darüber waren sich Axel Berger, Chief Sustainability Officer bei Haniel, die Klimaaktivistin Luisa Neubauer und Sandrine Dixson-Declève, eine der beiden Präsidentinnen des Internationalen Club of Rome, am Montagabend einig: Die anstehende Europawahl ist bedeutsam für die Transformation, und ein Erstarken der radikalen Rechten gefährdet den zukunftsfähigen Umbau der Wirtschaft. Die drei diskutierten Montagabend auf Einladung des Arts and Nature Social Club und des Deutschen Club of Rome in Berlin. Dixson-Declève würdigte die Arbeit von EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen für den Green Deal der EU. Nun sei es aber notwendig, den Green Deal über Europa hinaus zu entwickeln, wobei die Präsidentin des Club of Rome Afrika und – für einzelne Themen – China als Partner nannte.
Auch das “Who is Who” der Energiewende-Szene trifft sich diese Woche in Berlin beim Energy Transition Dialogue. Im Zentrum steht die Frage, wie der Umstieg auf erneuerbare Energien beschleunigt werden kann. Auch Avinash Persaud treibt dies um. Im Interview erklärt der Architekt der Bridgetown-Initiative für eine gerechte Klimafinanzierung, vor welchen Herausforderungen hoch verschuldete Staaten bei der Energiewende stehen, welche Investitionsrisiken reiche Staaten abfedern sollten, und wie die Billionen für die Klimafinanzierung mobilisiert werden können.
Mit einer unterlassenen Wende für Banken in Europa und den Folgen für die Transformation beschäftigt sich anlässlich des Jahrestags des Kollapses der Credit Suisse der Gründer der NGO Finanzwende, Gerhard Schick, im Standpunkt. Seine These: “Ohne transformiertes Bankenwesen ist die Wirtschaft der Zukunft in Gefahr”.
Die EU hat in der vergangenen Woche überraschend doch noch das Lieferkettengesetz CSDDD beschlossen. Was bedeuten die zivilrechtliche Haftung, die Einführung neuer Schutzvorschriften für Biodiversität, und die gegenüber der deutschen Regulierung andere Systematik für Unternehmen? Damit beschäftige ich mich in einer Analyse.
Wenn wie erwartet auch das EU-Parlament im April der Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD) zustimmt, kommt in den 27 Mitgliedsländern ein einheitliches Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) und es ändert sich einiges für Unternehmen in Deutschland. Schon die Systematik der beiden Regulierungsansätze – des CSDDD und des deutschen LkSG – unterscheidet sich grundlegend.
“Im Kern der CSDDD geht es um eine Risikobetrachtung”, sagt Markus Löning, Geschäftsführer der Unternehmensberatung Human Rights & Responsible Business, zu Table.Briefing. Die Unternehmen sollen sich nach dieser Regulierung mit den großen Risiken auch in ihrer tieferen Lieferkette beschäftigen. Das entspricht der Logik der 2011 verabschiedeten UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte. Deren Ziel ist es, dass sich Unternehmen mit den größten menschenrechtlichen Risiken in ihren Lieferketten befassen, um die Verhältnisse zu verbessern. Das LkSG fokussiert sich dagegen bei der Verantwortung von Unternehmen auf die Unterscheidung zwischen direkten und mittelbaren Lieferanten. Demnach sind hiesige Unternehmen für ihre direkten Zulieferer verantwortlich, bei denen jedoch gewöhnlich die geringsten menschenrechtlichen Risiken bestehen. Erhalten sie Kenntnis von Sorgfaltspflichtverstößen in der tieferen Lieferkette, müssen sie allerdings ebenfalls tätig werden.
Um die notwendige Mehrheit für die CSDDD zu erreichen, hat die belgische Ratspräsidentschaft das ursprünglich zwischen Rat und Parlament vereinbarte Regelwerk an wichtigen Stellen abgeschwächt. Befürworter des Gesetzes halten die Vorgehensweise für richtig, weil es unsicher wäre, ob die nächste Kommission sich des Themas annehmen würde. Zudem ist es leichter, eine bestehende EU-Regel in einigen Jahren zu überarbeiten, als einen neuen Anlauf für ein Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz zu starten.
Durch die am Ende überraschende Einigung verschwindet der bisherige Flickenteppich an Regeln in der EU. Bislang gibt es zwei sehr unterschiedliche Gesetze in den beiden größten Volkswirtschaften der EU, Frankreich und Deutschland. Außerdem gibt es spezielle nationale Lieferkettengesetze wie in den Niederlanden zur Prüfung kinderrechtlicher Risiken in Lieferketten. Aber in der großen Mehrzahl der 27 Mitgliedsstaaten existieren bislang gar keine entsprechenden Regeln. Deren Regierungen ersparen sich nun eine eigene Umsetzung der Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte. Zudem entfallen Wettbewerbsverzerrungen zwischen Unternehmen aus Mitgliedsländern mit und ohne Lieferkettengesetz.
Von Vorteil sein dürfte die einheitliche Regel aber auch im Außenhandel. “Ein EU-Lieferkettengesetz hat ein größeres Gewicht in Partnerländern als eine deutsche Regelung”, sagt Löning. In manchen Konstellationen dürfte dem europäischen Lieferkettengesetz besonderes Gewicht zukommen, wie im Fall von Bangladesch und seiner Textilindustrie. Schließlich exportiert die von der Branche abhängige Volkswirtschaft ein Drittel seiner Textilproduktion in die EU, 2023 für 17,38 Milliarden Euro. Umgekehrt könnte es aber auch Schwierigkeiten für europäische Unternehmen bei der Beschaffung geben, wenn sie in der Lieferkette über wenig Marktmacht verfügen. Darauf verweist Julia Grothaus, Partnerin bei der Anwaltskanzlei Linklaters und dort Leiterin des deutschen sowie Co-Leiterin des europäischen ESG-Teams. “Da sagten die entsprechenden Lieferanten in Hochrisikoländern wie dem Kongo oder Indonesien: Wir verstehen diese gesetzlichen Anforderungen – und beliefern dann bevorzugt Wettbewerber, die nicht diesen harten Verpflichtungen unterliegen.”
“Durch die europäische Regelung erweitert sich der Fokus gegenüber dem deutschen LkSG zudem um höhere umweltbezogene Erwartungen”, sagt Grothaus. Im Gespräch mit Table.Briefing verweist sie darauf, dass Biodiversität als Schutzgut berücksichtigt werden solle. “Das ist eine große Herausforderung, ohne dass bereits konzeptionell feststeht, wie weit diese Handlungspflichten gehen sollen.”
Deutschland muss die EU-Richtlinie in nationales Gesetz überführen, also das LkSG anpassen. Dafür lässt die EU den Mitgliedstaaten gewöhnlich zwei Jahre Zeit. Markus Löning rät zu einer schnellen Umsetzung. Wie schnell die Bundesregierung tätig werden kann, hängt auch davon ab, wie schnell die EU-Kommission – trotz Europawahl und Bildung einer neuen Kommission – die sogenannten Transpositions-Workshops ansetzen wird, um den Mitgliedstaaten die nötigen Hinweise für die Richtlinienumsetzung zu geben.
Ein Sonderfall stellt das Thema Berichtspflichten dar, weil unter Federführung des Bundesjustizministeriums die Umsetzung der EU-Nachhaltigkeitsrichtlinie CSRD unmittelbar ansteht. Wolle man doppelte Berichtspflichten und Umstellungsaufwand vermeiden, müsste man die LkSG-Berichtspflichten zügig auf die CSRD hin anpassen, erfuhr Table.Briefing aus Regierungskreisen.
Ursprünglich wollte die EU den Grenzwert der von dem Gesetz betroffenen Unternehmen deutlich niedriger ansetzen, bei 500 Mitarbeitern, und in Risikobereichen wie der Textilindustrie sogar bei 250 Mitarbeitern. Das hätte den Kreis der Unternehmen, die der Gesetzgeber erfassen will, in Deutschland deutlich erhöht. Das ist vom Tisch. In Frankreich führt die jetzige Regelung dazu, dass mehr Firmen erfasst werden.
Allerdings zeigt sich in der unternehmerischen Praxis, dass der Grenzwert nur eine untergeordnete Rolle spielt. “Was abgewälzt werden darf und was abgewälzt werden kann, sind halt zwei Paar Stiefel”, sagte kürzlich Christopher Haas, Geschäftsführer von Haas Magnettechnik bei einer Veranstaltung der IHK Darmstadt. Die Anforderungen würden von großen Unternehmen weitergegeben. Als “Gespensterdebatte” bezeichnet angesichts dessen auch Unternehmensberater Löning die häufige Fokussierung in der Debatte auf den Grenzwert. Notwendig seien jetzt Hilfen staatlicher Stellen und von Verbänden sowie Kammern für KMU, die indirekt auch von den Lieferkettenregeln betroffen seien.
Anders als die deutsche sieht die europäische Regulierung explizit eine zivilrechtliche Haftung für Unternehmen vor. Zwar konnten Betroffene von Menschenrechtsverletzungen in Deutschland schon immer gegen europäische Unternehmen zivilrechtlich klagen, wie im Falle des Fabrikbrandes bei dem KiK-Zulieferer Ali Enterprises vor dem Landgericht Dortmund. Allerdings wird in solchen Fällen gewöhnlich das Recht des Landes herangezogen, in dem sich der Vorfall ereignet hat, hier also Pakistan. Obwohl das LkSG keine zivilrechtliche Haftung enthält, wäre es außerdem nach Einschätzung von Juristen durchaus möglich, dass Betroffene mit Blick auf die dort normierten Verkehrssicherungspflichten in Deutschland klagen. Aber künftig gibt es nun eine dezidierte europäische Rechtsgrundlage, die es Betroffenen von Sorgfaltspflichtenverstößen gegen Menschen- oder Umweltverstößen erlaubt, vor europäischen Gerichten zivilrechtlich zu klagen. Das erachten mit der Thematik befasste NGOs als wichtigen Fortschritt.
In der jetzigen Fassung der CSDDD sei die Haftung klarer geregelt, was die Juristin Grothaus wichtig findet. “Unternehmen haften zivilrechtlich nur für eigene Pflichtverletzungen, wenn sie ihre Sorgfaltspflichten nicht beachtet haben.” Aber potenziell könnten sie auch bei Fahrlässigkeit haften. “Hier werden sich Unternehmen unter Umständen dem Vorwurf ausgesetzt sehen, dass sie bei einer gründlicheren Untersuchung die Risiken hätten entdecken können.” Prinzipiell legt die CSDDD den Fokus aber auf eine Minimierung der Risiken. “In der Tat fokussiert sie stärker als das LkSG auf Risikosektoren, Risikoprodukte und Risikoländer”, sagt Grothaus. Dem Gesetzgeber geht es eben primär nicht um die Bestrafung von Unternehmen, sondern die Beseitigung von Risiken für Menschen in den Lieferketten.
Am Ende des Tages dürften Gerichte in Europa entscheiden, wie genau das Gesetz zu interpretieren ist. Eine zivilrechtliche Haftungsregelung gibt es bereits im französischen Lieferkettengesetz. Eine Klageflut blieb aus. Bislang gab es noch keine Verurteilung eines Unternehmens. In der Praxis erweist sich die Beschwerdeführung für die Kläger als äußerst schwierig. Zudem zeigen die französischen Gerichte bislang wenig Interesse, durch Rechtsfindung das Gesetz zu konkretisieren. Aber das dürfe auf europäischer Ebene anders sein, erwarten Fachleute. Hier könnte es auch zu mehr Klagen kommen, erwartet die Juristin Grothaus. “Grundsätzlich sehe ich im Markt, dass sich Klägerkanzleien und Prozessfinanzierer für das Thema positionieren, in Deutschland und international”.
Herr Persaud, 2024 soll das Jahr der Klimafinanzierung sein. Die Bridgetown-Initiative, die Sie als Klima-Sonderbeauftragter von Barbados und gemeinsam mit der Premierministerin Mia Mottley entworfen haben, könnte dabei eine entscheidende Rolle spielen. Was wurde bisher erreicht?
