Table.Briefing: ESG

Agri-PV: Win-win für das Klima + Wasserstoff: Elektrolyseur-Hersteller mit Problemen

Liebe Leserin, lieber Leser,

die ökologische und soziale Transformation ist kein Konzept, das sich in allen Sektoren auf gleiche Weise materialisiert. In der Landwirtschaft gibt es andere Bedarfe als in der Industrie, in Ländern des globalen Nordens andere als im Süden – und damit auch verschiedene Lösungen.

Manchmal schaffen sie es, mehrere Probleme gleichzeitig zu beheben. So deuten etwa Pilotprojekte in Baden-Württemberg daraufhin, dass sich mit Photovoltaikanlagen über Apfelbäumen der Ertrag erhöhen, die Kosten senken und umweltfreundlicher Strom produzieren lässt. Horand Knaup weiß, warum Deutschland sich beim Thema Agri-PV jedoch selbst ausbremsen könnte.

Wichtige Anlagen für die Dekarbonisierung der energieintensiven Industrie will MAN Energy Solutions im Oktober einweihen: Elektrolyseure für die Produktion von Wasserstoff. Bislang ist der erwartete Boom aber ausgeblieben. Günter Heismann hat recherchiert, welche Schwierigkeiten deutsche Hersteller haben und wie MAN Energy Solutions trotzdem erfolgreich sein will.

Doch Transformation ist nicht nur hierzulande notwendig, global stehen viele Volkswirtschaften vor einem tiefgreifenden Wandel. Eine wichtige Rolle in der Zusammenarbeit mit einigen Staaten des globalen Südens nimmt das deutsche BMZ für sich in Anspruch. Vor dem Hintergrund sich verändernder Anforderungen – auch mit Blick auf die Transformation – sei es nötig über die Ziele von Entwicklungspolitik zu sprechen statt über die Auflösung des Ministeriums, schreibt Stephan Klingebiel, Forscher am German Institute of Development and Sustainability in seinem Standpunkt.

Ich wünsche Ihnen eine anregende Lektüre.

Ihr
Nicolas Heronymus
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Analyse

Mit Agri-PV gegen den Klimawandel: Eine Win-Win-Situation

Agri-PV in Kressbronn

Neulich war der Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir vor Ort, um sich die Innovation am Stadtrand von Freiburg selbst anzuschauen. Am Rande des Kaiserstuhls baut ein Winzer nicht nur Wein an – über seinen Reben hat er auch eine Photovoltaik-Anlage installiert. Eine Win-Win-Situation: Die Weintrauben sind vor Hagel, zu viel Feuchtigkeit und Sonnenbrand geschützt, und obendrein gewinnt der Winzer mit seiner Anlage Strom. Özdemir ist beeindruckt. Deutschland komme zu langsam voran beim Ausbau der Erneuerbaren Energien, sagt er. Aber hier sehe man “den Weg in die Zukunft”.

Nicht weit entfernt, im südbadischen Nussbach, staunte auch Arbeitsminister Hubertus Heil ein paar Tage zuvor über Äpfel und Birnen, die unter den Solarmodulen so viel besser aussehen als die ungeschützten Früchte nebenan.

Die Reisenden aus Berlin sind einem Trend auf der Spur. Äpfel und Beeren, Hopfen und Birnen, Weintrauben und Kirschen mit Solarmodulen quasi zu überdachen und vor Extremwetter zu schützen, erweist sich in immer mehr Regionen als hilfreich. Zwischen 30 und 50 Anlagen soll es in Deutschland inzwischen geben, genau weiß es niemand.

Lange hatte sich das Bundeswirtschaftsministerium gesträubt, die Sache zu fördern. Aber seitdem Wirtschaftsminister Robert Habeck mit dem Solarpaket I einen rechtlichen Rahmen geschaffen hat, ist die Sache auch für Landwirte interessant geworden. Vor allem bei Sonderkulturen. Und vor allem dort, wo sie, wie etwa in Baden-Württemberg, zusätzlich staatliche Hilfen bekommen. Und wo ihnen Experten zur Seite stehen, wie etwa vom Fraunhofer Institut für Solare Energiesysteme (ISE).

Agri-PV: Trotz Unsicherheiten schon jetzt “eine absolute Win-Win-Situation”

Noch fehlen lange Erfahrungsreihen, um die ersten Erkenntnisse als gesichert auszuweisen. Sie fehlen in der Landwirtschaft, und sie fehlen mit Blick auf die Optimierung der Anlagen. Was ist die ideale Höhe der Module, wie sieht der ideale Einstrahlwinkel aus, sind starre oder nachgeführte Module besser, wo liegt der Kompromiss zwischen Energieausbeute und Ernteertrag? Die Feuchte und die Sonnenstunden, die Bodenqualität und die Frostnächte sind weitere Variablen von vielen, die die Wissenschaftler aufzeichnen.

Von einer “absoluten Win-Win-Situation” spricht aber auch Systemingenieur und Biologe Oliver Hörnle schon jetzt. Bei ihm laufen am Freiburger ISE die Fäden zusammen. 60 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen umfasst die Forschungsgruppe, es ist die größte weltweit. Sie betreuen auch die Anlagen in Freiburg und Nussbach. Ihr Wissen ist gefragt, in 55 Ländern führen sie Projekte durch, in Indien genauso wie in Lateinamerika, in den USA oder Südafrika.

Dass sich die Anlagen gerade im süddeutschen Raum häufen, ist kein Zufall. Wegen des Klimawandels setzt die Blüte Wochen früher ein als noch vor wenigen Jahren, was die Gefahr von Frostschäden erhöht. Hagelschlag ist im Sommer zur Dauerbedrohung geworden, und auch Sonnenbrand und Starkregen haben sich für einige Kulturen zur Gefahr entwickelt. Umso mehr suchen Landwirte nach Optionen, um ihre Pflanzungen zu schützen.

Auch wenn nicht alle Anbaukulturen für Agri-PV geeignet sind, zeichnet sich ab, dass die Technologie nicht nur Erträge steigert, sondern alsbald zum Standard für Sonderkulturen gehört. Aufgrund des Klimawandels “wird es in zehn Jahren in manchen Regionen keinen Anbau ohne Agri-PV mehr geben”, prophezeit Hörnle. “Was wir jetzt am Bodensee machen, wird in ein paar Jahren auch das Alte Land erreichen”, ergänzt er.

Pilotprojekt: Mehr Ertrag, weniger Kosten

Ortstermin in Kressbronn am Bodensee, wo der Apfelbauer Hubert Bernhard auf 4.000 Quadratmetern Äpfel züchtet, teilüberdacht von einer PV-Anlage. Unterstützt wird das Projekt von der Landesregierung in Stuttgart. Bernhard berichtet: Gleich im ersten Jahr hatte er eine prima Apfelernte, deutlich mehr als auf einer Referenzfläche ohne PV-Module – gleiche Böden, gleiche Sorte, gleiche Bedingungen, nur eben ohne Module. Er habe auch keine Hageleinschläge mehr und verzeichne weniger Feuchteschäden, weil die Module den Regen abhalten und für eine bessere Durchlüftung sorgen.

Zudem erspart er seinen Apfelbäumen Sonnenbrand, weil 35 Grad und mehr im Sommer auch in Kressbronn keine Seltenheit mehr sind. Andersherum verbucht er auch weniger Frostschäden, weil es bei klarem Himmel unter den Modulen zwischen einem halben und bis zu zwei Grad wärmer ist – was ein entscheidender Unterschied sein kann zwischen Super-Ertrag und Totalausfall.

Zwar gelingt nicht immer die optimale Südausrichtung der Module. Dafür liefern sie aber pro Flächeneinheit bis zu zehn Prozent höhere Stromerträge, weil sie besser durchlüftet sind als vergleichbare Dachanlagen, unter denen sich die Hitze staut.

30 Prozent weniger Betriebskosten

Noch ist es zu früh für eine belastbare Bilanz. Aber die Missernten und die Schadensfolgen sind unter den Modulen auffallend geringer, es gibt weniger Frost- und Hagel-, Feuchte- und Sonnenschäden – “und ich spare 20 bis 30 Prozent der Einsatzkosten”, sagt Bernhard. Keine Schutzfolie mehr, die er alle paar Jahre ersetzen muss, keine Netze mehr, weniger Dünger, weniger Wasser, 70 Prozent weniger Pflanzenschutzmittel und weniger Sprit, um mit dem Trecker durch die Spaliere zu fahren. Und auch kein Mikroplastik mehr, das sich anreichert und in vielen Sonderkulturen mit Folie bereits nachweisbar ist. Statt 15.000 Euro an Betriebskosten pro Hektar Apfelbäume kommt er bei seiner Pilotanlage mit 11.000 Euro aus.

Es war aber schwierig für Bernhard. Wie man eine PV-Anlage plant, auf Mängelbeseitigung achtet, mit sperrigen Bauämtern um Genehmigungen verhandelt, sich von den regionalen Energieversorgern nicht über den Tisch ziehen lässt, bei Banken günstige Kredite und beim Stromabnehmer bessere Tarife herausholt – alles keine Kernexpertise der meisten Landwirte. Hätten die Helfer vom Fraunhofer-Institut ihm nicht zur Seite gestanden, hätte Bernhard wohl kapituliert.

Bürokratie und Spardruck könnten Deutschland ausbremsen

In Indien hilft Fraunhofer ISE beim Aufbau eines Agri-PV-Kompetenzzentrums. Die USA planen eine Forschungsanlage auf einer Fläche von 100 Hektar. Die italienische Regierung, die gegen die Trockenheit in der fruchtbaren Po-Ebene kämpft, unterstützt Agri-PV-Anlagen mit Milliarden und treibt die Forschung voran. “Jetzt werden die Patente für die nächsten 15 Jahre vergeben”, sagt Hörnle und ergänzt: “Der Markt wird kommen”. Allein in den USA rechne man in den nächsten zehn Jahren mit rund zehn Milliarden US-Dollar Umsatz im Agri-PV-Geschäft.

In Berlin verfolgt man die Entwicklung aber höchstens mit Neugier. Das Paradox: Weltweit wird gefördert und investiert, nur in Deutschland will das Forschungsministerium von Bettina Stark-Watzinger unter dem verordneten Spardruck die Mittel um 30 Prozent kürzen. Immerhin haben Heil und Özdemir bei ihren Besuchen versprochen, noch einmal mit der Kollegin zu sprechen.

Hinzu kommen weitere typisch deutsche Hürden – vor allem in der Forschungslandschaft: Ein Thema, eine Projektstruktur, aber drei Ministerien. “Das Wirtschaftsministerium darf nur die Energiekomponente fördern”, berichtet Hörnle. Das Forschungsministerium wiederum unterstützt die Studie, wie sich der Pestizideinsatz unter den Modulen verändert. Das Landwirtschaftsministerium schließlich interessiert sich für die Optimierung der Ernteerträge. Jedes Ressort will auf dem Laufenden gehalten werden. “Wir verbringen inzwischen mehr Zeit mit Anträgen und Zwischenberichten als mit der eigentlichen Forschung”, stöhnt Hörnle.

Noch gehöre Deutschland zusammen mit den USA, Frankreich und Italien zu den führenden Nationen beim Rennen um Wissen, Forschungsergebnisse und Wertschöpfungstiefe. “Wir sind so weit vorne”, sagt Hörnle nicht ohne Stolz. Nur ist die Gefahr, diesen Vorsprung zu verspielen, gerade groß.

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Wasserstoff: Mit welchen Problemen Elektrolyseur-Hersteller kämpfen

Elektrolyseur-Anlage in Oberhausen: “Der Markt erlebt derzeit eine Verlangsamung des Investitionstempos.”

An der Feier werden gleich mehrere Spitzenpolitiker teilnehmen. Sowohl Kanzler Olaf Scholz als auch Peter Tschentscher, Erster Bürgermeister von Hamburg, wollen dabei sein, wenn die Firma MAN Energy Solutions (MAN ES) am 30. Oktober ein neues Werk in der Hansestadt eröffnet.

Für das Augsburger Unternehmen ist es eine Premiere: In der Fabrik in Hamburg-Rahlstedt will MAN ES zum ersten Mal in industrieller Serienfertigung Elektrolyseure herstellen. Jene Anlagen, die zur Produktion von Wasserstoff benötigt werden.

Doch MAN ES steht derzeit vor zwei Problemen, die auch die Konkurrenten Siemens Energy und ThyssenKrupp Nucera spüren: Auf der einen Seite entwickelt sich die Nachfrage nach Elektrolyseuren keineswegs so positiv, wie dies noch vor einem oder zwei Jahren erwartet wurde. Zugleich drängen Hersteller aus China auf die europäischen Märkte.

Um die neuen Mitbewerber abzuwehren, plant MAN ES, die Kosten kräftig zu senken. Erreicht werden soll dies mit einer hochautomatisierten Produktion, in der unter anderem Roboter eingesetzt werden. “Ferner wollen wir den Anteil des teuren Halbedelmetalls Iridium an den Elektroden weiter reduzieren”, erläutert Ulrich Vögtle, Head of Business Development Power bei MAN ES.

