bis Sonntag versuchen die Delegierten von über 170 Staaten im südkoreanischen Busan, die Verhandlungen über ein UN-Abkommen gegen Plastikmüll abzuschließen. Bundesumweltministerin Steffi Lemke sagte am Dienstag, sie sei skeptisch, wie weit man in Busan komme. Die Verhandlungen seien extrem schwierig – und die Zeit ebenso kurz.
Obwohl bereits seit zwei Jahren über mehr Kreislaufwirtschaft und weniger Verschmutzung der Umwelt und der Meere diskutiert wird, gibt es bei zentralen Punkten weiterhin Dissens, unter anderem zur Reichweite und zur Verbindlichkeit des Vertrags. Stand Donnerstagabend hat sich daran auch in dieser vorerst letzten Verhandlungsrunde wenig geändert. Möglicherweise wird Verhandlungsleiter Luis Vayas Valdivieso aus Ecuador am Freitag versuchen, einen so weit wie möglich konsolidierten Text als Grundlage für die finalen Verhandlungstage vorzulegen, sagen Beobachter vor Ort. Über den Ausgang berichten wir im nächsten ESG.Briefing.
Ebenso umstritten ist die EU-Verordnung für entwaldungsfreie Lieferketten. In Brüssel geht es hin und her: Wird die Verordnung verschoben? Wird sie abgeschwächt? EU-Parlament, Rat und Kommission treffen sich am Dienstagabend zu weiteren Verhandlungen. Über das Ergebnis und wie Unternehmen damit umgehen können, diskutieren wir am Donnerstag in einem Live.Briefing. Weniger umstritten, aber nicht weniger wichtig ist der unternehmerische Schutz von Biodiversität. Ein kostenloses Webinar für Unternehmenslenker und Aufsichtsräte zum Thema veranstalten wir schon am Montag.
Ich wünsche eine anregende Lektüre!
Herr Fichtner, die Krise bei Northvolt verstärkt den Eindruck, dass es Europa schwerfällt, bei der Batterieproduktion zu China aufzuschließen. Braucht die europäische Autoindustrie überhaupt eine eigene Batterieproduktion?
Eine eigene Batterieproduktion ist wichtig, weil die Batterie der Teil des Elektroautos mit der größten Wertschöpfung ist. Man spricht von rund einem Drittel des Fahrzeugpreises. Inzwischen sind die Batterien zwar billiger geworden und liegen irgendwo zwischen 6.000 und 8.000 Euro. Aber da ist immer noch eine Marge drin. Wenn die wegfällt, muss man schauen, wie man den Rest des Fahrzeugs noch wirtschaftlich herstellen kann.
Kaum vorstellbar, dass die deutschen Autobauer das nicht bemerkt haben.
Tatsächlich hat man das in der Vergangenheit ignoriert. Stattdessen hat man in den 2010er Jahren gesagt: Batterien sind Zukaufteile, ein Automobilhersteller müsse sich nicht damit herumschlagen. Aus heutiger Sicht war das eine klare Fehleinschätzung.
Ist es denn so schwierig, Batterien für Elektroautos zu bauen?
Wenn ein Batteriehersteller eine neue Produktionslinie aufbaut, zeigt sich, dass viele Zellen gut sind. Andere aber sind fehlerhaft oder haben nicht die gewünschte Performance. Die werden dann aussortiert. Das ist die Scrap-Rate, die Ausschussrate.
Der Ausschuss ist das, was das Ganze killen kann. Am Ende muss die Scrap-Rate auf einen niedrigen einstelligen Prozentsatz sinken. Da mussten alle Batteriehersteller durch, auch die Chinesen. Die haben fünf Jahre Schlamm geschaufelt, aber sie haben es durchgezogen. Am Ende waren sie Weltmarktführer.
Wäre das nicht auch für deutsche Unternehmen möglich gewesen?
Wir hatten in den 2010er-Jahren eine komplette Batteriezellenfertigung der Firma Li-Tec Battery in Kamenz. Das Unternehmen wurde dann teilweise von der Daimler AG (heute: Mercedes-Benz Group) übernommen. Auch da gab es Anlaufschwierigkeiten. Weil sie nur einstellige schwarze Zahlen geschrieben haben, hat Daimler schließlich gesagt: Das rentiert sich nicht, wir machen das dicht. Ich glaube, mit etwas mehr Zeit hätte man hier etwas Großes leisten können.
Das Problem ist: Man will kein Risiko eingehen und kurzfristig Gewinne machen. Aber es braucht Zeit, um das nötige Know-how aufzubauen und diese fitzelkleinen Einstellungen so hinzudrehen, dass am Ende etwas nahezu Perfektes herauskommt. Das geht nicht von heute auf morgen. Wenn wir nicht langfristiger denken, dann werden wir in Zukunft bei allem, was irgendwie ähnlich geartet ist, von anderen versorgt werden.
Gibt es denn eine realistische Chance, den Rückstand Europas bei der Batterieproduktion aufzuholen?
In China tobt derzeit ein mörderischer Preiskampf. Von außen sieht die chinesische Wirtschaft immer relativ homogen aus. Aber intern gibt es knallharte Konkurrenz. Das hat zu einem Unterbietungswettlauf und zu Überproduktion geführt.
Der Preis für Batteriezellen liegt inzwischen teilweise deutlich unter 100 US-Dollar pro Kilowattstunde. Das galt immer als die Grenze, ab der ein Elektroauto billiger sein kann als ein gleich großer Verbrenner. Das ist eigentlich eine gute Nachricht. In China sind mittlerweile zwei Drittel der Elektroautos billiger als vergleichbare Verbrennerfahrzeuge.
Allerdings macht das den Einstieg für die Europäer schwieriger. Zumal wir hier einige andere Rahmenbedingungen haben, zum Beispiel höhere Energiepreise. Auch die Lohnkosten sind höher, wobei Letztere aber keine so große Rolle spielen. Zum einen, weil die Produktion weitgehend automatisiert ist. Und zum anderen, weil die Fachkräfte in China inzwischen auch recht gut verdienen.
Bringen die Zölle der EU auf E-Autos aus China in diesem Kontext etwas?
Die Zölle können helfen, etwas Zeit zu gewinnen. Die Frage ist nur, wie man diese Zeit nutzt. Haben Autoindustrie und Investoren den langen Atem, die schwierige Umstellungsphase durchzustehen? Dann könnten sie aus meiner Sicht auch wettbewerbsfähig werden. Bleibt man zu großen Teilen im Verbrennerbereich verhaftet, wird man in dieser stetig kleiner werdenden Nische mitschrumpfen und irgendwann verschwinden.
Übrigens hat man in Brüssel schon vor fünf Jahren darüber nachgedacht, wie man den Chinesen Paroli bieten kann. Ich war an diesen Überlegungen beteiligt. Das Ergebnis war, auf grüne Batteriezellen zu setzen. Also Batteriezellen, die bestimmte Mindeststandards erfüllen, was den CO₂-Fußabdruck, die Zusammensetzung und Ähnliches angeht.
Geht Northvolt nicht in diese Richtung?
Genau. Der CO₂-Fußabdruck ihrer Batteriezelle lag 2020 zwischen 120 und 150 Kilogramm CO₂ pro Kilowattstunde. Soweit ich weiß, liegt Northvolt heute bei 30 oder 40 Kilogramm CO₂ pro Kilowattstunde und soll nächstes Jahr auf zehn kommen. Das heißt, man muss dann nicht mehr 20.000 oder 30.000 Kilometer fahren, sondern vielleicht nur noch 2.000 oder 3.000 Kilometer, bis das E-Auto bei den Treibhausgasemissionen über den Lebenszyklus besser ist als der Verbrenner. Das ist eine hervorragende Arbeit.
Aber jetzt sind sie ins Straucheln geraten. Unter anderem, weil die Scrap-Rate scheinbar noch vergleichsweise hoch ist, also ein typischer Hochlaufeffekt. Sie müssen ihre Zellen zu teuer verkaufen und können auch noch nicht sicher liefern. Es hat einfach länger gedauert. Ich glaube nicht, dass man Northvolt hier wirklich einen Vorwurf machen kann. Die Materie ist eben komplex.
Aber am Ende hat dann BMW seinen Zwei-Milliarden-Euro-Auftrag zurückgezogen. Nun bezieht BMW seine Batteriezellen von chinesischen und koreanischen Herstellern, die teilweise in Ungarn produzieren.
Maximilian Fichtner ist Professor für Festkörperchemie an der Universität Ulm und seit Oktober 2021 geschäftsführender Direktor des Helmholtz-Instituts Ulm für Elektrochemische Energiespeicherung. Außerdem ist er Sprecher des Batterie-Exzellenzclusters POLiS (Post Lithium Energy Storage). Mit 20 Patentanmeldungen und 450 Veröffentlichungen gilt er als einer der führenden Batterieforscher Deutschlands.
“Grüner Stahl aus Deutschland wird international nur ganz schwer wettbewerbsfähig sein können”, glaubt Andreas Löschel von der Ruhr-Universität Bochum. Der Inhaber des Lehrstuhls für Umwelt- und Ressourcenökonomik und Nachhaltigkeit sieht derzeit “erhebliche Unsicherheiten bei den künftigen Mengen und den Preisen, zu denen grüner Wasserstoff in Deutschland erhältlich sein wird”. CO₂-arm hergestellter Wasserstoff wird benötigt, um in Direktreduktionsverfahren (DRI) die Rohstahlproduktion mittels klimaschädlicher Kohle in Hochöfen zu ersetzen.
Ähnlich sehen es offenbar die Unternehmensleitungen zweier großer Stahlhersteller in Deutschland: Anfang dieser Woche kündigte der Vorstand der Thyssenkrupp Steel Europe (TKSE) in einem Eckpunktepapier den Abbau von mehreren Tausend Arbeitsplätzen bis 2030 an.
Die Stahlproduktion soll um etwa ein Viertel verringert werden, eine im Bau befindliche DRI-Anlage für grünen Stahl aber fertiggestellt werden. Allerdings muss der mit Arbeitnehmervertretern paritätisch besetzte TKSE-Aufsichtsrat dem zustimmen. Die Gewerkschaft IG Metall kündigte an, sich gegen die Pläne zu wehren.
Am Dienstag erklärte zudem der weltweit zweitgrößte Stahlhersteller ArcelorMittal, die endgültige Entscheidung über Investitionen in wasserstofffähige DRI-Anlagen in Europa weiter aufzuschieben. In Deutschland sind davon die Werke in Bremen und Eisenhüttenstadt betroffen, über deren Umbau der Konzern ursprünglich im Mai 2025 befinden wollte.
Während der TKSE-Vorstand den Kapazitätsabbau vor allem mit Billigimporten aus Asien begründete, beklagte ArcelorMittal die sich zu langsam entwickelnde Angebotslage bei grünem Wasserstoff, “erhebliche Schwachstellen” beim CO₂-Grenzausgleichsmechanismus CBAM zum Schutz vor klimaschädlicherem Billigstahl, und eine noch unabsehbare Nachfrage nach grünem Stahl. Alle Unternehmen im Stahlbereich ächzen jedoch unter hohen Energiepreisen.
