Table.Briefing: Climate

Windindustrie: Konflikt mit China + Klima-Reichensteuer beliebt + TOP100: Beratung

Liebe Leserin, lieber Leser,

Wir machen heute, was wir am liebsten tun: Wir beschäftigen uns mit Themen, die nicht im Rampenlicht stehen, dafür aber umso relevanter sind. So haben zwar bei der Reise von Wirtschaftsminister Habeck nach China alle davon geredet, dass es einen Handelskonflikt zwischen der EU und China bei E-Autos und Solartechnik gibt. Die bislang ignorierte Gefahr einer solchen Auseinandersetzung um die Windkraft-Industrie analysiert hier bei uns Nico Beckert.

Unter dem Radar läuft auch oft das Thema “freiwilliger Kohlenstoff-Markt” – weil es abstrakt und ganz schön kompliziert ist. Wir haben deshalb für Sie einen Text von Tin Fischer, der die Vorschläge der US-Regierung zur Regulierung dieses Marktes erklärt, inklusive der Kritik, das könne schnell im Greenwashing enden. Und über ein ebenfalls gern verdrängtes (Haushalts-) Risiko schreibt unser Europa-Spezialist Lukas Scheid: Weil Deutschland (und andere Staaten wie Italien) ihre europäischen CO₂-Ziele vor allem im Verkehr reißen, droht es für kommende Finanzminister richtig teuer zu werden: 16 Milliarden Euro kann das bis 2030 kosten, so eine Studie.

Natürlich haben wir noch viele andere spannende Themen. Wir wünschen eine erhellende Lektüre.

Ihr
Bernhard Pötter
Bild von Bernhard  Pötter

Analyse

Windkraft: So setzen Chinas Hersteller die westliche Konkurrenz unter Druck

Rotorblätter-Produktion in Shanghai. Chinas Anbieter streben immer stärker auf den Weltmarkt.

Im Zollstreit zwischen Europa und China gab es am Wochenende erste Anzeichen der Entspannung. Während der China-Reise von Wirtschaftsminister Robert Habeck einigten sich die EU und China auf neue Gespräche zu den von der EU verhängten Schutzzöllen gegen E-Auto-Importe aus China. Das wird auch als Erfolg Habecks verbucht.

Aktuelle Entwicklungen in der Windindustrie könnten in Zukunft allerdings zu neuen Handelskonflikten führen. Denn auch in der Windbranche hat China massive Produktionskapazitäten aufgebaut und heimische Unternehmen mit Subventionen und der Abschottung vor ausländischer Konkurrenz groß gemacht. Die Branche strebt immer stärker auf den Weltmarkt und droht, westlichen Anbietern Marktanteile abzunehmen. Mehr Wettbewerb und günstige Preise kämen der Energiewende in Entwicklungs- und Schwellenländern zugute, könnten die Profite westlicher Hersteller aber weiter drücken.

Bisher ist der globale Windenergiemarkt recht deutlich aufgeteilt: Im Westen dominieren westliche Hersteller und in China haben die heimischen Hersteller fast ein Monopol. Durch den großen Heimatmarkt kommen vier der fünf weltweit größten Hersteller aus China. Doch “chinesische Windenergieanlagen-Hersteller expandieren massiv und versuchen, ihre Überkapazitäten auf die internationalen Märkte zu drücken”, sagt ein Sprecher von Wind Europe, dem europäische Windenergie-Verband, zu Table.Briefings.

Chinas Hersteller streben auf den Weltmarkt

Dabei kommt es auch zu ungewöhnlichen Allianzen: “Mit viel Geld ausgestattete chinesische und arabische Energieversorgungsunternehmen bauen jetzt überall in den Entwicklungsländern massive Windkraftkapazitäten mit Turbinen aus chinesischer Produktion auf”, schreiben die Analysten der Beratungsagentur Trivium China.

Viele chinesische Anbieter streben ins Ausland und bauen dort teils auch Produktionsanlagen auf oder haben Pläne dafür:

  • Envision baut in Indien Rotorblätter und Gondeln, also das Gehäuse der Turbinen, und ist mittlerweile der führende Turbinenlieferant vor Ort. Das Unternehmen strebt auch nach Zentralasien und den Nahen Osten.
  • Goldwind konzentriert sich auf den brasilianischen Markt und baut dort Fabriken auf, ebenso strebt das Unternehmen nach Zentralasien und in die MENA-Region.
  • Mingyang strebt auf den südkoreanischen und japanischen Markt und Sany will in Zentralasien und auf den europäischen Markt expandieren.

Bisher ist es China zwar noch nicht gelungen, den europäischen und US-Markt stark anzugreifen. Doch “bei ihrer Expansion versuchen chinesische Windenergieanlagen-Hersteller, auch auf dem europäischen Markt Fuß zu fassen”, beobachtet Wind Europe. Der Verband mahnt zur Vorsicht: Die Abhängigkeiten von russischem Gas sollten “sich auf keinen Fall mit Clean Tech aus China wiederholen. Die Herstellung von Windenergieanlagen in Europa ist auch eine Frage unserer Energiesicherheit – und letztlich unserer nationalen Sicherheit.”

Chinas Wettbewerbsvorteile: Günstige Kosten, Größenvorteile

Chinas Windanlagenbauer haben auf dem Weltmarkt mittlerweile große Vorteile:

  • Die Preise für chinesische Windturbinen, die in Märkte außerhalb Chinas geliefert werden, liegen 20 Prozent unter denen von Anbietern aus Europa und den USA, wie Bloomberg NEF schreibt.
  • Die Kosten für chinesische Windkraftanlagen sind seit 2020 um 50 (Offshore) bis 60 Prozent (Onshore) gesunken, so die Analysten von Trivium China.

