herzlich willkommen zu unserer neuen Ausgabe. Mein Name ist Marc Winkelmann, ich bin neu im Team und leite ab sofort zusammen mit meinem Kollegen Caspar Dohmen den ESG.Table. Für uns bedeutet das auch, dass wir wissen möchten, was Sie bewegt und welche Themen für Sie relevant sind. Wenn Sie also Vorschläge und Kritik haben, schreiben Sie uns. Per Mail oder über die sozialen Medien. Unsere Kontakte finden Sie unten. Wir freuen uns auf den Austausch!
Zu den Themen: Chile hat angekündigt, seine Lithium-Lieferkette zu verstaatlichen. Der Kongress hat die Pläne noch nicht durchgewunken, aber sie folgen einem Trend, bei dem deutsche Unternehmen sehr wachsam sein müssen, wie Santiago Engelhardt und ich in unserer Analyse beschreiben. Lithium gehört ja ohnehin schon zu den gefragtesten Rohstoffen der Energiewende.
Die EU hatte beste Absichten, als sie beschloss, keine Waren mehr einführen zu wollen, für die Wälder gerodet werden. Schaut man sich aber vor Ort um, etwa in der DR Kongo, erfährt man, welche Folgen die Regulierung für die Farmer hat. Jonas Gerding beschreibt, warum sie an der EU verzweifeln.
Die Saison der Hauptversammlungen läuft – und damit auch die Arbeit der Kritischen Aktionäre. Carsten Hübner hat den Geschäftsführer interviewt und mit ihm über seine Einschätzung gesprochen. Die Konzerne, so seine Kritik, sind noch längst nicht auf dem notwendigen Pfad der Dekarbonisierung.
Für unsere Serie zur Rana-Plaza-Katastrophe haben wir den internationalen Gewerkschaftsverbund IndustriALL gebeten, nach zehn Jahren ein Fazit zu ziehen. Was ist besser geworden, wie gefährlich ist die Textilindustrie noch für die Arbeiterinnen? Gastautorin Christina Hajagos-Clausen erklärt es.
Zu guter Letzt: Wenn Ihnen der ESG.Table gefällt, leiten Sie uns bitte weiter. Wenn Ihnen diese Mail zugeschickt wurde: Hier können Sie das Briefing kostenlos testen.
Lithium ist für Chile von nationaler Bedeutung. Deshalb überraschte es nicht, dass Präsident Gabriel Boric seine lange angekündigte “National Lithium Policy” letzte Woche in einer landesweit ausgestrahlten Sondersendung vorstellte. Wird sie umgesetzt, dürfte es für Hersteller, die auf den Rohstoff angewiesen sind, schwerer werden, diesen aus dem südamerikanischen Land zu beziehen. Boric plant eine Verstaatlichung der Industrie.
Lithium gehört zu den wichtigsten Stoffen der globalen Energiewende und der Digitalisierung. Ohne das Metall können Autobauer keine Batterien für E-Fahrzeuge fertigen. An Vorkommen mangelt es nicht, allerdings übersteigt der Bedarf die Gewinnung deutlich. Nach Berechnung der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) könnte die weltweite Nachfrage im Jahr 2030 bei mehr als 550.000 Tonnen liegen – und damit 300.000 Tonnen über den prognostizierten Förderkapazitäten. Zum Vergleich: 2020 wurden 82.000 Tonnen produziert.
Chile, das aktuell nach Australien der zweitgrößte Lithiumproduzent der Welt ist, hat im Jahr 2022 Lithiumcarbonat im Wert von 7,7 Milliarden Dollar exportiert, was laut Zentralbank eine Steigerung von 777 Prozent gegenüber 2021 bedeutet.
Der Linkspolitiker Boric, seit März 2022 Präsident, betonte, dass es sein Ziel sei, Chile zum größten Lithiumproduzenten zu machen. Zudem wolle er die Biodiversität der chilenischen Salzebenen schützen, den Wohlstand steigern und diesen gerecht verteilen. Während seiner Fernsehansprache erläuterte er die fünf Säulen dieser Politik. Geplant ist demnach,
Das staatliche Unternehmen CODELCO, der weltgrößte Kupferproduzent, wird mit der Schaffung des neuen staatseigenen Lithiumunternehmens beauftragt, das an allen künftigen Lithiumprojekten mehrheitlich beteiligt sein soll. Die bereits bestehenden Förderlizenzen mit den Unternehmen SQM (Sociedad Quimica y Minera de Chile) und Albemarle, die 2030 sowie 2043 auslaufen, sollen gültig bleiben, so Boric, allerdings erhalte CODELCO den Auftrag, die Verträge neu auszuhandeln. Die Ankündigung führte zu einem starken Wertverlust der Aktien von Albemarle und SQM. Voraussetzung für die Umsetzung der Pläne ist, dass Boric’ Gesetzentwurf im zweiten Halbjahr 2023 durch den Kongress angenommen wird. Die Partei des Präsidenten hat hier keine Mehrheit; Änderungen an dem Vorhaben sind also möglich.
Deutsche und europäische Unternehmen hatten bei der Versorgung mit Lithium in den letzten Monaten Unterstützung aus der Politik bekommen. Im Dezember erneuerte die EU Handelsverträge mit Chile, um heimischen Firmen einen bevorzugten Zugang zu dem Rohstoff zu verschaffen. Im Januar dann reiste Bundeskanzler Olaf Scholz in das Land und vereinbarte eine engere Partnerschaft, um weniger abhängig von China werden zu können.
Zugleich lässt sich beobachten, dass Staaten mit strategischen Rohstoffen stärker von der Gewinnung profitieren und den Handel kontrollieren wollen. Bereits zuvor hatte Chile angekündigt, seine Kupfer-Vorräte verstaatlichen zu wollen, Mexiko geht denselben Weg bei seinem Lithium. Boliviens Präsident regte zudem die Schaffung einer “Lithium-OPEC” an, eine globale Vertretung von Nationen, die die Ressource auf dem Weltmarkt anbieten.
Michael Schmidt, Lithium-Experte der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR), geht davon aus, dass weitere Länder “sicher folgen” werden, da sie durch staatlich geförderte und eine zum Teil subventionierte Ansiedlung der Wertschöpfungsketten Vorteile für sich sehen. “Sollten Firmen diese Rohstoffe benötigen, gilt es, ein sehr wachsames Auge darauf zu haben.” Die direkten und indirekten Folgen seien noch nicht abzusehen, so Schmidt. “Hier ist eine Dynamik angestoßen worden, die im Moment schwer zu fassen ist.” Sollte das chilenische Parlament dem Vorhaben zustimmen, gebe es zwar einen dann klar definierten und für alle Marktteilnehmer gleichermaßen gültigen Rechtsrahmen. Aber wer dann als externer Partner in potenziellen Projekten zum Zug kommt, könne derzeit niemand abschließend sagen. “China ist sehr aktiv und Europa muss sich tatsächlich anstrengen, um hier mithalten zu können.”
Vor dieser Entwicklung warnt auch Ulrich Blum, Geschäftsführer des Deutschen Lithiuminstituts, einer Initiative der mittelständisch geprägten Baustoffindustrie und der Firma Rock Tech Lithium. “China kontrolliert bereits einen großen Teil der Lithium-Verarbeitung, ist bei der Batteriefertigung ebenfalls führend und geht aggressiv vor. Wenn wir in der EU keine Lithium-Raffinerien aufbauen, werden Anbieter wie Chile sich an diese Abnehmerländer wenden.”
Der Haken: Durch den zuletzt starken Fall des Lithiumpreises sind potenzielle Investoren derzeit nicht gerade verlockt, die europäische Wertschöpfungskette aufzubauen. Wenn der Lithiumpreis bald aber wieder sehr viel höher liegen sollte, was Blum für wahrscheinlich hält, könnte die Monopolstellung anderer Akteure bereits weiter vorangeschritten sein. “Wenn ich Risikomanager eines Unternehmens wäre, würde ich das in meine Analyse einbeziehen.”
Für Unternehmen, die Lithium benötigen, muss es deshalb um eine stärkere Diversifizierung gehen. Und darum, auf mehr Alternativen wie Natrium-Ionen-Akkus zu setzen, die ohne Lithium auskommen. Erste Autobauer machen das bereits. Sie bieten damit gezielt Fahrzeuge für kürzere Strecken an, die zusammen mit anderen Optionen wie Bahn, Rad und Carsharing Teil eines nachhaltigen Mobilitätsmixes sein könnten. “Chiles Verstaatlichung sollte Weckruf für eine strategische Verkehrspolitik sein”, sagt Ulrich Blum – und auch eine Erinnerung daran, dass Europa stärker daran arbeiten muss, einmal verarbeitete Rohstoffe künftig wiederzuverwenden. Das passiert aber ebenfalls noch nicht. Das Recycling ist erst in der Aufbauphase. “Von einem Lithium-Kreislauf sind wir mindestens 15 Jahre entfernt.” Santiago Engelhardt und Marc Winkelmann
Von einer neuen Art der Kolonialisierung spricht der kongolesische Kleinbauernvertreter Kambale Malembe angesichts der Verordnung der EU über entwaldungsfreie Lieferketten. Wer Kakao, Kaffee, Palmöl, Kautschuk, Soja, Holz und Vieh in die EU importiert, muss ab Herbst 2024 garantieren, dass am Herkunftsort für den Anbau der Pflanzen oder die Haltung des Viehs nicht vorher Wälder gerodet wurden. Verstöße werden bestraft. Die EU will damit gegen Firmen vorgehen, die im Amazonas und in Südostasien Wälder im großen Stil roden, um Platz für Plantagen und Rinderherden zu schaffen.
Vergangenen Mittwoch stimmte das EU-Parlament nach über drei Jahren Verhandlung für die Verordnung. Von einem “Game-Changer” sprach Delara Burkhardt, Chef-Verhandlerin der sozialdemokratischen Fraktion: “Mit der Verordnung gegen Entwaldung nehmen wir nun die Unternehmen in die Pflicht und machen deutlich: Wer unseren Planeten zerstört, darf mit uns keine Geschäfte machen”.
Rodungsrisiken bestehen auch in dem zweitgrößten Regenwald der Welt: dem Kongo-Becken, das sich über mehrere Länder im Zentrum Afrikas erstreckt. Etwa 60 Prozent davon liegen in der DR Kongo, wo in den vergangenen Jahren im Schnitt jährlich eine halbe Million Hektar Wald abgeholzt wurden. Der Hauptgrund: die Produktion von Mais, Maniok und Holzkohle für den lokalen Markt. Gleichzeitig können auf Flächen, die zunächst für den lokalen Bedarf genutzt werden, später auch Exportpflanzen angebaut werden.
Die EU erschwere mit der Verordnung Kleinbauern aus der DR Kongo den Zugang zum europäischen Markt, sagt Malembe, der als Programmleiter für die Nationale Konföderation der landwirtschaftlichen Produzenten des Landes arbeitet. Denn viele Kleinbauern seien nicht in der Lage, die Auflagen zu erfüllen, um ihre Waren in die EU exportieren zu können. Dazu zählt vor allem eine Dokumentation der Fläche per GPS-Daten. Betroffen sein dürften von der EU-Verordnung in dem Land vor allem Bauern, die Kaffee oder Kakao anpflanzen. Laut Eurostat exportiert die DR Kongo in die EU Kakao im Wert von 32 Millionen Euro und Kaffee im Wert von 28 Millionen Euro. Dies sind wichtige Wachstumszweige für ein Land, das auf dem 179. Rang der 191 Länder des Human Development Index steht.
Malembe betont, dass für den Kakaoanbau meist gar nicht gerodet werde. Er wird in der Regel zwischen Bäumen in bereits stark bewirtschafteten Wäldern angebaut. Um das zu belegen, müssen die Importeure allerlei Dokumente vorzeigen: insbesondere GPS-Daten der Produktionsfläche. Mit Satellitendaten können die Prüfstellen in Europa einsehen, ob vor Ort ab dem Stichtag zum Jahresende 2021 auch wirklich nicht gefällt wurde. Länder, in denen besonders viel gerodet wird, stuft die EU in die “Hochrisiko”-Kategorie ein. Waren aus solchen Staaten werden häufiger und strenger kontrolliert als die aus vermeintlich risikoarmen Regionen.
Die Klassifizierung der Länder steht noch aus. Alain Karsenty vermutet, dass die DR Kongo dazu gehören wird. Er ist Ökonom am französischen Forschungsinstitut CIRAD mit Fokus auf Landwirtschaft in Entwicklungsländern. “Viele der Importeure werden sich von den als ‘Hochrisiko’ klassifizierten Ländern abwenden oder mit den großen Firmen arbeiten“, erwartet er. Denn große Produzenten hätten am ehesten das Kapital und Knowhow, um vor Ort die Felder zu vermessen, die Informationen zu digitalisieren, Auskünfte über die Menschenrechtslage zu geben und all dies für die Kontrolleure aufzubereiten. “Die kleinen Produzenten, die einen Teil ihrer Produktion nach Europa liefern, sind aller Wahrscheinlichkeit nach die Hauptleidtragenden dieser Maßnahme“, sagt er.
Die Organisation Rainforest Alliance begleitet Kleinbauern dabei, Umwelt- und Sozialstandards umzusetzen. “Keine Waldrodung” gehört zu den Kernkriterien. Fanny Gauttier ist verantwortlich für Public Affairs in Brüssel. Grundsätzlich habe Rainforest Alliance die Gesetzgebung unterstützt, sagt sie, “aber wir setzen uns für eine bessere Berücksichtigung der Kleinbauern ein”. Die Organisation selbst verlangt von den Kleinbauern nur schrittweise Kontrollen, um sie nicht zu überfordern.