Aber auch perspektivisch werde Energie vor allem in Deutschland vergleichsweise teurer bleiben, sagte der Ökonom Löschel zu Table.Briefings. Andere Länder und Regionen verfügten über wesentlich mehr Potenzial für günstige erneuerbare Energie. In Europa seien das etwa das sonnige Spanien oder Schweden, wo viel Wasserkraft genutzt werden kann. Dazu käme im globalen Vergleich etwa Australien mit den weltweit meisten Sonnenstunden und günstigen Windbedingungen.
Länder mit billigem Grünstrom hätten die besten Bedingungen, um damit grünen Wasserstoff und schließlich CO₂-armes Eisen und Stahl herzustellen. Daher sei eine Neuordnung bestehender Wertschöpfungsketten wahrscheinlich, so Löschel.
“Das muss nicht bedeuten, dass wir in Deutschland gar keine Grünstahlproduktion haben werden, insbesondere wenn ein grüner Mehrwert oder bessere Qualität einen höheren Preis erlauben”, so Löschel. “Aber wohl nicht im selben Ausmaß wie beim herkömmlichen Stahl. Wir dürften den Status Quo bei der heutigen Stahlerzeugung nicht halten können“.
Auch Helmut Freiherr von Fircks, Kommunikationsdirektor der Swiss Steel Group, betont, dass die Beschaffung erneuerbarer Energie in anderen Ländern einfacher sei als in Deutschland. Bereits vor einem Jahr mahnte der Vorstand der Swiss Steel gegenüber Table.Briefings günstigere Strompreise in Deutschland an, allerdings ohne bei der Politik damit durchzudringen.
Die Firma, die in Deutschland Werke in Witten, Krefeld, Siegen und Hagen betreibt, kündigte Mitte November die Streichung von 800 Stellen – etwa zehn Prozent der Belegschaft – wegen zu geringer Nachfrage an. Dabei kann Swiss Steel bereits CO₂-armen Stahl anbieten, nämlich Stahlschrott, der in Elektrolichtbogenöfen mittels erneuerbarem Strom recycelt wird.
Die Frage, ob sich grüner Stahl durchsetze, sei aber nicht nur ein “Preisthema”, glaubt von Fircks. Zukunft habe die hiesige Stahlindustrie vor allem mit maßgeschneiderten Produkten in der Nische, sagte von Fircks am Donnerstag bei der Verleihung des Deutschen Nachhaltigkeitspreises in Düsseldorf. Notwendig sei aber auch “ein Stück weit eine dirigistische Hand”. Er habe bislang noch keine Ausschreibung gesehen, die grünen Stahl verlange.
Energieökonom Löschel befürchtet “weitere schmerzhafte Einschnitte” für die Beschäftigten in energieintensiven Unternehmen, nicht nur in der Stahl- und Eisenproduktion. Zwar sei Deutschland immer schon ein Standort mit hohen Energiekosten insbesondere für den Mittelstand gewesen. Doch habe man die hohen Preise durch höhere Effizienz, bessere Produkte und eine höhere Wertschöpfung wettmachen können. Für die sehr energieintensiven Sektoren dürfte das aber kaum noch gelingen.
Trotzdem glaubt Löschel nicht, dass sich Deutschland deindustrialisieren werde. Die Wertschöpfung könnte sich verändern hin zur Weiterverarbeitung etwa in der Elektrotechnik oder dem Maschinenbau. Um die industrielle Basis zu sichern, brauche es den Blick auf die eigenen Stärken und Zukunftsmärkte. ”Das wird wohl weniger die energieintensive Industrie sein. Dafür gibt es etwa bei den Klimatechnologien, in der industriellen Automatisierung oder in der Gesundheitsbranche eine gute Ausgangssituation”, so Löschel.
Mitarbeit: Caspar Dohmen, Marc Winkelmann, Alex Veit
Der Rückzug aus Xinjiang bedeutet für den deutschen Autobauer Volkswagen das Ende einer desaströsen Fehleinschätzung. Weder entwickelte sich die Region zu einem lukrativen Standort für das Unternehmen in der Volksrepublik China, noch erwiesen sich die frühen Warnungen vor einem drastischen Ausmaß der Repressionen gegen die uigurische Minderheit als überzogen. Alles, was in Xinjiang für Volkswagen schiefgehen konnte, ging schief. Elf Jahre nach der Eröffnung des Werkes in Urumqi, an der Seite des staatlichen Joint-Venture-Partners SAIC, endet ein Kapitel, das den Konzern sehr viel Geld und Reputation gekostet hat.
Uiguren-Vertreter hadern, dass es erst die Entdeckung riesiger Umerziehungslager mit Platz für Hunderttausende Menschen, Dutzende Augenzeugen und einen Bericht des UN-Menschenrechtsbüros bedurfte, ehe Volkswagen das Ende seines Engagements anstieß. Dass in erster Linie die dramatische Menschenrechtssituation in Xinjiang ausschlaggebend war, weist Volkswagen dennoch bis heute offiziell von sich. Stattdessen begründet der Konzern die missliche wirtschaftliche Entwicklung des Standortes als vornehmlichen Beweggrund für seinen Antrieb.
“Ein solches Vorgehen erweckt den Eindruck, dass ein Unternehmen wie Volkswagen sich weder mit seiner Verantwortung gegenüber den Betroffenen noch mit den globalen Erwartungen an ethisches Handeln ernsthaft auseinandersetzt. Der uigurischen Sache würde es helfen, wenn Unternehmen klar anerkennen, dass moralische Überlegungen eine Rolle spielen“, sagt der Berlin-Direktor Haiyer Kuerban vom Weltkongress der Uiguren (WUC).
Dass es Volkswagen gelungen ist, sich mit SAIC auf ein Ende der gemeinsamen Präsenz in Xinjiang zu einigen, hat wohl weniger mit dem Einfluss der Wolfsburger auf die Geschicke des Staatsunternehmens zu tun. Mag die Beziehung 1984 noch auf chinesischem Wissensdurst nach Wolfsburger Ingenieurswesen beruht haben, basiert sie heute auf Wolfsburger Abhängigkeit von chinesischer Marktkontrolle.
Der Markt war es auch, der SAIC die Tür öffnete, um einem Ende des Xinjiang-Engagements des Joint Ventures zustimmen zu können. Eine Rote Flagge, wie sie die Ratingagentur MSCI im vergangenen Jahr gehisst hatte, um Investoren vor den Risiken des Volkswagen-Abenteuers in Xinjiang zu warnen, kann auch ein Staatsunternehmen nicht ignorieren. SAIC und Dutzende andere chinesische Hersteller wollen ihr Geschäft internationalisieren und drängen auf die lukrativen Märkte wie Europa und die USA. Zunehmend gewinnt dort das Thema Lieferketten an Relevanz. Die Gesetzgebungen verlangen den Importeuren sehr konkrete Dokumentationen ab, dass der Bau ihrer Fahrzeuge in keinerlei Verbindung mit Zwangsarbeit steht.
Die Diskussionen um den Standort gingen jahrelang aneinander vorbei. Volkswagen betonte stets, dass in dem Werk keine Zwangsarbeiter beschäftigt wurden und ließ sich diese Aussagen durch ein strittiges Audit bestätigen. Doch das Argument ließ den eigentlichen Vorwurf der Kritiker unberücksichtigt. Denn die monierten eher die grundsätzliche Präsenz des Konzerns in einer Region, in der das gesamte industrielle Umfeld durch die Repressionen gegen die Uiguren getrübt ist. Der Konzern konnte nie den Eindruck verwischen, dass politischer Wille in Wolfsburg, ausgelöst durch möglichen Druck aus Peking, einst zu der Investition geführt hatten.
Als zu Beginn des Jahres der Einsatz von Zwangsarbeitern beim Bau einer Teststrecke des Joint Ventures in Turpan nachgewiesen wurde, zog Volkswagen seinen letzten Trumpf und distanzierte sich von dem Gemeinschaftsunternehmen. Weder kontrolliere man es, noch sei die Volkswagen AG rechtlich mit ihm verknüpft. Jetzt begründet die Kommunikationsabteilung von Volkswagen den Verkauf von Fabrik und Testrecke an ein Tochterunternehmen der staatlichen Shanghai Lingang Economic Development Group mit der “dynamischen Marktentwicklung”, die eine “Transformation des Gemeinschaftsunternehmens” nötig mache.
Eingebettet wurde die Nachricht in die Bekanntgabe der vorzeitigen Vertragsverlängerung des Gemeinschaftsunternehmens bis ins Jahr 2040. Mehr Elektro, weniger Emissionen – so lässt sich der Plan von SAIC-Volkswagen für die kommenden Jahre zusammenfassen. Bis 2030 soll es 18 neue E-Modelle geben, bis 2050 will man klimaneutral sein. Am Montag war das Joint Venture 40 Jahre alt geworden.
Innerhalb des Konzerns gibt man sich selbstkritischer. Es gibt Stimmen, die deutlich formulieren, dass man den Wandel in der öffentlichen Wahrnehmung der Menschenrechtsproblematik in Xinjiang hätte spüren müssen. Zumal der Konzern schon vor mehr als zehn Jahren wusste, dass die Entscheidung hochpolitisch war. Dennoch wollte Volkswagen davon überzeugt sein, das Richtige zu tun – wirtschaftlich wie sozial. Die Neue Seidenstraße war gerade erst als Idee geboren und verhieß eine viel engere Integration der Region in die internationale Wertschöpfung, verknüpft mit mehr Wohlstand und mehr Kaufkraft ihrer Bewohner. Wie im Jahr 1984 wehte durch die Wolfsburger Führungsetagen ein Pioniergeist, der sich als Schreckgespenst entpuppen sollte.
Das Engagement uigurischer Arbeitnehmer in dem Werk in Urumqi stieß dem Vernehmen nach bei SAIC auf wenig Gegenliebe. Alle Uiguren hätten damals schon unter Generalverdacht gestanden, heißt es. Volkswagen musste Überzeugungsarbeit leisten. Die Integration der Uiguren in den örtlichen Arbeitsmarkt sollte dazu beitragen, dass sich die ethnischen Spannungen legen würden. Doch der Wunsch entpuppte sich als Vater des Gedankens.
Das Werk in Xinjiang übernimmt nun das Shanghai Motor Vehicle Inspection Centre (SMVIC), ein Unternehmen, das Fahrzeuge aufbereitet und für den Gebrauchtwagenmarkt tauglich macht. Volkswagen habe darauf bestanden, dass trotz Verkauf des Werkes den verbliebenen 40 uigurischen Mitarbeitern die Fortsetzung ihres Arbeitsverhältnisses garantiert wurde, heißt es. Die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass Volkswagen es nie erfahren wird, ob und wie lange der neue Besitzer die Vereinbarung tatsächlich einhält.