Durch die Kostenvorteile chinesischer Anbieter wird die Windkraft auch für Schwellen- und Entwicklungsländer immer attraktiver. Die wachsende Präsenz chinesischer Anbieter “auf den globalen Märkten hat das Potenzial, die Kosten für Windkraftanlagen weltweit deutlich zu senken“, so die Trivium China-Analysten.

China drängt westliche Anbieter vom heimischen Markt

Die Wettbewerbsvorteile chinesischer Windkraftanlagenbauer gehen auf Chinas Industrie- und Handelspolitik zurück. Während westliche Anbieter in den 2000er-Jahren in der Volksrepublik noch einen Marktanteil von 70 Prozent hatten, wurden sie durch Subventionen für heimische Produzenten und Anforderungen zum Einsatz lokal hergestellter Güter fast komplett verdrängt. Mittlerweile teilen sich Chinas Hersteller 99,8 Prozent des heimischen Marktes auf.

Durch die hohe Nachfrage konnten die chinesischen Anbieter eine günstige Massenproduktion mit hohen Skaleneffekten erreichen. Zudem haben Chinas Hersteller in den letzten Jahren bei der Größe der Anlagen aufgeholt und westliche Anbieter mittlerweile überholt. Im Offshore-Bereich werden erste Anlagen mit einer Kapazität von 18 Megawatt (MW) installiert – onshore wurde die 10-MW-Marke durchbrochen. Durch große Anlagen lässt sich mehr Windkraft auf weniger Fläche installieren und es müssen weniger Anlagen gebaut werden, um einen Windpark mit einer gewissen Kapazität auszustatten – was Kosten- und Zeitersparnisse mit sich bringt.

Krise der Konkurrenz als “einmalige Gelegenheit”

Doch auch im chinesischen Windenergiemarkt bestehen Überkapazitäten und es herrscht ein “brutaler Preiskrieg”, wie die Trivium China-Analysten schreiben. Das Wettrennen um die größten Windkraftanlagen “könnte sich als wenig nachhaltig herausstellen”, so die Einschätzung der Analysten der Energie-Beratungsfirma Wood Mackenzie. Zwar erwirtschafteten Chinas Hersteller noch Profite. Aber weil die Preise immer weiter sinken, könnte “den chinesischen Windkraftunternehmen eine Gewinnkrise bevorstehen“, so die Analysten von Wood Mackenzie. Das gilt als ein weiterer Grund für sie, auf den Weltmarkt zu streben.

In einer solchen Gewinnkrise befinden sich westliche Hersteller schon seit längerer Zeit. “Unterbrechungen in der Lieferkette, steigende Rohstoffpreise, geopolitische Spannungen und Qualitätsmängel” hätten den westlichen Herstellern zugesetzt. Ihre Fertigungskapazitäten reichen laut Wood Mackenzie nicht aus, um die steigende weltweite Nachfrage zu bedienen. Investitionen in neue Fabriken gestalten sich aufgrund der geringen Profitabilität als schwierig. Chinas Produzenten sehen demnach eine “einmalige Gelegenheit”, um global Marktanteile zu gewinnen. Sie können ihre Finanzmacht und die massive Größe ihrer heimischen Lieferkette ausnutzen, um westliche Hersteller in den Entwicklungs- und Schwellenländern herauszufordern, so die Einschätzung der Wood Mackenzie-Experten.

Allerdings ist es unwahrscheinlich, dass China in der Windbranche eine ähnlich große Dominanz aufbaut wie in der Photovoltaik. Die Logistik ist bei den sperrigen Windenergieanlagen schwieriger. Zudem müssen Windkraftanlagen vor Ort gewartet werden. “Die europäischen Hersteller haben seit Jahren etablierte und qualitativ hochwertige Service- und Wartungsdienste. Chinesische Hersteller haben bislang weder diese Strukturen aufgebaut, noch haben sie sich das Vertrauen der Kundschaft erarbeitet”, so der Bundesverband Windenergie (BWE) zu Table.Briefings.

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Carbon Credits: So wollen die USA den freiwilligen Markt regeln

Guyana hat bereits freiwillige CO₂-Zertifikate für 40 Millionen Tonnen verkauft.

Die US-Regierung will den Klimaschutz auch mit freiwilligen Kompensationsmaßnahmen für CO₂-Emissionen vorantreiben. In einem neuen Konzeptpapier hat sie nun Wünsche und Erwartungen für die Überarbeitung des Voluntary Carbon Marktes (VCMs) festgelegt. Gleichzeitig starten große US-Unternehmen wie Amazon, Microsoft, Google und Meta neue Projekte für Kompensationszertifikate. Doch die Kritik an freiwilligen CO₂-Kompensationen reißt nicht ab. Wie schwierig viele Kompensationsziele zu erreichen sind, zeigt das Beispiel der Schweiz.

Grundsätze: Transparenz, echte CO₂-Reduktion

Das neue Papier aus dem Weißen Haus zeigt auf zwölf Seiten, nach welchen Grundsätzen der freiwillige Kompensationsmarkt handeln sollte:

  • CO₂-Credits sollten einen “glaubwürdigen” Effekt auf die Atmosphäre haben und entsprechenden Standards folgen.
  • Die Reduktion von Emissionen sollte Priorität haben.
  • Schäden an Menschen und Umwelt sollten vermieden werden.
  • Credits und ihre Verwendung sollten öffentlich einsehbar sein.
  • Die Teilnahme am Markt sollte vereinfacht werden.

