bau befindlichen Terminals an der deutschen Nord- und Ostseeküste importiert; hier lag der Anteil laut Jahresbericht 2023 des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) bei 84 Prozent. Oder es wird in den Häfen Rotterdam (Niederlande) und Seebrügge (Belgien) angelandet und über das Gasnetz nach Deutschland transportiert – weshalb es dann offiziell nicht mehr als LNG, sondern als Pipelinegas gilt.

    Belgien selbst fördert kein Erdgas in nennenswertem Umfang. Die Niederlande haben im vergangenen Herbst ihr letztes Gasfeld geschlossen. Dennoch hatten beide Länder laut Bundesnetzagentur im Jahr 2023 einen Anteil von 48 Prozent an den gesamten deutschen Gasimporten. Obwohl eigentlich nur die USA und Katar in der Lage sind, kurzfristig größere Mengen LNG auf den Spotmärkten anzubieten, können jedoch weder die Bundesnetzagentur noch das Bundeswirtschaftsministerium (BMWK) Auskunft über die tatsächliche Herkunft der Erdgaslieferungen geben.

    Langfristig immer mehr US-Fracking-Gas

    “Auf dem Weltmarkt für LNG gibt es verschiedene Länder, aus denen LNG angeboten wird”, so eine Sprecherin des BMWK zu Table.Briefings. “Die Verträge werden hier von den Unternehmen gemacht. Sie sind verantwortlich und zuständig für die Lieferungen. Wir haben keinen Einblick in die Verträge.”

    Mit der Zunahme langfristiger LNG-Lieferverträge wird sich das ändern. Denn anders als bei den schwer nachvollziehbaren Einkäufen am Spotmarkt, berichten die Unternehmen über den Abschluss solcher Importverträge öffentlich. Und sie sind bereits mit einer Reihe von US-Firmen handelseinig geworden:

    • EnBW bezieht ab 2026 jährlich 1,5 Millionen Tonnen LNG von Venture Global. Laufzeit: 20 Jahre.
    • SEFE bekommt ab 2026 jährlich 2,25 Millionen Tonnen LNG von Venture Global. Laufzeit: 20 Jahre.
    • BASF werden ab 2026 jährlich 800.000 Tonnen LNG von Cheniere geliefert. Laufzeit: 17 Jahre.
    • RWE erhält ab 2027 jährlich 2,25 Millionen Tonnen LNG von Sempra Infrastructure. Laufzeit: 15 Jahre.

    Rund zehn Milliarden Euro investiert die Bundesregierung in die dafür notwendige Infrastruktur. Drei schwimmende Terminals, sogenannte “Floating Storage and Regasification Units” (FSRU), arbeiten in Wilhelmshaven, Lubmin und Brunsbüttel bereits im Regelbetrieb. Stade und Mukran auf Rügen werden in Kürze folgen. Ab 2026 sollen dann einige der FSRUs durch stationäre, leistungsfähigere Terminals ersetzt werden.

    Erhebliche Umwelt- und Gesundheitsschäden

    Die zunehmenden LNG-Importe aus den USA sind vor allem aber aus zwei Gründen umstritten. Zum einen, weil dort rund 80 Prozent der Erdgasförderung durch Fracking erfolgt. Dabei wird Wasser mit Chemikalien vermischt und unter hohem Druck in gasführende Gesteinsschichten gepumpt, um diese aufzubrechen und das Gas freizusetzen.

    Die Umweltrisiken des Frackings sind erheblich und reichen laut Bundesumweltministerium von der Verunreinigung von Grund- und Trinkwasser über Lärm- und Luftemissionen bis hin zu einem hohen Flächen- und Wasserverbrauch. In Deutschland ist Fracking daher seit 2017 gesetzlich verboten.

    Aber auch die Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit können erheblich sein. So hat eine Studie der Yale University aus dem Jahr 2022 gezeigt, dass Kinder, die in der Nähe von Fracking-Standorten leben, ein zwei- bis dreifach erhöhtes Risiko haben, an einer schweren Form von Kinderleukämie zu erkranken. Auch Neugeborene kommen dort häufiger mit niedrigem Geburtsgewicht und schlechterem Gesundheitszustand zur Welt, wie eine in “Science Advances” veröffentlichte Studie zeigt.