Werden diese beiden Maßnahmen ausreichen, um die Konkurrenz aus Fernost in Schach zu halten? “Die Preise der chinesischen Elektrolyseure sind um 70 bis 80 Prozent niedriger als bei den europäischen Konkurrenzprodukten”, sagt Dirk Niemeier, Head of Clean Hydrogen Solutions bei der Unternehmensberatung PwC Strategy& Germany in Hamburg.

Vorsprung chinesischer Hersteller durch günstigere Technologie und Lerneffekte

Branchenkenner nennen zwei Gründe, warum die asiatischen Konkurrenten so billig anbieten können. “Die chinesischen Hersteller haben sich durchweg für die Alkaline-Technologie entschieden, bei der die Investitionskosten niedriger sind”, sagt Vögtle. Auf dieses erprobte Verfahren setzt auch ThyssenKrupp Nucera.

Die Technologie kommt allerdings nicht gut mit den hohen Lastschwankungen bei Solar- und Windstrom zurecht. Hierfür ist das PEM-Verfahren, auf das MAN Energy Solutions und Siemens Energy setzen, erheblich besser geeignet. Das Alkaline-Verfahren wird bevorzugt in Regionen mit hoher und regelmäßiger Sonneneinstrahlung oder reichhaltig verfügbarer Wasserkraft eingesetzt.

Zum anderen konnten die Konkurrenten bereits Lerneffekte nutzen, um die Kosten in der Fertigung zu senken. “China hat bis Juni 2024 Elektrolyseure mit einer Leistung von insgesamt 1,2 Gigawatt installiert. Dies entspricht rund 50 Prozent der weltweit verfügbaren Kapazität”, sagt Niemeier. Aufmerksam beobachtet die Branche, wie die Konkurrenten aus dem Fernen Osten den Markteintritt vorbereiten. Bei einigen Ausschreibungen für Elektrolyse-Projekte in der EU hätten chinesische Hersteller bereits Angebote eingereicht, sagt MAN-ES-Manager Vögtle.

Markt für Elektrolyseure entwickelt sich langsam

Doch ein großflächiger Markteintritt könnte sich noch verzögern, denn die Betreiber von Elektrolyse-Anlagen, zu denen vor allem Energieversorger und Produzenten von Industriegasen gehören, sind derzeit bei Neu-Aufträgen sehr zurückhaltend. “Der Markt für Elektrolyseure erlebt derzeit eine Verlangsamung des Investitionstempos”, sagt Leif Christian Kröger, Head of Public Affairs bei ThyssenKrupp Nucera. Das börsennotierte Unternehmen musste kürzlich aufgrund der schlechten geschäftlichen Aussichten die Umsatz- und Gewinnprognosen für das Geschäftsjahr 2024/25 zurückziehen.

Das Unternehmen kann zwar einige prestigeträchtige Projekte vorweisen. So rüstet Nucera die saudi-arabische Planstadt Neom mit einer großen Elektrolyse-Anlage aus. Ein zweiter Großauftrag kam aus Schweden, wo das Start-up H2 Green Steel derzeit das weltweit erste große, wasserstoffbasierte Stahlwerk hochzieht. Dort ist CO₂-arm hergestellter Wasserstoff günstig, da er mit Strom aus lokalen Wasserkraftwerken produziert werden kann.

Doch solche lukrativen Aufträge laufen bei Nucera nicht gerade in Serie ein. “Das Interesse der potenziellen Kunden ist riesengroß. Doch es kommt längst nicht immer zu einem Vertragsabschluss”, sagt ein Branchenkenner. Das Missverhältnis zwischen Plänen und Konzepten auf der einen Seite und einer finalen Investitionsentscheidung oder gar einem Baubeginn auf der anderen Seite sei extrem.

Für die Marktflaute machen Experten eine ganze Reihe von miteinander verketteten Gründen verantwortlich. Einer besteht darin, dass die Produzenten von grünem Wasserstoff mit keiner allzu großen Nachfrage für ihren klimafreundlichen Energieträger rechnen. Neue Elektrolyseure würden sich womöglich rasch als Fehlinvestitionen entpuppen.

Probleme: Geringe Nachfrage und hohe Kosten

Branchenkenner wissen aktuell nur von wenigen halbwegs konkreten Großaufträgen in Europa zu berichten. Die Umsetzung von Projekten zur CO₂-Reduktion bei der Stahl– oder Zementherstellung dürfte sogar noch mehrere Jahre dauern.

Denn die Infrastruktur für die “Hydrogen Economy” ist zum allergrößten Teil noch nicht vorhanden. Um den Wasserstoff von den Lieferanten zu den Kunden zu bringen, muss ein Leitungsnetz aufgebaut werden. Doch das deutsche Wasserstoff-Kernnetz wird die meisten potenziellen Großverbraucher frühestens im Laufe der 2030er-Jahre erreichen. Ohne langfristige Abnahmeverträge von Großkunden geben Banken jedoch keine Kredite für Investitionen in Elektrolyseure.

Das wohl größte Problem sind die derzeit noch sehr hohen Kosten. “Bisher ist grüner Wasserstoff fünf- bis sechsmal so teuer wie grauer Wasserstoff, der mittels Dampfreformierung klimaschädlich aus Erdgas gewonnen wird”, sagt Hydrogen-Experte Vögtle von MAN ES. Erst wenn erneuerbarer Strom zu geringeren Kosten erhältlich ist – und die CO₂-Bepreisung Erdgas weiter verteuert – werden sich die Herstellungskosten annähern. “Es wird circa zehn bis 15 Jahre dauern, bis grüner Wasserstoff in Europa bei den Kosten wettbewerbsfähig ist”, vermutet Niemeier. Günter Heismann

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Termine

28. August 2024, 15:00 bis 16:30 Uhr, Online
Online-Diskussion itSMF Community Day: Corporate Sustainability Reporting Directive (Veranstalter: itSMF Deutschland) Info & Anmeldung

29. August 2024, 9:00 bis 13:00 Uhr, Online
Online-Seminar Betriebliches Klimamanagement II (Veranstalter: KliMa Wirtschaft) Info & Anmeldung

29. August 2024, 17:00 bis 19:00 Uhr, Berlin
Diskussion GigawattFactory & Global Goals: Nachhaltigkeits-Boost mit Digitalisierung? (Veranstalter: SIBB) Info & Anmeldung

29. und 30. August, Utrecht, Niederlande
Konferenz Global Goals 2024 – The Future of the SDGs (Veranstalter: Utrecht University u.a.) Info & Anmeldung

30. August 2024, 13:00 bis 16:30 Uhr, Erkelenz
Tagung 6. Entwicklungskonferenz – Räume für nachhaltige Entwicklungen im Rheinischen Revier (Veranstalter: BUND) Info & Anmeldung

2. September 2024, 15:00 bis 17:00 Uhr, Online
Webinar Vom Gesetz zur Praxis im Einkauf – Lieferkettengesetz und nachhaltige Beschaffung (Veranstalter: Auftragsberatungsstelle Sachsen) Info & Anmeldung

2. bis 6. September 2024, Bonn
Seminar Mobilität von morgen – Wie kann der Weg in einen emissionsärmeren Verkehr aussehen? (Veranstalter: Friedrich-Ebert-Stiftung) Info & Anmeldung

2. bis 6. September 2024, Kochel am See
Seminar Luxusgut Wasser – begrenzter Rohstoff, Konfliktursache und Menschenrecht (Veranstalter: Georg-von-Vollmar-Akademie) Info & Anmeldung

3. September 2024, Pforzheim
Tagung Sustainable Jewellery Day 2024 (Veranstalter: Bundesverband Schmuck, Uhren, Silberwaren und verwandte Industrien) Info & Anmeldung

3. bis 4. September 2024, Hannover
Tagung VKU-Stadtwerkekongress 2024 (Veranstalter: Verband kommunaler Unternehmen e.V.) Info & Anmeldung

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News

Lieferketten: Neue Beschwerdemechanismen in Pakistan

Mehrere pakistanische Zulieferer deutscher Textilunternehmen führen ab Anfang September einen Beschwerdemechanismus ein, wie es das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) vorsieht. Er soll schrittweise im Rahmen von Belegschaftsversammlungen ausgerollt werden, teilte ein Sprecher des Entwicklungshilfeministeriums (BMZ) mit. Vergangene Woche hatte sich Entwicklungshilfeministerin Svenja Schulze auf ihrer Pakistanreise in Fabriken umgeschaut, die an neuen individuellen Beschwerdemechanismen arbeiten: Inter Market Knit Private Limited, Anwar Khawaja Industries PVT. LTD und Kohinoor Textile Mills Limited. Letztere Fabrik produziert laut BMZ unter anderem für Tchibo, Aldi Nord und Aldi Süd sowie Esprit und Schöner Wohnen.

Bislang hatten die Beschäftigten nur die Möglichkeit, Beschwerden zentral einzureichen – über eine Hotline. Diese Mechanismen waren bereits vor der Einführung des Lieferkettengesetzes üblich.

Pakistan Accord arbeitet an gemeinsamen Beschwerdemechanismus

Zudem wird im Rahmen des Pakistan Accord, einem rechtsverbindlichen Abkommen zwischen globalen Gewerkschaften und Markenherstellern zur Gewährleistung der Gesundheit und Sicherheit von Arbeitnehmern in der Textil- und Bekleidungsindustrie Pakistans, an einem gemeinsamen Beschwerdemechanismus für Unternehmen gearbeitet. Auch dieses Vorhaben unterstützt Deutschland, über die GIZ. Pakistan ist nach Bangladesch das zweite Land in Asien, welches einen solchen Accord beschlossen hat, um die Sicherheit in den Fabriken zu verbessern. Der erste gemeinsame Beschwerdemechanismus deutscher Unternehmen ist im Mai in Mexiko gestartet, beteiligt sind deutsche Automobilbauer und -zulieferer.

Funktionierende Beschwerdemechanismen sind entscheidend dafür, dass Lieferkettengesetze ihre Wirkung entfalten können. Denn nur so kommen Informationen über die Verletzung von Arbeits- oder Umweltrechten ans Licht. Die Etablierung solcher Mechanismen ist gerade in einem Land wie Pakistan sehr schwierig, wo nur ein geringer Teil der Textilarbeiter fest in den Fabriken angestellt ist, der größte Teil aber über Verleihfirmen arbeitet. Außerdem zählt Pakistan nach dem Rechtsindex des Internationalen Gewerkschaftsbundes zu den Ländern, in denen Arbeitsrechte systematisch verletzt werden. cd

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LkSG: Ein Zehntel der Unternehmen hat mit Umsetzung noch nicht begonnen

Rund jedes zehnte hiesige Unternehmen mit mehr als 1.000 Beschäftigten hat sich bislang noch gar nicht oder erst wenig mit der Umsetzung der vom Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) vorgeschriebenen Maßnahmen beschäftigt. Dies ist das Ergebnis einer Umfrage der IHK Düsseldorf unter 170 Unternehmen. Befragt wurden im Juli allerdings überwiegend Unternehmen, die weniger als 1.000 Beschäftigte haben und damit nur indirekt vom LkSG betroffen sind. Die befragten Firmen stammen vor allem aus dem IHK-Bezirk Düsseldorf und Nordrhein-Westfalen.

Auf einer Skala von eins (volle Umsetzung) bis fünf (nicht begonnene Umsetzung) stuften 28 Prozent der befragten Unternehmen sich in Stufe vier oder fünf ein. Für jedes zweite Unternehmen spiele die Vorbereitung auf die EU-Lieferkettenrichtlinie eine wichtige Rolle, heißt es bei der IHK Düsseldorf. Wie schon bei der ersten Befragung empfinden viele Unternehmen das LkSG als Belastung.

Als Hauptrisiken nennen Unternehmen mit mehr als 1.000 Beschäftigten:

  • den bürokratischen Aufwand (76 Prozent),
  • gefolgt von der Komplexität der Lieferkette und Schwierigkeiten bei der Durchsetzung von Anforderungen bei Zulieferer (52 Prozent)
  • sowie höhere Kosten (41 Prozent).

Unternehmen mit weniger als 1.000 Beschäftigten nennen dagegen:

  • die Komplexität von Lieferketten und Schwierigkeiten bei der Durchsetzung von Anforderungen bei Zulieferern an erster Stelle (67 Prozent),
  • es folgen ein erhöhter bürokratischer Aufwand (60 Prozent)
  • sowie die Einschränkung des internationalen Wettbewerbs (33 Prozent).

Aufschlussreiche Zahlen liefert die Befragung auch darüber, inwieweit die Unternehmen ihre Lieferketten kennen. Demnach haben 30 Prozent der großen Unternehmen mit 1.000 oder mehr Mitarbeitenden die Arbeits- und Produktionsbedingungen aller ihrer unmittelbaren Lieferanten im Blick. 70 Prozent weisen Lücken auf. Das sei “wenig überraschend”, denn 90 Prozent der Unternehmen mit dieser Größe hätten mehr als hundert unmittelbare Zulieferer. Bei den kleinen Unternehmen ist die Situation ähnlich (siehe Grafik).

