Table.Briefing: ESG

Commerzbank verfehlt Klimaziele + Klimabewegung will ins EU-Parlament

Liebe Leserin, lieber Leser,

der anstehende Erdüberlastungstag erinnert daran, in welchem Übermaß Deutschland Ressourcen verbraucht. Wenn alle Menschen auf diese Weise wirtschaften würden, wäre am 2. Mai das Budget an nachhaltig nutzbaren Ressourcen und ökologisch verkraftbaren Emissionen für das gesamte Jahr aufgebraucht. Deutschlands Wirtschaft und Gesellschaft leben also in gehörigem Ausmaß von der Substanz des Planeten und dem geringeren Ressourcenverbrauch in anderen Teilen der Welt. Um den Trend hierzulande umzukehren, bedarf es einschneidender Veränderungen.

Wie schwer Unternehmen dies fällt, selbst wenn sie es propagieren, zeigt das Beispiel der Commerzbank. Das Institut bleibt hinter seinen eigenen Transformationszielen zurück, etwa hinsichtlich der CO₂-Emissionen. Anlässlich der Hauptversammlung der Bank analysiert Günter Heismann die Lage.

Viele politische Projekte hat die EU in den vergangenen Jahren unter dem Stichwort Green Deal auf den Weg gebracht. Zu den wichtigen Treibern bei diesen Transformationsgesetzen gehörte im EU-Parlament die Grünen-Politikerin Anna Cavazzini. Leonie Düngefeld porträtiert sie anlässlich der bevorstehenden Europawahlen.

Viel wird im Wahlkampf über die Art und Weise der Transformation gestritten werden. Wem sie ein Anliegen ist, der sollte seine Begrifflichkeiten aufmerksam wählen. Denn auch die Sprache spielt für die Transformation eine wichtige Rolle. Thema von Lukas Franke.

Ihr
Caspar Dohmen
Bild von Caspar  Dohmen

Analyse

Klimaschädliche Kreditvergabe: Wieso die Commerzbank ihre Nachhaltigkeitsziele verfehlt

Commerzbank in Frankfurt am Main: Das Geschäft brummt wieder, das Klima leidet.

Auf der Hauptversammlung der Commerzbank, die am Dienstag im virtuellen Modus abgehalten wird, darf sich Vorstandschef Manfred Knof voraussichtlich über den Beifall vieler Aktionäre freuen. Dank seines harten Sanierungskurses steht das lange Zeit angeschlagene Institut wieder auf sicheren Beinen. Der Gewinn kletterte gegenüber dem Vorjahr um mehr als 60 Prozent auf gut zwei Milliarden Euro.

Weit weniger beeindruckend ist die Performance in puncto Nachhaltigkeit, die für die Commerzbank einen Eckstein ihrer Geschäftsstrategie bildet. “Wir wollen unseren Beitrag dazu leisten, die globalen Finanzströme mit den Zielen des Pariser Klimaabkommens und des Green Deals der Europäischen Union in Einklang zu bringen und somit eine klimakompatible Entwicklung zu fördern”, sagt Vorstandschef Knof.

Im abgelaufenen Geschäftsjahr hat das Institut, an dem der Bund beteiligt ist, aber einige wesentliche Ziele verfehlt bei der Reduktion der finanzierten CO₂-Emissionen und dem Geschäftsanteil nachhaltiger Finanzprodukte. So bewegt sich das Volumen an CO₂-Emissionen, die die Bank mit ihren Krediten finanziert, nach wie vor auf hohem Niveau.

Für 2023 meldet die Commerzbank einen Ausstoß von 76,6 Millionen Tonnen CO₂, Methan und anderen Treibhausgasen bei den Firmenkunden, den sie anteilig mit ihren Darlehen finanziert. Das war zwar ein leichter Rückgang gegenüber dem Vorjahr von 2,3 Prozent. Doch das Volumen lag deutlich höher als 2021, als die Bank bei Firmen- und Privatkunden schätzungsweise Emissionen von 71,2 Millionen Tonnen CO₂-Äquivalente finanzierte. Die Gründe nennt die Bank auf Anfrage nicht. Aber sie verweist darauf, dass sie einige emissionsintensive Branchen gar nicht mehr oder nur noch zurückhaltend finanziert “Im Ölsektor vergibt die Commerzbank keine neuen Kredite mehr für die Exploration neuer Ölfelder”, bestätigt Andreas Thomae, Nachhaltigkeitsexperte bei Deka Investment, der Fondsgesellschaft der Sparkassen-Finanzgruppe.

Klima-Rückschläge bei Immobilienkrediten

Doch diesem Fortschritt stehen Rückschläge in anderen Branchen gegenüber. “In den Sektoren gewerbliche Immobilienfinanzierung und Zement sind die finanzierten Emissionen von 2021 bis 2023 leicht angestiegen”, stellt Thomae fest. In der Luftfahrt und in der Eisen- und Stahlindustrie sinken die finanzierten Emissionen lediglich graduell.

Der weitaus größte Sektor, für den die Commerzbank den finanzierten Ausstoß von Treibhausgasen berichtet, ist der private Wohnungsbau, auf den 2023 ein Finanzierungsvolumen von 96,6 Milliarden Euro entfiel. Dies entspricht rund 80 Prozent des gesamten, von der Bank als emissionsintensiv ausgewiesenen Kreditgeschäfts. Das Institut schätzt, dass bei den 2021 finanzierten privaten Wohnhäusern der Ausstoß von Treibhausgasen im Durchschnitt bei 45,8 Kilogramm pro Quadratmeter lag. Diese Größe soll bis 2030 auf 19,8 Kilogramm sinken; dies entspräche einem Rückgang von insgesamt 57 Prozent.

Das ist ein weiter Weg: Denn von 2021 bis 2023 konnte die Bank die CO₂-Emissionen in der privaten Baufinanzierung nur um drei Prozent verringern. Damit das Reduktionsziel erreicht wird, müsste der Ausstoß in den verbleibenden sieben Jahren bis 2030 immer noch um mehr als 50 Prozent gesenkt werden. Das ist angesichts der schleppenden Fortschritte in den vergangenen zwei Jahren schwer vorstellbar.

Unvollständige Angaben über finanzierten Ausstoß von Treibhausgasen

Überdies ist zu berücksichtigen, dass die Commerzbank – ebenso wie andere Kreditinstitute – den finanzierten Ausstoß von Treibhausgasen nur unvollständig angibt. So werden die Emissionen, die in Scope 3, also den vor- und nachgelagerten Wertschöpfungsstufen, anfallen, nur zum kleineren Teil angegeben, moniert Henrik Pontzen, Chief Sustainability Officer bei der Fondsgesellschaft Union Investment. In der Autoindustrie entstehen aber zum Beispiel mehr als 90 Prozent der gesamten Emissionen bei der Nutzung der Produkte. “Ebenfalls nicht erfasst wird bisher der CO₂-Ausstoß, der indirekt mit der Begleitung von Anleihe-Emissionen finanziert wird”, stellt der Fondsmanager fest.

Ungeachtet aller Mängel in der Berichterstattung stünde die Commerzbank im Vergleich zu den Konkurrenten aber verhältnismäßig gut da. Bei den Sektoren, für die Klimaziele festgelegt werden, berücksichtige das Institut mehr Branchen als etwa die Deutsche Bank, stellt Pontzen fest.

Drastischer Rückgang bei nachhaltigen Krediten

Um die selbst definierten Klimaziele zu erreichen, will die Commerzbank ein ganzes Arsenal von Instrumenten einsetzen. Hierzu gehören unter anderem Kredite zur Finanzierung erneuerbarer Energien, grüne Baufinanzierungen und Green Bonds, also Klima-Anleihen, deren Emission die Commerzbank federführend begleitet. Im Instrumentenkoffer befinden sich ebenfalls Beratung und nachhaltige Vermögensverwaltung.

Das Volumen all dieser Finanzprodukte fasst die Commerzbank zu einem Portfolio zusammen, das 2025 einen Umfang von rund 300 Milliarden Euro erreichen soll. Doch hier gab es im vergangenen Jahr einen empfindlichen Rückschlag: Das Volumen sank gegenüber dem Vorjahr von 247 auf 238 Milliarden Euro, während 2022 noch ein Zuwachs von rund einem Viertel erzielt wurde. Wenn die Bank das Ziel für 2025 erreichen will, muss sie sich gewaltig anstrengen.

Besonders drastisch war der Rückgang bei den nachhaltigen Krediten, wo die Commerzbank 2022 noch einen Umfang von 117 Milliarden Euro gemeldet hatte. Im folgenden Jahr schrumpfte das Volumen um rund ein Drittel auf 84 Milliarden Euro. Das Institut macht hierfür die gestiegenen Zinsen und den wirtschaftlichen Abschwung verantwortlich. Doch dies sind womöglich nicht die einzigen Ursachen. Denn das Gesamtvolumen an Krediten, die die Commerzbank an Firmen- und Privatkunden ausgereicht hat, war mit 222,2 Milliarden Euro 2023 nahezu ebenso hoch wie im Vorjahr. Das Volumen an grünen Darlehen ist offenbar erheblich stärker gesunken als der Umfang der braunen Kredite.

Kritisch sehen Umweltorganisationen den Klimakurs der Commerzbank. “Im fossilen Bereich hat es die Commerzbank auch im letzten Jahr verpasst, bestehende Klima-Richtlinien endlich auch auf Bestandskunden anzuwenden“, sagt Kathrin Petz, Finanz-Campaignerin bei Urgewald. Für diese würden momentan keinerlei Ausschlüsse gelten. Nicht einmal expandierende Öl- und Gasunternehmen oder Unternehmen, die keinen 1,5-Grad-kompatiblen Transformationsplan hätten, schlösse die Commerzbank aus. “So befeuert die Bank weiterhin die Klimakatastrophe.”

Magere Green Asset Ratio

Ein recht tristes Bild ergibt ebenfalls ein Blick auf die Green Asset Ratio (GAR). Diese Größe gibt an, wie hoch der Anteil von grünen Vermögenswerten (also zum Beispiel Krediten) an der gesamten Bilanzsumme einer Bank ist. Für 2023 weist die Commerzbank eine GAR von mageren 2,28 Prozent aus. Vergleichswerte für die Vorjahre liegen nicht vor. Bislang geben nur wenige Institute diesen Wert an. Ab 2024 müssen sie dies dann tun.

Anders als bei grünen Krediten meldet die Commerzbank bei nachhaltigen Anleihen für 2023 einen Zuwachs: Das Volumen, das das Institut als Lead Manager betreute, stieg um rund 30 Prozent auf 61 Milliarden Euro. “Ursprünglich hatte die Bank ein noch höheres Volumen angestrebt”, sagt ein Sprecher. Dass dies nicht erreicht wurde, sei vor allem darauf zurückzuführen, dass das Wachstum im Anleihemarkt niedriger gewesen sei als ursprünglich erwartet.

Dieses Beispiel zeigt ebenfalls, dass die Commerzbank beim Thema Nachhaltigkeit deutlich langsamer vorankommt, als das Institut es sich zum Ziel gesetzt hat. Günter Heismann

  • Banken
  • Finanzmarkt
  • Klimaziele
  • Methan
  • Pariser Klimaabkommen
Translation missing.

Transformation: Welche Rolle spielt die Sprache?

Mikrofone bei einer Pressekonferenz: Öffentliche Sprache ist in der Klimakrise heiß umkämpft.

Dass Sprache unsere Wahrnehmung der Welt prägt, ist nicht neu, Auseinandersetzungen um den Gebrauch der Sprache vor allem in der öffentlichen Sphäre sind es ebenso wenig. Wer die Debatte in Medien, Politik und Gesellschaft prägt, hat bessere Chancen, seine konkreten Ziele durchzusetzen. Politische und gesellschaftliche Konflikte und Transformationsprozesse waren daher schon immer von Kämpfen um sprachliche Deutungshoheit begleitet. Das gilt auch für den Umgang mit den planetaren Krisen, ganz besonders der Klimakrise.

So gibt es schon seit einigen Jahren eine Diskussion über “klimagerechte” oder “klimasensible” Sprache. Während konservative Medien wie die “Neue Zürcher Zeitung” (NZZ) einen “Sprachangriff” ausmachen, hatte sich der britische “Guardian” bereits 2019 “wissenschaftliche Genauigkeit” verordnet und verwendet seither statt “Erderwärmung” etwa “Erderhitzung” oder statt “Klimawandel” eben “Klimakrise”.

Leitfaden für klimagenaue Sprache 

UN-Generalsekretär António Guterres spricht gar von der “Klimahölle”. Was ist aus dem Begriff Treibhauseffekt geworden? Und sollte davor jeweils nicht das Adjektiv “menschengemacht” eingefügt werden? Torsten Schäfer, Professor für Journalismus am Institut für Kommunikation und Medien der Hochschule Darmstadt spricht lieber von “Klimadimension”, für ihn geht es um weit mehr als um Sprachpolitik. Vielmehr bilde sich unser auf Verwertung der Natur basierendes Verhältnis zum Planeten in unserer “technokratischen Sprache” ab. Er hat viele Wörter, um unsere Lage zu beschreiben: Klimanot, Klimaleid, Klimadepression, Klimatrauer und nicht zuletzt climate anxiety könnten das subjektive Erleben der planetaren Veränderungen besser beschreiben und die Menschen darum besser erreichen.