Beim Deutschen Nachhaltigkeitspreis, dem größten Kongress seiner Art hierzulande, sehen sich die Organisatoren und Teilnehmenden mit zunehmenden Widerständen konfrontiert. “Der Wind dreht, die Nachhaltigkeit rutscht auf der Agenda immer weiter nach unten”, sagte zum Auftakt Günther Bachmann. Zu der negativen Stimmung trügen mehrere Faktoren bei, so der langjährige Generalsekretär des Rats für Nachhaltige Entwicklung: die hohen Energiepreise für die Industrie, zunehmende Regulierungen, rechte Populisten im EU-Parlament, die geplatzte Ampel-Koalition sowie die Wiederwahl von Donald Trump. “Einen solchen Rollback hatten wir noch nie.” Das 1,5-Grad-Ziel sei inzwischen gerissen worden.
Auch Rainer Kroker, Sustainability Leader bei PwC, erkennt aktuell einen klaren Negativtrend. “Nachhaltigkeit verliert an Boden.” Zugleich sieht er in seiner alltäglichen Praxis, dass die ersten reporting-pflichtigen Unternehmen, die ab 2025 nach der CSRD berichten müssten, dies trotz der bislang fehlenden deutschen Umsetzung tun werden. Und: “In den Umfragen sinkt die Bedeutung zwar, aber unser Geschäft wächst.” Viele Firmen würden Beratungen benötigen und Abschlussprüfer suchen – “es ist für uns nicht leicht, neue Mitarbeiter dafür zu finden”.
Unter Druck geraten ist derweil der Gründer des Deutschen Nachhaltigkeitspreises, Stefan Schulze-Hausmann. Ein Spiegel-Bericht wirft ihm vor, es mit der Compliance nicht so genau zu nehmen und sich an der zweitägigen Konferenz, die in diesem Jahr zum 17. Mal stattfindet, womöglich selbst zu bereichern. Demnach hätten mehrere Bundesministerien die Veranstaltung in den vergangenen Jahren mit mindestens 4,9 Millionen Euro gefördert. Das Geld sei an den Verein Stiftung Deutscher Nachhaltigkeitspreis geflossen, der dann die Coment GmbH als Generalauftragnehmer mit der Umsetzung betreut hätte. Gründer und alleiniger Geschäftsführer der GmbH: Stefan Schulze-Hausmann. Auf Anfrage von Table.Briefings wollte er sich nicht zu den Vorwürfen äußern.
Bei der zweitägigen Veranstaltung in Düsseldorf, die Freitagabend zu Ende geht, werden 100 Unternehmen als “Vorreiter der Transformation” ausgezeichnet. Darüberhinaus gibt es Sonderpreise in den “Transformationsfeldern” Klima, Ressourcen, Natur und Gesellschaft. cd/maw
Mittelständische Unternehmen halten einen Mix aus Maßnahmen für wichtig, um die doppelte Transformation zu Nachhaltigkeit und Digitalisierung erfolgreich zu gestalten. Einerseits müsse die Führung als Vorbild fungieren. Andererseits sei es nötig, Mitarbeitende aktiv in die Prozesse einzubeziehen und Kompetenzen auf allen Ebenen zu vermitteln. Zudem sei ein strukturiertes Vorgehen ebenso wichtig wie die Kooperation mit anderen Unternehmen. Zu diesen Schlüssen kommt eine Studie der Bertelsmann Stiftung und des Fraunhofer-Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO, die Table.Briefings exklusiv vorliegt.
Zwar verschiebe sich vor dem Hintergrund der aktuell schwierigen wirtschaftlichen Lage der Fokus von Firmen. “Dennoch kann sich kein Unternehmen zukunftsfähig aufstellen, das die Transformation aus dem Blick verliert“, sagt Birgit Wintermann, Wirtschaftsexpertin bei der Bertelsmann Stiftung. Gleichzeitig zeige die Studie, dass Nachhaltigkeit für Unternehmen, die die Transformation schon erfolgreich gestalten, zentraler Bestandteil der Geschäftsstrategie ist, heißt es in einer Mitteilung der beiden Organisationen.
Digitalisierung sei ein wichtiger Treiber für Innovationen auch hinsichtlich der Nachhaltigkeit, schreiben die Autoren. Die beiden Transformationen dürften daher nicht getrennt voneinander betrachtet werden. So helfe Digitalisierung etwa dabei, neue Geschäftsmodelle zu entwickeln, die darauf abzielen, durch Kreislaufwirtschaft Ressourcen zu sparen.
Eine klare Tendenz sehen die Autoren beim Verständnis von Nachhaltigkeit der untersuchten Unternehmen. Sie würden etwa die ganze Wertschöpfungskette betrachten, anstatt nur ihr eigenes Kerngeschäft. Darüber hinaus sähen sie Nachhaltigkeit nicht mehr nur “als Pflicht zur Vermeidung negativer Auswirkungen”, sondern zunehmend als “Chance für Innovation und neue Geschäftsmodelle”. Auch soziale Aspekte spielten vermehrt eine Rolle.
Für die Studie haben die Autoren Interviews mit Mitarbeitenden aus verschiedenen Abteilungen von 19 Unternehmen geführt. Ausgewählt wurden Unternehmen, die bereits Erfahrungen in der doppelten Transformation gesammelt hätten. Dazu gehören etwa Schüco, die Hamburger Hochbahn AG und die Viessmann Group. nh
Der Europäische Rat hat am Donnerstag die neue EU-Kommission unter der Führung von Ursula von der Leyen ernannt. Die Amtszeit beginnt am 1. Dezember und dauert fünf Jahre. Am Mittwoch hatte das EU-Parlament der Ernennung nach langem Streit mehrheitlich zugestimmt.
In ihrer Rede im Europaparlament kündigte die Kommissionspräsidentin an, als Erstes einen “Wettbewerbsfähigkeitskompass” präsentieren zu wollen. Dieser soll Orientierung bieten für die Arbeit der Behörde und auf drei Säulen des Draghi-Berichts fußen. Die wesentlichen Ziele:
Bereits vor zwei Wochen hatte von der Leyen angekündigt, die Berichtspflichten aus der Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung CSRD, der Taxonomie-Verordnung und der Lieferkettenrichtlinie CSDDD stärker zusammenzufassen. Deren Ziele würden aber nicht infrage gestellt, betonte sie.
Die Kommission will früh ihren Clean Industrial Deal präsentieren. Koordiniert werden die Vorschläge von den Vizepräsidenten Teresa Ribera und Stéphane Séjourné. Ribera wird sich dabei um den Aspekt der staatlichen Beihilfen kümmern. Insbesondere soll sie dafür sorgen, dass bald neue IPCEIs (Important Projects of Common European Interest) lanciert werden und Prozesse unter bestehenden IPCEIs schneller werden.
Séjourné soll sich stärker um die Nachfrageseite kümmern. In seinem Parlamentshearing hatte er angekündigt, schon bald einen Plan für die Stahlindustrie vorzulegen. Zudem will er früh im nächsten Jahr die ersten strategischen Projekte unter dem Critical Raw Materials Act (CRMA) definieren.
Mit einem Paket für die Chemieindustrie wollen Séjourné und Umweltkommissarin Jessika Roswall erneut die REACH-Verordnung und das Thema Ewigkeitschemikalien (PFAS) angehen. Den beiden obliegt es zudem, einen Circular Economy Act vorzulegen, durch den der Markt für Sekundärmaterialien gestärkt und ein Binnenmarkt für Müll geschaffen werden soll.
Zum Clean Industrial Deal sollen laut Klimakommissar Wopke Hoekstra neben Investitionsanreizen auch Regelungen zu Leitmärkten und Fachkräften sowie ein Aktionsplan für bezahlbare Energie gehören. tho, mgr, jaa, ber, av
Deutschlands größter Vermögensverwalter, die DWS Group, muss sich wegen Greenwashing-Vorwürfen verantworten – diesmal in Deutschland. Nachdem für die Fondstochter der Deutschen Bank in den USA bereits eine Millionenstrafe für irreführendes ESG-Marketing fällig wurde, wird nun die erste Klage eines Anlegers vor einem deutschen Gericht verhandelt. Das Landgericht Frankfurt hat als Verhandlungstermin den 25. März 2025 festgelegt, teilte die Kanzlei des Klägers Goldenstein Rechtsanwälte in einer Meldung von Mittwoch mit.
Laut der Kanzlei hatte der Anleger 20.758,40 Euro in einen ESG-Fonds der DWS investiert. Damit wollte er nicht nur eine Rendite erwirtschaften, sondern auch “einen positiven Beitrag für Umwelt und Gesellschaft” erzielen. Es habe sich allerdings gezeigt, “dass der Fonds zwar mit dem Merkmal ESG beworben wurde, jedoch keine nachvollziehbare ESG-Anlagestrategie verfolgt. So fließen Investitionen unter anderem in Unternehmen, die weder Umweltschutz noch soziale Verantwortung in ausreichendem Maß berücksichtigen”. Dazu zählt die Kanzlei etwa die Öl- und Gasunternehmen Wintershall Dea und Itochu Corporation. Nun fordert der Anleger die Rückzahlung seines vollständigen Investments.
“Unser Mandant hat darauf vertraut, dass ein als ESG-Fonds deklarierter Fonds auch tatsächlich nachhaltig ist”, erklärt Rechtsanwalt Claus Goldenstein, Inhaber und Geschäftsführer von Goldenstein Rechtsanwälte. Er ergänzt: “Die DWS hat jedoch bewusst verschwiegen, wie sie die Einhaltung von ESG-Kriterien kontrolliert, betroffene Anleger dadurch in die Irre geführt und gegen EU-Recht verstoßen.”
Eine Sprecherin der DWS teilte auf Nachfrage von Table.Briefings dazu mit, sie hätten “die Klage der Kanzlei Goldenstein zur Kenntnis genommen, halten sie jedoch für unbegründet. Darüber hinaus äußern wir uns nicht zu Details laufender Verfahren.”
Die Klage wurde bereits im Dezember 2023 eingereicht. Das Landgericht Frankfurt soll klären, ob die DWS durch unvollständige oder irreführende Angaben in Werbematerialien gegen Vorschriften des Wettbewerbsrechts und der Prospekthaftung verstoßen hat. aga
Das staatliche Textilsiegel “Grüner Knopf” habe in den fünf Jahren seines Bestehens eine erhebliche Verbreitung in Deutschland gefunden. Das sagte die Parlamentarische Staatssekretärin im BMZ, Bärbel Kofler, bei der Jubiläumsveranstaltung am Mittwoch in Berlin.
Sie lobte, dass mittlerweile:
Das Metasiegel prüft, ob andere Nachhaltigkeitsinitiativen seine Standards erfüllen. Das gilt bislang für rund 20 Siegel, darunter Fairtrade, Oeko-Tex und der Global Organic Textile Standard. Der Prüfprozess habe bei einigen Siegeln Verbesserungsnotwendigkeiten aufgezeigt, sagte Michael Windfuhr, Vizedirektor des Deutschen Instituts für Menschenrechte, besonders hinsichtlich sozialer Bedingungen.
Trotz der zwischenzeitlichen Einführung des deutschen Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes (LkSG) und der Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD) der EU erfülle der Grüne Knopf eine wichtige Funktion, befand Windfuhr. Denn die Anforderungen des freiwilligen Produktstandards überträfen die Vorgaben der Sorgfaltspflichtengesetze.