Der freiwillige Kompensationsmarkt hat einen Boom und Crash hinter sich. Nach Studien und Berichten über wertlose Zertifikate brach der Markt 2023 ein. In einem neuen Anlauf soll jetzt alles besser werden. Branchen-Initiativen und Rating-Agenturen versprechen, fortan Qualitätsstandards zu definieren und zu kontrollieren. Hinzu kommt, dass auch der Emissionshandel zwischen Staaten über Artikel 6.2 des Pariser Abkommens Fahrt aufnimmt – und Standards setzt, vorangetrieben von Ländern wie der Schweiz, Singapur oder Südkorea.

USA wollen “seriösen Kohlenstoffmarkt”

Auch John Kerry forderte in seiner Zeit als Klima-Sondergesandter von US-Präsident Biden: “Wir brauchen seriöse Carbon Markets, um Klima-Ambitionen voranzutreiben”. Nur die Privatwirtschaft habe das Geld zum Erreichen der Klimaziele. “Wenn wir die Privatwirtschaft nicht mobilisieren, gewinnen wir diesen Kampf nicht. Ganz einfach”, drohte Kerry.

Die USA verfolgen dabei einen ganz anderen Ansatz als Europa. “Chancen und Risiken der freiwilligen Kompensation werden in den USA ganz anders gesehen als in Europa. Man hat eine viel größere Hoffnung in den freiwilligen Markt”, sagt Lambert Schneider vom Berliner Öko-Institut. Man habe in den USA schlicht nicht die Instrumente wie in der EU mit ihrem verpflichtenden Markt im Emissionshandel.

Mittel der Wahl: Erneuerbare und Waldschutz

Dabei setzen die US-Vorschläge auf alte Bekannte: Zertifikate für erneuerbare Energie in Entwicklungs- und Schwellenländern sowie Waldschutz. Der Energy Transition Accelerator, eine Initiative unter anderem des State Departments und der Stiftung von Jeff Bezos, sowie die LEAF Coalition, eine Initiative unter anderem der USA, Großbritanniens und von Amazon, sollen in den nächsten zehn Jahren Credits generieren, “die einer Reduzierung der Treibhausgase um mehr als zwei Milliarden Tonnen entsprechen”, sagte Kerry. Das wäre zwanzigmal mehr als das momentane jährliche Volumen von rund 100 Millionen Tonnen. Die Initiative wurde 2022 auf der COP27 vorgestellt, zog aber auch Kritik auf sich. Denn ihre Regularien widersprechen den Empfehlungen einer UN-Expertengruppe zur Verhinderung von Greenwashing in diesem Bereich.

Entsprechend viel bewegte sich in den letzten Wochen vor allem auf dem Waldschutz-Markt. Google, Meta, Salesforce und Microsoft kündigten beispielsweise an, 20 Millionen Zertifikate aus Baumpflanz-Projekten gewinnen zu wollen, die Natur wiederherstellen sollen. Die Unternehmen haben eine Initiative namens Symbiosis gegründet, deren Regeln auch CO₂-Credits aus Holzplantagen erlauben. Diese Plantagen stehen allerdings oft in der Kritik, weil sie nicht zusätzlich sind – die Plantagen also auch ohne Geld von Zertifikaten angelegt worden wären.

Waldschutz: 10 US-Dollar pro Tonne CO₂

Die LEAF-Koalition wiederum, vorangetrieben vor allem von Amazon, will Millionen Credits mit Waldschutz im Globalen Süden generieren. Die Koalition verspricht mindestens 10 US-Dollar pro Tonne zu bezahlen, weit mehr als der aktuelle Marktpreis. Zur Anwendung kommt der neue ART TREES-Standard, der ganze Staaten oder Regionen in Kompensationsprojekte verwandelt. Bislang war es so, dass Waldschutz-Projekte zeigen mussten, dass ohne ihren Schutz ein Wald gerodet worden wäre. ART TREES hingegen soll auch Länder mit CO₂-Zertifikaten belohnen, die bislang kaum gerodet haben oder deren Rodungen längst zurückgehen. Vorreiter Guyana hat so bereits 40 Millionen Credits erzeugt.

“Aus unserer Sicht wird da heiße Luft generiert“, sagt Schneider: “Länder können sich rückwirkend bei ART TREES anmelden, wenn ihre Entwaldung – aus welchen Gründen auch immer – gesunken ist, etwa weil der Palmöl-Export eingebrochen ist.” Auch bei Carbon Market Watch sieht man das kritisch: “Manche sagen: Sie schauen einfach nur auf ihre Wälder und verwandeln sie in Credits”, so Isa Mulder von der NGO. “Wir sollten Länder wie Guyana für ihre Wälder belohnen, aber nicht so. Das kompensiert nichts.

Kritik: Geld für “heiße Luft”

Werden US-Unternehmen solche Credits freiwillig kaufen, wenn sie mit Greenwashing-Vorwürfen konfrontiert werden könnten? Dass die Käufer im vergangenen Jahr nicht nur weniger, sondern auch wählerischer geworden sind, zeigt eine Analyse der Rating-Agentur Calyx. Heute würden statt Waldschutz-Credits eher Kochofen-Projekte gekauft, einfach weil sie etwas besser bewertet sind. Die Kritik auf dem Markt habe einen “kollektiven Druck zur Erhöhung der Integrität von Carbon Credits ausgelöst”, so Calyx.

Für Qualität sollen nun Branchen-Initiativen wie der ICVCM sorgen, der Integrity Council for the Voluntary Carbon Market. Diese sollen definieren, was “High integrity carbon credits” sind, also Zertifikate von “hoher Integrität“. Die ersten sieben Regelwerke – für Credits aus Mülldeponien – haben den Stempel des ICVCM gerade erhalten. Die Bewertung von Waldschutz-Credits soll in den nächsten Monaten folgen.

