in diesen Tagen zeigt sich, wie schwierig die Gestaltung der Transformation für die Politik ist. Ohne eine solche Lenkung durch die Politik wird die Schaffung einer Wirtschaft, die innerhalb der planetaren Grenzen zu arbeiten versteht, utopisch bleiben. Denn nur wenige Unternehmen würden aus freien Stücken nachhaltige Geschäftsmodelle etablieren.
Wie unzureichend das Prinzip Freiwilligkeit wirkt, zeigte sich etwa bei der Umsetzung des Nationalen Aktionsplans für Menschenrechte. Deswegen entschied sich die Politik hinsichtlich der Lieferketten von deutschen Unternehmen nun für Verbindlichkeit, erst auf nationaler Ebene in Frankreich, Deutschland und vielen anderen Ländern. Jüngst dann auch auf europäischer Ebene.
Wie schwer es manchen Vertretern der Wirtschaft fällt, sich auf diese neue Realität einzulassen, macht Torsten Safarik, Präsident des Bundesamts für Wirtschaft- und Ausfuhrkontrolle, in unserem Interview deutlich: Verbandsvertreter würden zwar gerne in einer Demokratie leben, aber ihre Gesetze nicht immer gerne beachten. Gleichzeitig macht Safarik klar, dass sich kein Unternehmen wegen des LkSG aus einer Region oder einem Land zurückziehen müsse.
Andere Unternehmen gehen das Thema Lieferketten engagiert an. So stehen Mercedes, BMW und ZF kurz vor dem Start eines unternehmensübergreifenden Beschwerdemechanismus in Mexiko, in den sie viele Akteure aus Gewerkschaften und Zivilgesellschaft einbezogen haben. Um was es genau geht, beschreibe ich in unserer heutigen Ausgabe.
Guten Tag, Herr Safarik.
Wenn Sie gestatten, würde ich unserem Gespräch gerne eine Botschaft vorwegschicken.
Gerne.
Jeder, der das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz erfüllen will, kann es erfüllen. Auch, weil wir beim Bafa mit Augenmaß vorgehen.
Das bedeutet konkret?
Wenn wir überziehen und sich deswegen deutsche Unternehmen aus Märkten zurückziehen, sinkt bei uns der Wohlstand und Menschen verlieren ihren Arbeitsplatz. Aber damit würden wir auch den Menschenrechten einen Bärendienst erweisen. Denn dann übernehmen das Geschäft Unternehmen aus Ländern, in denen teils die Menschenrechte mit den Füßen getreten werden. Unser Ziel ist es, mit den deutschen Unternehmen die Menschenrechtslage in deren globalen Lieferketten zu verbessern.
Wie hilft das Bafa Unternehmen konkret?
Wir haben einen umfassenden Frage- und Antwortkatalog veröffentlicht und Handreichungen zu wichtigen Themen wie Risikoanalyse oder der Zusammenarbeit von Unternehmen in der Lieferkette. Aktuell arbeiten wir an vier weiteren Handreichungen.
Sie sprechen von einem Lernprozess?
Unternehmen und das Bafa durchlaufen eine Lernkurve. Aber auf beiden Seiten arbeiten Menschen und Menschen machen Fehler. Wir helfen Unternehmen bei Fehlern. Aber dafür müssen sich Unternehmen helfen lassen. Ich bringe gerne in diesem Zusammenhang das Bild einer Schafherde. Die meisten hiesigen Unternehmen sind weiße Schafe, die werden mit uns kaum etwas zu tun haben. Es gibt einige graue Schafe. Denen helfen wir, die Farbe zu wechseln. Nur die schwarzen Schafe, die nicht wollen, dürfen uns fürchten.
Hat Ihre Behörde genügend Mitarbeiter für das Thema Lieferketten?
Wir haben 101 Stellen Planstellen für die Aufgabe. Davon sind aktuell 87 besetzt. Ein weiterer Schwung kommt Anfang des Jahres. Dann werden 100 Kolleginnen und Kollegen in dem Bereich arbeiten. Eine gute Personalausstattung ist wichtig, aber ebenso wichtig sind digitale Verfahren. Und natürlich gilt es, die passenden Profile zu finden, die sich für die Aufgabe eignen.
Welche Qualifikationen haben diese Beschäftigten?
Manche kommen aus der Steuer- oder Zollfahndung. Einige haben vorher in Brüssel gearbeitet. Einige kommen frisch von der Uni. Wir haben auch etliche, die vorher in den Einkaufsabteilungen von Unternehmen gearbeitet haben. Sie können deswegen gut einschätzen, was machbar ist.
Sie bauen auch eine Risikodatenbank auf?
Dort sammeln wir unterschiedliche Informationen aus verschiedenen Quellen. Die öffentlichen Quellen werden wir in den nächsten Tagen bekannt geben.
Wie viele LkSG-Beschwerden sind beim Bafa seit Anfang des Jahres eingegangen?
38 Beschwerden – in sechs Fällen haben wir Unternehmen kontaktiert. Bei einigen Fällen prüfen wir noch, ob wir Unternehmen kontaktieren werden. Aber bei der Mehrheit der Fälle haben wir die Vorgänge relativ schnell wieder geschlossen. Bei einem Teil fielen die adressierten Unternehmen nicht unter das LkSG. Bei anderen Unternehmen lag keine begründete Verletzung gemäß LkSG vor und stand auch nicht unmittelbar bevor.
Wie substantiell sind die Beschwerden?
Zu Einzelfällen äußere ich mich nicht. Aber gerade Fälle, die breit in den Medien diskutiert wurden, zeichnen sich nicht immer durch eine hohe Substanz aus, um das mal diplomatisch zu beurteilen. Wir arbeiten gut zusammen mit einer Reihe zivilgesellschaftlicher Akteure, denen es wirklich darum geht, die Menschenrechtslage zu verbessern oder Unternehmen besser zu befähigen. Andere Akteure missbrauchen das LkSG für Kampagnen. Es kam schon vor, dass zuerst die Presse über einen angeblich gestellten Antrag informiert wurde, bevor er bei uns einging. Häufig ist an solchen Anträgen nichts dran.
Kann man den Rückschluss ziehen, dass die Beschwerden, denen Sie nachgehen, gar nicht in der Öffentlichkeit bekannt sind?
Das sage ich so nicht, sonst könnten sie Rückschlüsse daraus ziehen, welche Fälle ich meine.
In welcher Form wird das Bafa die Öffentlichkeit über die Beschwerden informieren?
Wir werden in einem jährlichen Rechenschaftsbericht aggregierte Informationen mitteilen.
Bekommen die Beschwerdeführenden von Ihnen Feedback?
Wenn jemand bei uns einen formalen Antrag stellt, der nicht anonym ist, dann bekommt er von uns eine Information. Bei Hinweisen ist es etwas anderes. Wenn wir einen Hinweis bekommen, ist es ja unser Ermessen, ob wir diesem Hinweis nachgehen. Ein Hinweisgeber bekommt von uns keine Rückmeldung, was wir getan haben.
Wie geht das Bafa mit substanziierten Beschwerden um?
Wir kontaktieren das Unternehmen und in Abhängigkeit von der Antwort entscheiden wir, ob wir weitere Maßnahmen ergreifen. Eskaliert es, dann könnten wir auch an das Werkstor anklopfen. Wir dürfen in die Bücher schauen. Aber wir nehmen keine Vorverurteilungen vor und agieren als neutraler Ermittler.
Wie war das im Fall der streikenden LKW-Fahrer in Gräfenhausen?
Bei dem ersten der beiden Streiks haben wir Unternehmen kontaktiert, ohne dass es die Presse erfuhr. Die Unternehmensantworten stellten uns zufrieden. Aber als dann eines der Logistikunternehmen bei dem zweiten Streik wieder auftauchte, haben wir intensiver nachgefragt, um das mal diplomatisch zu formulieren. Über unsere Auswertungen zum zweiten Streik insgesamt war ich erschrocken: Fünf Prozent aller LkSG-pflichtigen Unternehmen waren involviert. Fünf Prozent sind extrem viel, zumal sich dies nur auf die direkten Vertragspartner bezieht. Daher hatte ich als erste Reaktion darauf einen Krisengipfel mit Arbeitgebern, Verbänden, Gewerkschaft und Zivilgesellschaft aus der Transportbranche durchgeführt.
Welche Faktoren für menschenrechtliche Risiken haben sie identifiziert?
Die Vergabe von Aufträgen an Sublieferanten und der Spotmarkt, über den kurzfristige Aufträge vergeben werden, haben ein hohes Risiko von menschenrechtlichen Verstößen. Möglicherweise gibt es weitere Risiken. Ende Januar, Anfang Februar treffen wir uns wieder.
Seit Anfang 2023 müssen LkSG-pflichtige Unternehmen einen Beschwerdemechanismus haben. Erfüllen sie die Anforderungen?
Wir haben etliche Unternehmen angeschrieben und gefragt, wie es ausschaut. Wir sehen Verbesserungsbedarf. Denn so ein Beschwerdemechanismus muss verständlich und adressatengerecht und gut auffindbar sein. Aber Betroffene können sich auch direkt bei unserer Behörde beschweren.
Kommt es vor, dass Beschäftigte aus den Zulieferketten deutscher Unternehmen sich bei ihnen melden?
Dazu äußere ich mich nicht.
Sind Situationen denkbar, in denen sich Unternehmen aus Regionen oder ganzen Ländern zurückziehen müssen, weil sich sonst die Anforderungen des LkSG nicht erfüllen würden?
Nein. Denn es geht immer um Befähigung vor Rückzug und eine Bemühenspflicht der Unternehmen, keine Erfolgspflicht. Manche Unternehmen ziehen sich aus anderen Gründen aus einem Markt zurück, verweisen aber zur Begründung auf das Gesetz.
Einige Wirtschaftsakteure halten das LkSG immer noch für einen großen Fehler der Politik.
Einige Institutionen kritisieren leider medial massiv das Gesetz und erzeugen damit viel Unruhe. Das bedauere ich. Ich wünschte mir, sie würden stattdessen ihren Mitgliedsunternehmen mehr bei der Umsetzung des Gesetzes helfen. So wie bei der Zivilgesellschaft unterscheide ich auch bei den Arbeitgeberverbänden. Mit manchen arbeiten wir gut zusammen, weil sie ihren Mitgliedern wirklich bei der Umsetzung des Gesetzes helfen. Aber es gibt auf der anderen Seite auch welche, die sich zwar freuen, dass sie in einer Demokratie leben, aber trotzdem Probleme damit haben, dass man in einer Demokratie Gesetze einhalten muss.
“Ziel ist es, Herausforderungen aufzugreifen und abzustellen, die alle Unternehmen in der Automobilindustrie gleichermaßen betreffen“, teilte Mercedes auf Anfrage gegenüber Table.Media mit. Dabei gehe es verstärkt darum, “die Perspektive der Menschen vor Ort einfließen zu lassen”. Deswegen bestehe ein wesentlicher Teil der Aufbauarbeit aus einem Dialog mit regionalen NGOs und lokalen Gemeinschaften.
Die Planung des unternehmensübergreifenden Beschwerdemechanismus (UBSM) dauerte deutlich länger als ursprünglich geplant. Nun prüften die Unternehmen laut Table.Media-Informationen gerade die Verträge in ihren Rechtsabteilungen. Der operative Start des Pilotprojekts soll im Frühjahr erfolgen. Hervorgegangen ist der UBSM aus einem Branchendialog der Automobilindustrie im Rahmen des Nationalen Aktionsplan für Unternehmen und Menschenrechte der Bundesregierung.
Durchführen soll den UBMS ein unabhängiges Expertengremium in Mexiko. Darüber hinaus würden operative Koordinationsstellen in Deutschland und Mexiko angesiedelt, heißt es bei Mercedes. Die vorgesehenen Verfahrensschritte seien “partizipativ angelegt und berücksichtigten Qualitäts- und Wirksamkeitsstandards”:
Das Projekt beruht auf einem Multistakeholder-Ansatz, beteiligt sind neben den drei deutschen Unternehmen folgende Akteure:
Mexiko ist ein wichtiger Standort für die deutsche Automobilindustrie, für den Vertrieb, eigene Produktion und die vorgelagerte Lieferkette.
Aber Bosch macht operativ nicht mehr mit. Für Beteiligte kam dieser Schritt “überraschend”. Bei Bosch selbst heißt es dazu: Man sehe “ausreichende Möglichkeiten, die Ziele mit seinem weltweit bestehenden Beschwerdemechanismus zu erreichen, ohne weitere Strukturen aufbauen zu müssen”. Aber weil man um den Pilotcharakter des Projektes für zivilgesellschaftliche Organisationen wisse, unterstütze man das Projekt weiter finanziell. Volkswagen hatte schon früher einen Rückzieher beim UBSM gemacht und setzt auf den eigenen Beschwerdemechanismus.