Schäfer hat einen Leitfaden für klimagenaue Sprache für die “taz” verfasst, der ausdrücklich keine Vorgaben macht, sondern eine “schöne, genaue und klare Zukunftssprache” anstrebt. Der Wissenschaftler, der auch als Journalist und Autor tätig ist, spricht von einer “relational language”, einer Sprache der Verbundenheit, die die Vielfältigkeit des biologischen Lebens auf dem Planeten abbilden kann. Von Klimakrise will er indes nicht sprechen, es handele sich um kein eingrenzbares Thema, das isoliert betrachtet und technokratisch werden könne.

Wie Menschen für ein Ziel gewonnen oder von einer Sache überzeugt werden können, ist seit der Antike eine eigene Disziplin, die Kunst der öffentlichen Rede, auch Rhetorik genannt, war für Griechen und Römer eine wichtige Fähigkeit, über die nicht nur Politiker verfügen mussten. Die Grundlagen moderner Public Relations wurden vor rund einem Jahrhundert von Autoren wie Walter Lippmann mit “Public Opinion” oder dem Freud-Neffen Edward Bernays mit seinem freimütig “Propaganda” genannten Buch gelegt. Am Beginn des Zeitalters elektronischer Massenmedien erkennen beide die gewaltige Macht der Massenkommunikation und die psychologischen Mechanismen und Affekte, die in den modernen Massen schlummern und mehr oder weniger gezielt adressiert werden können. Allerdings nutzte gerade Bernays diese Mechanismen, um den Massenkonsum  anzukurbeln. Die Möglichkeiten der sozialen Medien unserer Zeit wären vermutlich die Erfüllung seiner Träume gewesen. Wenn heute häufig von “Narrativen” oder seltener von “Framings” die Rede ist, steht dahinter meist ein Verständnis von Kommunikation, das eine strategische Perspektive von Anfang an mit einbezieht und den Verlauf öffentlicher Debatten subtil zu beeinflussen versucht.

Warnung vor rhetorischem Alarmismus

Mit den Zusammenhängen von “sprachlichem Handeln, Wissen und Herrschaftsverhältnissen” beschäftigt sich Friedemann Vogel, Professor für Sozio- und Diskurslinguistik an der Universität Siegen. Er hat das Projekt “Diskursmonitor” ins Leben gerufen, eine “Online-Plattform zur Aufklärung und Dokumentation von strategischer Kommunikation” und er steht strategischem Sprachgebrauch auch in der “Klimadimension” eher skeptisch gegenüber. “Klimaschutz” etwa bezeichnet er als “Hochwertwort”, das zwar seinen “positiven Sound” behalten, seinen Gehalt aber weitgehend verloren habe und heute von allen Lagern verwendet werde, ja verwendet werden müsse. Vogel warnt vor rhetorischem Alarmismus, Dystopie-Argumente seien tendenziell undemokratisch, denn sie suggerierten eine Alternativlosigkeit politischer Handlungsräume. “Und das ist nie gegeben, es gibt immer verschiedene Wege”, so Vogel. Mehr noch: Ihre anfängliche Mobilisierungskraft kehre sich meist irgendwann um, die Unterstützung schlage dann um in Ablehnung. Dystopische Begriffe und Szenarien müssten daher rechtzeitig überführt werden in einen “konstruktiven, demokratisch-deliberativen Diskurs, in dem es auch Wahlmöglichkeiten gebe”. Konkret: “Welche politischen Programme sind mit welchen Kosten für wen und mit welchen Langzeitfolgen verbunden”, führt der Wissenschaftler aus. Natürlich könne nicht über die Klimakrise an sich abgestimmt werden, aber wie sie bewältigt werde, sei unbedingt Gegenstand demokratischer Aushandlung.

Für sprachliche Balance wirbt auch econsense. Es gehe darum, die Dringlichkeit der Krise mit konkreten Beispielen und Lösungswegen zu verknüpfen, ohne in Alarmismus zu verfallen. Der Verein bezeichnet sich als “Forum Nachhaltige Entwicklung der Deutschen Wirtschaft”, will gemeinsam mit seinen Mitgliedsunternehmen den “Wandel zu einer nachhaltigeren Wirtschaft und Gesellschaft aktiv gestalten” und bezieht dabei ausdrücklich alle Themen von Umweltschutz bis zu Menschenrechten ein. 

Aus Sicht von econsense ist eine klare und differenzierte Kommunikation wichtig, weil der Klimawandel und die Transformation hin zu einer klimaneutralen Wirtschaft die Art und Weise, wie wir leben und wirtschaften unmittelbar beeinflusse. Die Politik ziele mit einer Vielzahl von Maßnahmen, wie beispielsweise dem Europäischen “Green Deal”, darauf ab, die Transformation voranzutreiben. Die “intrinsische Motivation” bei den Verantwortlichen in den Unternehmen sei davon aber unabhängig vorhanden.

Kommunikative Herausforderung

Insgesamt sei in der Klimakommunikation festzustellen, dass Glaubwürdigkeit und Transparenz sowohl nach innen als auch nach außen bei den Unternehmen im Vordergrund stünden. Viele Unternehmen haben sich wissenschaftsbasierte Klimaziele (sogenannte Science Based Targets) gesetzt und veröffentlichen “Climate Transition Plans”, um konkrete Maßnahmen aufzuzeigen, wie diese Klimaziele erreicht werden sollen.

Die große Herausforderung für Kommunikatoren sei es, scheinbare Widersprüche verständlich zu erklären, komplexe Sachverhalte einfach darzustellen und so zu mehr Akzeptanz für Maßnahmen beizutragen.

  • Transformation
  • Zukunftsstrategie

Wie sich die Klimabewegung auf die Europawahl vorbereitet: Die “Letzte Generation” will ins Parlament einziehen

Aktivistinnen und Aktivisten der Letzten Generation wollen nicht mehr am Boden kleben, sondern ins EU-Parlament.

Rund sechs Wochen vor der Europawahl am 9. Juni haben in Deutschland der Wahlkampf – etwa von SPD und CSU – und der Versand der Wahlbenachrichtigungen begonnen. Auf dem Wahlzettel stehen diesmal auch Namen, die man sonst eher von Klimastreiks kennt. Die Klimabewegung “Letzte Generation” etwa will “den Widerstand endlich ins Parlament bringen”, so Sprecherin Carla Hinrichs, und deshalb tritt die Bewegung bei den Wahlen fürs Europaparlament an. Lena Johnsen und Theodorr Schnarr sind ihre Spitzenkandidaten.

Vollkommen aussichtslos ist ihre Kandidatur nicht: Mit rund 0,5 Prozent der Stimme würden sie ins Europäische Parlament einziehen. Rund 250.000 Stimmen brauche es dafür, hat die Letzte Generation errechnet. Die Bewegung denkt nicht, dass sie im Europaparlament politisch etwas ändern könnte. Viel mehr will sie die “Bühnen nutzen”, die der Wahlkampf und ein möglicher Einzug mit sich bringen, erklärt Sprecherin Maike Grunst im Gespräch mit Table.Briefings. Nachdem die Bewegung Anfang des Jahres verkündet hatte, sich nicht mehr auf die Straße zu kleben, ist die Kandidatur nun ein neuer Versuch, Aufmerksamkeit zu erhalten.

Aus dem Aktivismus ins Parlament – das ist eine Möglichkeit, um einer Klimaagenda mehr Schlagkraft zu geben. Nach aktuellen Umfragen sieht es nicht so aus, als ob Klimapolitik von einem neuen EU-Parlament besonders progressiv vorangetrieben werden wird. Im Gegenteil: Viele Umfragen prognostizieren einen Zuwachs von konservativen Parteien und damit einen “Green Backlash”. Die Klimabewegung begegnet dem ganz unterschiedlich:

  • Fridays for Future (FFF) bereitet einen EU-Klimastreik am 31.5. vor und versucht, Wählerinnen und Wähler ab 16 für die Wahl zu mobilisieren. Luisa Neubauer erklärt dazu beispielsweise in einem Video, warum nicht wählen tendenziell rechten Parteien hilft.
  • Um Extinction Rebellion ist es bis auf wenige, kleinere Aktionen in Deutschland zuletzt eher still geworden. In den Niederlanden hatten sie allerdings im vergangenen Jahr mit Straßenblockaden erreicht, dass das Land fossile Subventionen auslaufen lässt. Anfang des Jahres kündigte Extinction Rebellion an, sich vor den EU-Wahlen auch an anderen Orten besonders für die Abschaffung solcher Subventionen einzusetzen.
  • Außerdem kandidieren viele Aktivistinnen und Aktivisten aus der Bewegung auch innerhalb von klassischen Parteien für einen Sitz im Europäischen Parlament. Darunter sind auffällig viele Frauen: Lena Schilling ist Spitzenkandidatin für die Grünen in Österreich, Carola Rackete kandidiert parteilos für Die Linke.
  • Auch die Klimaliste Deutschland hat die dafür nötigen Unterschriften für eine Kandidatur zusammenbekommen und tritt am 9. Juni an.

Verschiedene Kandidaturen als “Ansporn”

Die 27-jährige Anna Peters, früher Bundessprecherin der Grünen Jugend, möchte im EU-Parlament ebenfalls inhaltlich etwas bewegen. Sie will sich besonders für eine klimagerechte Finanzpolitik einsetzen. Peters steht auf Listenplatz 13 für die Grünen und hat gute Chancen, einen Sitz zu erhalten. Sie sei keine Aktivistin, fühle sich der Klimagerechtigkeitsbewegung aber sehr nah, erzählt sie im Gespräch mit Table.Briefings. “Wir müssen jetzt sehr guten Wahlkampf machen, um uns einem Rechtsruck entgegenzustellen“, meint sie. Für sie bedeutet das, vor allem auch junge Menschen zu erreichen – beispielsweise durch Wahlkampf an Schulen.

Dass Klimaaktivistinnen und -aktivisten für Kleinstparteien anstatt für die Grünen antreten, sieht sie nicht unbedingt als Bedrohung: “Ich sehe das eher als Ansporn für uns Grüne, uns zu beweisen“. Und: “Ich freue mich über jede Person der Klimagerechtigkeitsbewegung in der Politik.” Es brauche sowohl Menschen, die Themen von außen durch Protest vorantreiben als auch solche, die innerhalb des politischen Systems daran arbeiteten, Klimaschutz voranzubringen.

Protest im Parlament

Die Letzte Generation arbeitet aktuell dezentral und basisdemokratisch an Runden Tischen an ihrer inhaltlichen Ausrichtung für die Wahl. Das ist eher untypisch für die Organisation, bisher war sie vor allem für ihre hierarchischen Strukturen bekannt. “Keine der anderen Parteien macht, was es braucht”, erklärt Maike Grunst. Die Kandidatur der Letzten Generation führe nicht zur Zersplitterung der Klimabewegung im Parlament, sondern mache sie bunter, vielfältiger und damit letztendlich stärker.

Im Moment arbeitet die Letzte Generation vor allem daran, ihre Kandidatur bekannter zu machen, mit einer TikTok-Challenge will die Bewegung junge Menschen erreichen. Grunst hat das Gefühl, dass die Gruppe durch den Wahlkampf nun wieder mehr Aufmerksamkeit erhält. Die Chancen auf einen tatsächlichen Einzug ins EU-Parlament lägen bei ungefähr 50 Prozent, meint sie. Mit anderen Parteien zusammenarbeiten wollen die Aktivisten im Europaparlament nicht, stattdessen wollen sie auch im Parlament auf Protest setzen.  

Verlorene Stimmen für Klimaschutz

Michael Bloss, Abgeordneter des Europäischen Parlaments für die Grünen, sieht die Kandidatur der Letzten Generation hingegen kritisch: Es scheine so, als ob die Aktivisten “wie bei den Straßenaktionen keine Strategie haben, wie sie mehr für den Klimaschutz erreichen können.” Er sieht eine andere Motivation: “Um nicht als kriminelle Vereinigung zu gelten, gründen Sie jetzt eine Partei, weil die grundrechtlich besseren Schutz bietet. Legitim, aber dem Klimaschutz im Parlament nützt es nicht.” Das Europaparlament nur für die Produktion für Videos zu benutzen, würde die demokratischen Institutionen verhöhnen, meint er. Und für Witze sei schon eine andere Partei im Europaparlament zuständig.

Auch darüber hinaus sieht er Probleme: “Klimaschutz steht unglaublich unter Beschuss”. Da sei es wichtig, zusammenzuhalten. Es bestehe die Gefahr, dass sich auf die verschiedenen Kleinstparteien viele Stimmen für Klimaschutz aufteilten, die Parteien dann nicht einzögen und die Stimmen dann einfach nicht repräsentiert wären. Das schade dem Klimaschutz. Bloss betont auch, dass das EU-Parlament den Druck von der Straße brauche und sich in den vergangenen fünf Jahren auch dank der breiten Proteste unter FFF viel getan habe. Aktivismus sei allerdings etwas anderes, als im Parlament um Mehrheiten für Klimaschutz und Kompromisse zu ringen.