“Wir starten damit, dass für 10 Prozent der Flächen die GPS-Daten vorliegen müssen. Über die Jahre hinweg gibt es dann die Verpflichtung, das auszuweiten“, erklärt sie den pragmatischen Ansatz. Die EU-Verordnung verlangt hingegen, dass alles sogleich erfasst ist. Gauttier hält das für falsch. Spielraum sieht sie nun nur noch bei der Unterstützung für Kleinbauern, wie sie in der Gesetzgebung vage angekündigt ist. Die “Hochrisiko-Länder” sollen demnach Unterstützung bekommen, um Wälder zu schützen und nachhaltiger zu wirtschaften, heißt es im Gesetzestext, der auch auf Kleinbauern als Zielgruppe verweist. Viel klarer formuliert wird es allerdings nicht. “Wir tappen da noch im Dunkeln“, sagt sie. Es fehlt an Informationen zu Maßnahmen und Fördersummen.
Spätestens in fünf Jahren will die EU eine Prüfung vornehmen, insbesondere bezüglich “des Einflusses der Verordnung auf Landwirte, vor allem Kleinbauern, indigene Bevölkerungsgruppen und lokale Gemeinden”. Wenn nötig, erhalten sie dann zusätzliche Unterstützung.
Für viele Landwirte in der DR Kongo könnte das zu spät kommen, fürchtet Joseph Bobia, der nationale Koordinator des kongolesischen Netzwerks für Natürliche Ressourcen. Er kritisiert die “unilaterale” Vorgehensweise der EU. Aktuell arbeitet er mit Kollegen anderer Länder des Kongo-Beckens an einem Positionspapier zu der Verordnung.
“Unsere Produkteure warten auf den, der kommt und einkauft. Wer nicht möchte, der soll daheimbleiben“, sagt er schroff über die europäischen Importeure, die ausbleiben könnten. Er verweist auf China, das schon heute im großen Stil problematisches Tropenholz aus der DR Kongo einkauft.
Malembe, der Vertreter der kongolesischen Landwirte, fürchtet, dass es in der DR Kongo Betrug geben wird. Er hat Zweifel daran, ob ein so schwacher Staat prüfen wird, wenn große Unternehmen von allerlei kleinen Betrieben Güter zu Billigpreisen aufkaufen, vermischen und teuer exportieren. “Am Ende steht die Frage, ob wir einen Markt wollen, der sich auf zwei, drei zertifizierte Firmen beschränkt. Das ginge auf Kosten der vielen kleinen Produzenten”, sagt er.
Der europäische Kampf gegen profithungrige Großunternehmen, die sich nicht um die Umwelt scheren, der hätte sich dann ins Gegenteil gekehrt. Jonas Gerding
Alle bisher erschienen Texte der Serie “Reguliert Europa die Welt?” lesen Sie hier.
Herr Dufner, die Hauptversammlungssaison 2023 ist in vollem Gange. Der Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre nutzt dabei traditionell sein Antrags- und Rederecht, um unbequeme Fragen zu stellen. Wo liegen die thematischen Schwerpunkte in diesem Jahr?
Natürlich gibt es bei jedem Unternehmen ganz spezifische Kritikpunkte, auf die wir hinweisen. Aber bei fast allen Unternehmen spielen in diesem Jahr die Themen Klimaschutz und Sorgfaltspflicht in der Lieferkette eine sehr wichtige Rolle. Beim Klimaschutz geht es vor allem um die Frage, wann die Unternehmen klimaneutral werden. Dabei betrachten wir den gesamten Produktzyklus. Also nicht nur die direkten Emissionen bei der Produktion, also Scope 1, sondern auch Scope 2 und 3, also die indirekten Emissionen aus eingekaufter Energie und innerhalb der Wertschöpfungskette.
Womit wir beim zweiten Schwerpunktthema wären. Seit Anfang 2023 gilt in Deutschland das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz. Betroffen sind derzeit alle Unternehmen mit mehr als 3.000 Beschäftigten – und damit auch die großen DAX- und MDAX-Konzerne. Sie müssen nun sicherstellen, dass die menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten entlang der Lieferkette auch umgesetzt werden.
Stimmen Sie sich zu diesen Fragen mit anderen Investoren ab?
Ja, wir haben das ein bisschen intensiviert. In den Monaten vor den Hauptversammlungen haben wir uns zum Beispiel mit der Deka Investment oder der Union Investment darüber ausgetauscht, was ihnen wichtig ist. Der Unterschied ist, dass sie aufgrund ihrer stärkeren Beteiligung an den Unternehmen andere Hebel ansetzen können. Sie sprechen zum Beispiel im Vorfeld direkt mit den Konzernen, während wir hauptsächlich auf das Instrument der Gegenanträge angewiesen sind.
Wie ist es denn überhaupt um die Transformationsbereitschaft der großen Unternehmen bestellt? Haben sie die Herausforderung angenommen oder stehen sie auf der Bremse?
Das mit dem Bremsen ist ein gutes Bild, gerade bei den Autokonzernen, aber auch bei den Energiekonzernen und anderen Branchen. Wir haben schon das Gefühl, dass die Konzerne ihr altes fossiles Geschäft so lange wie möglich weiterführen wollen und deshalb die Energiewende ausbremsen. Die Bedrohung der Energiesicherheit durch den Krieg Russlands gegen die Ukraine spielt ihnen dabei in die Hände. Denn die Bereitschaft, vieles durchzuwinken, ist größer geworden. Zum Beispiel beim Bau von LNG-Terminals. LNG, also Flüssiggas, ist bekanntlich ein fossiler Brennstoff und trägt nicht zum Klimaschutz bei. Trotzdem beteiligen sich RWE und andere am Bau neuer LNG-Terminals vor der deutschen Küste.
Aber nicht nur die Unternehmen scheinen hier zu zögerlich oder widersprüchlich zu agieren. Vielmehr ist es doch die Politik, die es ihnen vormacht.
Ja, natürlich, vor allem im Verkehrsbereich. Da sitzen im Moment die Bremser am Steuer. Insgesamt geht die Ampel diese Projekte viel zu zaghaft an. Aber meine Hoffnung ist immer noch, dass die anderen Kräfte, die ja auch in der Regierung vertreten sind, sich nicht ganz von der FDP vereinnahmen lassen. Generell kann aber keine politische Kraft ein Interesse daran haben, dass wir in 15 Jahren vor einer noch größeren Klimakatastrophe stehen.
Sind die Unternehmen da vielleicht schon weiter als die Politik?
Offiziell hört man natürlich von kaum jemandem: Wir können uns mit dem Ausbau der erneuerbaren Energien Zeit lassen. Aber es gibt natürlich Greenwashing, also Unternehmen, die sich grün geben, aber in Wirklichkeit versuchen, das alte Geschäft mit fossilen Energieträgern oder mit umweltschädlichen Produkten weiterzuführen. In der Baubranche ist das zum Beispiel Heidelberg Cement – oder Heidelberg Materials, wie sie sich neuerdings nennen. Die Bauwirtschaft ist nach der Energiewirtschaft der zweitgrößte CO₂-Emittent, noch vor dem Verkehrssektor. Und da gibt es in der Schweiz die Firma Lafarge Holcim, ein Konkurrent von, ich sage bewusst weiter, Heidelberg “Cement”. Der macht einiges besser und ist viel ambitionierter, was die Klimaziele angeht. Das werden wir dem Management bei der Hauptversammlung am 11. Mai natürlich unter die Nase reiben. Es gibt ja so etwas wie Best in Class unter den Konzernen, also wer Vorreiter und wer Nachzügler ist.
Dennoch wird in der öffentlichen Diskussion häufig der Eindruck erweckt, die deutsche Wirtschaft sei im internationalen Vergleich ein Musterknabe.
Ich glaube, das mit dem Musterknaben kann man vergessen. Wir hatten das gerade am Beispiel der Zementindustrie. Oder das Beispiel der Elektrifizierung in der Automobilindustrie, wo die deutschen Konzerne Tesla hinterherhinken. Wobei ich nicht sagen will, dass zum Beispiel das Tesla-Werk in Brandenburg nicht auch andere Umweltprobleme mit sich bringt. In Grünheide ist es wohl vor allem der hohe Wasserverbrauch der Fabrik. Letztlich zeigt das nur, dass wir zu einer anderen Form der Mobilität kommen müssen.
Wie hilfreich sind denn Auftritte bei Hauptversammlungen, um solche grundlegenden Probleme anzugehen?
Eine Hauptversammlung ist wie ein Spotlight: Wir nutzen es und stellen den Fokus auf den jeweiligen Konzern scharf – zum Beispiel beim Lieferkettengesetz. Wir sind auch Teil des Netzwerks, das sich derzeit für ein noch schärferes und umfassenderes europäisches Lieferkettengesetz einsetzt. Die am 17. April beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) eingereichte Beschwerde von NGOs gegen Amazon und Ikea wegen schlechter Arbeitsbedingungen in der Textilindustrie in Bangladesch stützt sich auf das deutsche Lieferkettengesetz. Wir sind gespannt, wie es weitergeht – und beobachten natürlich auch andere Konzerne, ob da nicht ebenfalls BAFA-Beschwerden fällig werden.
26.4.2023, 18:00 Uhr
Öffentliches Fachgespräch Nachhaltige Verkehrswende – Parlamentarischer Beirat für nachhaltige Entwicklung Info
27.4.2023, 9:00-10:20 Uhr
Plenum Erste Beratung des Gesetzes zur Weiterentwicklung des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes Info
27.4.2023, 13:00-14:20 Uhr
Plenum Erste Beratung von drei Anträgen der Fraktion Die Linke zur betrieblichen Mitbestimmung Info
27.4.2023, 14:20-14:25 Uhr
Überweisung im vereinfachten Verfahren Antrag der Fraktion Die Linke: Deindustrialisierung verhindern – Aktive Industriepolitik für Klima und Beschäftigung als robuste Antwort auf den Inflation Reduction Act Info
27.4.2023, 19:05-19:35 Uhr
Plenum Beratung des Evaluierungsberichts der Bundesregierung zum Kohlendioxid-Speicherungsgesetz Info
28.4.2023, 9:00-10:20 Uhr
Plenum Erste Beratung des Gesetzes zur Stärkung der Aus- und Weiterbildungsförderung sowie eines Antrags von der Fraktion Die Linke Info
28.4.2023, 13:10-13:55 Uhr
Plenum Beratung des Aktionsprogramms Natürlicher Klimaschutz Info
28.4.2023, 13:55-14:40 Uhr
Plenum Plenardebatte zu Wirtschaftswachstum und Steuerbelastung Info
Am Dienstag sprach sich der Rechtsausschuss des EU-Parlamentes mit großer Mehrheit für eine strengere Sorgfaltspflicht in Lieferketten aus. Damit gelang Berichterstatterin Lara Wolters (S&D) ein fraktionsübergreifender Kompromiss. “Dies ist ein großer Schritt auf dem Weg zu einem europäischen Gesetz, das Unternehmen dazu anhält, verantwortungsvoll zu handeln”, freute sich Wolters.
Die Richtlinie soll das nachhaltige und verantwortungsvolle Handeln von Unternehmen fördern. Fortan sollen sie auch Menschenrechts- sowie Umwelterwägungen in ihrer Geschäftstätigkeit verankern. Der Kompromiss, auf den sich die Abgeordneten einigen konnten, geht deutlich weiter als das deutsche Lieferkettengesetz. Bereits Unternehmen ab 250 Mitarbeitern und einem Jahresumsatz von 150 Millionen Euro sollen spätestens fünf Jahre nach Umsetzung der Richtlinie durch die Mitgliedstaaten Sorgfaltspflicht leisten müssen.
Die Unternehmen sollen sich, ähnlich wie beim deutschen Gesetz, von einem risikobasierten Ansatz leiten lassen. Der Fokus liegt vor allem auf der Erkennung, Verhinderung und Behebung von negativen Auswirkungen der Aktivitäten von Unternehmen auf Menschenrechte und Umwelt.
Allerdings sprach sich der Rechtsausschuss dafür aus, dass sich das zukünftige Gesetz auf die gesamte Wertschöpfungskette bezieht, also auch auf den Verkauf, Vertrieb, die Lagerung und die spätere Entsorgung von Produkten. Der Geltungsbereich des deutschen Lieferkettengesetzes ist hingegen auf direkte Zulieferer begrenzt.
Außerdem sieht der Vorschlag des Parlamentes neben administrativen Sanktionen auch eine zivilrechtliche Haftung von Unternehmen vor, die ihrer Pflicht nicht nachkommen.
Der Kompromiss sieht für KMU großzügige Ausnahmen vor: Sie sollen nur indirekt von der Sorgfaltspflicht betroffen sein. Dennoch warnen unter anderem der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau sowie der Zentralverband des deutschen Handwerks vor einem “enormen bürokratischen Aufwand”.
Menschenrechtsorganisationen wie die Initiative Lieferkettengesetz kritisieren hingegen, dass Berichterstatterin Lara Wolters zu sehr auf die Forderungen von CDU und CSU eingegangen sei, etwa bei der Frage der Beweislast bei zivilrechtlichen Verfahren: “Betroffene können kaum beweisen, dass europäische Unternehmen Menschenrechtsverstöße ihrer Tochtergesellschaften mitverursacht haben. Die Beweislast liegt aber auch nach dem Vorschlag des Rechtsausschusses allein bei den Klägern und Klägerinnen. Für Betroffene von Menschenrechtsverletzungen wäre ist dies eine enorme Hürde beim Zugang zu Recht”, kritisiert Michelle Trimborn, Sprecherin der Initiative Lieferkettengesetz.