Die Kritik an dem Gesetz überwiege bei den befragten Unternehmen, heißt es. Manche sähen darin aber auch Chancen. Dabei stünden vor allem die Reputation und unternehmerischen Werte sowie die Verantwortung im Fokus. Die Hälfte der Unternehmen erwarte auch ein “transparenteres und effektiveres Lieferantenmanagement durch solche gesetzlichen Vorgaben”. Deutlich skeptischer als die größeren Unternehmen sind allerdings die KMU. cd

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Eisen- und Stahlindustrie: Wo klimaschonende Produktion geplant wird

Neu angekündigte Produktionsstätten für Eisen und Stahl, insbesondere in Europa, sind immer häufiger auf klimaschonende Verfahren ausgerichtet. In Asien, vorwiegend in Indien, werden allerdings neue CO₂-intensive Hochöfen errichtet. Dies geht aus der Studie “Pedal to the Metal 2024” des Global Energy Monitors (GEM) hervor.

Die größten Fortschritte gibt es demnach im Bereich Stahlrecycling: 93 Prozent der im vergangenen Jahr neu angekündigten Produktionskapazitäten im Stahlbereich sind Elektrolichtbogenöfen, in denen Stahlschrott erneuert wird. Wenn die Entwicklung verlaufe wie angekündigt, so die Autoren, rücke damit das Ziel der Internationalen Energieagentur (IEA) in greifbare Nähe: Die IEA gibt vor, dass 37 Prozent der globalen Stahlproduktion in 2030 mit diesen strombetriebenen Öfen hergestellt werden soll. Der tatsächliche Bau dieser Anlagen hat aber zu einem großen Teil noch nicht begonnen.

Ebenfalls auf dem Vormarsch ist die Direktreduktion von Eisenerz (DRI). Global basieren 36 Prozent der neu angekündigten Werke auf der DRI-Technik. In diesen Anlagen kann potenziell CO₂-armer Neustahl hergestellt werden, sofern zur Eliminierung der Sauerstoffatome im Eisenerz “grüner” Wasserstoff genutzt wird. Die in Europa gegenwärtig geplanten Neustahl-Anlagen sind laut GEM alle DRI-basiert, doch auch hier sind viele Projekte noch nicht im Bau.

Die mengenmäßig führenden Länder im Stahlbereich, China und Indien, widersetzen sich dem Trend allerdings. China plant den Neubau von kohlebasierten Hochöfen mit einer Kapazität von 128 Millionen Tonnen Eisen pro Jahr (36 Prozent der neuen Hochofen-Projekte weltweit). Dort verlaufen die Projektierung und der Bau neuer Hochöfen jedoch inzwischen langsamer als die Stilllegung älterer Hochöfen.

Indien hingegen plant einen massiven Ausbau: Neue Hochofen-Kapazitäten im Umfang von 122 Millionen Tonnen Eisen pro Jahr (34 Prozent globaler Anteil) sind mittels dieser emissionsintensiven Technologie geplant. Laut GEM drohen Lock-in-Effekte: Die Investitionen in neue Hochöfen könnten eine Dekarbonisierung der Eisen- und Stahlindustrie politisch und wirtschaftlich erschweren. av

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UN-Zukunftskonferenz: Warum der Bundeskanzler zu einem virtuellen Vor-Gipfel einlädt

Ende September kommen die Staats- und Regierungschefs bei den Vereinten Nationen in New York City zusammen, um einen “Pact for the Future” zu beschließen. Er soll den Multilateralismus stärken und neu definieren.

Die Verhandlungen zu der Abschlusserklärung scheinen aber zu stocken. Denn wie Table.Briefings erfahren hat, lädt Bundeskanzler Olaf Scholz zusammen mit dem Präsidenten Namibias, Nangolo Mbumba, zu einem kurzfristig angesetzten Vor-Gipfel ein.

Das Treffen, das via UN-Web-TV gestreamt wird, findet am 12. September statt – zehn Tage vor dem “Summit of the Future” – und soll den Verhandlungen den nötigen Schwung geben, wie aus Regierungskreisen zu hören ist. Geplant sei, dass Scholz und Mbumba einen Appell an die UN-Mitglieder richten, sich konstruktiv zu beteiligen. Sprechen wird auch UN-Generalsekretär António Guterres. Die Staats- und Regierungschefs sollen ihre Prioritäten erklären.

Viele Themen und internationaler Kontext erschweren die Verhandlungen

Die Initiative ist überraschend, weil die Abschlusserklärung bereits seit Monaten verhandelt wird. Die erste Version – “Draft Zero” genannt – wurde im Januar veröffentlicht, seitdem fanden mehrere internationale Runden und Revisionen statt. Und so kurz vor dem Gipfel bleibt kaum Zeit, Vorschläge in das Dokument, das einstimmig beschlossen werden soll, aufzunehmen.

Angesichts der Vielfalt der Themen und der internationalen Krisen ist es deshalb eine Herausforderung, einen ambitionierten Pakt zu beschließen. Der Vertrag soll unter anderem die bisher zögerliche Umsetzung der UN-Nachhaltigkeitsziele (“Sustainable Development Goals”) beschleunigen und eine Reform der globalen Finanzarchitektur ermöglichen. Zudem geht es um “digitale Kooperationen”, die Transformation der globalen Governance und den internationalen Frieden. Die Folgen der Corona-Pandemie auf die Haushalte, Inflation und die Kriege in der Ukraine und im Gaza-Streifen führen allerdings immer wieder zu Spannungen in den Gesprächen.

Für Scholz ist das virtuelle Treffen der Auftakt zu mehreren Konferenzen in den kommenden Wochen, in denen es um Nachhaltigkeit geht. So wird er beim “Summit of the Future” in New York City sprechen und am 7. Oktober an der “Hamburg Sustainability Conference” teilnehmen. Einen Tag später wird er dann wahrscheinlich bei der Jahreskonferenz des Rates für Nachhaltige Entwicklung auftreten. maw

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Solarenergie: Wieso Meyer Burger in Sachsen-Anhalt bleibt

Der Solarkonzern Meyer Burger hat seine Pläne zum Bau einer Solarzellenproduktion in den USA und damit die vorgesehene Verlagerung seines Kerngeschäfts nach Übersee ad acta gelegt. Das geplante Projekt in Colorado Springs sei derzeit nicht finanzierbar und daher gestoppt worden, teilte der Schweizer Konzern am Montag mit. 

Das Unternehmen werde sich auf den Betrieb der im Hochlauf befindlichen Modulproduktion in Goodyear, Arizona, mit einer Kapazität von 1,4 Gigawatt konzentrieren, heißt es weiter. Die drohende Schließung der Produktionsstätte in Bitterfeld-Wolfen in Sachsen-Anhalt sei damit vom Tisch. “Das ist die gute Nachricht zur Schlechten”, sagte Geschäftsführer Gunter Erfurt.

Meyer Burger hatte bereits im Frühjahr die nach Unternehmensangaben größte Solarmodulproduktion im sächsischen Freiberg geschlossen. Das Unternehmen machte damals den Druck durch chinesische Billigimporte nach Europa dafür verantwortlich. Zuvor hatte die Branche erfolglos an die Bundesregierung appelliert, europäische Hersteller zu fördern. Auch die Produktion von Solarzellen in Bitterfeld-Wolfen stand zur Disposition. Zuletzt hatte es geheißen, die Produktion dort werde noch bis 2025 gebraucht.

Kostensteigerungen verhindern Umzug in die USA

Es sei geplant gewesen, das Werk zurückzufahren, sobald die Fertigung in den USA hochläuft, sagte Erfurt. Dazu kommt es nun doch nicht. Hintergrund der Finanzierungsprobleme der Zellproduktion in den USA seien unter anderem Kostensteigerungen für Material, das zum Umbau einer Fabrik gebraucht wird.

Das Werk in Sachsen-Anhalt mit seinen 350 Mitarbeitern solle daher auch zukünftig das “Rückgrat” der Solarzellenversorgung von Meyer Burger sein und die Modulproduktion der Firma im US-Bundesstaat Arizona beliefern. Das sei aktuell die wirtschaftlichste Option, verkündete der Schweizer Konzern. Die Modulproduktion in Arizona habe eine Kapazität von 1,4 Gigawatt. Diese könne komplett aus Bitterfeld-Wolfen beliefert werden. 

Neue Regelungen in den USA hätten es lukrativer gemacht, Solarzellen für die Modulproduktion zu importieren, erklärte Erfurt. Die Logistikkosten für Zellen seien auch vergleichsweise gering. Zudem gebe es in den USA deutlich mehr Restriktionen und Zölle gegenüber den Importen aus Asien. “Das allgemeine Preisniveau in den USA ist daher vergleichsweise gesund im Vergleich zu Europa. Deswegen funktioniert es auch.” dpa/rtr

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Neues Förderprogramm: Wie der Mittelstand dekarbonisiert werden soll

Mit einem neuen Förderprogramm will Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck kleine und mittlere Unternehmen bei der Umstellung auf klimafreundliche Produktionsverfahren unterstützen. Für das Programm “Bundesförderung Industrie und Klimaschutz” sollen bis zum Jahr 2030 insgesamt 3,3 Milliarden Euro aus dem Klima- und Transformationsfonds (KTF) zur Verfügung gestellt werden, kündigte Habeck am Freitag an. Das Programm soll die Klimaschutzverträge ergänzen, die sich vor allem an Großunternehmen richten. Gefördert werden Unternehmen, die ihre Emissionen bis zum Jahr 2030 um mindestens 40 Prozent reduzieren. Der Fördersatz beträgt je nach Größe des Unternehmens zwischen 30 und 50 Prozent der Investitionssumme; der Maximalbetrag pro Unternehmen beträgt 200 Millionen Euro.

Das Programm besteht aus zwei Modulen: Das erste mit dem Titel “Dekarbonisierung der Industrie” soll Investitionen fördern, die Emissionen vermeiden – etwa die Umstellung von bisher mit fossilen Energieträgern betriebenen Prozessen auf Strom oder Wasserstoff. Das zweite Modul mit dem Titel “Anwendung und Umsetzung von CCU und CCS” fördert Projekte zur Abspaltung, Nutzung und Speicherung von CO₂. Dies ist begrenzt auf Prozesse, bei denen die Emissionen nicht oder nur schwer vermeidbar sind, etwa in der Zementherstellung oder der Abfallbehandlung. Damit startet die CCS-Förderung für den Mittelstand schneller als für die Großindustrie: Dort sollen CCS-Projekte erst in der zweiten Gebotsrunde der Klimaschutzverträge gefördert werden, die sich derzeit noch in der Vorbereitung befindet. mkr

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Must-reads

Warum Unternehmen zur Veröffentlichung ihrer Lieferketten verpflichtet werden sollten – Makronom
Nur wenn Transparenz über die Lieferanten von Unternehmen herrsche, könne es wirksame Veränderungen geben, argumentiert Alexander Bloemer. Sonst blieben Missstände allzu oft unentdeckt. Er fordert deshalb, dass Firmen Listen ihrer Zulieferer veröffentlichen. Gegen das Argument, dass dadurch die Wettbewerbsfähigkeit leidet, wendet er unter anderem ein: In einer digitalisierten Welt sei es nicht sinnvoll, den Wettbewerbsvorteil allein auf die Tatsache zu bauen, den Lieferanten zu kennen. Zum Artikel

“Wer hat denn behauptet, dass Nachhaltigkeitsberichterstattung einfach ist?” – Haufe
Da es bei Naturschutz um den Erhalt unserer Lebensgrundlagen gehe, dürfe Wirtschaft nicht immer priorisiert werden, sagt Nachhaltigkeitsexperte Philippe Diaz im Interview mit Laslo Seyda. Die Berichtspflichten könnten nur effektiv sein, “wenn es wehtut”. Diaz kritisiert, dass Unternehmen selbst über “wesentliche” Aspekte entscheiden dürfen und zweifelt daran, dass Wirtschaftsprüfer geeignet sind, um Nachhaltigkeitsberichte zu kontrollieren. Zum Artikel

Streit um Ewigkeitschemikalien spaltet die Industrie – FAZ
Im Juli haben der BDI und weitere Industrieverbände in einem Brief an Bundeskanzler Olaf Scholz gefordert, von einem Pauschalverbot von Ewigkeitschemikalien (PFAS) abzusehen. Die Verbände argumentierten, ohne PFAS seien etwa die Klimaziele nicht erreichbar. Dass eine Regulierung der gesundheitsschädigenden Stoffe nötig ist – darin seien sich zwar alle einig, schreibt Bernd Freytag. Nur wie, sei umstritten. Wissenschaftler hielten ein Verbot von PFAS mit wenigen Ausnahmen für wichtig. Zum Artikel

Fonds wollen Firmen zwingen, sauberer zu werden – Süddeutsche Zeitung
Markus Zydra berichtet über die Beratungsfirma CAP2, die Aktien-Portfolios dadurch klimaneutral machen will, dass sie CO₂-Emissionszertifikate aufkauft – und stilllegt. Das führe dazu, dass die ohnehin begrenzt verfügbaren Zertifikate aus dem EU-Emissionshandel sich weiter verknappen. Die Rendite sinke dadurch zwar um bis zu 0,3 Prozent, sei aus Sicht von Experten aber ein guter Weg. Denn “schmutzige Unternehmen” durch Kapitalentzug “zu bestrafen”, funktioniere nicht. Zum Artikel