  • Europawahlen 2024
  • fossile Subventionen
  • Fridays for Future
  • Klimagerechtigkeit
  • Letzte Generation
  • Proteste

Termine

2. Mai 2024, 16:30-18:30 Uhr, Online
Workshop SpringSchool on Corporate Sustainability Management IV: Daten, Tools und praktische Umsetzung der ESRS (Veranstalter: Renn Netzwerk) Info & Anmeldung

2. Mai 2024, Paris
Konferenz Sustainable Investment Forum (Veranstalter: Climate Action) Info & Anmeldung

4. Mai 2024, 10-14:30 Uhr, Freiburg
Seminar Globale Unsicherheiten: die Entstehung einer “Neuen Weltordnung” (Veranstalter: Friedrich-Ebert-Stiftung) Info & Anmeldung

4. Mai 2024, 18:30-20:30 Uhr, Leipzig
Diskussion Klimagerechtes Wohnen trotz Wohnungskrise? (Veranstalter: Rosa-Luxemburg-Stiftung) Info & Anmeldung

5. Mai 2024, 15 Uhr, Sinsheim
Vortrag Deutschland ein Strombettler? – Der Faktencheck zur Energiewende (Veranstalter: Klima Arena) Info & Anmeldung

7. Mai 2024, 18-19:30 Uhr, Bonn
Diskussion Umwelt unter Druck: Wie ein Rechtsruck bei der Europawahl die Klimakatastrophe anheizen könnte (Veranstalter: Bundeszentrale für politische Bildung) Info & Anmeldung

7.-8. Mai 2024, Frankfurt
Konferenz 7th Sustainable Investor Summit Frankfurt: Putting Capital at Work to make a Difference. (Veranstalter: ICF Institutional Capital Forum) Info & Anmeldung

8. Mai 2024, 10-11 Uhr, Online
Webinar Treibhausgasbilanz erstellen – Grundlagen & Praxis (Veranstalter: KliMaWirtschaft) Info & Anmeldung

8. Mai 2024, 13-17 Uhr, Sinsheim
Konferenz Hochschulweiterbildung für die Praxis – Digitale Transformation & Nachhaltigkeit für Unternehmen (Veranstalter: Klima Arena & Dietmar Hopp Stiftung) Info & Anmeldung

News

1. Mai: Gewerkschaften wollen über Transformation mitbestimmen

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) fordert in seinem diesjährigen Aufruf zum 1. Mai, den Wandel in Wirtschaft, Gesellschaft und Arbeitswelt sozial gerecht zu gestalten. Für eine gelingende Transformation brauche es mehr Mitbestimmung. Ohne die Beschäftigten und ihre Gewerkschaften könne der Wandel nicht gelingen, so der DGB. “Wir passen auf, dass die Lasten gerecht verteilt werden. Wir machen aus technischem Wandel sozialen Fortschritt”, heißt es.

DGB: Schuldenbremse ist Investitionsbremse

Scharfe Kritik übt der DGB an der Sparpolitik der Bundesregierung. “Die Schuldenbremse ist eine Investitionsbremse und muss dringend reformiert werden”. Auch müsse der Sozialstaat verlässlich bleiben. “Bei Krankheit, im Alter, bei Arbeitslosigkeit: Beschäftigte brauchen ein starkes Sicherheitsnetz in der Arbeitswelt”, so der DGB. Als Dachverband vertritt er insgesamt 5,7 Millionen Mitglieder in acht Einzelgewerkschaften.

Die größte DGB-Gewerkschaft mit rund 2,14 Millionen Mitgliedern ist die IG Metall. Deren Vorstandsmitglied Hans-Jürgen Urban warnte vor Rechtspopulismus und einem Auseinanderbrechen der Gesellschaft. “Die Jahrhundert-Aufgabe der sozial-ökologischen Transformation darf keine Verlierer hinterlassen.” Alle Beschäftigten bräuchten eine Zukunftsperspektive, betonte Urban. Dafür brauche es Investitionen in eine zukunftsfähige Industrie.

IG Metall: Beschäftigte sollen über Unternehmensstrategien mitentscheiden

Aus Sicht seines Vorstandskollegen Ralf Reinstädtler ist es dafür notwendig, dass die Beschäftigten über die strategische Ausrichtung der Unternehmen mitentscheiden können. “Wir wollen nicht erst dann reagieren können, wenn die Arbeitgeber die Zukunft verpennt haben. Wir wollen mitbestimmen können – über Arbeitsbedingungen, über Qualifizierung, über die Produkte von morgen”, sagte Reinstädtler. Die zentrale Veranstaltung des DGB findet in diesem Jahr in Hannover statt. ch

  • Arbeitnehmerrechte
  • Gewerkschaften

Energiewende-Mineralien: UN-Panel soll Leitlinien für Umwelt und Soziales erarbeiten

Ein neues Panel soll für den Abbau und die Verarbeitung von Mineralien, die wichtig für die Energiewende sind, Umwelt- und Sozialstandards erarbeiten. Das gab UN-Generalsekretär António Guterres am Freitag bekannt. Erste Vorschläge soll das Gremium bereits bis zur UN-Generalversammlung im September vorlegen.

Eine von erneuerbaren Energien angetriebene Welt, sei “hungrig” nach kritischen Mineralien, sagte Guterres bei der Vorstellung des Panels. Dazu zählen Kupfer, Lithium, Nickel, Kobalt und seltene Erden. Für Entwicklungsländer sei dies “eine entscheidende Chance, um Arbeitsplätze zu schaffen, die Wirtschaft zu diversifizieren und die Einnahmen drastisch zu erhöhen”. Dabei dürften aber nicht die Armen “niedergetrampelt” werden, betonte er. Es brauche Gerechtigkeit.

Der Verweis auf die hohen Risiken für “die Ärmsten unseres Planeten” in Bergbau-Lieferketten ist laut Michael Reckordt, Referent für Rohstoffpolitik bei der NGO Powershift, berechtigt. “Wenn wir über Rohstoffe für die Energiewende sprechen, muss das Ziel [aber] auch sein, diese global gerecht und für spätere Generationen nachhaltig zu sichern. Dafür müssten ihm zufolge “der viel zu hohe Verbrauch und die Verschwendung von metallischen Rohstoffen” sinken – vor allem in der EU, Nordamerika und Ostasien.

Bedarf an kritischen Mineralien steigt

Wegen des Ausbaus der Erneuerbaren Energien wird der Bedarf an kritischen Mineralien laut Internationaler Energieagentur bis 2030 stark steigen. Bei Netto-Null-Emissionen 2050 könnte sich die Nachfrage mehr als verdreifachen. Große Vorkommen der kritischen Mineralien finden sich in Entwicklungsländern.

Das neue Panel besteht aus staatlichen und nicht staatlichen Akteuren, wie Brancheninitiativen, NGOs und Gewerkschaften. Den Vorsitz teilen sich Nozipho Joyce Mxakato-Diseko (Botschafter von Südafrika) und Ditte Juul Jørgensen (Generaldirektorin für Energie in der EU). nh

  • Globaler Süden
  • Seltene Erden

Gemeinsame Agrarpolitik: Was bringt die Aufhebung der Pflichtbrache?

Landwirte sollten in diesem Jahr eigentlich vier Prozent ihrer Flächen ungenutzt lassen, um in den Genuss von Direktzahlungen zu kommen. Nach einem Beschluss des EU-Parlaments in der vergangenen Woche entfällt diese Stilllegungspflicht künftig jedoch. Die noch ausstehende Zustimmung des Rates gilt als sicher. In Deutschland könnten damit theoretisch mehr als 400.000 Hektar Land zusätzlich bewirtschaftet werden. In der Praxis erscheint eine Ausweitung um etwa 300.000 Hektar realistisch.

Regelung kommt für die meisten Aussaaten zu spät

Dass dies zumindest in diesem Jahr nur in deutlich geringerem Umfang der Fall sein wird, hat mehrere Gründe. Zum einen kam die Entscheidung für Winterkulturen wie Winterweizen und -gerste sowie Roggen und Raps, die auf mehr als zwei Dritteln der Ackerfläche angebaut werden, zu spät. Zum anderen gibt es derzeit witterungsbedingte Engpässe bei der Saatgutversorgung für Braugerste, Hafer und Sommerweizen.

Hinzu kommt, dass die bisher unter die Stilllegungsverpflichtung fallenden Flächen zum Beispiel aufgrund schlechter Bodenqualität die geringste Rentabilität aufweisen. Entsprechend niedrig ist der Anreiz, diese Flächen zukünftig zu bewirtschaften.

Der Deutsche Raiffeisenverband geht deshalb davon aus, dass die Aussetzung der Flächenstilllegung keine nennenswerten Auswirkungen auf die diesjährige Getreideernte haben wird. “Die Entscheidung ist absolut richtig, kommt aber für den Getreideanbau schlichtweg zu spät”, betont der Getreidemarkt-Experte des Deutschen Raiffeisenverbandes (DRV), Guido Seedler. Sollte die Regelung verlängert werden, müssten die Weichen rechtzeitig gestellt werden, damit die Landwirte planen können.

Hohe Prämien für freiwillige Brachen

Betriebe, die künftig freiwillig Flächen unbearbeitet lassen wollen, können dafür Mittel aus dem Topf für Öko-Regelungen beantragen. Das Bundeslandwirtschaftsministerium hat die entsprechenden Förderbedingungen für dieses Jahr vereinfacht und attraktiver gestaltet. Pro Hektar Stilllegungsfläche erhalten Landwirte maximal 1.300 Euro. So viel Geld ist selbst auf den besten Böden kaum zu verdienen. ch

  • GAP
  • Gemeinsame Agrarpolitik
  • Landwirtschaft

Studie: Klimawandel könnte Möglichkeiten für Wiederaufforstung stark einschränken

In bestimmten Regionen Europas könnten bis zu 50 Prozent der dort wachsenden Baumarten künftigen Klimabedingungen nicht mehr standhalten – was erhebliche, negative Folgen für die Wiederaufforstung hätte. Denn auch Baumarten, die heute gepflanzt werden, müssten unter veränderten klimatischen Bedingungen wachsen. Aber die Zahl der dafür geeigneten Arten werde voraussichtlich abnehmen. Das ist das Ergebnis einer Studie, die am Montag in Nature Ecology & Evolution erschienen ist.

“Der Mehrwert der Studie besteht im Hinweis auf einen möglichen Bottleneck-Effekt bei der Klimaanpassung der Wälder”, sagt Uta Berger, Forscherin an der TU Dresden. “Neu an dieser Arbeit ist nun, dass nicht nur die heutige und die zukünftige Arealeignung für Baumarten bestimmt wurde, sondern dass die Dynamik des Klimawandels mit den langen Umtriebszeiten, wie sie in der Forstwirtschaft üblich sind, in Bezug gesetzt wurde“, ergänzt Arthur Gessler, der das Forschungsprogramm Walddynamik, Waldwachstum und Klima am Schweizer WSL leitet.

Weitere Faktoren wichtig

Eher als konservativ schätzt Henrik Hartmann die Modellierung ein. Die künftige Eignung der Baumarten werde nur durch klimatische Einflüsse berechnet. “Das kann man sicherlich mit einem großen Fragezeichen versehen”, denn die vergangenen Jahre hätten gezeigt, dass Stress durch Klimafolgen “in vielen Fällen zu einer verstärkten Anfälligkeit gegenüber biotischen Störungsfaktoren führt”, sagt der Leiter des Instituts für Waldschutz am Julius Kühn-Institut.

Die Modellierung berücksichtige “methodisch und konzeptionell” nicht “die angemessenen Grenzen der Modellierbarkeit des Klimawandels und der Reaktionen von komplexen Ökosystemen”, sagt Pierre Ibisch, Forscher an der Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde. Studien zeigten, dass etwa Dürren als Folge des Klimawandels “schneller voranschreiten als modelliert”. Problematisch sei auch, dass “die Lebens- und Anpassungsfähigkeit von Bäumen beziehungsweise Wäldern lokal und regional ganz erheblich auch von den Böden, dem Mikroklima, der Landnutzung und der Forstwirtschaft” abhänge, ergänzt der Wissenschaftler. nh

  • Dürre
  • Klimaschäden
  • Wald

Presseschau

Europas Kampf gegen den Müll – Der Spiegel
In Deutschland wird die neue EU-Verpackungsverordnung nur wenig ändern, schließen Philip Bethge und Kristina Gnirke aus Gesprächen mit Unternehmern und Experten. Denn die Recyclingquoten lägen bereits relativ hoch. Der europäischen Kreislaufwirtschaft könne die kleinteilige Verordnung aber einen Schub geben. Zum Artikel

Dutch kick-start European attempts at carbon capture – Financial Times
Am Hafen von Rotterdam beginnt “Porthos”, Europas “ambitioniertester Versuch” zur Speicherung von CO₂ in der Nordsee. Die Betreiber rechnen mit einem jährlichen Profit von 2,2 Prozent, berichtet Malcolm Moore. Für diese Rate würden sie zwar sonst keinen Finger rühren, aber der Profit wird durch staatliche Mittel abgesichert – und fossile Geschäftsmodelle könnten durch CO₂-Speicherung in die Verlängerung gehen. Zum Artikel

Plastikflaschen als Mehrweg? – “Das Dümmste, was man machen kann” – Der Spiegel
Michael Braungart, der Erfinder des Cradle-to-Cradle-Prinzips, plädiert im Interview mit Philip Bethge dafür, dass Unternehmen künftig statt Produkten die Nutzungsrechte veräußern. So könnten Hersteller das verbaute Material nach der Nutzung wiederverwenden, was gleichzeitig Anreize schaffe, hochwertige Bestandteile zu verwenden. Zum Artikel

Wirtschaftsprüfer wollen ESG-Haftung entschärfen – FAZ
Andreas Dörschell, Präsident der Wirtschaftsprüferkammer (WPK), hat bei einem Pressegespräch den Gesetzesentwurf für die Umsetzung der CSRD-Richtlinie begrüßt. Jedoch fordert die WPK eine mildere Haftung als bei der klassischen Bilanzprüfung. Haftungsregeln seien nach dem Wirecard-Skandal verschärft worden. Zum Artikel