Bislang müssen Unternehmen mit mehr als 3.000 Beschäftigten nach dem deutschen Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) einen eigenen funktionierende Beschwerdemechanismus vorhalten, ab 2024 auch solche mit 1000 Beschäftigten. Dabei bietet sich die Zusammenarbeit zwischen Unternehmen an, weil sie häufig die gleichen Zulieferer und Aufgaben in einem Produktionsland haben. Mexiko wiederum ist für ein Pilotprojekt geeignet, weil es ein wichtiger Standort für die deutsche Automobilindustrie ist und es dort vergleichsweise freie Gewerkschaften gibt. Problemlos ist die Lage laut dem globalen Rechtsindex des Internationalen Gewerkschaftsbundes aber auch nicht. Zwar ist die Vereinigungsfreiheit in der Verfassung verankert und gesetzlich geregelt. Aber die Beschäftigten sind vor gewerkschaftsfeindlicher Diskriminierung nicht ausdrücklich gesetzlich geschützt und die Gründung einer Gewerkschaft erfordert die Genehmigung oder Billigung der Behörden.
Die beteiligten Unternehmen wollen mit diesem Mechanismus sogar über die Anforderungen des LkSG hinausgehen. Demnach sind Unternehmen zunächst einmal nur für die Situation bei direkten Lieferanten mit in der Verantwortung. Um die Verhältnisse bei Zulieferern in der tieferen Lieferketten müssen sie sich nur kümmern, wenn sie von Missständen erfahren. Dafür sind Beschwerdemechanismen ein wichtiges Vehikel. Mit dem UBSM wollen BMW, Mercedes und ZF bewusst auch Zulieferer in der tieferen Lieferkette adressieren, die sie über die unternehmenseigenen Beschwerdemechanismen oft nur schlecht erreichen können.
Die Finanzierung des unternehmensübergreifenden Beschwerdemechanismus erfolgt jeweils zur Hälfte durch die GIZ geführte Initiative Globale Solidarität, finanziert mit öffentlichen Geldern des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit. Die andere Hälfte steuern die beteiligten Unternehmen bei. Das Projekt läuft zunächst bis Ende 2025.
Hohe Strompreise stellen die Zukunft der energieintensiven Grundstoffindustrie in Deutschland infrage:
Ökonomen und Praktiker aus dem sozial-ökologischen Lager schätzen die langfristigen Überlebenschancen der energieintensiven Industrie in Deutschland ganz unterschiedlich ein – und kritisieren die undifferenzierte und widersprüchliche Subventionspolitik.
Eine Studie des SPD-nahen Thinktanks “Dezernat Zukunft” kommt zu einem klaren Ergebnis: “Deutschland wird auch langfristig Energiekostennachteile gegenüber anderen Industriestandorten haben.” Denn in Deutschland seien die Gestehungskosten grüner Stromproduktion – die Summe aus Finanzierung, Bau und Betrieb – doppelt so hoch wie in Australien, Chile oder Marokko. Dort sind die natürlichen Bedingungen für Photovoltaik und Windkraft deutlich günstiger.
Die Folgerung: In Deutschland könnten nur nachgelagerte Schritte der Grundstofferzeugung und Schritte bei der Weiterverarbeitung verbleiben, “bestehende Industriestrukturen” sollte die Regierung nicht “konservieren”. Denn etwa Aluminium, Ammoniak und Rohstahl seien hierzulande nicht konkurrenzfähig herzustellen.
Allerdings legt Dezernat Zukunft die Kosten für grünen Strom besonders hoch an: einzig Offshore-Stromerzeugung und Strom aus grünem Wasserstoff – der zeitweilige Flauten überbrücken soll – kämen demnach infrage. Anders sei “grundlastfähiger Strom” in Deutschland nicht zu erhalten, da an Land erzeugter Sonnen- und Windstrom nicht verlässlich zur Verfügung stünde.
Der Thinktank Agora hingegen sieht durchaus Möglichkeiten, zumindest im innereuropäischen Wettbewerb konkurrenzfähige Preise in Deutschland zu erreichen. Sie raten der Bundesregierung zu einer Reform der Netzentgelte-Verordnung. Diese fördert bislang, angepasst an die frühere schwankungsfreie Stromproduktion aus Kohle, Gas und Atomkraftwerken, gleichmäßigen Strombezug durch Großverbraucher. In Zukunft sollte hingegen die zeitliche Anpassung der Industrieproduktion an die schwankende Verfügbarkeit von Sonnen- und Windstrom attraktiv sein. Weitere Maßnahmen wie die Europäisierung des Stromnetzes könnten Strompreisspitzen zusätzlich minimieren.
Ähnlich argumentiert Frank Koch, CEO der Swiss Steel Group. Sein Unternehmen setzt beim Recycling von Stahlschrott auf strombetriebene Öfen. Mit solchen Ansätzen gewann Swiss Steel in diesem Jahr den deutschen Nachhaltigkeitspreis in der Metallsparte. Mit den Elektrolichtbogenöfen wie in Werken in Witten und Siegen hat Swiss Steel bereits die Flexibilität, nur am Wochenende zu produzieren – wenn die Strompreise am Spotmarkt niedrig sind. Was dem Unternehmer trotzdem fehlt, sind “Verfügbarkeit und Planbarkeit” des Stromangebots: verlässlich, zu guten Konditionen, möglichst aus erneuerbaren Energiequellen.
Auch Koch befürwortet gezielte Subventionen. Denn: “Die Gesellschaft fordert eine schnelle Umstellung, was die Unternehmen nicht so einfach umsetzen können”. Die Senkung der Stromsteuer ist ihm hingegen von der Politik zu breit angelegt – Großverbrauchern wie Swiss Steel nütze diese teure Subvention wenig, insbesondere, wenn nun die Netzentgelte steigen.
Einen verwandten, aber radikaleren Ansatz bevorzugt Greenpeace. Im “Zukunftsplan Industrie” kritisieren die Umweltschützer Stromsubventionen und andere klimaschädliche Beihilfen grundsätzlich. Dafür gibt der Staat nach ihren Berechnungen jährlich 16 Milliarden Euro aus – während für industrielle Investitionen in Klimaschutz nur 2,8 Milliarden Euro Fördermittel zur Verfügung stünden. “Um die Transformation voranzubringen, hilft es uns nicht, wenn wir Strompreise pauschal billiger machen”, sagt Bastian Neuwirth, Wirtschaftsexperte von Greenpeace. Der Empfängerkreis werde riesig, Subventionen teuer und Stromsparanreize untergraben.
Neuwirth plädiert stattdessen für “gezielte Förderungen, die Unternehmen anreizen, auf strombasierte, effiziente Verfahren mit erneuerbaren Energien umzusteigen.” Darüber hinaus solle die Bundesregierung nur energieintensive Betriebe subventionieren, die im internationalen Wettbewerb stehen, sofern “diese Unternehmen dann auch verpflichtend Klimaschutzmaßnahmen umsetzen” und in Energieeffizienz investieren.
Für Achim Truger, Mitglied des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, steht die Debatte um die Industriestrompolitik erst am Anfang. Für ihn gehört eine “Brücke in die Erneuerbaren, in die Zukunft” für die energieintensive Industrie zu den Kriterien für eine konsistente Industriestrompolitik. Hinzu käme die Frage der Dekarbonisierung der Produktion: “Was muss man tun, damit die hier dekarbonisieren und es kein Carbon Leakage ins Ausland gibt?” Doch diese Verhinderung von CO₂-Abwanderung von emissionsintensiven Industrien koste einiges an Geld.
Daher sei es auch richtig, geostrategisch danach zu fragen, “welche Branchen man berechtigterweise in Europa oder im Inland halten sollte”. Die Transformation der Wirtschaft benötige beispielsweise viel Stahl. “Es ist wahrscheinlich keine kluge Strategie zu sagen: Ja, den Stahl bekommen wir in Zukunft aus Asien.” Die Stahlindustrie in Deutschland zu halten, sei jedoch nicht ohne öffentliche Mittel zu realisieren. “Und da muss man eben auch die Rechnung dafür bezahlen”, sagt Truger.
10. Januar 2024, 18:00 Uhr
Vortrag Neue Materialforschung für die Kreislaufwirtschaft – Kreislauffähige Werkstoffsysteme für Resilienz und Souveränität (Stiftung Demokratie Saarland) Info & Anmeldung
11.-12. Januar 2024
Agrarpolitische Tagung Wasser und Klimawandel: Herausforderungen und Chancen beim Schutz der Ressource Wasser in Zeiten des Klimawandels (FES) Info & Anmeldung
16. Januar 2024, 10:00-17:30 Uhr
Agrarkongress 2024 Natürlicher Klimaschutz und Klimaanpassung in Partnerschaft mit der Landwirtschaft (BMUV, UBA und BfN) Info & Anmeldung
17. Januar 2024, 18:00 Uhr
Vortrag Revolution im Stall und Rumor in der Gesellschaft: Zur Transformation landwirtschaftlicher Tierhaltung im 20. Jahrhundert (Stiftung Demokratie Saarland) Info & Anmeldung
17. bis 19. Januar 2024
Kongress International Electronics Recycling Congress IERC 2024 Info & Anmeldung
22.-23. Januar 2023
Seminar Gestaltung nachhaltiger Logistik: kompakt – Nachhaltigkeit verstehen, gestalten und steuern (BVL Seminare) Info & Anmeldung
23.-25. Januar 2024
Konferenz Handelsblatt Energiegipfel 2024 Info & Anmeldung
24. Januar 2024, 9:00 Uhr
Webinar Sustainability Year 2024 – kompaktes Update für Unternehmen (Ecosense) Info & Anmeldung
24. Januar 2024, 09:30-13:00 Uhr
Workshop Was bedeutet Rechtspopulismus für den grünen Wandel? (Kompetenzzentrum Nachhaltiger Konsum) Info & Anmeldung
25. Januar 2024, 09:00 bis 15:45 Uhr
Online-Schulung Nachhaltige öffentliche Beschaffung (Kompetenzstelle für nachhaltige Beschaffung) Info & Anmeldung
Dies geht aus einer am 14. Dezember 2023 veröffentlichten Liste der förderfähigen Elektrofahrzeuge hervor. Die Maßnahme betrifft nicht nur chinesische Hersteller. Sie gilt auch für Automobilhersteller aus Europa und anderen Teilen der Welt, die in China für den französischen Markt produzieren.
Mit der Reform des “Bonus écologique” sollen nach Angaben der Regierung in Paris vor allem strengere Umweltkriterien durchgesetzt werden. Gleichzeitig hat Wirtschaftsminister Bruno Le Maire in den vergangenen Monaten keinen Zweifel daran gelassen, dass er die heimische Autoindustrie vor einer unfairen Subventionspolitik schützen will. Neben Frankreich geht inzwischen auch die EU-Kommission gegen China vor. Geprüft werden Strafzölle auf den Import von Elektroautos nach Europa.
Um in Frankreich förderfähig zu sein, muss ein Elektroauto künftig mindestens 60 von 100 Punkten im neu geschaffenen “Score environnemental” erreichen. Ausschlaggebend dafür ist der CO2-Fußabdruck bei der Materialbeschaffung, der Herstellung sowie beim Transport nach Frankreich. Außerdem darf es nicht mehr als 47.000 Euro kosten.
Wie die aktuelle Liste zeigt, erreichen fast alle in Europa produzierten Elektroautos die erforderliche Umweltpunktzahl, darunter eine ganze Reihe von E-Modellen der deutschen Marken BMW, Mercedes-Benz, Opel und VW. Importierte Fahrzeuge aus China sind dagegen nicht mehr dabei. Entscheidende Gründe sind der hohe Kohleanteil im Strommix des Landes und die große Entfernung der Produktionsstandorte zu Frankreich.
Damit sind bisher sehr populäre Elektroautos künftig von der Förderung ausgeschlossen:
Die Umweltprämie beträgt in der Regel 5.000 Euro, kann aber für Geringverdiener auf 7.000 Euro erhöht werden. Für diese Bevölkerungsgruppe hat die französische Regierung zudem ein besonders günstiges Leasing-Programm aufgelegt. Wer bis zu 15.400 Euro im Jahr verdient, mehr als 15 Kilometer vom Arbeitsplatz entfernt wohnt und über 8.000 Kilometer im Jahr beruflich mit dem Auto zurücklegt, kann künftig für weniger als 100 Euro im Monat ein Elektroauto leasen.