Schweiz: Hohe Ansprüche kaum einzulösen

“Letztlich versuchen die Amerikaner die Quadratur des Kreises”, so Schneider. Sie wollen riesige Mengen an Credits, die aber auch hohen Standards genügen sollen. Wie man daran scheitern kann, macht derzeit die Schweiz vor, die Teile ihrer Straßenverkehrsemissionen im Ausland kompensieren will. 20 Millionen Tonnen bräuchte sie in den nächsten Jahren, setzt aber hohe Qualitätsstandards (Wald-Zertifikate sind ausgeschlossen). Die zuständige Stiftung KliK nennt das Ziel im neuen Jahresbericht “zumindest nicht unmöglich”, gibt aber zu bedenken, “dass nicht davon ausgegangen werden kann, dass die vertraglich in Aussicht gestellte Menge an Bescheinigungen auch geliefert wird”. 

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News

Verfehlte EU-Klimaziele: Warum Deutschland womöglich 16,2 Milliarden Euro zahlen muss

Ohne Sofortmaßnahmen werden zwölf EU-Länder ihre nationalen Klimaziele im Rahmen der EU-Lastenteilungsverordnung (Effort Sharing Regulation, ESR) verfehlen. Zu diesem Ergebnis kommt eine Untersuchung der Verkehrs- und Umweltorganisation Transport & Environment. T&E hat dafür die Entwürfe der nationalen Energie- und Klimapläne analysiert.

In der ESR werden jedem Mitgliedstaat erlaubte Emissionsmengen für die Sektoren außerhalb des EU-Emissionshandelssystems (ETS) in Form von Zertifikaten zugeteilt. Die Sektoren sind Straßenverkehr, Gebäude, Kleinindustrie, Abfall und Landwirtschaft. Für Verfehlungen der ESR-Ziele müssen Länder überschüssige Zertifikate anderer Länder aufkaufen. Je nach zwischenstaatlich verhandeltem Preis könnten für die Bundesregierung vor allem durch die Verfehlungen im Verkehrssektor bis zu 16,2 Milliarden Euro fällig sein, schreibt T&E.

CO₂-Preis von über 120 Euro pro Tonne prognostiziert

Daten des Umweltbundesamtes zufolge emittiert Deutschland in den betroffenen Sektoren 126 Millionen Tonnen CO₂-Äquivalente über der durch die ESR zugeteilten Menge. T&E legt den Zertifikatspreis von 129 Euro zugrunde, den Bloomberg für die ETS-Sektoren im Jahr 2030 prognostiziert. Das UBA geht von 125 Euro pro Tonne CO₂ aus.

Höhere Preise kommen vor allem durch knappe Zertifikatsmengen zustande. Allein Deutschland würde bei der von T&E prognostizierten Emissionslücke von 126 Millionen Tonnen rund 70 Prozent der überschüssigen Zertifikate anderer EU-Länder aufbrauchen. T&E warnt daher, dass es ohne sofortige Maßnahmen zu einer enormen Verknappung der Gutschriften kommen wird, da mehrere Länder ihre Ziele verfehlen werden.

Auch Italien verfehlt Ziele deutlich

Italien benötigt laut T&E ebenfalls 120 Millionen Emissionsgutschriften zusätzlich über die ESR, was Rom bis 15,5 Milliarden Euro kosten könnte. Deutschland und Italien würden demnach 246 Millionen Zertifikate benötigen. Voraussichtlich werden jedoch nur 180 Millionen überschüssige Zertifikate aus anderen Mitgliedstaaten verfügbar sein. Damit hätten weitere 10 Länder, die ihre Vorgaben nicht erfüllen, keine Möglichkeit mehr, die Ziele der ESR einzuhalten, kritisiert T&E. Dies würde auch zu hohen Kosten für die deutschen und italienischen Steuerzahler führen.

Die von der FDP geforderte Novelle des deutschen Klimaschutzgesetzes und die damit verbundene Aufhebung der Sektorziele sei letztendlich “nicht mehr als ein Taschenspielertrick” gewesen, sagt Sebastian Bock, Geschäftsführer von T&E Deutschland. “Volker Wissing steht vor einer klaren Wahl: Entweder er zahlt für den verschleppten Klimaschutz Milliarden an unsere Europäischen Nachbarländer oder er fängt endlich an, beim Klimaschutz im Verkehr ernst zu machen.” luk

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Globale Reichensteuer: So groß ist die Zustimmung

Zwei Drittel der Menschen weltweit befürworten eine höhere, progressive Besteuerung reicher Personen und umweltschädigender Unternehmen. Auch unter Menschen mit höherem Einkommen ist die Zustimmung in vielen Ländern ähnlich hoch. In Deutschland liegt die Unterstützung in der Gesamtbevölkerung etwa bei 71 Prozent für eine höhere Einkommenssteuer für Reiche und bei 68 Prozent für eine höhere Vermögenssteuer. Das hat eine repräsentative Umfrage in 22 Ländern – darunter 18 G20-Länder wie Deutschland, Frankreich, USA, Brasilien, China, Indien sowie Österreich – im Auftrag von Earth4All und der Global Commons Alliance ergeben.

Die Zustimmung zu Reichensteuern sei in Deutschland besonders hoch, sagt Owen Gaffney, Leiter von Earth4All und vormals Analyst am PIK. Das unterstreiche die “starke Zustimmung für wirtschaftliche Gerechtigkeit in Deutschland“. Die Bundesregierung müsse daher ihre Steuerpolitik fairer und nachhaltiger gestalten.