To Stay Relevant, a Spanish Energy Giant Turns to Waste – The New York Times
Der Erdölkonzern Repsol hat in Spanien eine Anlage gebaut, die Treibstoffe aus Abfällen herstellt. Stanley Reed berichtet, dass diese Treibstoffe die Emissionen im Vergleich zu herkömmlichen Produkten deutlich senken könnten. Repsol sehe darin eine vielversprechende Lösung für die Zukunft des Transports, da die Bio-Kraftstoffe mit der bisherigen Infrastruktur kompatibel und weniger kostenintensiv als andere saubere Energiequellen seien. Deswegen erwarte Repsol eine steigende Nachfrage nach diesen Treibstoffen. Bedenken gebe es aber hinsichtlich der Verfügbarkeit der benötigten Abfälle. Zum Artikel

Bacteria helping to extract rare metals from old batteries in boost for green tech – The Guardian
Robin McKie berichtet von den Ergebnissen eines Forschungsprojekts, in dem Wissenschaftler Bakterien genutzt hätten, um seltene Metalle aus alten Batterien zurückzugewinnen. Die Metalle seien unerlässlich für umweltfreundliche Technologien, aber nicht in großen Mengen verfügbar. Deshalb sei es wichtig, eine Kreislaufwirtschaft für sie zu entwickeln. Was noch nicht gelungen sei: das getrennte Zurückgewinnen von Kobalt und Nickel. Der nächste Schritt: Das Potenzial für die Wiederverwendbarkeit der Stoffe erforschen. Zum Artikel

Mexico’s President Bet Big on Oil. His Successor Will Be Stuck With the Tab – New York Times
Mexikos Präsidentin Claudia Sheinbaum wirbt für den Ausbau der erneuerbaren Energien. Doch ihr Vorgänger hinterließ ihr ein teures Ölraffinerieprojekt, ein Staatsdefizit von sechs Prozent des BIP, und noch einmal so viele Schulden beim staatlichen Ölkonzern. Vor allem sei es aber der allgemeine Ölnationalismus, der Sheinbaums Energie-Agenda erschwere, argumentiert Simon Romero. Zum Artikel

Das Klima holt die Wall Street ein – Die Zeit
Heike Buchter schreibt in ihrer Kolumne über die verflogene Euphorie um ESG als Investitionsansatz. Vor vier Jahren erklärte BlackRock Nachhaltigkeit zur Priorität und löste damit Begeisterung aus. Mittlerweile zeige sich aber, dass das für viele Investoren lediglich eine Modeerscheinung war. Angesichts steigender Zinsen und der Ukraine-Krisen seien viele zu fossilen Brennstoffen zurückgekehrt. Dabei führe der Klimawandel zu immer mehr wirtschaftlichen Herausforderungen. Die Verantwortlichen in den Chefetagen der Wall Street sollten endlich eine echte Klimawende angehen. Zum Artikel

Tintenfisch und Austern – taz
Durch die Erwärmung der Nordsee, schreibt Nick Reimer, werden dort statt Dorsch und Hering immer mehr Tintenfisch und Sardellen gefischt. Die Ostsee hingegen sei eine Todeszone, die Bestände würden Düngereintrag und Algen kaum noch überleben. Wie immerhin die Küsten vor dem steigenden Meeresspiegel geschützt werden könnten, hätten sich niederländische Forscher überlegt: Ein Deich solle die Nordsee vom Atlantik trennen. Zum Artikel

Standpunkt

Koordination vor “Übernahme”: Für eine inhaltlichere Debatte zur Rolle des BMZ!

Von Stephan Klingebiel
Stephan Klingebiel leitet am German Institute of Development and Sustainability (IDOS) das Forschungsprogramm “Inter- und transnationale Kooperation”.

Die deutsche Entwicklungspolitik wurde in den vergangenen Monaten ins politische Rampenlicht gezerrt. Dafür scheinen sich neuerdings Überschriften einzelner Projekte besonders gut zu eignen. Eine gewisse Tradition hat hingegen die Frage, ob es für dieses Politikfeld eines eigenen Ministeriums bedarf. Auch wenn der erste Minister des 1961 geschaffenen Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit (erst später kam “und Entwicklung” dazu) (BMZ) der entwicklungspolitisch versierte Walter Scheel (FDP) war, hat sich bei der FDP mittlerweile die Forderung nach der Abschaffung zu einem Markenkern entwickelt.

Entwicklungspolitik: Im Kern geht es heutzutage um gemeinsame Interessen

Die wichtigere Frage, die in den vergangenen Monaten oft unterbeleuchtet blieb: Was will Deutschland heutzutage mit Entwicklungspolitik erreichen? Dass die Welt im Jahr 2024 eine völlig andere ist als zur Gründung des BMZ, ist klar. Einige damalige Entwicklungsländer sind mittlerweile selbst “Geberländer” – man denke etwa an den rasanten Aufstieg Südkoreas. Und vielen Entwicklungsländern geht es heute wirtschaftlich deutlich besser als vor wenigen Jahrzehnten. Dies gilt aber eben nicht für alle Länder und zeigt sich etwa bei den sozialen und ökologischen Produktionsbedingungen in Bangladesch oder Pakistan.

Neu ist auch: Deutschland und Europa haben mittlerweile ein massives Interesse, mit Partnern aus dem globalen Süden zu kooperieren. Sei es aus geopolitischen (globaler Wettbewerb mit China) oder geo-ökonomischen (Zugang zu Rohstoffen) Gründen oder weil wir beim Klimawandel ohne Akteure wie Indien, Indonesien oder Südafrika nicht weiterkommen. Zu ignorieren, dass Entwicklungspolitik genau diese Themen inzwischen weitaus stärker aufgreift, als dies der Diskurs in Deutschland vermuten lässt, ist dabei nicht nur eine Fußnote.

Kurzum: Bei Entwicklungspolitik geht es heutzutage im Kern um gemeinsame Interessen von Partnerländern und uns. Sie schließt Fragen der außen-, außenwirtschaftlichen, sicherheitspolitischen und klimapolitischen Interessen ein, ist aber keine krude nationale Interessenpolitik. Gerade dies verschafft ihr eigene Handlungsmöglichkeiten. Entwicklungspolitik ist daher ein zentraler Ansatz, um Politik insbesondere mit Akteuren des globalen Südens zu gestalten.

Großbritannien: Synergien wären ohne Zusammenlegung von Entwicklungs- und Außenministerium möglich gewesen

Daran schließt sich die Frage des ministeriellen Zuschnitts an. Dies gilt umso mehr in Deutschland, wo sich einerseits Bundesregierungen bislang immer aus mindestens zwei Koalitionsparteien zusammensetzten. Dies fördert innerhalb einer Regierung den Wettbewerb, nicht zuletzt zwischen den außenorientierten Ressorts. Andererseits stellt sich die Frage aufgrund eines ausgeprägten Ressortprinzips, das den jeweiligen Ministern und Ministerinnen – grundgesetzlich verankert – viel Selbstständigkeit und Eigenverantwortung garantiert. Diese Merkmale sind nicht spezifisch in der Entwicklungspolitik zu finden, fließen hier aber stark mit ein.

Oft wird in Debatten auf den unter Premierminister Boris Johnson im Jahr 2020 erfolgten britischen Zusammenschluss des früheren eigenständigen Entwicklungsministeriums (DfID) unter dem Außenministerium zu einem Foreign, Commonwealth and Development Office (FCDO) verwiesen. Doch angesichts vielfältiger Faktoren (etwa die einschneidende Kürzung des Entwicklungsbudgets) liefert dieses Beispiel keine unterstützende Evidenz für eine Zusammenlegung. Viele Beobachter gehen davon aus, dass die meisten Synergien in Großbritannien ohne eine Zusammenlegung sehr gut hätten erzielt werden können, ohne die erheblichen Kosten derselben zu kreieren.

Wirksame Koordinierung von Entwicklungspolitik in Deutschland: Es braucht neue politische Ideen

Das BMZ war ursprünglich vorrangig ein “Koordinierungsministerium“, das schrittweise weitere Zuständigkeiten erhielt. Zugleich wurde die Koordination der deutschen Entwicklungspolitik mit der Zeit anspruchsvoller. Dies zeigt sich etwa daran, dass nur rund ein Drittel der von Deutschland gemeldeten entwicklungspolitischen Mittel aus dem BMZ stammen. Immerhin 17 Einzelpläne (sprich: eine große Zahl von Ministerien) des Bundeshaushaltes verfügen über entwicklungspolitische Etats, was – vor allem unkoordiniert – nicht immer sinnvoll ist. Bestes Beispiel: Im Jahr 2012 hatten sich der damalige Außenminister Guido Westerwelle und der Entwicklungsminister Dirk Niebel (beide FDP) darauf geeignet, dem Auswärtigen Amt die Zuständigkeit für die Humanitäre Hilfe zu übertragen. Inhaltlich und aus Effizienzgründen ergibt diese Aufspaltung der Zuständigkeiten kaum Sinn.

Der aktuelle Koalitionsvertrag von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP sieht vor, wirkungsvoller zu koordinieren: “Wir werden die ODA-Mittel auf Bundesebene unter den zuständigen Ressorts stärker koordinieren, um sie wirkungsvoller nutzen zu können.” Hierzu wurde vergangenes Jahr vom BMZ auf Staatssekretärsebene ein Austausch initiiert. Bislang ist allerdings nicht erkennbar, dass dieses Gremium die Arbeit der beteiligten Ministerien wirksam koordinieren kann. Dafür neue politische Ideen zu entwickeln, wäre eine lohnenswerte Aufgabe.

Stephan Klingebiel leitet am German Institute of Development and Sustainability (IDOS) das Forschungsprogramm “Inter- und transnationale Kooperation”. Er hat für das Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (UNDP) das Global Policy Centre in Seoul (2019 – 2021) sowie für die KfW Entwicklungsbank das Büro in Kigali/Ruanda (2007 – 2011) aufgebaut und geleitet. Er ist zudem Gastprofessor an der Universität Turin (Italien), Gastprofessor an der Ewha Womans University (Südkorea) und Honorary Distinguished Fellow an der Jindal University (Indien).

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Personalien

Günter Haag ist diesjähriger Preisträger des Friede-Gard-Preis für Nachhaltige Ökonomik. Der Forscher ist Experte für Systemanalyse, mit der durch Modelle die Resilienz und Vulnerabilität sozioökonomischer Systeme erfasst werden kann. Die Auszeichnung erhält er für Beiträge, die wichtig für die Modellierung von Nachhaltigkeit sind.

Covestro-Chef Markus Steilemann soll für zwei weitere Jahre Präsident des Chemieverbandes VCI bleiben. Steilemann sei vom Präsidium des Verbandes für eine zweite Amtszeit nominiert worden, teilte der VCI am Montag mit. Der Vorstandschef des Leverkusener Kunststoffkonzerns Covestro gehört dem VCI-Vorstand seit März 2020 an, seit September 2022 ist er der Präsident des Chemieverbandes

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Mehr von Table.Briefings

Climate.Table – Wasserstoff: Uniper testet Speicher in Ostfriesland: Der Energiekonzern Uniper nimmt demnächst einen unterirdischen Testspeicher für Wasserstoff im ostfriesischen Krummhörn in Betrieb. Etwa zwei Jahre lang soll dort unter anderem geprüft werden, wie Materialien und Technik mit dem Gas zurechtkommen. Auch die Einspeicherung von Wasserstoff unter realen Bedingungen wird erprobt. Zum Artikel

Africa.Table – Energiewende im Süden Afrikas: Reichlich Ressourcen, kaum Transformation: Das südliche Afrika verfügt über ein immenses Potenzial an Erneuerbarer Energie, von Sonnen- und Windenergie bis hin zu Wasserkraft und geothermischen Ressourcen. Beste Voraussetzungen also eigentlich, um den Absprung von fossilen Brennstoffen hin zu einer nachhaltigen Energieversorgung zu schaffen. Doch trotz dieses Potenzials stockt in Ländern wie Simbabwe, Sambia und Südafrika die Transformation. Zum Artikel

China.Table – Cleantech: Wie Risikoanalysen die Abhängigkeiten von China verringern sollen: Chinas Cleantech-Industrien drängen auf die Weltmärkte. Die Firmen exportieren – und wollen zudem in vielen Ländern eigene Produktionen aufbauen. Es droht das Risiko einer zu hohen Abhängigkeit von chinesischen Batterien, Windturbinen und Solaranlagen. Gleichzeitig soll die Energiewende nicht ins Stocken kommen. Die benötigt die günstigen chinesischen Produkte. Das sogenannte De-Risking ist dementsprechend kompliziert, aber möglich. Zum Artikel

ESG.Table Redaktion

ESG.TABLE REDAKTION

Licenses:
    Liebe Leserin, lieber Leser,

    die ökologische und soziale Transformation ist kein Konzept, das sich in allen Sektoren auf gleiche Weise materialisiert. In der Landwirtschaft gibt es andere Bedarfe als in der Industrie, in Ländern des globalen Nordens andere als im Süden – und damit auch verschiedene Lösungen.