Die Abstimmung des parlamentarischen Mandates ist für das Mini-Plenum in Brüssel am 1. Juni geplant. Trotz der Zugeständnisse an die EVP und Renew bleibt der Kompromiss von Lara Wolters deutlich ehrgeiziger als Kommissionsvorschlag und Ratsposition. Bei den danach anstehenden Trilog-Verhandlungen zwischen Parlament, Kommission und Rat werden insbesondere der Geltungsbereich des Gesetzes, die Rolle der Finanzbranche, die zivilrechtliche Haftung und die Bezahlung der Vorstände große Hürden darstellen. cw
Die Grünen suchen über den neuen Verein “Die Wirtschaftsvereinigung der Grünen” einen stärkeren Austausch mit Unternehmen. “Wir sind eine Partei, die für klimaneutralen Wohlstand arbeitet”, sagte Co-Parteichef Omid Nouripour bei der Auftaktveranstaltung des Vereins am Dienstag in Berlin. Klimaneutralität und Wohlstand gingen nicht ohne die Wirtschaft. Daher brauche es “gut geölte Scharniere für den Austausch von Ideen”. Dafür sei der durch Fördermitgliedschaften von Unternehmen und durch Mitglieder getragene Verein eine Plattform. Wirtschaftsminister Robert Habeck begrüßte die Gründung im 44. Jahr des Bestehens seiner Partei: “Ich würde sagen, im besten politischen Alter.”
Ähnlich wie das Wirtschaftsforum der SPD oder der Wirtschaftsrat der CDU soll die Wirtschaftsvereinigung den Dialog mit Unternehmen organisieren. Zweck des Vereins ist laut Satzung die “Förderung und Verwirklichung nachhaltiger Politik in allen drei Dimensionen Ökologie, Ökonomie und Soziales“. Die Grünen suchen bereits seit langem immer wieder die Nähe zur Wirtschaft, um Klimaneutralität voranzubringen. Den Bundesverband Nachhaltige Wirtschaft etwa gibt es seit über 30 Jahren.
“Wirtschaft ist der Erfolgsfaktor, um Deutschland klimaneutral zu machen”, sagte der Gründungsvorsitzende der Wirtschaftsvereinigung, der Unternehmer Thomas Fischer. “Wir wollen die Brücke bauen von der Wirtschaft in die Politik.” Die Co-Vorsitzende der Grünen-Fraktion im Bundestag, Katharina Dröge, sprach von einem großen Interesse aus der Wirtschaft am Dialog mit ihrer Partei. Der Gesprächsbedarf sei auch Ausdruck eines “Bedürfnisses nach einer modernen Wirtschaftspolitik”.
Fördermitglieder der Wirtschaftsvereinigung der Grünen e.V. sind unter anderem die Deutsche Telekom und das Berliner Entsorgungsunternehmen Alba. Derzeit sind insgesamt 19 größere und mittlere Unternehmen Fördermitglieder. Der Verein ist im Lobbyregister eingetragen und steht auch Mitgliedern offen, die nicht der Partei angehören. Ein Politischer Beirat soll von den Parteivorsitzenden Ricarda Lang und Nouripour angeführt werden. rtr
Vor zwei Wochen hat Bundesumweltministerin Steffi Lemke im ESG.Table das Ziel für die Wirtschaft betont, deutlich weniger Primärrohstoffe zu verbrauchen und Stoffkreisläufe zu schließen. Nun startet der angekündigte Beteiligungsprozess für die Entwicklung der von der Ampelkoalition im Koalitionsvertrag vereinbarten nationalen Kreislaufwirtschaftsstrategie. Dies soll laut Lemke einen neuen Rahmen dafür schaffen, dass “Rohstoffe sparsam genutzt und durch recycelte ersetzt werden”, um die Wirtschaft klimaneutral und naturverträglich zu machen. Als ein weiteres Ziel ist sicherzustellen, dass wichtige Rohstoffen verfügbar sind.
Vergangenen Donnerstag fand das erste Spitzengespräch zur Entwicklung der nationalen Kreislaufwirtschaftsstrategie statt. Steffi Lemke sprach mit Vertretern von Wirtschafts-, Umwelt- und Verbraucherschutzverbänden sowie aus Forschung und Zivilgesellschaft. Der Beteiligungsprozess soll bis Ende dieses Jahres laufen. Abgeschlossen wird er mit einem weiteren Spitzengespräch. Bis dahin soll es mehrere Dialogwerkstätten, runde Tische sowie eine Online-Beteiligung für alle Organisationen und Verbände geben.
In drei Dialogwerkstätten sollen für die Transformation zur Kreislaufwirtschaft wichtige Akteure Grundlegendes zur Strategie besprechen. An den runden Tischen wiederum sollen Fachexperten aus Wirtschaft und Wissenschaft sich mit den einzelnen Handlungsfeldern beschäftigen. Alle, die bis dahin nicht am Prozess beteiligt waren, sollen im Herbst per Online-Beteiligung die Möglichkeit bekommen, Stellungnahmen und Kommentare einzureichen. Auf der Website Dialog Nationale Kreislaufwirtschaftsstrategie will das Bundesumweltministerium kontinuierlich über die Ergebnisse des Beteiligungsprozesses informieren.
Die acht Handlungsfelder für die Erarbeitung der Kreislaufwirtschaftsstrategie lauten: Kunststoffe, Fahrzeuge und Batterien, Zirkuläre Produktionsprozesse, Gebäude, Bekleidung und Textilien, Metalle, IKT und Elektrogeräte sowie Öffentliche Beschaffung. nh
Das Bundeswirtschaftsministerium (BMWK) und das Bundesfinanzministerium (BMF) arbeiten an einem Rohstoff-Fonds, um Rohstoffprojekte im In- und Ausland zu unterstützen. Dies bestätigten beide Ministerien auf Anfrage. Darüber hinaus prüfen sie auch Möglichkeiten, um Anreize für eine strategische Lagerhaltung kritischer Rohstoffe zu schaffen. Beides sind Maßnahmen, die Anfang des Jahres im Eckpunktepapier des BMWK zur deutschen Rohstoffstrategie angekündigt wurden.
Nach Informationen von Table.Media wird es keinen gemeinsamen Fonds Deutschlands und Frankreichs geben, wie ursprünglich angedacht. Beide Länder stimmen ihre Rohstoffstrategien jedoch eng miteinander ab.
Die Nachrichtenagentur Bloomberg hatte zuvor berichtet, der Fonds der Bundesregierung solle im kommenden Jahr anlaufen und mit Mitteln in Höhe von einer bis zwei Milliarden Euro ausgestattet werden. Dies bestätigte keines der beiden Ministerien; zu den Details der laufenden, internen Abstimmungen könne man sich noch nicht äußern.
Die Maßnahmen aus dem Eckpunktepapier sollen die Unternehmen bei der Diversifizierung ihrer Rohstoffversorgung unterstützen und würden “Schritt für Schritt entwickelt und umgesetzt“, erklärte eine Sprecherin des BMWK. “Sie sind quasi ein Fahrplan für alle betroffenen Akteure und geben damit Planungssicherheit”. Auch ein Forschungsprogramm, das die Entwicklung nachhaltiger und klimafreundlicher Verfahren und Technologien sowie die Substitution kritischer Rohstoffe unterstützen soll, sei geplant.
Maßnahmen zur Lagerhaltung von Rohstoffen sind auch ein Ziel des Entwurfs der EU-Kommission für einen Critical Raw Materials Act. Demnach sollen die Mitgliedstaaten größere strategische Reserven anlegen, um gegen kurzfristige Knappheiten gewappnet zu sein. Zu den Plänen der Bundesregierung sagte eine Sprecherin des BMF: “Wir werden eng mit Unternehmen und Wirtschaftsverbänden zusammenarbeiten, um mit geeigneten Anreizen Unternehmen zu einer strategischeren Lagerhaltung zu bewegen”. Für kritische Produkte werde man geeignete Rahmenbedingungen für Mindestlagerung und Bevorratung prüfen. leo
Neun europäische Länder haben sich bei ihrem Treffen in Ostende (Belgien) dazu verpflichtet, die Offshore-Windenergie bis 2050 auf 300 Gigawatt auszubauen. Das ist zehnmal mehr als die derzeit installierten Kapazitäten. Und eine kolossale industrielle Herausforderung, um die Dekarbonisierung des Kontinents zu beschleunigen.
“Gemeinsam wollen wir bis 2050 eine Produktion von etwa 300 Gigawatt erreichen“, sagte der belgische Premierminister Alexander De Croo, der den diesjährigen Gipfel initiiert hatte. Das Ziel für 2030 sei mindestens eine Vervierfachung des derzeitigen Kraftwerksparks. Nun gehe es um eine zügige Umsetzung. Die technologische “Standardisierung” müsse deshalb verstärkt werden, es müsse schneller gebaut werden. Die Ausschreibungen müssten besser aufeinander abgestimmt werden, um die Lieferketten nicht zu überlasten, sagte De Croo.
Die neun Länder verpflichten sich zum raschen Bau von Windparks, zur Entwicklung von “Energieinseln” – oder zusammenhängenden Standorten für erneuerbare Energien auf See – und zur Förderung von Projekten für Kohlenstoffabscheidung und erneuerbaren Wasserstoff in der Region.
Das Bestreben des Nordseegipfels sei es, die Region “zum größten grünen Kraftwerk Europas” zu machen, fuhr De Croo fort. “Das Ziel ist es, die Kontrolle über die Energieproduktion zurückzugewinnen, sie grüner und unabhängiger zu machen.” Dieser Ansatz wurde auch vom deutschen Bundeskanzler Olaf Scholz unterstützt.
Im Vorjahr hatte der Gipfel auf die Initiative von Kopenhagen Belgien, Dänemark, die Niederlande und Deutschland zusammengeführt. Bei der nun zweiten Veranstaltung wurde die Besetzung des Gipfels auf neun Länder ausgeweitet: Frankreich, Irland, Luxemburg, Norwegen und das Vereinigte Königreich kamen hinzu. Auch die Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen, sowie rund 100 Unternehmen aus der Branche waren anwesend.
Auf die Frage, warum Luxemburg, das keine Küste hat, am Gipfel teilnahm, antwortete der luxemburgische Premierminister Xavier Bettel, dass sein Land “über das Geld für Investitionen” verfüge. Er betonte, dass es darum gehe, in erneuerbare Energien zu investieren, “die eine Alternative zur Atomenergie darstellen”.
Diese Position stand im Gegensatz zum französischen Präsidenten Emmanuel Macron, der die französische Verteidigung der Kernenergie als kohlenstofffreie Energiequelle verfolgt. “Die Energiewende beruht auf drei Säulen: Energieeffizienz, Ausbau der erneuerbaren Energien und Kernenergie”, sagte er am Rande des Gipfels.
Der erklärte Ehrgeiz der neun Länder scheitere noch an einer noch nicht ausreichend entwickelten Infrastruktur, sagte Christoph Zipf, Sprecher von Wind Europe, zu Table.Media. Konkret sei es notwendig, die Hafeninfrastruktur zu vergrößern und anzupassen. Aber nicht nur das: Man müsse zudem Umfang und Anzahl der Schiffe vergrößern. Die Frage nach qualifizierten Arbeitskräften sei ebenso dringend. “Wir haben heute 80.000 Menschen, die in der Offshore-Windenergiebranche arbeiten. Bis 2030 werden wir 250.000 brauchen.”
Während in Großbritannien 14 GW und in Deutschland acht GW an Offshore-Windkraftanlagen installiert sind, liegen die Kapazitäten in Dänemark, Belgien und den Niederlanden zwischen zwei und drei GW und in Frankreich bei etwa 0,5 GW. “Die Größenordnungen sind gigantisch (…). Bei uns und unseren Nachbarn wird die Offshore-Windenergie zwischen 2030 und 2050 wahrscheinlich die wichtigste Quelle für die Erzeugung erneuerbarer Energien sein, weit vor der Solarenergie und der Onshore-Windenergie”, sagte eine Quelle im Élysée-Palast zur französischen Presse.
Frankreich strebt an, bis 2050 an allen Küsten 40 GW an Offshore-Windkraftanlagen in Betrieb zu nehmen. Bisher hat das Land jedoch nur einen einzigen Offshore-Windpark in Saint-Nazaire (Bretagne) eingeweiht. cst
Unter dem Dach des Interfaith Center on Corporate Responsiblity (ICCR) ruft eine Gruppe von mehr als 190 Investoren die Textilwirtschaft zu mehr Verantwortung auf. Die Banken, Versicherungen und Pensionskassen verwalten zusammen 1,3 Billionen Euro und fordern, dass die Wahrung von Menschenrechten ins Zentrum von Geschäftsmodellen gerückt wird. Die Gesundheit der Arbeitenden sowie die Sicherheit bei der Arbeit solle im Lieferkettenmanagement eine zentrale Rolle einnehmen.
Die Gruppe würdigt die Initiativen der Textilwirtschaft, die nach dem Unglück einen Wandel einleiten sollten. Mit dem Bangladesh Accord, der als International Accord 2021 neu aufgelegt wurde und dem kürzlich ausgehandelten Pakistan Accord seien Standards gesetzt worden, die die Produktionsbedingungen in Bangladesh, Pakistan und anderen Produktionsländern substanziell verändern könnten. Bei den Vereinbarungen handelt es sich um rechtlich bindende Verträge zwischen internationalen Gewerkschaften, Arbeitgeberverbänden und international agierenden Modekonzernen. Jedoch hätten zu wenige Unternehmen der Textilwirtschaft die Vereinbarungen bislang unterzeichnet.