Für das “Leasing social” kommen nur preisgünstige, in der EU produzierte Kleinwagen infrage. Auf einer ebenfalls am 14. Dezember vorgestellten Liste stehen derzeit acht Modelle, darunter fünf Fahrzeuge französischer Hersteller, der Fiat 500e sowie der Opel Corsa E und der Opel Mokka E. Die französische Regierung will im Jahr 2024 bis zu 25.000 solcher Leasingverträge mit jeweils bis zu 13.000 Euro fördern. ch
Hintergrund sind die Mitte vergangener Woche beschlossenen Einsparungen im Bundeshaushalt 2024. Wirtschaftsminister Robert Habeck hatte die Förderung darauf am Samstag überraschend gestrichen.
Kritik am jähen Aus kommt vom Verband der Automobilindustrie (VDA). “Jetzt vorab auszusteigen, führt zu Verunsicherung, dämpft den Hochlauf der E-Mobilität und gefährdet damit das Ziel des Koalitionsvertrages, bis 2030 rund 15 Millionen Elektroautos in den Markt zu bringen”, sagte VDA-Präsidentin Hildegard Müller. Auto-Experte Ferdinand Dudenhöffer sprach von einer “ganz großen Katastrophe für die deutsche Automobilindustrie”.
Der Zentralverband Deutsches Kraftfahrzeuggewerbe (ZDK) beklagt zudem einen “unfassbar großen Vertrauensbruch” gegenüber Käufern, die ihr Elektroauto unter der Voraussetzung einer Förderung bestellt haben. “Wenn wir von durchaus realistischen 60.000 betroffenen Fahrzeugen und jeweils 4.500 Euro Prämie ausgehen, reden wir hier von 270 Millionen Euro, mit denen vor allem die Kundinnen und Kunden belastet werden”, rechnet ZDK-Präsident Arne Joswig vor.
Das bisherige Verfahren sieht vor, dass der Umweltbonus nicht schon bei der Bestellung oder beim Kauf, sondern erst nach der Zulassung beantragt werden kann. Zuständig für die Bewilligung ist dann das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA).
Nach Angaben des Kraftfahrt-Bundesamtes liegt der Anteil der E-Autos an den insgesamt rund 49,1 Millionen Pkw in Deutschland derzeit nur bei 2,7 Prozent. Das entspricht etwas mehr als 1,3 Millionen Fahrzeugen. Bis zu den von der Bundesregierung für 2030 angestrebten 15 Millionen Elektroautos auf deutschen Straßen ist es also noch ein weiter Weg. ch
In ihrem Protest gegen die Abschaffung der Diesel-Beihilfen sind sich konventionell und ökologisch wirtschaftende Bauern einig. Naturland-Präsident Hubert Heigl, zugleich Agrarvorstand des Bio-Gesamtverbands BÖLW, sagte zu Table.Media, die Kürzung helfe nicht der Umwelt, sondern nur dem Bundeshaushalt. Denn: Wäre die Subvention umweltschädlich, müsste deren Streichung ja der Umwelt nutzen. “Das tut sie aber nicht”, sagte Heigl, “die Landwirte müssen ja trotzdem ihre Felder bewirtschaften.” Praxistaugliche Elektro-Trecker gebe es dafür bisher nicht. Die Ampel sei schon klüger gewesen: mit ihrem Ziel von 30 Prozent Bio-Anbau. “Wenn dieses Ziel erreicht ist, spart das einer Studie zufolge pro Jahr vier Milliarden Euro an Umweltfolgekosten ein”, so Heigl – also viermal so viel, wie die Regierung dem Sektor derzeit zu entziehen drohe.
Ökobauern verbrauchten nicht mehr Diesel als konventionelle Kollegen. Dieses Argument, das insbesondere von der FDP lanciert wird, sei “falsch”, sagte Heigl. “Als Öko-Ackerbauer muss ich im Schnitt zwei Überfahrten zur mechanischen Unkrautbekämpfung mit dem Striegel machen. Im Vergleich fährt der konventionelle Kollege mindestens dreimal raus, um zu spritzen, bei besonders intensiven Kulturen wie Raps sogar bis zu siebenmal.” Das Erdöl, das zur Produktion von Pestiziden und Kunstdünger aufgewendet wurde, sei da noch gar nicht eingerechnet. In Summe bräuchten Öko-Betriebe im Pflanzenbau nur “halb so viel Energie-Input wie konventionelle Vergleichsbetriebe”.
Enttäuscht ist der Öko-Präsident von Robert Habeck. Der müsste es als früherer Landwirtschaftsminister “eigentlich besser wissen”. Cem Özdemir, der sich am Montag in Berlin den “Hau-Ab”-Rufen der Trecker-Demonstranten vor dem Brandenburger Tor stellte, mache er keinen Vorwurf. Dieser sei gegen die Kürzung gewesen. Sich auf die Grünen zu kaprizieren, halte er für gefährlich, fügte Heigl hinzu. Die Verantwortung von SPD-Kanzler Olaf Scholz und FDP-Finanzminister Christian Lindner werde “allzu leicht vergessen”. ab
Das Wachstumschancengesetz ist Teil des Streits um den Bundeshaushalt geworden und kann, anders als von der Ampel-Koalition geplant, nicht zum Jahreswechsel in Kraft treten. Denn zuvor müssen sich Bundesrat und Bundestag im Vermittlungsausschuss vor allem noch über die finanzielle Lastenverteilung zwischen Bund und Ländern einigen. Unions-Fraktionsvize Jens Spahn bestritt eine Blockadehaltung, die seiner Partei von der Ampelkoalition vorgeworfen wurde. Vielmehr könne es keine Einigung geben, solange der Haushalt für 2024 nicht beschlossen sei.
Das Gesetz soll aus Sicht der Ampelkoalition sowohl dem Klimaschutz als auch dem Wirtschaftswachstum einen Schub geben und sieht zahlreiche kleinteilige Änderungen vor wie:
Politiker der Ampelkoalition reagierten empört auf die Nicht-Einigung beim letzten Vermittlungsausschuss-Termin in diesem Jahr. Katharina Beck (Grüne) warf der CDU/CSU “Destruktion” vor. Markus Herbrand (FDP) schrieb in der Wirtschaftswoche, die Unions-geführten Länder seien mit CDU-Chef Merz uneinig und bräuchten einen “Unions-internen Vermittlungsausschuss”.
Allerdings gibt es auch vereinzelt Kritik aus den Ampelparteien: der Bremer SPD-Bürgermeister Andreas Bovenschulte sieht in dem Gesetz “eine Förderung mit der Gießkanne vor, die Mitnahmeeffekte und hohe Steuerausfälle in Kauf nimmt“. Die Bremer Landesregierung werde daher im Bundesrat nicht zustimmen. Der Vorsitzende des Haushaltsausschusses im Bundestag, Helge Braun (CDU), signalisierte zuletzt jedoch Kompromissbereitschaft. Die nächste Sitzung des Vermittlungsausschusses wird voraussichtlich Ende Januar stattfinden. av
Die EU-Mitgliedstaaten haben am Montag im Umweltrat die allgemeine Ausrichtung zur Verpackungsverordnung beschlossen. Damit sind Rat und Parlament bereit für die Trilogverhandlungen mit der Kommission. Das Parlament hatte seine Position bereits Ende November angenommen.
Die Position des Rats behält die meisten der Anforderungen an die Nachhaltigkeit in Verkehr gebrachter Verpackungen bei sowie auch die von der Kommission vorgeschlagenen Ziele zur Reduzierung von Verpackungsmüll und zur Erhöhung des Rezyklatanteils in Verpackungen.
Die Ziele für Einsatzverpackungen aus dem Kommissionsentwurf will der Rat hingegen ändern: Der Text legt neue Ziele für die Wiederverwendung und Wiederbefüllung für 2030 und 2040 fest, mit unterschiedlichen Vorgaben für
Für Kartonverpackungen fordert der Rat eine Ausnahme. Von den Verboten für Einwegverpackungen, die zum Beispiel für Obst und Gemüse gelten sollen, können die Mitgliedstaaten laut der Ratsposition für bestimmte Lebensmittel Ausnahmen genehmigen. Die Frist für die Anwendung der Verordnung soll zudem auf 18 Monate nach ihrem Inkrafttreten verlängert werden.
Ziel der Verpackungsverordnung ist, der enormen Zunahme der Verpackungsabfälle in der EU entgegenzuwirken. Im Durchschnitt verursachte 2021 jeder Europäer und jede Europäerin etwa 190 Kilogramm Verpackungsmüll. Zudem soll die Verordnung den Binnenmarkt für Verpackungen harmonisieren. leo
Die Verhandlungsführer von Parlament und Rat haben sich bei der Schadstoffnorm Euro 7 geeinigt. Die Grenzwerte und das Testregime bei Pkw und leichten Nutzfahrzeugen werden von Euro 6 übernommen. Bei den schweren Nutzfahrzeugen werden die Grenzwerte verschärft. Dies gilt besonders für die Luftschadstoffe Stickstoffdioxid und Feinstaub. Bei Feinstaub werden künftig deutlich kleinere Partikel erfasst – mit einem Durchmesser von weniger als zehn Nanometern.
Erstmals gibt es künftig Grenzwerte für den Abrieb von Reifen und Bremsen. Es wird zudem Anforderungen an die Haltbarkeit von Batterien für E-Autos geben. Nach acht Jahren oder einer Laufleistung von 120.000 Kilometern muss die Batterie mindestens noch eine Kapazität von 72 Prozent erreichen.
Der Kompromiss muss formal noch vom Parlament und vom Rat gebilligt werden. Die Kommission ist nun mit der sekundären Gesetzgebung an der Reihe. Die Industrie begrüßt, dass es damit Rechtssicherheit gibt, spricht aber von anspruchsvollen Zielen. mgr
Mit ihren nationalen Klimazielen werden die EU-Staaten bis 2030 nur 51 statt der vereinbarten 55 Prozent an Treibhausgasen einsparen. Das schreibt die Kommission in ihrer Bewertung der Entwürfe der Nationalen Energie- und Klimapläne (NECP), die am Montag veröffentlicht wurde.
Hinter den Vereinbarungen bleiben auch die Erneuerbaren-Pläne der Mitgliedstaaten zurück. Zusammen wird wohl nur ein Anteil am Energieverbrauch von maximal 39,3 Prozent statt 42,5 Prozent erreicht. Zielverfehlungen zeichnen sich zudem ab bei Energieeffizienz und CO2-Speichern im LULUCF-Sektor.
Auch Deutschland verfehlt laut den Empfehlungen der Kommission seine Beiträge zu den genannten EU-Zielen – sogar beim Erneuerbaren-Ausbau. Die deutlichste Zielverfehlung zeichnet sich aber in den Lastenteilungssektoren ab, allen voran Gebäude, Verkehr und Landwirtschaft. Die Kommission fordert die Bundesregierung deshalb auf, zusätzliche Maßnahmen festzulegen, “um die prognostizierte Lücke von 15,4 Prozentpunkten zu schließen und das nationale Treibhausgasziel von -50 Prozent zu erreichen”.
Auch die deutschen Pläne zur Energiesicherheit fallen bei der Kommission durch. Der neue NECP enthalte keine zusätzlichen Ziele oder Maßnahmen, um die Gasversorgung weiter zu diversifizieren. Der Plan enthalte außerdem keine Schätzungen der nötigen Investitionen für den Klimaschutz. Auch bei den beabsichtigten Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel bleibe die Bundesregierung zu unkonkret.
Noch keine NECP-Entwürfe vorgelegt haben Bulgarien, Polen und Österreich. Die verspätet eingegangenen Dokumente von Belgien, Irland und Lettland will die Kommission Anfang nächsten Jahres auswerten. Bis Mitte 2024 müssen alle EU-Staaten ihre Entwürfe überarbeiten und die fertigen Klimapläne bei der Kommission einreichen. ber
Der amerikanischen Automobilindustrie steht eine breit angelegte Gewerkschaftskampagne bevor. Zum ersten Mal in ihrer fast 90-jährigen Geschichte gehen die United Autoworkers (UAW) gegen 13 Autohersteller gleichzeitig vor.
Der im März 2023 neu gewählte UAW-Präsident Shawn Fain hat seiner 383.000 Mitglieder starken Gewerkschaft einen deutlich konfrontativeren Kurs verordnet als seine Vorgänger. Eine erste Bewährungsprobe waren die Tarifverhandlungen für die 145.000 Gewerkschaftsmitglieder bei den Big Three im Herbst dieses Jahres.
Das gute Ergebnis scheint den von Streiks begleiteten Strategiewechsel zu bestätigen. Allerdings setzt der Erfolg die UAW auch unter Druck, bei den nicht-tarifgebundenen Autoherstellern ähnliche Lohnsteigerungen durchzusetzen. Ansonsten würden die Tarifsteigerungen von insgesamt 25 Prozent in den nächsten vier Jahren einen deutlichen Wettbewerbsnachteil für die Big Three bedeuten.