    Manchmal schaffen sie es, mehrere Probleme gleichzeitig zu beheben. So deuten etwa Pilotprojekte in Baden-Württemberg daraufhin, dass sich mit Photovoltaikanlagen über Apfelbäumen der Ertrag erhöhen, die Kosten senken und umweltfreundlicher Strom produzieren lässt. Horand Knaup weiß, warum Deutschland sich beim Thema Agri-PV jedoch selbst ausbremsen könnte.

    Wichtige Anlagen für die Dekarbonisierung der energieintensiven Industrie will MAN Energy Solutions im Oktober einweihen: Elektrolyseure für die Produktion von Wasserstoff. Bislang ist der erwartete Boom aber ausgeblieben. Günter Heismann hat recherchiert, welche Schwierigkeiten deutsche Hersteller haben und wie MAN Energy Solutions trotzdem erfolgreich sein will.

    Doch Transformation ist nicht nur hierzulande notwendig, global stehen viele Volkswirtschaften vor einem tiefgreifenden Wandel. Eine wichtige Rolle in der Zusammenarbeit mit einigen Staaten des globalen Südens nimmt das deutsche BMZ für sich in Anspruch. Vor dem Hintergrund sich verändernder Anforderungen – auch mit Blick auf die Transformation – sei es nötig über die Ziele von Entwicklungspolitik zu sprechen statt über die Auflösung des Ministeriums, schreibt Stephan Klingebiel, Forscher am German Institute of Development and Sustainability in seinem Standpunkt.

    Ich wünsche Ihnen eine anregende Lektüre.

    Ihr
    Nicolas Heronymus
    Bild von Nicolas  Heronymus

    Analyse

    Mit Agri-PV gegen den Klimawandel: Eine Win-Win-Situation

    Agri-PV in Kressbronn

    Neulich war der Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir vor Ort, um sich die Innovation am Stadtrand von Freiburg selbst anzuschauen. Am Rande des Kaiserstuhls baut ein Winzer nicht nur Wein an – über seinen Reben hat er auch eine Photovoltaik-Anlage installiert. Eine Win-Win-Situation: Die Weintrauben sind vor Hagel, zu viel Feuchtigkeit und Sonnenbrand geschützt, und obendrein gewinnt der Winzer mit seiner Anlage Strom. Özdemir ist beeindruckt. Deutschland komme zu langsam voran beim Ausbau der Erneuerbaren Energien, sagt er. Aber hier sehe man “den Weg in die Zukunft”.

    Nicht weit entfernt, im südbadischen Nussbach, staunte auch Arbeitsminister Hubertus Heil ein paar Tage zuvor über Äpfel und Birnen, die unter den Solarmodulen so viel besser aussehen als die ungeschützten Früchte nebenan.

    Die Reisenden aus Berlin sind einem Trend auf der Spur. Äpfel und Beeren, Hopfen und Birnen, Weintrauben und Kirschen mit Solarmodulen quasi zu überdachen und vor Extremwetter zu schützen, erweist sich in immer mehr Regionen als hilfreich. Zwischen 30 und 50 Anlagen soll es in Deutschland inzwischen geben, genau weiß es niemand.

    Lange hatte sich das Bundeswirtschaftsministerium gesträubt, die Sache zu fördern. Aber seitdem Wirtschaftsminister Robert Habeck mit dem Solarpaket I einen rechtlichen Rahmen geschaffen hat, ist die Sache auch für Landwirte interessant geworden. Vor allem bei Sonderkulturen. Und vor allem dort, wo sie, wie etwa in Baden-Württemberg, zusätzlich staatliche Hilfen bekommen. Und wo ihnen Experten zur Seite stehen, wie etwa vom Fraunhofer Institut für Solare Energiesysteme (ISE).

    Agri-PV: Trotz Unsicherheiten schon jetzt “eine absolute Win-Win-Situation”

    Noch fehlen lange Erfahrungsreihen, um die ersten Erkenntnisse als gesichert auszuweisen. Sie fehlen in der Landwirtschaft, und sie fehlen mit Blick auf die Optimierung der Anlagen. Was ist die ideale Höhe der Module, wie sieht der ideale Einstrahlwinkel aus, sind starre oder nachgeführte Module besser, wo liegt der Kompromiss zwischen Energieausbeute und Ernteertrag? Die Feuchte und die Sonnenstunden, die Bodenqualität und die Frostnächte sind weitere Variablen von vielen, die die Wissenschaftler aufzeichnen.

    Von einer “absoluten Win-Win-Situation” spricht aber auch Systemingenieur und Biologe Oliver Hörnle schon jetzt. Bei ihm laufen am Freiburger ISE die Fäden zusammen. 60 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen umfasst die Forschungsgruppe, es ist die größte weltweit. Sie betreuen auch die Anlagen in Freiburg und Nussbach. Ihr Wissen ist gefragt, in 55 Ländern führen sie Projekte durch, in Indien genauso wie in Lateinamerika, in den USA oder Südafrika.

    Dass sich die Anlagen gerade im süddeutschen Raum häufen, ist kein Zufall. Wegen des Klimawandels setzt die Blüte Wochen früher ein als noch vor wenigen Jahren, was die Gefahr von Frostschäden erhöht. Hagelschlag ist im Sommer zur Dauerbedrohung geworden, und auch Sonnenbrand und Starkregen haben sich für einige Kulturen zur Gefahr entwickelt. Umso mehr suchen Landwirte nach Optionen, um ihre Pflanzungen zu schützen.

    Auch wenn nicht alle Anbaukulturen für Agri-PV geeignet sind, zeichnet sich ab, dass die Technologie nicht nur Erträge steigert, sondern alsbald zum Standard für Sonderkulturen gehört. Aufgrund des Klimawandels “wird es in zehn Jahren in manchen Regionen keinen Anbau ohne Agri-PV mehr geben”, prophezeit Hörnle. “Was wir jetzt am Bodensee machen, wird in ein paar Jahren auch das Alte Land erreichen”, ergänzt er.

    Pilotprojekt: Mehr Ertrag, weniger Kosten

    Ortstermin in Kressbronn am Bodensee, wo der Apfelbauer Hubert Bernhard auf 4.000 Quadratmetern Äpfel züchtet, teilüberdacht von einer PV-Anlage. Unterstützt wird das Projekt von der Landesregierung in Stuttgart. Bernhard berichtet: Gleich im ersten Jahr hatte er eine prima Apfelernte, deutlich mehr als auf einer Referenzfläche ohne PV-Module – gleiche Böden, gleiche Sorte, gleiche Bedingungen, nur eben ohne Module. Er habe auch keine Hageleinschläge mehr und verzeichne weniger Feuchteschäden, weil die Module den Regen abhalten und für eine bessere Durchlüftung sorgen.

    Zudem erspart er seinen Apfelbäumen Sonnenbrand, weil 35 Grad und mehr im Sommer auch in Kressbronn keine Seltenheit mehr sind. Andersherum verbucht er auch weniger Frostschäden, weil es bei klarem Himmel unter den Modulen zwischen einem halben und bis zu zwei Grad wärmer ist – was ein entscheidender Unterschied sein kann zwischen Super-Ertrag und Totalausfall.

    Zwar gelingt nicht immer die optimale Südausrichtung der Module. Dafür liefern sie aber pro Flächeneinheit bis zu zehn Prozent höhere Stromerträge, weil sie besser durchlüftet sind als vergleichbare Dachanlagen, unter denen sich die Hitze staut.

    30 Prozent weniger Betriebskosten

    Noch ist es zu früh für eine belastbare Bilanz. Aber die Missernten und die Schadensfolgen sind unter den Modulen auffallend geringer, es gibt weniger Frost- und Hagel-, Feuchte- und Sonnenschäden – “und ich spare 20 bis 30 Prozent der Einsatzkosten”, sagt Bernhard. Keine Schutzfolie mehr, die er alle paar Jahre ersetzen muss, keine Netze mehr, weniger Dünger, weniger Wasser, 70 Prozent weniger Pflanzenschutzmittel und weniger Sprit, um mit dem Trecker durch die Spaliere zu fahren. Und auch kein Mikroplastik mehr, das sich anreichert und in vielen Sonderkulturen mit Folie bereits nachweisbar ist. Statt 15.000 Euro an Betriebskosten pro Hektar Apfelbäume kommt er bei seiner Pilotanlage mit 11.000 Euro aus.

    Es war aber schwierig für Bernhard. Wie man eine PV-Anlage plant, auf Mängelbeseitigung achtet, mit sperrigen Bauämtern um Genehmigungen verhandelt, sich von den regionalen Energieversorgern nicht über den Tisch ziehen lässt, bei Banken günstige Kredite und beim Stromabnehmer bessere Tarife herausholt – alles keine Kernexpertise der meisten Landwirte. Hätten die Helfer vom Fraunhofer-Institut ihm nicht zur Seite gestanden, hätte Bernhard wohl kapituliert.

    Bürokratie und Spardruck könnten Deutschland ausbremsen

    In Indien hilft Fraunhofer ISE beim Aufbau eines Agri-PV-Kompetenzzentrums. Die USA planen eine Forschungsanlage auf einer Fläche von 100 Hektar. Die italienische Regierung, die gegen die Trockenheit in der fruchtbaren Po-Ebene kämpft, unterstützt Agri-PV-Anlagen mit Milliarden und treibt die Forschung voran. “Jetzt werden die Patente für die nächsten 15 Jahre vergeben”, sagt Hörnle und ergänzt: “Der Markt wird kommen”. Allein in den USA rechne man in den nächsten zehn Jahren mit rund zehn Milliarden US-Dollar Umsatz im Agri-PV-Geschäft.

    In Berlin verfolgt man die Entwicklung aber höchstens mit Neugier. Das Paradox: Weltweit wird gefördert und investiert, nur in Deutschland will das Forschungsministerium von Bettina Stark-Watzinger unter dem verordneten Spardruck die Mittel um 30 Prozent kürzen. Immerhin haben Heil und Özdemir bei ihren Besuchen versprochen, noch einmal mit der Kollegin zu sprechen.

    Hinzu kommen weitere typisch deutsche Hürden – vor allem in der Forschungslandschaft: Ein Thema, eine Projektstruktur, aber drei Ministerien. “Das Wirtschaftsministerium darf nur die Energiekomponente fördern”, berichtet Hörnle. Das Forschungsministerium wiederum unterstützt die Studie, wie sich der Pestizideinsatz unter den Modulen verändert. Das Landwirtschaftsministerium schließlich interessiert sich für die Optimierung der Ernteerträge. Jedes Ressort will auf dem Laufenden gehalten werden. “Wir verbringen inzwischen mehr Zeit mit Anträgen und Zwischenberichten als mit der eigentlichen Forschung”, stöhnt Hörnle.

    Noch gehöre Deutschland zusammen mit den USA, Frankreich und Italien zu den führenden Nationen beim Rennen um Wissen, Forschungsergebnisse und Wertschöpfungstiefe. “Wir sind so weit vorne”, sagt Hörnle nicht ohne Stolz. Nur ist die Gefahr, diesen Vorsprung zu verspielen, gerade groß.

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    Wasserstoff: Mit welchen Problemen Elektrolyseur-Hersteller kämpfen

    Elektrolyseur-Anlage in Oberhausen: “Der Markt erlebt derzeit eine Verlangsamung des Investitionstempos.”

    An der Feier werden gleich mehrere Spitzenpolitiker teilnehmen. Sowohl Kanzler Olaf Scholz als auch Peter Tschentscher, Erster Bürgermeister von Hamburg, wollen dabei sein, wenn die Firma MAN Energy Solutions (MAN ES) am 30. Oktober ein neues Werk in der Hansestadt eröffnet.

    Für das Augsburger Unternehmen ist es eine Premiere: In der Fabrik in Hamburg-Rahlstedt will MAN ES zum ersten Mal in industrieller Serienfertigung Elektrolyseure herstellen. Jene Anlagen, die zur Produktion von Wasserstoff benötigt werden.

    Doch MAN ES steht derzeit vor zwei Problemen, die auch die Konkurrenten Siemens Energy und ThyssenKrupp Nucera spüren: Auf der einen Seite entwickelt sich die Nachfrage nach Elektrolyseuren keineswegs so positiv, wie dies noch vor einem oder zwei Jahren erwartet wurde. Zugleich drängen Hersteller aus China auf die europäischen Märkte.

    Um die neuen Mitbewerber abzuwehren, plant MAN ES, die Kosten kräftig zu senken. Erreicht werden soll dies mit einer hochautomatisierten Produktion, in der unter anderem Roboter eingesetzt werden. “Ferner wollen wir den Anteil des teuren Halbedelmetalls Iridium an den Elektroden weiter reduzieren”, erläutert Ulrich Vögtle, Head of Business Development Power bei MAN ES.

    Werden diese beiden Maßnahmen ausreichen, um die Konkurrenz aus Fernost in Schach zu halten? “Die Preise der chinesischen Elektrolyseure sind um 70 bis 80 Prozent niedriger als bei den europäischen Konkurrenzprodukten”, sagt Dirk Niemeier, Head of Clean Hydrogen Solutions bei der Unternehmensberatung PwC Strategy& Germany in Hamburg.