    Von den direkten Umwelt- und Gesundheitsgefahren bei der Förderung fossiler Energien sind besonders arme Gemeinden und Minderheiten betroffen. Die Umweltschutzorganisation Greenpeace USA hat dazu 2021 einen Bericht mit dem Titel “Fossil Fuel Racism” vorlegt. Er zeige, so die Autoren, “dass die fossile Brennstoffindustrie zu Gesundheitsschäden beiträgt, die jedes Jahr Hunderttausende von Menschen in den USA töten und schwarze, braune, indigene und arme Gemeinschaften unverhältnismäßig stark gefährden”.

    Ein weiterer Aspekt sind die hohen Methanemissionen von gefracktem LNG aus den USA. Methan gilt als besonders schädlich für das Klima. Es wirkt in der Atmosphäre in den ersten 20 Jahren 80-mal stärker als CO₂.

    CO₂-Emissionen zusammengenommen bis zu 274 Prozent höher als Kohle

    Einer kürzlich vorgestellten Studie von Robert Howarth zufolge, der als Klimawissenschaftler an der Cornell University forscht, seien die Treibhausgasemissionen von Erdgas bei der Verbrennung zwar geringer als die von Kohle. Beziehe man aber die Emissionen aufgrund von Leckagen und dem Energieverbrauch bei der Förderung, Verarbeitung und dem Transport in die Berechnung mit ein, könnten die Emissionen von LNG um bis zu 274 Prozent höher als bei Kohle liegen. Besonders schlecht fällt die Bilanz aus, so Howarth, wenn das Erdgas durch Fracking gewonnen wurde.

    Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) rät daher in einer aktuellen Studie von einem übermäßigen Ausbau der LNG-Infrastruktur in Deutschland ab. “Vielmehr sollten langfristig wirksame Investitionen nur in Projekte fließen, die vollständig mit dem Ziel von 100 Prozent erneuerbarer Energien vereinbar sind”, heißt es dort. “Weitere Ausbaupläne von LNG-Terminals an der deutschen Nord- und Ostseeküste erscheinen daher aus energiewirtschaftlicher und aus klimapolitischer Perspektive als kontraproduktiv.”

    Norwegisches Gas als Alternative?

    Angesichts des tendenziell sinkenden Erdgasbedarfs Deutschlands wäre es laut DIW stattdessen möglich, die Versorgung mittelfristig vor allem durch norwegisches Pipelinegas sicherzustellen. Das sei “nicht nur preiswerter, sondern auch weniger umweltschädlich als Fracking-Gas”, so die Forscher.

    Ludwig Möhring, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands Erdgas, Erdöl und Geoenergie (BVEG), hält es hingegen für denkbar, das Fracking-Verbot in Deutschland aufzuheben, statt LNG aus den USA zu importieren.

    “Eine erhöhte heimische Erdgasförderung würde die Abhängigkeiten von internationalen Erdgasbeschaffungsmärkten reduzieren und für Druck auf die Preise sorgen.” Aufgrund der höheren Umweltauflagen in Deutschland sei eine umweltverträgliche Förderung möglich, ist Möhring überzeugt. “Aber es ist eben einfacher, die Produkte einfach zu importieren. Widerspruchsfrei ist das nicht, aber offenbar politisch und gesellschaftlich akzeptiert.”

    • Energie
    • Gas
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    Termine

    4.-7. April 2024, Stuttgart
    Messe Fair Handeln 2024 (Veranstalter: Messe Stuttgart) Info & Anmeldung

    9. April 2024, 13-17 Uhr, Stuttgart
    Workshop Nachhaltiges Lieferkettenmanagement: Regulatorische Herausforderungen und Handlungsmöglichkeiten (Veranstalter: UPJ) Info & Anmeldung

    10. April 2024, 9-13 Uhr, Online
    Online-Seminar Betriebliches Klimamanagement (Veranstalter: KliMa Wirtschaft) Info & Anmeldung

    11. April 2024, 8:40-13 Uhr, Online
    Seminar Online-Grundlagenschulung zur Fairen Beschaffung in Kommunen (Veranstalter: SKEW – Servicestelle Kommunen in der Einen Welt) Info & Anmeldung

    11. April 2024, 16:30-18:30 Uhr, Online
    Seminar Konfliktfeld Energie- und Klimapolitik: Die EU zwischen Klimakrise und ökonomischen Zukunftsmärkten (Veranstalter: Friederich-Ebert-Stiftung) Info & Anmeldung

    15. -19. April 2024, Kochel am See
    Seminar Das Versprechen von Diversität und Nachhaltigkeit – Unternehmen nutzen den Zeitgeist (Veranstalter: Georg-von-Vollmar-Akademie e.V.) Info & Anmeldung