Unternehmen könnten sich mit dem Grünen Knopf differenzieren, sagte Johanna von Stechow, Direktorin für Unternehmensverantwortung bei Tchibo. Trotzdem sei noch unentschieden, ob Tchibo den Grünen Knopf dauerhaft beibehält oder sich auf die CSDDD beschränkt.
Die beteiligten Stakeholder aus Wirtschaft, Politik, Zivilgesellschaft und Wissenschaft haben das Metasiegel seit Bestehen weiterentwickelt und die Messlatte höher gelegt, etwa hinsichtlich existenzsichernder Löhne bei Zulieferbetrieben. Diesen anspruchsvolleren Ansatz des “Grüner Knopf 2.0” verfolgen aber nur 60 Unternehmen. Ein “Grüner Knopf 3.0” könne etwa das Thema Gewalt gegen Frauen adressieren, sagte von Stechow. cd
ESG investing: Republican US states sue BlackRock for ‘destructive’ green agenda – Financial Times
Erneut gehen die Generalstaatsanwälte republikanisch regierter US-Bundesstaaten gegen Finanzinstitute vor, denen sie eine “woke” ESG-Agenda vorwerfen. Die Vermögensverwalter BlackRock, State Street und Vanguard sollen sich abgesprochen haben, mittels ihrer Beteiligungen an Kohleunternehmen das Angebot zu verknappen. Ziel der Vermögensverwalter sei es gewesen, ihre Netto-Null-CO₂-Emissionsziele zu erreichen, heißt es in der Klageschrift. Zum Artikel
Wie soll es hier nur weitergehen? – Süddeutsche Zeitung
Elisabeth Dostert und Thomas Fromm zeigen anhand des BASF-Werkes in Ludwigshafen, welche Folgen die veränderte weltwirtschaftliche Lage und die notwendige Transformation haben – für die Firma und darüber hinaus: Aus alten und stolzen Unternehmen würden “Restrukturierungsfälle”, schreiben sie. Aber BASF unternähme viel, um den Standort zukunftsfest zu machen. Zum Artikel
“Zieljahre sind nicht in Stein gemeißelt” – Handelsblatt
Zwar bekennt sich der BDI-Präsident Siegfried Russwurm im Interview mit Julian Olk und Klaus Stratmann zur Dekarbonisierung der Industrie. Dennoch sieht er das Klimaneutralitätsziel Deutschland bis 2045 kritisch. Es fehlten die erforderlichen Backup-Gaskraftwerke. Statt über Klimaziele wolle er lieber über Investitionsbedingungen sprechen. Zum Artikel
Klage gegen Finanzierung der Strompreisbremse gescheitert – Frankfurter Allgemeine Zeitung
Das Bundesverfassungsgericht hat eine Verfassungsbeschwerde von 22 Ökostromanbietern gegen die Strompreisbremse abgewiesen. Die Richter entschieden, dass die Abschöpfung von Übergewinnen weder einen ungerechtfertigten Eingriff in die Berufsfreiheit noch eine verfassungswidrige Sonderabgabe darstellt, schreibt Katja Gelinsky. Zum Artikel
Leih dich glücklich – Die Zeit
Black Week-Deals und vorweihnachtliche Rabattaktionen heizen den Konsum an. Henrik Rampe beleuchtet Ideen und Geschäftsmodelle, die stattdessen dem Gebot “Leihen statt Kaufen” folgen. Darunter einen Vintage-Laden in Hamburg. Doch es sei schwer, aus dem Sharing-Modell finanziell nachhaltige Geschäftsmodell zu entwickeln. Zum Artikel
Feuerliste veröffentlicht: Elon Musk verbreitet Schrecken unter US-Beamten – T-Online
Elon Musk soll für die künftige Trump-Administration den Verwaltungsapparat umkrempeln. Erste Entlassungen hat er auf seiner Plattform X bereits angekündigt – und dabei sogar die Namen von vier Mitarbeitern genannt. Sie arbeiten in ESG-Bereichen, etwa eine leitende Beraterin für Umweltgerechtigkeit im Gesundheitsministerium und eine Klimaberaterin im Wohnungsministerium. Zum Artikel
Batterien in Deutschland fertigen: So kann es gelingen – Automobil Industrie
Auf dem ersten Battery Manufacturing Day in Karlsruhe haben sich rund 120 Unternehmen und Wissenschaftler der Branche darüber verständigt, wie eine effiziente Batterieproduktion in Deutschland und Europa in Zukunft aussehen kann. An Forschung und praktischen Lösungen mangele es nicht, schreibt Gernot Goppelt. Zum Artikel
Nicht nur der alljährliche Verkauf von Weihnachtsplätzchen und Schokolade, auch die Rabattaktionen rund um den Black Friday beginnen immer früher und dauern immer länger an. Der aus den USA importierte Black Friday ist ein wichtiges Shopping-Event für den Einzelhandel und wird traditionell am Freitag nach Thanksgiving ausgerufen. Konsumentinnen und Konsumenten profitieren von systematischen Preisnachlässen und Rabatten, werden oftmals aber durch manipulative Verkaufs- und Marketingtaktiken zu übermäßigem und impulsivem Kaufverhalten verleitet.
Vor diesem Hintergrund gewinnen Kampagnen an Aufmerksamkeit, die kritisch zu den Rabattschlachten stehen und zu bewusstem Konsum aufrufen. Zum Beispiel die Taschenmarke Freitag, die ihre Läden und ihren Online-Shop am Black Friday schließt und Besucherinnern und Besucher auf die Tauschplattform S.W.A.P. umleitet. Zusätzlich veranstaltet das Unternehmen weltweit Taschentausch-Events in seinen Stores. Kritische Worte findet auch der Smartphone-Hersteller Fairphone und titelt prominent auf der Webseite “Black-Friday-Hype? Nein, danke”. Statt Rabattaktionen informiert das Unternehmen über Reparatur- und Wartungsmöglichkeiten sowie den Zugang zu Ersatzteilen. Als Anreiz zur möglichst langen Nutzung seiner Smartphones bietet das Unternehmen zudem fünf Jahre Garantie und längere Software-Unterstützung an.
Diese Beispiele verdeutlichen, wie suffizienzorientierte Unternehmen ihre Reichweite und Medienpräsenz nutzen, um Konsumentinnen und Konsumenten für die Folgen ihres Konsums zu sensibilisieren und ressourcenschonende Alternativen aufzuzeigen. Verzicht auf Marketing- und Verkaufskampagnen, Angebote für Secondhand-Ware und Tausch- und Teilplattformen sind dabei gängige Ansätze. Auch Abonnement-Modelle als Beitrag zur Kreislaufwirtschaft sind denkbar, wie mit dem Programm Cyclon von der Schuhmarke ON. Aber auch schon bei der Produktgestaltung können Kriterien wie Langlebigkeit, Modularität oder Recyclingfähigkeit eine Rolle spielen, damit Produkte bis zum Ende ihrer Lebensdauer genutzt werden.
All dies fällt in den externen Verantwortungs- und Wirkungsbereich des sogenannten maßvollen Wirtschaftens. Darüber hinaus können Unternehmen auch intern Maßnahmen zur Reduktion ihres Ressourcenverbrauchs ergreifen, etwa durch die Begrenzung von Gewinnerwartungen und Wachstumszielen, die Beschränkung des Produktionsvolumens oder die Entscheidung für eine nicht-gewinnorientierte Eigentümerstruktur. Ziel ist es, ein ausgewogenes Verhältnis zwischen wirtschaftlichem Erfolg und der Schonung natürlicher Ressourcen zu finden. Im Mittelpunkt steht dabei nicht Wachstum und Profit, sondern das Gemeinwohl.
Suffizienzorientierte Geschäftsmodelle sind noch recht neu, und es fehlt an umfangreichen Erfahrungswerten und belastbaren Daten zur Messung ihres Erfolgs. Erste Studien zeigen jedoch, dass Konsumentinnen und Konsumenten Suffizienzbotschaften als glaubwürdig und ansprechend wahrnehmen, was sich positiv auf das Image der Unternehmen auswirkt. Für viele Unternehmen sind diese Reputationsgewinne ein wesentlicher Grund, suffizienzorientierte Angebote zu entwickeln. Langfristige Kundenbindung, die Erschließung neuer Geschäftsfelder durch Diversifizierung sowie Kostensenkungen durch die Vermeidung von Überproduktion zählen zu weiteren Vorteilen.
Das klingt radikal oder gar utopisch? Die genannten Beispiele zeigen, dass maßvolles Wirtschaften für einzelne Unternehmen funktionieren kann. Doch die Skalierung und Verbreitung suffizienzorientierter Geschäftsmodelle gestaltet sich schwierig, da strukturelle Hindernisse im wachstumsorientierten Wirtschaftssystem und in der materialistisch geprägten Konsumkultur bestehen.
Nicht-profitorientierte Unternehmensideen haben es oft schwer, Startkapital von Investoren und Banken zu akquirieren. Und wenn Unternehmen ihre Gemeinwohlausrichtung den Gewinnerwartungen unterordnen, können sie im von Expansions- und Profitzielen getriebenen Wettbewerb nicht mithalten. Denn suffizienzorientierte Unternehmen verstehen unter Gewinn und Erfolg häufig etwas anderes. Auch sie müssen rentabel sein, betrachten Wachstum aber nicht als Selbstzweck. Stattdessen zielen sie darauf ab, Aspekte wie Angebotsqualität und Werte zu vergrößern und streben an, im Netzwerk mit anderen gleichgesinnten Unternehmen zu wachsen, statt einzeln als Unternehmen.
Im kapitalistischen Wirtschaftssystem sind solche Unternehmen auch deswegen benachteiligt, weil Subventionen und Steuerregelungen gewinnorientierte Modelle fördern. Daher sind sie auf Unterstützung durch die Politik angewiesen. Ein Ansatz wäre, diese asymmetrischen Voraussetzungen durch verbesserten Zugang zu Investitionskapital und Fördermitteln auszugleichen. Ebenso könnten gesetzliche Maßnahmen wie ein Reparaturbonus oder längere Produktgarantien Anreize für langlebigere und bessere Produkte schaffen. Eine weitere Möglichkeit wäre, durch ordnungspolitische oder fiskalische Maßnahmen nicht-nachhaltiges Wirtschaften zu sanktionieren, etwa durch Steuern auf Materialimporte in Abhängigkeit von Transportwegen, um lange und intransparente Lieferketten zu verhindern.
Die aktuell schwächelnde Wirtschaft bietet eigentlich eine gute Gelegenheit, einige ökonomische Gewissheiten zu hinterfragen und die Potenziale eines maßvollen Wirtschaftsstil für Unternehmen und die Menschen zu realisieren – vielleicht ein Thema für den anstehenden Wahlkampf?
Dr. Maike Gossen lehrt und forscht an der TU Berlin im Fachgebiet Arbeitslehre/Ökonomie und Nachhaltiger Konsum. Zuvor hat sie unter anderem das Forschungsprojekt Green Consumption Assistant geleitet und zu suffizienzförderndem Marketing von Unternehmen promoviert.