Die Investoren weisen darauf hin, dass neben den internationalen Abkommen eine Vielzahl von Regulierungen zur Sicherung von Arbeits- und Menschenrechten entlang der Lieferkette entstanden sei. Die Unterzeichnung der Abkommen sei ein einfacher Weg zu beweisen, dass man den Sorgfaltspflichten nachkomme, heißt es in dem Statement. vvo
Nachhaltige Spielwaren: Der letzte Weg von Teddy & Co. – Absatzwirtschaft
Spielwarenhersteller arbeiten an der Kreislauffähigkeit ihrer Produkte. Sie treffen dabei auf ein wachsendes Interesse an Nachhaltigkeit im Handel und bei der Zielgruppe Eltern, hat Thomas Thieme beobachtet. Zum Artikel
Nachhaltigkeit: Das neue Milliarden-Geschäft für McKinsey und Co. – Welt
Über Jahre verdienten die Unternehmensberater gut am Trend zur Digitalisierung. Jetzt haben sie das nächste große Geschäftsfeld ausgemacht, berichtet Inga Michler: Dekarbonisierung und Soziales. Noch mangelt es an Spezialisten, weshalb Beratungsfirmen nun Qualifizierungsoffensiven starten. Zum Artikel
Nachhaltigkeit für Studierende: Wohnheim mit Sonnendach – FAZ
Wie bereiten sich Studierendenwerke auf den Klimawandel vor, hat sich Elisa Kautzky gefragt. Anhand von zwei Beispielen im Rhein-Main-Gebiet zeigt sie, wie sich bezahlbarer Wohnraum mit Nachhaltigkeit vereinbaren lässt. Zum Artikel
Erneuerbare aus Lateinamerika: Wo die deutsche Energiewende ihre Grenze hat – ZDF
Erneuerbare Energien statt fossiler Brennstoffe: Was gut klingt, ist noch keine Realität. In Lateinamerika werden die Widersprüche der deutschen Energiepolitik besonders deutlich, berichtet Tobias Käufer. Zum Artikel
Zu langsam: 78 Prozent der Deutschen wollen eine schnellere Energiewende – Frankfurter Rundschau
Eine neue Umfrage belegt: Fast 80 Prozent der Deutschen geht die Energiewende zu langsam. Ein Großteil der Befragten sieht in der Digitalisierung einen wichtigen Beitrag zum Gelingen der Energiewende, berichtet Robert Wallenhauer. Zum Artikel
How the World is spending $ 1,1 trillion on Climate Technology – Bloomberg
“Eine zweite Welle der Innovationen” haben Eric Roston und Akshat Rathi ausgemacht – und beschreiben in ihrem Text, in welche Sektoren und vielversprechende Start-ups wie viel Geld fließt. Und das trotz des Trends, dass 2022 insgesamt weniger Wagniskapital investiert wurde. Zum Artikel
Green IT – so wird der “Stromfresser Rechenzentrum” endlich ökologisch – Welt
Rechenzentren sind die Herzschrittmacher der Digitalisierung, allerdings verbrauchen sie viel Energie für Betrieb und Kühlung. Wie sie sich nachhaltiger betreiben lassen, erklärt Benedikt Fuest, zum Beispiel anhand des Unternehmens Cloud&Heat, das die Abwärme von Servern nutzt, um Gebäude zu heizen. Zum Artikel
Versicherer verlassen Umweltinitiative – Süddeutsche Zeitung
Die “Net-Zero Insurance Alliance” (NZIA), eine Vereinigung von Versicherern, wurde erst vor zwei Jahren mit großen Zielen gegründet: Ihre Mitglieder verpflichten sich, bis 2050 keine Treibhausgase mehr zu produzieren. Jetzt aber verliert die Gruppe wichtige Mitglieder wie Münchner Re und Hannover Rück – und die Initiative steht auf der Kippe. Zum Artikel
Montag, am 24. April, jährte sich zum zehnten Mal der Tag, an dem das achtstöckige Fabrikgebäude Rana Plaza am Stadtrand von Dhaka, der Hauptstadt von Bangladesch, einstürzte. Mehr als 1.000 Arbeiterinnen kamen ums Leben und über 2.000 wurden verletzt. Das Gebäude war nicht als Fabrikgebäude konzipiert. Es war jedoch kurz zuvor einer Inspektion unterzogen und für sicher befunden worden. Am Tag vor dem Unfall zeigten sich allerdings Risse in der Gebäudestruktur. Trotz der Sicherheitsbedenken wurden die Arbeiterinnen angewiesen, den Fabrikkomplex zu betreten.
Am zehnten Jahrestag des Einsturzes, der tödlichsten Katastrophe in der Geschichte der Bekleidungsindustrie, haben Textil- und Bekleidungsarbeiterinnen auf der ganzen Welt um die Menschen getrauert, die ihr Leben verloren haben oder deren Leben sich für immer verändert hat. Wir gedenken ihrer, indem wir dafür sorgen, dass sich eine solche Katastrophe nicht wiederholt.
IndustriALL Global Union und UNI Global Union haben unmittelbar nach dem Einsturz die Initiative ergriffen und ein rechtsverbindliches Gebäude- und Brandschutzabkommen für Bangladesch ausgehandelt, den so genannten Bangladesch Accord. Die Vereinbarung wurde 2018 und 2021 überarbeitet. Am Ende stand der International Accord, das Internationale Abkommen für Gesundheit und Sicherheit in der Textil- und Bekleidungsindustrie. Es wurde von mehr als 190 Markenunternehmen unterzeichnet. Das Abkommen reicht von Gebäude- und Brandschutz über Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz bis hin zu geschlechtsspezifischer Gewalt. Es knüpft an den Bangladesch Accord an und ebnet den Weg für eine Ausweitung auf weitere Länder. Den Anfang machte Pakistan im Dezember 2022.
Der Bangladesch Accord hat die Sicherheit in den Bekleidungsfabriken in Bangladesch verbessert, den Beschäftigten das Recht gegeben, unsichere Arbeit abzulehnen, Leben gerettet, die Vereinigungsfreiheit gefördert und Tarifverhandlungen erleichtert. Zehn Jahre später ist die Arbeit in den Accord-Fabriken in Bangladesch unbestreitbar sicherer geworden. Die Arbeiterinnen gehen nicht mehr jeden Tag zur Arbeit, ohne zu wissen, ob sie überleben oder sterben werden.
In Bangladesch wurden seither mehr als 1,8 Millionen Bekleidungsarbeiterinnen über die häufigsten Sicherheitsrisiken und ihr Recht, unsichere Arbeit abzulehnen, geschult. Mehr als 1.200 gemeinsame Komitees von Arbeitnehmerinnen und Arbeitgebern wurden gegründet, um die Sicherheit in den Fabriken täglich zu überwachen. Wenn auf Beschwerden von Arbeiterinnen nicht sofort reagiert wird, steht ihnen in allen Accord-Fabriken ein unabhängiger Beschwerdemechanismus zur Verfügung. Hier können sie ihre Anliegen angstfrei vorbringen – auf Wunsch auch vertraulich.
Für IndustriALL ist klar: Freiwillige CSR-Programme sind nicht zielführend. Deshalb haben wir einen Ansatz entwickelt, der auf durchsetzbare Vereinbarungen mit globalen Marken, Einzelhändlern und Herstellern setzt. Unser Modell umfasst:
Obwohl die Beschäftigten im Textilsektor weltweit Verbesserungen erreicht haben, bleibt noch viel zu tun. Die Textil- und Bekleidungsindustrie basiert auf billigen Arbeitskräften. Deshalb brauchen Regierungen und Fabrikbesitzer Garantien von den Markenherstellern, dass steigende Preise aufgrund höherer Löhne nicht zu einer Verlagerung der Produktion führen. Die Markenfirmen müssen bereit sein, mehr für die Herstellung der Kleidung zu bezahlen.
Um bessere Löhne durchzusetzen, müssen sich die Beschäftigten auch frei und ohne Angst vor Repressalien organisieren können. IndustriALL hat gemeinsam mit 20 globalen Markenunternehmen die ACT-Initiative entwickelt. Sie setzt sich für branchenweite Tarifverhandlungen ein. Im Rahmen von ACT müssen Markenunternehmen und Einzelhändler außerdem sicherstellen, dass ihre Einkaufspraktiken die Zahlung eines existenzsichernden Lohns ermöglichen. Löhne, die auf nationaler, branchenweiter Ebene festgelegt werden, ermöglichen es den Herstellern, im Wettbewerb um Aufträge die Löhne aus dem Spiel zu nehmen. ACT ist die erste globale Verpflichtung für existenzsichernde Löhnen in der Branche.
In vielen Ländern gibt es zudem keine staatliche soziale Absicherung für die Beschäftigten wie Arbeitslosenversicherung, Krankengeld, Sozialversicherung oder Abfindungen. Die Arbeiterinnen fordern deshalb von den Markenfirmen ein rechtsverbindliches Abkommen, um stärkere soziale Sicherungssysteme aufzubauen. Ein dreigliedriges System für Arbeitsunfälle, an dem die Regierung von Bangladesch, Arbeitgeberverbände und Gewerkschaften beteiligt sind, wurde im vergangenen Jahr mit Unterstützung der IAO und von Gebern eingeführt. Das System, das Entschädigungen bei Arbeitsunfällen und Rehabilitationsmaßnahmen vorsieht, wird derzeit in rund 150 Fabriken getestet. Eine Reihe von Marken nehmen bereits daran teil, darunter Bestseller, Fast Retailing, die H&M-Gruppe, KiK Textilien, Primark, Puma und Tchibo.
Kollektives Handeln – das Markenzeichen und die Stärke der internationalen Gewerkschaftsbewegung – hat uns die Fähigkeit und die Instrumente gegeben, für die Umgestaltung der globalen Lieferkette zu kämpfen. Wir werden auch weiterhin dafür sorgen, dass sich das Leben unserer Mitglieder in diesem Sektor verbessert, indem wir die Arbeitnehmerrechte fördern, die Macht der Gewerkschaften stärken, dem globalen Kapital die Stirn bieten und eine nachhaltige Industriepolitik sicherstellen.
Christina Hajagos-Clausen ist Direktorin für den Bereich Textil- und Bekleidungsindustrie beim internationalen Gewerkschaftsdachverband IndustriALL Global Union. Zuvor war sie viele Jahre für die US-amerikanische Einzelhandelsgewerkschaft (UFCW) tätig. IndustriALL vertritt 50 Millionen Beschäftigte in 140 Ländern in den Sektoren Bergbau, Energie und verarbeitende Industrie. Dazu gehört auch die Bekleidungs- und Textilindustrie. Übersetzung aus dem Englischen: Carsten Hübner
Ursprünglich wollte Yvonne Zwick in die Kirche gehen und Pastoralreferentin werden. Deshalb hat sie Theologie in Freiburg studiert und sich als Diözesanleiterin in der katholischen Jugendarbeit engagiert. Je mehr sie sich allerdings einbrachte, desto mehr entfernte sie sich von ihrem Ziel. “Ich habe irgendwann gemerkt, dass ich nicht für diesen Laden arbeiten kann, der so wenig Vertrauensvorschuss gibt, aber so viel Linientreue erwartet”, sagt die 46-Jährige heute. Dass die Nachhaltigkeit der Wirtschaft stattdessen zu ihrem Lebensthema wurde, sei Zufall gewesen.
Seit Januar 2021 ist Zwick Vorsitzende des Bundesdeutschen Arbeitskreises für umweltbewusstes Management (B.A.U.M. e.V.), der Unternehmen berät, wie sie nachhaltiger wirtschaften können. Er zählt mehr als 700 Mitglieder und informiert auf Veranstaltungen zum Thema, kooperiert mit anderen Vereinen und geht mit der Politik in den Dialog.
Der Weg dorthin verlief für Yvonne Zwick nach dem Abschluss ihres Studiums ziemlich gradlinig. Desillusioniert von der Kirche nahm sie sich vor, als wissenschaftliche Referentin in die Bundespolitik einzusteigen. Das klappte nicht, dafür landete sie beim Rat für Nachhaltige Entwicklung (RNE) – und blieb 16 Jahre lang. Das Gremium berät die Bundesregierung in nachhaltigen Fragen und begleitet deren Arbeit kritisch, und in dieser Zeit lernte Zwick, unparteiisch zu sein und sich in verschiedene Perspektiven hineinzudenken. Und davon zu profitieren, dass Menschen unterschiedlich denken, wie sie sagt. Diese Arbeit habe sie ermutigt, Dinge voranzubringen – und das nutzt sie auch heute noch, um die globale nachhaltige Entwicklung anzukurbeln.
Wie sie das macht? “Ganz wichtig ist, zu verstehen, wie Unternehmen ticken und wie Marktdesign funktioniert”, erklärt Zwick. Viele Unternehmen würden sich noch gar nicht für das Thema Nachhaltigkeit interessieren, andere wüssten zu wenig darüber und könnten das Wort dennoch schon nicht mehr hören. Zwick setzt ihre Hoffnung in die junge Generation, denn für die seien Arbeitgeber attraktiver, die sich mit Nachhaltigkeit befassen.
Besonders beschäftigt Yvonne Zwick die Frage, wie es gelingen kann, nachhaltige Finanzierung und nachhaltiges Wirtschaften zu vereinen. Denn so würden überhaupt Anreize für nachhaltiges Wirtschaften geschaffen. Was genau nachhaltiges Wirtschaften ist, müssten alle Beteiligten immer wieder neu verhandeln. Statt immer nur über die Schwierigkeiten und Probleme zu reden, will Zwick Lösungen in den Vordergrund rücken. Und Unternehmen dabei unterstützen, besser zu werden: “Wir müssen die Blockaden lösen”, betont sie.
Ein Gefühl und besseres Verständnis für Nachhaltigkeit zu vermitteln, das ist ihr auch bei ihren Kindern wichtig. Zu Hause kocht die Familie mit frischen, unverarbeiteten Lebensmitteln. “Es waren schon öfter Freunde von unseren Kindern zum Essen da”, erzählt Zwick. “Denen hat es besonders gut geschmeckt, sie kommen gerne wieder.” Es wird zusammen am Esstisch gesessen, nebenbei Zeitung gelesen. “Zur Ruhe kommen ist für mich auch ein wichtiger Aspekt von Nachhaltigkeit im Alltag.” Kristina Kobl
herzlich willkommen zu unserer neuen Ausgabe. Mein Name ist Marc Winkelmann, ich bin neu im Team und leite ab sofort zusammen mit meinem Kollegen Caspar Dohmen den ESG.Table. Für uns bedeutet das auch, dass wir wissen möchten, was Sie bewegt und welche Themen für Sie relevant sind. Wenn Sie also Vorschläge und Kritik haben, schreiben Sie uns. Per Mail oder über die sozialen Medien. Unsere Kontakte finden Sie unten. Wir freuen uns auf den Austausch!