    15.-19. April 2024, Darmstadt
    Konferenz 6. Darmstädter Tage der Transformation (Veranstalter: Schader-Stiftung) Info & Anmeldung

    16. April 2024, 9:30-15:30 Uhr, Online
    Webinar Systematischer Klimaschutz – Klimamanagement in Unternehmen (Veranstalter: KliMaWirtschaft) Info & Anmeldung

    18. April 2024, 16:30-18:30 Uhr, Online
    Seminar SpringSchool on Corporate Sustainability Management II: Sustainability Reporting und doppelte Wesentlichkeit (Veranstalter: Renn Netzwerk) Info & Anmeldung

    News

    Generationenkapital: NGOs kritisieren fehlende gesetzliche ESG-Vorgaben

    Der kürzlich veröffentlichte Referentenentwurf für das geplante Rentenniveaustabilisierungs- und Generationenkapitalgesetz stößt in der Zivilgesellschaft auf Widerspruch. Der Grund: Es fehle an einer gesetzlich verankerten ESG- und Nachhaltigkeitsstrategie für den Kapitalstock. Derzeit läuft die Verbändeanhörung. Das Gesetz soll bis zur Sommerpause den Bundestag passieren.

    Ziel des Gesetzes ist es, ein Rentenniveau von 48 Prozent dauerhaft zu sichern. Dazu soll eine Stiftung Generationenkapital gegründet werden, um ab 2036 jährlich durchschnittlich zehn Milliarden Euro zur Entlastung des Rentenbeitragssatzes auszuschütten.

    Das Stiftungsvermögen soll in den kommenden Jahren durch Darlehen des Bundes und Eigenmittel aufgebaut und “am Kapitalmarkt global-diversifiziert, renditeorientiert, langfristig und zu marktüblichen Bedingungen investiert” werden, so der Entwurf. “Die gesetzlichen Anlagevorschriften”, heißt es dort weiter, “enthalten keine Vorgabe für die Anwendung von ESG-Kriterien”. Dies solle, wie beim KENFO, erst in einer Anlagerichtlinie geregelt werden.

    Tilman Massa, Co-Geschäftsführer des Dachverbands der Kritischen Aktionäre, findet das falsch. “Es ist ein Skandal, dass die Bundesregierung außer Rendite und globaler Diversifikation keinerlei gesetzliche Vorgaben machen will, wie das geplante Generationenkapital angelegt werden soll”, so Massa in einer Stellungnahme. Es reiche nicht aus, die Einhaltung von ESG-Kriterien lediglich in Aussicht zu stellen.

    Ähnlich sieht es die Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di. Der Druck, hohe Renditen zu erwirtschaften, heißt es in ihrer Stellungnahme, “erzeuge das Risiko, in riskante Anlagen zu investieren, zumal auch keine gesetzliche Verpflichtung besteht, nachhaltig, umweltbewusst und sozial ethisch vertretbare Anlagen zu wählen”.

    Kritik auch an Zuständigkeit vom KENFO

    Die Umweltorganisation Urgewald kritisiert zudem, dass die bereits bestehende Stiftung “Fonds zur Finanzierung der kerntechnischen Entsorgung” (KENFO) für den Aufbau der Stiftung Generationenkapital zuständig sein soll. Denn trotz wiederholter Beteuerungen verfolge der KENFO keine nachhaltige Anlagestrategie, sondern investiere auch in Kohle-, Öl- und Gasunternehmen.

    Die Aussicht, dass mit Generationenkapital weitere Milliarden in fossile Unternehmen fließen, sei untragbar, so Anna Lena Samborski von Urgewald. “Die Anlagestrategie muss verpflichtend in Einklang mit den Pariser Klimazielen und der 1,5°C-Grenze gebracht werden, zu der sich auch die Bundesregierung bekannt hat”, fordert sie. ch

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    USA: Volkswagen steht vor nächster Gewerkschaftswahl

    Vom 17. bis 19. April 2024 können die mehr als 4.000 Beschäftigten bei VW in Chattanooga im US-Bundestaat Tennessee zum dritten Mal innerhalb von zehn Jahren über eine Interessenvertretung entscheiden. Die Gewerkschaft United Autoworkers (UAW) hatte die Abstimmung am 18. März bei der zuständigen Bundesbehörde beantragt. Am Montag wurde der Termin schließlich festgesetzt.