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Climate.Table – China: So plant der größte CO₂-Emittent seine Dekarbonisierung: China steht mitten in seiner Dekarbonisierung. Bei Strom, Verkehr und Stahl gibt es zwar Fortschritte. Doch der Energieverbrauch wächst weiter rasant und ein neuer Kohlefokus im Chemiesektor macht Fortschritte zunichte. Was chinesische Experten sagen und warum das neue NDC Überraschungen bereithalten könnte. Zum Artikel
bis Sonntag versuchen die Delegierten von über 170 Staaten im südkoreanischen Busan, die Verhandlungen über ein UN-Abkommen gegen Plastikmüll abzuschließen. Bundesumweltministerin Steffi Lemke sagte am Dienstag, sie sei skeptisch, wie weit man in Busan komme. Die Verhandlungen seien extrem schwierig – und die Zeit ebenso kurz.
Obwohl bereits seit zwei Jahren über mehr Kreislaufwirtschaft und weniger Verschmutzung der Umwelt und der Meere diskutiert wird, gibt es bei zentralen Punkten weiterhin Dissens, unter anderem zur Reichweite und zur Verbindlichkeit des Vertrags. Stand Donnerstagabend hat sich daran auch in dieser vorerst letzten Verhandlungsrunde wenig geändert. Möglicherweise wird Verhandlungsleiter Luis Vayas Valdivieso aus Ecuador am Freitag versuchen, einen so weit wie möglich konsolidierten Text als Grundlage für die finalen Verhandlungstage vorzulegen, sagen Beobachter vor Ort. Über den Ausgang berichten wir im nächsten ESG.Briefing.
Ebenso umstritten ist die EU-Verordnung für entwaldungsfreie Lieferketten. In Brüssel geht es hin und her: Wird die Verordnung verschoben? Wird sie abgeschwächt? EU-Parlament, Rat und Kommission treffen sich am Dienstagabend zu weiteren Verhandlungen. Über das Ergebnis und wie Unternehmen damit umgehen können, diskutieren wir am Donnerstag in einem Live.Briefing. Weniger umstritten, aber nicht weniger wichtig ist der unternehmerische Schutz von Biodiversität. Ein kostenloses Webinar für Unternehmenslenker und Aufsichtsräte zum Thema veranstalten wir schon am Montag.
Ich wünsche eine anregende Lektüre!
Herr Fichtner, die Krise bei Northvolt verstärkt den Eindruck, dass es Europa schwerfällt, bei der Batterieproduktion zu China aufzuschließen. Braucht die europäische Autoindustrie überhaupt eine eigene Batterieproduktion?
Eine eigene Batterieproduktion ist wichtig, weil die Batterie der Teil des Elektroautos mit der größten Wertschöpfung ist. Man spricht von rund einem Drittel des Fahrzeugpreises. Inzwischen sind die Batterien zwar billiger geworden und liegen irgendwo zwischen 6.000 und 8.000 Euro. Aber da ist immer noch eine Marge drin. Wenn die wegfällt, muss man schauen, wie man den Rest des Fahrzeugs noch wirtschaftlich herstellen kann.
Kaum vorstellbar, dass die deutschen Autobauer das nicht bemerkt haben.
Tatsächlich hat man das in der Vergangenheit ignoriert. Stattdessen hat man in den 2010er Jahren gesagt: Batterien sind Zukaufteile, ein Automobilhersteller müsse sich nicht damit herumschlagen. Aus heutiger Sicht war das eine klare Fehleinschätzung.
Ist es denn so schwierig, Batterien für Elektroautos zu bauen?
Wenn ein Batteriehersteller eine neue Produktionslinie aufbaut, zeigt sich, dass viele Zellen gut sind. Andere aber sind fehlerhaft oder haben nicht die gewünschte Performance. Die werden dann aussortiert. Das ist die Scrap-Rate, die Ausschussrate.
Der Ausschuss ist das, was das Ganze killen kann. Am Ende muss die Scrap-Rate auf einen niedrigen einstelligen Prozentsatz sinken. Da mussten alle Batteriehersteller durch, auch die Chinesen. Die haben fünf Jahre Schlamm geschaufelt, aber sie haben es durchgezogen. Am Ende waren sie Weltmarktführer.
Wäre das nicht auch für deutsche Unternehmen möglich gewesen?
Wir hatten in den 2010er-Jahren eine komplette Batteriezellenfertigung der Firma Li-Tec Battery in Kamenz. Das Unternehmen wurde dann teilweise von der Daimler AG (heute: Mercedes-Benz Group) übernommen. Auch da gab es Anlaufschwierigkeiten. Weil sie nur einstellige schwarze Zahlen geschrieben haben, hat Daimler schließlich gesagt: Das rentiert sich nicht, wir machen das dicht. Ich glaube, mit etwas mehr Zeit hätte man hier etwas Großes leisten können.
Das Problem ist: Man will kein Risiko eingehen und kurzfristig Gewinne machen. Aber es braucht Zeit, um das nötige Know-how aufzubauen und diese fitzelkleinen Einstellungen so hinzudrehen, dass am Ende etwas nahezu Perfektes herauskommt. Das geht nicht von heute auf morgen. Wenn wir nicht langfristiger denken, dann werden wir in Zukunft bei allem, was irgendwie ähnlich geartet ist, von anderen versorgt werden.
Gibt es denn eine realistische Chance, den Rückstand Europas bei der Batterieproduktion aufzuholen?
In China tobt derzeit ein mörderischer Preiskampf. Von außen sieht die chinesische Wirtschaft immer relativ homogen aus. Aber intern gibt es knallharte Konkurrenz. Das hat zu einem Unterbietungswettlauf und zu Überproduktion geführt.
Der Preis für Batteriezellen liegt inzwischen teilweise deutlich unter 100 US-Dollar pro Kilowattstunde. Das galt immer als die Grenze, ab der ein Elektroauto billiger sein kann als ein gleich großer Verbrenner. Das ist eigentlich eine gute Nachricht. In China sind mittlerweile zwei Drittel der Elektroautos billiger als vergleichbare Verbrennerfahrzeuge.
Allerdings macht das den Einstieg für die Europäer schwieriger. Zumal wir hier einige andere Rahmenbedingungen haben, zum Beispiel höhere Energiepreise. Auch die Lohnkosten sind höher, wobei Letztere aber keine so große Rolle spielen. Zum einen, weil die Produktion weitgehend automatisiert ist. Und zum anderen, weil die Fachkräfte in China inzwischen auch recht gut verdienen.
Bringen die Zölle der EU auf E-Autos aus China in diesem Kontext etwas?
Die Zölle können helfen, etwas Zeit zu gewinnen. Die Frage ist nur, wie man diese Zeit nutzt. Haben Autoindustrie und Investoren den langen Atem, die schwierige Umstellungsphase durchzustehen? Dann könnten sie aus meiner Sicht auch wettbewerbsfähig werden. Bleibt man zu großen Teilen im Verbrennerbereich verhaftet, wird man in dieser stetig kleiner werdenden Nische mitschrumpfen und irgendwann verschwinden.
Übrigens hat man in Brüssel schon vor fünf Jahren darüber nachgedacht, wie man den Chinesen Paroli bieten kann. Ich war an diesen Überlegungen beteiligt. Das Ergebnis war, auf grüne Batteriezellen zu setzen. Also Batteriezellen, die bestimmte Mindeststandards erfüllen, was den CO₂-Fußabdruck, die Zusammensetzung und Ähnliches angeht.
Geht Northvolt nicht in diese Richtung?
Genau. Der CO₂-Fußabdruck ihrer Batteriezelle lag 2020 zwischen 120 und 150 Kilogramm CO₂ pro Kilowattstunde. Soweit ich weiß, liegt Northvolt heute bei 30 oder 40 Kilogramm CO₂ pro Kilowattstunde und soll nächstes Jahr auf zehn kommen. Das heißt, man muss dann nicht mehr 20.000 oder 30.000 Kilometer fahren, sondern vielleicht nur noch 2.000 oder 3.000 Kilometer, bis das E-Auto bei den Treibhausgasemissionen über den Lebenszyklus besser ist als der Verbrenner. Das ist eine hervorragende Arbeit.
Aber jetzt sind sie ins Straucheln geraten. Unter anderem, weil die Scrap-Rate scheinbar noch vergleichsweise hoch ist, also ein typischer Hochlaufeffekt. Sie müssen ihre Zellen zu teuer verkaufen und können auch noch nicht sicher liefern. Es hat einfach länger gedauert. Ich glaube nicht, dass man Northvolt hier wirklich einen Vorwurf machen kann. Die Materie ist eben komplex.
Aber am Ende hat dann BMW seinen Zwei-Milliarden-Euro-Auftrag zurückgezogen. Nun bezieht BMW seine Batteriezellen von chinesischen und koreanischen Herstellern, die teilweise in Ungarn produzieren.
Maximilian Fichtner ist Professor für Festkörperchemie an der Universität Ulm und seit Oktober 2021 geschäftsführender Direktor des Helmholtz-Instituts Ulm für Elektrochemische Energiespeicherung. Außerdem ist er Sprecher des Batterie-Exzellenzclusters POLiS (Post Lithium Energy Storage). Mit 20 Patentanmeldungen und 450 Veröffentlichungen gilt er als einer der führenden Batterieforscher Deutschlands.
“Grüner Stahl aus Deutschland wird international nur ganz schwer wettbewerbsfähig sein können”, glaubt Andreas Löschel von der Ruhr-Universität Bochum. Der Inhaber des Lehrstuhls für Umwelt- und Ressourcenökonomik und Nachhaltigkeit sieht derzeit “erhebliche Unsicherheiten bei den künftigen Mengen und den Preisen, zu denen grüner Wasserstoff in Deutschland erhältlich sein wird”. CO₂-arm hergestellter Wasserstoff wird benötigt, um in Direktreduktionsverfahren (DRI) die Rohstahlproduktion mittels klimaschädlicher Kohle in Hochöfen zu ersetzen.
Ähnlich sehen es offenbar die Unternehmensleitungen zweier großer Stahlhersteller in Deutschland: Anfang dieser Woche kündigte der Vorstand der Thyssenkrupp Steel Europe (TKSE) in einem Eckpunktepapier den Abbau von mehreren Tausend Arbeitsplätzen bis 2030 an.
Die Stahlproduktion soll um etwa ein Viertel verringert werden, eine im Bau befindliche DRI-Anlage für grünen Stahl aber fertiggestellt werden. Allerdings muss der mit Arbeitnehmervertretern paritätisch besetzte TKSE-Aufsichtsrat dem zustimmen. Die Gewerkschaft IG Metall kündigte an, sich gegen die Pläne zu wehren.
Am Dienstag erklärte zudem der weltweit zweitgrößte Stahlhersteller ArcelorMittal, die endgültige Entscheidung über Investitionen in wasserstofffähige DRI-Anlagen in Europa weiter aufzuschieben. In Deutschland sind davon die Werke in Bremen und Eisenhüttenstadt betroffen, über deren Umbau der Konzern ursprünglich im Mai 2025 befinden wollte.
Während der TKSE-Vorstand den Kapazitätsabbau vor allem mit Billigimporten aus Asien begründete, beklagte ArcelorMittal die sich zu langsam entwickelnde Angebotslage bei grünem Wasserstoff, “erhebliche Schwachstellen” beim CO₂-Grenzausgleichsmechanismus CBAM zum Schutz vor klimaschädlicherem Billigstahl, und eine noch unabsehbare Nachfrage nach grünem Stahl. Alle Unternehmen im Stahlbereich ächzen jedoch unter hohen Energiepreisen.