Die Bridgetown-Initiative hat eine entscheidende Rolle dabei gespielt, die Klimaagenda weiterzuentwickeln. Sie hat klargemacht: Die Klimakrise ist ein Finanzierungsproblem. Und die Finanzierung für ihre Eindämmung und für Resilienz ist in Entwicklungsländern viel teurer als in den Industrieländern. Und sie hat deutlich gemacht: Emissionsreduzierung, Anpassung sowie “Loss and Damage” sind drei sehr unterschiedliche Dinge, die auf unterschiedliche Weise finanziert werden müssen.
Was meinen Sie damit?
Bei der Emissionsreduzierung werden Einnahmen generiert. Solarparks, Windturbinen, Geothermie – all dies erzeugt Einnahmen. Der Privatsektor könnte also zur Eindämmung des Klimawandels herangezogen werden. Das klappt in Industrieländern, aber nicht in Entwicklungsländern. Auch die Anpassung an den Klimawandel kann Geld sparen, wenn man etwa mit einem Kredit einen Damm baut, um in Zukunft Geld für Schäden zu sparen. Aber bei Verlusten und Schäden ist das anders: Man kann sich kein Geld leihen, um die zerstörten Häuser armer Leute wieder aufzubauen. Dafür wurde ein Fonds eingerichtet und es sind 800 Millionen US-Dollar Startkapital hineingeflossen. Es muss allerdings hundertmal mehr sein. 2023 war ein wichtiges Jahr. Aber es ist immer noch nur ein Anfang. 2024 müssen wir schneller vorankommen und umsetzen.
Welche Rolle spielen dabei die multilateralen Entwicklungsbanken, der Internationale Währungsfonds (IWF) und die Weltbank unter ihrem neuen Präsidenten Ajay Banga?
Die zentrale Rolle der multilateralen Entwicklungsbanken ist es, Kredite für große öffentliche Infrastrukturen wie Anpassungsmaßnahmen, Dämme, Hochwasserschutz und bessere Entwässerungssysteme zu gewähren, die Milliarden kosten. Sie müssen mehr Kredite vergeben, die vor allem der Klimafinanzierung dienen, langfristig und kostengünstig sind. Sie haben sich da im letzten Jahr richtig ins Zeug gelegt. Die Weltbank hat ihre Strategie umgestaltet und das Klima zusammen mit der Armutsbekämpfung und dem Wachstum in den Mittelpunkt gerückt. Die Eigenkapitalquote wurde gesenkt und so der Betrag, den sie ausleihen können, um etwa 50 Milliarden US-Dollar erhöht. Es gibt Diskussionen über die Ausweitung ihrer Portfoliogarantien und die Verwendung von Sonderziehungsrechten im IWF. Schätzungsweise kann all das den Gesamtumfang der Klimakreditvergabe um 200 Milliarden US-Dollar erweitern. Wir haben einige Schadensfonds, die mit einer Billion US-Dollar an neuem Kapital eingerichtet werden.
Wird das ausreichen?
Es ist klar geworden, dass der Klimawandel ein nicht-versicherbares Ereignis ist. Das ist ein echtes Problem, das wir mit unseren europäischen Freunden haben: Dort gibt es die größten Rückversicherer der Welt, die den Klimawandel durch mehr Versicherungen lösen wollten. Aber Versicherungen helfen nur dann, wenn das Risiko nicht in Korrelation, Ausmaß und Häufigkeit zunimmt.
Was schlagen Sie stattdessen vor?
Die Alternative ist das bedingte Aussetzen von Zins- und Tilgungszahlungen und unsere Naturkatastrophenklausel, die es einem Land erlaubt, die Zahlungsverpflichtungen im Falle einer Naturkatastrophe zwei Jahre auszusetzen. Die Weltbank hat angekündigt, dass sie diese Klauseln in ihre Anleihen und in ihre Kredite aufnehmen würde. Das ist sehr wichtig, damit Länder sich Luft verschaffen können. Aber der wichtigste Bereich, in dem wir eine Reform brauchen, aber keine sehen, sind die Finanzmärkte.
Was muss sich ändern?
Wir müssen das System reformieren, das Dinge als sicher und als riskant definiert. Südafrika emittiert viele Treibhausgase, weil ein Großteil des Stroms aus Kohle erzeugt wird. Die Umstellung auf nicht-fossile Stromerzeugung kostet etwa 100 Milliarden US-Dollar. Wenn ein deutscher Investor in südafrikanische Solarparks investiert, fragt er sich: Wie viel muss ich zahlen, um das Wechselkursrisiko auszuschalten, wenn der südafrikanische Rand gegen mich fällt? Der Marktpreis für eine solche Absicherung liegt bei elf bis zwölf Prozent pro Jahr. Das Projekt muss also elf bis zwölf Prozent pro Jahr mehr einbringen als dasselbe Projekt in Deutschland. In Wirklichkeit fällt der Rand durchschnittlich nur um sechs Prozent pro Jahr. Man zahlt also fünf oder sechs Prozent zu viel. Der Privatsektor will dieses Risiko nicht eingehen.
Wie kann dieses Risiko beseitigt werden?
Der öffentliche Sektor muss einspringen und die Kosten für die Absicherung des Wechselkursrisikos senken. Er muss also das tatsächliche Risiko in Rechnung stellen, in diesem Fall also sechs, nicht zwölf Prozent. Diese Risikoprämie gefährdet die Welt. Es geht hier nicht darum, Geld zu verdienen, sondern den Planeten zu retten. Die Inter American Development Bank (IDB) und die brasilianische Zentralbank haben ein Pilotprojekt dazu begonnen. Wenn es erfolgreich ist und weiterverbreitet werden kann, wäre es eine ziemlich radikale Reform.
Schon jetzt sind etwa 60 Prozent der Länder mit niedrigem Einkommen hochgradig gefährdet, in Zahlungsschwierigkeiten zu geraten, oder sie sind es bereits. Einige Vorschläge der Bridgetown-Initiative würden die Kreditvergabe an Entwicklungsländer weiter erhöhen. Wie gehen Sie das Schuldenproblem an?
Die Bridgetown-Initiative will genau das Gegenteil: Die Verschuldung der Entwicklungsländer verringern. Die Höhe der künftigen Schulden müssen wir minimieren, was wiederum die Höhe der Gesamtschulden minimiert. Länder sollen sich nur noch Geld für die Dinge leihen, die zu künftigen Einsparungen führen – und nicht für die Bewältigung von Verlusten und Schäden durch die Klimakrise. Ihre Wirtschaft soll mit billigen Krediten schneller wachsen, damit sie widerstandsfähiger gegen Klimaschocks werden. Und Währungsgarantien sollen Investitionen des Privatsektors für den grünen Wandel fördern. So wollen wir das Schuldenproblem angehen.
Allerdings benötigen die Entwicklungsländer bis 2030 jährlich 2,4 Billionen US-Dollar für Klima- und Entwicklungsfinanzierung. Das übersteigt die Hilfen, die derzeit von den multilateralen Entwicklungsbanken weltweit zur Verfügung gestellt werden, aber auch die bisherigen Finanzhilfen der Industrieländer.
Die bisherige weltweite Gesamthilfe beträgt 200 Milliarden US-Dollar. Sie müsste um das Zwölffache erhöht werden. Das wird nicht gelingen. Es ist keine Lösung, dass die Industrieländer für alles Geld geben. Sie sind zwar moralisch verantwortlich und reich damit geworden, die Umwelt zu missbrauchen. Aber für eine solche Lösung wird man nicht gewählt. Und die Industrieländer sollten Geld für die Sachen geben, die man nicht anders finanzieren kann, wie Verluste und Schäden. Wenn nicht direkt, dann über höhere Steuern auf fossile Brennstoffe, auf die Schifffahrt und die Luftfahrt. Außerdem sollten sie mehr Kapital für die Multilateralen Entwicklungsbanken aufbringen: Wenn zehn Milliarden US-Dollar pro Jahr in die Entwicklungsbanken gesteckt werden, können diese sieben Banken eine Billion US-Dollar mehr verleihen. So lässt sich das Problem der 2,4 Billionen realistisch, machbar und für gewählte Politiker vertretbar lösen.
Es gibt Gerüchte, dass Mia Mottley die nächste Generalsekretärin der Vereinten Nationen werden könnte. Sie kennen Mia Mottley schon seit dem College, haben eng mit ihr zusammengearbeitet. Hat sie die Qualitäten, die eine UN-Generalsekretärin benötigt?
Ich habe keinen Zweifel daran, dass sie eine gute Generalsekretärin wäre. Meine Erfahrung ist, dass sie in der Lage ist, Differenzen zu überbrücken, Menschen zu verstehen und bei allen den Wunsch zu wecken, zusammenzukommen und die gemeinsamen Ambitionen zu steigern. Aber ich muss auch sagen, dass es für sie neben dem Weltfrieden nichts Wichtigeres gibt als die Karibik, die karibische Entwicklung, die karibische Integration. Ich glaube, man müsste sie sehr überzeugen, die Region zu verlassen, die ihr sehr am Herzen liegt.
21. März 2024, 19-21 Uhr, Monheim am Rhein
Vortrag Globale Verantwortung, lokale Aktion: Planet Erde und Umwelt (Veranstalter: Germanwatch) Info & Anmeldung
21.-22. März 2024, Berlin
Konferenz EU Taxonomy & Sustainable Finance Summit in Berlin (Veranstalter: Luxatia International) Info & Anmeldung
23. März 2024, 14-17 Uhr, Stuttgart
Workshop Die Klimafrage ist eine Klassenfrage – Ökonomisch-soziale und sozialethisch-theologische Aspekte (Veranstalter: Rosa Luxemburg-Stiftung) Info & Anmeldung
25.-27. März 2024, Grapevine, USA
Konferenz Plastics Recycling Conference 2024 (Veranstalter: Association of Plastic Recyclers) Info & Anmeldung
27. März 2024, Brüssel
Konferenz Think2030 Conference (Veranstalter: Institute for European Environmental Policy) Info & Anmeldung
27. März 2024, 10-16:30 Uhr, Güstrow
Tagung Agroforst – Bäume auf dem Acker- und Grünland (Veranstalter: Heinrich-Böll-Stiftung) Info & Anmeldung
8. April 2024, 18:30-20 Uhr
Vortrag Zwischen Kohle und Klima – Strukturwandel in der Lausitz-Forschung als Chance zur Transformation (Veranstalter: Konrad-Adenauer-Stiftung) Info & Anmeldung
9. bis 13. April 2024, Brüssel
Festival The Festival of the New European Bauhaus 2024 (Veranstalter: Europäische Kommission, Ratspräsidentschaft der EU) Info & Anmeldung
10. April 2024, Berlin
Tagung Digital Sustainability Summit (Veranstalter: Bitkom) Info & Anmeldung
Drei Monate nach der UN-Klimakonferenz COP28 in Dubai ist die Welt laut einer Studie der Erneuerbaren-Agentur IRENA noch nicht auf dem Weg, die dort vereinbarten Ziele zur globalen Energiewende zu erreichen. Trotz eines Rekords beim Neubau von erneuerbarer Energiekapazität im Jahr 2023 “ist der Fortschritt bei der Energiewende unzureichend und der Pfad weitab vom Kurs“, heißt es in der Studie, die IRENA-Chef Francesco La Camera am Dienstag auf der Konferenz Berlin Energy Transition Dialogue vorstellte.
“Es gibt keine Zeit zu verlieren und Verzögerung macht die Aufgabe nur größer”, so La Camera. 2023 wurden knapp 480 Gigawatt an Erneuerbaren installiert, statt der nötigen 1.000 Gigawatt. Dadurch müsse nun bis 2030 jedes Jahr mit 1.100 Gigawatt mehr geleistet werden, um das Ziel bis 2030 von elf Terrawatt zu erreichen. Auf der COP28 hatten sich die Teilnehmer geeinigt, bis 2030 die Kapazitäten für Erneuerbare weltweit zu verdreifachen und die Energieeffizienz zu verdoppeln. Außerdem hatten sie “den Übergang weg von den fossilen Energien” (“transition away”) beschlossen.