Zu den Themen: Chile hat angekündigt, seine Lithium-Lieferkette zu verstaatlichen. Der Kongress hat die Pläne noch nicht durchgewunken, aber sie folgen einem Trend, bei dem deutsche Unternehmen sehr wachsam sein müssen, wie Santiago Engelhardt und ich in unserer Analyse beschreiben. Lithium gehört ja ohnehin schon zu den gefragtesten Rohstoffen der Energiewende.
Die EU hatte beste Absichten, als sie beschloss, keine Waren mehr einführen zu wollen, für die Wälder gerodet werden. Schaut man sich aber vor Ort um, etwa in der DR Kongo, erfährt man, welche Folgen die Regulierung für die Farmer hat. Jonas Gerding beschreibt, warum sie an der EU verzweifeln.
Die Saison der Hauptversammlungen läuft – und damit auch die Arbeit der Kritischen Aktionäre. Carsten Hübner hat den Geschäftsführer interviewt und mit ihm über seine Einschätzung gesprochen. Die Konzerne, so seine Kritik, sind noch längst nicht auf dem notwendigen Pfad der Dekarbonisierung.
Für unsere Serie zur Rana-Plaza-Katastrophe haben wir den internationalen Gewerkschaftsverbund IndustriALL gebeten, nach zehn Jahren ein Fazit zu ziehen. Was ist besser geworden, wie gefährlich ist die Textilindustrie noch für die Arbeiterinnen? Gastautorin Christina Hajagos-Clausen erklärt es.
Zu guter Letzt: Wenn Ihnen der ESG.Table gefällt, leiten Sie uns bitte weiter. Wenn Ihnen diese Mail zugeschickt wurde: Hier können Sie das Briefing kostenlos testen.
Lithium ist für Chile von nationaler Bedeutung. Deshalb überraschte es nicht, dass Präsident Gabriel Boric seine lange angekündigte “National Lithium Policy” letzte Woche in einer landesweit ausgestrahlten Sondersendung vorstellte. Wird sie umgesetzt, dürfte es für Hersteller, die auf den Rohstoff angewiesen sind, schwerer werden, diesen aus dem südamerikanischen Land zu beziehen. Boric plant eine Verstaatlichung der Industrie.
Lithium gehört zu den wichtigsten Stoffen der globalen Energiewende und der Digitalisierung. Ohne das Metall können Autobauer keine Batterien für E-Fahrzeuge fertigen. An Vorkommen mangelt es nicht, allerdings übersteigt der Bedarf die Gewinnung deutlich. Nach Berechnung der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) könnte die weltweite Nachfrage im Jahr 2030 bei mehr als 550.000 Tonnen liegen – und damit 300.000 Tonnen über den prognostizierten Förderkapazitäten. Zum Vergleich: 2020 wurden 82.000 Tonnen produziert.
Chile, das aktuell nach Australien der zweitgrößte Lithiumproduzent der Welt ist, hat im Jahr 2022 Lithiumcarbonat im Wert von 7,7 Milliarden Dollar exportiert, was laut Zentralbank eine Steigerung von 777 Prozent gegenüber 2021 bedeutet.
Der Linkspolitiker Boric, seit März 2022 Präsident, betonte, dass es sein Ziel sei, Chile zum größten Lithiumproduzenten zu machen. Zudem wolle er die Biodiversität der chilenischen Salzebenen schützen, den Wohlstand steigern und diesen gerecht verteilen. Während seiner Fernsehansprache erläuterte er die fünf Säulen dieser Politik. Geplant ist demnach,
Das staatliche Unternehmen CODELCO, der weltgrößte Kupferproduzent, wird mit der Schaffung des neuen staatseigenen Lithiumunternehmens beauftragt, das an allen künftigen Lithiumprojekten mehrheitlich beteiligt sein soll. Die bereits bestehenden Förderlizenzen mit den Unternehmen SQM (Sociedad Quimica y Minera de Chile) und Albemarle, die 2030 sowie 2043 auslaufen, sollen gültig bleiben, so Boric, allerdings erhalte CODELCO den Auftrag, die Verträge neu auszuhandeln. Die Ankündigung führte zu einem starken Wertverlust der Aktien von Albemarle und SQM. Voraussetzung für die Umsetzung der Pläne ist, dass Boric’ Gesetzentwurf im zweiten Halbjahr 2023 durch den Kongress angenommen wird. Die Partei des Präsidenten hat hier keine Mehrheit; Änderungen an dem Vorhaben sind also möglich.
Deutsche und europäische Unternehmen hatten bei der Versorgung mit Lithium in den letzten Monaten Unterstützung aus der Politik bekommen. Im Dezember erneuerte die EU Handelsverträge mit Chile, um heimischen Firmen einen bevorzugten Zugang zu dem Rohstoff zu verschaffen. Im Januar dann reiste Bundeskanzler Olaf Scholz in das Land und vereinbarte eine engere Partnerschaft, um weniger abhängig von China werden zu können.
Zugleich lässt sich beobachten, dass Staaten mit strategischen Rohstoffen stärker von der Gewinnung profitieren und den Handel kontrollieren wollen. Bereits zuvor hatte Chile angekündigt, seine Kupfer-Vorräte verstaatlichen zu wollen, Mexiko geht denselben Weg bei seinem Lithium. Boliviens Präsident regte zudem die Schaffung einer “Lithium-OPEC” an, eine globale Vertretung von Nationen, die die Ressource auf dem Weltmarkt anbieten.
Michael Schmidt, Lithium-Experte der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR), geht davon aus, dass weitere Länder “sicher folgen” werden, da sie durch staatlich geförderte und eine zum Teil subventionierte Ansiedlung der Wertschöpfungsketten Vorteile für sich sehen. “Sollten Firmen diese Rohstoffe benötigen, gilt es, ein sehr wachsames Auge darauf zu haben.” Die direkten und indirekten Folgen seien noch nicht abzusehen, so Schmidt. “Hier ist eine Dynamik angestoßen worden, die im Moment schwer zu fassen ist.” Sollte das chilenische Parlament dem Vorhaben zustimmen, gebe es zwar einen dann klar definierten und für alle Marktteilnehmer gleichermaßen gültigen Rechtsrahmen. Aber wer dann als externer Partner in potenziellen Projekten zum Zug kommt, könne derzeit niemand abschließend sagen. “China ist sehr aktiv und Europa muss sich tatsächlich anstrengen, um hier mithalten zu können.”
Vor dieser Entwicklung warnt auch Ulrich Blum, Geschäftsführer des Deutschen Lithiuminstituts, einer Initiative der mittelständisch geprägten Baustoffindustrie und der Firma Rock Tech Lithium. “China kontrolliert bereits einen großen Teil der Lithium-Verarbeitung, ist bei der Batteriefertigung ebenfalls führend und geht aggressiv vor. Wenn wir in der EU keine Lithium-Raffinerien aufbauen, werden Anbieter wie Chile sich an diese Abnehmerländer wenden.”
Der Haken: Durch den zuletzt starken Fall des Lithiumpreises sind potenzielle Investoren derzeit nicht gerade verlockt, die europäische Wertschöpfungskette aufzubauen. Wenn der Lithiumpreis bald aber wieder sehr viel höher liegen sollte, was Blum für wahrscheinlich hält, könnte die Monopolstellung anderer Akteure bereits weiter vorangeschritten sein. “Wenn ich Risikomanager eines Unternehmens wäre, würde ich das in meine Analyse einbeziehen.”
Für Unternehmen, die Lithium benötigen, muss es deshalb um eine stärkere Diversifizierung gehen. Und darum, auf mehr Alternativen wie Natrium-Ionen-Akkus zu setzen, die ohne Lithium auskommen. Erste Autobauer machen das bereits. Sie bieten damit gezielt Fahrzeuge für kürzere Strecken an, die zusammen mit anderen Optionen wie Bahn, Rad und Carsharing Teil eines nachhaltigen Mobilitätsmixes sein könnten. “Chiles Verstaatlichung sollte Weckruf für eine strategische Verkehrspolitik sein”, sagt Ulrich Blum – und auch eine Erinnerung daran, dass Europa stärker daran arbeiten muss, einmal verarbeitete Rohstoffe künftig wiederzuverwenden. Das passiert aber ebenfalls noch nicht. Das Recycling ist erst in der Aufbauphase. “Von einem Lithium-Kreislauf sind wir mindestens 15 Jahre entfernt.” Santiago Engelhardt und Marc Winkelmann
Von einer neuen Art der Kolonialisierung spricht der kongolesische Kleinbauernvertreter Kambale Malembe angesichts der Verordnung der EU über entwaldungsfreie Lieferketten. Wer Kakao, Kaffee, Palmöl, Kautschuk, Soja, Holz und Vieh in die EU importiert, muss ab Herbst 2024 garantieren, dass am Herkunftsort für den Anbau der Pflanzen oder die Haltung des Viehs nicht vorher Wälder gerodet wurden. Verstöße werden bestraft. Die EU will damit gegen Firmen vorgehen, die im Amazonas und in Südostasien Wälder im großen Stil roden, um Platz für Plantagen und Rinderherden zu schaffen.
Vergangenen Mittwoch stimmte das EU-Parlament nach über drei Jahren Verhandlung für die Verordnung. Von einem “Game-Changer” sprach Delara Burkhardt, Chef-Verhandlerin der sozialdemokratischen Fraktion: “Mit der Verordnung gegen Entwaldung nehmen wir nun die Unternehmen in die Pflicht und machen deutlich: Wer unseren Planeten zerstört, darf mit uns keine Geschäfte machen”.
Rodungsrisiken bestehen auch in dem zweitgrößten Regenwald der Welt: dem Kongo-Becken, das sich über mehrere Länder im Zentrum Afrikas erstreckt. Etwa 60 Prozent davon liegen in der DR Kongo, wo in den vergangenen Jahren im Schnitt jährlich eine halbe Million Hektar Wald abgeholzt wurden. Der Hauptgrund: die Produktion von Mais, Maniok und Holzkohle für den lokalen Markt. Gleichzeitig können auf Flächen, die zunächst für den lokalen Bedarf genutzt werden, später auch Exportpflanzen angebaut werden.
Die EU erschwere mit der Verordnung Kleinbauern aus der DR Kongo den Zugang zum europäischen Markt, sagt Malembe, der als Programmleiter für die Nationale Konföderation der landwirtschaftlichen Produzenten des Landes arbeitet. Denn viele Kleinbauern seien nicht in der Lage, die Auflagen zu erfüllen, um ihre Waren in die EU exportieren zu können. Dazu zählt vor allem eine Dokumentation der Fläche per GPS-Daten. Betroffen sein dürften von der EU-Verordnung in dem Land vor allem Bauern, die Kaffee oder Kakao anpflanzen. Laut Eurostat exportiert die DR Kongo in die EU Kakao im Wert von 32 Millionen Euro und Kaffee im Wert von 28 Millionen Euro. Dies sind wichtige Wachstumszweige für ein Land, das auf dem 179. Rang der 191 Länder des Human Development Index steht.
Malembe betont, dass für den Kakaoanbau meist gar nicht gerodet werde. Er wird in der Regel zwischen Bäumen in bereits stark bewirtschafteten Wäldern angebaut. Um das zu belegen, müssen die Importeure allerlei Dokumente vorzeigen: insbesondere GPS-Daten der Produktionsfläche. Mit Satellitendaten können die Prüfstellen in Europa einsehen, ob vor Ort ab dem Stichtag zum Jahresende 2021 auch wirklich nicht gefällt wurde. Länder, in denen besonders viel gerodet wird, stuft die EU in die “Hochrisiko”-Kategorie ein. Waren aus solchen Staaten werden häufiger und strenger kontrolliert als die aus vermeintlich risikoarmen Regionen.
Die Klassifizierung der Länder steht noch aus. Alain Karsenty vermutet, dass die DR Kongo dazu gehören wird. Er ist Ökonom am französischen Forschungsinstitut CIRAD mit Fokus auf Landwirtschaft in Entwicklungsländern. “Viele der Importeure werden sich von den als ‘Hochrisiko’ klassifizierten Ländern abwenden oder mit den großen Firmen arbeiten“, erwartet er. Denn große Produzenten hätten am ehesten das Kapital und Knowhow, um vor Ort die Felder zu vermessen, die Informationen zu digitalisieren, Auskünfte über die Menschenrechtslage zu geben und all dies für die Kontrolleure aufzubereiten. “Die kleinen Produzenten, die einen Teil ihrer Produktion nach Europa liefern, sind aller Wahrscheinlichkeit nach die Hauptleidtragenden dieser Maßnahme“, sagt er.
Die Organisation Rainforest Alliance begleitet Kleinbauern dabei, Umwelt- und Sozialstandards umzusetzen. “Keine Waldrodung” gehört zu den Kernkriterien. Fanny Gauttier ist verantwortlich für Public Affairs in Brüssel. Grundsätzlich habe Rainforest Alliance die Gesetzgebung unterstützt, sagt sie, “aber wir setzen uns für eine bessere Berücksichtigung der Kleinbauern ein”. Die Organisation selbst verlangt von den Kleinbauern nur schrittweise Kontrollen, um sie nicht zu überfordern.