Während BMW, Mercedes-Benz und Volkswagen in Deutschland mit den Betriebsräten und der IG Metall zusammenarbeiten, wehren sie sich an ihren Standorten in den traditionell gewerkschaftsfeindlichen Südstaaten der USA gegen eine Organisierung ihrer Belegschaften. Jüngstes Beispiel ist die Gewerkschaftswahl bei VW in Chattanooga im Juni 2019, die die UAW knapp verlor. Dabei setzte das Management auch Union Buster von landesweit bekannten Wirtschaftskanzleien ein.
Das VW-Werk im Süden von Tennessee wird deshalb einer der Schwerpunkte der Kampagne sein. Mehr als 1.000 der rund 3.800 Beschäftigten hätten bereits Unterstützerkarten für die Gewerkschaft unterschrieben, teilte die UAW mit. Bei einer Unterstützung von 70 Prozent der Belegschaft wolle man VW auffordern, die Gewerkschaft freiwillig als Tarifpartner anzuerkennen. Sollte sich das Unternehmen weigern, werde man eine Wahl beantragen.
Insgesamt richtet sich die UAW-Kampagne an rund 150.000 Beschäftigte. Die meisten Standorte der internationalen Automobilhersteller befinden sich in den Südstaaten der USA. Dort sind neben den Unternehmen häufig auch politische Lobbygruppen und konservative Politiker der jeweiligen Bundesstaaten an gewerkschaftsfeindlichen Aktivitäten beteiligt. ch
47 internationale Bekleidungsfirmen und globale Gewerkschaftsverbände haben sich auf eine Verlängerung des International Accord for Health and Safety in the Textile and Garment Sector geeinigt. Dieses Mal sogar um sechs Jahre, deutlich länger als die beiden Male zuvor. Gegründet worden war der Accord 2013. Damit reagierte die Textilindustrie auf die Tragödie von Rana Plaza in Chaka, Bangladesch, mit mehr als 1.130 Toten. Damit unterstützten die beteiligten Akteure zunächst die Überprüfung der Sicherheit und des Brandschutzes in Exportfabriken. Zu den Maßnahmen zählen mittlerweile:
Zunächst galt der Accord nur für Bangladesch, mittlerweile gilt er auch für Pakistan. Die Beteiligten streben eine Ausweitung der Vereinbarung auf weitere Produzentenländer an.
Mit der Verlängerung kommen einige Neuerungen:
Zu den frühen Unterstützern der Vereinbarung zählte Tchibo. Werner Weber, Vorsitzender der Geschäftsführung, lobte die jetzigen Vereinbarungen: “Die neue lange Laufzeit beim Accord ist ein entscheidender Meilenstein in den Bemühungen um mehr Sicherheit in der globalen Textilproduktion.”
Das Accord-Modell habe die Zahl der Zwischenfälle in Fabriken in Bangladesch drastisch reduziert und bewirke derzeit “einen echten Wandel für die Arbeiter in Pakistan“, heißt es bei der Clean Clothes Campaign. Das internationale Netzwerk kritisiert Marken wie Levi’s, Ikea, Amazon, Walmart oder Decathlon, die in Bangladesch und Pakistan “in erheblichem Umfang produzieren“, sich aber “konsequent weigerten“, das Abkommen zu unterzeichnen. Außerdem zahlen viele Unternehmen weiterhin keine existenzsichernden Mindestlöhne. cd
Deutschlands Manager, das heimliche Standortproblem – Süddeutsche Zeitung
Vorstandschefs schimpfen gerne über die Politik, schreibt Meike Schreiber, dabei sei doch die eigene Mittelmäßigkeit längst ein Risiko für den Standort Deutschland. VW, Bayer, Continental, Deutsche Bank nennt die Autorin als Wertvernichter im Dax. Ein wichtiger Grund: Corporate Governance, die auch die Aktionärsinteressen einschließe, sei in vielen deutschen Konzernen Mangelware. Zum Artikel
Das moralische Angebot – Publik-Forum
Nachhaltige Produktion, bewusster Konsum, überprüfbare Lieferketten: Viele Ansätze der Fairtrade-Idee sind aus der Nische in den politischen Mainstream gerückt. Wie muss sich der faire Handel ändern, um weiter Vorreiter zu bleiben? Fünf Kriterien führt unser Redaktionsleiter Caspar Dohmen in seinem Text aus. Zum Artikel
Wo die Schrottautos enden – Süddeutsche Zeitung
Auch nach dem weitgehenden Ende des Verkaufs von Verbrenner-Autos ab 2035 könnten Gebrauchtfahrzeuge weiter aus der EU exportiert werden. Außerdem würden hiesige Konzerne vermutlich weiter fossil angetriebene PKW bauen, um wachsende Märkte in Entwicklungsländern zu bedienen. So könnte sich der globale Schadstoffausstoß des Straßenverkehrs bis 2050 verdoppeln, berichten Ingrid Gercama und Nemanja Rujevic. Zum Artikel
Will lab-grown meat ever make it onto supermarket shelves? – The Economist
Frühere Schätzungen über den Markt für künstlich hergestelltes Fleisch waren übertrieben, schreibt der Autor. Schuld seien die hohen Kosten und Probleme bei der Skalierung der Produktion. Die meisten Unternehmen konzentrierten sich nun auf Hybridfleisch, in dem gezüchtetes tierisches Eiweiß mit Soja oder Weizen kombiniert wird. Zum Artikel
What no one at COP28 wanted to say out loud: Prepare for 1.5 Degrees – The New York Times
Der Wissenschaftsjournalist David Wallace-Wells zeigt sich skeptisch gegenüber dem neuen Klimaoptimismus, der “alles unter drei Grad” (Bill Gates) als vorteilhaft einschätzt. Der Autor begrüßt den Kompromiss im Abschlussdokument von Dubai – doch die Zeit zum Handeln werde immer knapper, um eine erschreckende Zukunft abzuwenden. – Zum Artikel
Angst ist keine Lösung – Die Tageszeitung
Christian Jakob diskutiert die Wirkung der Kipppunkte-Metapher, die zur Beschreibung unumkehrbarer klimatischer Prozesse verwendet wird. Der Autor warnt vor den Demobilisierungseffekten der Katastrophen-Szenarien, und erinnert daran, dass der Globale Süden viel stärker vom Klimawandel betroffen sein würde als der industrialisierte Westen. – Zum Artikel
Maja Göpel: “Im Moment bräuchten wir wohl alle mal eine Pause” – Baseler Zeitung
Die Politökonomin Maja Göpel erinnert im Interview von Dominique Eigenmann daran, dass es beim Thema Nachhaltigkeit nicht länger um eine schöne Natur geht, sondern ob Versorgung und Gesundheit auf Dauer möglich sind. Es lohne sich, beim Klimaschutz “um jedes Zehntelgrad zu kämpfen”. – Zum Artikel
Preaching sustainability while hawking fast fashion – meet the greenwashing influencers -The Guardian
Sarah Manavis hat eine gängige Strategie der Modebranche untersucht: Um halbherzige Öko-Initiativen zu bemänteln oder Greenwashing zu betreiben, werden bekannte Influencer zu Markenbotschaftern in Sachen Nachhaltigkeit ernannt. – Zum Artikel
Heraus aus der Krise – wie es mit grünen Investments weitergeht – Handelsblatt
ESG-Investments brauchen neue Impulse. Doch nicht überall wird privates Kapital ausreichen, um die Klimawende zu finanzieren, meint Blackrock-Manager Christian Hyldahl im Gespräch mit Michael Maisch. – Zum Artikel
Protesters vs critical minerals: Panama copper fiasco shows risks to green transition – Financial Times
Nach Massenprotesten gegen Umweltzerstörung und Landverkäufe verfügte ein Gericht in Panama die Schließung der Cobre Panama-Kupfermine des kanadischen Bergbaukonzerns Quantum Minerals. Das Parlament sagte daraufhin alle neuen Bergbauprojekte ab, sollte sich nun aber auf Schadensersatzklagen über 50 Milliarden US-Dollar einstellen, berichten Christine Murray and Harry Dempsey. – Zum Artikel
Der Lohn sollte nicht davon abhängen, wie hart jemand verhandelt: Erfahrungen von zwei Vorreitern in Sachen Lohntransparenz – Neue Zürcher Zeitung
Über Löhne werde in der Schweiz traditionell nicht gesprochen, schreibt Christin Severin. Aber das Tabu gerate ins Wanken. Die Personalchefs von Helsana und Postfinance begründen nun, warum sie Lohntransparenz eingeführt haben und was es ihren Unternehmen bringt. – Zum Artikel
“Que sait-on du travail?”: l’intensification du travail, principale suspecte de la dégradation de la santé des salaries – Le Monde
37 Prozent der französischen Arbeitnehmer sehen sich aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage, ihren Job bis zur Rente auszuüben: Zu hoch sei der Arbeitsdruck, vor allem in den Berufen mit geringer Qualifikation. Jules Thomas fasst die Ergebnisse eines Forschungsprojekts der Sciences Po zusammen, das der Soziologe Arnaud Mias durchführt. – Zum Artikel
Die (unfreiwillig) grüne Zukunft des Skifahrens – Der Standard
Philip Pramer ist der Frage nachgegangen, was der Klimawandel für den Wintersport bedeuten könnte. Ganz einfach: Erwärmt sich die Welt um drei Grad, könnte neun von zehn Skigebieten der Schnee ausgehen. – Zum Artikel
“Unser Flaschenhals ist der Ankauf gebrauchter Geräte”, sagt Philipp Gattner. Der 41-Jährige ist CEO des Berliner Refurbished-Händlers Rebuy. Dessen Geschäftsmodell funktioniert so: Rebuy kauft gebrauchte Mobiltelefone, Kameras und Spielekonsolen an, prüft ihren Zustand und verkauft sie dann weiter. Roboter und menschliche “Grader” überprüfen jede Woche mehrere Tausend Geräte. Gattner würde gerne mehr ankaufen, aber: “Wir müssen aktuell viele Geräte ablehnen.”
Weil Einzelteile oft fest verklebt sind oder die Hersteller keine Ersatzteile bereitstellen, scheitere der Ankauf – trotz einer großen Reparaturabteilung. Das begrenze das Angebot an Second-Hand-Elektronik, obwohl die Nachfrage hoch sei. Etwas Abhilfe schaffe es, defekte Geräte anzukaufen, zu zerlegen und die Teile für Reparaturen zu lösen. “Das nennen wir intern den Frankenstein-Prozess”, verrät Gattner. Der löse aber das eigentliche Problem nicht. Der gebürtige Freiburger hat Wirtschaftswissenschaften und Entwicklungspolitik studiert.
In der internationalen Politik landete er dann doch nicht: “Die eher bürokratischen Prozesse haben mich abgeschreckt.” Stattdessen wurde er Berater bei McKinsey und betreute dort Kunden im öffentlichen Sektor. Doch nach ein paar Jahren als “Consultant” wollte der passionierte Radfahrer selbst etwas gründen. Bevor er mit einer seiner Geschäftsideen zufrieden war, lief ihm Lawrence Leuschner über den Weg, einer der Rebuy-Gründer. “Er hat mich überzeugt, bei ihnen einzusteigen.”
Und so begann er 2015 als “Chief Strategy Officer” bei Rebuy. Als nach vier Jahren der Chefposten recht überraschend frei wurde, rückte Gattner auf. CEO-Erfahrung hatte er vorher nicht, entsprechend aufgeregt war er. Doch es sei gut gelaufen. Das Unternehmen schreibt seit 2019 schwarze Zahlen, im vergangenen Jahr freute er sich über einen Rekordumsatz von über 200 Millionen Euro. Für sich genommen ist das viel. Klassische Elektronikhändler mit Neuware spielen jedoch in einer anderen Liga. Noch – glaubt Gattner.
Gegenüber Anbietern neuer nachhaltiger Produkte sieht er sich im Vorteil: “Häufig hat Nachhaltigkeit einen Preis, bei uns kann man nachhaltiger und gleichzeitig günstiger einkaufen.” Er freue sich, dass das Thema Kreislaufwirtschaft auf den oberen politischen Ebenen gesehen werde. Auf EU-Ebene ist ein Recht auf Reparatur fast schon in trockenen Tüchern, die Bundesregierung arbeitet gerade an ihrer Nationalen Kreislaufwirtschaftsstrategie.
Jetzt brauche es konkrete Schritte und Gesetze. Der größte Hebel sei es, die Gerätehersteller in die Pflicht zu nehmen. “Bis die die Reparierbarkeit verbessern, wäre ein Reparaturbonus sehr hilfreich”, wünscht sich Gattner für die Übergangsphase. Andere Länder wie Frankreich seien da schon weiter. Mit mehr Rückenwind könne die Reparaturbranche effizienter werden – und gebrauchte Geräte gegenüber Neuware noch wettbewerbsfähiger machen. Paul Meerkamp
in diesen Tagen zeigt sich, wie schwierig die Gestaltung der Transformation für die Politik ist. Ohne eine solche Lenkung durch die Politik wird die Schaffung einer Wirtschaft, die innerhalb der planetaren Grenzen zu arbeiten versteht, utopisch bleiben. Denn nur wenige Unternehmen würden aus freien Stücken nachhaltige Geschäftsmodelle etablieren.