Wir zerfleischen uns am liebsten selbst – FAZ
Klimaschutz nicht auf Kosten der individuellen Freiheit – mit diesem Urteil habe das Bundesverfassungsgericht 2021 nicht nur der Politik, sondern der Gesellschaft insgesamt eine Auflage erteilt, schreibt Philipp Krohn. Deshalb brauche es positive Bilder einer nachhaltigen Zukunft und eine ernst gemeinte Nachhaltigkeitspräferenz der Bürger, die sich in einer klugen Politik äußere. Zum Artikel

“Wir müssen aus den Beschäftigten ja nicht das Maximum rausquetschen” – Zeit/ Zeit Online
Auf der einen Seite der Mangel an Arbeitskräften, auf der anderen die Forderung nach der 4-Tage-Woche – über dieses Dilemma sprechen Carla Neuhaus und Jens Tönnesmann im Wirtschaftspodcast “Ist das eine Blase?” mit dem Arbeitsmarktexperten Enzo Weber. Zum Podcast

How Abrupt U-Turns Are Defining U.S. Environmental Regulations – New York Times
Die Polarisierung der Politik führt dazu, dass bei jeder Wahl neue Regeln aufgestellt, ausgehöhlt und wieder eingeführt werden, hat Coral Davenport beobachtet. In vielerlei Hinsicht kommt die Umweltregulierung deshalb einem Zickzackkurs gleich. Experten sagen, das sei schlecht für die Wirtschaft. Zum Artikel

Klimaschutz: Energiezwilling für nachhaltige Produktionsgebäude – Automobil Industrie
Mercedes-Benz und Siemens haben einen so genannten Energiezwilling entwickelt, berichtet Thomas Günnel. Die Software verknüpft Verhaltensmodellen von Gebäuden, technischen Anlagen und Energieerzeugungsanlagen mit Informationen wie Wetterdaten, Lastprofilsimulation, Anlagenauswahl und Dimensionierung. So können Planer energetische Gebäudeprozesse visualisieren, analysieren und nachhaltig optimieren. Zum Artikel

So rechnen sich Kreuzfahrtanbieter ihr Geschäft grün – Süddeutsche Zeitung
Die drei Autorinnen gehen der Frage nach, wie nachhaltig Kreuzfahren wirklich ist. Ein schwieriges Unterfangen, weil sich fast alle angefragten Unternehmen weigerten, vergleichbare Daten zu den CO₂-Emmissionen zu liefern. Auch einzelne Schadstoffwerte zu einzelnen Schiffen zu bekommen, sei fast unmöglich, zitieren sie den Hamburger Linkenpolitiker Stephan Jersch. Der Nabu kritisiert ebenfalls die intransparente Kommunikation der Reedereien in Umweltbelangen. Zum Artikel

Lithium-Recycling: Ein Schritt in Richtung Nachhaltigkeit – Elektroauto News
Der Boom der Elektromobilität ist ein entscheidender Faktor für die weltweit steigende Nachfrage nach Lithium. Dieser Druck auf die Ressourcen führt zu einer wachsenden Abhängigkeit Europas von Ländern wie China, Chile und Australien, weiß Sebastian Henßler. Das Münchner Unternehmen Tozero hat nun ein innovatives Verfahren entwickelt, um die wertvollen Materialien aus Altbatterien zurückzugewinnen. Zum Artikel


Heads

Anna Cavazzini – “Den EU Green Deal ambitioniert umsetzen”

Porträtfoto von Anna Cavazzini.
Anna Cavazzini (Grüne/EFA) ist Vorsitzende des Binnenmarktausschusses und Vizepräsidentin der Brasilien-Delegation im EU-Parlament.

Anna Cavazzini klettert leidenschaftlich gern. Seit sie 2019 ins Europäische Parlament gewählt wurde, sagt sie, habe sich ihr Niveau verschlechtert. Nur noch zwei- oder dreimal im Monat schafft sie es in die Kletterhalle. Im Parlament ist sie dafür weit nach oben geklettert: 2020 übernahm sie den Vorsitz im Binnenmarktausschuss (IMCO), der für harmonisierte Produktstandards, das Zollwesen und für Verbraucherschutz zuständig ist. Dass sie bei den Europawahlen im Juni wiedergewählt wird, ist so gut wie sicher: Sie kandidiert auf dem 3. Listenplatz von Bündnis 90/Die Grünen.

Cavazzini wurde 1982 in Hessen geboren, studierte European Studies in Chemnitz und Internationale Beziehungen in Berlin. Von 2009 bis 2014 arbeitete sie bereits im EU-Parlament, damals als wissenschaftliche Mitarbeiterin von Ska Keller. Anschließend war sie im Auswärtigen Amt, für die UNO-Generalversammlung, für die Kampagnen-Plattform Campact und für Brot für die Welt tätig, stets mit Fokus auf gerechten Handel, Menschenrechte und Nachhaltigkeit.

Schattenberichterstatterin für das EU-Lieferkettengesetz

In der endenden Legislaturperiode hat Cavazzini als Ausschussvorsitzende und Schattenberichterstatterin diverse Gesetze mitverhandelt: etwa das EU-Lieferkettengesetz (CSDDD), das Verbot von Produkten aus Zwangsarbeit sowie die Recht auf Reparatur-Richtlinie. Besonders im Bereich der Kreislaufwirtschaft habe die EU in den vergangenen fünf Jahren Meilensteine erreicht, sagt die 41-Jährige. Dazu gehörten auch das einheitliche Ladekabel, die Ökodesign-Verordnung und die Verpackungsverordnung.

Trotzdem spricht sie sich gegen den von den Konservativen und Liberalen geforderten “Regulierungsstopp” aus. “Wir als EU sind weiterhin nicht auf dem 1,5 Grad-Pfad und weiterhin einer der weltweit größten Produzenten von Elektroschrott“, erklärt sie. Deshalb gelte es in der kommenden Legislatur, Lücken ausfindig zu machen. Die sieht sie vor allem bei den Importen: “Die Marktüberwachung und der Zoll kommen nicht hinterher zu überwachen, dass Produkte, die nicht unseren Standards entsprechen, nicht hier auf dem EU-Binnenmarkt landen.”

Die Europäische Zollreform soll diese Schlupflöcher schließen, indem die Zollbehörden gestärkt werden. Das Vorhaben konnte leider nicht mehr vor den Wahlen abgeschlossen werden, sagt Cavazzini. Im Gegensatz zum Parlament habe der Rat sein Verhandlungsmandat noch nicht angenommen.

“In Zukunft noch mehr mit Partnerländern sprechen”

Zum 30-jährigen Bestehen des EU-Binnenmarktes zog Cavazzini im vergangenen Jahr im Gespräch mit Table.Briefings Bilanz: “Grundsätzlich ist der Binnenmarkt ein riesiger Erfolg und ein Motor der Integration”, sagt sie. Er habe dazu geführt, dass viele Hürden abgebaut und immer mehr einheitliche Produktstandards geschaffen wurden. Der starke Fokus auf den Abbau dieser Hürden habe den Diskurs über den Binnenmarkt allerdings sehr einseitig gemacht. “Wir müssen da noch einen Schritt weiter gehen”, sagt Cavazzini. Die Harmonisierung dürfe nicht auf Kosten lokaler Gemeinschaften geschehen, sondern müsse Menschenrechts- und Umweltstandards gewährleisten.

Als Vizepräsidentin der Brasilien-Delegation des Parlaments reiste Cavazzini in diesem Mandat mehrmals nach Südamerika. Sie besuchte unter anderem indigene Gemeinschaften im Amazonas-Gebiet, welche die voranschreitende Zerstörung ihres Lebensraums selbst als Genozid bezeichneten. Grundsätzlich setzt Cavazzini Hoffnung in Präsident Lulas Engagement für Umwelt und Waldschutz. Schließlich stehe er in der Schuld der indigenen Gemeinschaften, die seine Wahlkampagne massiv unterstützt hätten. “Da bewegt sich einiges, aber ich glaube, es braucht viel internationalen Druck, damit im Bereich Waldschutz auch wirklich etwas passiert.” 

Das EU-Gesetz für entwaldungsfreie Lieferketten, das bis Ende des Jahres von den Mitgliedstaaten umgesetzt werden muss, steht allerdings zurzeit in der Kritik. Mehrere Mitgliedstaaten hatten zuletzt eine Verschiebung der Frist gefordert. Die Kommission hänge bei der Implementierung hinterher, erklärt Cavazzini, unter anderem habe sie noch kein Länder-Benchmarking veröffentlicht. Eine solche Anfangsphase sei jedoch leider normal. Das Argument von Drittländern, die EU wolle mit dem Gesetz ihren eigenen Markt schützen, weise sie komplett zurück: “Es geht hier um Verantwortung für unsere Lieferketten.” Die Debatte zeige aber: Die EU müsse in Zukunft während der Gesetzgebung noch mehr mit ihren Partnerländern sprechen. “Wir dürfen sie nicht vor den Kopf stoßen.”

Beim Bouldern über Europa diskutieren

In ihrem Wahlkreis in Sachsen verbindet Cavazzini manchmal das Klettern mit politischen Veranstaltungen, lädt etwa in Leipzig zum Europa-Gespräch beim Bouldern oder macht in der Sächsischen Schweiz auf das hiesige Waldsterben aufmerksam. Wenn sie sich mit den Menschen unterhält, sei Brüssel noch immer sehr weit weg, erzählt sie. “Aber die ganz konkreten Dinge werden wahrgenommen und kommen sehr gut an.”

In Sachsen hat das grün geführte Europaministerium zudem ein eigenes Interrail-Angebot geschaffen, damit junge Menschen Europa entdecken können. Eine weltoffene, proeuropäische Haltung müsse hier noch gestärkt werden, dafür brauche es viel und gute Kommunikation. Doch durch die Coronapandemie und den Krieg in der Ukraine hätten viele gemerkt: “Mit Europa sind wir stärker und können gemeinsam besser auf die Krisen reagieren.”

Die zentrale Forderung der Grünen im Wahlkampf wird allerdings die ambitionierte Umsetzung des Green Deal sein. Der Konsens über das Projekt bröckelt: “Es kann sehr gut sein, dass der Green Deal jetzt beerdigt wird“, befürchtet Cavazzini. Nachdem die EVP das Projekt in den ersten zwei oder drei Jahren mitgetragen und lediglich über Nuancen gestritten habe, sei sie zum Ende des Mandats in den “Anti-Green-Deal-Chor” von Mitte-rechts eingestiegen. Leonie Düngefeld

  • Brasilien
  • EU
  • EU-Binnenmarkt
  • Europäische Kommission
  • Europäisches Parlament
  • Recht auf Reparatur

Personalien

Susanne Kundert in die Geschäftsleitung Globalance Bank berufen: Die Globalance Bank hat Susanne Kundert als Leiterin Anlagen in ihre Geschäftsleitung berufen. Sie tritt die Nachfolge von David Hertig an und bringt über 20 Jahre Erfahrung in der Finanzbranche mit. In den letzten 15 Jahren hat sie sich auf die Entwicklung und das Portfoliomanagement von nachhaltigen Anlagelösungen konzentriert.

Grant Thornton verstärkt sein ESG-Team: Hans-Georg Welz ist seit diesem Monat neuer Partner im Geschäftsbereich Audit & Assurance von Grant Thornton. Er verstärkt das Geschäftsfeld der Prüfung und prüfungsnahen Beratung im Service-Bereich Sustainability/ESG. Er verfügt über langjährige Erfahrung in der Prüfung von nichtfinanziellen Erklärungen nach dem CSR-RUG und Angaben nach Artikel 8 der EU-Taxonomie-Verordnung sowie von Nachhaltigkeitsberichten nach den Standards der Global Reporting Initiative (GRI).

Stefanie Fay wird Partnerin bei Freshfields: Die Berliner Rechtsanwältin Stefanie Fay wird zum 1. Mai Partnerin bei der Wirtschaftskanzlei Freshfields Bruckhaus Deringer. Sie gehört der Praxisgruppe Dispute Resolution an und ist auf komplexe Zivilprozesse sowie kollektiven Rechtsschutz spezialisiert. Ein Schwerpunkt ihrer Tätigkeit liegt in der Vertretung und Beratung von Unternehmen aus dem Finanzsektor, insbesondere in bankrechtlichen Streitigkeiten und Fragen der Anlegerhaftung sowie zu ESG-Risiken.

ESG-Experte Christoph Strelczyk wechselt zu Huth Dietrich Hahn: Die Hamburger Kanzlei Huth Dietrich Hahn hat mit Christoph Strelczyk einen neuen Partner für die Beratung im Bereich Nachhaltigkeitsregulierung gewonnen. Strelczyk kommt von GSK Stockmann, wo er unter anderem die Initiatoren des ersten deutschen §9-Logistikimmobilienfonds beriet.

Ändert sich etwas in Ihrer Organisation? Schicken Sie doch einen Hinweis für unsere Personal-Rubrik an heads@table.media!