Für alle diese Ziele brauche es deutlich mehr Anstrengungen, so der Bericht. Bisher finde ein Großteil der Investitionen vor allem in Europa, den USA und China statt. Nötig sei aber der Ausbau vor allem auch in Afrika, wo noch fast 600 Millionen Menschen ohne sicheren Zugang zu Strom leben. Insgesamt müsse schneller Fortschritt gemacht werden bei:
In den Ausbau der Erneuerbaren wurden demnach 2023 etwa zwei Billionen US-Dollar investiert. Doch nach Irena-Daten bleibt das Tempo der Entwicklung hinter dem zurück, was für die Umsetzung der Ziele von Dubai gebraucht werde. So:
Nach wie vor subventionierten die Staaten auch noch in großem Maßstab die fossilen Energien, so der Bericht. 2022 flossen demnach weltweit 1,3 Billionen US-Dollar Staatsgeld in die Fossilen – so viel, wie jährlich gebraucht wird, um nach dem COP-Beschluss die Erneuerbaren-Kapazitäten bis 2030 zu verdreifachen. bpo
Der Verwaltungsrat der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) hat sich vergangene Woche auf Kriterien für die Ermittlung existenzsichernder Löhne geeinigt. Diese hatten zuvor Sachverständige bei einer Tagung im Februar erarbeitet. Demnach bezieht sich das Konzept des existenzsichernden Lohns auf das “Lohnniveau, das erforderlich ist, um den Arbeitnehmern und ihren Familien einen angemessenen Lebensstandard zu ermöglichen, wobei die Gegebenheiten des Landes berücksichtigt werden”. Laut der ILO-Vereinbarung sollte die Schätzung existenzsichernder Löhne einer Reihe von Grundsätzen folgen:
Existenzsichernde Löhne sollten durch Lohnfindungsprozesse erreicht werden, die mit den ILO-Grundsätzen in Einklang stehen. Dazu gehörten die Stärkung des sozialen Dialogs und der Tarifverhandlungen sowie der Befugnisse von Institutionen, die Löhne festlegen. Allerdings gibt es in der Praxis gravierende Schwierigkeiten. Laut dem Rechtsindex der internationalen Gewerkschaften wurde in acht von zehn untersuchten Ländern das Tarifverhandlungsrecht verletzt.
Der Ökonom Richard Anker entwickelte bereits 2005 für die ILO eine Methodik, um existenzsichernde Löhne zu ermitteln, die weit verbreitet ist. Andere Organisationen wie die Asia Floor Wage Alliance gingen eigene methodische Wege, weswegen sich die Höhe der existenzsichernden Löhne unterscheidet. In den vergangenen Jahren hat es laut ILO eine Zunahme an Konzepten zur Berechnung existenzsichernder Mindestlöhne gegeben.
Langfristig steigen laut ILO die globalen Durchschnittlöhne weltweit an. Trotzdem verdient weltweit ein beträchtlicher Teil der Arbeitnehmer – sowohl in der formellen als auch der informellen Wirtschaft – zu wenig, um der Armut zu entrinnen und die Grundbedürfnisse von sich und ihren Familien zu decken. Dazu reichen häufig auch gesetzliche Mindestlöhne nicht aus, die gewöhnlich nach politischen Gesichtspunkten statt sozialen Bedürfniskriterien festgesetzt werden. cd
Die Naturschutzverbände Nabu und BUND sowie der Verband “Die Güterbahnen” mahnen eine methodische Veränderung der Bundesverkehrswegeplanung an. Bislang sei diese unzureichend auf die Klimaziele und den Schutz der Biodiversität ausgerichtet. Die Verbände begründeten dies mit einer Studie, die sie beim österreichischen Umweltbundesamt in Auftrag gegeben hatten.
Deren Autoren kritisieren insbesondere lineare Verkehrsprognosen, die oftmals falsch lagen und entweder zu große oder zu geringe Zunahmen des Verkehrs vorhersagten. Die “Verkehrsverflechtungsprognose 2030”, welche die wesentliche Grundlage des Bundesverkehrswegeplans darstellt, überschätzte etwa die reale Güterverkehrsleistung auf der Straße für das Jahr 2022 um rund sieben Prozent. Die Personenverkehrsleistung auf der Schiene wurde für das Jahr 2019 hingegen um elf Prozent unterschätzt.
Zudem seien die Angaben teils widersprüchlich. Daten des Statistischen Bundesamts und der Bundesnetzagentur zum Schienengüterverkehr für das Jahr 2022 würden beispielsweise um zehn Milliarden Tonnenkilometer voneinander abweichen. Daher sollten Methoden und Instrumente für Prognosen und Statistiken überprüft werden, empfehlen die Autoren, ebenso wie ein Ende der bisherigen Praxis, die Verkehrswegeplanung für die verschiedenen Verkehrsträger linear fortzuschreiben. Schließlich sei die Zunahme des Verkehrs kein unbeeinflussbares “Naturgesetz”, sondern könne “auch über bereits bekannte Stellschrauben gesteuert werden”.
Die Verbände fordern, dass die Planung im Verkehrsministerium sich an nationalen und internationalen Zielen des Natur- und Klimaschutzes orientiert. Dazu gehöre auch die Streichung von Straßenbauprojekten, “die diesen Zielen entgegenstehen”.
Der Bundesverkehrswegeplan aus dem Jahr 2016 ist auf das Jahr 2030 ausgerichtet. Bis zu diesem Sommer will das Verkehrsministerium den Bedarf in einem Bericht überprüfen. Die Ergebnisse sollen in einen im Koalitionsvertrag der Bundesregierung avisierten “Bundesverkehrswege- und mobilitätsplan 2040” einfließen. Bislang verfehlt der Verkehrssektor die offiziellen Klimaziele regelmäßig, nach neuesten Zahlen des deutschen Umweltbundesamts zuletzt um 180 Millionen Tonnen CO₂-Äquivalente. av
Den Gesetzesvorschlag für Lockerungen der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP), den die Europäische Kommission am Freitag kurzfristig präsentiert hat, wollen auch Parlament und Mitgliedstaaten zügig verabschieden. Eine Annahme noch vor der Europawahl Anfang Juni ist möglich. Die Zeit ist knapp, der politische Wille aber groß, denn Entlastungen für die Bauern sind ein wichtiges Wahlkampfthema.
Der EU-Agrarausschuss hat sich gestern für die Anwendung eines Dringlichkeitsverfahrens entschieden. So könnte das Dossier direkt ans Plenum zur Abstimmung weitergeleitet werden. Das Parlamentspräsidium muss noch grünes Licht für das verkürzte Verfahren geben; dies gilt aber als Formsache.
Damit der Vorschlag vor der EU-Wahl verabschiedet werden kann, müsste das Parlament ihn spätestens in seiner letzten Plenarsitzung Ende April final annehmen. Voraussetzung ist auch, dass weder Rat noch Parlament größere Änderungen vornehmen. Die belgische Ratspräsidentschaft strebt eine Verabschiedung ohne jegliche Änderungen an, wie sie bei einem internen Treffen am Montag erklärte. Die EU-Agrarminister wollen bei ihrem nächsten Treffen am 26. März darüber sprechen.
Mit Unterstützung durch einen Großteil der Länder ist zu rechnen, denn sie hatten viele der Lockerungen selbst gefordert. Unter anderem das französische Landwirtschaftsministerium begrüßte den Vorschlag. Bundesminister Cem Özdemir (Grüne) kritisiert dagegen die “Absenkung von Umweltstandards“. Er will sich für Anpassungen am Gesetzentwurf starkmachen und das bisherige Ambitionsniveau beim Umweltschutz beibehalten, dürfte aber wenig Verbündete finden.
Die Kommission hatte den Vorschlag als Antwort auf die Bauernproteste im Eilverfahren erarbeitet. Von einer Studie über die Folgen der geplanten Lockerungen für den Umweltschutz und die Wirtschaftlichkeit sowie von einer Verbändebeteiligung sah sie ab, obwohl die Verfahrensstandards der EU das normalerweise verlangen. Kommissionskreise begründen das mit einer “Notsituation” und verweisen auf Corona-Pandemie und Ukrainekrieg. Warum die Notlage gerade jetzt akut sei, beantwortete ein hoher Beamter am Freitag auf Nachfrage von Journalisten nicht. Kritik an der fehlenden Folgenabschätzung kommt von Umweltverbänden und von Özdemir. jd
Ein breites Bündnis aus umwelt- und entwicklungspolitischen Initiativen hat am Montag die Festschreibung “konkreter und verbindlicher Nachhaltigkeitsstandards” in der deutschen Wasserstoff-Importstrategie gefordert, die derzeit von der Bundesregierung erarbeitet wird. Die Klimaallianz fordert, nur Wasserstoff und Wasserstoffderivate staatlich zu fördern, die ohne fossile Energie hergestellt werden. Zudem solle dieser geförderte Wasserstoff nur in Anwendungen eingesetzt werden, die nicht direkt elektrifiziert werden können.
Die NGO Brot für die Welt stellte zudem eine vom Wuppertal Institut erstellte Studie zum politischen Instrumentarium vor, mit dem die Nachhaltigkeit von Wasserstoffimporten gewährleistet werden könne:
In den Exportländern im Globalen Süden, so die Klimaallianz, müssten soziale und Umweltschäden vermieden werden. Konkret geht es dabei etwa um Landkonflikte, wenn große Flächen für Solar- und Windenergie vergeben werden. Der hohe Wasserverbrauch bei der Herstellung von Wasserstoff solle durch Meerwasser-Entsalzungsanlagen gedeckt werden; die verbleibende Lake wiederum müsse umweltgerecht entsorgt werden. Zudem sollten partizipative und transparente Verfahren dafür sorgen, dass Profite nicht durch kleine Eliten abgeschöpft werden können.
Die Forderung nach ausschließlich grünem Wasserstoffimport ist bislang etwa im Nationalen Wasserstoffrat umstritten, deren Mitglieder die Bundesregierung beraten. Im kürzlich angelaufenen “Förderprogramm Klimaschutzverträge“, mit dem die Dekarbonisierung der deutschen Industrie angeschoben werden soll, ist blauer Wasserstoff, bei dem entstehendes CO₂ aufgefangen und gelagert wird, eine Option. Laut dem BWMK soll die Wasserstoff-Importstrategie “zeitnah” vorgestellt werden. av
Mit “10 Must-Knows aus der Biodiversitätsforschung 2024”, die das Leibniz-Forschungsnetzwerk Biodiversität am Montag vorgestellt hat, wollen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die laufende Debatte um die nationale Biodiversitätsstrategie inhaltlich vorantreiben. Die Strategie soll vor der nächsten Weltnaturkonferenz verabschiedet werden, die im kommenden Herbst im kolumbianischen Cali stattfindet. In dem Papier bündeln die Fachleute aktuelle Erkenntnisse aus der Forschung und geben dabei auch konkrete Empfehlungen, um die biologische Vielfalt und zugleich das Klima wirksam zu schützen.
Für die Klimapolitik birgt der Bericht eine wesentliche Botschaft: Im Kampf gegen Biodiversitäts- und Klimakrise zugleich sei es von Vorteil, zunächst einen Schwerpunkt auf Maßnahmen gegen das Artensterben zu legen, statt die Klimaschutzpolitik in den Vordergrund zu stellen. Zur Begründung schreiben die Fachleute: Viele Maßnahmen zum Erhalt der Biodiversität schwächten den Klimawandel ab und förderten auch die Anpassung an die Erderwärmung – “während wesentlich weniger Maßnahmen zum Schutz des Klimas auch vorteilhaft für die Biodiversität sind.”
Als ein Beispiel dafür nennen sie den Schutz “natürlicher und vielfältiger Wälder”, die als CO₂-Speicher und Lebensraum zugleich dienten. Im Gegensatz dazu könne “der ausschließliche Fokus auf CO₂-wirksame Maßnahmen, wie der Anbau von Bioenergiepflanzen auf großen Flächen oder das Aufforsten durch Monokulturen, negative Auswirkungen auf die Biodiversität haben” und solle deshalb vermieden werden.
Die Forschenden empfehlen, Energiepflanzen und Biomasse aus Wäldern “angesichts effizienterer erneuerbarer Energiequellen wie Sonne und Wind” vorrangig für langlebige Materialien und nicht zur Energiegewinnung zu verwenden. Sie warnen auch vor Landnutzungskonflikten.