Wie unzureichend das Prinzip Freiwilligkeit wirkt, zeigte sich etwa bei der Umsetzung des Nationalen Aktionsplans für Menschenrechte. Deswegen entschied sich die Politik hinsichtlich der Lieferketten von deutschen Unternehmen nun für Verbindlichkeit, erst auf nationaler Ebene in Frankreich, Deutschland und vielen anderen Ländern. Jüngst dann auch auf europäischer Ebene.
Wie schwer es manchen Vertretern der Wirtschaft fällt, sich auf diese neue Realität einzulassen, macht Torsten Safarik, Präsident des Bundesamts für Wirtschaft- und Ausfuhrkontrolle, in unserem Interview deutlich: Verbandsvertreter würden zwar gerne in einer Demokratie leben, aber ihre Gesetze nicht immer gerne beachten. Gleichzeitig macht Safarik klar, dass sich kein Unternehmen wegen des LkSG aus einer Region oder einem Land zurückziehen müsse.
Andere Unternehmen gehen das Thema Lieferketten engagiert an. So stehen Mercedes, BMW und ZF kurz vor dem Start eines unternehmensübergreifenden Beschwerdemechanismus in Mexiko, in den sie viele Akteure aus Gewerkschaften und Zivilgesellschaft einbezogen haben. Um was es genau geht, beschreibe ich in unserer heutigen Ausgabe.
Guten Tag, Herr Safarik.
Wenn Sie gestatten, würde ich unserem Gespräch gerne eine Botschaft vorwegschicken.
Gerne.
Jeder, der das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz erfüllen will, kann es erfüllen. Auch, weil wir beim Bafa mit Augenmaß vorgehen.
Das bedeutet konkret?
Wenn wir überziehen und sich deswegen deutsche Unternehmen aus Märkten zurückziehen, sinkt bei uns der Wohlstand und Menschen verlieren ihren Arbeitsplatz. Aber damit würden wir auch den Menschenrechten einen Bärendienst erweisen. Denn dann übernehmen das Geschäft Unternehmen aus Ländern, in denen teils die Menschenrechte mit den Füßen getreten werden. Unser Ziel ist es, mit den deutschen Unternehmen die Menschenrechtslage in deren globalen Lieferketten zu verbessern.
Wie hilft das Bafa Unternehmen konkret?
Wir haben einen umfassenden Frage- und Antwortkatalog veröffentlicht und Handreichungen zu wichtigen Themen wie Risikoanalyse oder der Zusammenarbeit von Unternehmen in der Lieferkette. Aktuell arbeiten wir an vier weiteren Handreichungen.
Sie sprechen von einem Lernprozess?
Unternehmen und das Bafa durchlaufen eine Lernkurve. Aber auf beiden Seiten arbeiten Menschen und Menschen machen Fehler. Wir helfen Unternehmen bei Fehlern. Aber dafür müssen sich Unternehmen helfen lassen. Ich bringe gerne in diesem Zusammenhang das Bild einer Schafherde. Die meisten hiesigen Unternehmen sind weiße Schafe, die werden mit uns kaum etwas zu tun haben. Es gibt einige graue Schafe. Denen helfen wir, die Farbe zu wechseln. Nur die schwarzen Schafe, die nicht wollen, dürfen uns fürchten.
Hat Ihre Behörde genügend Mitarbeiter für das Thema Lieferketten?
Wir haben 101 Stellen Planstellen für die Aufgabe. Davon sind aktuell 87 besetzt. Ein weiterer Schwung kommt Anfang des Jahres. Dann werden 100 Kolleginnen und Kollegen in dem Bereich arbeiten. Eine gute Personalausstattung ist wichtig, aber ebenso wichtig sind digitale Verfahren. Und natürlich gilt es, die passenden Profile zu finden, die sich für die Aufgabe eignen.
Welche Qualifikationen haben diese Beschäftigten?
Manche kommen aus der Steuer- oder Zollfahndung. Einige haben vorher in Brüssel gearbeitet. Einige kommen frisch von der Uni. Wir haben auch etliche, die vorher in den Einkaufsabteilungen von Unternehmen gearbeitet haben. Sie können deswegen gut einschätzen, was machbar ist.
Sie bauen auch eine Risikodatenbank auf?
Dort sammeln wir unterschiedliche Informationen aus verschiedenen Quellen. Die öffentlichen Quellen werden wir in den nächsten Tagen bekannt geben.
Wie viele LkSG-Beschwerden sind beim Bafa seit Anfang des Jahres eingegangen?
38 Beschwerden – in sechs Fällen haben wir Unternehmen kontaktiert. Bei einigen Fällen prüfen wir noch, ob wir Unternehmen kontaktieren werden. Aber bei der Mehrheit der Fälle haben wir die Vorgänge relativ schnell wieder geschlossen. Bei einem Teil fielen die adressierten Unternehmen nicht unter das LkSG. Bei anderen Unternehmen lag keine begründete Verletzung gemäß LkSG vor und stand auch nicht unmittelbar bevor.
Wie substantiell sind die Beschwerden?
Zu Einzelfällen äußere ich mich nicht. Aber gerade Fälle, die breit in den Medien diskutiert wurden, zeichnen sich nicht immer durch eine hohe Substanz aus, um das mal diplomatisch zu beurteilen. Wir arbeiten gut zusammen mit einer Reihe zivilgesellschaftlicher Akteure, denen es wirklich darum geht, die Menschenrechtslage zu verbessern oder Unternehmen besser zu befähigen. Andere Akteure missbrauchen das LkSG für Kampagnen. Es kam schon vor, dass zuerst die Presse über einen angeblich gestellten Antrag informiert wurde, bevor er bei uns einging. Häufig ist an solchen Anträgen nichts dran.
Kann man den Rückschluss ziehen, dass die Beschwerden, denen Sie nachgehen, gar nicht in der Öffentlichkeit bekannt sind?
Das sage ich so nicht, sonst könnten sie Rückschlüsse daraus ziehen, welche Fälle ich meine.
In welcher Form wird das Bafa die Öffentlichkeit über die Beschwerden informieren?
Wir werden in einem jährlichen Rechenschaftsbericht aggregierte Informationen mitteilen.
Bekommen die Beschwerdeführenden von Ihnen Feedback?
Wenn jemand bei uns einen formalen Antrag stellt, der nicht anonym ist, dann bekommt er von uns eine Information. Bei Hinweisen ist es etwas anderes. Wenn wir einen Hinweis bekommen, ist es ja unser Ermessen, ob wir diesem Hinweis nachgehen. Ein Hinweisgeber bekommt von uns keine Rückmeldung, was wir getan haben.
Wie geht das Bafa mit substanziierten Beschwerden um?
Wir kontaktieren das Unternehmen und in Abhängigkeit von der Antwort entscheiden wir, ob wir weitere Maßnahmen ergreifen. Eskaliert es, dann könnten wir auch an das Werkstor anklopfen. Wir dürfen in die Bücher schauen. Aber wir nehmen keine Vorverurteilungen vor und agieren als neutraler Ermittler.
Wie war das im Fall der streikenden LKW-Fahrer in Gräfenhausen?
Bei dem ersten der beiden Streiks haben wir Unternehmen kontaktiert, ohne dass es die Presse erfuhr. Die Unternehmensantworten stellten uns zufrieden. Aber als dann eines der Logistikunternehmen bei dem zweiten Streik wieder auftauchte, haben wir intensiver nachgefragt, um das mal diplomatisch zu formulieren. Über unsere Auswertungen zum zweiten Streik insgesamt war ich erschrocken: Fünf Prozent aller LkSG-pflichtigen Unternehmen waren involviert. Fünf Prozent sind extrem viel, zumal sich dies nur auf die direkten Vertragspartner bezieht. Daher hatte ich als erste Reaktion darauf einen Krisengipfel mit Arbeitgebern, Verbänden, Gewerkschaft und Zivilgesellschaft aus der Transportbranche durchgeführt.
Welche Faktoren für menschenrechtliche Risiken haben sie identifiziert?
Die Vergabe von Aufträgen an Sublieferanten und der Spotmarkt, über den kurzfristige Aufträge vergeben werden, haben ein hohes Risiko von menschenrechtlichen Verstößen. Möglicherweise gibt es weitere Risiken. Ende Januar, Anfang Februar treffen wir uns wieder.
Seit Anfang 2023 müssen LkSG-pflichtige Unternehmen einen Beschwerdemechanismus haben. Erfüllen sie die Anforderungen?
Wir haben etliche Unternehmen angeschrieben und gefragt, wie es ausschaut. Wir sehen Verbesserungsbedarf. Denn so ein Beschwerdemechanismus muss verständlich und adressatengerecht und gut auffindbar sein. Aber Betroffene können sich auch direkt bei unserer Behörde beschweren.
Kommt es vor, dass Beschäftigte aus den Zulieferketten deutscher Unternehmen sich bei ihnen melden?
Dazu äußere ich mich nicht.
Sind Situationen denkbar, in denen sich Unternehmen aus Regionen oder ganzen Ländern zurückziehen müssen, weil sich sonst die Anforderungen des LkSG nicht erfüllen würden?
Nein. Denn es geht immer um Befähigung vor Rückzug und eine Bemühenspflicht der Unternehmen, keine Erfolgspflicht. Manche Unternehmen ziehen sich aus anderen Gründen aus einem Markt zurück, verweisen aber zur Begründung auf das Gesetz.
Einige Wirtschaftsakteure halten das LkSG immer noch für einen großen Fehler der Politik.
Einige Institutionen kritisieren leider medial massiv das Gesetz und erzeugen damit viel Unruhe. Das bedauere ich. Ich wünschte mir, sie würden stattdessen ihren Mitgliedsunternehmen mehr bei der Umsetzung des Gesetzes helfen. So wie bei der Zivilgesellschaft unterscheide ich auch bei den Arbeitgeberverbänden. Mit manchen arbeiten wir gut zusammen, weil sie ihren Mitgliedern wirklich bei der Umsetzung des Gesetzes helfen. Aber es gibt auf der anderen Seite auch welche, die sich zwar freuen, dass sie in einer Demokratie leben, aber trotzdem Probleme damit haben, dass man in einer Demokratie Gesetze einhalten muss.
“Ziel ist es, Herausforderungen aufzugreifen und abzustellen, die alle Unternehmen in der Automobilindustrie gleichermaßen betreffen“, teilte Mercedes auf Anfrage gegenüber Table.Media mit. Dabei gehe es verstärkt darum, “die Perspektive der Menschen vor Ort einfließen zu lassen”. Deswegen bestehe ein wesentlicher Teil der Aufbauarbeit aus einem Dialog mit regionalen NGOs und lokalen Gemeinschaften.
Die Planung des unternehmensübergreifenden Beschwerdemechanismus (UBSM) dauerte deutlich länger als ursprünglich geplant. Nun prüften die Unternehmen laut Table.Media-Informationen gerade die Verträge in ihren Rechtsabteilungen. Der operative Start des Pilotprojekts soll im Frühjahr erfolgen. Hervorgegangen ist der UBSM aus einem Branchendialog der Automobilindustrie im Rahmen des Nationalen Aktionsplan für Unternehmen und Menschenrechte der Bundesregierung.
Durchführen soll den UBMS ein unabhängiges Expertengremium in Mexiko. Darüber hinaus würden operative Koordinationsstellen in Deutschland und Mexiko angesiedelt, heißt es bei Mercedes. Die vorgesehenen Verfahrensschritte seien “partizipativ angelegt und berücksichtigten Qualitäts- und Wirksamkeitsstandards”:
Das Projekt beruht auf einem Multistakeholder-Ansatz, beteiligt sind neben den drei deutschen Unternehmen folgende Akteure:
Mexiko ist ein wichtiger Standort für die deutsche Automobilindustrie, für den Vertrieb, eigene Produktion und die vorgelagerte Lieferkette.
Aber Bosch macht operativ nicht mehr mit. Für Beteiligte kam dieser Schritt “überraschend”. Bei Bosch selbst heißt es dazu: Man sehe “ausreichende Möglichkeiten, die Ziele mit seinem weltweit bestehenden Beschwerdemechanismus zu erreichen, ohne weitere Strukturen aufbauen zu müssen”. Aber weil man um den Pilotcharakter des Projektes für zivilgesellschaftliche Organisationen wisse, unterstütze man das Projekt weiter finanziell. Volkswagen hatte schon früher einen Rückzieher beim UBSM gemacht und setzt auf den eigenen Beschwerdemechanismus.