    UAW braucht Mehrheit der Stimmen

    Wie groß der Rückhalt in der Belegschaft tatsächlich ist, wird sich erst Mitte April zeigen. Entsprechend der 30-50-70-Strategie der UAW müssten derzeit aber von mindestens 70 Prozent der Beschäftigten Unterstützungskarten vorliegen. Die UAW selbst hat bisher keine konkrete Zahl genannt, spricht aber von einer “Supermajority”. Bereits 30 Prozent reichen aus, um eine Wahl zu beantragen.

    Bei den Wahlen 2014 und 2019 war die UAW jeweils knapp an der 50-Prozent-Hürde gescheitert. In den USA muss sich die Mehrheit der Belegschaft eines Betriebes für eine Gewerkschaft aussprechen, damit sie als Tarifpartei anerkannt wird.

    US-amerikanische Automobilhersteller wie Ford, General Motors und Chrysler sind seit Jahrzehnten gewerkschaftlich organisiert. Im Herbst 2023 hat die UAW hier in offensiv geführten Tarifverhandlungen unter anderem Lohnerhöhungen von 25 Prozent über eine Laufzeit von vier Jahren und einen Inflationsausgleich durchgesetzt.

    Wahlsieg bei VW könnte Signalwirkung haben

    An den Standorten ausländischer Automobilhersteller wie BMW, Hyundai, Mercedes-Benz, Nissan oder Volkswagen gibt es dagegen bislang weder eine Gewerkschaft noch Tarifverträge. Das gilt auch für Tesla. Deshalb hat die UAW, beflügelt von ihren Tariferfolgen, Ende vergangenen Jahres eine groß angelegte Kampagne gestartet, um die rund 150.000 Beschäftigten dieser Unternehmen zu organisieren. Dafür will sie 40 Millionen US-Dollar in die Hand nehmen.

    Landesweite Aufmerksamkeit ist der Wahl bei VW allein deshalb sicher. Denn ein Wahlsieg der UAW könnte Signalwirkung haben. In den Werken von Hyundai in Montgomery und Toyota in Troy ist die Gewerkschaft nach eigenen Angaben auf einem guten Weg. Bei Mercedes-Benz in Alabama habe sie sogar schon eine Mehrheit hinter sich, heißt es. ch

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    Sachverständigenrat für Umweltfragen: Deutschland hat das CO₂-Budget ausgeschöpft

    Deutschland hat seinen “fairen Anteil” am CO₂-Budget, das sich aus dem 1,5-Grad-Limit ergibt, schon Anfang 2023 aufgebraucht. Zu dem Ergebnis kommt der Sachverständigenrat für Umweltfragen der Bundesregierung (SRU) in einer neuen Kalkulation. Das Restbudget habe im vergangenen Jahr noch CO₂-Emissionen in Höhe von 19 Millionen Tonnen erlaubt. Tatsächlich betrug der deutsche CO₂-Ausstoß 2023 laut Umweltbundesamt 594 Millionen Tonnen. Damit habe Deutschland Anfang 2024 bereits 575 Millionen Tonnen CO₂ über den errechneten Grenzen gelegen.

    Die Nutzung des CO₂-Budgets ist aber seit Langem umstritten. Während der SRU oder etwa Fridays for Future die Größe als Maßstab für die deutsche Klimapolitik ansehen, hat die Bundesregierung nie offiziell mit dem Budget gerechnet. Eine Begründung dafür: Das Pariser Klimaabkommen benennt selbst kein globales Budget, sondern legt Temperaturobergrenzen fest.

    Auch in den internationalen Verhandlungen des Rahmenübereinkommens der Vereinten Nationen über Klimaänderungen ist von einer klaren globalen Obergrenze für Treibhausgase nicht die Rede – erst recht nicht von nationalen Budgets. Und auch in der EU-Klimapolitik gilt kein allgemeines Budget, sondern nur eine CO₂-Obergrenze im Emissionshandel. Ein weiteres Contra-Argument: Die Budgets ignorieren mögliche überraschende Schwankungen in der Emissionskurve wie die Corona-Pandemie, Wirtschaftskrisen oder technologische Durchbrüche.