Wie Arten- und Klimaschutz Hand in Hand gehen können, beschreibt der Bericht auch am Beispiel von Moor- und Meeresschutz: Moore und Meeresökosysteme, beispielsweise Seegraswiesen, sind wichtige CO₂-Speicher. Allein die Wiedervernässung aller entwässerten Moorgebiete in Deutschland würde dem Bericht zufolge die Treibhausgasemissionen aus der Landwirtschaft um bis zu 40 Prozent verringern.
Die weiteren “Must-Knows” befassen sich unter anderem mit der Verbindung zwischen Gesundheits-, Klima- und Artenschutz, mit Landwirtschaft und Ernährung, mit kultureller Vielfalt und den Chancen internationaler Zusammenarbeit. ae
“Menschenwürde, aber nur ein bisschen” – Süddeutsche Zeitung
Von den ursprünglichen Ambitionen des europäischen Lieferkettengesetzes sei “nur wenig übrig”, kommentiert Jan Diesteldorf. Er findet es trotzdem richtig, dass es das Gesetz geben wird. Denn es zwinge Europas Unternehmen “endlich”, Verantwortung für die globalen Folgen ihres Handelns zu übernehmen. Zum Artikel
EU approves watered-down human rights and supply chain law – Guardian
Die Autoren des Guardian beschreiben die starke Verwässerung des ursprünglichen Richtlinienentwurfs für die CSDDD und verweisen auf Bedenken Chinas gegenüber der jetzigen Fassung. Die chinesische Handelskammer bei der EU habe in einem Beitrag auf X erklärt, dass das Gesetz “sehr besorgniserregend” sein könnte und sie warnte vor möglichen Handelsunterbrechungen und Kostensteigerungen. Zum Artikel
Bericht zum Symposium “Business & Human Rights in Autocracies der Volkswagenstiftung – Forum Wirtschaftsethik
Wichtige Aspekte der Veranstaltung greift Eckhard Burkatzi in seinem Beitrag auf. Dazu gehören die von Judith Schremp-Stirling von der Universität Genf vorgestellten jüngeren Konzepte von Unternehmensverantwortung. Demnach seien Unternehmen nicht nur verantwortlich, wenn sie innerhalb ihrer Wertschöpfung aktiv an der Verursachung von Menschenrechtsverletzungen beteiligt seien. Sie seien auch verantwortlich, “wenn Unternehmen im Rahmen ihrer Möglichkeiten nicht proaktiv gegen Menschenrechtsverletzungen in ihrem Einflussbereich interveniert haben”. Zum Artikel
Der Klimawandel und die Folgen: “Rein rational ist es nicht sinnvoll, das Ahrtal wieder aufzubauen” – Tagesspiegel
Ernst Rauch ist Chefklimatologe des Rückversicherers Munich Re. Seit mehr als 50 Jahren befasst er sich mit den Folgen des Klimawandels – und den Risiken, die extreme Wetterlagen mit sich bringen. Daniel Erk hat mit ihm gesprochen. Zum Artikel
“The end of oil then and now” – Economist
Der Economist präsentiert ein Spezial zur Ölindustrie und erinnert unter anderem an frühere Effizienzsteigerungen bei der Nutzung des Rohstoffs. So sei der US-Verbrauch nach der Ölkrise von 1977 bis 1985 um 17 Prozent gesunken, während die Wirtschaft um 27 Prozent wuchs. Aber danach seien die Ölpreise gesunken, und damit auch die Anreize zur Substitution und Effizienz. Aber jetzt gebe es neue Anreize. Zum Artikel
Begehrtes Plastik – Lebensmittel Zeitung
Der Druck auf die Konsumgüterkonzerne, Verpackungen nachhaltiger zu gestalten, ist groß. Doch beim Einsatz von Recyclingkunststoff kommen sie nur langsam voran. Der Wille ist da, aber die Kosten sind hoch, hat Jenny Busche recherchiert. Zum Artikel
“China is churning out solar panels-and upsetting sand markets” – Economist
Qualitativ hochwertiger, für die Produktion von Solarpanelen geeigneter Sand ist rar. Von den 50 Milliarden Tonnen Sand, die jährlich abgebaut würden, seien es weniger als ein Prozent, heißt es im Economist. Und nur ein kleiner Teil davon sei fein genug, um daraus Solarzellen herzustellen. Die Preise für den Sand seien aber auch hoch, wegen der aus Gründen des Umweltschutzes erlassenen Exportrestriktionen asiatischer Länder. Unternehmen suchten nach Alternativen, etwa der Verfeinerung von Sand, aber das sei teuer. Zum Artikel
Zu grün, um wahr zu sein – taz
Jan Schroeder hat sich im rheinland-pfälzischen Staatswald umgesehen, der durch Aufforstung CO₂ speichern soll. Dafür würden Zertifikate auf dem CO₂-Kompensationsmarkt verkauft. Allerdings sei ein bestehender Forst zuvor gerodet worden, wodurch das Gebiet erst einmal zur CO₂-Quelle wird. Zum Artikel
Dans l’Allier, la future mine de lithium enflamme le débat – Le Monde
In der Auvergne soll die größte Lithium-Mine Europas entstehen. Die Betreiber versprechen Umweltschutz, wollen das Akku-Mineral ohne Lastwagen abtransportieren und das Brauchwasser aufbereiten. Aber “zero-impact” sei unerreichbar, sagen sie. Die Politiker, die Autor Bastien Bonnefous getroffen hat, geben sich alle aufgeschlossen. Gleichzeitig formiert sich eine Bürgerbewegung gegen das Vorhaben. Zum Artikel
In Paris, the Olympics Clean Up Their Act – The New York Times
Die Organisatoren der Olympischen Spiele versprechen, den Ausstoß von Treibhausgasen durch die Umnutzung historischer Gebäude, den Bau von Fahrradwegen und sogar die Installation von Sonnenkollektoren entlang der Seine zu reduzieren. Aber wird das funktionieren, fragen sich Somini Sengupta und Catherine Porter. Zum Artikel
Die europäischen Banken sind auf dem Weg zu einer nachhaltigen Welt kein Beschleuniger, sondern ein Bremsklotz. Das scheint widersinnig und widerspricht dem Bild, das Bankvorstände öffentlich gerne zeichnen. Für sie sind die Finanzmärkte – und die Banken als deren zentrale Akteure – die Garanten für die Transformation der Wirtschaft und die dafür notwendigen Investitionen.
Doch bis diese Vorstellung Wirklichkeit werden könnte, ist es noch ein weiter Weg, unter anderem, weil es noch immer keine verlässlichen Regeln für tatsächlich nachhaltige Investitionen gibt. Die auf kurzfristige Rendite fixierte Logik der Finanzmärkte steht echter Nachhaltigkeit noch immer im Weg.
Zuvor muss ohnehin ein grundlegendes Problem gelöst werden: Statt Geld für eine zukunftsfähige Wirtschaft in Bewegung zu setzen, kosten uns die Banken immer wieder sehr viel Geld. Weil sie noch immer nicht stabil sind.
Über 70 Milliarden Euro mussten deutsche Steuerzahler*innen in der letzten großen Finanzkrise ab 2007/2008 für die Rettung taumelnder Banken bezahlen. Die Schulden daraus zahlen wir heute noch ab. Große Abstürze wie der von Lehman Brothers sind seitdem zwar ausgeblieben. Nicht ganz so große Krisen gab es jedoch genug:
Jede einzelne kostete Milliarden an Steuergeld.
Vor genau einem Jahr traf es die Schweiz. Eine Bankenkrise, die wenige Tage vorher mit der Insolvenz der US-amerikanischen Silicon Valley Bank begonnen hatte, gipfelte am 19. März 2023 in einer hektischen Wochenend-Rettungsaktion. Die Schweizer Regulierungsbehörden sahen sich gezwungen, einer Übernahme der absturzbedrohten Credit Suisse durch den großen Konkurrenten UBS zuzustimmen – und dafür mit Staatsmilliarden zu bürgen.
Das Ergebnis dieses dramatischen Wochenendes: Ein noch größerer Bankenriese, der nun erst recht “too big to fail” ist. Und der endgültige Beweis, dass die Parole von 2008 – “Nie wieder Bankenrettungen”- ein leeres Versprechen geblieben ist.
Dabei schien nach 2008 eigentlich klar: Nie wieder sollte ein Geldinstitut auf Kosten der Allgemeinheit gerettet werden müssen. Doch die Regeln für die Sanierung oder Abwicklung einer systemrelevanten Bank sind noch immer unzureichend. Das sage in diesem Fall nicht ich, das sagte vor einem Jahr die Schweizer Finanzministerin Karin Keller-Sutter.
Gute Vorschläge, wie sich große Krisen und teure Rettungsaktionen künftig verhindern lassen, gab es nach 2008 genug. Doch den Banken, die sich kurz nach der Krise noch reumütig gegeben hatten, gelang es in den Folgejahren, viele dieser Vorhaben entweder komplett zu entkernen oder – wie im Fall der Finanztransaktionssteuer – ganz zu stoppen. Die Verursacher der letzten großen Krise sind damit selbst schuld daran, dass uns auch die nächste große Krise wieder Milliarden kosten wird.
Die gute Nachricht: Jede Europawahl ist beim Kampf um die Bankenregulierung die Chance auf einen Neustart. Die Mittel dazu sind da, die Vorschläge auch:
Das sind keine radikalen Vorschläge, auch wenn es heute teils so dargestellt wird. Das sind Ideen, die nach 2008 Konsens waren, über fast alle politischen Lager hinweg. Der Finanzlobby ist es jedoch gelungen, diese vernünftigen Forderungen als Beispiele durchgeknallter Über-Regulierung darzustellen.
Im Zusammenspiel von Regierungen und Finanzlobby wurde nicht nur eine sinnvolle Regulierung verhindert, sondern auch zugelassen, dass der unregulierte Schattenfinanzsektor aus Hedgefonds, Private-Equity-Fonds und anderen Konstrukten deutlich gewachsen ist. Insgesamt ist der Finanzsektor auch nach 2008 schneller gewachsen als die Realwirtschaft – eine gefährliche Entwicklung, die eine neuerliche Finanzkrise wahrscheinlicher und teurer macht.
Es wird deshalb höchste Zeit für eine Finanzmarktregulierung in Europa, die diesen Namen auch verdient, damit der Finanzsektor eine nachhaltige Entwicklung unterstützt, statt selbst immer wieder Krisenherd zu sein und Milliarden zu absorbieren, die für die Transformation dringend gebraucht würden. So könnte er eine sinnvolle Rolle übernehmen: die des Beschleunigers, nicht des Bremsklotzes.
Der studierte Volkswirt Gerhard Schick war unter anderem für das Walter-Eucken-Institut der Universität Freiburg, die Bertelsmann-Stiftung und die Stiftung Marktwirtschaft tätig und saß von 2005 bis 2018 für die Grünen im Bundestag. Seit Juli 2018 ist er Vorstand des Vereins Bürgerbewegung Finanzwende.
Agrifood.Table – Macron nutzt Bauernproteste, um Egalim als EU-Standard durchzusetzen: Macron möchte mit Egalim, dem französischen Pendant zum deutschen Agrarorganisationen-und-Lieferketten-Gesetz, die Bauernschaft besänftigen und Preisuntergrenzen für Agrarprodukte auf dem heimischen Markt durchsetzen. Zum Artikel
Research.Table – Aleph Alpha, TU München, ETH: Wie die Dieter Schwarz Stiftung Deutschlands KI-Elite anlockt: Heilbronn soll zum Hotspot für anwendungsorientierte Künstliche Intelligenz werden. Dahinter steckt vor allem die Dieter Schwarz Stiftung. Zum Artikel
China.Table – Deutsche Hidden Champions sind in Gefahr: Die Industrie klagt über Wettbewerbsnachteile gegenüber globalen Konkurrenten. Der Plan der chinesischen Führung, durch Industriepolitik deutschen Hidden Champions Marktanteile am Weltmarkt abzujagen, könnte dazu beitragen. Zum Artikel
darüber waren sich Axel Berger, Chief Sustainability Officer bei Haniel, die Klimaaktivistin Luisa Neubauer und Sandrine Dixson-Declève, eine der beiden Präsidentinnen des Internationalen Club of Rome, am Montagabend einig: Die anstehende Europawahl ist bedeutsam für die Transformation, und ein Erstarken der radikalen Rechten gefährdet den zukunftsfähigen Umbau der Wirtschaft. Die drei diskutierten Montagabend auf Einladung des Arts and Nature Social Club und des Deutschen Club of Rome in Berlin. Dixson-Declève würdigte die Arbeit von EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen für den Green Deal der EU. Nun sei es aber notwendig, den Green Deal über Europa hinaus zu entwickeln, wobei die Präsidentin des Club of Rome Afrika und – für einzelne Themen – China als Partner nannte.