    Vorsprung chinesischer Hersteller durch günstigere Technologie und Lerneffekte

    Branchenkenner nennen zwei Gründe, warum die asiatischen Konkurrenten so billig anbieten können. “Die chinesischen Hersteller haben sich durchweg für die Alkaline-Technologie entschieden, bei der die Investitionskosten niedriger sind”, sagt Vögtle. Auf dieses erprobte Verfahren setzt auch ThyssenKrupp Nucera.

    Die Technologie kommt allerdings nicht gut mit den hohen Lastschwankungen bei Solar- und Windstrom zurecht. Hierfür ist das PEM-Verfahren, auf das MAN Energy Solutions und Siemens Energy setzen, erheblich besser geeignet. Das Alkaline-Verfahren wird bevorzugt in Regionen mit hoher und regelmäßiger Sonneneinstrahlung oder reichhaltig verfügbarer Wasserkraft eingesetzt.

    Zum anderen konnten die Konkurrenten bereits Lerneffekte nutzen, um die Kosten in der Fertigung zu senken. “China hat bis Juni 2024 Elektrolyseure mit einer Leistung von insgesamt 1,2 Gigawatt installiert. Dies entspricht rund 50 Prozent der weltweit verfügbaren Kapazität”, sagt Niemeier. Aufmerksam beobachtet die Branche, wie die Konkurrenten aus dem Fernen Osten den Markteintritt vorbereiten. Bei einigen Ausschreibungen für Elektrolyse-Projekte in der EU hätten chinesische Hersteller bereits Angebote eingereicht, sagt MAN-ES-Manager Vögtle.

    Markt für Elektrolyseure entwickelt sich langsam

    Doch ein großflächiger Markteintritt könnte sich noch verzögern, denn die Betreiber von Elektrolyse-Anlagen, zu denen vor allem Energieversorger und Produzenten von Industriegasen gehören, sind derzeit bei Neu-Aufträgen sehr zurückhaltend. “Der Markt für Elektrolyseure erlebt derzeit eine Verlangsamung des Investitionstempos”, sagt Leif Christian Kröger, Head of Public Affairs bei ThyssenKrupp Nucera. Das börsennotierte Unternehmen musste kürzlich aufgrund der schlechten geschäftlichen Aussichten die Umsatz- und Gewinnprognosen für das Geschäftsjahr 2024/25 zurückziehen.

    Das Unternehmen kann zwar einige prestigeträchtige Projekte vorweisen. So rüstet Nucera die saudi-arabische Planstadt Neom mit einer großen Elektrolyse-Anlage aus. Ein zweiter Großauftrag kam aus Schweden, wo das Start-up H2 Green Steel derzeit das weltweit erste große, wasserstoffbasierte Stahlwerk hochzieht. Dort ist CO₂-arm hergestellter Wasserstoff günstig, da er mit Strom aus lokalen Wasserkraftwerken produziert werden kann.

    Doch solche lukrativen Aufträge laufen bei Nucera nicht gerade in Serie ein. “Das Interesse der potenziellen Kunden ist riesengroß. Doch es kommt längst nicht immer zu einem Vertragsabschluss”, sagt ein Branchenkenner. Das Missverhältnis zwischen Plänen und Konzepten auf der einen Seite und einer finalen Investitionsentscheidung oder gar einem Baubeginn auf der anderen Seite sei extrem.

    Für die Marktflaute machen Experten eine ganze Reihe von miteinander verketteten Gründen verantwortlich. Einer besteht darin, dass die Produzenten von grünem Wasserstoff mit keiner allzu großen Nachfrage für ihren klimafreundlichen Energieträger rechnen. Neue Elektrolyseure würden sich womöglich rasch als Fehlinvestitionen entpuppen.

    Probleme: Geringe Nachfrage und hohe Kosten

    Branchenkenner wissen aktuell nur von wenigen halbwegs konkreten Großaufträgen in Europa zu berichten. Die Umsetzung von Projekten zur CO₂-Reduktion bei der Stahl– oder Zementherstellung dürfte sogar noch mehrere Jahre dauern.

    Denn die Infrastruktur für die “Hydrogen Economy” ist zum allergrößten Teil noch nicht vorhanden. Um den Wasserstoff von den Lieferanten zu den Kunden zu bringen, muss ein Leitungsnetz aufgebaut werden. Doch das deutsche Wasserstoff-Kernnetz wird die meisten potenziellen Großverbraucher frühestens im Laufe der 2030er-Jahre erreichen. Ohne langfristige Abnahmeverträge von Großkunden geben Banken jedoch keine Kredite für Investitionen in Elektrolyseure.

    Das wohl größte Problem sind die derzeit noch sehr hohen Kosten. “Bisher ist grüner Wasserstoff fünf- bis sechsmal so teuer wie grauer Wasserstoff, der mittels Dampfreformierung klimaschädlich aus Erdgas gewonnen wird”, sagt Hydrogen-Experte Vögtle von MAN ES. Erst wenn erneuerbarer Strom zu geringeren Kosten erhältlich ist – und die CO₂-Bepreisung Erdgas weiter verteuert – werden sich die Herstellungskosten annähern. “Es wird circa zehn bis 15 Jahre dauern, bis grüner Wasserstoff in Europa bei den Kosten wettbewerbsfähig ist”, vermutet Niemeier. Günter Heismann

    • Elektrolyseure
    • Energiewende
    • Erneuerbare Energien
    • Grüner Wasserstoff
    • Wasserstoff
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    Termine

    28. August 2024, 15:00 bis 16:30 Uhr, Online
    Online-Diskussion itSMF Community Day: Corporate Sustainability Reporting Directive (Veranstalter: itSMF Deutschland) Info & Anmeldung

    29. August 2024, 9:00 bis 13:00 Uhr, Online
    Online-Seminar Betriebliches Klimamanagement II (Veranstalter: KliMa Wirtschaft) Info & Anmeldung

    29. August 2024, 17:00 bis 19:00 Uhr, Berlin
    Diskussion GigawattFactory & Global Goals: Nachhaltigkeits-Boost mit Digitalisierung? (Veranstalter: SIBB) Info & Anmeldung

    29. und 30. August, Utrecht, Niederlande
    Konferenz Global Goals 2024 – The Future of the SDGs (Veranstalter: Utrecht University u.a.) Info & Anmeldung

    30. August 2024, 13:00 bis 16:30 Uhr, Erkelenz
    Tagung 6. Entwicklungskonferenz – Räume für nachhaltige Entwicklungen im Rheinischen Revier (Veranstalter: BUND) Info & Anmeldung

    2. September 2024, 15:00 bis 17:00 Uhr, Online
    Webinar Vom Gesetz zur Praxis im Einkauf – Lieferkettengesetz und nachhaltige Beschaffung (Veranstalter: Auftragsberatungsstelle Sachsen) Info & Anmeldung

    2. bis 6. September 2024, Bonn
    Seminar Mobilität von morgen – Wie kann der Weg in einen emissionsärmeren Verkehr aussehen? (Veranstalter: Friedrich-Ebert-Stiftung) Info & Anmeldung

    2. bis 6. September 2024, Kochel am See
    Seminar Luxusgut Wasser – begrenzter Rohstoff, Konfliktursache und Menschenrecht (Veranstalter: Georg-von-Vollmar-Akademie) Info & Anmeldung

    3. September 2024, Pforzheim
    Tagung Sustainable Jewellery Day 2024 (Veranstalter: Bundesverband Schmuck, Uhren, Silberwaren und verwandte Industrien) Info & Anmeldung

    3. bis 4. September 2024, Hannover
    Tagung VKU-Stadtwerkekongress 2024 (Veranstalter: Verband kommunaler Unternehmen e.V.) Info & Anmeldung

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    News

    Lieferketten: Neue Beschwerdemechanismen in Pakistan

    Mehrere pakistanische Zulieferer deutscher Textilunternehmen führen ab Anfang September einen Beschwerdemechanismus ein, wie es das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) vorsieht. Er soll schrittweise im Rahmen von Belegschaftsversammlungen ausgerollt werden, teilte ein Sprecher des Entwicklungshilfeministeriums (BMZ) mit. Vergangene Woche hatte sich Entwicklungshilfeministerin Svenja Schulze auf ihrer Pakistanreise in Fabriken umgeschaut, die an neuen individuellen Beschwerdemechanismen arbeiten: Inter Market Knit Private Limited, Anwar Khawaja Industries PVT. LTD und Kohinoor Textile Mills Limited. Letztere Fabrik produziert laut BMZ unter anderem für Tchibo, Aldi Nord und Aldi Süd sowie Esprit und Schöner Wohnen.

    Bislang hatten die Beschäftigten nur die Möglichkeit, Beschwerden zentral einzureichen – über eine Hotline. Diese Mechanismen waren bereits vor der Einführung des Lieferkettengesetzes üblich.

    Pakistan Accord arbeitet an gemeinsamen Beschwerdemechanismus

    Zudem wird im Rahmen des Pakistan Accord, einem rechtsverbindlichen Abkommen zwischen globalen Gewerkschaften und Markenherstellern zur Gewährleistung der Gesundheit und Sicherheit von Arbeitnehmern in der Textil- und Bekleidungsindustrie Pakistans, an einem gemeinsamen Beschwerdemechanismus für Unternehmen gearbeitet. Auch dieses Vorhaben unterstützt Deutschland, über die GIZ. Pakistan ist nach Bangladesch das zweite Land in Asien, welches einen solchen Accord beschlossen hat, um die Sicherheit in den Fabriken zu verbessern. Der erste gemeinsame Beschwerdemechanismus deutscher Unternehmen ist im Mai in Mexiko gestartet, beteiligt sind deutsche Automobilbauer und -zulieferer.

    Funktionierende Beschwerdemechanismen sind entscheidend dafür, dass Lieferkettengesetze ihre Wirkung entfalten können. Denn nur so kommen Informationen über die Verletzung von Arbeits- oder Umweltrechten ans Licht. Die Etablierung solcher Mechanismen ist gerade in einem Land wie Pakistan sehr schwierig, wo nur ein geringer Teil der Textilarbeiter fest in den Fabriken angestellt ist, der größte Teil aber über Verleihfirmen arbeitet. Außerdem zählt Pakistan nach dem Rechtsindex des Internationalen Gewerkschaftsbundes zu den Ländern, in denen Arbeitsrechte systematisch verletzt werden. cd

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    • Textilindustrie

    LkSG: Ein Zehntel der Unternehmen hat mit Umsetzung noch nicht begonnen

    Rund jedes zehnte hiesige Unternehmen mit mehr als 1.000 Beschäftigten hat sich bislang noch gar nicht oder erst wenig mit der Umsetzung der vom Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) vorgeschriebenen Maßnahmen beschäftigt. Dies ist das Ergebnis einer Umfrage der IHK Düsseldorf unter 170 Unternehmen. Befragt wurden im Juli allerdings überwiegend Unternehmen, die weniger als 1.000 Beschäftigte haben und damit nur indirekt vom LkSG betroffen sind. Die befragten Firmen stammen vor allem aus dem IHK-Bezirk Düsseldorf und Nordrhein-Westfalen.

    Auf einer Skala von eins (volle Umsetzung) bis fünf (nicht begonnene Umsetzung) stuften 28 Prozent der befragten Unternehmen sich in Stufe vier oder fünf ein. Für jedes zweite Unternehmen spiele die Vorbereitung auf die EU-Lieferkettenrichtlinie eine wichtige Rolle, heißt es bei der IHK Düsseldorf. Wie schon bei der ersten Befragung empfinden viele Unternehmen das LkSG als Belastung.

    Als Hauptrisiken nennen Unternehmen mit mehr als 1.000 Beschäftigten:

    • den bürokratischen Aufwand (76 Prozent),
    • gefolgt von der Komplexität der Lieferkette und Schwierigkeiten bei der Durchsetzung von Anforderungen bei Zulieferer (52 Prozent)
    • sowie höhere Kosten (41 Prozent).

    Unternehmen mit weniger als 1.000 Beschäftigten nennen dagegen:

    • die Komplexität von Lieferketten und Schwierigkeiten bei der Durchsetzung von Anforderungen bei Zulieferern an erster Stelle (67 Prozent),
    • es folgen ein erhöhter bürokratischer Aufwand (60 Prozent)
    • sowie die Einschränkung des internationalen Wettbewerbs (33 Prozent).

    Aufschlussreiche Zahlen liefert die Befragung auch darüber, inwieweit die Unternehmen ihre Lieferketten kennen. Demnach haben 30 Prozent der großen Unternehmen mit 1.000 oder mehr Mitarbeitenden die Arbeits- und Produktionsbedingungen aller ihrer unmittelbaren Lieferanten im Blick. 70 Prozent weisen Lücken auf. Das sei “wenig überraschend”, denn 90 Prozent der Unternehmen mit dieser Größe hätten mehr als hundert unmittelbare Zulieferer. Bei den kleinen Unternehmen ist die Situation ähnlich (siehe Grafik).