Bislang müssen Unternehmen mit mehr als 3.000 Beschäftigten nach dem deutschen Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) einen eigenen funktionierende Beschwerdemechanismus vorhalten, ab 2024 auch solche mit 1000 Beschäftigten. Dabei bietet sich die Zusammenarbeit zwischen Unternehmen an, weil sie häufig die gleichen Zulieferer und Aufgaben in einem Produktionsland haben. Mexiko wiederum ist für ein Pilotprojekt geeignet, weil es ein wichtiger Standort für die deutsche Automobilindustrie ist und es dort vergleichsweise freie Gewerkschaften gibt. Problemlos ist die Lage laut dem globalen Rechtsindex des Internationalen Gewerkschaftsbundes aber auch nicht. Zwar ist die Vereinigungsfreiheit in der Verfassung verankert und gesetzlich geregelt. Aber die Beschäftigten sind vor gewerkschaftsfeindlicher Diskriminierung nicht ausdrücklich gesetzlich geschützt und die Gründung einer Gewerkschaft erfordert die Genehmigung oder Billigung der Behörden.
Die beteiligten Unternehmen wollen mit diesem Mechanismus sogar über die Anforderungen des LkSG hinausgehen. Demnach sind Unternehmen zunächst einmal nur für die Situation bei direkten Lieferanten mit in der Verantwortung. Um die Verhältnisse bei Zulieferern in der tieferen Lieferketten müssen sie sich nur kümmern, wenn sie von Missständen erfahren. Dafür sind Beschwerdemechanismen ein wichtiges Vehikel. Mit dem UBSM wollen BMW, Mercedes und ZF bewusst auch Zulieferer in der tieferen Lieferkette adressieren, die sie über die unternehmenseigenen Beschwerdemechanismen oft nur schlecht erreichen können.
Die Finanzierung des unternehmensübergreifenden Beschwerdemechanismus erfolgt jeweils zur Hälfte durch die GIZ geführte Initiative Globale Solidarität, finanziert mit öffentlichen Geldern des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit. Die andere Hälfte steuern die beteiligten Unternehmen bei. Das Projekt läuft zunächst bis Ende 2025.
Hohe Strompreise stellen die Zukunft der energieintensiven Grundstoffindustrie in Deutschland infrage:
Ökonomen und Praktiker aus dem sozial-ökologischen Lager schätzen die langfristigen Überlebenschancen der energieintensiven Industrie in Deutschland ganz unterschiedlich ein – und kritisieren die undifferenzierte und widersprüchliche Subventionspolitik.
Eine Studie des SPD-nahen Thinktanks “Dezernat Zukunft” kommt zu einem klaren Ergebnis: “Deutschland wird auch langfristig Energiekostennachteile gegenüber anderen Industriestandorten haben.” Denn in Deutschland seien die Gestehungskosten grüner Stromproduktion – die Summe aus Finanzierung, Bau und Betrieb – doppelt so hoch wie in Australien, Chile oder Marokko. Dort sind die natürlichen Bedingungen für Photovoltaik und Windkraft deutlich günstiger.
Die Folgerung: In Deutschland könnten nur nachgelagerte Schritte der Grundstofferzeugung und Schritte bei der Weiterverarbeitung verbleiben, “bestehende Industriestrukturen” sollte die Regierung nicht “konservieren”. Denn etwa Aluminium, Ammoniak und Rohstahl seien hierzulande nicht konkurrenzfähig herzustellen.
Allerdings legt Dezernat Zukunft die Kosten für grünen Strom besonders hoch an: einzig Offshore-Stromerzeugung und Strom aus grünem Wasserstoff – der zeitweilige Flauten überbrücken soll – kämen demnach infrage. Anders sei “grundlastfähiger Strom” in Deutschland nicht zu erhalten, da an Land erzeugter Sonnen- und Windstrom nicht verlässlich zur Verfügung stünde.
Der Thinktank Agora hingegen sieht durchaus Möglichkeiten, zumindest im innereuropäischen Wettbewerb konkurrenzfähige Preise in Deutschland zu erreichen. Sie raten der Bundesregierung zu einer Reform der Netzentgelte-Verordnung. Diese fördert bislang, angepasst an die frühere schwankungsfreie Stromproduktion aus Kohle, Gas und Atomkraftwerken, gleichmäßigen Strombezug durch Großverbraucher. In Zukunft sollte hingegen die zeitliche Anpassung der Industrieproduktion an die schwankende Verfügbarkeit von Sonnen- und Windstrom attraktiv sein. Weitere Maßnahmen wie die Europäisierung des Stromnetzes könnten Strompreisspitzen zusätzlich minimieren.
Ähnlich argumentiert Frank Koch, CEO der Swiss Steel Group. Sein Unternehmen setzt beim Recycling von Stahlschrott auf strombetriebene Öfen. Mit solchen Ansätzen gewann Swiss Steel in diesem Jahr den deutschen Nachhaltigkeitspreis in der Metallsparte. Mit den Elektrolichtbogenöfen wie in Werken in Witten und Siegen hat Swiss Steel bereits die Flexibilität, nur am Wochenende zu produzieren – wenn die Strompreise am Spotmarkt niedrig sind. Was dem Unternehmer trotzdem fehlt, sind “Verfügbarkeit und Planbarkeit” des Stromangebots: verlässlich, zu guten Konditionen, möglichst aus erneuerbaren Energiequellen.
Auch Koch befürwortet gezielte Subventionen. Denn: “Die Gesellschaft fordert eine schnelle Umstellung, was die Unternehmen nicht so einfach umsetzen können”. Die Senkung der Stromsteuer ist ihm hingegen von der Politik zu breit angelegt – Großverbrauchern wie Swiss Steel nütze diese teure Subvention wenig, insbesondere, wenn nun die Netzentgelte steigen.
Einen verwandten, aber radikaleren Ansatz bevorzugt Greenpeace. Im “Zukunftsplan Industrie” kritisieren die Umweltschützer Stromsubventionen und andere klimaschädliche Beihilfen grundsätzlich. Dafür gibt der Staat nach ihren Berechnungen jährlich 16 Milliarden Euro aus – während für industrielle Investitionen in Klimaschutz nur 2,8 Milliarden Euro Fördermittel zur Verfügung stünden. “Um die Transformation voranzubringen, hilft es uns nicht, wenn wir Strompreise pauschal billiger machen”, sagt Bastian Neuwirth, Wirtschaftsexperte von Greenpeace. Der Empfängerkreis werde riesig, Subventionen teuer und Stromsparanreize untergraben.
Neuwirth plädiert stattdessen für “gezielte Förderungen, die Unternehmen anreizen, auf strombasierte, effiziente Verfahren mit erneuerbaren Energien umzusteigen.” Darüber hinaus solle die Bundesregierung nur energieintensive Betriebe subventionieren, die im internationalen Wettbewerb stehen, sofern “diese Unternehmen dann auch verpflichtend Klimaschutzmaßnahmen umsetzen” und in Energieeffizienz investieren.
Für Achim Truger, Mitglied des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, steht die Debatte um die Industriestrompolitik erst am Anfang. Für ihn gehört eine “Brücke in die Erneuerbaren, in die Zukunft” für die energieintensive Industrie zu den Kriterien für eine konsistente Industriestrompolitik. Hinzu käme die Frage der Dekarbonisierung der Produktion: “Was muss man tun, damit die hier dekarbonisieren und es kein Carbon Leakage ins Ausland gibt?” Doch diese Verhinderung von CO₂-Abwanderung von emissionsintensiven Industrien koste einiges an Geld.
Daher sei es auch richtig, geostrategisch danach zu fragen, “welche Branchen man berechtigterweise in Europa oder im Inland halten sollte”. Die Transformation der Wirtschaft benötige beispielsweise viel Stahl. “Es ist wahrscheinlich keine kluge Strategie zu sagen: Ja, den Stahl bekommen wir in Zukunft aus Asien.” Die Stahlindustrie in Deutschland zu halten, sei jedoch nicht ohne öffentliche Mittel zu realisieren. “Und da muss man eben auch die Rechnung dafür bezahlen”, sagt Truger.
10. Januar 2024, 18:00 Uhr
Vortrag Neue Materialforschung für die Kreislaufwirtschaft – Kreislauffähige Werkstoffsysteme für Resilienz und Souveränität (Stiftung Demokratie Saarland) Info & Anmeldung
11.-12. Januar 2024
Agrarpolitische Tagung Wasser und Klimawandel: Herausforderungen und Chancen beim Schutz der Ressource Wasser in Zeiten des Klimawandels (FES) Info & Anmeldung
16. Januar 2024, 10:00-17:30 Uhr
Agrarkongress 2024 Natürlicher Klimaschutz und Klimaanpassung in Partnerschaft mit der Landwirtschaft (BMUV, UBA und BfN) Info & Anmeldung
17. Januar 2024, 18:00 Uhr
Vortrag Revolution im Stall und Rumor in der Gesellschaft: Zur Transformation landwirtschaftlicher Tierhaltung im 20. Jahrhundert (Stiftung Demokratie Saarland) Info & Anmeldung
17. bis 19. Januar 2024
Kongress International Electronics Recycling Congress IERC 2024 Info & Anmeldung
22.-23. Januar 2023
Seminar Gestaltung nachhaltiger Logistik: kompakt – Nachhaltigkeit verstehen, gestalten und steuern (BVL Seminare) Info & Anmeldung
23.-25. Januar 2024
Konferenz Handelsblatt Energiegipfel 2024 Info & Anmeldung
24. Januar 2024, 9:00 Uhr
Webinar Sustainability Year 2024 – kompaktes Update für Unternehmen (Ecosense) Info & Anmeldung
24. Januar 2024, 09:30-13:00 Uhr
Workshop Was bedeutet Rechtspopulismus für den grünen Wandel? (Kompetenzzentrum Nachhaltiger Konsum) Info & Anmeldung
25. Januar 2024, 09:00 bis 15:45 Uhr
Online-Schulung Nachhaltige öffentliche Beschaffung (Kompetenzstelle für nachhaltige Beschaffung) Info & Anmeldung
Dies geht aus einer am 14. Dezember 2023 veröffentlichten Liste der förderfähigen Elektrofahrzeuge hervor. Die Maßnahme betrifft nicht nur chinesische Hersteller. Sie gilt auch für Automobilhersteller aus Europa und anderen Teilen der Welt, die in China für den französischen Markt produzieren.
Mit der Reform des “Bonus écologique” sollen nach Angaben der Regierung in Paris vor allem strengere Umweltkriterien durchgesetzt werden. Gleichzeitig hat Wirtschaftsminister Bruno Le Maire in den vergangenen Monaten keinen Zweifel daran gelassen, dass er die heimische Autoindustrie vor einer unfairen Subventionspolitik schützen will. Neben Frankreich geht inzwischen auch die EU-Kommission gegen China vor. Geprüft werden Strafzölle auf den Import von Elektroautos nach Europa.
Um in Frankreich förderfähig zu sein, muss ein Elektroauto künftig mindestens 60 von 100 Punkten im neu geschaffenen “Score environnemental” erreichen. Ausschlaggebend dafür ist der CO2-Fußabdruck bei der Materialbeschaffung, der Herstellung sowie beim Transport nach Frankreich. Außerdem darf es nicht mehr als 47.000 Euro kosten.
Wie die aktuelle Liste zeigt, erreichen fast alle in Europa produzierten Elektroautos die erforderliche Umweltpunktzahl, darunter eine ganze Reihe von E-Modellen der deutschen Marken BMW, Mercedes-Benz, Opel und VW. Importierte Fahrzeuge aus China sind dagegen nicht mehr dabei. Entscheidende Gründe sind der hohe Kohleanteil im Strommix des Landes und die große Entfernung der Produktionsstandorte zu Frankreich.
Damit sind bisher sehr populäre Elektroautos künftig von der Förderung ausgeschlossen:
Die Umweltprämie beträgt in der Regel 5.000 Euro, kann aber für Geringverdiener auf 7.000 Euro erhöht werden. Für diese Bevölkerungsgruppe hat die französische Regierung zudem ein besonders günstiges Leasing-Programm aufgelegt. Wer bis zu 15.400 Euro im Jahr verdient, mehr als 15 Kilometer vom Arbeitsplatz entfernt wohnt und über 8.000 Kilometer im Jahr beruflich mit dem Auto zurücklegt, kann künftig für weniger als 100 Euro im Monat ein Elektroauto leasen.