    Wissenschaftler betonen große Spannbreiten und Unsicherheiten

    In der Wissenschaft ist der Blick auf Budgets differenziert. Zwar hat der Weltklimarat IPCC in seinem sechsten Sachstandsbericht 2022 das globale Budget zur Einhaltung von 1,5 Grad mit einer 67-prozentigen Wahrscheinlichkeit und einem hohen zwischenzeitlichen “Überschießen” der Temperaturen auf 400 Milliarden Tonnen CO₂ ab 2020 kalkuliert. Gleichzeitig betonten die IPCC-Experten aber auch die relativ großen Spannbreiten und Unsicherheiten der Rechnung. Der SRU setzt das globale Budget in seiner aktuellen Kalkulation niedriger an als der IPCC – und leitet daraus dann das deutsche Budget ab.

    Aufgrund der wissenschaftlichen Unsicherheiten bewerten die Experten vom Klima-Thinktank “Climate Analytics” das Budget daher als einen hilfreichen Ansatz, der aber nicht absolut gesehen werden sollte: “Die sehr großen Unsicherheiten bei CO₂-Budgets bedeuten, dass sie im besten Fall nur Orientierung bieten können, ob ein vorgegebenes Temperaturziel erreicht werden kann.” ae/bpo

    Die ausführliche Analyse zu den CO₂-Budgets lesen Sie im Climate.Table.

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    Northvolt-Batteriefabrik: Planmäßiger Baubeginn, unklarer Schienenanschluss

    Parteiübergreifende Begeisterung herrschte am Montag bei Heide in Schleswig-Holstein: Beim symbolischen Baubeginn für die große Batteriefabrik des schwedischen Konzerns Northvolt feierten Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) das Projekt als Beispiel für die klimafreundliche Transformation der deutschen Wirtschaft. “Industrie siedelt sich dort an, wo Energie ist”, sagte Scholz beim Festakt. “Es war keine Fügung, sondern eine klare Entscheidung, auf Windenergie zu setzen.” Habeck hatte im Vorfeld betont, dass durch die Fabrik die Abhängigkeit von China bei der E-Auto-Produktion verringert werde.

    Die Fabrik westlich von Heide soll im Jahr 2026 die Produktion aufnehmen und 2029 ihre volle Kapazität erreichen. Dann sollen rund 3.000 Mitarbeitende dort jedes Jahr Batterien für eine Million Elektroautos herstellen. Um die Ansiedlung zu erreichen, nehmen Bund und Land trotz der massiven Kürzungen im KTF viel Geld in die Hand: Insgesamt bekommt Northvolt über mehrere Jahre Subventionen von bis zu 900 Millionen Euro, davon 700 Millionen als Direktzuschuss und gut 200 Millionen als Garantien. Erst im Januar hatte die EU dafür grünes Licht gegeben.

    Rechtzeitiger Schienenanschluss zweifelhaft

    Während die in Heide hergestellten Batterien den Verkehr klimafreundlicher machen sollen, ist das für die Transporte zur und aus der Fabrik allerdings noch nicht gewährleistet. Zwar möchte Northvolt diese überwiegend auf der Schiene abwickeln, doch ob das klappt, ist zweifelhaft, warnten die Bundestagsabgeordneten Matthias Gastel (Grüne) und Stefan Seidler (Südschleswigscher Wählerverband) am Montag. Denn auf der Strecke nach Süden muss der Nordostsee-Kanal überquert werden – doch die Hochdonner Hochbrücke auf der Hauptstrecke nach Hamburg ist für die schweren Güterzüge nicht geeignet.

    Als Alternative kommt die Hochbrücke auf der Strecke nach Neumünster infrage, doch diese Strecke ist bisher nur eingleisig ausgebaut. Dort seien dringend Ausweichstellen erforderlich, für die der Bund zuständig sei, erklärte Seidler. “Damit bis 2026 überhaupt ein Güterzug nach Heide verkehren kann, muss das Thema Chefsache in Berlin werden und auf den Tisch des Kanzlers.” Gastel forderte, man brauche “Deutschlandtempo nicht nur beim Bau der Industrieanlage, sondern auch bei der Anbindung über die Schiene”. mkr

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    CO₂-Speicherung: Zementindustrie drängt auf schnellen Bau eines Leitungsnetzes

    Der Verein Deutscher Zementwerke (VDZ) hat in einer Studie Vorschläge zu einer CO₂-Transportinfrastruktur vorgelegt. Die drei Sektoren, so der Verband, hätten bis 2040 einen Transportbedarf von 35 Millionen Tonnen pro Jahr für mittels CCS-Technik (“Carbon Capture and Storage”) abgeschiedenes und verpresstes CO₂. Hinzukommen könnten 15 bis 20 Millionen Tonnen durchgeleitetes CO₂ aus den Nachbarländern Österreich, Schweiz und Frankreich.