    Die Kritik an dem Gesetz überwiege bei den befragten Unternehmen, heißt es. Manche sähen darin aber auch Chancen. Dabei stünden vor allem die Reputation und unternehmerischen Werte sowie die Verantwortung im Fokus. Die Hälfte der Unternehmen erwarte auch ein “transparenteres und effektiveres Lieferantenmanagement durch solche gesetzlichen Vorgaben”. Deutlich skeptischer als die größeren Unternehmen sind allerdings die KMU. cd

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    • Sorgfaltspflichtengesetz

    Eisen- und Stahlindustrie: Wo klimaschonende Produktion geplant wird

    Neu angekündigte Produktionsstätten für Eisen und Stahl, insbesondere in Europa, sind immer häufiger auf klimaschonende Verfahren ausgerichtet. In Asien, vorwiegend in Indien, werden allerdings neue CO₂-intensive Hochöfen errichtet. Dies geht aus der Studie “Pedal to the Metal 2024” des Global Energy Monitors (GEM) hervor.

    Die größten Fortschritte gibt es demnach im Bereich Stahlrecycling: 93 Prozent der im vergangenen Jahr neu angekündigten Produktionskapazitäten im Stahlbereich sind Elektrolichtbogenöfen, in denen Stahlschrott erneuert wird. Wenn die Entwicklung verlaufe wie angekündigt, so die Autoren, rücke damit das Ziel der Internationalen Energieagentur (IEA) in greifbare Nähe: Die IEA gibt vor, dass 37 Prozent der globalen Stahlproduktion in 2030 mit diesen strombetriebenen Öfen hergestellt werden soll. Der tatsächliche Bau dieser Anlagen hat aber zu einem großen Teil noch nicht begonnen.

    Ebenfalls auf dem Vormarsch ist die Direktreduktion von Eisenerz (DRI). Global basieren 36 Prozent der neu angekündigten Werke auf der DRI-Technik. In diesen Anlagen kann potenziell CO₂-armer Neustahl hergestellt werden, sofern zur Eliminierung der Sauerstoffatome im Eisenerz “grüner” Wasserstoff genutzt wird. Die in Europa gegenwärtig geplanten Neustahl-Anlagen sind laut GEM alle DRI-basiert, doch auch hier sind viele Projekte noch nicht im Bau.

    Die mengenmäßig führenden Länder im Stahlbereich, China und Indien, widersetzen sich dem Trend allerdings. China plant den Neubau von kohlebasierten Hochöfen mit einer Kapazität von 128 Millionen Tonnen Eisen pro Jahr (36 Prozent der neuen Hochofen-Projekte weltweit). Dort verlaufen die Projektierung und der Bau neuer Hochöfen jedoch inzwischen langsamer als die Stilllegung älterer Hochöfen.

    Indien hingegen plant einen massiven Ausbau: Neue Hochofen-Kapazitäten im Umfang von 122 Millionen Tonnen Eisen pro Jahr (34 Prozent globaler Anteil) sind mittels dieser emissionsintensiven Technologie geplant. Laut GEM drohen Lock-in-Effekte: Die Investitionen in neue Hochöfen könnten eine Dekarbonisierung der Eisen- und Stahlindustrie politisch und wirtschaftlich erschweren. av

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    • Stahlindustrie

    UN-Zukunftskonferenz: Warum der Bundeskanzler zu einem virtuellen Vor-Gipfel einlädt

    Ende September kommen die Staats- und Regierungschefs bei den Vereinten Nationen in New York City zusammen, um einen “Pact for the Future” zu beschließen. Er soll den Multilateralismus stärken und neu definieren.

    Die Verhandlungen zu der Abschlusserklärung scheinen aber zu stocken. Denn wie Table.Briefings erfahren hat, lädt Bundeskanzler Olaf Scholz zusammen mit dem Präsidenten Namibias, Nangolo Mbumba, zu einem kurzfristig angesetzten Vor-Gipfel ein.

    Das Treffen, das via UN-Web-TV gestreamt wird, findet am 12. September statt – zehn Tage vor dem “Summit of the Future” – und soll den Verhandlungen den nötigen Schwung geben, wie aus Regierungskreisen zu hören ist. Geplant sei, dass Scholz und Mbumba einen Appell an die UN-Mitglieder richten, sich konstruktiv zu beteiligen. Sprechen wird auch UN-Generalsekretär António Guterres. Die Staats- und Regierungschefs sollen ihre Prioritäten erklären.

    Viele Themen und internationaler Kontext erschweren die Verhandlungen

    Die Initiative ist überraschend, weil die Abschlusserklärung bereits seit Monaten verhandelt wird. Die erste Version – “Draft Zero” genannt – wurde im Januar veröffentlicht, seitdem fanden mehrere internationale Runden und Revisionen statt. Und so kurz vor dem Gipfel bleibt kaum Zeit, Vorschläge in das Dokument, das einstimmig beschlossen werden soll, aufzunehmen.

    Angesichts der Vielfalt der Themen und der internationalen Krisen ist es deshalb eine Herausforderung, einen ambitionierten Pakt zu beschließen. Der Vertrag soll unter anderem die bisher zögerliche Umsetzung der UN-Nachhaltigkeitsziele (“Sustainable Development Goals”) beschleunigen und eine Reform der globalen Finanzarchitektur ermöglichen. Zudem geht es um “digitale Kooperationen”, die Transformation der globalen Governance und den internationalen Frieden. Die Folgen der Corona-Pandemie auf die Haushalte, Inflation und die Kriege in der Ukraine und im Gaza-Streifen führen allerdings immer wieder zu Spannungen in den Gesprächen.

    Für Scholz ist das virtuelle Treffen der Auftakt zu mehreren Konferenzen in den kommenden Wochen, in denen es um Nachhaltigkeit geht. So wird er beim “Summit of the Future” in New York City sprechen und am 7. Oktober an der “Hamburg Sustainability Conference” teilnehmen. Einen Tag später wird er dann wahrscheinlich bei der Jahreskonferenz des Rates für Nachhaltige Entwicklung auftreten. maw

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    Solarenergie: Wieso Meyer Burger in Sachsen-Anhalt bleibt

    Der Solarkonzern Meyer Burger hat seine Pläne zum Bau einer Solarzellenproduktion in den USA und damit die vorgesehene Verlagerung seines Kerngeschäfts nach Übersee ad acta gelegt. Das geplante Projekt in Colorado Springs sei derzeit nicht finanzierbar und daher gestoppt worden, teilte der Schweizer Konzern am Montag mit. 

    Das Unternehmen werde sich auf den Betrieb der im Hochlauf befindlichen Modulproduktion in Goodyear, Arizona, mit einer Kapazität von 1,4 Gigawatt konzentrieren, heißt es weiter. Die drohende Schließung der Produktionsstätte in Bitterfeld-Wolfen in Sachsen-Anhalt sei damit vom Tisch. “Das ist die gute Nachricht zur Schlechten”, sagte Geschäftsführer Gunter Erfurt.

    Meyer Burger hatte bereits im Frühjahr die nach Unternehmensangaben größte Solarmodulproduktion im sächsischen Freiberg geschlossen. Das Unternehmen machte damals den Druck durch chinesische Billigimporte nach Europa dafür verantwortlich. Zuvor hatte die Branche erfolglos an die Bundesregierung appelliert, europäische Hersteller zu fördern. Auch die Produktion von Solarzellen in Bitterfeld-Wolfen stand zur Disposition. Zuletzt hatte es geheißen, die Produktion dort werde noch bis 2025 gebraucht.

    Kostensteigerungen verhindern Umzug in die USA

    Es sei geplant gewesen, das Werk zurückzufahren, sobald die Fertigung in den USA hochläuft, sagte Erfurt. Dazu kommt es nun doch nicht. Hintergrund der Finanzierungsprobleme der Zellproduktion in den USA seien unter anderem Kostensteigerungen für Material, das zum Umbau einer Fabrik gebraucht wird.

    Das Werk in Sachsen-Anhalt mit seinen 350 Mitarbeitern solle daher auch zukünftig das “Rückgrat” der Solarzellenversorgung von Meyer Burger sein und die Modulproduktion der Firma im US-Bundesstaat Arizona beliefern. Das sei aktuell die wirtschaftlichste Option, verkündete der Schweizer Konzern. Die Modulproduktion in Arizona habe eine Kapazität von 1,4 Gigawatt. Diese könne komplett aus Bitterfeld-Wolfen beliefert werden. 

    Neue Regelungen in den USA hätten es lukrativer gemacht, Solarzellen für die Modulproduktion zu importieren, erklärte Erfurt. Die Logistikkosten für Zellen seien auch vergleichsweise gering. Zudem gebe es in den USA deutlich mehr Restriktionen und Zölle gegenüber den Importen aus Asien. “Das allgemeine Preisniveau in den USA ist daher vergleichsweise gesund im Vergleich zu Europa. Deswegen funktioniert es auch.” dpa/rtr

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    Neues Förderprogramm: Wie der Mittelstand dekarbonisiert werden soll

    Mit einem neuen Förderprogramm will Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck kleine und mittlere Unternehmen bei der Umstellung auf klimafreundliche Produktionsverfahren unterstützen. Für das Programm “Bundesförderung Industrie und Klimaschutz” sollen bis zum Jahr 2030 insgesamt 3,3 Milliarden Euro aus dem Klima- und Transformationsfonds (KTF) zur Verfügung gestellt werden, kündigte Habeck am Freitag an. Das Programm soll die Klimaschutzverträge ergänzen, die sich vor allem an Großunternehmen richten. Gefördert werden Unternehmen, die ihre Emissionen bis zum Jahr 2030 um mindestens 40 Prozent reduzieren. Der Fördersatz beträgt je nach Größe des Unternehmens zwischen 30 und 50 Prozent der Investitionssumme; der Maximalbetrag pro Unternehmen beträgt 200 Millionen Euro.

    Das Programm besteht aus zwei Modulen: Das erste mit dem Titel “Dekarbonisierung der Industrie” soll Investitionen fördern, die Emissionen vermeiden – etwa die Umstellung von bisher mit fossilen Energieträgern betriebenen Prozessen auf Strom oder Wasserstoff. Das zweite Modul mit dem Titel “Anwendung und Umsetzung von CCU und CCS” fördert Projekte zur Abspaltung, Nutzung und Speicherung von CO₂. Dies ist begrenzt auf Prozesse, bei denen die Emissionen nicht oder nur schwer vermeidbar sind, etwa in der Zementherstellung oder der Abfallbehandlung. Damit startet die CCS-Förderung für den Mittelstand schneller als für die Großindustrie: Dort sollen CCS-Projekte erst in der zweiten Gebotsrunde der Klimaschutzverträge gefördert werden, die sich derzeit noch in der Vorbereitung befindet. mkr

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    Must-reads

    Warum Unternehmen zur Veröffentlichung ihrer Lieferketten verpflichtet werden sollten – Makronom
    Nur wenn Transparenz über die Lieferanten von Unternehmen herrsche, könne es wirksame Veränderungen geben, argumentiert Alexander Bloemer. Sonst blieben Missstände allzu oft unentdeckt. Er fordert deshalb, dass Firmen Listen ihrer Zulieferer veröffentlichen. Gegen das Argument, dass dadurch die Wettbewerbsfähigkeit leidet, wendet er unter anderem ein: In einer digitalisierten Welt sei es nicht sinnvoll, den Wettbewerbsvorteil allein auf die Tatsache zu bauen, den Lieferanten zu kennen. Zum Artikel

    “Wer hat denn behauptet, dass Nachhaltigkeitsberichterstattung einfach ist?” – Haufe
    Da es bei Naturschutz um den Erhalt unserer Lebensgrundlagen gehe, dürfe Wirtschaft nicht immer priorisiert werden, sagt Nachhaltigkeitsexperte Philippe Diaz im Interview mit Laslo Seyda. Die Berichtspflichten könnten nur effektiv sein, “wenn es wehtut”. Diaz kritisiert, dass Unternehmen selbst über “wesentliche” Aspekte entscheiden dürfen und zweifelt daran, dass Wirtschaftsprüfer geeignet sind, um Nachhaltigkeitsberichte zu kontrollieren. Zum Artikel

    Streit um Ewigkeitschemikalien spaltet die Industrie – FAZ
    Im Juli haben der BDI und weitere Industrieverbände in einem Brief an Bundeskanzler Olaf Scholz gefordert, von einem Pauschalverbot von Ewigkeitschemikalien (PFAS) abzusehen. Die Verbände argumentierten, ohne PFAS seien etwa die Klimaziele nicht erreichbar. Dass eine Regulierung der gesundheitsschädigenden Stoffe nötig ist – darin seien sich zwar alle einig, schreibt Bernd Freytag. Nur wie, sei umstritten. Wissenschaftler hielten ein Verbot von PFAS mit wenigen Ausnahmen für wichtig. Zum Artikel

    Fonds wollen Firmen zwingen, sauberer zu werden – Süddeutsche Zeitung
    Markus Zydra berichtet über die Beratungsfirma CAP2, die Aktien-Portfolios dadurch klimaneutral machen will, dass sie CO₂-Emissionszertifikate aufkauft – und stilllegt. Das führe dazu, dass die ohnehin begrenzt verfügbaren Zertifikate aus dem EU-Emissionshandel sich weiter verknappen. Die Rendite sinke dadurch zwar um bis zu 0,3 Prozent, sei aus Sicht von Experten aber ein guter Weg. Denn “schmutzige Unternehmen” durch Kapitalentzug “zu bestrafen”, funktioniere nicht. Zum Artikel