Auch das “Who is Who” der Energiewende-Szene trifft sich diese Woche in Berlin beim Energy Transition Dialogue. Im Zentrum steht die Frage, wie der Umstieg auf erneuerbare Energien beschleunigt werden kann. Auch Avinash Persaud treibt dies um. Im Interview erklärt der Architekt der Bridgetown-Initiative für eine gerechte Klimafinanzierung, vor welchen Herausforderungen hoch verschuldete Staaten bei der Energiewende stehen, welche Investitionsrisiken reiche Staaten abfedern sollten, und wie die Billionen für die Klimafinanzierung mobilisiert werden können.
Mit einer unterlassenen Wende für Banken in Europa und den Folgen für die Transformation beschäftigt sich anlässlich des Jahrestags des Kollapses der Credit Suisse der Gründer der NGO Finanzwende, Gerhard Schick, im Standpunkt. Seine These: “Ohne transformiertes Bankenwesen ist die Wirtschaft der Zukunft in Gefahr”.
Die EU hat in der vergangenen Woche überraschend doch noch das Lieferkettengesetz CSDDD beschlossen. Was bedeuten die zivilrechtliche Haftung, die Einführung neuer Schutzvorschriften für Biodiversität, und die gegenüber der deutschen Regulierung andere Systematik für Unternehmen? Damit beschäftige ich mich in einer Analyse.
Wenn wie erwartet auch das EU-Parlament im April der Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD) zustimmt, kommt in den 27 Mitgliedsländern ein einheitliches Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) und es ändert sich einiges für Unternehmen in Deutschland. Schon die Systematik der beiden Regulierungsansätze – des CSDDD und des deutschen LkSG – unterscheidet sich grundlegend.
“Im Kern der CSDDD geht es um eine Risikobetrachtung”, sagt Markus Löning, Geschäftsführer der Unternehmensberatung Human Rights & Responsible Business, zu Table.Briefing. Die Unternehmen sollen sich nach dieser Regulierung mit den großen Risiken auch in ihrer tieferen Lieferkette beschäftigen. Das entspricht der Logik der 2011 verabschiedeten UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte. Deren Ziel ist es, dass sich Unternehmen mit den größten menschenrechtlichen Risiken in ihren Lieferketten befassen, um die Verhältnisse zu verbessern. Das LkSG fokussiert sich dagegen bei der Verantwortung von Unternehmen auf die Unterscheidung zwischen direkten und mittelbaren Lieferanten. Demnach sind hiesige Unternehmen für ihre direkten Zulieferer verantwortlich, bei denen jedoch gewöhnlich die geringsten menschenrechtlichen Risiken bestehen. Erhalten sie Kenntnis von Sorgfaltspflichtverstößen in der tieferen Lieferkette, müssen sie allerdings ebenfalls tätig werden.
Um die notwendige Mehrheit für die CSDDD zu erreichen, hat die belgische Ratspräsidentschaft das ursprünglich zwischen Rat und Parlament vereinbarte Regelwerk an wichtigen Stellen abgeschwächt. Befürworter des Gesetzes halten die Vorgehensweise für richtig, weil es unsicher wäre, ob die nächste Kommission sich des Themas annehmen würde. Zudem ist es leichter, eine bestehende EU-Regel in einigen Jahren zu überarbeiten, als einen neuen Anlauf für ein Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz zu starten.
Durch die am Ende überraschende Einigung verschwindet der bisherige Flickenteppich an Regeln in der EU. Bislang gibt es zwei sehr unterschiedliche Gesetze in den beiden größten Volkswirtschaften der EU, Frankreich und Deutschland. Außerdem gibt es spezielle nationale Lieferkettengesetze wie in den Niederlanden zur Prüfung kinderrechtlicher Risiken in Lieferketten. Aber in der großen Mehrzahl der 27 Mitgliedsstaaten existieren bislang gar keine entsprechenden Regeln. Deren Regierungen ersparen sich nun eine eigene Umsetzung der Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte. Zudem entfallen Wettbewerbsverzerrungen zwischen Unternehmen aus Mitgliedsländern mit und ohne Lieferkettengesetz.
Von Vorteil sein dürfte die einheitliche Regel aber auch im Außenhandel. “Ein EU-Lieferkettengesetz hat ein größeres Gewicht in Partnerländern als eine deutsche Regelung”, sagt Löning. In manchen Konstellationen dürfte dem europäischen Lieferkettengesetz besonderes Gewicht zukommen, wie im Fall von Bangladesch und seiner Textilindustrie. Schließlich exportiert die von der Branche abhängige Volkswirtschaft ein Drittel seiner Textilproduktion in die EU, 2023 für 17,38 Milliarden Euro. Umgekehrt könnte es aber auch Schwierigkeiten für europäische Unternehmen bei der Beschaffung geben, wenn sie in der Lieferkette über wenig Marktmacht verfügen. Darauf verweist Julia Grothaus, Partnerin bei der Anwaltskanzlei Linklaters und dort Leiterin des deutschen sowie Co-Leiterin des europäischen ESG-Teams. “Da sagten die entsprechenden Lieferanten in Hochrisikoländern wie dem Kongo oder Indonesien: Wir verstehen diese gesetzlichen Anforderungen – und beliefern dann bevorzugt Wettbewerber, die nicht diesen harten Verpflichtungen unterliegen.”
“Durch die europäische Regelung erweitert sich der Fokus gegenüber dem deutschen LkSG zudem um höhere umweltbezogene Erwartungen”, sagt Grothaus. Im Gespräch mit Table.Briefing verweist sie darauf, dass Biodiversität als Schutzgut berücksichtigt werden solle. “Das ist eine große Herausforderung, ohne dass bereits konzeptionell feststeht, wie weit diese Handlungspflichten gehen sollen.”
Deutschland muss die EU-Richtlinie in nationales Gesetz überführen, also das LkSG anpassen. Dafür lässt die EU den Mitgliedstaaten gewöhnlich zwei Jahre Zeit. Markus Löning rät zu einer schnellen Umsetzung. Wie schnell die Bundesregierung tätig werden kann, hängt auch davon ab, wie schnell die EU-Kommission – trotz Europawahl und Bildung einer neuen Kommission – die sogenannten Transpositions-Workshops ansetzen wird, um den Mitgliedstaaten die nötigen Hinweise für die Richtlinienumsetzung zu geben.
Ein Sonderfall stellt das Thema Berichtspflichten dar, weil unter Federführung des Bundesjustizministeriums die Umsetzung der EU-Nachhaltigkeitsrichtlinie CSRD unmittelbar ansteht. Wolle man doppelte Berichtspflichten und Umstellungsaufwand vermeiden, müsste man die LkSG-Berichtspflichten zügig auf die CSRD hin anpassen, erfuhr Table.Briefing aus Regierungskreisen.
Ursprünglich wollte die EU den Grenzwert der von dem Gesetz betroffenen Unternehmen deutlich niedriger ansetzen, bei 500 Mitarbeitern, und in Risikobereichen wie der Textilindustrie sogar bei 250 Mitarbeitern. Das hätte den Kreis der Unternehmen, die der Gesetzgeber erfassen will, in Deutschland deutlich erhöht. Das ist vom Tisch. In Frankreich führt die jetzige Regelung dazu, dass mehr Firmen erfasst werden.
Allerdings zeigt sich in der unternehmerischen Praxis, dass der Grenzwert nur eine untergeordnete Rolle spielt. “Was abgewälzt werden darf und was abgewälzt werden kann, sind halt zwei Paar Stiefel”, sagte kürzlich Christopher Haas, Geschäftsführer von Haas Magnettechnik bei einer Veranstaltung der IHK Darmstadt. Die Anforderungen würden von großen Unternehmen weitergegeben. Als “Gespensterdebatte” bezeichnet angesichts dessen auch Unternehmensberater Löning die häufige Fokussierung in der Debatte auf den Grenzwert. Notwendig seien jetzt Hilfen staatlicher Stellen und von Verbänden sowie Kammern für KMU, die indirekt auch von den Lieferkettenregeln betroffen seien.
Anders als die deutsche sieht die europäische Regulierung explizit eine zivilrechtliche Haftung für Unternehmen vor. Zwar konnten Betroffene von Menschenrechtsverletzungen in Deutschland schon immer gegen europäische Unternehmen zivilrechtlich klagen, wie im Falle des Fabrikbrandes bei dem KiK-Zulieferer Ali Enterprises vor dem Landgericht Dortmund. Allerdings wird in solchen Fällen gewöhnlich das Recht des Landes herangezogen, in dem sich der Vorfall ereignet hat, hier also Pakistan. Obwohl das LkSG keine zivilrechtliche Haftung enthält, wäre es außerdem nach Einschätzung von Juristen durchaus möglich, dass Betroffene mit Blick auf die dort normierten Verkehrssicherungspflichten in Deutschland klagen. Aber künftig gibt es nun eine dezidierte europäische Rechtsgrundlage, die es Betroffenen von Sorgfaltspflichtenverstößen gegen Menschen- oder Umweltverstößen erlaubt, vor europäischen Gerichten zivilrechtlich zu klagen. Das erachten mit der Thematik befasste NGOs als wichtigen Fortschritt.
In der jetzigen Fassung der CSDDD sei die Haftung klarer geregelt, was die Juristin Grothaus wichtig findet. “Unternehmen haften zivilrechtlich nur für eigene Pflichtverletzungen, wenn sie ihre Sorgfaltspflichten nicht beachtet haben.” Aber potenziell könnten sie auch bei Fahrlässigkeit haften. “Hier werden sich Unternehmen unter Umständen dem Vorwurf ausgesetzt sehen, dass sie bei einer gründlicheren Untersuchung die Risiken hätten entdecken können.” Prinzipiell legt die CSDDD den Fokus aber auf eine Minimierung der Risiken. “In der Tat fokussiert sie stärker als das LkSG auf Risikosektoren, Risikoprodukte und Risikoländer”, sagt Grothaus. Dem Gesetzgeber geht es eben primär nicht um die Bestrafung von Unternehmen, sondern die Beseitigung von Risiken für Menschen in den Lieferketten.
Am Ende des Tages dürften Gerichte in Europa entscheiden, wie genau das Gesetz zu interpretieren ist. Eine zivilrechtliche Haftungsregelung gibt es bereits im französischen Lieferkettengesetz. Eine Klageflut blieb aus. Bislang gab es noch keine Verurteilung eines Unternehmens. In der Praxis erweist sich die Beschwerdeführung für die Kläger als äußerst schwierig. Zudem zeigen die französischen Gerichte bislang wenig Interesse, durch Rechtsfindung das Gesetz zu konkretisieren. Aber das dürfe auf europäischer Ebene anders sein, erwarten Fachleute. Hier könnte es auch zu mehr Klagen kommen, erwartet die Juristin Grothaus. “Grundsätzlich sehe ich im Markt, dass sich Klägerkanzleien und Prozessfinanzierer für das Thema positionieren, in Deutschland und international”.
Herr Persaud, 2024 soll das Jahr der Klimafinanzierung sein. Die Bridgetown-Initiative, die Sie als Klima-Sonderbeauftragter von Barbados und gemeinsam mit der Premierministerin Mia Mottley entworfen haben, könnte dabei eine entscheidende Rolle spielen. Was wurde bisher erreicht?