    Das dafür notwendige Leitungsnetz solle 4.800 Kilometer lang sein und vor allem die deutschen Industriezentren mit Nordseehäfen verbinden, von wo das CO₂ zur Verpressung im Meeresboden gebracht werden könne. Den Finanzierungsbedarf sieht der Verband der Zementhersteller bei 14 Milliarden Euro, den die Netzbetreiber stemmen müssten. Aus Sicht des VDZ sollte die Bundesregierung deren Finanzierungsrisiken ähnlich wie beim Wasserstoffkernnetz absichern.

    Aus den Netzinvestitionen allein errechnet der VDZ einen Preis von 25 bis 35 Euro pro Tonne CO₂. Hinzu kämen allerdings noch die Energiekosten für die Abscheidung und die Lagerkosten. Beim Strom rechnet der Verband mit einer knappen Vervierfachung des derzeitigen Bedarfs bei der Zement- und Kalkherstellung auf rund 17 Terrawattstunden im Jahr 2045. In den Szenarien würden sich Gesamtkosten von 115 bis 220 Euro pro abgeschiedener und gelagerter Tonne CO₂ ergeben.

    Emissionsreduzierungen durch Kreislaufwirtschaft nicht berücksichtigt

    Im vergangenen Jahr verursachten die drei Sektoren Zement, Kalk und Abfallverbrennung der Studie und Zahlen des Umweltbundesamts zufolge mit 65,4 Millionen Tonnen 9,7 Prozent der gesamten deutschen CO₂-Emissionen. Aus den Zahlen in der Studie ergibt sich, dass bis 2045 die Menge des nicht abgeschiedenen Treibhausgases auf 12 Millionen Tonnen sinken könnte – die vollständig in der Abfallwirtschaft entstehen würden. Zugrunde gelegt werden allerdings aus der Gegenwart fortgeschriebene CO₂-Emissionen dieses Sektors, ohne eine Berücksichtigung von Einsparpotenzialen durch mehr Kreislaufwirtschaft.

    Aus Sicht des Verbands drängt die Zeit. Um bis 2040 in der Zementindustrie klimaneutral zu wirtschaften, müssten die zehn wichtigsten Industrie-Cluster bis spätestens 2035 per Leitung und teils per Schiene an die CCS-Infrastruktur angebunden sein. Bereits in vier Jahren müsse es erste Anbindungen geben. “Viele Zementhersteller stehen in den Startlöchern mit ihren CO₂-Abscheideprojekten”, sagte dazu VDZ-Hauptgeschäftsführer Martin Schneider. “Was fehlt, ist der nationale Rechtsrahmen und eine geeignete Transportinfrastruktur”. av

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    Presseschau

    Die Frau hinter Habeck Der Spiegel
    Mit Franziska Brantner, Parlamentarische Staatssekretärin im BMWK, war Gerald Traufetter in Südamerika auf Rohstofftour. Chinesische Konkurrenz, Menschenrechte, Umweltschutz – alles nichts gegen das Problem, dass die deutsche Wirtschaft lieber günstig einkauft, als selbst zu investieren. Der Rohstofffonds der KfW soll die Zauderer nun aus der Reserve locken. Zum Artikel

    Die Energiewende braucht einen neuen Anlauf – Frankfurter Allgemeine
    Nur wenn sie “ein ökonomisches Erfolgsmodell” wird und sozialverträglich bleibt, werde die ökologische Transformation gelingen, schreibt Ralf Fücks, langjähriger Vorstand der Heinrich-Böll-Stiftung. Dafür müsse unter anderem der CO₂-Preis kontinuierlich ansteigen und die Energiewende stärker in internationaler Zusammenarbeit umgesetzt werden. Das Zurückhalten des Klimagelds bezeichnet er als “Riesenfehler”. Zum Artikel

    Diversität: Wie gutes Generationen-Management gelingt – Handelsblatt
    Manuel Heckel schreibt, dass die Vielfaltsdimension “Alter” durch den demografischen Wandel für Unternehmen wichtiger werde. Bislang gebe es aber erst in wenigen Unternehmen klare Kennzahlen und verbindliche Vereinbarungen – etwa bei Instrumenten für Personalentwicklung, die auch die Bedürfnisse von älteren Mitarbeitern berücksichtigt. Zum Artikel