Weitere Ergebnisse: Erlöse für Klimaschutz verwenden und Rechte der Natur stärken

  • 68 Prozent der Menschen in den G20-Ländern wünschen sich, dass die Wirtschaft nicht auf Profit, sondern auf das Wohlergehen der Menschen ausgerichtet wird.
  • 44 Prozent sehen einen Zusammenhang zwischen dem aktuellen Wirtschaftssystem und der Zerstörung der Natur.
  • 68 Prozent stimmen zu, dass das BIP kein guter Indikator für den Erfolg der Wirtschaft sei.
  • 60 Prozent befürworten Rechte für zukünftige Generationen und die Natur.
  • Besonders hoch ist die Zustimmung dafür, dass Steuereinnahmen für Initiativen zum Klimaschutz, die allgemeine Gesundheitsversorgung und die Stärkung der Arbeitnehmerrechte verwendet werden sollten.

Auch in der internationalen Klimapolitik gewinnt die Debatte über höhere Steuern für Reiche an Relevanz. Das reichste Prozent verursacht derzeit 16 Prozent der Emissionen und die reichsten zehn Prozent verursachen 50 Prozent. Im April hat sich etwa Entwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD) gemeinsam mit den Finanzministern aus Spanien, Südafrika und Brasilien für eine globale Milliardärssteuer ausgesprochen. Brasilien hat derzeit den Vorsitz der G20 inne. Vom 25. bis 26. Juli treffen sich dort die Finanzminister; zum ersten Mal soll auch über Vermögenssteuern diskutiert werden. lb

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Hawaii: Wie jungen Klägern eine “historische” Einigung gelang

Jungen Aktivisten und Aktivistinnen auf Hawaii erreichten Ende der vergangenen Woche nach einer Klimaklage eine wichtige Einigung, nach der das lokale Verkehrsamt jetzt verpflichtend Emissionen reduzieren und sich mit jungen Menschen zu Klimaauswirkungen austauschen muss. Die Washington Post beschreibt, dass die Einigung die weltweit erste sei, in der junge Menschen erfolgreich gegen Verkehrsemissionen klagten.

Laut der Einigung muss Hawaii innerhalb eines Jahres einen Plan zur Emissionsreduzierung mit Zwischenzielen alle fünf Jahre vorlegen. Innerhalb von 20 Jahren soll der Verkehrssektor vollständig dekarbonisiert werden. Mit dem Plan sollen Transportoptionen für Radfahrer, öffentlichen Nahverkehr und Fußgänger gestärkt und die Infrastruktur für Elektroautos ausgebaut werden.

In der 2022 eingereichten Klage argumentierten die jungen Kläger, dass Hawaiis Verkehrssystem ihr Recht auf eine “saubere und gesunde Umwelt” verletze. Der jüngste Kläger war damals neun Jahre alt. Die Klage wurde von den Organisationen Our Children’s Trust und Earthjustice unterstützt. Kurz bevor der Fall vor Gericht verhandelt werden sollte, wurde diese Einigung nun bekannt gegeben. kul

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Hitzewelle: Mehr als 1.300 Pilger sterben bei der Hadsch

Während der muslimischen Wallfahrt Hadsch in Saudi-Arabien sind nach offiziellen Angaben 1.301 Menschen aufgrund extremer Hitze gestorben. Bei der großen Mehrheit der Toten habe es sich um nicht registrierte Pilger gehandelt, teilte der saudische Gesundheitsminister Fahad Al-Dschaladschel am Sonntagabend mit. “Die unregistrierten Pilger liefen über lange Strecken unter der Sonne ohne Schutz und Pause. Einige von ihnen waren älter und einige andere hatten chronische Krankheiten”, sagte der saudische Gesundheitsminister. In diesem Jahr nahmen rund 1,8 Millionen Pilger am Hadsch teil. Laut einer Schnellanalyse von Climameter gehen die extremen Temperaturen während der Hitzewelle auf den menschengemachten Klimawandel zurück.

WHO: Extreme Hitze gefährdet Menschen in Gaza

Derzeit leiden viele weitere Länder und Regionen unter Hitzewellen:

  • In Indien starben in den letzten Wochen über 140 Menschen an den Folgen einer Hitzewelle. Bei über 40.000 Menschen gab es den Verdacht eines Hitzeschlags. Die Temperaturen in Neu-Delhi haben an 38 aufeinanderfolgenden Tagen die Marke von 40 Grad überstiegen.
  • Die Weltgesundheitsorganisation warnte am Freitag, die extreme Hitze im Gazastreifen könnte die Gesundheit der Menschen gefährden. Sie stelle eine weitere Belastung neben dem Krieg dar. Die Hitze gefährde die Wasserversorgung zusätzlich und beschleunige das Verfaulen der ohnehin knappen Lebensmittel.
  • Auch die Staaten der Ostküste der USA kämpfen seit einigen Tagen mit extremer Hitze. Rund 100 Millionen Menschen waren betroffen.
  • In Portugal und Griechenland kam es aufgrund der Hitze zu Waldbränden. Auf den griechischen Inseln starben sechs Touristen in Folge der Hitze. In Montenegro, Bosnien, Albanien und Teilen Kroatiens kam es durch die Hitze und den steigenden Stromverbrauch zu Stromausfällen. nib/dpa/rtr
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Gasnetze: Was bei einem Rückbau wichtig ist

In einem Kommentar für die Fachzeitschrift One Earth haben Energieökonomin Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) und Jan Rosenow von der NGO Regulatory Assistance Project (RAP) fünf Ideen skizziert, was mit den Gasnetzen passieren muss, wenn die Nutzung von Erdgas in Europa abnimmt. Nach den Prognosen der Wissenschaftler wird der Bedarf von Erdgas bis 2050 um bis zu 70 Prozent zurückgehen. Ohne begleitende politische Maßnahmen könnten sich die Netzentgelte in Deutschland in den nächsten 16 Jahren verfünffachen. 