Die Bridgetown-Initiative hat eine entscheidende Rolle dabei gespielt, die Klimaagenda weiterzuentwickeln. Sie hat klargemacht: Die Klimakrise ist ein Finanzierungsproblem. Und die Finanzierung für ihre Eindämmung und für Resilienz ist in Entwicklungsländern viel teurer als in den Industrieländern. Und sie hat deutlich gemacht: Emissionsreduzierung, Anpassung sowie “Loss and Damage” sind drei sehr unterschiedliche Dinge, die auf unterschiedliche Weise finanziert werden müssen.
Was meinen Sie damit?
Bei der Emissionsreduzierung werden Einnahmen generiert. Solarparks, Windturbinen, Geothermie – all dies erzeugt Einnahmen. Der Privatsektor könnte also zur Eindämmung des Klimawandels herangezogen werden. Das klappt in Industrieländern, aber nicht in Entwicklungsländern. Auch die Anpassung an den Klimawandel kann Geld sparen, wenn man etwa mit einem Kredit einen Damm baut, um in Zukunft Geld für Schäden zu sparen. Aber bei Verlusten und Schäden ist das anders: Man kann sich kein Geld leihen, um die zerstörten Häuser armer Leute wieder aufzubauen. Dafür wurde ein Fonds eingerichtet und es sind 800 Millionen US-Dollar Startkapital hineingeflossen. Es muss allerdings hundertmal mehr sein. 2023 war ein wichtiges Jahr. Aber es ist immer noch nur ein Anfang. 2024 müssen wir schneller vorankommen und umsetzen.
Welche Rolle spielen dabei die multilateralen Entwicklungsbanken, der Internationale Währungsfonds (IWF) und die Weltbank unter ihrem neuen Präsidenten Ajay Banga?
Die zentrale Rolle der multilateralen Entwicklungsbanken ist es, Kredite für große öffentliche Infrastrukturen wie Anpassungsmaßnahmen, Dämme, Hochwasserschutz und bessere Entwässerungssysteme zu gewähren, die Milliarden kosten. Sie müssen mehr Kredite vergeben, die vor allem der Klimafinanzierung dienen, langfristig und kostengünstig sind. Sie haben sich da im letzten Jahr richtig ins Zeug gelegt. Die Weltbank hat ihre Strategie umgestaltet und das Klima zusammen mit der Armutsbekämpfung und dem Wachstum in den Mittelpunkt gerückt. Die Eigenkapitalquote wurde gesenkt und so der Betrag, den sie ausleihen können, um etwa 50 Milliarden US-Dollar erhöht. Es gibt Diskussionen über die Ausweitung ihrer Portfoliogarantien und die Verwendung von Sonderziehungsrechten im IWF. Schätzungsweise kann all das den Gesamtumfang der Klimakreditvergabe um 200 Milliarden US-Dollar erweitern. Wir haben einige Schadensfonds, die mit einer Billion US-Dollar an neuem Kapital eingerichtet werden.
Wird das ausreichen?
Es ist klar geworden, dass der Klimawandel ein nicht-versicherbares Ereignis ist. Das ist ein echtes Problem, das wir mit unseren europäischen Freunden haben: Dort gibt es die größten Rückversicherer der Welt, die den Klimawandel durch mehr Versicherungen lösen wollten. Aber Versicherungen helfen nur dann, wenn das Risiko nicht in Korrelation, Ausmaß und Häufigkeit zunimmt.
Was schlagen Sie stattdessen vor?
Die Alternative ist das bedingte Aussetzen von Zins- und Tilgungszahlungen und unsere Naturkatastrophenklausel, die es einem Land erlaubt, die Zahlungsverpflichtungen im Falle einer Naturkatastrophe zwei Jahre auszusetzen. Die Weltbank hat angekündigt, dass sie diese Klauseln in ihre Anleihen und in ihre Kredite aufnehmen würde. Das ist sehr wichtig, damit Länder sich Luft verschaffen können. Aber der wichtigste Bereich, in dem wir eine Reform brauchen, aber keine sehen, sind die Finanzmärkte.
Was muss sich ändern?
Wir müssen das System reformieren, das Dinge als sicher und als riskant definiert. Südafrika emittiert viele Treibhausgase, weil ein Großteil des Stroms aus Kohle erzeugt wird. Die Umstellung auf nicht-fossile Stromerzeugung kostet etwa 100 Milliarden US-Dollar. Wenn ein deutscher Investor in südafrikanische Solarparks investiert, fragt er sich: Wie viel muss ich zahlen, um das Wechselkursrisiko auszuschalten, wenn der südafrikanische Rand gegen mich fällt? Der Marktpreis für eine solche Absicherung liegt bei elf bis zwölf Prozent pro Jahr. Das Projekt muss also elf bis zwölf Prozent pro Jahr mehr einbringen als dasselbe Projekt in Deutschland. In Wirklichkeit fällt der Rand durchschnittlich nur um sechs Prozent pro Jahr. Man zahlt also fünf oder sechs Prozent zu viel. Der Privatsektor will dieses Risiko nicht eingehen.
Wie kann dieses Risiko beseitigt werden?
Der öffentliche Sektor muss einspringen und die Kosten für die Absicherung des Wechselkursrisikos senken. Er muss also das tatsächliche Risiko in Rechnung stellen, in diesem Fall also sechs, nicht zwölf Prozent. Diese Risikoprämie gefährdet die Welt. Es geht hier nicht darum, Geld zu verdienen, sondern den Planeten zu retten. Die Inter American Development Bank (IDB) und die brasilianische Zentralbank haben ein Pilotprojekt dazu begonnen. Wenn es erfolgreich ist und weiterverbreitet werden kann, wäre es eine ziemlich radikale Reform.
Schon jetzt sind etwa 60 Prozent der Länder mit niedrigem Einkommen hochgradig gefährdet, in Zahlungsschwierigkeiten zu geraten, oder sie sind es bereits. Einige Vorschläge der Bridgetown-Initiative würden die Kreditvergabe an Entwicklungsländer weiter erhöhen. Wie gehen Sie das Schuldenproblem an?
Die Bridgetown-Initiative will genau das Gegenteil: Die Verschuldung der Entwicklungsländer verringern. Die Höhe der künftigen Schulden müssen wir minimieren, was wiederum die Höhe der Gesamtschulden minimiert. Länder sollen sich nur noch Geld für die Dinge leihen, die zu künftigen Einsparungen führen – und nicht für die Bewältigung von Verlusten und Schäden durch die Klimakrise. Ihre Wirtschaft soll mit billigen Krediten schneller wachsen, damit sie widerstandsfähiger gegen Klimaschocks werden. Und Währungsgarantien sollen Investitionen des Privatsektors für den grünen Wandel fördern. So wollen wir das Schuldenproblem angehen.
Allerdings benötigen die Entwicklungsländer bis 2030 jährlich 2,4 Billionen US-Dollar für Klima- und Entwicklungsfinanzierung. Das übersteigt die Hilfen, die derzeit von den multilateralen Entwicklungsbanken weltweit zur Verfügung gestellt werden, aber auch die bisherigen Finanzhilfen der Industrieländer.
Die bisherige weltweite Gesamthilfe beträgt 200 Milliarden US-Dollar. Sie müsste um das Zwölffache erhöht werden. Das wird nicht gelingen. Es ist keine Lösung, dass die Industrieländer für alles Geld geben. Sie sind zwar moralisch verantwortlich und reich damit geworden, die Umwelt zu missbrauchen. Aber für eine solche Lösung wird man nicht gewählt. Und die Industrieländer sollten Geld für die Sachen geben, die man nicht anders finanzieren kann, wie Verluste und Schäden. Wenn nicht direkt, dann über höhere Steuern auf fossile Brennstoffe, auf die Schifffahrt und die Luftfahrt. Außerdem sollten sie mehr Kapital für die Multilateralen Entwicklungsbanken aufbringen: Wenn zehn Milliarden US-Dollar pro Jahr in die Entwicklungsbanken gesteckt werden, können diese sieben Banken eine Billion US-Dollar mehr verleihen. So lässt sich das Problem der 2,4 Billionen realistisch, machbar und für gewählte Politiker vertretbar lösen.
Es gibt Gerüchte, dass Mia Mottley die nächste Generalsekretärin der Vereinten Nationen werden könnte. Sie kennen Mia Mottley schon seit dem College, haben eng mit ihr zusammengearbeitet. Hat sie die Qualitäten, die eine UN-Generalsekretärin benötigt?
Ich habe keinen Zweifel daran, dass sie eine gute Generalsekretärin wäre. Meine Erfahrung ist, dass sie in der Lage ist, Differenzen zu überbrücken, Menschen zu verstehen und bei allen den Wunsch zu wecken, zusammenzukommen und die gemeinsamen Ambitionen zu steigern. Aber ich muss auch sagen, dass es für sie neben dem Weltfrieden nichts Wichtigeres gibt als die Karibik, die karibische Entwicklung, die karibische Integration. Ich glaube, man müsste sie sehr überzeugen, die Region zu verlassen, die ihr sehr am Herzen liegt.
21. März 2024, 19-21 Uhr, Monheim am Rhein
Vortrag Globale Verantwortung, lokale Aktion: Planet Erde und Umwelt (Veranstalter: Germanwatch) Info & Anmeldung
21.-22. März 2024, Berlin
Konferenz EU Taxonomy & Sustainable Finance Summit in Berlin (Veranstalter: Luxatia International) Info & Anmeldung
23. März 2024, 14-17 Uhr, Stuttgart
Workshop Die Klimafrage ist eine Klassenfrage – Ökonomisch-soziale und sozialethisch-theologische Aspekte (Veranstalter: Rosa Luxemburg-Stiftung) Info & Anmeldung
25.-27. März 2024, Grapevine, USA
Konferenz Plastics Recycling Conference 2024 (Veranstalter: Association of Plastic Recyclers) Info & Anmeldung
27. März 2024, Brüssel
Konferenz Think2030 Conference (Veranstalter: Institute for European Environmental Policy) Info & Anmeldung
27. März 2024, 10-16:30 Uhr, Güstrow
Tagung Agroforst – Bäume auf dem Acker- und Grünland (Veranstalter: Heinrich-Böll-Stiftung) Info & Anmeldung
8. April 2024, 18:30-20 Uhr
Vortrag Zwischen Kohle und Klima – Strukturwandel in der Lausitz-Forschung als Chance zur Transformation (Veranstalter: Konrad-Adenauer-Stiftung) Info & Anmeldung
9. bis 13. April 2024, Brüssel
Festival The Festival of the New European Bauhaus 2024 (Veranstalter: Europäische Kommission, Ratspräsidentschaft der EU) Info & Anmeldung
10. April 2024, Berlin
Tagung Digital Sustainability Summit (Veranstalter: Bitkom) Info & Anmeldung
Drei Monate nach der UN-Klimakonferenz COP28 in Dubai ist die Welt laut einer Studie der Erneuerbaren-Agentur IRENA noch nicht auf dem Weg, die dort vereinbarten Ziele zur globalen Energiewende zu erreichen. Trotz eines Rekords beim Neubau von erneuerbarer Energiekapazität im Jahr 2023 “ist der Fortschritt bei der Energiewende unzureichend und der Pfad weitab vom Kurs“, heißt es in der Studie, die IRENA-Chef Francesco La Camera am Dienstag auf der Konferenz Berlin Energy Transition Dialogue vorstellte.
“Es gibt keine Zeit zu verlieren und Verzögerung macht die Aufgabe nur größer”, so La Camera. 2023 wurden knapp 480 Gigawatt an Erneuerbaren installiert, statt der nötigen 1.000 Gigawatt. Dadurch müsse nun bis 2030 jedes Jahr mit 1.100 Gigawatt mehr geleistet werden, um das Ziel bis 2030 von elf Terrawatt zu erreichen. Auf der COP28 hatten sich die Teilnehmer geeinigt, bis 2030 die Kapazitäten für Erneuerbare weltweit zu verdreifachen und die Energieeffizienz zu verdoppeln. Außerdem hatten sie “den Übergang weg von den fossilen Energien” (“transition away”) beschlossen.