    Der Elektroschock: Existenzkrise der deutschen Autoindustrie – Der Spiegel
    Der Absatz von E-Autos hierzulande schwächle, auch weil die deutschen Modelle zu teuer seien. Gleichzeitig wachse der Druck des chinesischen Herstellers BYD. In der aktuellen Titelstory geht ein Autorenteam des Spiegels daher der Frage nach, wie die “Krise” sich auf die Hersteller, ihre Beschäftigten und die Wertschöpfung auswirken könnte. Ihr Fazit: Noch sei nichts entschieden. Zum Artikel

    Akkus sollen in Zukunft kein Lithium mehr enthalten, da es immer knapper wird. Künstliche Intelligenz sucht blitzschnell nach Materialien für den Ersatz – Neue Zürcher Zeitung
    Mit Hilfe von KI wollen sich Materialforscher schneller im Dschungel potenzieller Werkstoffe zurechtfinden. Bei der Suche nach einem Ersatz für Lithium in Batterien ist das kürzlich besonders gut gelungen. Doch die Sache hat einen Haken, hat Christian J. Meier herausgefunden. Zum Artikel

    Fast Fashion: Es darf nicht nur um den Preis gehen – Süddeutsche Zeitung
    Ein Preisaufschlag auf Billigmode, wie ihn Frankreich plant, wirke wie eine einfache Lösung zur Bekämpfung von Fast Fashion – die Schwachstelle des Vorschlags sei aber, dass der Preis keine verlässliche Auskunft über die Nachhaltigkeit von Mode gebe, kommentiert Silvia Liebrich. Der größte Hebel für weniger Modekonsum sei die Einsicht der Verbraucher. Zum Artikel

    ‘New climate reality’ stretches global freshwater supply – Financial Times
    Industrie, private Verbraucher und Landwirtschaft dürsten nach immer mehr Wasser, während durch den Klimawandel die Reserven knapper werden. Zum Weltwasser-Tag analysiert Attracta Mooney die Problematik. Experten sagen, die Technik für nachhaltigeren Verbrauch und weniger Verschmutzung stehe bereits zur Verfügung. Doch es fehle an der politischen Rahmensetzung. Zum Artikel

    Energy Dept. Awards $6 Billion for Green Steel, Cement and Even Macaroni Factories – The New York Times
    Der CO₂-neutrale Umbau der US-Industrie verlief bisher eher schleppend. Nun stellt die Biden-Administration bis zu sechs Milliarden US-Dollar bereit, um neue Technologien zur Reduzierung des CO₂-Ausstoßes von Schwerindustrien wie Stahl, Zement, Chemikalien und Aluminium zu fördern. Geplant sind 33 Projekte in 20 Staaten. Energieministerin Jennifer Granholm spricht von der “größten Einzelinvestition in die industrielle Dekarbonisierung in der amerikanischen Geschichte”, berichtet Brad Plummer. Zum Artikel

    20 Milliarden für die Industrie: Warum Bablers Plan Kapitalisten nicht verschreckt – Der Standard
    SPÖ-Chef Andreas Babler fordert einen starken Staat und will die Industrie mit einem Transformationsfonds umbauen. Mit dem Geld soll deren Dekarbonisierung gefördert werden, um Arbeitsplätze und Wertschöpfung in Österreich zu sichern. Kritiker werfen ihm prompt Staatsdirigismus vor. Dabei ist der Vorschlag weniger revolutionär als er klingt. In vielen Punkten ist er Mainstream, meint András Szigetvari. Zum Artikel

    Der Wasserstoff-Bluff – Correctiv.org
    2023 wurde in Leipzig mit großem medialen Getöse das angeblich “erste vollständig wasserstofffähige Kraftwerk” in Betrieb genommen. Einer Recherche von Correctiv zufolge sei es indes völlig unklar, ob das Kraftwerk tatsächlich in der Lage sein wird, die Versprechen zu halten, weil es nie getestet wurde. Zum Artikel

    Heads

    Heike Vesper: “Wir versuchen ein Orchester zu sein”

    Heike Vesper ist Meeresbiologin und sitzt im Vorstand des WWF.

    Sie wollte zunächst eine “tolle Wissenschaftlerin” werden, wie Heike Vesper es beschreibt. Doch das Biologie-Studium in Bremen und Amsterdam eröffnete ihr eine weitere Perspektive: als Brückenbauerin zwischen wissenschaftlichen Erkenntnissen und praktischer Politik. Daher verließ sie die Universität und ging zum WWF Deutschland. Dort arbeitet sie nun seit drei Jahrzehnten, mittlerweile als Vorständin für “Transformation Politik & Wirtschaft”.