Aber auch perspektivisch werde Energie vor allem in Deutschland vergleichsweise teurer bleiben, sagte der Ökonom Löschel zu Table.Briefings. Andere Länder und Regionen verfügten über wesentlich mehr Potenzial für günstige erneuerbare Energie. In Europa seien das etwa das sonnige Spanien oder Schweden, wo viel Wasserkraft genutzt werden kann. Dazu käme im globalen Vergleich etwa Australien mit den weltweit meisten Sonnenstunden und günstigen Windbedingungen.
Länder mit billigem Grünstrom hätten die besten Bedingungen, um damit grünen Wasserstoff und schließlich CO₂-armes Eisen und Stahl herzustellen. Daher sei eine Neuordnung bestehender Wertschöpfungsketten wahrscheinlich, so Löschel.
“Das muss nicht bedeuten, dass wir in Deutschland gar keine Grünstahlproduktion haben werden, insbesondere wenn ein grüner Mehrwert oder bessere Qualität einen höheren Preis erlauben”, so Löschel. “Aber wohl nicht im selben Ausmaß wie beim herkömmlichen Stahl. Wir dürften den Status Quo bei der heutigen Stahlerzeugung nicht halten können“.
Auch Helmut Freiherr von Fircks, Kommunikationsdirektor der Swiss Steel Group, betont, dass die Beschaffung erneuerbarer Energie in anderen Ländern einfacher sei als in Deutschland. Bereits vor einem Jahr mahnte der Vorstand der Swiss Steel gegenüber Table.Briefings günstigere Strompreise in Deutschland an, allerdings ohne bei der Politik damit durchzudringen.
Die Firma, die in Deutschland Werke in Witten, Krefeld, Siegen und Hagen betreibt, kündigte Mitte November die Streichung von 800 Stellen – etwa zehn Prozent der Belegschaft – wegen zu geringer Nachfrage an. Dabei kann Swiss Steel bereits CO₂-armen Stahl anbieten, nämlich Stahlschrott, der in Elektrolichtbogenöfen mittels erneuerbarem Strom recycelt wird.
Die Frage, ob sich grüner Stahl durchsetze, sei aber nicht nur ein “Preisthema”, glaubt von Fircks. Zukunft habe die hiesige Stahlindustrie vor allem mit maßgeschneiderten Produkten in der Nische, sagte von Fircks am Donnerstag bei der Verleihung des Deutschen Nachhaltigkeitspreises in Düsseldorf. Notwendig sei aber auch “ein Stück weit eine dirigistische Hand”. Er habe bislang noch keine Ausschreibung gesehen, die grünen Stahl verlange.
Energieökonom Löschel befürchtet “weitere schmerzhafte Einschnitte” für die Beschäftigten in energieintensiven Unternehmen, nicht nur in der Stahl- und Eisenproduktion. Zwar sei Deutschland immer schon ein Standort mit hohen Energiekosten insbesondere für den Mittelstand gewesen. Doch habe man die hohen Preise durch höhere Effizienz, bessere Produkte und eine höhere Wertschöpfung wettmachen können. Für die sehr energieintensiven Sektoren dürfte das aber kaum noch gelingen.
Trotzdem glaubt Löschel nicht, dass sich Deutschland deindustrialisieren werde. Die Wertschöpfung könnte sich verändern hin zur Weiterverarbeitung etwa in der Elektrotechnik oder dem Maschinenbau. Um die industrielle Basis zu sichern, brauche es den Blick auf die eigenen Stärken und Zukunftsmärkte. ”Das wird wohl weniger die energieintensive Industrie sein. Dafür gibt es etwa bei den Klimatechnologien, in der industriellen Automatisierung oder in der Gesundheitsbranche eine gute Ausgangssituation”, so Löschel.
Mitarbeit: Caspar Dohmen, Marc Winkelmann, Alex Veit
Der Rückzug aus Xinjiang bedeutet für den deutschen Autobauer Volkswagen das Ende einer desaströsen Fehleinschätzung. Weder entwickelte sich die Region zu einem lukrativen Standort für das Unternehmen in der Volksrepublik China, noch erwiesen sich die frühen Warnungen vor einem drastischen Ausmaß der Repressionen gegen die uigurische Minderheit als überzogen. Alles, was in Xinjiang für Volkswagen schiefgehen konnte, ging schief. Elf Jahre nach der Eröffnung des Werkes in Urumqi, an der Seite des staatlichen Joint-Venture-Partners SAIC, endet ein Kapitel, das den Konzern sehr viel Geld und Reputation gekostet hat.
Uiguren-Vertreter hadern, dass es erst die Entdeckung riesiger Umerziehungslager mit Platz für Hunderttausende Menschen, Dutzende Augenzeugen und einen Bericht des UN-Menschenrechtsbüros bedurfte, ehe Volkswagen das Ende seines Engagements anstieß. Dass in erster Linie die dramatische Menschenrechtssituation in Xinjiang ausschlaggebend war, weist Volkswagen dennoch bis heute offiziell von sich. Stattdessen begründet der Konzern die missliche wirtschaftliche Entwicklung des Standortes als vornehmlichen Beweggrund für seinen Antrieb.
“Ein solches Vorgehen erweckt den Eindruck, dass ein Unternehmen wie Volkswagen sich weder mit seiner Verantwortung gegenüber den Betroffenen noch mit den globalen Erwartungen an ethisches Handeln ernsthaft auseinandersetzt. Der uigurischen Sache würde es helfen, wenn Unternehmen klar anerkennen, dass moralische Überlegungen eine Rolle spielen“, sagt der Berlin-Direktor Haiyer Kuerban vom Weltkongress der Uiguren (WUC).
Dass es Volkswagen gelungen ist, sich mit SAIC auf ein Ende der gemeinsamen Präsenz in Xinjiang zu einigen, hat wohl weniger mit dem Einfluss der Wolfsburger auf die Geschicke des Staatsunternehmens zu tun. Mag die Beziehung 1984 noch auf chinesischem Wissensdurst nach Wolfsburger Ingenieurswesen beruht haben, basiert sie heute auf Wolfsburger Abhängigkeit von chinesischer Marktkontrolle.
Der Markt war es auch, der SAIC die Tür öffnete, um einem Ende des Xinjiang-Engagements des Joint Ventures zustimmen zu können. Eine Rote Flagge, wie sie die Ratingagentur MSCI im vergangenen Jahr gehisst hatte, um Investoren vor den Risiken des Volkswagen-Abenteuers in Xinjiang zu warnen, kann auch ein Staatsunternehmen nicht ignorieren. SAIC und Dutzende andere chinesische Hersteller wollen ihr Geschäft internationalisieren und drängen auf die lukrativen Märkte wie Europa und die USA. Zunehmend gewinnt dort das Thema Lieferketten an Relevanz. Die Gesetzgebungen verlangen den Importeuren sehr konkrete Dokumentationen ab, dass der Bau ihrer Fahrzeuge in keinerlei Verbindung mit Zwangsarbeit steht.
Die Diskussionen um den Standort gingen jahrelang aneinander vorbei. Volkswagen betonte stets, dass in dem Werk keine Zwangsarbeiter beschäftigt wurden und ließ sich diese Aussagen durch ein strittiges Audit bestätigen. Doch das Argument ließ den eigentlichen Vorwurf der Kritiker unberücksichtigt. Denn die monierten eher die grundsätzliche Präsenz des Konzerns in einer Region, in der das gesamte industrielle Umfeld durch die Repressionen gegen die Uiguren getrübt ist. Der Konzern konnte nie den Eindruck verwischen, dass politischer Wille in Wolfsburg, ausgelöst durch möglichen Druck aus Peking, einst zu der Investition geführt hatten.
Als zu Beginn des Jahres der Einsatz von Zwangsarbeitern beim Bau einer Teststrecke des Joint Ventures in Turpan nachgewiesen wurde, zog Volkswagen seinen letzten Trumpf und distanzierte sich von dem Gemeinschaftsunternehmen. Weder kontrolliere man es, noch sei die Volkswagen AG rechtlich mit ihm verknüpft. Jetzt begründet die Kommunikationsabteilung von Volkswagen den Verkauf von Fabrik und Testrecke an ein Tochterunternehmen der staatlichen Shanghai Lingang Economic Development Group mit der “dynamischen Marktentwicklung”, die eine “Transformation des Gemeinschaftsunternehmens” nötig mache.
Eingebettet wurde die Nachricht in die Bekanntgabe der vorzeitigen Vertragsverlängerung des Gemeinschaftsunternehmens bis ins Jahr 2040. Mehr Elektro, weniger Emissionen – so lässt sich der Plan von SAIC-Volkswagen für die kommenden Jahre zusammenfassen. Bis 2030 soll es 18 neue E-Modelle geben, bis 2050 will man klimaneutral sein. Am Montag war das Joint Venture 40 Jahre alt geworden.
Innerhalb des Konzerns gibt man sich selbstkritischer. Es gibt Stimmen, die deutlich formulieren, dass man den Wandel in der öffentlichen Wahrnehmung der Menschenrechtsproblematik in Xinjiang hätte spüren müssen. Zumal der Konzern schon vor mehr als zehn Jahren wusste, dass die Entscheidung hochpolitisch war. Dennoch wollte Volkswagen davon überzeugt sein, das Richtige zu tun – wirtschaftlich wie sozial. Die Neue Seidenstraße war gerade erst als Idee geboren und verhieß eine viel engere Integration der Region in die internationale Wertschöpfung, verknüpft mit mehr Wohlstand und mehr Kaufkraft ihrer Bewohner. Wie im Jahr 1984 wehte durch die Wolfsburger Führungsetagen ein Pioniergeist, der sich als Schreckgespenst entpuppen sollte.
Das Engagement uigurischer Arbeitnehmer in dem Werk in Urumqi stieß dem Vernehmen nach bei SAIC auf wenig Gegenliebe. Alle Uiguren hätten damals schon unter Generalverdacht gestanden, heißt es. Volkswagen musste Überzeugungsarbeit leisten. Die Integration der Uiguren in den örtlichen Arbeitsmarkt sollte dazu beitragen, dass sich die ethnischen Spannungen legen würden. Doch der Wunsch entpuppte sich als Vater des Gedankens.
Das Werk in Xinjiang übernimmt nun das Shanghai Motor Vehicle Inspection Centre (SMVIC), ein Unternehmen, das Fahrzeuge aufbereitet und für den Gebrauchtwagenmarkt tauglich macht. Volkswagen habe darauf bestanden, dass trotz Verkauf des Werkes den verbliebenen 40 uigurischen Mitarbeitern die Fortsetzung ihres Arbeitsverhältnisses garantiert wurde, heißt es. Die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass Volkswagen es nie erfahren wird, ob und wie lange der neue Besitzer die Vereinbarung tatsächlich einhält.