“Wir starten damit, dass für 10 Prozent der Flächen die GPS-Daten vorliegen müssen. Über die Jahre hinweg gibt es dann die Verpflichtung, das auszuweiten“, erklärt sie den pragmatischen Ansatz. Die EU-Verordnung verlangt hingegen, dass alles sogleich erfasst ist. Gauttier hält das für falsch. Spielraum sieht sie nun nur noch bei der Unterstützung für Kleinbauern, wie sie in der Gesetzgebung vage angekündigt ist. Die “Hochrisiko-Länder” sollen demnach Unterstützung bekommen, um Wälder zu schützen und nachhaltiger zu wirtschaften, heißt es im Gesetzestext, der auch auf Kleinbauern als Zielgruppe verweist. Viel klarer formuliert wird es allerdings nicht. “Wir tappen da noch im Dunkeln“, sagt sie. Es fehlt an Informationen zu Maßnahmen und Fördersummen.
Spätestens in fünf Jahren will die EU eine Prüfung vornehmen, insbesondere bezüglich “des Einflusses der Verordnung auf Landwirte, vor allem Kleinbauern, indigene Bevölkerungsgruppen und lokale Gemeinden”. Wenn nötig, erhalten sie dann zusätzliche Unterstützung.
Für viele Landwirte in der DR Kongo könnte das zu spät kommen, fürchtet Joseph Bobia, der nationale Koordinator des kongolesischen Netzwerks für Natürliche Ressourcen. Er kritisiert die “unilaterale” Vorgehensweise der EU. Aktuell arbeitet er mit Kollegen anderer Länder des Kongo-Beckens an einem Positionspapier zu der Verordnung.
“Unsere Produkteure warten auf den, der kommt und einkauft. Wer nicht möchte, der soll daheimbleiben“, sagt er schroff über die europäischen Importeure, die ausbleiben könnten. Er verweist auf China, das schon heute im großen Stil problematisches Tropenholz aus der DR Kongo einkauft.
Malembe, der Vertreter der kongolesischen Landwirte, fürchtet, dass es in der DR Kongo Betrug geben wird. Er hat Zweifel daran, ob ein so schwacher Staat prüfen wird, wenn große Unternehmen von allerlei kleinen Betrieben Güter zu Billigpreisen aufkaufen, vermischen und teuer exportieren. “Am Ende steht die Frage, ob wir einen Markt wollen, der sich auf zwei, drei zertifizierte Firmen beschränkt. Das ginge auf Kosten der vielen kleinen Produzenten”, sagt er.
Der europäische Kampf gegen profithungrige Großunternehmen, die sich nicht um die Umwelt scheren, der hätte sich dann ins Gegenteil gekehrt. Jonas Gerding
Alle bisher erschienen Texte der Serie “Reguliert Europa die Welt?” lesen Sie hier.
Herr Dufner, die Hauptversammlungssaison 2023 ist in vollem Gange. Der Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre nutzt dabei traditionell sein Antrags- und Rederecht, um unbequeme Fragen zu stellen. Wo liegen die thematischen Schwerpunkte in diesem Jahr?
Natürlich gibt es bei jedem Unternehmen ganz spezifische Kritikpunkte, auf die wir hinweisen. Aber bei fast allen Unternehmen spielen in diesem Jahr die Themen Klimaschutz und Sorgfaltspflicht in der Lieferkette eine sehr wichtige Rolle. Beim Klimaschutz geht es vor allem um die Frage, wann die Unternehmen klimaneutral werden. Dabei betrachten wir den gesamten Produktzyklus. Also nicht nur die direkten Emissionen bei der Produktion, also Scope 1, sondern auch Scope 2 und 3, also die indirekten Emissionen aus eingekaufter Energie und innerhalb der Wertschöpfungskette.
Womit wir beim zweiten Schwerpunktthema wären. Seit Anfang 2023 gilt in Deutschland das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz. Betroffen sind derzeit alle Unternehmen mit mehr als 3.000 Beschäftigten – und damit auch die großen DAX- und MDAX-Konzerne. Sie müssen nun sicherstellen, dass die menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten entlang der Lieferkette auch umgesetzt werden.
Stimmen Sie sich zu diesen Fragen mit anderen Investoren ab?
Ja, wir haben das ein bisschen intensiviert. In den Monaten vor den Hauptversammlungen haben wir uns zum Beispiel mit der Deka Investment oder der Union Investment darüber ausgetauscht, was ihnen wichtig ist. Der Unterschied ist, dass sie aufgrund ihrer stärkeren Beteiligung an den Unternehmen andere Hebel ansetzen können. Sie sprechen zum Beispiel im Vorfeld direkt mit den Konzernen, während wir hauptsächlich auf das Instrument der Gegenanträge angewiesen sind.
Wie ist es denn überhaupt um die Transformationsbereitschaft der großen Unternehmen bestellt? Haben sie die Herausforderung angenommen oder stehen sie auf der Bremse?
Das mit dem Bremsen ist ein gutes Bild, gerade bei den Autokonzernen, aber auch bei den Energiekonzernen und anderen Branchen. Wir haben schon das Gefühl, dass die Konzerne ihr altes fossiles Geschäft so lange wie möglich weiterführen wollen und deshalb die Energiewende ausbremsen. Die Bedrohung der Energiesicherheit durch den Krieg Russlands gegen die Ukraine spielt ihnen dabei in die Hände. Denn die Bereitschaft, vieles durchzuwinken, ist größer geworden. Zum Beispiel beim Bau von LNG-Terminals. LNG, also Flüssiggas, ist bekanntlich ein fossiler Brennstoff und trägt nicht zum Klimaschutz bei. Trotzdem beteiligen sich RWE und andere am Bau neuer LNG-Terminals vor der deutschen Küste.
Aber nicht nur die Unternehmen scheinen hier zu zögerlich oder widersprüchlich zu agieren. Vielmehr ist es doch die Politik, die es ihnen vormacht.
Ja, natürlich, vor allem im Verkehrsbereich. Da sitzen im Moment die Bremser am Steuer. Insgesamt geht die Ampel diese Projekte viel zu zaghaft an. Aber meine Hoffnung ist immer noch, dass die anderen Kräfte, die ja auch in der Regierung vertreten sind, sich nicht ganz von der FDP vereinnahmen lassen. Generell kann aber keine politische Kraft ein Interesse daran haben, dass wir in 15 Jahren vor einer noch größeren Klimakatastrophe stehen.
Sind die Unternehmen da vielleicht schon weiter als die Politik?
Offiziell hört man natürlich von kaum jemandem: Wir können uns mit dem Ausbau der erneuerbaren Energien Zeit lassen. Aber es gibt natürlich Greenwashing, also Unternehmen, die sich grün geben, aber in Wirklichkeit versuchen, das alte Geschäft mit fossilen Energieträgern oder mit umweltschädlichen Produkten weiterzuführen. In der Baubranche ist das zum Beispiel Heidelberg Cement – oder Heidelberg Materials, wie sie sich neuerdings nennen. Die Bauwirtschaft ist nach der Energiewirtschaft der zweitgrößte CO₂-Emittent, noch vor dem Verkehrssektor. Und da gibt es in der Schweiz die Firma Lafarge Holcim, ein Konkurrent von, ich sage bewusst weiter, Heidelberg “Cement”. Der macht einiges besser und ist viel ambitionierter, was die Klimaziele angeht. Das werden wir dem Management bei der Hauptversammlung am 11. Mai natürlich unter die Nase reiben. Es gibt ja so etwas wie Best in Class unter den Konzernen, also wer Vorreiter und wer Nachzügler ist.
Dennoch wird in der öffentlichen Diskussion häufig der Eindruck erweckt, die deutsche Wirtschaft sei im internationalen Vergleich ein Musterknabe.
Ich glaube, das mit dem Musterknaben kann man vergessen. Wir hatten das gerade am Beispiel der Zementindustrie. Oder das Beispiel der Elektrifizierung in der Automobilindustrie, wo die deutschen Konzerne Tesla hinterherhinken. Wobei ich nicht sagen will, dass zum Beispiel das Tesla-Werk in Brandenburg nicht auch andere Umweltprobleme mit sich bringt. In Grünheide ist es wohl vor allem der hohe Wasserverbrauch der Fabrik. Letztlich zeigt das nur, dass wir zu einer anderen Form der Mobilität kommen müssen.
Wie hilfreich sind denn Auftritte bei Hauptversammlungen, um solche grundlegenden Probleme anzugehen?
Eine Hauptversammlung ist wie ein Spotlight: Wir nutzen es und stellen den Fokus auf den jeweiligen Konzern scharf – zum Beispiel beim Lieferkettengesetz. Wir sind auch Teil des Netzwerks, das sich derzeit für ein noch schärferes und umfassenderes europäisches Lieferkettengesetz einsetzt. Die am 17. April beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) eingereichte Beschwerde von NGOs gegen Amazon und Ikea wegen schlechter Arbeitsbedingungen in der Textilindustrie in Bangladesch stützt sich auf das deutsche Lieferkettengesetz. Wir sind gespannt, wie es weitergeht – und beobachten natürlich auch andere Konzerne, ob da nicht ebenfalls BAFA-Beschwerden fällig werden.
26.4.2023, 18:00 Uhr
Öffentliches Fachgespräch Nachhaltige Verkehrswende – Parlamentarischer Beirat für nachhaltige Entwicklung Info
27.4.2023, 9:00-10:20 Uhr
Plenum Erste Beratung des Gesetzes zur Weiterentwicklung des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes Info
27.4.2023, 13:00-14:20 Uhr
Plenum Erste Beratung von drei Anträgen der Fraktion Die Linke zur betrieblichen Mitbestimmung Info
27.4.2023, 14:20-14:25 Uhr
Überweisung im vereinfachten Verfahren Antrag der Fraktion Die Linke: Deindustrialisierung verhindern – Aktive Industriepolitik für Klima und Beschäftigung als robuste Antwort auf den Inflation Reduction Act Info
27.4.2023, 19:05-19:35 Uhr
Plenum Beratung des Evaluierungsberichts der Bundesregierung zum Kohlendioxid-Speicherungsgesetz Info
28.4.2023, 9:00-10:20 Uhr
Plenum Erste Beratung des Gesetzes zur Stärkung der Aus- und Weiterbildungsförderung sowie eines Antrags von der Fraktion Die Linke Info
28.4.2023, 13:10-13:55 Uhr
Plenum Beratung des Aktionsprogramms Natürlicher Klimaschutz Info
28.4.2023, 13:55-14:40 Uhr
Plenum Plenardebatte zu Wirtschaftswachstum und Steuerbelastung Info
Am Dienstag sprach sich der Rechtsausschuss des EU-Parlamentes mit großer Mehrheit für eine strengere Sorgfaltspflicht in Lieferketten aus. Damit gelang Berichterstatterin Lara Wolters (S&D) ein fraktionsübergreifender Kompromiss. “Dies ist ein großer Schritt auf dem Weg zu einem europäischen Gesetz, das Unternehmen dazu anhält, verantwortungsvoll zu handeln”, freute sich Wolters.
Die Richtlinie soll das nachhaltige und verantwortungsvolle Handeln von Unternehmen fördern. Fortan sollen sie auch Menschenrechts- sowie Umwelterwägungen in ihrer Geschäftstätigkeit verankern. Der Kompromiss, auf den sich die Abgeordneten einigen konnten, geht deutlich weiter als das deutsche Lieferkettengesetz. Bereits Unternehmen ab 250 Mitarbeitern und einem Jahresumsatz von 150 Millionen Euro sollen spätestens fünf Jahre nach Umsetzung der Richtlinie durch die Mitgliedstaaten Sorgfaltspflicht leisten müssen.
Die Unternehmen sollen sich, ähnlich wie beim deutschen Gesetz, von einem risikobasierten Ansatz leiten lassen. Der Fokus liegt vor allem auf der Erkennung, Verhinderung und Behebung von negativen Auswirkungen der Aktivitäten von Unternehmen auf Menschenrechte und Umwelt.
Allerdings sprach sich der Rechtsausschuss dafür aus, dass sich das zukünftige Gesetz auf die gesamte Wertschöpfungskette bezieht, also auch auf den Verkauf, Vertrieb, die Lagerung und die spätere Entsorgung von Produkten. Der Geltungsbereich des deutschen Lieferkettengesetzes ist hingegen auf direkte Zulieferer begrenzt.
Außerdem sieht der Vorschlag des Parlamentes neben administrativen Sanktionen auch eine zivilrechtliche Haftung von Unternehmen vor, die ihrer Pflicht nicht nachkommen.
Der Kompromiss sieht für KMU großzügige Ausnahmen vor: Sie sollen nur indirekt von der Sorgfaltspflicht betroffen sein. Dennoch warnen unter anderem der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau sowie der Zentralverband des deutschen Handwerks vor einem “enormen bürokratischen Aufwand”.
Menschenrechtsorganisationen wie die Initiative Lieferkettengesetz kritisieren hingegen, dass Berichterstatterin Lara Wolters zu sehr auf die Forderungen von CDU und CSU eingegangen sei, etwa bei der Frage der Beweislast bei zivilrechtlichen Verfahren: “Betroffene können kaum beweisen, dass europäische Unternehmen Menschenrechtsverstöße ihrer Tochtergesellschaften mitverursacht haben. Die Beweislast liegt aber auch nach dem Vorschlag des Rechtsausschusses allein bei den Klägern und Klägerinnen. Für Betroffene von Menschenrechtsverletzungen wäre ist dies eine enorme Hürde beim Zugang zu Recht”, kritisiert Michelle Trimborn, Sprecherin der Initiative Lieferkettengesetz.