    In dieser Funktion tritt Vesper regelmäßig auf und ist so ein öffentliches Gesicht des deutschen Ablegers des WWF geworden. Internationale und lokale Kampagnen sind eine Spezialität der gemeinnützigen Organisation, für die aktuell fast 500 Menschen tätig sind.

    Zurückblicken kann Vesper, die von 1999 bis 2023 den Fachbereich Meeresschutz beim WWF Deutschland leitete, auf die Verbreitung des Begriffs “Überfischung”, an der sie beteiligt war. Obwohl der Tatbestand selbst bereits seit Langem existierte, musste er erst ins öffentliche Bewusstsein gerückt werden. Vesper nahm sich dem neuen Arbeitsfeld an und entwickelte das Thema nachhaltiger Fischkonsum. “Als wir damit angefangen haben, Anfang der 2000er-Jahre, gab es dazu gar nichts”, erinnert sie sich. “Der WWF hat deshalb einen Fischratgeber erarbeitet und mit diesem verknüpft eine große wissenschaftliche Datenbank aufgebaut.” Über die Jahre zahlte sich die Beharrlichkeit aus: “Ich würde es als absoluten Erfolg feiern, dass heute so viel mehr Menschen darüber Bescheid wissen, was Überfischung ist.”

    Überfischung hat “mit mir zu tun”

    Später ging die NGO mit dem Einzelhandel Partnerschaften ein – eine Praxis, für die der WWF über die Jahre immer mal wieder kritisiert wurde. “Wir arbeiten mit Kampagnen, wir arbeiten an Lösungen, wir arbeiten mit der Industrie”, sagt Vesper. “Wir versuchen, ein Orchester zu sein, und nicht nur Einzelspielerinnen und Einzelspieler.”

    Doch reicht es, ein Problem in der Öffentlichkeit bekannt zu machen? “Es gibt ein Problem, das heißt Überfischung. Und es hat mit mir zu tun, weil ich Fisch esse. Das ist der Schritt, der gegangen werden musste. Zur Verhaltensänderung ist es dann noch ein langer Weg”, argumentiert sie.

    Zuweilen kommt es vor, dass Vesper selbst im Privaten in der Rolle als Expertin wahrgenommen wird. “Bis zu dem Punkt, wo Leute sich im Supermarkt über ihren Einkaufswagen werfen, wenn sie mich sehen und sagen: ‘Nein, du sollst nicht reingucken'”, amüsiert sich Vesper. “Das muss ich auch nicht. Du musst doch selbst wissen, was du einkaufst.”

    Die WWF-Verantwortliche will nicht das individuelle Essverhalten regulieren. Aber es bräuchte aus ihrer Sicht Anreize zur Veränderung des Konsumverhaltens. “Die Lebensmittel, die einen besonders geringen ökologischen Fußabdruck haben, und die auch noch gesundheitlich für mich besser sind, sollten zum Beispiel günstiger sein”, erklärt Vesper einen Ansatz. “Das kann man mit Stellschrauben regulieren: indem man zum Beispiel einen niedrigeren Mehrwertsteuersatz auf Gemüse, Hülsenfrüchte oder Obst setzt als auf Fleisch.”

    Regularien ergänzen Überzeugungsarbeit

    Nun brauche es ein noch stärkeres Bewusstsein für die negativen Entwicklungen in der Lebensmittelvermarktung, aber auch gesetzliche Vorschriften. “Die Folie, die die eingeschweißte kleingeschnittene Banane im Supermarkt hat, besteht aus sieben Schichten. Und diese sieben Schichten sind alles unterschiedliche Stoffe”, nennt Vesper ein Beispiel. Daraus könne man nichts Neues mehr machen. “Deshalb braucht es diese ganzen Regulierungen zum Abfall oder zur Herstellung von solchen Produkten, damit man dann eben auch sortenrein recyceln kann.”

    Der Grad der Entscheidungsfreiheit sei laut Vesper massiv abhängig vom Grad des Problems und der Zeit, die zur Verfügung stehe, um das Problem zu lösen. “Wenn uns die Zeit davonrennt und wir als gesamte Menschheit agieren müssen, dann wird das nicht allein durch Überzeugung klappen. Deshalb braucht es manchmal auch Regularien”, sagt sie. Constantin Eckner

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