Für alle diese Ziele brauche es deutlich mehr Anstrengungen, so der Bericht. Bisher finde ein Großteil der Investitionen vor allem in Europa, den USA und China statt. Nötig sei aber der Ausbau vor allem auch in Afrika, wo noch fast 600 Millionen Menschen ohne sicheren Zugang zu Strom leben. Insgesamt müsse schneller Fortschritt gemacht werden bei:
In den Ausbau der Erneuerbaren wurden demnach 2023 etwa zwei Billionen US-Dollar investiert. Doch nach Irena-Daten bleibt das Tempo der Entwicklung hinter dem zurück, was für die Umsetzung der Ziele von Dubai gebraucht werde. So:
Nach wie vor subventionierten die Staaten auch noch in großem Maßstab die fossilen Energien, so der Bericht. 2022 flossen demnach weltweit 1,3 Billionen US-Dollar Staatsgeld in die Fossilen – so viel, wie jährlich gebraucht wird, um nach dem COP-Beschluss die Erneuerbaren-Kapazitäten bis 2030 zu verdreifachen. bpo
Der Verwaltungsrat der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) hat sich vergangene Woche auf Kriterien für die Ermittlung existenzsichernder Löhne geeinigt. Diese hatten zuvor Sachverständige bei einer Tagung im Februar erarbeitet. Demnach bezieht sich das Konzept des existenzsichernden Lohns auf das “Lohnniveau, das erforderlich ist, um den Arbeitnehmern und ihren Familien einen angemessenen Lebensstandard zu ermöglichen, wobei die Gegebenheiten des Landes berücksichtigt werden”. Laut der ILO-Vereinbarung sollte die Schätzung existenzsichernder Löhne einer Reihe von Grundsätzen folgen:
Existenzsichernde Löhne sollten durch Lohnfindungsprozesse erreicht werden, die mit den ILO-Grundsätzen in Einklang stehen. Dazu gehörten die Stärkung des sozialen Dialogs und der Tarifverhandlungen sowie der Befugnisse von Institutionen, die Löhne festlegen. Allerdings gibt es in der Praxis gravierende Schwierigkeiten. Laut dem Rechtsindex der internationalen Gewerkschaften wurde in acht von zehn untersuchten Ländern das Tarifverhandlungsrecht verletzt.
Der Ökonom Richard Anker entwickelte bereits 2005 für die ILO eine Methodik, um existenzsichernde Löhne zu ermitteln, die weit verbreitet ist. Andere Organisationen wie die Asia Floor Wage Alliance gingen eigene methodische Wege, weswegen sich die Höhe der existenzsichernden Löhne unterscheidet. In den vergangenen Jahren hat es laut ILO eine Zunahme an Konzepten zur Berechnung existenzsichernder Mindestlöhne gegeben.
Langfristig steigen laut ILO die globalen Durchschnittlöhne weltweit an. Trotzdem verdient weltweit ein beträchtlicher Teil der Arbeitnehmer – sowohl in der formellen als auch der informellen Wirtschaft – zu wenig, um der Armut zu entrinnen und die Grundbedürfnisse von sich und ihren Familien zu decken. Dazu reichen häufig auch gesetzliche Mindestlöhne nicht aus, die gewöhnlich nach politischen Gesichtspunkten statt sozialen Bedürfniskriterien festgesetzt werden. cd
Die Naturschutzverbände Nabu und BUND sowie der Verband “Die Güterbahnen” mahnen eine methodische Veränderung der Bundesverkehrswegeplanung an. Bislang sei diese unzureichend auf die Klimaziele und den Schutz der Biodiversität ausgerichtet. Die Verbände begründeten dies mit einer Studie, die sie beim österreichischen Umweltbundesamt in Auftrag gegeben hatten.
Deren Autoren kritisieren insbesondere lineare Verkehrsprognosen, die oftmals falsch lagen und entweder zu große oder zu geringe Zunahmen des Verkehrs vorhersagten. Die “Verkehrsverflechtungsprognose 2030”, welche die wesentliche Grundlage des Bundesverkehrswegeplans darstellt, überschätzte etwa die reale Güterverkehrsleistung auf der Straße für das Jahr 2022 um rund sieben Prozent. Die Personenverkehrsleistung auf der Schiene wurde für das Jahr 2019 hingegen um elf Prozent unterschätzt.
Zudem seien die Angaben teils widersprüchlich. Daten des Statistischen Bundesamts und der Bundesnetzagentur zum Schienengüterverkehr für das Jahr 2022 würden beispielsweise um zehn Milliarden Tonnenkilometer voneinander abweichen. Daher sollten Methoden und Instrumente für Prognosen und Statistiken überprüft werden, empfehlen die Autoren, ebenso wie ein Ende der bisherigen Praxis, die Verkehrswegeplanung für die verschiedenen Verkehrsträger linear fortzuschreiben. Schließlich sei die Zunahme des Verkehrs kein unbeeinflussbares “Naturgesetz”, sondern könne “auch über bereits bekannte Stellschrauben gesteuert werden”.
Die Verbände fordern, dass die Planung im Verkehrsministerium sich an nationalen und internationalen Zielen des Natur- und Klimaschutzes orientiert. Dazu gehöre auch die Streichung von Straßenbauprojekten, “die diesen Zielen entgegenstehen”.
Der Bundesverkehrswegeplan aus dem Jahr 2016 ist auf das Jahr 2030 ausgerichtet. Bis zu diesem Sommer will das Verkehrsministerium den Bedarf in einem Bericht überprüfen. Die Ergebnisse sollen in einen im Koalitionsvertrag der Bundesregierung avisierten “Bundesverkehrswege- und mobilitätsplan 2040” einfließen. Bislang verfehlt der Verkehrssektor die offiziellen Klimaziele regelmäßig, nach neuesten Zahlen des deutschen Umweltbundesamts zuletzt um 180 Millionen Tonnen CO₂-Äquivalente. av
Den Gesetzesvorschlag für Lockerungen der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP), den die Europäische Kommission am Freitag kurzfristig präsentiert hat, wollen auch Parlament und Mitgliedstaaten zügig verabschieden. Eine Annahme noch vor der Europawahl Anfang Juni ist möglich. Die Zeit ist knapp, der politische Wille aber groß, denn Entlastungen für die Bauern sind ein wichtiges Wahlkampfthema.
Der EU-Agrarausschuss hat sich gestern für die Anwendung eines Dringlichkeitsverfahrens entschieden. So könnte das Dossier direkt ans Plenum zur Abstimmung weitergeleitet werden. Das Parlamentspräsidium muss noch grünes Licht für das verkürzte Verfahren geben; dies gilt aber als Formsache.
Damit der Vorschlag vor der EU-Wahl verabschiedet werden kann, müsste das Parlament ihn spätestens in seiner letzten Plenarsitzung Ende April final annehmen. Voraussetzung ist auch, dass weder Rat noch Parlament größere Änderungen vornehmen. Die belgische Ratspräsidentschaft strebt eine Verabschiedung ohne jegliche Änderungen an, wie sie bei einem internen Treffen am Montag erklärte. Die EU-Agrarminister wollen bei ihrem nächsten Treffen am 26. März darüber sprechen.
Mit Unterstützung durch einen Großteil der Länder ist zu rechnen, denn sie hatten viele der Lockerungen selbst gefordert. Unter anderem das französische Landwirtschaftsministerium begrüßte den Vorschlag. Bundesminister Cem Özdemir (Grüne) kritisiert dagegen die “Absenkung von Umweltstandards“. Er will sich für Anpassungen am Gesetzentwurf starkmachen und das bisherige Ambitionsniveau beim Umweltschutz beibehalten, dürfte aber wenig Verbündete finden.
Die Kommission hatte den Vorschlag als Antwort auf die Bauernproteste im Eilverfahren erarbeitet. Von einer Studie über die Folgen der geplanten Lockerungen für den Umweltschutz und die Wirtschaftlichkeit sowie von einer Verbändebeteiligung sah sie ab, obwohl die Verfahrensstandards der EU das normalerweise verlangen. Kommissionskreise begründen das mit einer “Notsituation” und verweisen auf Corona-Pandemie und Ukrainekrieg. Warum die Notlage gerade jetzt akut sei, beantwortete ein hoher Beamter am Freitag auf Nachfrage von Journalisten nicht. Kritik an der fehlenden Folgenabschätzung kommt von Umweltverbänden und von Özdemir. jd
Ein breites Bündnis aus umwelt- und entwicklungspolitischen Initiativen hat am Montag die Festschreibung “konkreter und verbindlicher Nachhaltigkeitsstandards” in der deutschen Wasserstoff-Importstrategie gefordert, die derzeit von der Bundesregierung erarbeitet wird. Die Klimaallianz fordert, nur Wasserstoff und Wasserstoffderivate staatlich zu fördern, die ohne fossile Energie hergestellt werden. Zudem solle dieser geförderte Wasserstoff nur in Anwendungen eingesetzt werden, die nicht direkt elektrifiziert werden können.
Die NGO Brot für die Welt stellte zudem eine vom Wuppertal Institut erstellte Studie zum politischen Instrumentarium vor, mit dem die Nachhaltigkeit von Wasserstoffimporten gewährleistet werden könne:
In den Exportländern im Globalen Süden, so die Klimaallianz, müssten soziale und Umweltschäden vermieden werden. Konkret geht es dabei etwa um Landkonflikte, wenn große Flächen für Solar- und Windenergie vergeben werden. Der hohe Wasserverbrauch bei der Herstellung von Wasserstoff solle durch Meerwasser-Entsalzungsanlagen gedeckt werden; die verbleibende Lake wiederum müsse umweltgerecht entsorgt werden. Zudem sollten partizipative und transparente Verfahren dafür sorgen, dass Profite nicht durch kleine Eliten abgeschöpft werden können.
Die Forderung nach ausschließlich grünem Wasserstoffimport ist bislang etwa im Nationalen Wasserstoffrat umstritten, deren Mitglieder die Bundesregierung beraten. Im kürzlich angelaufenen “Förderprogramm Klimaschutzverträge“, mit dem die Dekarbonisierung der deutschen Industrie angeschoben werden soll, ist blauer Wasserstoff, bei dem entstehendes CO₂ aufgefangen und gelagert wird, eine Option. Laut dem BWMK soll die Wasserstoff-Importstrategie “zeitnah” vorgestellt werden. av
Mit “10 Must-Knows aus der Biodiversitätsforschung 2024”, die das Leibniz-Forschungsnetzwerk Biodiversität am Montag vorgestellt hat, wollen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die laufende Debatte um die nationale Biodiversitätsstrategie inhaltlich vorantreiben. Die Strategie soll vor der nächsten Weltnaturkonferenz verabschiedet werden, die im kommenden Herbst im kolumbianischen Cali stattfindet. In dem Papier bündeln die Fachleute aktuelle Erkenntnisse aus der Forschung und geben dabei auch konkrete Empfehlungen, um die biologische Vielfalt und zugleich das Klima wirksam zu schützen.
Für die Klimapolitik birgt der Bericht eine wesentliche Botschaft: Im Kampf gegen Biodiversitäts- und Klimakrise zugleich sei es von Vorteil, zunächst einen Schwerpunkt auf Maßnahmen gegen das Artensterben zu legen, statt die Klimaschutzpolitik in den Vordergrund zu stellen. Zur Begründung schreiben die Fachleute: Viele Maßnahmen zum Erhalt der Biodiversität schwächten den Klimawandel ab und förderten auch die Anpassung an die Erderwärmung – “während wesentlich weniger Maßnahmen zum Schutz des Klimas auch vorteilhaft für die Biodiversität sind.”
Als ein Beispiel dafür nennen sie den Schutz “natürlicher und vielfältiger Wälder”, die als CO₂-Speicher und Lebensraum zugleich dienten. Im Gegensatz dazu könne “der ausschließliche Fokus auf CO₂-wirksame Maßnahmen, wie der Anbau von Bioenergiepflanzen auf großen Flächen oder das Aufforsten durch Monokulturen, negative Auswirkungen auf die Biodiversität haben” und solle deshalb vermieden werden.
Die Forschenden empfehlen, Energiepflanzen und Biomasse aus Wäldern “angesichts effizienterer erneuerbarer Energiequellen wie Sonne und Wind” vorrangig für langlebige Materialien und nicht zur Energiegewinnung zu verwenden. Sie warnen auch vor Landnutzungskonflikten.