Für das “Leasing social” kommen nur preisgünstige, in der EU produzierte Kleinwagen infrage. Auf einer ebenfalls am 14. Dezember vorgestellten Liste stehen derzeit acht Modelle, darunter fünf Fahrzeuge französischer Hersteller, der Fiat 500e sowie der Opel Corsa E und der Opel Mokka E. Die französische Regierung will im Jahr 2024 bis zu 25.000 solcher Leasingverträge mit jeweils bis zu 13.000 Euro fördern. ch
Hintergrund sind die Mitte vergangener Woche beschlossenen Einsparungen im Bundeshaushalt 2024. Wirtschaftsminister Robert Habeck hatte die Förderung darauf am Samstag überraschend gestrichen.
Kritik am jähen Aus kommt vom Verband der Automobilindustrie (VDA). “Jetzt vorab auszusteigen, führt zu Verunsicherung, dämpft den Hochlauf der E-Mobilität und gefährdet damit das Ziel des Koalitionsvertrages, bis 2030 rund 15 Millionen Elektroautos in den Markt zu bringen”, sagte VDA-Präsidentin Hildegard Müller. Auto-Experte Ferdinand Dudenhöffer sprach von einer “ganz großen Katastrophe für die deutsche Automobilindustrie”.
Der Zentralverband Deutsches Kraftfahrzeuggewerbe (ZDK) beklagt zudem einen “unfassbar großen Vertrauensbruch” gegenüber Käufern, die ihr Elektroauto unter der Voraussetzung einer Förderung bestellt haben. “Wenn wir von durchaus realistischen 60.000 betroffenen Fahrzeugen und jeweils 4.500 Euro Prämie ausgehen, reden wir hier von 270 Millionen Euro, mit denen vor allem die Kundinnen und Kunden belastet werden”, rechnet ZDK-Präsident Arne Joswig vor.
Das bisherige Verfahren sieht vor, dass der Umweltbonus nicht schon bei der Bestellung oder beim Kauf, sondern erst nach der Zulassung beantragt werden kann. Zuständig für die Bewilligung ist dann das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA).
Nach Angaben des Kraftfahrt-Bundesamtes liegt der Anteil der E-Autos an den insgesamt rund 49,1 Millionen Pkw in Deutschland derzeit nur bei 2,7 Prozent. Das entspricht etwas mehr als 1,3 Millionen Fahrzeugen. Bis zu den von der Bundesregierung für 2030 angestrebten 15 Millionen Elektroautos auf deutschen Straßen ist es also noch ein weiter Weg. ch
In ihrem Protest gegen die Abschaffung der Diesel-Beihilfen sind sich konventionell und ökologisch wirtschaftende Bauern einig. Naturland-Präsident Hubert Heigl, zugleich Agrarvorstand des Bio-Gesamtverbands BÖLW, sagte zu Table.Media, die Kürzung helfe nicht der Umwelt, sondern nur dem Bundeshaushalt. Denn: Wäre die Subvention umweltschädlich, müsste deren Streichung ja der Umwelt nutzen. “Das tut sie aber nicht”, sagte Heigl, “die Landwirte müssen ja trotzdem ihre Felder bewirtschaften.” Praxistaugliche Elektro-Trecker gebe es dafür bisher nicht. Die Ampel sei schon klüger gewesen: mit ihrem Ziel von 30 Prozent Bio-Anbau. “Wenn dieses Ziel erreicht ist, spart das einer Studie zufolge pro Jahr vier Milliarden Euro an Umweltfolgekosten ein”, so Heigl – also viermal so viel, wie die Regierung dem Sektor derzeit zu entziehen drohe.
Ökobauern verbrauchten nicht mehr Diesel als konventionelle Kollegen. Dieses Argument, das insbesondere von der FDP lanciert wird, sei “falsch”, sagte Heigl. “Als Öko-Ackerbauer muss ich im Schnitt zwei Überfahrten zur mechanischen Unkrautbekämpfung mit dem Striegel machen. Im Vergleich fährt der konventionelle Kollege mindestens dreimal raus, um zu spritzen, bei besonders intensiven Kulturen wie Raps sogar bis zu siebenmal.” Das Erdöl, das zur Produktion von Pestiziden und Kunstdünger aufgewendet wurde, sei da noch gar nicht eingerechnet. In Summe bräuchten Öko-Betriebe im Pflanzenbau nur “halb so viel Energie-Input wie konventionelle Vergleichsbetriebe”.
Enttäuscht ist der Öko-Präsident von Robert Habeck. Der müsste es als früherer Landwirtschaftsminister “eigentlich besser wissen”. Cem Özdemir, der sich am Montag in Berlin den “Hau-Ab”-Rufen der Trecker-Demonstranten vor dem Brandenburger Tor stellte, mache er keinen Vorwurf. Dieser sei gegen die Kürzung gewesen. Sich auf die Grünen zu kaprizieren, halte er für gefährlich, fügte Heigl hinzu. Die Verantwortung von SPD-Kanzler Olaf Scholz und FDP-Finanzminister Christian Lindner werde “allzu leicht vergessen”. ab
Das Wachstumschancengesetz ist Teil des Streits um den Bundeshaushalt geworden und kann, anders als von der Ampel-Koalition geplant, nicht zum Jahreswechsel in Kraft treten. Denn zuvor müssen sich Bundesrat und Bundestag im Vermittlungsausschuss vor allem noch über die finanzielle Lastenverteilung zwischen Bund und Ländern einigen. Unions-Fraktionsvize Jens Spahn bestritt eine Blockadehaltung, die seiner Partei von der Ampelkoalition vorgeworfen wurde. Vielmehr könne es keine Einigung geben, solange der Haushalt für 2024 nicht beschlossen sei.
Das Gesetz soll aus Sicht der Ampelkoalition sowohl dem Klimaschutz als auch dem Wirtschaftswachstum einen Schub geben und sieht zahlreiche kleinteilige Änderungen vor wie:
Politiker der Ampelkoalition reagierten empört auf die Nicht-Einigung beim letzten Vermittlungsausschuss-Termin in diesem Jahr. Katharina Beck (Grüne) warf der CDU/CSU “Destruktion” vor. Markus Herbrand (FDP) schrieb in der Wirtschaftswoche, die Unions-geführten Länder seien mit CDU-Chef Merz uneinig und bräuchten einen “Unions-internen Vermittlungsausschuss”.
Allerdings gibt es auch vereinzelt Kritik aus den Ampelparteien: der Bremer SPD-Bürgermeister Andreas Bovenschulte sieht in dem Gesetz “eine Förderung mit der Gießkanne vor, die Mitnahmeeffekte und hohe Steuerausfälle in Kauf nimmt“. Die Bremer Landesregierung werde daher im Bundesrat nicht zustimmen. Der Vorsitzende des Haushaltsausschusses im Bundestag, Helge Braun (CDU), signalisierte zuletzt jedoch Kompromissbereitschaft. Die nächste Sitzung des Vermittlungsausschusses wird voraussichtlich Ende Januar stattfinden. av
Die EU-Mitgliedstaaten haben am Montag im Umweltrat die allgemeine Ausrichtung zur Verpackungsverordnung beschlossen. Damit sind Rat und Parlament bereit für die Trilogverhandlungen mit der Kommission. Das Parlament hatte seine Position bereits Ende November angenommen.
Die Position des Rats behält die meisten der Anforderungen an die Nachhaltigkeit in Verkehr gebrachter Verpackungen bei sowie auch die von der Kommission vorgeschlagenen Ziele zur Reduzierung von Verpackungsmüll und zur Erhöhung des Rezyklatanteils in Verpackungen.
Die Ziele für Einsatzverpackungen aus dem Kommissionsentwurf will der Rat hingegen ändern: Der Text legt neue Ziele für die Wiederverwendung und Wiederbefüllung für 2030 und 2040 fest, mit unterschiedlichen Vorgaben für
Für Kartonverpackungen fordert der Rat eine Ausnahme. Von den Verboten für Einwegverpackungen, die zum Beispiel für Obst und Gemüse gelten sollen, können die Mitgliedstaaten laut der Ratsposition für bestimmte Lebensmittel Ausnahmen genehmigen. Die Frist für die Anwendung der Verordnung soll zudem auf 18 Monate nach ihrem Inkrafttreten verlängert werden.
Ziel der Verpackungsverordnung ist, der enormen Zunahme der Verpackungsabfälle in der EU entgegenzuwirken. Im Durchschnitt verursachte 2021 jeder Europäer und jede Europäerin etwa 190 Kilogramm Verpackungsmüll. Zudem soll die Verordnung den Binnenmarkt für Verpackungen harmonisieren. leo
Die Verhandlungsführer von Parlament und Rat haben sich bei der Schadstoffnorm Euro 7 geeinigt. Die Grenzwerte und das Testregime bei Pkw und leichten Nutzfahrzeugen werden von Euro 6 übernommen. Bei den schweren Nutzfahrzeugen werden die Grenzwerte verschärft. Dies gilt besonders für die Luftschadstoffe Stickstoffdioxid und Feinstaub. Bei Feinstaub werden künftig deutlich kleinere Partikel erfasst – mit einem Durchmesser von weniger als zehn Nanometern.
Erstmals gibt es künftig Grenzwerte für den Abrieb von Reifen und Bremsen. Es wird zudem Anforderungen an die Haltbarkeit von Batterien für E-Autos geben. Nach acht Jahren oder einer Laufleistung von 120.000 Kilometern muss die Batterie mindestens noch eine Kapazität von 72 Prozent erreichen.
Der Kompromiss muss formal noch vom Parlament und vom Rat gebilligt werden. Die Kommission ist nun mit der sekundären Gesetzgebung an der Reihe. Die Industrie begrüßt, dass es damit Rechtssicherheit gibt, spricht aber von anspruchsvollen Zielen. mgr
Mit ihren nationalen Klimazielen werden die EU-Staaten bis 2030 nur 51 statt der vereinbarten 55 Prozent an Treibhausgasen einsparen. Das schreibt die Kommission in ihrer Bewertung der Entwürfe der Nationalen Energie- und Klimapläne (NECP), die am Montag veröffentlicht wurde.
Hinter den Vereinbarungen bleiben auch die Erneuerbaren-Pläne der Mitgliedstaaten zurück. Zusammen wird wohl nur ein Anteil am Energieverbrauch von maximal 39,3 Prozent statt 42,5 Prozent erreicht. Zielverfehlungen zeichnen sich zudem ab bei Energieeffizienz und CO2-Speichern im LULUCF-Sektor.
Auch Deutschland verfehlt laut den Empfehlungen der Kommission seine Beiträge zu den genannten EU-Zielen – sogar beim Erneuerbaren-Ausbau. Die deutlichste Zielverfehlung zeichnet sich aber in den Lastenteilungssektoren ab, allen voran Gebäude, Verkehr und Landwirtschaft. Die Kommission fordert die Bundesregierung deshalb auf, zusätzliche Maßnahmen festzulegen, “um die prognostizierte Lücke von 15,4 Prozentpunkten zu schließen und das nationale Treibhausgasziel von -50 Prozent zu erreichen”.
Auch die deutschen Pläne zur Energiesicherheit fallen bei der Kommission durch. Der neue NECP enthalte keine zusätzlichen Ziele oder Maßnahmen, um die Gasversorgung weiter zu diversifizieren. Der Plan enthalte außerdem keine Schätzungen der nötigen Investitionen für den Klimaschutz. Auch bei den beabsichtigten Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel bleibe die Bundesregierung zu unkonkret.
Noch keine NECP-Entwürfe vorgelegt haben Bulgarien, Polen und Österreich. Die verspätet eingegangenen Dokumente von Belgien, Irland und Lettland will die Kommission Anfang nächsten Jahres auswerten. Bis Mitte 2024 müssen alle EU-Staaten ihre Entwürfe überarbeiten und die fertigen Klimapläne bei der Kommission einreichen. ber
Der amerikanischen Automobilindustrie steht eine breit angelegte Gewerkschaftskampagne bevor. Zum ersten Mal in ihrer fast 90-jährigen Geschichte gehen die United Autoworkers (UAW) gegen 13 Autohersteller gleichzeitig vor.
Der im März 2023 neu gewählte UAW-Präsident Shawn Fain hat seiner 383.000 Mitglieder starken Gewerkschaft einen deutlich konfrontativeren Kurs verordnet als seine Vorgänger. Eine erste Bewährungsprobe waren die Tarifverhandlungen für die 145.000 Gewerkschaftsmitglieder bei den Big Three im Herbst dieses Jahres.
Das gute Ergebnis scheint den von Streiks begleiteten Strategiewechsel zu bestätigen. Allerdings setzt der Erfolg die UAW auch unter Druck, bei den nicht-tarifgebundenen Autoherstellern ähnliche Lohnsteigerungen durchzusetzen. Ansonsten würden die Tarifsteigerungen von insgesamt 25 Prozent in den nächsten vier Jahren einen deutlichen Wettbewerbsnachteil für die Big Three bedeuten.