    To Stay Relevant, a Spanish Energy Giant Turns to Waste – The New York Times
    Der Erdölkonzern Repsol hat in Spanien eine Anlage gebaut, die Treibstoffe aus Abfällen herstellt. Stanley Reed berichtet, dass diese Treibstoffe die Emissionen im Vergleich zu herkömmlichen Produkten deutlich senken könnten. Repsol sehe darin eine vielversprechende Lösung für die Zukunft des Transports, da die Bio-Kraftstoffe mit der bisherigen Infrastruktur kompatibel und weniger kostenintensiv als andere saubere Energiequellen seien. Deswegen erwarte Repsol eine steigende Nachfrage nach diesen Treibstoffen. Bedenken gebe es aber hinsichtlich der Verfügbarkeit der benötigten Abfälle. Zum Artikel

    Bacteria helping to extract rare metals from old batteries in boost for green tech – The Guardian
    Robin McKie berichtet von den Ergebnissen eines Forschungsprojekts, in dem Wissenschaftler Bakterien genutzt hätten, um seltene Metalle aus alten Batterien zurückzugewinnen. Die Metalle seien unerlässlich für umweltfreundliche Technologien, aber nicht in großen Mengen verfügbar. Deshalb sei es wichtig, eine Kreislaufwirtschaft für sie zu entwickeln. Was noch nicht gelungen sei: das getrennte Zurückgewinnen von Kobalt und Nickel. Der nächste Schritt: Das Potenzial für die Wiederverwendbarkeit der Stoffe erforschen. Zum Artikel

    Mexico’s President Bet Big on Oil. His Successor Will Be Stuck With the Tab – New York Times
    Mexikos Präsidentin Claudia Sheinbaum wirbt für den Ausbau der erneuerbaren Energien. Doch ihr Vorgänger hinterließ ihr ein teures Ölraffinerieprojekt, ein Staatsdefizit von sechs Prozent des BIP, und noch einmal so viele Schulden beim staatlichen Ölkonzern. Vor allem sei es aber der allgemeine Ölnationalismus, der Sheinbaums Energie-Agenda erschwere, argumentiert Simon Romero. Zum Artikel

    Das Klima holt die Wall Street ein – Die Zeit
    Heike Buchter schreibt in ihrer Kolumne über die verflogene Euphorie um ESG als Investitionsansatz. Vor vier Jahren erklärte BlackRock Nachhaltigkeit zur Priorität und löste damit Begeisterung aus. Mittlerweile zeige sich aber, dass das für viele Investoren lediglich eine Modeerscheinung war. Angesichts steigender Zinsen und der Ukraine-Krisen seien viele zu fossilen Brennstoffen zurückgekehrt. Dabei führe der Klimawandel zu immer mehr wirtschaftlichen Herausforderungen. Die Verantwortlichen in den Chefetagen der Wall Street sollten endlich eine echte Klimawende angehen. Zum Artikel

    Tintenfisch und Austern – taz
    Durch die Erwärmung der Nordsee, schreibt Nick Reimer, werden dort statt Dorsch und Hering immer mehr Tintenfisch und Sardellen gefischt. Die Ostsee hingegen sei eine Todeszone, die Bestände würden Düngereintrag und Algen kaum noch überleben. Wie immerhin die Küsten vor dem steigenden Meeresspiegel geschützt werden könnten, hätten sich niederländische Forscher überlegt: Ein Deich solle die Nordsee vom Atlantik trennen. Zum Artikel

    Standpunkt

    Koordination vor “Übernahme”: Für eine inhaltlichere Debatte zur Rolle des BMZ!

    Von Stephan Klingebiel
    Stephan Klingebiel leitet am German Institute of Development and Sustainability (IDOS) das Forschungsprogramm “Inter- und transnationale Kooperation”.

    Die deutsche Entwicklungspolitik wurde in den vergangenen Monaten ins politische Rampenlicht gezerrt. Dafür scheinen sich neuerdings Überschriften einzelner Projekte besonders gut zu eignen. Eine gewisse Tradition hat hingegen die Frage, ob es für dieses Politikfeld eines eigenen Ministeriums bedarf. Auch wenn der erste Minister des 1961 geschaffenen Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit (erst später kam “und Entwicklung” dazu) (BMZ) der entwicklungspolitisch versierte Walter Scheel (FDP) war, hat sich bei der FDP mittlerweile die Forderung nach der Abschaffung zu einem Markenkern entwickelt.

    Entwicklungspolitik: Im Kern geht es heutzutage um gemeinsame Interessen

    Die wichtigere Frage, die in den vergangenen Monaten oft unterbeleuchtet blieb: Was will Deutschland heutzutage mit Entwicklungspolitik erreichen? Dass die Welt im Jahr 2024 eine völlig andere ist als zur Gründung des BMZ, ist klar. Einige damalige Entwicklungsländer sind mittlerweile selbst “Geberländer” – man denke etwa an den rasanten Aufstieg Südkoreas. Und vielen Entwicklungsländern geht es heute wirtschaftlich deutlich besser als vor wenigen Jahrzehnten. Dies gilt aber eben nicht für alle Länder und zeigt sich etwa bei den sozialen und ökologischen Produktionsbedingungen in Bangladesch oder Pakistan.

    Neu ist auch: Deutschland und Europa haben mittlerweile ein massives Interesse, mit Partnern aus dem globalen Süden zu kooperieren. Sei es aus geopolitischen (globaler Wettbewerb mit China) oder geo-ökonomischen (Zugang zu Rohstoffen) Gründen oder weil wir beim Klimawandel ohne Akteure wie Indien, Indonesien oder Südafrika nicht weiterkommen. Zu ignorieren, dass Entwicklungspolitik genau diese Themen inzwischen weitaus stärker aufgreift, als dies der Diskurs in Deutschland vermuten lässt, ist dabei nicht nur eine Fußnote.

    Kurzum: Bei Entwicklungspolitik geht es heutzutage im Kern um gemeinsame Interessen von Partnerländern und uns. Sie schließt Fragen der außen-, außenwirtschaftlichen, sicherheitspolitischen und klimapolitischen Interessen ein, ist aber keine krude nationale Interessenpolitik. Gerade dies verschafft ihr eigene Handlungsmöglichkeiten. Entwicklungspolitik ist daher ein zentraler Ansatz, um Politik insbesondere mit Akteuren des globalen Südens zu gestalten.

    Großbritannien: Synergien wären ohne Zusammenlegung von Entwicklungs- und Außenministerium möglich gewesen

    Daran schließt sich die Frage des ministeriellen Zuschnitts an. Dies gilt umso mehr in Deutschland, wo sich einerseits Bundesregierungen bislang immer aus mindestens zwei Koalitionsparteien zusammensetzten. Dies fördert innerhalb einer Regierung den Wettbewerb, nicht zuletzt zwischen den außenorientierten Ressorts. Andererseits stellt sich die Frage aufgrund eines ausgeprägten Ressortprinzips, das den jeweiligen Ministern und Ministerinnen – grundgesetzlich verankert – viel Selbstständigkeit und Eigenverantwortung garantiert. Diese Merkmale sind nicht spezifisch in der Entwicklungspolitik zu finden, fließen hier aber stark mit ein.

    Oft wird in Debatten auf den unter Premierminister Boris Johnson im Jahr 2020 erfolgten britischen Zusammenschluss des früheren eigenständigen Entwicklungsministeriums (DfID) unter dem Außenministerium zu einem Foreign, Commonwealth and Development Office (FCDO) verwiesen. Doch angesichts vielfältiger Faktoren (etwa die einschneidende Kürzung des Entwicklungsbudgets) liefert dieses Beispiel keine unterstützende Evidenz für eine Zusammenlegung. Viele Beobachter gehen davon aus, dass die meisten Synergien in Großbritannien ohne eine Zusammenlegung sehr gut hätten erzielt werden können, ohne die erheblichen Kosten derselben zu kreieren.

    Wirksame Koordinierung von Entwicklungspolitik in Deutschland: Es braucht neue politische Ideen

    Das BMZ war ursprünglich vorrangig ein “Koordinierungsministerium“, das schrittweise weitere Zuständigkeiten erhielt. Zugleich wurde die Koordination der deutschen Entwicklungspolitik mit der Zeit anspruchsvoller. Dies zeigt sich etwa daran, dass nur rund ein Drittel der von Deutschland gemeldeten entwicklungspolitischen Mittel aus dem BMZ stammen. Immerhin 17 Einzelpläne (sprich: eine große Zahl von Ministerien) des Bundeshaushaltes verfügen über entwicklungspolitische Etats, was – vor allem unkoordiniert – nicht immer sinnvoll ist. Bestes Beispiel: Im Jahr 2012 hatten sich der damalige Außenminister Guido Westerwelle und der Entwicklungsminister Dirk Niebel (beide FDP) darauf geeignet, dem Auswärtigen Amt die Zuständigkeit für die Humanitäre Hilfe zu übertragen. Inhaltlich und aus Effizienzgründen ergibt diese Aufspaltung der Zuständigkeiten kaum Sinn.

    Der aktuelle Koalitionsvertrag von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP sieht vor, wirkungsvoller zu koordinieren: “Wir werden die ODA-Mittel auf Bundesebene unter den zuständigen Ressorts stärker koordinieren, um sie wirkungsvoller nutzen zu können.” Hierzu wurde vergangenes Jahr vom BMZ auf Staatssekretärsebene ein Austausch initiiert. Bislang ist allerdings nicht erkennbar, dass dieses Gremium die Arbeit der beteiligten Ministerien wirksam koordinieren kann. Dafür neue politische Ideen zu entwickeln, wäre eine lohnenswerte Aufgabe.

    Stephan Klingebiel leitet am German Institute of Development and Sustainability (IDOS) das Forschungsprogramm “Inter- und transnationale Kooperation”. Er hat für das Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (UNDP) das Global Policy Centre in Seoul (2019 – 2021) sowie für die KfW Entwicklungsbank das Büro in Kigali/Ruanda (2007 – 2011) aufgebaut und geleitet. Er ist zudem Gastprofessor an der Universität Turin (Italien), Gastprofessor an der Ewha Womans University (Südkorea) und Honorary Distinguished Fellow an der Jindal University (Indien).

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    • Globaler Süden
    • KfW

    Personalien

    Günter Haag ist diesjähriger Preisträger des Friede-Gard-Preis für Nachhaltige Ökonomik. Der Forscher ist Experte für Systemanalyse, mit der durch Modelle die Resilienz und Vulnerabilität sozioökonomischer Systeme erfasst werden kann. Die Auszeichnung erhält er für Beiträge, die wichtig für die Modellierung von Nachhaltigkeit sind.

    Covestro-Chef Markus Steilemann soll für zwei weitere Jahre Präsident des Chemieverbandes VCI bleiben. Steilemann sei vom Präsidium des Verbandes für eine zweite Amtszeit nominiert worden, teilte der VCI am Montag mit. Der Vorstandschef des Leverkusener Kunststoffkonzerns Covestro gehört dem VCI-Vorstand seit März 2020 an, seit September 2022 ist er der Präsident des Chemieverbandes

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    Mehr von Table.Briefings

    Climate.Table – Wasserstoff: Uniper testet Speicher in Ostfriesland: Der Energiekonzern Uniper nimmt demnächst einen unterirdischen Testspeicher für Wasserstoff im ostfriesischen Krummhörn in Betrieb. Etwa zwei Jahre lang soll dort unter anderem geprüft werden, wie Materialien und Technik mit dem Gas zurechtkommen. Auch die Einspeicherung von Wasserstoff unter realen Bedingungen wird erprobt. Zum Artikel

    Africa.Table – Energiewende im Süden Afrikas: Reichlich Ressourcen, kaum Transformation: Das südliche Afrika verfügt über ein immenses Potenzial an Erneuerbarer Energie, von Sonnen- und Windenergie bis hin zu Wasserkraft und geothermischen Ressourcen. Beste Voraussetzungen also eigentlich, um den Absprung von fossilen Brennstoffen hin zu einer nachhaltigen Energieversorgung zu schaffen. Doch trotz dieses Potenzials stockt in Ländern wie Simbabwe, Sambia und Südafrika die Transformation. Zum Artikel

    China.Table – Cleantech: Wie Risikoanalysen die Abhängigkeiten von China verringern sollen: Chinas Cleantech-Industrien drängen auf die Weltmärkte. Die Firmen exportieren – und wollen zudem in vielen Ländern eigene Produktionen aufbauen. Es droht das Risiko einer zu hohen Abhängigkeit von chinesischen Batterien, Windturbinen und Solaranlagen. Gleichzeitig soll die Energiewende nicht ins Stocken kommen. Die benötigt die günstigen chinesischen Produkte. Das sogenannte De-Risking ist dementsprechend kompliziert, aber möglich. Zum Artikel

    ESG.Table Redaktion

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