Wie Arten- und Klimaschutz Hand in Hand gehen können, beschreibt der Bericht auch am Beispiel von Moor- und Meeresschutz: Moore und Meeresökosysteme, beispielsweise Seegraswiesen, sind wichtige CO₂-Speicher. Allein die Wiedervernässung aller entwässerten Moorgebiete in Deutschland würde dem Bericht zufolge die Treibhausgasemissionen aus der Landwirtschaft um bis zu 40 Prozent verringern.
Die weiteren “Must-Knows” befassen sich unter anderem mit der Verbindung zwischen Gesundheits-, Klima- und Artenschutz, mit Landwirtschaft und Ernährung, mit kultureller Vielfalt und den Chancen internationaler Zusammenarbeit. ae
“Menschenwürde, aber nur ein bisschen” – Süddeutsche Zeitung
Von den ursprünglichen Ambitionen des europäischen Lieferkettengesetzes sei “nur wenig übrig”, kommentiert Jan Diesteldorf. Er findet es trotzdem richtig, dass es das Gesetz geben wird. Denn es zwinge Europas Unternehmen “endlich”, Verantwortung für die globalen Folgen ihres Handelns zu übernehmen. Zum Artikel
EU approves watered-down human rights and supply chain law – Guardian
Die Autoren des Guardian beschreiben die starke Verwässerung des ursprünglichen Richtlinienentwurfs für die CSDDD und verweisen auf Bedenken Chinas gegenüber der jetzigen Fassung. Die chinesische Handelskammer bei der EU habe in einem Beitrag auf X erklärt, dass das Gesetz “sehr besorgniserregend” sein könnte und sie warnte vor möglichen Handelsunterbrechungen und Kostensteigerungen. Zum Artikel
Bericht zum Symposium “Business & Human Rights in Autocracies der Volkswagenstiftung – Forum Wirtschaftsethik
Wichtige Aspekte der Veranstaltung greift Eckhard Burkatzi in seinem Beitrag auf. Dazu gehören die von Judith Schremp-Stirling von der Universität Genf vorgestellten jüngeren Konzepte von Unternehmensverantwortung. Demnach seien Unternehmen nicht nur verantwortlich, wenn sie innerhalb ihrer Wertschöpfung aktiv an der Verursachung von Menschenrechtsverletzungen beteiligt seien. Sie seien auch verantwortlich, “wenn Unternehmen im Rahmen ihrer Möglichkeiten nicht proaktiv gegen Menschenrechtsverletzungen in ihrem Einflussbereich interveniert haben”. Zum Artikel
Der Klimawandel und die Folgen: “Rein rational ist es nicht sinnvoll, das Ahrtal wieder aufzubauen” – Tagesspiegel
Ernst Rauch ist Chefklimatologe des Rückversicherers Munich Re. Seit mehr als 50 Jahren befasst er sich mit den Folgen des Klimawandels – und den Risiken, die extreme Wetterlagen mit sich bringen. Daniel Erk hat mit ihm gesprochen. Zum Artikel
“The end of oil then and now” – Economist
Der Economist präsentiert ein Spezial zur Ölindustrie und erinnert unter anderem an frühere Effizienzsteigerungen bei der Nutzung des Rohstoffs. So sei der US-Verbrauch nach der Ölkrise von 1977 bis 1985 um 17 Prozent gesunken, während die Wirtschaft um 27 Prozent wuchs. Aber danach seien die Ölpreise gesunken, und damit auch die Anreize zur Substitution und Effizienz. Aber jetzt gebe es neue Anreize. Zum Artikel
Begehrtes Plastik – Lebensmittel Zeitung
Der Druck auf die Konsumgüterkonzerne, Verpackungen nachhaltiger zu gestalten, ist groß. Doch beim Einsatz von Recyclingkunststoff kommen sie nur langsam voran. Der Wille ist da, aber die Kosten sind hoch, hat Jenny Busche recherchiert. Zum Artikel
“China is churning out solar panels-and upsetting sand markets” – Economist
Qualitativ hochwertiger, für die Produktion von Solarpanelen geeigneter Sand ist rar. Von den 50 Milliarden Tonnen Sand, die jährlich abgebaut würden, seien es weniger als ein Prozent, heißt es im Economist. Und nur ein kleiner Teil davon sei fein genug, um daraus Solarzellen herzustellen. Die Preise für den Sand seien aber auch hoch, wegen der aus Gründen des Umweltschutzes erlassenen Exportrestriktionen asiatischer Länder. Unternehmen suchten nach Alternativen, etwa der Verfeinerung von Sand, aber das sei teuer. Zum Artikel
Zu grün, um wahr zu sein – taz
Jan Schroeder hat sich im rheinland-pfälzischen Staatswald umgesehen, der durch Aufforstung CO₂ speichern soll. Dafür würden Zertifikate auf dem CO₂-Kompensationsmarkt verkauft. Allerdings sei ein bestehender Forst zuvor gerodet worden, wodurch das Gebiet erst einmal zur CO₂-Quelle wird. Zum Artikel
Dans l’Allier, la future mine de lithium enflamme le débat – Le Monde
In der Auvergne soll die größte Lithium-Mine Europas entstehen. Die Betreiber versprechen Umweltschutz, wollen das Akku-Mineral ohne Lastwagen abtransportieren und das Brauchwasser aufbereiten. Aber “zero-impact” sei unerreichbar, sagen sie. Die Politiker, die Autor Bastien Bonnefous getroffen hat, geben sich alle aufgeschlossen. Gleichzeitig formiert sich eine Bürgerbewegung gegen das Vorhaben. Zum Artikel
In Paris, the Olympics Clean Up Their Act – The New York Times
Die Organisatoren der Olympischen Spiele versprechen, den Ausstoß von Treibhausgasen durch die Umnutzung historischer Gebäude, den Bau von Fahrradwegen und sogar die Installation von Sonnenkollektoren entlang der Seine zu reduzieren. Aber wird das funktionieren, fragen sich Somini Sengupta und Catherine Porter. Zum Artikel
Die europäischen Banken sind auf dem Weg zu einer nachhaltigen Welt kein Beschleuniger, sondern ein Bremsklotz. Das scheint widersinnig und widerspricht dem Bild, das Bankvorstände öffentlich gerne zeichnen. Für sie sind die Finanzmärkte – und die Banken als deren zentrale Akteure – die Garanten für die Transformation der Wirtschaft und die dafür notwendigen Investitionen.
Doch bis diese Vorstellung Wirklichkeit werden könnte, ist es noch ein weiter Weg, unter anderem, weil es noch immer keine verlässlichen Regeln für tatsächlich nachhaltige Investitionen gibt. Die auf kurzfristige Rendite fixierte Logik der Finanzmärkte steht echter Nachhaltigkeit noch immer im Weg.
Zuvor muss ohnehin ein grundlegendes Problem gelöst werden: Statt Geld für eine zukunftsfähige Wirtschaft in Bewegung zu setzen, kosten uns die Banken immer wieder sehr viel Geld. Weil sie noch immer nicht stabil sind.
Über 70 Milliarden Euro mussten deutsche Steuerzahler*innen in der letzten großen Finanzkrise ab 2007/2008 für die Rettung taumelnder Banken bezahlen. Die Schulden daraus zahlen wir heute noch ab. Große Abstürze wie der von Lehman Brothers sind seitdem zwar ausgeblieben. Nicht ganz so große Krisen gab es jedoch genug:
Jede einzelne kostete Milliarden an Steuergeld.
Vor genau einem Jahr traf es die Schweiz. Eine Bankenkrise, die wenige Tage vorher mit der Insolvenz der US-amerikanischen Silicon Valley Bank begonnen hatte, gipfelte am 19. März 2023 in einer hektischen Wochenend-Rettungsaktion. Die Schweizer Regulierungsbehörden sahen sich gezwungen, einer Übernahme der absturzbedrohten Credit Suisse durch den großen Konkurrenten UBS zuzustimmen – und dafür mit Staatsmilliarden zu bürgen.
Das Ergebnis dieses dramatischen Wochenendes: Ein noch größerer Bankenriese, der nun erst recht “too big to fail” ist. Und der endgültige Beweis, dass die Parole von 2008 – “Nie wieder Bankenrettungen”- ein leeres Versprechen geblieben ist.
Dabei schien nach 2008 eigentlich klar: Nie wieder sollte ein Geldinstitut auf Kosten der Allgemeinheit gerettet werden müssen. Doch die Regeln für die Sanierung oder Abwicklung einer systemrelevanten Bank sind noch immer unzureichend. Das sage in diesem Fall nicht ich, das sagte vor einem Jahr die Schweizer Finanzministerin Karin Keller-Sutter.
Gute Vorschläge, wie sich große Krisen und teure Rettungsaktionen künftig verhindern lassen, gab es nach 2008 genug. Doch den Banken, die sich kurz nach der Krise noch reumütig gegeben hatten, gelang es in den Folgejahren, viele dieser Vorhaben entweder komplett zu entkernen oder – wie im Fall der Finanztransaktionssteuer – ganz zu stoppen. Die Verursacher der letzten großen Krise sind damit selbst schuld daran, dass uns auch die nächste große Krise wieder Milliarden kosten wird.
Die gute Nachricht: Jede Europawahl ist beim Kampf um die Bankenregulierung die Chance auf einen Neustart. Die Mittel dazu sind da, die Vorschläge auch:
Das sind keine radikalen Vorschläge, auch wenn es heute teils so dargestellt wird. Das sind Ideen, die nach 2008 Konsens waren, über fast alle politischen Lager hinweg. Der Finanzlobby ist es jedoch gelungen, diese vernünftigen Forderungen als Beispiele durchgeknallter Über-Regulierung darzustellen.
Im Zusammenspiel von Regierungen und Finanzlobby wurde nicht nur eine sinnvolle Regulierung verhindert, sondern auch zugelassen, dass der unregulierte Schattenfinanzsektor aus Hedgefonds, Private-Equity-Fonds und anderen Konstrukten deutlich gewachsen ist. Insgesamt ist der Finanzsektor auch nach 2008 schneller gewachsen als die Realwirtschaft – eine gefährliche Entwicklung, die eine neuerliche Finanzkrise wahrscheinlicher und teurer macht.
Es wird deshalb höchste Zeit für eine Finanzmarktregulierung in Europa, die diesen Namen auch verdient, damit der Finanzsektor eine nachhaltige Entwicklung unterstützt, statt selbst immer wieder Krisenherd zu sein und Milliarden zu absorbieren, die für die Transformation dringend gebraucht würden. So könnte er eine sinnvolle Rolle übernehmen: die des Beschleunigers, nicht des Bremsklotzes.
Der studierte Volkswirt Gerhard Schick war unter anderem für das Walter-Eucken-Institut der Universität Freiburg, die Bertelsmann-Stiftung und die Stiftung Marktwirtschaft tätig und saß von 2005 bis 2018 für die Grünen im Bundestag. Seit Juli 2018 ist er Vorstand des Vereins Bürgerbewegung Finanzwende.
Agrifood.Table – Macron nutzt Bauernproteste, um Egalim als EU-Standard durchzusetzen: Macron möchte mit Egalim, dem französischen Pendant zum deutschen Agrarorganisationen-und-Lieferketten-Gesetz, die Bauernschaft besänftigen und Preisuntergrenzen für Agrarprodukte auf dem heimischen Markt durchsetzen. Zum Artikel
Research.Table – Aleph Alpha, TU München, ETH: Wie die Dieter Schwarz Stiftung Deutschlands KI-Elite anlockt: Heilbronn soll zum Hotspot für anwendungsorientierte Künstliche Intelligenz werden. Dahinter steckt vor allem die Dieter Schwarz Stiftung. Zum Artikel
China.Table – Deutsche Hidden Champions sind in Gefahr: Die Industrie klagt über Wettbewerbsnachteile gegenüber globalen Konkurrenten. Der Plan der chinesischen Führung, durch Industriepolitik deutschen Hidden Champions Marktanteile am Weltmarkt abzujagen, könnte dazu beitragen. Zum Artikel