Kemfert und Rudow schlagen fünf politische Maßnahmen vor, um die Nutzung der Gasnetze auf die sinkende Nachfrage vorzubereiten:

  • Eine langfristige und umfassende Planung der Regulierungsbehörden für Gas, Strom und Wärme in den Kommunen. So kann die sinkende Nachfrage der Gasnetze mit der steigenden Nachfrage von Stromnetzen zusammengedacht werden. Netzbetreiber könnten dazu angeregt werden, die erforderliche Infrastruktur zu schaffen und gleichzeitig unnötige Ausgaben für zukünftige Infrastruktur vermeiden.
  • Die Investitionskosten der Gasnetze sollen kurzfristiger refinanziert werden, damit die Netze bis zur Klimaneutralität finanziert und die Kosten für die Verbraucher fairer aufgeteilt sind.
  • Es sollen Schwellenwerte und Kriterien für den Rückbau der Gasnetze definiert werden, ab denen der Netzbetreiber Kunden nicht mehr versorgt oder ganz vom Netz trennen kann. So können hohe Netzkosten für Verbraucher vermieden werden.
  • Neue Investitionen in Gasnetze sollen sorgfältig geprüft werden, um sicherzustellen, dass sie wirklich gebraucht und am Ende nicht doch zu einem Stranded Asset werden.
  • Es braucht ein gründliches Verständnis der Kosten für die Stilllegung von Gasnetzen, damit Geld dafür eingeplant werden kann. Momentan gibt es keine finanziellen Mittel dafür. In Deutschland könnten Kosten von bis zu 24,6 Milliarden Euro anfallen. Außerdem sollte Deutschland wie in Dänemark die Gebühren der Verbraucher übernehmen, wenn Gasnetze stillgelegt werden.

Einen Plan für den Rückbau der bestehenden Netze gebe es noch nicht. “Es muss früh damit begonnen werden, das Erdgasnetz abzuschreiben und die schrittweise Stilllegung zu organisieren, um Stranded Assets und gigantische Kostensteigerungen für die verbleibenden Kunden zu vermeiden”, sagt Claudia Kemfert vom DIW. In Deutschland liegen insgesamt über 511.000 Kilometer Gastransportleitungen, die laut den Wissenschaftlern zu Stranded Assets werden können. seh

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Saudi-Arabien: Wie der Staat mit fossilen Gaskraftwerken Emissionen reduzieren will

Siemens Energy hat aus Saudi-Arabien einen Kraftwerksauftrag über 1,4 Milliarden Euro erhalten. Der Konzern soll dort zwei sehr große Gas- und Dampfturbinen-Kraftwerke bauen, die fast vier Gigawatt Strom liefern. Taiba 2 und Qassim 2 werden laut Siemens Energy die “weltweit größten, modernsten und effizientesten Gas- und Dampfturbinen-Kraftwerke”.

Die Anlagen sollen teilweise mit Schweröl befeuerte Kraftwerke ersetzen und bis zu 60 Prozent CO₂ einsparen. Zum Vertrag gehöre auch ein Wartungsvertrag über 25 Jahre, teilte Siemens Energy am Montag mit. Vertragspartner und Generalunternehmer ist die China Energy International Group. Zusätzlich wolle der Wüstenstaat mittelfristig noch CCS-Anlagen bauen, um klimaneutrale Energieversorgung zu ermöglichen.

Der Climate Action Tracker bewertet Saudi-Arabiens Klimapolitik als “kritisch unzureichend”. Das Land habe bisher keine Maßnahmen ergriffen, die seine fossile Abhängigkeit senken. In seinem Klimaziel (NDC) hat sich das Land zum Ziel gesetzt, bis 2030 50 Prozent des Stroms aus Erneuerbaren zu produzieren. Davon ist das Land weit entfernt: 2020 produzierte es gerade einmal 0,3 Prozent seiner Elektrizität erneuerbar. Netto-Null will das Land erst im Jahr 2060 erreichen. dpa/kul

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Erderhitzung: Frauen brauchen mehr Zeit zum Wasserholen

In Folge des Klimawandelns könnte die Zeit, die Frauen verwenden, um Trinkwasser zu beschaffen, bis zu 30 Prozent steigen. Der Grund: Steigende Temperaturen verändern die Niederschlagsmuster, sodass weniger Wasser verfügbar ist und auch Quellen weniger werden. Außerdem wird der Weg zu Wasserquellen aufgrund von Hitzestress unangenehmer und die Frauen brauchen mehr Zeit, weil die Wege länger werden.

Das ist das Ergebnis einer neuen Studie des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK), die im Nature Climate Change veröffentlicht wurde. Aufgrund höherer Temperaturen könnte sich in Regionen Südamerikas und Südostasiens der Zeitaufwand für das Wasserholen bis 2050 sogar verdoppeln. Dadurch geht für die Frauen auch Arbeitszeit verloren. Nach Berechnungen des PIK könnten bei einem Szenario mit hohen Emissionen Kosten von bis zu hundert Millionen US-Dollar pro Land und Jahr entstehen.