Die Abstimmung des parlamentarischen Mandates ist für das Mini-Plenum in Brüssel am 1. Juni geplant. Trotz der Zugeständnisse an die EVP und Renew bleibt der Kompromiss von Lara Wolters deutlich ehrgeiziger als Kommissionsvorschlag und Ratsposition. Bei den danach anstehenden Trilog-Verhandlungen zwischen Parlament, Kommission und Rat werden insbesondere der Geltungsbereich des Gesetzes, die Rolle der Finanzbranche, die zivilrechtliche Haftung und die Bezahlung der Vorstände große Hürden darstellen. cw
Die Grünen suchen über den neuen Verein “Die Wirtschaftsvereinigung der Grünen” einen stärkeren Austausch mit Unternehmen. “Wir sind eine Partei, die für klimaneutralen Wohlstand arbeitet”, sagte Co-Parteichef Omid Nouripour bei der Auftaktveranstaltung des Vereins am Dienstag in Berlin. Klimaneutralität und Wohlstand gingen nicht ohne die Wirtschaft. Daher brauche es “gut geölte Scharniere für den Austausch von Ideen”. Dafür sei der durch Fördermitgliedschaften von Unternehmen und durch Mitglieder getragene Verein eine Plattform. Wirtschaftsminister Robert Habeck begrüßte die Gründung im 44. Jahr des Bestehens seiner Partei: “Ich würde sagen, im besten politischen Alter.”
Ähnlich wie das Wirtschaftsforum der SPD oder der Wirtschaftsrat der CDU soll die Wirtschaftsvereinigung den Dialog mit Unternehmen organisieren. Zweck des Vereins ist laut Satzung die “Förderung und Verwirklichung nachhaltiger Politik in allen drei Dimensionen Ökologie, Ökonomie und Soziales“. Die Grünen suchen bereits seit langem immer wieder die Nähe zur Wirtschaft, um Klimaneutralität voranzubringen. Den Bundesverband Nachhaltige Wirtschaft etwa gibt es seit über 30 Jahren.
“Wirtschaft ist der Erfolgsfaktor, um Deutschland klimaneutral zu machen”, sagte der Gründungsvorsitzende der Wirtschaftsvereinigung, der Unternehmer Thomas Fischer. “Wir wollen die Brücke bauen von der Wirtschaft in die Politik.” Die Co-Vorsitzende der Grünen-Fraktion im Bundestag, Katharina Dröge, sprach von einem großen Interesse aus der Wirtschaft am Dialog mit ihrer Partei. Der Gesprächsbedarf sei auch Ausdruck eines “Bedürfnisses nach einer modernen Wirtschaftspolitik”.
Fördermitglieder der Wirtschaftsvereinigung der Grünen e.V. sind unter anderem die Deutsche Telekom und das Berliner Entsorgungsunternehmen Alba. Derzeit sind insgesamt 19 größere und mittlere Unternehmen Fördermitglieder. Der Verein ist im Lobbyregister eingetragen und steht auch Mitgliedern offen, die nicht der Partei angehören. Ein Politischer Beirat soll von den Parteivorsitzenden Ricarda Lang und Nouripour angeführt werden. rtr
Vor zwei Wochen hat Bundesumweltministerin Steffi Lemke im ESG.Table das Ziel für die Wirtschaft betont, deutlich weniger Primärrohstoffe zu verbrauchen und Stoffkreisläufe zu schließen. Nun startet der angekündigte Beteiligungsprozess für die Entwicklung der von der Ampelkoalition im Koalitionsvertrag vereinbarten nationalen Kreislaufwirtschaftsstrategie. Dies soll laut Lemke einen neuen Rahmen dafür schaffen, dass “Rohstoffe sparsam genutzt und durch recycelte ersetzt werden”, um die Wirtschaft klimaneutral und naturverträglich zu machen. Als ein weiteres Ziel ist sicherzustellen, dass wichtige Rohstoffen verfügbar sind.
Vergangenen Donnerstag fand das erste Spitzengespräch zur Entwicklung der nationalen Kreislaufwirtschaftsstrategie statt. Steffi Lemke sprach mit Vertretern von Wirtschafts-, Umwelt- und Verbraucherschutzverbänden sowie aus Forschung und Zivilgesellschaft. Der Beteiligungsprozess soll bis Ende dieses Jahres laufen. Abgeschlossen wird er mit einem weiteren Spitzengespräch. Bis dahin soll es mehrere Dialogwerkstätten, runde Tische sowie eine Online-Beteiligung für alle Organisationen und Verbände geben.
In drei Dialogwerkstätten sollen für die Transformation zur Kreislaufwirtschaft wichtige Akteure Grundlegendes zur Strategie besprechen. An den runden Tischen wiederum sollen Fachexperten aus Wirtschaft und Wissenschaft sich mit den einzelnen Handlungsfeldern beschäftigen. Alle, die bis dahin nicht am Prozess beteiligt waren, sollen im Herbst per Online-Beteiligung die Möglichkeit bekommen, Stellungnahmen und Kommentare einzureichen. Auf der Website Dialog Nationale Kreislaufwirtschaftsstrategie will das Bundesumweltministerium kontinuierlich über die Ergebnisse des Beteiligungsprozesses informieren.
Die acht Handlungsfelder für die Erarbeitung der Kreislaufwirtschaftsstrategie lauten: Kunststoffe, Fahrzeuge und Batterien, Zirkuläre Produktionsprozesse, Gebäude, Bekleidung und Textilien, Metalle, IKT und Elektrogeräte sowie Öffentliche Beschaffung. nh
Das Bundeswirtschaftsministerium (BMWK) und das Bundesfinanzministerium (BMF) arbeiten an einem Rohstoff-Fonds, um Rohstoffprojekte im In- und Ausland zu unterstützen. Dies bestätigten beide Ministerien auf Anfrage. Darüber hinaus prüfen sie auch Möglichkeiten, um Anreize für eine strategische Lagerhaltung kritischer Rohstoffe zu schaffen. Beides sind Maßnahmen, die Anfang des Jahres im Eckpunktepapier des BMWK zur deutschen Rohstoffstrategie angekündigt wurden.
Nach Informationen von Table.Media wird es keinen gemeinsamen Fonds Deutschlands und Frankreichs geben, wie ursprünglich angedacht. Beide Länder stimmen ihre Rohstoffstrategien jedoch eng miteinander ab.
Die Nachrichtenagentur Bloomberg hatte zuvor berichtet, der Fonds der Bundesregierung solle im kommenden Jahr anlaufen und mit Mitteln in Höhe von einer bis zwei Milliarden Euro ausgestattet werden. Dies bestätigte keines der beiden Ministerien; zu den Details der laufenden, internen Abstimmungen könne man sich noch nicht äußern.
Die Maßnahmen aus dem Eckpunktepapier sollen die Unternehmen bei der Diversifizierung ihrer Rohstoffversorgung unterstützen und würden “Schritt für Schritt entwickelt und umgesetzt“, erklärte eine Sprecherin des BMWK. “Sie sind quasi ein Fahrplan für alle betroffenen Akteure und geben damit Planungssicherheit”. Auch ein Forschungsprogramm, das die Entwicklung nachhaltiger und klimafreundlicher Verfahren und Technologien sowie die Substitution kritischer Rohstoffe unterstützen soll, sei geplant.
Maßnahmen zur Lagerhaltung von Rohstoffen sind auch ein Ziel des Entwurfs der EU-Kommission für einen Critical Raw Materials Act. Demnach sollen die Mitgliedstaaten größere strategische Reserven anlegen, um gegen kurzfristige Knappheiten gewappnet zu sein. Zu den Plänen der Bundesregierung sagte eine Sprecherin des BMF: “Wir werden eng mit Unternehmen und Wirtschaftsverbänden zusammenarbeiten, um mit geeigneten Anreizen Unternehmen zu einer strategischeren Lagerhaltung zu bewegen”. Für kritische Produkte werde man geeignete Rahmenbedingungen für Mindestlagerung und Bevorratung prüfen. leo
Neun europäische Länder haben sich bei ihrem Treffen in Ostende (Belgien) dazu verpflichtet, die Offshore-Windenergie bis 2050 auf 300 Gigawatt auszubauen. Das ist zehnmal mehr als die derzeit installierten Kapazitäten. Und eine kolossale industrielle Herausforderung, um die Dekarbonisierung des Kontinents zu beschleunigen.
“Gemeinsam wollen wir bis 2050 eine Produktion von etwa 300 Gigawatt erreichen“, sagte der belgische Premierminister Alexander De Croo, der den diesjährigen Gipfel initiiert hatte. Das Ziel für 2030 sei mindestens eine Vervierfachung des derzeitigen Kraftwerksparks. Nun gehe es um eine zügige Umsetzung. Die technologische “Standardisierung” müsse deshalb verstärkt werden, es müsse schneller gebaut werden. Die Ausschreibungen müssten besser aufeinander abgestimmt werden, um die Lieferketten nicht zu überlasten, sagte De Croo.
Die neun Länder verpflichten sich zum raschen Bau von Windparks, zur Entwicklung von “Energieinseln” – oder zusammenhängenden Standorten für erneuerbare Energien auf See – und zur Förderung von Projekten für Kohlenstoffabscheidung und erneuerbaren Wasserstoff in der Region.
Das Bestreben des Nordseegipfels sei es, die Region “zum größten grünen Kraftwerk Europas” zu machen, fuhr De Croo fort. “Das Ziel ist es, die Kontrolle über die Energieproduktion zurückzugewinnen, sie grüner und unabhängiger zu machen.” Dieser Ansatz wurde auch vom deutschen Bundeskanzler Olaf Scholz unterstützt.
Im Vorjahr hatte der Gipfel auf die Initiative von Kopenhagen Belgien, Dänemark, die Niederlande und Deutschland zusammengeführt. Bei der nun zweiten Veranstaltung wurde die Besetzung des Gipfels auf neun Länder ausgeweitet: Frankreich, Irland, Luxemburg, Norwegen und das Vereinigte Königreich kamen hinzu. Auch die Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen, sowie rund 100 Unternehmen aus der Branche waren anwesend.
Auf die Frage, warum Luxemburg, das keine Küste hat, am Gipfel teilnahm, antwortete der luxemburgische Premierminister Xavier Bettel, dass sein Land “über das Geld für Investitionen” verfüge. Er betonte, dass es darum gehe, in erneuerbare Energien zu investieren, “die eine Alternative zur Atomenergie darstellen”.
Diese Position stand im Gegensatz zum französischen Präsidenten Emmanuel Macron, der die französische Verteidigung der Kernenergie als kohlenstofffreie Energiequelle verfolgt. “Die Energiewende beruht auf drei Säulen: Energieeffizienz, Ausbau der erneuerbaren Energien und Kernenergie”, sagte er am Rande des Gipfels.
Der erklärte Ehrgeiz der neun Länder scheitere noch an einer noch nicht ausreichend entwickelten Infrastruktur, sagte Christoph Zipf, Sprecher von Wind Europe, zu Table.Media. Konkret sei es notwendig, die Hafeninfrastruktur zu vergrößern und anzupassen. Aber nicht nur das: Man müsse zudem Umfang und Anzahl der Schiffe vergrößern. Die Frage nach qualifizierten Arbeitskräften sei ebenso dringend. “Wir haben heute 80.000 Menschen, die in der Offshore-Windenergiebranche arbeiten. Bis 2030 werden wir 250.000 brauchen.”
Während in Großbritannien 14 GW und in Deutschland acht GW an Offshore-Windkraftanlagen installiert sind, liegen die Kapazitäten in Dänemark, Belgien und den Niederlanden zwischen zwei und drei GW und in Frankreich bei etwa 0,5 GW. “Die Größenordnungen sind gigantisch (…). Bei uns und unseren Nachbarn wird die Offshore-Windenergie zwischen 2030 und 2050 wahrscheinlich die wichtigste Quelle für die Erzeugung erneuerbarer Energien sein, weit vor der Solarenergie und der Onshore-Windenergie”, sagte eine Quelle im Élysée-Palast zur französischen Presse.
Frankreich strebt an, bis 2050 an allen Küsten 40 GW an Offshore-Windkraftanlagen in Betrieb zu nehmen. Bisher hat das Land jedoch nur einen einzigen Offshore-Windpark in Saint-Nazaire (Bretagne) eingeweiht. cst
Unter dem Dach des Interfaith Center on Corporate Responsiblity (ICCR) ruft eine Gruppe von mehr als 190 Investoren die Textilwirtschaft zu mehr Verantwortung auf. Die Banken, Versicherungen und Pensionskassen verwalten zusammen 1,3 Billionen Euro und fordern, dass die Wahrung von Menschenrechten ins Zentrum von Geschäftsmodellen gerückt wird. Die Gesundheit der Arbeitenden sowie die Sicherheit bei der Arbeit solle im Lieferkettenmanagement eine zentrale Rolle einnehmen.
Die Gruppe würdigt die Initiativen der Textilwirtschaft, die nach dem Unglück einen Wandel einleiten sollten. Mit dem Bangladesh Accord, der als International Accord 2021 neu aufgelegt wurde und dem kürzlich ausgehandelten Pakistan Accord seien Standards gesetzt worden, die die Produktionsbedingungen in Bangladesh, Pakistan und anderen Produktionsländern substanziell verändern könnten. Bei den Vereinbarungen handelt es sich um rechtlich bindende Verträge zwischen internationalen Gewerkschaften, Arbeitgeberverbänden und international agierenden Modekonzernen. Jedoch hätten zu wenige Unternehmen der Textilwirtschaft die Vereinbarungen bislang unterzeichnet.