Beim Deutschen Nachhaltigkeitspreis, dem größten Kongress seiner Art hierzulande, sehen sich die Organisatoren und Teilnehmenden mit zunehmenden Widerständen konfrontiert. “Der Wind dreht, die Nachhaltigkeit rutscht auf der Agenda immer weiter nach unten”, sagte zum Auftakt Günther Bachmann. Zu der negativen Stimmung trügen mehrere Faktoren bei, so der langjährige Generalsekretär des Rats für Nachhaltige Entwicklung: die hohen Energiepreise für die Industrie, zunehmende Regulierungen, rechte Populisten im EU-Parlament, die geplatzte Ampel-Koalition sowie die Wiederwahl von Donald Trump. “Einen solchen Rollback hatten wir noch nie.” Das 1,5-Grad-Ziel sei inzwischen gerissen worden.
Auch Rainer Kroker, Sustainability Leader bei PwC, erkennt aktuell einen klaren Negativtrend. “Nachhaltigkeit verliert an Boden.” Zugleich sieht er in seiner alltäglichen Praxis, dass die ersten reporting-pflichtigen Unternehmen, die ab 2025 nach der CSRD berichten müssten, dies trotz der bislang fehlenden deutschen Umsetzung tun werden. Und: “In den Umfragen sinkt die Bedeutung zwar, aber unser Geschäft wächst.” Viele Firmen würden Beratungen benötigen und Abschlussprüfer suchen – “es ist für uns nicht leicht, neue Mitarbeiter dafür zu finden”.
Unter Druck geraten ist derweil der Gründer des Deutschen Nachhaltigkeitspreises, Stefan Schulze-Hausmann. Ein Spiegel-Bericht wirft ihm vor, es mit der Compliance nicht so genau zu nehmen und sich an der zweitägigen Konferenz, die in diesem Jahr zum 17. Mal stattfindet, womöglich selbst zu bereichern. Demnach hätten mehrere Bundesministerien die Veranstaltung in den vergangenen Jahren mit mindestens 4,9 Millionen Euro gefördert. Das Geld sei an den Verein Stiftung Deutscher Nachhaltigkeitspreis geflossen, der dann die Coment GmbH als Generalauftragnehmer mit der Umsetzung betreut hätte. Gründer und alleiniger Geschäftsführer der GmbH: Stefan Schulze-Hausmann. Auf Anfrage von Table.Briefings wollte er sich nicht zu den Vorwürfen äußern.
Bei der zweitägigen Veranstaltung in Düsseldorf, die Freitagabend zu Ende geht, werden 100 Unternehmen als “Vorreiter der Transformation” ausgezeichnet. Darüberhinaus gibt es Sonderpreise in den “Transformationsfeldern” Klima, Ressourcen, Natur und Gesellschaft. cd/maw
Mittelständische Unternehmen halten einen Mix aus Maßnahmen für wichtig, um die doppelte Transformation zu Nachhaltigkeit und Digitalisierung erfolgreich zu gestalten. Einerseits müsse die Führung als Vorbild fungieren. Andererseits sei es nötig, Mitarbeitende aktiv in die Prozesse einzubeziehen und Kompetenzen auf allen Ebenen zu vermitteln. Zudem sei ein strukturiertes Vorgehen ebenso wichtig wie die Kooperation mit anderen Unternehmen. Zu diesen Schlüssen kommt eine Studie der Bertelsmann Stiftung und des Fraunhofer-Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO, die Table.Briefings exklusiv vorliegt.
Zwar verschiebe sich vor dem Hintergrund der aktuell schwierigen wirtschaftlichen Lage der Fokus von Firmen. “Dennoch kann sich kein Unternehmen zukunftsfähig aufstellen, das die Transformation aus dem Blick verliert“, sagt Birgit Wintermann, Wirtschaftsexpertin bei der Bertelsmann Stiftung. Gleichzeitig zeige die Studie, dass Nachhaltigkeit für Unternehmen, die die Transformation schon erfolgreich gestalten, zentraler Bestandteil der Geschäftsstrategie ist, heißt es in einer Mitteilung der beiden Organisationen.
Digitalisierung sei ein wichtiger Treiber für Innovationen auch hinsichtlich der Nachhaltigkeit, schreiben die Autoren. Die beiden Transformationen dürften daher nicht getrennt voneinander betrachtet werden. So helfe Digitalisierung etwa dabei, neue Geschäftsmodelle zu entwickeln, die darauf abzielen, durch Kreislaufwirtschaft Ressourcen zu sparen.
Eine klare Tendenz sehen die Autoren beim Verständnis von Nachhaltigkeit der untersuchten Unternehmen. Sie würden etwa die ganze Wertschöpfungskette betrachten, anstatt nur ihr eigenes Kerngeschäft. Darüber hinaus sähen sie Nachhaltigkeit nicht mehr nur “als Pflicht zur Vermeidung negativer Auswirkungen”, sondern zunehmend als “Chance für Innovation und neue Geschäftsmodelle”. Auch soziale Aspekte spielten vermehrt eine Rolle.
Für die Studie haben die Autoren Interviews mit Mitarbeitenden aus verschiedenen Abteilungen von 19 Unternehmen geführt. Ausgewählt wurden Unternehmen, die bereits Erfahrungen in der doppelten Transformation gesammelt hätten. Dazu gehören etwa Schüco, die Hamburger Hochbahn AG und die Viessmann Group. nh
Der Europäische Rat hat am Donnerstag die neue EU-Kommission unter der Führung von Ursula von der Leyen ernannt. Die Amtszeit beginnt am 1. Dezember und dauert fünf Jahre. Am Mittwoch hatte das EU-Parlament der Ernennung nach langem Streit mehrheitlich zugestimmt.
In ihrer Rede im Europaparlament kündigte die Kommissionspräsidentin an, als Erstes einen “Wettbewerbsfähigkeitskompass” präsentieren zu wollen. Dieser soll Orientierung bieten für die Arbeit der Behörde und auf drei Säulen des Draghi-Berichts fußen. Die wesentlichen Ziele:
Bereits vor zwei Wochen hatte von der Leyen angekündigt, die Berichtspflichten aus der Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung CSRD, der Taxonomie-Verordnung und der Lieferkettenrichtlinie CSDDD stärker zusammenzufassen. Deren Ziele würden aber nicht infrage gestellt, betonte sie.
Die Kommission will früh ihren Clean Industrial Deal präsentieren. Koordiniert werden die Vorschläge von den Vizepräsidenten Teresa Ribera und Stéphane Séjourné. Ribera wird sich dabei um den Aspekt der staatlichen Beihilfen kümmern. Insbesondere soll sie dafür sorgen, dass bald neue IPCEIs (Important Projects of Common European Interest) lanciert werden und Prozesse unter bestehenden IPCEIs schneller werden.
Séjourné soll sich stärker um die Nachfrageseite kümmern. In seinem Parlamentshearing hatte er angekündigt, schon bald einen Plan für die Stahlindustrie vorzulegen. Zudem will er früh im nächsten Jahr die ersten strategischen Projekte unter dem Critical Raw Materials Act (CRMA) definieren.
Mit einem Paket für die Chemieindustrie wollen Séjourné und Umweltkommissarin Jessika Roswall erneut die REACH-Verordnung und das Thema Ewigkeitschemikalien (PFAS) angehen. Den beiden obliegt es zudem, einen Circular Economy Act vorzulegen, durch den der Markt für Sekundärmaterialien gestärkt und ein Binnenmarkt für Müll geschaffen werden soll.
Zum Clean Industrial Deal sollen laut Klimakommissar Wopke Hoekstra neben Investitionsanreizen auch Regelungen zu Leitmärkten und Fachkräften sowie ein Aktionsplan für bezahlbare Energie gehören. tho, mgr, jaa, ber, av
Deutschlands größter Vermögensverwalter, die DWS Group, muss sich wegen Greenwashing-Vorwürfen verantworten – diesmal in Deutschland. Nachdem für die Fondstochter der Deutschen Bank in den USA bereits eine Millionenstrafe für irreführendes ESG-Marketing fällig wurde, wird nun die erste Klage eines Anlegers vor einem deutschen Gericht verhandelt. Das Landgericht Frankfurt hat als Verhandlungstermin den 25. März 2025 festgelegt, teilte die Kanzlei des Klägers Goldenstein Rechtsanwälte in einer Meldung von Mittwoch mit.
Laut der Kanzlei hatte der Anleger 20.758,40 Euro in einen ESG-Fonds der DWS investiert. Damit wollte er nicht nur eine Rendite erwirtschaften, sondern auch “einen positiven Beitrag für Umwelt und Gesellschaft” erzielen. Es habe sich allerdings gezeigt, “dass der Fonds zwar mit dem Merkmal ESG beworben wurde, jedoch keine nachvollziehbare ESG-Anlagestrategie verfolgt. So fließen Investitionen unter anderem in Unternehmen, die weder Umweltschutz noch soziale Verantwortung in ausreichendem Maß berücksichtigen”. Dazu zählt die Kanzlei etwa die Öl- und Gasunternehmen Wintershall Dea und Itochu Corporation. Nun fordert der Anleger die Rückzahlung seines vollständigen Investments.
“Unser Mandant hat darauf vertraut, dass ein als ESG-Fonds deklarierter Fonds auch tatsächlich nachhaltig ist”, erklärt Rechtsanwalt Claus Goldenstein, Inhaber und Geschäftsführer von Goldenstein Rechtsanwälte. Er ergänzt: “Die DWS hat jedoch bewusst verschwiegen, wie sie die Einhaltung von ESG-Kriterien kontrolliert, betroffene Anleger dadurch in die Irre geführt und gegen EU-Recht verstoßen.”
Eine Sprecherin der DWS teilte auf Nachfrage von Table.Briefings dazu mit, sie hätten “die Klage der Kanzlei Goldenstein zur Kenntnis genommen, halten sie jedoch für unbegründet. Darüber hinaus äußern wir uns nicht zu Details laufender Verfahren.”
Die Klage wurde bereits im Dezember 2023 eingereicht. Das Landgericht Frankfurt soll klären, ob die DWS durch unvollständige oder irreführende Angaben in Werbematerialien gegen Vorschriften des Wettbewerbsrechts und der Prospekthaftung verstoßen hat. aga
Das staatliche Textilsiegel “Grüner Knopf” habe in den fünf Jahren seines Bestehens eine erhebliche Verbreitung in Deutschland gefunden. Das sagte die Parlamentarische Staatssekretärin im BMZ, Bärbel Kofler, bei der Jubiläumsveranstaltung am Mittwoch in Berlin.
Sie lobte, dass mittlerweile:
Das Metasiegel prüft, ob andere Nachhaltigkeitsinitiativen seine Standards erfüllen. Das gilt bislang für rund 20 Siegel, darunter Fairtrade, Oeko-Tex und der Global Organic Textile Standard. Der Prüfprozess habe bei einigen Siegeln Verbesserungsnotwendigkeiten aufgezeigt, sagte Michael Windfuhr, Vizedirektor des Deutschen Instituts für Menschenrechte, besonders hinsichtlich sozialer Bedingungen.
Trotz der zwischenzeitlichen Einführung des deutschen Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes (LkSG) und der Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD) der EU erfülle der Grüne Knopf eine wichtige Funktion, befand Windfuhr. Denn die Anforderungen des freiwilligen Produktstandards überträfen die Vorgaben der Sorgfaltspflichtengesetze.