ESG.Table Redaktion

ESG.TABLE REDAKTION

Licenses:
    Liebe Leserin, lieber Leser,

    der anstehende Erdüberlastungstag erinnert daran, in welchem Übermaß Deutschland Ressourcen verbraucht. Wenn alle Menschen auf diese Weise wirtschaften würden, wäre am 2. Mai das Budget an nachhaltig nutzbaren Ressourcen und ökologisch verkraftbaren Emissionen für das gesamte Jahr aufgebraucht. Deutschlands Wirtschaft und Gesellschaft leben also in gehörigem Ausmaß von der Substanz des Planeten und dem geringeren Ressourcenverbrauch in anderen Teilen der Welt. Um den Trend hierzulande umzukehren, bedarf es einschneidender Veränderungen.

    Wie schwer Unternehmen dies fällt, selbst wenn sie es propagieren, zeigt das Beispiel der Commerzbank. Das Institut bleibt hinter seinen eigenen Transformationszielen zurück, etwa hinsichtlich der CO₂-Emissionen. Anlässlich der Hauptversammlung der Bank analysiert Günter Heismann die Lage.

    Viele politische Projekte hat die EU in den vergangenen Jahren unter dem Stichwort Green Deal auf den Weg gebracht. Zu den wichtigen Treibern bei diesen Transformationsgesetzen gehörte im EU-Parlament die Grünen-Politikerin Anna Cavazzini. Leonie Düngefeld porträtiert sie anlässlich der bevorstehenden Europawahlen.

    Viel wird im Wahlkampf über die Art und Weise der Transformation gestritten werden. Wem sie ein Anliegen ist, der sollte seine Begrifflichkeiten aufmerksam wählen. Denn auch die Sprache spielt für die Transformation eine wichtige Rolle. Thema von Lukas Franke.

    Ihr
    Caspar Dohmen
    Bild von Caspar  Dohmen

    Analyse

    Klimaschädliche Kreditvergabe: Wieso die Commerzbank ihre Nachhaltigkeitsziele verfehlt

    Commerzbank in Frankfurt am Main: Das Geschäft brummt wieder, das Klima leidet.

    Auf der Hauptversammlung der Commerzbank, die am Dienstag im virtuellen Modus abgehalten wird, darf sich Vorstandschef Manfred Knof voraussichtlich über den Beifall vieler Aktionäre freuen. Dank seines harten Sanierungskurses steht das lange Zeit angeschlagene Institut wieder auf sicheren Beinen. Der Gewinn kletterte gegenüber dem Vorjahr um mehr als 60 Prozent auf gut zwei Milliarden Euro.

    Weit weniger beeindruckend ist die Performance in puncto Nachhaltigkeit, die für die Commerzbank einen Eckstein ihrer Geschäftsstrategie bildet. “Wir wollen unseren Beitrag dazu leisten, die globalen Finanzströme mit den Zielen des Pariser Klimaabkommens und des Green Deals der Europäischen Union in Einklang zu bringen und somit eine klimakompatible Entwicklung zu fördern”, sagt Vorstandschef Knof.

    Im abgelaufenen Geschäftsjahr hat das Institut, an dem der Bund beteiligt ist, aber einige wesentliche Ziele verfehlt bei der Reduktion der finanzierten CO₂-Emissionen und dem Geschäftsanteil nachhaltiger Finanzprodukte. So bewegt sich das Volumen an CO₂-Emissionen, die die Bank mit ihren Krediten finanziert, nach wie vor auf hohem Niveau.

    Für 2023 meldet die Commerzbank einen Ausstoß von 76,6 Millionen Tonnen CO₂, Methan und anderen Treibhausgasen bei den Firmenkunden, den sie anteilig mit ihren Darlehen finanziert. Das war zwar ein leichter Rückgang gegenüber dem Vorjahr von 2,3 Prozent. Doch das Volumen lag deutlich höher als 2021, als die Bank bei Firmen- und Privatkunden schätzungsweise Emissionen von 71,2 Millionen Tonnen CO₂-Äquivalente finanzierte. Die Gründe nennt die Bank auf Anfrage nicht. Aber sie verweist darauf, dass sie einige emissionsintensive Branchen gar nicht mehr oder nur noch zurückhaltend finanziert “Im Ölsektor vergibt die Commerzbank keine neuen Kredite mehr für die Exploration neuer Ölfelder”, bestätigt Andreas Thomae, Nachhaltigkeitsexperte bei Deka Investment, der Fondsgesellschaft der Sparkassen-Finanzgruppe.

    Klima-Rückschläge bei Immobilienkrediten

    Doch diesem Fortschritt stehen Rückschläge in anderen Branchen gegenüber. “In den Sektoren gewerbliche Immobilienfinanzierung und Zement sind die finanzierten Emissionen von 2021 bis 2023 leicht angestiegen”, stellt Thomae fest. In der Luftfahrt und in der Eisen- und Stahlindustrie sinken die finanzierten Emissionen lediglich graduell.

    Der weitaus größte Sektor, für den die Commerzbank den finanzierten Ausstoß von Treibhausgasen berichtet, ist der private Wohnungsbau, auf den 2023 ein Finanzierungsvolumen von 96,6 Milliarden Euro entfiel. Dies entspricht rund 80 Prozent des gesamten, von der Bank als emissionsintensiv ausgewiesenen Kreditgeschäfts. Das Institut schätzt, dass bei den 2021 finanzierten privaten Wohnhäusern der Ausstoß von Treibhausgasen im Durchschnitt bei 45,8 Kilogramm pro Quadratmeter lag. Diese Größe soll bis 2030 auf 19,8 Kilogramm sinken; dies entspräche einem Rückgang von insgesamt 57 Prozent.

    Das ist ein weiter Weg: Denn von 2021 bis 2023 konnte die Bank die CO₂-Emissionen in der privaten Baufinanzierung nur um drei Prozent verringern. Damit das Reduktionsziel erreicht wird, müsste der Ausstoß in den verbleibenden sieben Jahren bis 2030 immer noch um mehr als 50 Prozent gesenkt werden. Das ist angesichts der schleppenden Fortschritte in den vergangenen zwei Jahren schwer vorstellbar.

    Unvollständige Angaben über finanzierten Ausstoß von Treibhausgasen

    Überdies ist zu berücksichtigen, dass die Commerzbank – ebenso wie andere Kreditinstitute – den finanzierten Ausstoß von Treibhausgasen nur unvollständig angibt. So werden die Emissionen, die in Scope 3, also den vor- und nachgelagerten Wertschöpfungsstufen, anfallen, nur zum kleineren Teil angegeben, moniert Henrik Pontzen, Chief Sustainability Officer bei der Fondsgesellschaft Union Investment. In der Autoindustrie entstehen aber zum Beispiel mehr als 90 Prozent der gesamten Emissionen bei der Nutzung der Produkte. “Ebenfalls nicht erfasst wird bisher der CO₂-Ausstoß, der indirekt mit der Begleitung von Anleihe-Emissionen finanziert wird”, stellt der Fondsmanager fest.

    Ungeachtet aller Mängel in der Berichterstattung stünde die Commerzbank im Vergleich zu den Konkurrenten aber verhältnismäßig gut da. Bei den Sektoren, für die Klimaziele festgelegt werden, berücksichtige das Institut mehr Branchen als etwa die Deutsche Bank, stellt Pontzen fest.

    Drastischer Rückgang bei nachhaltigen Krediten

    Um die selbst definierten Klimaziele zu erreichen, will die Commerzbank ein ganzes Arsenal von Instrumenten einsetzen. Hierzu gehören unter anderem Kredite zur Finanzierung erneuerbarer Energien, grüne Baufinanzierungen und Green Bonds, also Klima-Anleihen, deren Emission die Commerzbank federführend begleitet. Im Instrumentenkoffer befinden sich ebenfalls Beratung und nachhaltige Vermögensverwaltung.

    Das Volumen all dieser Finanzprodukte fasst die Commerzbank zu einem Portfolio zusammen, das 2025 einen Umfang von rund 300 Milliarden Euro erreichen soll. Doch hier gab es im vergangenen Jahr einen empfindlichen Rückschlag: Das Volumen sank gegenüber dem Vorjahr von 247 auf 238 Milliarden Euro, während 2022 noch ein Zuwachs von rund einem Viertel erzielt wurde. Wenn die Bank das Ziel für 2025 erreichen will, muss sie sich gewaltig anstrengen.

    Besonders drastisch war der Rückgang bei den nachhaltigen Krediten, wo die Commerzbank 2022 noch einen Umfang von 117 Milliarden Euro gemeldet hatte. Im folgenden Jahr schrumpfte das Volumen um rund ein Drittel auf 84 Milliarden Euro. Das Institut macht hierfür die gestiegenen Zinsen und den wirtschaftlichen Abschwung verantwortlich. Doch dies sind womöglich nicht die einzigen Ursachen. Denn das Gesamtvolumen an Krediten, die die Commerzbank an Firmen- und Privatkunden ausgereicht hat, war mit 222,2 Milliarden Euro 2023 nahezu ebenso hoch wie im Vorjahr. Das Volumen an grünen Darlehen ist offenbar erheblich stärker gesunken als der Umfang der braunen Kredite.

    Kritisch sehen Umweltorganisationen den Klimakurs der Commerzbank. “Im fossilen Bereich hat es die Commerzbank auch im letzten Jahr verpasst, bestehende Klima-Richtlinien endlich auch auf Bestandskunden anzuwenden“, sagt Kathrin Petz, Finanz-Campaignerin bei Urgewald. Für diese würden momentan keinerlei Ausschlüsse gelten. Nicht einmal expandierende Öl- und Gasunternehmen oder Unternehmen, die keinen 1,5-Grad-kompatiblen Transformationsplan hätten, schlösse die Commerzbank aus. “So befeuert die Bank weiterhin die Klimakatastrophe.”

    Magere Green Asset Ratio

    Ein recht tristes Bild ergibt ebenfalls ein Blick auf die Green Asset Ratio (GAR). Diese Größe gibt an, wie hoch der Anteil von grünen Vermögenswerten (also zum Beispiel Krediten) an der gesamten Bilanzsumme einer Bank ist. Für 2023 weist die Commerzbank eine GAR von mageren 2,28 Prozent aus. Vergleichswerte für die Vorjahre liegen nicht vor. Bislang geben nur wenige Institute diesen Wert an. Ab 2024 müssen sie dies dann tun.

    Anders als bei grünen Krediten meldet die Commerzbank bei nachhaltigen Anleihen für 2023 einen Zuwachs: Das Volumen, das das Institut als Lead Manager betreute, stieg um rund 30 Prozent auf 61 Milliarden Euro. “Ursprünglich hatte die Bank ein noch höheres Volumen angestrebt”, sagt ein Sprecher. Dass dies nicht erreicht wurde, sei vor allem darauf zurückzuführen, dass das Wachstum im Anleihemarkt niedriger gewesen sei als ursprünglich erwartet.

    Dieses Beispiel zeigt ebenfalls, dass die Commerzbank beim Thema Nachhaltigkeit deutlich langsamer vorankommt, als das Institut es sich zum Ziel gesetzt hat. Günter Heismann

    • Banken
    • Finanzmarkt
    • Klimaziele
    • Methan
    • Pariser Klimaabkommen
    Translation missing.

    Transformation: Welche Rolle spielt die Sprache?

    Mikrofone bei einer Pressekonferenz: Öffentliche Sprache ist in der Klimakrise heiß umkämpft.

    Dass Sprache unsere Wahrnehmung der Welt prägt, ist nicht neu, Auseinandersetzungen um den Gebrauch der Sprache vor allem in der öffentlichen Sphäre sind es ebenso wenig. Wer die Debatte in Medien, Politik und Gesellschaft prägt, hat bessere Chancen, seine konkreten Ziele durchzusetzen. Politische und gesellschaftliche Konflikte und Transformationsprozesse waren daher schon immer von Kämpfen um sprachliche Deutungshoheit begleitet. Das gilt auch für den Umgang mit den planetaren Krisen, ganz besonders der Klimakrise.

    So gibt es schon seit einigen Jahren eine Diskussion über “klimagerechte” oder “klimasensible” Sprache. Während konservative Medien wie die “Neue Zürcher Zeitung” (NZZ) einen “Sprachangriff” ausmachen, hatte sich der britische “Guardian” bereits 2019 “wissenschaftliche Genauigkeit” verordnet und verwendet seither statt “Erderwärmung” etwa “Erderhitzung” oder statt “Klimawandel” eben “Klimakrise”.

    Leitfaden für klimagenaue Sprache 

    UN-Generalsekretär António Guterres spricht gar von der “Klimahölle”. Was ist aus dem Begriff Treibhauseffekt geworden? Und sollte davor jeweils nicht das Adjektiv “menschengemacht” eingefügt werden? Torsten Schäfer, Professor für Journalismus am Institut für Kommunikation und Medien der Hochschule Darmstadt spricht lieber von “Klimadimension”, für ihn geht es um weit mehr als um Sprachpolitik. Vielmehr bilde sich unser auf Verwertung der Natur basierendes Verhältnis zum Planeten in unserer “technokratischen Sprache” ab. Er hat viele Wörter, um unsere Lage zu beschreiben: Klimanot, Klimaleid, Klimadepression, Klimatrauer und nicht zuletzt climate anxiety könnten das subjektive Erleben der planetaren Veränderungen besser beschreiben und die Menschen darum besser erreichen.

    Schäfer hat einen Leitfaden für klimagenaue Sprache für die “taz” verfasst, der ausdrücklich keine Vorgaben macht, sondern eine “schöne, genaue und klare Zukunftssprache” anstrebt. Der Wissenschaftler, der auch als Journalist und Autor tätig ist, spricht von einer “relational language”, einer Sprache der Verbundenheit, die die Vielfältigkeit des biologischen Lebens auf dem Planeten abbilden kann. Von Klimakrise will er indes nicht sprechen, es handele sich um kein eingrenzbares Thema, das isoliert betrachtet und technokratisch werden könne.