Die Investoren weisen darauf hin, dass neben den internationalen Abkommen eine Vielzahl von Regulierungen zur Sicherung von Arbeits- und Menschenrechten entlang der Lieferkette entstanden sei. Die Unterzeichnung der Abkommen sei ein einfacher Weg zu beweisen, dass man den Sorgfaltspflichten nachkomme, heißt es in dem Statement. vvo
Nachhaltige Spielwaren: Der letzte Weg von Teddy & Co. – Absatzwirtschaft
Spielwarenhersteller arbeiten an der Kreislauffähigkeit ihrer Produkte. Sie treffen dabei auf ein wachsendes Interesse an Nachhaltigkeit im Handel und bei der Zielgruppe Eltern, hat Thomas Thieme beobachtet. Zum Artikel
Nachhaltigkeit: Das neue Milliarden-Geschäft für McKinsey und Co. – Welt
Über Jahre verdienten die Unternehmensberater gut am Trend zur Digitalisierung. Jetzt haben sie das nächste große Geschäftsfeld ausgemacht, berichtet Inga Michler: Dekarbonisierung und Soziales. Noch mangelt es an Spezialisten, weshalb Beratungsfirmen nun Qualifizierungsoffensiven starten. Zum Artikel
Nachhaltigkeit für Studierende: Wohnheim mit Sonnendach – FAZ
Wie bereiten sich Studierendenwerke auf den Klimawandel vor, hat sich Elisa Kautzky gefragt. Anhand von zwei Beispielen im Rhein-Main-Gebiet zeigt sie, wie sich bezahlbarer Wohnraum mit Nachhaltigkeit vereinbaren lässt. Zum Artikel
Erneuerbare aus Lateinamerika: Wo die deutsche Energiewende ihre Grenze hat – ZDF
Erneuerbare Energien statt fossiler Brennstoffe: Was gut klingt, ist noch keine Realität. In Lateinamerika werden die Widersprüche der deutschen Energiepolitik besonders deutlich, berichtet Tobias Käufer. Zum Artikel
Zu langsam: 78 Prozent der Deutschen wollen eine schnellere Energiewende – Frankfurter Rundschau
Eine neue Umfrage belegt: Fast 80 Prozent der Deutschen geht die Energiewende zu langsam. Ein Großteil der Befragten sieht in der Digitalisierung einen wichtigen Beitrag zum Gelingen der Energiewende, berichtet Robert Wallenhauer. Zum Artikel
How the World is spending $ 1,1 trillion on Climate Technology – Bloomberg
“Eine zweite Welle der Innovationen” haben Eric Roston und Akshat Rathi ausgemacht – und beschreiben in ihrem Text, in welche Sektoren und vielversprechende Start-ups wie viel Geld fließt. Und das trotz des Trends, dass 2022 insgesamt weniger Wagniskapital investiert wurde. Zum Artikel
Green IT – so wird der “Stromfresser Rechenzentrum” endlich ökologisch – Welt
Rechenzentren sind die Herzschrittmacher der Digitalisierung, allerdings verbrauchen sie viel Energie für Betrieb und Kühlung. Wie sie sich nachhaltiger betreiben lassen, erklärt Benedikt Fuest, zum Beispiel anhand des Unternehmens Cloud&Heat, das die Abwärme von Servern nutzt, um Gebäude zu heizen. Zum Artikel
Versicherer verlassen Umweltinitiative – Süddeutsche Zeitung
Die “Net-Zero Insurance Alliance” (NZIA), eine Vereinigung von Versicherern, wurde erst vor zwei Jahren mit großen Zielen gegründet: Ihre Mitglieder verpflichten sich, bis 2050 keine Treibhausgase mehr zu produzieren. Jetzt aber verliert die Gruppe wichtige Mitglieder wie Münchner Re und Hannover Rück – und die Initiative steht auf der Kippe. Zum Artikel
Montag, am 24. April, jährte sich zum zehnten Mal der Tag, an dem das achtstöckige Fabrikgebäude Rana Plaza am Stadtrand von Dhaka, der Hauptstadt von Bangladesch, einstürzte. Mehr als 1.000 Arbeiterinnen kamen ums Leben und über 2.000 wurden verletzt. Das Gebäude war nicht als Fabrikgebäude konzipiert. Es war jedoch kurz zuvor einer Inspektion unterzogen und für sicher befunden worden. Am Tag vor dem Unfall zeigten sich allerdings Risse in der Gebäudestruktur. Trotz der Sicherheitsbedenken wurden die Arbeiterinnen angewiesen, den Fabrikkomplex zu betreten.
Am zehnten Jahrestag des Einsturzes, der tödlichsten Katastrophe in der Geschichte der Bekleidungsindustrie, haben Textil- und Bekleidungsarbeiterinnen auf der ganzen Welt um die Menschen getrauert, die ihr Leben verloren haben oder deren Leben sich für immer verändert hat. Wir gedenken ihrer, indem wir dafür sorgen, dass sich eine solche Katastrophe nicht wiederholt.
IndustriALL Global Union und UNI Global Union haben unmittelbar nach dem Einsturz die Initiative ergriffen und ein rechtsverbindliches Gebäude- und Brandschutzabkommen für Bangladesch ausgehandelt, den so genannten Bangladesch Accord. Die Vereinbarung wurde 2018 und 2021 überarbeitet. Am Ende stand der International Accord, das Internationale Abkommen für Gesundheit und Sicherheit in der Textil- und Bekleidungsindustrie. Es wurde von mehr als 190 Markenunternehmen unterzeichnet. Das Abkommen reicht von Gebäude- und Brandschutz über Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz bis hin zu geschlechtsspezifischer Gewalt. Es knüpft an den Bangladesch Accord an und ebnet den Weg für eine Ausweitung auf weitere Länder. Den Anfang machte Pakistan im Dezember 2022.
Der Bangladesch Accord hat die Sicherheit in den Bekleidungsfabriken in Bangladesch verbessert, den Beschäftigten das Recht gegeben, unsichere Arbeit abzulehnen, Leben gerettet, die Vereinigungsfreiheit gefördert und Tarifverhandlungen erleichtert. Zehn Jahre später ist die Arbeit in den Accord-Fabriken in Bangladesch unbestreitbar sicherer geworden. Die Arbeiterinnen gehen nicht mehr jeden Tag zur Arbeit, ohne zu wissen, ob sie überleben oder sterben werden.
In Bangladesch wurden seither mehr als 1,8 Millionen Bekleidungsarbeiterinnen über die häufigsten Sicherheitsrisiken und ihr Recht, unsichere Arbeit abzulehnen, geschult. Mehr als 1.200 gemeinsame Komitees von Arbeitnehmerinnen und Arbeitgebern wurden gegründet, um die Sicherheit in den Fabriken täglich zu überwachen. Wenn auf Beschwerden von Arbeiterinnen nicht sofort reagiert wird, steht ihnen in allen Accord-Fabriken ein unabhängiger Beschwerdemechanismus zur Verfügung. Hier können sie ihre Anliegen angstfrei vorbringen – auf Wunsch auch vertraulich.
Für IndustriALL ist klar: Freiwillige CSR-Programme sind nicht zielführend. Deshalb haben wir einen Ansatz entwickelt, der auf durchsetzbare Vereinbarungen mit globalen Marken, Einzelhändlern und Herstellern setzt. Unser Modell umfasst:
Obwohl die Beschäftigten im Textilsektor weltweit Verbesserungen erreicht haben, bleibt noch viel zu tun. Die Textil- und Bekleidungsindustrie basiert auf billigen Arbeitskräften. Deshalb brauchen Regierungen und Fabrikbesitzer Garantien von den Markenherstellern, dass steigende Preise aufgrund höherer Löhne nicht zu einer Verlagerung der Produktion führen. Die Markenfirmen müssen bereit sein, mehr für die Herstellung der Kleidung zu bezahlen.
Um bessere Löhne durchzusetzen, müssen sich die Beschäftigten auch frei und ohne Angst vor Repressalien organisieren können. IndustriALL hat gemeinsam mit 20 globalen Markenunternehmen die ACT-Initiative entwickelt. Sie setzt sich für branchenweite Tarifverhandlungen ein. Im Rahmen von ACT müssen Markenunternehmen und Einzelhändler außerdem sicherstellen, dass ihre Einkaufspraktiken die Zahlung eines existenzsichernden Lohns ermöglichen. Löhne, die auf nationaler, branchenweiter Ebene festgelegt werden, ermöglichen es den Herstellern, im Wettbewerb um Aufträge die Löhne aus dem Spiel zu nehmen. ACT ist die erste globale Verpflichtung für existenzsichernde Löhnen in der Branche.
In vielen Ländern gibt es zudem keine staatliche soziale Absicherung für die Beschäftigten wie Arbeitslosenversicherung, Krankengeld, Sozialversicherung oder Abfindungen. Die Arbeiterinnen fordern deshalb von den Markenfirmen ein rechtsverbindliches Abkommen, um stärkere soziale Sicherungssysteme aufzubauen. Ein dreigliedriges System für Arbeitsunfälle, an dem die Regierung von Bangladesch, Arbeitgeberverbände und Gewerkschaften beteiligt sind, wurde im vergangenen Jahr mit Unterstützung der IAO und von Gebern eingeführt. Das System, das Entschädigungen bei Arbeitsunfällen und Rehabilitationsmaßnahmen vorsieht, wird derzeit in rund 150 Fabriken getestet. Eine Reihe von Marken nehmen bereits daran teil, darunter Bestseller, Fast Retailing, die H&M-Gruppe, KiK Textilien, Primark, Puma und Tchibo.
Kollektives Handeln – das Markenzeichen und die Stärke der internationalen Gewerkschaftsbewegung – hat uns die Fähigkeit und die Instrumente gegeben, für die Umgestaltung der globalen Lieferkette zu kämpfen. Wir werden auch weiterhin dafür sorgen, dass sich das Leben unserer Mitglieder in diesem Sektor verbessert, indem wir die Arbeitnehmerrechte fördern, die Macht der Gewerkschaften stärken, dem globalen Kapital die Stirn bieten und eine nachhaltige Industriepolitik sicherstellen.
Christina Hajagos-Clausen ist Direktorin für den Bereich Textil- und Bekleidungsindustrie beim internationalen Gewerkschaftsdachverband IndustriALL Global Union. Zuvor war sie viele Jahre für die US-amerikanische Einzelhandelsgewerkschaft (UFCW) tätig. IndustriALL vertritt 50 Millionen Beschäftigte in 140 Ländern in den Sektoren Bergbau, Energie und verarbeitende Industrie. Dazu gehört auch die Bekleidungs- und Textilindustrie. Übersetzung aus dem Englischen: Carsten Hübner
Ursprünglich wollte Yvonne Zwick in die Kirche gehen und Pastoralreferentin werden. Deshalb hat sie Theologie in Freiburg studiert und sich als Diözesanleiterin in der katholischen Jugendarbeit engagiert. Je mehr sie sich allerdings einbrachte, desto mehr entfernte sie sich von ihrem Ziel. “Ich habe irgendwann gemerkt, dass ich nicht für diesen Laden arbeiten kann, der so wenig Vertrauensvorschuss gibt, aber so viel Linientreue erwartet”, sagt die 46-Jährige heute. Dass die Nachhaltigkeit der Wirtschaft stattdessen zu ihrem Lebensthema wurde, sei Zufall gewesen.
Seit Januar 2021 ist Zwick Vorsitzende des Bundesdeutschen Arbeitskreises für umweltbewusstes Management (B.A.U.M. e.V.), der Unternehmen berät, wie sie nachhaltiger wirtschaften können. Er zählt mehr als 700 Mitglieder und informiert auf Veranstaltungen zum Thema, kooperiert mit anderen Vereinen und geht mit der Politik in den Dialog.
Der Weg dorthin verlief für Yvonne Zwick nach dem Abschluss ihres Studiums ziemlich gradlinig. Desillusioniert von der Kirche nahm sie sich vor, als wissenschaftliche Referentin in die Bundespolitik einzusteigen. Das klappte nicht, dafür landete sie beim Rat für Nachhaltige Entwicklung (RNE) – und blieb 16 Jahre lang. Das Gremium berät die Bundesregierung in nachhaltigen Fragen und begleitet deren Arbeit kritisch, und in dieser Zeit lernte Zwick, unparteiisch zu sein und sich in verschiedene Perspektiven hineinzudenken. Und davon zu profitieren, dass Menschen unterschiedlich denken, wie sie sagt. Diese Arbeit habe sie ermutigt, Dinge voranzubringen – und das nutzt sie auch heute noch, um die globale nachhaltige Entwicklung anzukurbeln.
Wie sie das macht? “Ganz wichtig ist, zu verstehen, wie Unternehmen ticken und wie Marktdesign funktioniert”, erklärt Zwick. Viele Unternehmen würden sich noch gar nicht für das Thema Nachhaltigkeit interessieren, andere wüssten zu wenig darüber und könnten das Wort dennoch schon nicht mehr hören. Zwick setzt ihre Hoffnung in die junge Generation, denn für die seien Arbeitgeber attraktiver, die sich mit Nachhaltigkeit befassen.
Besonders beschäftigt Yvonne Zwick die Frage, wie es gelingen kann, nachhaltige Finanzierung und nachhaltiges Wirtschaften zu vereinen. Denn so würden überhaupt Anreize für nachhaltiges Wirtschaften geschaffen. Was genau nachhaltiges Wirtschaften ist, müssten alle Beteiligten immer wieder neu verhandeln. Statt immer nur über die Schwierigkeiten und Probleme zu reden, will Zwick Lösungen in den Vordergrund rücken. Und Unternehmen dabei unterstützen, besser zu werden: “Wir müssen die Blockaden lösen”, betont sie.
Ein Gefühl und besseres Verständnis für Nachhaltigkeit zu vermitteln, das ist ihr auch bei ihren Kindern wichtig. Zu Hause kocht die Familie mit frischen, unverarbeiteten Lebensmitteln. “Es waren schon öfter Freunde von unseren Kindern zum Essen da”, erzählt Zwick. “Denen hat es besonders gut geschmeckt, sie kommen gerne wieder.” Es wird zusammen am Esstisch gesessen, nebenbei Zeitung gelesen. “Zur Ruhe kommen ist für mich auch ein wichtiger Aspekt von Nachhaltigkeit im Alltag.” Kristina Kobl