Während BMW, Mercedes-Benz und Volkswagen in Deutschland mit den Betriebsräten und der IG Metall zusammenarbeiten, wehren sie sich an ihren Standorten in den traditionell gewerkschaftsfeindlichen Südstaaten der USA gegen eine Organisierung ihrer Belegschaften. Jüngstes Beispiel ist die Gewerkschaftswahl bei VW in Chattanooga im Juni 2019, die die UAW knapp verlor. Dabei setzte das Management auch Union Buster von landesweit bekannten Wirtschaftskanzleien ein.
Das VW-Werk im Süden von Tennessee wird deshalb einer der Schwerpunkte der Kampagne sein. Mehr als 1.000 der rund 3.800 Beschäftigten hätten bereits Unterstützerkarten für die Gewerkschaft unterschrieben, teilte die UAW mit. Bei einer Unterstützung von 70 Prozent der Belegschaft wolle man VW auffordern, die Gewerkschaft freiwillig als Tarifpartner anzuerkennen. Sollte sich das Unternehmen weigern, werde man eine Wahl beantragen.
Insgesamt richtet sich die UAW-Kampagne an rund 150.000 Beschäftigte. Die meisten Standorte der internationalen Automobilhersteller befinden sich in den Südstaaten der USA. Dort sind neben den Unternehmen häufig auch politische Lobbygruppen und konservative Politiker der jeweiligen Bundesstaaten an gewerkschaftsfeindlichen Aktivitäten beteiligt. ch
47 internationale Bekleidungsfirmen und globale Gewerkschaftsverbände haben sich auf eine Verlängerung des International Accord for Health and Safety in the Textile and Garment Sector geeinigt. Dieses Mal sogar um sechs Jahre, deutlich länger als die beiden Male zuvor. Gegründet worden war der Accord 2013. Damit reagierte die Textilindustrie auf die Tragödie von Rana Plaza in Chaka, Bangladesch, mit mehr als 1.130 Toten. Damit unterstützten die beteiligten Akteure zunächst die Überprüfung der Sicherheit und des Brandschutzes in Exportfabriken. Zu den Maßnahmen zählen mittlerweile:
Zunächst galt der Accord nur für Bangladesch, mittlerweile gilt er auch für Pakistan. Die Beteiligten streben eine Ausweitung der Vereinbarung auf weitere Produzentenländer an.
Mit der Verlängerung kommen einige Neuerungen:
Zu den frühen Unterstützern der Vereinbarung zählte Tchibo. Werner Weber, Vorsitzender der Geschäftsführung, lobte die jetzigen Vereinbarungen: “Die neue lange Laufzeit beim Accord ist ein entscheidender Meilenstein in den Bemühungen um mehr Sicherheit in der globalen Textilproduktion.”
Das Accord-Modell habe die Zahl der Zwischenfälle in Fabriken in Bangladesch drastisch reduziert und bewirke derzeit “einen echten Wandel für die Arbeiter in Pakistan“, heißt es bei der Clean Clothes Campaign. Das internationale Netzwerk kritisiert Marken wie Levi’s, Ikea, Amazon, Walmart oder Decathlon, die in Bangladesch und Pakistan “in erheblichem Umfang produzieren“, sich aber “konsequent weigerten“, das Abkommen zu unterzeichnen. Außerdem zahlen viele Unternehmen weiterhin keine existenzsichernden Mindestlöhne. cd
Deutschlands Manager, das heimliche Standortproblem – Süddeutsche Zeitung
Vorstandschefs schimpfen gerne über die Politik, schreibt Meike Schreiber, dabei sei doch die eigene Mittelmäßigkeit längst ein Risiko für den Standort Deutschland. VW, Bayer, Continental, Deutsche Bank nennt die Autorin als Wertvernichter im Dax. Ein wichtiger Grund: Corporate Governance, die auch die Aktionärsinteressen einschließe, sei in vielen deutschen Konzernen Mangelware. Zum Artikel
Das moralische Angebot – Publik-Forum
Nachhaltige Produktion, bewusster Konsum, überprüfbare Lieferketten: Viele Ansätze der Fairtrade-Idee sind aus der Nische in den politischen Mainstream gerückt. Wie muss sich der faire Handel ändern, um weiter Vorreiter zu bleiben? Fünf Kriterien führt unser Redaktionsleiter Caspar Dohmen in seinem Text aus. Zum Artikel
Wo die Schrottautos enden – Süddeutsche Zeitung
Auch nach dem weitgehenden Ende des Verkaufs von Verbrenner-Autos ab 2035 könnten Gebrauchtfahrzeuge weiter aus der EU exportiert werden. Außerdem würden hiesige Konzerne vermutlich weiter fossil angetriebene PKW bauen, um wachsende Märkte in Entwicklungsländern zu bedienen. So könnte sich der globale Schadstoffausstoß des Straßenverkehrs bis 2050 verdoppeln, berichten Ingrid Gercama und Nemanja Rujevic. Zum Artikel
Will lab-grown meat ever make it onto supermarket shelves? – The Economist
Frühere Schätzungen über den Markt für künstlich hergestelltes Fleisch waren übertrieben, schreibt der Autor. Schuld seien die hohen Kosten und Probleme bei der Skalierung der Produktion. Die meisten Unternehmen konzentrierten sich nun auf Hybridfleisch, in dem gezüchtetes tierisches Eiweiß mit Soja oder Weizen kombiniert wird. Zum Artikel
What no one at COP28 wanted to say out loud: Prepare for 1.5 Degrees – The New York Times
Der Wissenschaftsjournalist David Wallace-Wells zeigt sich skeptisch gegenüber dem neuen Klimaoptimismus, der “alles unter drei Grad” (Bill Gates) als vorteilhaft einschätzt. Der Autor begrüßt den Kompromiss im Abschlussdokument von Dubai – doch die Zeit zum Handeln werde immer knapper, um eine erschreckende Zukunft abzuwenden. – Zum Artikel
Angst ist keine Lösung – Die Tageszeitung
Christian Jakob diskutiert die Wirkung der Kipppunkte-Metapher, die zur Beschreibung unumkehrbarer klimatischer Prozesse verwendet wird. Der Autor warnt vor den Demobilisierungseffekten der Katastrophen-Szenarien, und erinnert daran, dass der Globale Süden viel stärker vom Klimawandel betroffen sein würde als der industrialisierte Westen. – Zum Artikel
Maja Göpel: “Im Moment bräuchten wir wohl alle mal eine Pause” – Baseler Zeitung
Die Politökonomin Maja Göpel erinnert im Interview von Dominique Eigenmann daran, dass es beim Thema Nachhaltigkeit nicht länger um eine schöne Natur geht, sondern ob Versorgung und Gesundheit auf Dauer möglich sind. Es lohne sich, beim Klimaschutz “um jedes Zehntelgrad zu kämpfen”. – Zum Artikel
Preaching sustainability while hawking fast fashion – meet the greenwashing influencers -The Guardian
Sarah Manavis hat eine gängige Strategie der Modebranche untersucht: Um halbherzige Öko-Initiativen zu bemänteln oder Greenwashing zu betreiben, werden bekannte Influencer zu Markenbotschaftern in Sachen Nachhaltigkeit ernannt. – Zum Artikel
Heraus aus der Krise – wie es mit grünen Investments weitergeht – Handelsblatt
ESG-Investments brauchen neue Impulse. Doch nicht überall wird privates Kapital ausreichen, um die Klimawende zu finanzieren, meint Blackrock-Manager Christian Hyldahl im Gespräch mit Michael Maisch. – Zum Artikel
Protesters vs critical minerals: Panama copper fiasco shows risks to green transition – Financial Times
Nach Massenprotesten gegen Umweltzerstörung und Landverkäufe verfügte ein Gericht in Panama die Schließung der Cobre Panama-Kupfermine des kanadischen Bergbaukonzerns Quantum Minerals. Das Parlament sagte daraufhin alle neuen Bergbauprojekte ab, sollte sich nun aber auf Schadensersatzklagen über 50 Milliarden US-Dollar einstellen, berichten Christine Murray and Harry Dempsey. – Zum Artikel
Der Lohn sollte nicht davon abhängen, wie hart jemand verhandelt: Erfahrungen von zwei Vorreitern in Sachen Lohntransparenz – Neue Zürcher Zeitung
Über Löhne werde in der Schweiz traditionell nicht gesprochen, schreibt Christin Severin. Aber das Tabu gerate ins Wanken. Die Personalchefs von Helsana und Postfinance begründen nun, warum sie Lohntransparenz eingeführt haben und was es ihren Unternehmen bringt. – Zum Artikel
“Que sait-on du travail?”: l’intensification du travail, principale suspecte de la dégradation de la santé des salaries – Le Monde
37 Prozent der französischen Arbeitnehmer sehen sich aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage, ihren Job bis zur Rente auszuüben: Zu hoch sei der Arbeitsdruck, vor allem in den Berufen mit geringer Qualifikation. Jules Thomas fasst die Ergebnisse eines Forschungsprojekts der Sciences Po zusammen, das der Soziologe Arnaud Mias durchführt. – Zum Artikel
Die (unfreiwillig) grüne Zukunft des Skifahrens – Der Standard
Philip Pramer ist der Frage nachgegangen, was der Klimawandel für den Wintersport bedeuten könnte. Ganz einfach: Erwärmt sich die Welt um drei Grad, könnte neun von zehn Skigebieten der Schnee ausgehen. – Zum Artikel
“Unser Flaschenhals ist der Ankauf gebrauchter Geräte”, sagt Philipp Gattner. Der 41-Jährige ist CEO des Berliner Refurbished-Händlers Rebuy. Dessen Geschäftsmodell funktioniert so: Rebuy kauft gebrauchte Mobiltelefone, Kameras und Spielekonsolen an, prüft ihren Zustand und verkauft sie dann weiter. Roboter und menschliche “Grader” überprüfen jede Woche mehrere Tausend Geräte. Gattner würde gerne mehr ankaufen, aber: “Wir müssen aktuell viele Geräte ablehnen.”
Weil Einzelteile oft fest verklebt sind oder die Hersteller keine Ersatzteile bereitstellen, scheitere der Ankauf – trotz einer großen Reparaturabteilung. Das begrenze das Angebot an Second-Hand-Elektronik, obwohl die Nachfrage hoch sei. Etwas Abhilfe schaffe es, defekte Geräte anzukaufen, zu zerlegen und die Teile für Reparaturen zu lösen. “Das nennen wir intern den Frankenstein-Prozess”, verrät Gattner. Der löse aber das eigentliche Problem nicht. Der gebürtige Freiburger hat Wirtschaftswissenschaften und Entwicklungspolitik studiert.
In der internationalen Politik landete er dann doch nicht: “Die eher bürokratischen Prozesse haben mich abgeschreckt.” Stattdessen wurde er Berater bei McKinsey und betreute dort Kunden im öffentlichen Sektor. Doch nach ein paar Jahren als “Consultant” wollte der passionierte Radfahrer selbst etwas gründen. Bevor er mit einer seiner Geschäftsideen zufrieden war, lief ihm Lawrence Leuschner über den Weg, einer der Rebuy-Gründer. “Er hat mich überzeugt, bei ihnen einzusteigen.”
Und so begann er 2015 als “Chief Strategy Officer” bei Rebuy. Als nach vier Jahren der Chefposten recht überraschend frei wurde, rückte Gattner auf. CEO-Erfahrung hatte er vorher nicht, entsprechend aufgeregt war er. Doch es sei gut gelaufen. Das Unternehmen schreibt seit 2019 schwarze Zahlen, im vergangenen Jahr freute er sich über einen Rekordumsatz von über 200 Millionen Euro. Für sich genommen ist das viel. Klassische Elektronikhändler mit Neuware spielen jedoch in einer anderen Liga. Noch – glaubt Gattner.
Gegenüber Anbietern neuer nachhaltiger Produkte sieht er sich im Vorteil: “Häufig hat Nachhaltigkeit einen Preis, bei uns kann man nachhaltiger und gleichzeitig günstiger einkaufen.” Er freue sich, dass das Thema Kreislaufwirtschaft auf den oberen politischen Ebenen gesehen werde. Auf EU-Ebene ist ein Recht auf Reparatur fast schon in trockenen Tüchern, die Bundesregierung arbeitet gerade an ihrer Nationalen Kreislaufwirtschaftsstrategie.
Jetzt brauche es konkrete Schritte und Gesetze. Der größte Hebel sei es, die Gerätehersteller in die Pflicht zu nehmen. “Bis die die Reparierbarkeit verbessern, wäre ein Reparaturbonus sehr hilfreich”, wünscht sich Gattner für die Übergangsphase. Andere Länder wie Frankreich seien da schon weiter. Mit mehr Rückenwind könne die Reparaturbranche effizienter werden – und gebrauchte Geräte gegenüber Neuware noch wettbewerbsfähiger machen. Paul Meerkamp