    Wie Menschen für ein Ziel gewonnen oder von einer Sache überzeugt werden können, ist seit der Antike eine eigene Disziplin, die Kunst der öffentlichen Rede, auch Rhetorik genannt, war für Griechen und Römer eine wichtige Fähigkeit, über die nicht nur Politiker verfügen mussten. Die Grundlagen moderner Public Relations wurden vor rund einem Jahrhundert von Autoren wie Walter Lippmann mit “Public Opinion” oder dem Freud-Neffen Edward Bernays mit seinem freimütig “Propaganda” genannten Buch gelegt. Am Beginn des Zeitalters elektronischer Massenmedien erkennen beide die gewaltige Macht der Massenkommunikation und die psychologischen Mechanismen und Affekte, die in den modernen Massen schlummern und mehr oder weniger gezielt adressiert werden können. Allerdings nutzte gerade Bernays diese Mechanismen, um den Massenkonsum  anzukurbeln. Die Möglichkeiten der sozialen Medien unserer Zeit wären vermutlich die Erfüllung seiner Träume gewesen. Wenn heute häufig von “Narrativen” oder seltener von “Framings” die Rede ist, steht dahinter meist ein Verständnis von Kommunikation, das eine strategische Perspektive von Anfang an mit einbezieht und den Verlauf öffentlicher Debatten subtil zu beeinflussen versucht.

    Warnung vor rhetorischem Alarmismus

    Mit den Zusammenhängen von “sprachlichem Handeln, Wissen und Herrschaftsverhältnissen” beschäftigt sich Friedemann Vogel, Professor für Sozio- und Diskurslinguistik an der Universität Siegen. Er hat das Projekt “Diskursmonitor” ins Leben gerufen, eine “Online-Plattform zur Aufklärung und Dokumentation von strategischer Kommunikation” und er steht strategischem Sprachgebrauch auch in der “Klimadimension” eher skeptisch gegenüber. “Klimaschutz” etwa bezeichnet er als “Hochwertwort”, das zwar seinen “positiven Sound” behalten, seinen Gehalt aber weitgehend verloren habe und heute von allen Lagern verwendet werde, ja verwendet werden müsse. Vogel warnt vor rhetorischem Alarmismus, Dystopie-Argumente seien tendenziell undemokratisch, denn sie suggerierten eine Alternativlosigkeit politischer Handlungsräume. “Und das ist nie gegeben, es gibt immer verschiedene Wege”, so Vogel. Mehr noch: Ihre anfängliche Mobilisierungskraft kehre sich meist irgendwann um, die Unterstützung schlage dann um in Ablehnung. Dystopische Begriffe und Szenarien müssten daher rechtzeitig überführt werden in einen “konstruktiven, demokratisch-deliberativen Diskurs, in dem es auch Wahlmöglichkeiten gebe”. Konkret: “Welche politischen Programme sind mit welchen Kosten für wen und mit welchen Langzeitfolgen verbunden”, führt der Wissenschaftler aus. Natürlich könne nicht über die Klimakrise an sich abgestimmt werden, aber wie sie bewältigt werde, sei unbedingt Gegenstand demokratischer Aushandlung.

    Für sprachliche Balance wirbt auch econsense. Es gehe darum, die Dringlichkeit der Krise mit konkreten Beispielen und Lösungswegen zu verknüpfen, ohne in Alarmismus zu verfallen. Der Verein bezeichnet sich als “Forum Nachhaltige Entwicklung der Deutschen Wirtschaft”, will gemeinsam mit seinen Mitgliedsunternehmen den “Wandel zu einer nachhaltigeren Wirtschaft und Gesellschaft aktiv gestalten” und bezieht dabei ausdrücklich alle Themen von Umweltschutz bis zu Menschenrechten ein. 

    Aus Sicht von econsense ist eine klare und differenzierte Kommunikation wichtig, weil der Klimawandel und die Transformation hin zu einer klimaneutralen Wirtschaft die Art und Weise, wie wir leben und wirtschaften unmittelbar beeinflusse. Die Politik ziele mit einer Vielzahl von Maßnahmen, wie beispielsweise dem Europäischen “Green Deal”, darauf ab, die Transformation voranzutreiben. Die “intrinsische Motivation” bei den Verantwortlichen in den Unternehmen sei davon aber unabhängig vorhanden.

    Kommunikative Herausforderung

    Insgesamt sei in der Klimakommunikation festzustellen, dass Glaubwürdigkeit und Transparenz sowohl nach innen als auch nach außen bei den Unternehmen im Vordergrund stünden. Viele Unternehmen haben sich wissenschaftsbasierte Klimaziele (sogenannte Science Based Targets) gesetzt und veröffentlichen “Climate Transition Plans”, um konkrete Maßnahmen aufzuzeigen, wie diese Klimaziele erreicht werden sollen.

    Die große Herausforderung für Kommunikatoren sei es, scheinbare Widersprüche verständlich zu erklären, komplexe Sachverhalte einfach darzustellen und so zu mehr Akzeptanz für Maßnahmen beizutragen.

    • Transformation
    • Zukunftsstrategie

    Wie sich die Klimabewegung auf die Europawahl vorbereitet: Die “Letzte Generation” will ins Parlament einziehen

    Aktivistinnen und Aktivisten der Letzten Generation wollen nicht mehr am Boden kleben, sondern ins EU-Parlament.

    Rund sechs Wochen vor der Europawahl am 9. Juni haben in Deutschland der Wahlkampf – etwa von SPD und CSU – und der Versand der Wahlbenachrichtigungen begonnen. Auf dem Wahlzettel stehen diesmal auch Namen, die man sonst eher von Klimastreiks kennt. Die Klimabewegung “Letzte Generation” etwa will “den Widerstand endlich ins Parlament bringen”, so Sprecherin Carla Hinrichs, und deshalb tritt die Bewegung bei den Wahlen fürs Europaparlament an. Lena Johnsen und Theodorr Schnarr sind ihre Spitzenkandidaten.

    Vollkommen aussichtslos ist ihre Kandidatur nicht: Mit rund 0,5 Prozent der Stimme würden sie ins Europäische Parlament einziehen. Rund 250.000 Stimmen brauche es dafür, hat die Letzte Generation errechnet. Die Bewegung denkt nicht, dass sie im Europaparlament politisch etwas ändern könnte. Viel mehr will sie die “Bühnen nutzen”, die der Wahlkampf und ein möglicher Einzug mit sich bringen, erklärt Sprecherin Maike Grunst im Gespräch mit Table.Briefings. Nachdem die Bewegung Anfang des Jahres verkündet hatte, sich nicht mehr auf die Straße zu kleben, ist die Kandidatur nun ein neuer Versuch, Aufmerksamkeit zu erhalten.

    Aus dem Aktivismus ins Parlament – das ist eine Möglichkeit, um einer Klimaagenda mehr Schlagkraft zu geben. Nach aktuellen Umfragen sieht es nicht so aus, als ob Klimapolitik von einem neuen EU-Parlament besonders progressiv vorangetrieben werden wird. Im Gegenteil: Viele Umfragen prognostizieren einen Zuwachs von konservativen Parteien und damit einen “Green Backlash”. Die Klimabewegung begegnet dem ganz unterschiedlich:

    • Fridays for Future (FFF) bereitet einen EU-Klimastreik am 31.5. vor und versucht, Wählerinnen und Wähler ab 16 für die Wahl zu mobilisieren. Luisa Neubauer erklärt dazu beispielsweise in einem Video, warum nicht wählen tendenziell rechten Parteien hilft.
    • Um Extinction Rebellion ist es bis auf wenige, kleinere Aktionen in Deutschland zuletzt eher still geworden. In den Niederlanden hatten sie allerdings im vergangenen Jahr mit Straßenblockaden erreicht, dass das Land fossile Subventionen auslaufen lässt. Anfang des Jahres kündigte Extinction Rebellion an, sich vor den EU-Wahlen auch an anderen Orten besonders für die Abschaffung solcher Subventionen einzusetzen.
    • Außerdem kandidieren viele Aktivistinnen und Aktivisten aus der Bewegung auch innerhalb von klassischen Parteien für einen Sitz im Europäischen Parlament. Darunter sind auffällig viele Frauen: Lena Schilling ist Spitzenkandidatin für die Grünen in Österreich, Carola Rackete kandidiert parteilos für Die Linke.
    • Auch die Klimaliste Deutschland hat die dafür nötigen Unterschriften für eine Kandidatur zusammenbekommen und tritt am 9. Juni an.

    Verschiedene Kandidaturen als “Ansporn”

    Die 27-jährige Anna Peters, früher Bundessprecherin der Grünen Jugend, möchte im EU-Parlament ebenfalls inhaltlich etwas bewegen. Sie will sich besonders für eine klimagerechte Finanzpolitik einsetzen. Peters steht auf Listenplatz 13 für die Grünen und hat gute Chancen, einen Sitz zu erhalten. Sie sei keine Aktivistin, fühle sich der Klimagerechtigkeitsbewegung aber sehr nah, erzählt sie im Gespräch mit Table.Briefings. “Wir müssen jetzt sehr guten Wahlkampf machen, um uns einem Rechtsruck entgegenzustellen“, meint sie. Für sie bedeutet das, vor allem auch junge Menschen zu erreichen – beispielsweise durch Wahlkampf an Schulen.

    Dass Klimaaktivistinnen und -aktivisten für Kleinstparteien anstatt für die Grünen antreten, sieht sie nicht unbedingt als Bedrohung: “Ich sehe das eher als Ansporn für uns Grüne, uns zu beweisen“. Und: “Ich freue mich über jede Person der Klimagerechtigkeitsbewegung in der Politik.” Es brauche sowohl Menschen, die Themen von außen durch Protest vorantreiben als auch solche, die innerhalb des politischen Systems daran arbeiteten, Klimaschutz voranzubringen.

    Protest im Parlament

    Die Letzte Generation arbeitet aktuell dezentral und basisdemokratisch an Runden Tischen an ihrer inhaltlichen Ausrichtung für die Wahl. Das ist eher untypisch für die Organisation, bisher war sie vor allem für ihre hierarchischen Strukturen bekannt. “Keine der anderen Parteien macht, was es braucht”, erklärt Maike Grunst. Die Kandidatur der Letzten Generation führe nicht zur Zersplitterung der Klimabewegung im Parlament, sondern mache sie bunter, vielfältiger und damit letztendlich stärker.

    Im Moment arbeitet die Letzte Generation vor allem daran, ihre Kandidatur bekannter zu machen, mit einer TikTok-Challenge will die Bewegung junge Menschen erreichen. Grunst hat das Gefühl, dass die Gruppe durch den Wahlkampf nun wieder mehr Aufmerksamkeit erhält. Die Chancen auf einen tatsächlichen Einzug ins EU-Parlament lägen bei ungefähr 50 Prozent, meint sie. Mit anderen Parteien zusammenarbeiten wollen die Aktivisten im Europaparlament nicht, stattdessen wollen sie auch im Parlament auf Protest setzen.  

    Verlorene Stimmen für Klimaschutz

    Michael Bloss, Abgeordneter des Europäischen Parlaments für die Grünen, sieht die Kandidatur der Letzten Generation hingegen kritisch: Es scheine so, als ob die Aktivisten “wie bei den Straßenaktionen keine Strategie haben, wie sie mehr für den Klimaschutz erreichen können.” Er sieht eine andere Motivation: “Um nicht als kriminelle Vereinigung zu gelten, gründen Sie jetzt eine Partei, weil die grundrechtlich besseren Schutz bietet. Legitim, aber dem Klimaschutz im Parlament nützt es nicht.” Das Europaparlament nur für die Produktion für Videos zu benutzen, würde die demokratischen Institutionen verhöhnen, meint er. Und für Witze sei schon eine andere Partei im Europaparlament zuständig.

    Auch darüber hinaus sieht er Probleme: “Klimaschutz steht unglaublich unter Beschuss”. Da sei es wichtig, zusammenzuhalten. Es bestehe die Gefahr, dass sich auf die verschiedenen Kleinstparteien viele Stimmen für Klimaschutz aufteilten, die Parteien dann nicht einzögen und die Stimmen dann einfach nicht repräsentiert wären. Das schade dem Klimaschutz. Bloss betont auch, dass das EU-Parlament den Druck von der Straße brauche und sich in den vergangenen fünf Jahren auch dank der breiten Proteste unter FFF viel getan habe. Aktivismus sei allerdings etwas anderes, als im Parlament um Mehrheiten für Klimaschutz und Kompromisse zu ringen.