Unternehmen könnten sich mit dem Grünen Knopf differenzieren, sagte Johanna von Stechow, Direktorin für Unternehmensverantwortung bei Tchibo. Trotzdem sei noch unentschieden, ob Tchibo den Grünen Knopf dauerhaft beibehält oder sich auf die CSDDD beschränkt.
Die beteiligten Stakeholder aus Wirtschaft, Politik, Zivilgesellschaft und Wissenschaft haben das Metasiegel seit Bestehen weiterentwickelt und die Messlatte höher gelegt, etwa hinsichtlich existenzsichernder Löhne bei Zulieferbetrieben. Diesen anspruchsvolleren Ansatz des “Grüner Knopf 2.0” verfolgen aber nur 60 Unternehmen. Ein “Grüner Knopf 3.0” könne etwa das Thema Gewalt gegen Frauen adressieren, sagte von Stechow. cd
ESG investing: Republican US states sue BlackRock for ‘destructive’ green agenda – Financial Times
Erneut gehen die Generalstaatsanwälte republikanisch regierter US-Bundesstaaten gegen Finanzinstitute vor, denen sie eine “woke” ESG-Agenda vorwerfen. Die Vermögensverwalter BlackRock, State Street und Vanguard sollen sich abgesprochen haben, mittels ihrer Beteiligungen an Kohleunternehmen das Angebot zu verknappen. Ziel der Vermögensverwalter sei es gewesen, ihre Netto-Null-CO₂-Emissionsziele zu erreichen, heißt es in der Klageschrift. Zum Artikel
Wie soll es hier nur weitergehen? – Süddeutsche Zeitung
Elisabeth Dostert und Thomas Fromm zeigen anhand des BASF-Werkes in Ludwigshafen, welche Folgen die veränderte weltwirtschaftliche Lage und die notwendige Transformation haben – für die Firma und darüber hinaus: Aus alten und stolzen Unternehmen würden “Restrukturierungsfälle”, schreiben sie. Aber BASF unternähme viel, um den Standort zukunftsfest zu machen. Zum Artikel
“Zieljahre sind nicht in Stein gemeißelt” – Handelsblatt
Zwar bekennt sich der BDI-Präsident Siegfried Russwurm im Interview mit Julian Olk und Klaus Stratmann zur Dekarbonisierung der Industrie. Dennoch sieht er das Klimaneutralitätsziel Deutschland bis 2045 kritisch. Es fehlten die erforderlichen Backup-Gaskraftwerke. Statt über Klimaziele wolle er lieber über Investitionsbedingungen sprechen. Zum Artikel
Klage gegen Finanzierung der Strompreisbremse gescheitert – Frankfurter Allgemeine Zeitung
Das Bundesverfassungsgericht hat eine Verfassungsbeschwerde von 22 Ökostromanbietern gegen die Strompreisbremse abgewiesen. Die Richter entschieden, dass die Abschöpfung von Übergewinnen weder einen ungerechtfertigten Eingriff in die Berufsfreiheit noch eine verfassungswidrige Sonderabgabe darstellt, schreibt Katja Gelinsky. Zum Artikel
Leih dich glücklich – Die Zeit
Black Week-Deals und vorweihnachtliche Rabattaktionen heizen den Konsum an. Henrik Rampe beleuchtet Ideen und Geschäftsmodelle, die stattdessen dem Gebot “Leihen statt Kaufen” folgen. Darunter einen Vintage-Laden in Hamburg. Doch es sei schwer, aus dem Sharing-Modell finanziell nachhaltige Geschäftsmodell zu entwickeln. Zum Artikel
Feuerliste veröffentlicht: Elon Musk verbreitet Schrecken unter US-Beamten – T-Online
Elon Musk soll für die künftige Trump-Administration den Verwaltungsapparat umkrempeln. Erste Entlassungen hat er auf seiner Plattform X bereits angekündigt – und dabei sogar die Namen von vier Mitarbeitern genannt. Sie arbeiten in ESG-Bereichen, etwa eine leitende Beraterin für Umweltgerechtigkeit im Gesundheitsministerium und eine Klimaberaterin im Wohnungsministerium. Zum Artikel
Batterien in Deutschland fertigen: So kann es gelingen – Automobil Industrie
Auf dem ersten Battery Manufacturing Day in Karlsruhe haben sich rund 120 Unternehmen und Wissenschaftler der Branche darüber verständigt, wie eine effiziente Batterieproduktion in Deutschland und Europa in Zukunft aussehen kann. An Forschung und praktischen Lösungen mangele es nicht, schreibt Gernot Goppelt. Zum Artikel
Nicht nur der alljährliche Verkauf von Weihnachtsplätzchen und Schokolade, auch die Rabattaktionen rund um den Black Friday beginnen immer früher und dauern immer länger an. Der aus den USA importierte Black Friday ist ein wichtiges Shopping-Event für den Einzelhandel und wird traditionell am Freitag nach Thanksgiving ausgerufen. Konsumentinnen und Konsumenten profitieren von systematischen Preisnachlässen und Rabatten, werden oftmals aber durch manipulative Verkaufs- und Marketingtaktiken zu übermäßigem und impulsivem Kaufverhalten verleitet.
Vor diesem Hintergrund gewinnen Kampagnen an Aufmerksamkeit, die kritisch zu den Rabattschlachten stehen und zu bewusstem Konsum aufrufen. Zum Beispiel die Taschenmarke Freitag, die ihre Läden und ihren Online-Shop am Black Friday schließt und Besucherinnern und Besucher auf die Tauschplattform S.W.A.P. umleitet. Zusätzlich veranstaltet das Unternehmen weltweit Taschentausch-Events in seinen Stores. Kritische Worte findet auch der Smartphone-Hersteller Fairphone und titelt prominent auf der Webseite “Black-Friday-Hype? Nein, danke”. Statt Rabattaktionen informiert das Unternehmen über Reparatur- und Wartungsmöglichkeiten sowie den Zugang zu Ersatzteilen. Als Anreiz zur möglichst langen Nutzung seiner Smartphones bietet das Unternehmen zudem fünf Jahre Garantie und längere Software-Unterstützung an.
Diese Beispiele verdeutlichen, wie suffizienzorientierte Unternehmen ihre Reichweite und Medienpräsenz nutzen, um Konsumentinnen und Konsumenten für die Folgen ihres Konsums zu sensibilisieren und ressourcenschonende Alternativen aufzuzeigen. Verzicht auf Marketing- und Verkaufskampagnen, Angebote für Secondhand-Ware und Tausch- und Teilplattformen sind dabei gängige Ansätze. Auch Abonnement-Modelle als Beitrag zur Kreislaufwirtschaft sind denkbar, wie mit dem Programm Cyclon von der Schuhmarke ON. Aber auch schon bei der Produktgestaltung können Kriterien wie Langlebigkeit, Modularität oder Recyclingfähigkeit eine Rolle spielen, damit Produkte bis zum Ende ihrer Lebensdauer genutzt werden.
All dies fällt in den externen Verantwortungs- und Wirkungsbereich des sogenannten maßvollen Wirtschaftens. Darüber hinaus können Unternehmen auch intern Maßnahmen zur Reduktion ihres Ressourcenverbrauchs ergreifen, etwa durch die Begrenzung von Gewinnerwartungen und Wachstumszielen, die Beschränkung des Produktionsvolumens oder die Entscheidung für eine nicht-gewinnorientierte Eigentümerstruktur. Ziel ist es, ein ausgewogenes Verhältnis zwischen wirtschaftlichem Erfolg und der Schonung natürlicher Ressourcen zu finden. Im Mittelpunkt steht dabei nicht Wachstum und Profit, sondern das Gemeinwohl.
Suffizienzorientierte Geschäftsmodelle sind noch recht neu, und es fehlt an umfangreichen Erfahrungswerten und belastbaren Daten zur Messung ihres Erfolgs. Erste Studien zeigen jedoch, dass Konsumentinnen und Konsumenten Suffizienzbotschaften als glaubwürdig und ansprechend wahrnehmen, was sich positiv auf das Image der Unternehmen auswirkt. Für viele Unternehmen sind diese Reputationsgewinne ein wesentlicher Grund, suffizienzorientierte Angebote zu entwickeln. Langfristige Kundenbindung, die Erschließung neuer Geschäftsfelder durch Diversifizierung sowie Kostensenkungen durch die Vermeidung von Überproduktion zählen zu weiteren Vorteilen.
Das klingt radikal oder gar utopisch? Die genannten Beispiele zeigen, dass maßvolles Wirtschaften für einzelne Unternehmen funktionieren kann. Doch die Skalierung und Verbreitung suffizienzorientierter Geschäftsmodelle gestaltet sich schwierig, da strukturelle Hindernisse im wachstumsorientierten Wirtschaftssystem und in der materialistisch geprägten Konsumkultur bestehen.
Nicht-profitorientierte Unternehmensideen haben es oft schwer, Startkapital von Investoren und Banken zu akquirieren. Und wenn Unternehmen ihre Gemeinwohlausrichtung den Gewinnerwartungen unterordnen, können sie im von Expansions- und Profitzielen getriebenen Wettbewerb nicht mithalten. Denn suffizienzorientierte Unternehmen verstehen unter Gewinn und Erfolg häufig etwas anderes. Auch sie müssen rentabel sein, betrachten Wachstum aber nicht als Selbstzweck. Stattdessen zielen sie darauf ab, Aspekte wie Angebotsqualität und Werte zu vergrößern und streben an, im Netzwerk mit anderen gleichgesinnten Unternehmen zu wachsen, statt einzeln als Unternehmen.
Im kapitalistischen Wirtschaftssystem sind solche Unternehmen auch deswegen benachteiligt, weil Subventionen und Steuerregelungen gewinnorientierte Modelle fördern. Daher sind sie auf Unterstützung durch die Politik angewiesen. Ein Ansatz wäre, diese asymmetrischen Voraussetzungen durch verbesserten Zugang zu Investitionskapital und Fördermitteln auszugleichen. Ebenso könnten gesetzliche Maßnahmen wie ein Reparaturbonus oder längere Produktgarantien Anreize für langlebigere und bessere Produkte schaffen. Eine weitere Möglichkeit wäre, durch ordnungspolitische oder fiskalische Maßnahmen nicht-nachhaltiges Wirtschaften zu sanktionieren, etwa durch Steuern auf Materialimporte in Abhängigkeit von Transportwegen, um lange und intransparente Lieferketten zu verhindern.
Die aktuell schwächelnde Wirtschaft bietet eigentlich eine gute Gelegenheit, einige ökonomische Gewissheiten zu hinterfragen und die Potenziale eines maßvollen Wirtschaftsstil für Unternehmen und die Menschen zu realisieren – vielleicht ein Thema für den anstehenden Wahlkampf?
Dr. Maike Gossen lehrt und forscht an der TU Berlin im Fachgebiet Arbeitslehre/Ökonomie und Nachhaltiger Konsum. Zuvor hat sie unter anderem das Forschungsprojekt Green Consumption Assistant geleitet und zu suffizienzförderndem Marketing von Unternehmen promoviert.
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