Rund zwei Milliarden Menschen auf der Welt haben keinen direkten Zugang zu sauberen Trinkwasser. In der Regel sind es Frauen, die dafür verantwortlich sind, Trinkwasser zu holen. Die Studie beleuchtet eine geschlechterspezifische Dimension der Folgen des Klimawandels: “Die Ergebnisse zeigen, wie stark sich der Klimawandel auf das Wohlbefinden von Frauen auswirken wird. Durch längere Wasserholzeiten verlieren sie Zeit für Bildung, Arbeit und Freizeit“, sagt Leonie Wenz, Koautorin und PIK-Forscherin. Der Anstieg könnte um 19 Prozent reduziert werden, wenn die globale Erwärmung unter zwei Grad Celsius gehalten wird. Von 1990 bis 2019 brauchten Frauen weltweit täglich 22,84 Minuten zum Wasserholen. Dabei reicht die Spanne von vier Minuten in Teilen Indonesiens bis zu 110 Minuten in Regionen in Äthiopien. seh

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Energiewende: Warum die Versicherungsbranche eine entscheidende Rolle spielen wird

Bis 2030 wird in den Bereichen Energie, Straßenverkehr und Bauwesen ein neuer Versicherungsschutz in Höhe von mindestens zehn Billionen US-Dollar erforderlich – insbesondere für große Infrastrukturprojekte wie Offshore-Windparks und Solarparks sowie die Isolierung von Gebäuden. Zu diesem Schluss kommen laut Financial Times der Versicherungsmakler Howden und die Boston Consulting Group in einem aktuellen Bericht.

Demnach seien weltweit 19 Milliarden US-Dollar an Investitionen in die Energiewende zugesagt. Für mehr als die Hälfte davon werde ein Versicherungsschutz entscheidend sein. Das setze die Branche unter “beispiellosen strukturellen Druck”. Viele Versicherer böten zwar bereits zusätzlichen Schutz für wasserstoffbetriebene und elektrische Fahrzeuge, Offshore-Windkraftanlagen oder Hybridbaustoffe. Zudem planten sie eine Ausweitung auf neuere Technologien.

Doch die Versicherungsunternehmen müssten abwägen, wie viele neue Risiken sie in Bereichen eingehen, in denen es an Daten über mögliche Verluste mangelt. Der Druck erhöhe sich auch durch Naturkatastrophen, die im Klimawandel stärker werden und Infrastruktur zerstören. Zudem sei bis 2030 kaum mit zusätzlich freien Kapazitäten für grüne Projekte zu rechnen, da die Versicherungsleistungen für fossile Projekte nur leicht sinken werden. asc

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Die entscheidenden Köpfe der Klima-Szene – Beratung

Johan Rockström Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK), Professor für Erdsystemwissenschaften an der Uni Potsdam

Johan Rockström wurde mit gutem Grund in diesem Jahr mit dem “Tyler Prize for Environmental Achievement” ausgezeichnet, dem inoffiziellen “Nobelpreis für Umwelt”: Der Schwede ist einer der einflussreichsten Vordenker und Berater in der internationalen Klima- und Nachhaltigkeitspolitik. Der ehemalige Chef des Stockholm Environment Institute leitet seit 2018 mit dem Klimaökonomen Ottmar Edenhofer als wissenschaftlicher Direktor das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK). Vor allem sein Konzept der “planetaren Grenzen” von 2009 hat großen Widerhall gefunden. Der studierte Bodenkundler und Hydrologe beschreibt das Erdsystem in seine Belastungen, er warnt vor Kipppunkten im Klima- und Natursystem. Rockström liest Politik und Wirtschaft regelmäßig auf Podien wie dem Weltwirtschaftsforum in Davos oder auf COPs wissenschaftlich fundiert die Leviten.

Christiane Textor – Leiterin der deutschen IPCC-Koordinierungsstelle

Christiane Textor sitzt führend an der wichtigsten deutschen Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Politik in Fragen des Klimawandels. Als Leiterin der IPCC-Koordinierungsstelle nimmt die promovierte Atmosphärenwissenschaftlerin intensiv an den technischen Verhandlungen im Weltklimarat teil und ist gleichzeitig Ansprechpartnerin für Medien und Öffentlichkeit. Sie vertritt Deutschland seit Jahren in den IPCC-Prozessen und ist mit den Details der umfassenden IPCC-Berichte bestens vertraut. Textor berät aber auch das Auswärtige Amt und das Bundesforschungsministerium, also die politische Seite des IPCC, das Expertise aus Wissenschaft und aus Politik zusammenführt. Als Mitglied der deutschen Delegation bei den Klimaverhandlungen stimmt sie deutsche und europäische Positionen etwa zum Global Stocktake ab und bringt diese in die Verhandlungen ein.

Roda VerheyenPartnerin, Rechtsanwälte Günther

Roda Verheyen ist Juristin geworden, um sich möglichst wirkungsvoll für die Umwelt einzusetzen. Bekannt wurde sie durch zwei Klimaklagen: Im ersten, noch laufenden Fall verlangt sie von RWE eine finanzielle Beteiligung an Folgekosten des Klimawandels in Peru. Die zweite Klage – gemeinsam mit weiteren Verfassungsbeschwerden – führte zum Klimabeschluss des Bundesverfassungsgerichts 2021. Derzeit klagt Verheyen mit Greenpeace gegen die Entscheidung der EU-Kommission, Gas und Atomkraft als nachhaltig einzustufen. Sie ist Partnerin der Hamburger Umweltkanzlei Günther und ehrenamtliche Richterin am Hamburger Verfassungsgericht, hat das internationale Netzwerk “Climate Justice Programme” mitbegründet und sitzt im Vorstand des Vereins Green Legal Impact Germany.