    • Europawahlen 2024
    • fossile Subventionen
    • Fridays for Future
    • Klimagerechtigkeit
    • Letzte Generation
    • Proteste

    Termine

    2. Mai 2024, 16:30-18:30 Uhr, Online
    Workshop SpringSchool on Corporate Sustainability Management IV: Daten, Tools und praktische Umsetzung der ESRS (Veranstalter: Renn Netzwerk) Info & Anmeldung

    2. Mai 2024, Paris
    Konferenz Sustainable Investment Forum (Veranstalter: Climate Action) Info & Anmeldung

    4. Mai 2024, 10-14:30 Uhr, Freiburg
    Seminar Globale Unsicherheiten: die Entstehung einer “Neuen Weltordnung” (Veranstalter: Friedrich-Ebert-Stiftung) Info & Anmeldung

    4. Mai 2024, 18:30-20:30 Uhr, Leipzig
    Diskussion Klimagerechtes Wohnen trotz Wohnungskrise? (Veranstalter: Rosa-Luxemburg-Stiftung) Info & Anmeldung

    5. Mai 2024, 15 Uhr, Sinsheim
    Vortrag Deutschland ein Strombettler? – Der Faktencheck zur Energiewende (Veranstalter: Klima Arena) Info & Anmeldung

    7. Mai 2024, 18-19:30 Uhr, Bonn
    Diskussion Umwelt unter Druck: Wie ein Rechtsruck bei der Europawahl die Klimakatastrophe anheizen könnte (Veranstalter: Bundeszentrale für politische Bildung) Info & Anmeldung

    7.-8. Mai 2024, Frankfurt
    Konferenz 7th Sustainable Investor Summit Frankfurt: Putting Capital at Work to make a Difference. (Veranstalter: ICF Institutional Capital Forum) Info & Anmeldung

    8. Mai 2024, 10-11 Uhr, Online
    Webinar Treibhausgasbilanz erstellen – Grundlagen & Praxis (Veranstalter: KliMaWirtschaft) Info & Anmeldung

    8. Mai 2024, 13-17 Uhr, Sinsheim
    Konferenz Hochschulweiterbildung für die Praxis – Digitale Transformation & Nachhaltigkeit für Unternehmen (Veranstalter: Klima Arena & Dietmar Hopp Stiftung) Info & Anmeldung

    News

    1. Mai: Gewerkschaften wollen über Transformation mitbestimmen

    Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) fordert in seinem diesjährigen Aufruf zum 1. Mai, den Wandel in Wirtschaft, Gesellschaft und Arbeitswelt sozial gerecht zu gestalten. Für eine gelingende Transformation brauche es mehr Mitbestimmung. Ohne die Beschäftigten und ihre Gewerkschaften könne der Wandel nicht gelingen, so der DGB. “Wir passen auf, dass die Lasten gerecht verteilt werden. Wir machen aus technischem Wandel sozialen Fortschritt”, heißt es.

    DGB: Schuldenbremse ist Investitionsbremse

    Scharfe Kritik übt der DGB an der Sparpolitik der Bundesregierung. “Die Schuldenbremse ist eine Investitionsbremse und muss dringend reformiert werden”. Auch müsse der Sozialstaat verlässlich bleiben. “Bei Krankheit, im Alter, bei Arbeitslosigkeit: Beschäftigte brauchen ein starkes Sicherheitsnetz in der Arbeitswelt”, so der DGB. Als Dachverband vertritt er insgesamt 5,7 Millionen Mitglieder in acht Einzelgewerkschaften.

    Die größte DGB-Gewerkschaft mit rund 2,14 Millionen Mitgliedern ist die IG Metall. Deren Vorstandsmitglied Hans-Jürgen Urban warnte vor Rechtspopulismus und einem Auseinanderbrechen der Gesellschaft. “Die Jahrhundert-Aufgabe der sozial-ökologischen Transformation darf keine Verlierer hinterlassen.” Alle Beschäftigten bräuchten eine Zukunftsperspektive, betonte Urban. Dafür brauche es Investitionen in eine zukunftsfähige Industrie.

    IG Metall: Beschäftigte sollen über Unternehmensstrategien mitentscheiden

    Aus Sicht seines Vorstandskollegen Ralf Reinstädtler ist es dafür notwendig, dass die Beschäftigten über die strategische Ausrichtung der Unternehmen mitentscheiden können. “Wir wollen nicht erst dann reagieren können, wenn die Arbeitgeber die Zukunft verpennt haben. Wir wollen mitbestimmen können – über Arbeitsbedingungen, über Qualifizierung, über die Produkte von morgen”, sagte Reinstädtler. Die zentrale Veranstaltung des DGB findet in diesem Jahr in Hannover statt. ch

    • Arbeitnehmerrechte
    • Gewerkschaften

    Energiewende-Mineralien: UN-Panel soll Leitlinien für Umwelt und Soziales erarbeiten

    Ein neues Panel soll für den Abbau und die Verarbeitung von Mineralien, die wichtig für die Energiewende sind, Umwelt- und Sozialstandards erarbeiten. Das gab UN-Generalsekretär António Guterres am Freitag bekannt. Erste Vorschläge soll das Gremium bereits bis zur UN-Generalversammlung im September vorlegen.

    Eine von erneuerbaren Energien angetriebene Welt, sei “hungrig” nach kritischen Mineralien, sagte Guterres bei der Vorstellung des Panels. Dazu zählen Kupfer, Lithium, Nickel, Kobalt und seltene Erden. Für Entwicklungsländer sei dies “eine entscheidende Chance, um Arbeitsplätze zu schaffen, die Wirtschaft zu diversifizieren und die Einnahmen drastisch zu erhöhen”. Dabei dürften aber nicht die Armen “niedergetrampelt” werden, betonte er. Es brauche Gerechtigkeit.

    Der Verweis auf die hohen Risiken für “die Ärmsten unseres Planeten” in Bergbau-Lieferketten ist laut Michael Reckordt, Referent für Rohstoffpolitik bei der NGO Powershift, berechtigt. “Wenn wir über Rohstoffe für die Energiewende sprechen, muss das Ziel [aber] auch sein, diese global gerecht und für spätere Generationen nachhaltig zu sichern. Dafür müssten ihm zufolge “der viel zu hohe Verbrauch und die Verschwendung von metallischen Rohstoffen” sinken – vor allem in der EU, Nordamerika und Ostasien.

    Bedarf an kritischen Mineralien steigt

    Wegen des Ausbaus der Erneuerbaren Energien wird der Bedarf an kritischen Mineralien laut Internationaler Energieagentur bis 2030 stark steigen. Bei Netto-Null-Emissionen 2050 könnte sich die Nachfrage mehr als verdreifachen. Große Vorkommen der kritischen Mineralien finden sich in Entwicklungsländern.

    Das neue Panel besteht aus staatlichen und nicht staatlichen Akteuren, wie Brancheninitiativen, NGOs und Gewerkschaften. Den Vorsitz teilen sich Nozipho Joyce Mxakato-Diseko (Botschafter von Südafrika) und Ditte Juul Jørgensen (Generaldirektorin für Energie in der EU). nh

    • Globaler Süden
    • Seltene Erden

    Gemeinsame Agrarpolitik: Was bringt die Aufhebung der Pflichtbrache?

    Landwirte sollten in diesem Jahr eigentlich vier Prozent ihrer Flächen ungenutzt lassen, um in den Genuss von Direktzahlungen zu kommen. Nach einem Beschluss des EU-Parlaments in der vergangenen Woche entfällt diese Stilllegungspflicht künftig jedoch. Die noch ausstehende Zustimmung des Rates gilt als sicher. In Deutschland könnten damit theoretisch mehr als 400.000 Hektar Land zusätzlich bewirtschaftet werden. In der Praxis erscheint eine Ausweitung um etwa 300.000 Hektar realistisch.

    Regelung kommt für die meisten Aussaaten zu spät

    Dass dies zumindest in diesem Jahr nur in deutlich geringerem Umfang der Fall sein wird, hat mehrere Gründe. Zum einen kam die Entscheidung für Winterkulturen wie Winterweizen und -gerste sowie Roggen und Raps, die auf mehr als zwei Dritteln der Ackerfläche angebaut werden, zu spät. Zum anderen gibt es derzeit witterungsbedingte Engpässe bei der Saatgutversorgung für Braugerste, Hafer und Sommerweizen.

    Hinzu kommt, dass die bisher unter die Stilllegungsverpflichtung fallenden Flächen zum Beispiel aufgrund schlechter Bodenqualität die geringste Rentabilität aufweisen. Entsprechend niedrig ist der Anreiz, diese Flächen zukünftig zu bewirtschaften.

    Der Deutsche Raiffeisenverband geht deshalb davon aus, dass die Aussetzung der Flächenstilllegung keine nennenswerten Auswirkungen auf die diesjährige Getreideernte haben wird. “Die Entscheidung ist absolut richtig, kommt aber für den Getreideanbau schlichtweg zu spät”, betont der Getreidemarkt-Experte des Deutschen Raiffeisenverbandes (DRV), Guido Seedler. Sollte die Regelung verlängert werden, müssten die Weichen rechtzeitig gestellt werden, damit die Landwirte planen können.

    Hohe Prämien für freiwillige Brachen

    Betriebe, die künftig freiwillig Flächen unbearbeitet lassen wollen, können dafür Mittel aus dem Topf für Öko-Regelungen beantragen. Das Bundeslandwirtschaftsministerium hat die entsprechenden Förderbedingungen für dieses Jahr vereinfacht und attraktiver gestaltet. Pro Hektar Stilllegungsfläche erhalten Landwirte maximal 1.300 Euro. So viel Geld ist selbst auf den besten Böden kaum zu verdienen. ch

    • GAP
    • Gemeinsame Agrarpolitik
    • Landwirtschaft

    Studie: Klimawandel könnte Möglichkeiten für Wiederaufforstung stark einschränken

    In bestimmten Regionen Europas könnten bis zu 50 Prozent der dort wachsenden Baumarten künftigen Klimabedingungen nicht mehr standhalten – was erhebliche, negative Folgen für die Wiederaufforstung hätte. Denn auch Baumarten, die heute gepflanzt werden, müssten unter veränderten klimatischen Bedingungen wachsen. Aber die Zahl der dafür geeigneten Arten werde voraussichtlich abnehmen. Das ist das Ergebnis einer Studie, die am Montag in Nature Ecology & Evolution erschienen ist.

    “Der Mehrwert der Studie besteht im Hinweis auf einen möglichen Bottleneck-Effekt bei der Klimaanpassung der Wälder”, sagt Uta Berger, Forscherin an der TU Dresden. “Neu an dieser Arbeit ist nun, dass nicht nur die heutige und die zukünftige Arealeignung für Baumarten bestimmt wurde, sondern dass die Dynamik des Klimawandels mit den langen Umtriebszeiten, wie sie in der Forstwirtschaft üblich sind, in Bezug gesetzt wurde“, ergänzt Arthur Gessler, der das Forschungsprogramm Walddynamik, Waldwachstum und Klima am Schweizer WSL leitet.

    Weitere Faktoren wichtig

    Eher als konservativ schätzt Henrik Hartmann die Modellierung ein. Die künftige Eignung der Baumarten werde nur durch klimatische Einflüsse berechnet. “Das kann man sicherlich mit einem großen Fragezeichen versehen”, denn die vergangenen Jahre hätten gezeigt, dass Stress durch Klimafolgen “in vielen Fällen zu einer verstärkten Anfälligkeit gegenüber biotischen Störungsfaktoren führt”, sagt der Leiter des Instituts für Waldschutz am Julius Kühn-Institut.

    Die Modellierung berücksichtige “methodisch und konzeptionell” nicht “die angemessenen Grenzen der Modellierbarkeit des Klimawandels und der Reaktionen von komplexen Ökosystemen”, sagt Pierre Ibisch, Forscher an der Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde. Studien zeigten, dass etwa Dürren als Folge des Klimawandels “schneller voranschreiten als modelliert”. Problematisch sei auch, dass “die Lebens- und Anpassungsfähigkeit von Bäumen beziehungsweise Wäldern lokal und regional ganz erheblich auch von den Böden, dem Mikroklima, der Landnutzung und der Forstwirtschaft” abhänge, ergänzt der Wissenschaftler. nh

    • Dürre
    • Klimaschäden
    • Wald

    Presseschau

    Europas Kampf gegen den Müll – Der Spiegel
    In Deutschland wird die neue EU-Verpackungsverordnung nur wenig ändern, schließen Philip Bethge und Kristina Gnirke aus Gesprächen mit Unternehmern und Experten. Denn die Recyclingquoten lägen bereits relativ hoch. Der europäischen Kreislaufwirtschaft könne die kleinteilige Verordnung aber einen Schub geben. Zum Artikel

    Dutch kick-start European attempts at carbon capture – Financial Times
    Am Hafen von Rotterdam beginnt “Porthos”, Europas “ambitioniertester Versuch” zur Speicherung von CO₂ in der Nordsee. Die Betreiber rechnen mit einem jährlichen Profit von 2,2 Prozent, berichtet Malcolm Moore. Für diese Rate würden sie zwar sonst keinen Finger rühren, aber der Profit wird durch staatliche Mittel abgesichert – und fossile Geschäftsmodelle könnten durch CO₂-Speicherung in die Verlängerung gehen. Zum Artikel

    Plastikflaschen als Mehrweg? – “Das Dümmste, was man machen kann” – Der Spiegel
    Michael Braungart, der Erfinder des Cradle-to-Cradle-Prinzips, plädiert im Interview mit Philip Bethge dafür, dass Unternehmen künftig statt Produkten die Nutzungsrechte veräußern. So könnten Hersteller das verbaute Material nach der Nutzung wiederverwenden, was gleichzeitig Anreize schaffe, hochwertige Bestandteile zu verwenden. Zum Artikel

    Wirtschaftsprüfer wollen ESG-Haftung entschärfen – FAZ
    Andreas Dörschell, Präsident der Wirtschaftsprüferkammer (WPK), hat bei einem Pressegespräch den Gesetzesentwurf für die Umsetzung der CSRD-Richtlinie begrüßt. Jedoch fordert die WPK eine mildere Haftung als bei der klassischen Bilanzprüfung. Haftungsregeln seien nach dem Wirecard-Skandal verschärft worden. Zum Artikel

    Wir zerfleischen uns am liebsten selbst – FAZ
    Klimaschutz nicht auf Kosten der individuellen Freiheit – mit diesem Urteil habe das Bundesverfassungsgericht 2021 nicht nur der Politik, sondern der Gesellschaft insgesamt eine Auflage erteilt, schreibt Philipp Krohn. Deshalb brauche es positive Bilder einer nachhaltigen Zukunft und eine ernst gemeinte Nachhaltigkeitspräferenz der Bürger, die sich in einer klugen Politik äußere. Zum Artikel

    “Wir müssen aus den Beschäftigten ja nicht das Maximum rausquetschen” – Zeit/ Zeit Online
    Auf der einen Seite der Mangel an Arbeitskräften, auf der anderen die Forderung nach der 4-Tage-Woche – über dieses Dilemma sprechen Carla Neuhaus und Jens Tönnesmann im Wirtschaftspodcast “Ist das eine Blase?” mit dem Arbeitsmarktexperten Enzo Weber. Zum Podcast

    How Abrupt U-Turns Are Defining U.S. Environmental Regulations – New York Times
    Die Polarisierung der Politik führt dazu, dass bei jeder Wahl neue Regeln aufgestellt, ausgehöhlt und wieder eingeführt werden, hat Coral Davenport beobachtet. In vielerlei Hinsicht kommt die Umweltregulierung deshalb einem Zickzackkurs gleich. Experten sagen, das sei schlecht für die Wirtschaft. Zum Artikel

    Klimaschutz: Energiezwilling für nachhaltige Produktionsgebäude – Automobil Industrie
    Mercedes-Benz und Siemens haben einen so genannten Energiezwilling entwickelt, berichtet Thomas Günnel. Die Software verknüpft Verhaltensmodellen von Gebäuden, technischen Anlagen und Energieerzeugungsanlagen mit Informationen wie Wetterdaten, Lastprofilsimulation, Anlagenauswahl und Dimensionierung. So können Planer energetische Gebäudeprozesse visualisieren, analysieren und nachhaltig optimieren. Zum Artikel

    So rechnen sich Kreuzfahrtanbieter ihr Geschäft grün – Süddeutsche Zeitung
    Die drei Autorinnen gehen der Frage nach, wie nachhaltig Kreuzfahren wirklich ist. Ein schwieriges Unterfangen, weil sich fast alle angefragten Unternehmen weigerten, vergleichbare Daten zu den CO₂-Emmissionen zu liefern. Auch einzelne Schadstoffwerte zu einzelnen Schiffen zu bekommen, sei fast unmöglich, zitieren sie den Hamburger Linkenpolitiker Stephan Jersch. Der Nabu kritisiert ebenfalls die intransparente Kommunikation der Reedereien in Umweltbelangen. Zum Artikel

    Lithium-Recycling: Ein Schritt in Richtung Nachhaltigkeit – Elektroauto News
    Der Boom der Elektromobilität ist ein entscheidender Faktor für die weltweit steigende Nachfrage nach Lithium. Dieser Druck auf die Ressourcen führt zu einer wachsenden Abhängigkeit Europas von Ländern wie China, Chile und Australien, weiß Sebastian Henßler. Das Münchner Unternehmen Tozero hat nun ein innovatives Verfahren entwickelt, um die wertvollen Materialien aus Altbatterien zurückzugewinnen. Zum Artikel


    Heads

    Anna Cavazzini – “Den EU Green Deal ambitioniert umsetzen”

    Porträtfoto von Anna Cavazzini.
    Anna Cavazzini (Grüne/EFA) ist Vorsitzende des Binnenmarktausschusses und Vizepräsidentin der Brasilien-Delegation im EU-Parlament.

    Anna Cavazzini klettert leidenschaftlich gern. Seit sie 2019 ins Europäische Parlament gewählt wurde, sagt sie, habe sich ihr Niveau verschlechtert. Nur noch zwei- oder dreimal im Monat schafft sie es in die Kletterhalle. Im Parlament ist sie dafür weit nach oben geklettert: 2020 übernahm sie den Vorsitz im Binnenmarktausschuss (IMCO), der für harmonisierte Produktstandards, das Zollwesen und für Verbraucherschutz zuständig ist. Dass sie bei den Europawahlen im Juni wiedergewählt wird, ist so gut wie sicher: Sie kandidiert auf dem 3. Listenplatz von Bündnis 90/Die Grünen.

    Cavazzini wurde 1982 in Hessen geboren, studierte European Studies in Chemnitz und Internationale Beziehungen in Berlin. Von 2009 bis 2014 arbeitete sie bereits im EU-Parlament, damals als wissenschaftliche Mitarbeiterin von Ska Keller. Anschließend war sie im Auswärtigen Amt, für die UNO-Generalversammlung, für die Kampagnen-Plattform Campact und für Brot für die Welt tätig, stets mit Fokus auf gerechten Handel, Menschenrechte und Nachhaltigkeit.

    Schattenberichterstatterin für das EU-Lieferkettengesetz

    In der endenden Legislaturperiode hat Cavazzini als Ausschussvorsitzende und Schattenberichterstatterin diverse Gesetze mitverhandelt: etwa das EU-Lieferkettengesetz (CSDDD), das Verbot von Produkten aus Zwangsarbeit sowie die Recht auf Reparatur-Richtlinie. Besonders im Bereich der Kreislaufwirtschaft habe die EU in den vergangenen fünf Jahren Meilensteine erreicht, sagt die 41-Jährige. Dazu gehörten auch das einheitliche Ladekabel, die Ökodesign-Verordnung und die Verpackungsverordnung.

    Trotzdem spricht sie sich gegen den von den Konservativen und Liberalen geforderten “Regulierungsstopp” aus. “Wir als EU sind weiterhin nicht auf dem 1,5 Grad-Pfad und weiterhin einer der weltweit größten Produzenten von Elektroschrott“, erklärt sie. Deshalb gelte es in der kommenden Legislatur, Lücken ausfindig zu machen. Die sieht sie vor allem bei den Importen: “Die Marktüberwachung und der Zoll kommen nicht hinterher zu überwachen, dass Produkte, die nicht unseren Standards entsprechen, nicht hier auf dem EU-Binnenmarkt landen.”

    Die Europäische Zollreform soll diese Schlupflöcher schließen, indem die Zollbehörden gestärkt werden. Das Vorhaben konnte leider nicht mehr vor den Wahlen abgeschlossen werden, sagt Cavazzini. Im Gegensatz zum Parlament habe der Rat sein Verhandlungsmandat noch nicht angenommen.

    “In Zukunft noch mehr mit Partnerländern sprechen”

    Zum 30-jährigen Bestehen des EU-Binnenmarktes zog Cavazzini im vergangenen Jahr im Gespräch mit Table.Briefings Bilanz: “Grundsätzlich ist der Binnenmarkt ein riesiger Erfolg und ein Motor der Integration”, sagt sie. Er habe dazu geführt, dass viele Hürden abgebaut und immer mehr einheitliche Produktstandards geschaffen wurden. Der starke Fokus auf den Abbau dieser Hürden habe den Diskurs über den Binnenmarkt allerdings sehr einseitig gemacht. “Wir müssen da noch einen Schritt weiter gehen”, sagt Cavazzini. Die Harmonisierung dürfe nicht auf Kosten lokaler Gemeinschaften geschehen, sondern müsse Menschenrechts- und Umweltstandards gewährleisten.

    Als Vizepräsidentin der Brasilien-Delegation des Parlaments reiste Cavazzini in diesem Mandat mehrmals nach Südamerika. Sie besuchte unter anderem indigene Gemeinschaften im Amazonas-Gebiet, welche die voranschreitende Zerstörung ihres Lebensraums selbst als Genozid bezeichneten. Grundsätzlich setzt Cavazzini Hoffnung in Präsident Lulas Engagement für Umwelt und Waldschutz. Schließlich stehe er in der Schuld der indigenen Gemeinschaften, die seine Wahlkampagne massiv unterstützt hätten. “Da bewegt sich einiges, aber ich glaube, es braucht viel internationalen Druck, damit im Bereich Waldschutz auch wirklich etwas passiert.” 

    Das EU-Gesetz für entwaldungsfreie Lieferketten, das bis Ende des Jahres von den Mitgliedstaaten umgesetzt werden muss, steht allerdings zurzeit in der Kritik. Mehrere Mitgliedstaaten hatten zuletzt eine Verschiebung der Frist gefordert. Die Kommission hänge bei der Implementierung hinterher, erklärt Cavazzini, unter anderem habe sie noch kein Länder-Benchmarking veröffentlicht. Eine solche Anfangsphase sei jedoch leider normal. Das Argument von Drittländern, die EU wolle mit dem Gesetz ihren eigenen Markt schützen, weise sie komplett zurück: “Es geht hier um Verantwortung für unsere Lieferketten.” Die Debatte zeige aber: Die EU müsse in Zukunft während der Gesetzgebung noch mehr mit ihren Partnerländern sprechen. “Wir dürfen sie nicht vor den Kopf stoßen.”

    Beim Bouldern über Europa diskutieren

    In ihrem Wahlkreis in Sachsen verbindet Cavazzini manchmal das Klettern mit politischen Veranstaltungen, lädt etwa in Leipzig zum Europa-Gespräch beim Bouldern oder macht in der Sächsischen Schweiz auf das hiesige Waldsterben aufmerksam. Wenn sie sich mit den Menschen unterhält, sei Brüssel noch immer sehr weit weg, erzählt sie. “Aber die ganz konkreten Dinge werden wahrgenommen und kommen sehr gut an.”

    In Sachsen hat das grün geführte Europaministerium zudem ein eigenes Interrail-Angebot geschaffen, damit junge Menschen Europa entdecken können. Eine weltoffene, proeuropäische Haltung müsse hier noch gestärkt werden, dafür brauche es viel und gute Kommunikation. Doch durch die Coronapandemie und den Krieg in der Ukraine hätten viele gemerkt: “Mit Europa sind wir stärker und können gemeinsam besser auf die Krisen reagieren.”

    Die zentrale Forderung der Grünen im Wahlkampf wird allerdings die ambitionierte Umsetzung des Green Deal sein. Der Konsens über das Projekt bröckelt: “Es kann sehr gut sein, dass der Green Deal jetzt beerdigt wird“, befürchtet Cavazzini. Nachdem die EVP das Projekt in den ersten zwei oder drei Jahren mitgetragen und lediglich über Nuancen gestritten habe, sei sie zum Ende des Mandats in den “Anti-Green-Deal-Chor” von Mitte-rechts eingestiegen. Leonie Düngefeld

    • Brasilien
    • EU
    • EU-Binnenmarkt
    • Europäische Kommission
    • Europäisches Parlament
    • Recht auf Reparatur

    Personalien

    Susanne Kundert in die Geschäftsleitung Globalance Bank berufen: Die Globalance Bank hat Susanne Kundert als Leiterin Anlagen in ihre Geschäftsleitung berufen. Sie tritt die Nachfolge von David Hertig an und bringt über 20 Jahre Erfahrung in der Finanzbranche mit. In den letzten 15 Jahren hat sie sich auf die Entwicklung und das Portfoliomanagement von nachhaltigen Anlagelösungen konzentriert.

    Grant Thornton verstärkt sein ESG-Team: Hans-Georg Welz ist seit diesem Monat neuer Partner im Geschäftsbereich Audit & Assurance von Grant Thornton. Er verstärkt das Geschäftsfeld der Prüfung und prüfungsnahen Beratung im Service-Bereich Sustainability/ESG. Er verfügt über langjährige Erfahrung in der Prüfung von nichtfinanziellen Erklärungen nach dem CSR-RUG und Angaben nach Artikel 8 der EU-Taxonomie-Verordnung sowie von Nachhaltigkeitsberichten nach den Standards der Global Reporting Initiative (GRI).

    Stefanie Fay wird Partnerin bei Freshfields: Die Berliner Rechtsanwältin Stefanie Fay wird zum 1. Mai Partnerin bei der Wirtschaftskanzlei Freshfields Bruckhaus Deringer. Sie gehört der Praxisgruppe Dispute Resolution an und ist auf komplexe Zivilprozesse sowie kollektiven Rechtsschutz spezialisiert. Ein Schwerpunkt ihrer Tätigkeit liegt in der Vertretung und Beratung von Unternehmen aus dem Finanzsektor, insbesondere in bankrechtlichen Streitigkeiten und Fragen der Anlegerhaftung sowie zu ESG-Risiken.

    ESG-Experte Christoph Strelczyk wechselt zu Huth Dietrich Hahn: Die Hamburger Kanzlei Huth Dietrich Hahn hat mit Christoph Strelczyk einen neuen Partner für die Beratung im Bereich Nachhaltigkeitsregulierung gewonnen. Strelczyk kommt von GSK Stockmann, wo er unter anderem die Initiatoren des ersten deutschen §9-Logistikimmobilienfonds beriet.

    Ändert sich etwas in Ihrer Organisation? Schicken Sie doch einen Hinweis für unsere Personal-Rubrik an heads@table.media!

    ESG.Table Redaktion

    ESG.TABLE REDAKTION

    Licenses:

      Jetzt kostenlos anmelden und sofort weiterlesen

      Keine Bankdaten. Keine automatische Verlängerung.

      Sie haben bereits das Table.Briefing Abonnement?

      Anmelden und weiterlesen