Remo Klinger – Partner, Geulen & Klinger

Remo Klinger ist der juristische Kopf hinter den Klimaklagen der Deutschen Umwelthilfe (DUH). Er hat vor Gericht die Dieselfahrverbote erstritten und war an zwei der vier Verfassungsbeschwerden beteiligt, die 2021 zum bahnbrechenden Klimabeschluss des Bundesverfassungsgerichts führten. Seither hat er mit der DUH weitere Verfahren für eine ehrgeizigere deutsche Klimapolitik gewonnen. Klinger ist Partner der auf Öffentliches Recht spezialisierten Berliner Kanzlei Geulen & Klinger, Honorarprofessor der Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde, Mitherausgeber und Redaktionsmitglied der Zeitschrift für Umweltrecht sowie Mitglied des Gesetzgebungsausschusses für Umweltrecht des Deutschen Anwaltvereins e. V.

Wolfgang Blau – Managing Partner, Climate Hub, Brunswick

Wolfgang Blau ist Klima-Kommunikator durch und durch: Seit Jahren trommelt der Publizist für einen besseren Klimajournalismus – genauer gesagt: dafür, dass die Klimakrise über alle Ressorts und Themenbereiche hinweg die Aufmerksamkeit bekommt, die ihr gebührt. Jede Geschichte ist eine Klimageschichte, so der Gedanke. Bei der Unternehmensberatung Brunswick hilft Blau Firmen, sich auf die Folgen der Erderwärmung einzustellen. 2021 hat er das Climate Journalism Network der University of Oxford mitbegründet, zuvor hatte er Führungspositionen bei Condé Nast und dem britischen Guardian inne und war Chefredakteur von Zeit Online.

Cory Combs

Cory Combs – Stellvertretender Direktor, Trivium China

Als Analyst bei der Beratungsfirma Trivium China gehört Cory Combs zu den versiertesten Experten zu Chinas Klima- und Energiepolitik. Er produziert den Newsletter Trivium China Net Zero und informiert darin über neue Regulierungen, Gesetzesvorhaben und die wirtschaftlichen Herausforderungen Chinas bei der Energiewende. Zu seinen Schwerpunkten gehört die Energiewende, die Dekarbonisierung von Chinas Industrie und Rohstofffragen. Combs berät Unternehmen, Investoren und politische Entscheidungsträger zu regulatorischen Veränderungen und politischen Entwicklungen in China.

Katharine Hayhoe – Professorin, Texas Tech University

Katharine Hayhoe ist eine der wichtigsten Klimawandel-Kommunikatorin. Die Kanadierin sieht sich immer wieder mit Klimawandel-Leugnern konfrontiert. Viele Gläubige und Politiker in den USA zweifeln ihre Forschung an. Davon ließ sich die Klimawissenschaftlerin und evangelikale Christin nicht abschrecken, im Gegenteil: Im Fernsehen und bei TED Talks spricht sie unermüdlich gegen Mythen zur Klimakrise und setzt sich für die Vereinbarkeit von Glaube und Wissenschaft ein. 2021 trat Hayhoe als leitende Wissenschaftlerin in die Naturschutzorganisation Nature Conservancy ein.

Jim Skea – Vorsitzender, IPCC

Der Schotte ist seit Juli 2023 Chef des Weltklimarats (Intergovernmental Panel on Climate Change, IPCC), dem wichtigsten wissenschaftlichen Gremium für die internationalen Klimaverhandlungen. Er leitet damit den 7. Sachstandszyklus des Gremiums und wird den Vorsitz bis zum 7. Sachstandsbericht innehaben. Skeas Stimme hat großes Gewicht, das sich sogar COP-Präsidenten zunutze machen. Als Sultan Al Jaber sich Vorwürfen der Wissenschaftsfeindlichkeit gegenüber sah, setzte er sich gemeinsam mit Skea in Dubai auf das Podium einer Pressekonferenz und ließ seine Aussagen vom IPCC-Chef persönlich verifizieren.

Frank Peter

Frank Peter – Direktor, Agora Industrie

Als Direktor von Agora Industrie ist Frank Peter einer der wichtigsten Berater der Bundesregierung bei der Transformation der Industrie. Zu seinen Arbeitsschwerpunkten gehören der Umbau der Stahl-, Zement und Chemieindustrie, der Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft und politische Maßnahmen wie die Klimaschutzverträge, die Carbon Management Strategie oder Maßnahmen zur Senkung des industriellen Strompreises. Peter koordiniert das 30-köpfige Industrie-Team des Thinktanks. Vor seiner Zeit bei Agora war er zwölf Jahre bei dem Wirtschaftsforschungsunternehmen Prognos.

Claudia Kemfert

Claudie Kemfert – Abteilungsleiterin Energie, Verkehr und Umwelt Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung

Claudia Kemfert leitet die Abteilung Energie, Verkehr und Umwelt am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) und ist Professorin für Energiewirtschaft und Energiepolitik an der Leuphana Universität Lüneburg. Die deutsche Wirtschaftswissenschaftlerin und Autorin ist seit 2016 Co-Vorsitzende des Sachverständigenrats für Umweltfragen (SRU) und auch als Gutachterin und Politikberaterin tätig. In Brüssel hat sie etwa den früheren EU-Kommissionspräsidenten José Manuel Barroso beraten. Für den MDR spricht sie in “Kemferts Klima-Podcast” alle zwei Wochen über Klima- und Energiethemen. Immer wieder ist sie Diffamierungskampagnen und Hetze ausgesetzt – ein zunehmendes Problem für Klimaforschende, die sich in der Öffentlichkeit deutlicher positionieren. Kemfert lebt in Oldenburg und Berlin und ist verheiratet. 1968 ist sie in Delmenhorst geboren und so heißt auch ihr Lieblingslied der Rockband “Element of Crime”.

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Climate.Table Redaktion

CLIMATE.TABLE REDAKTION

Licenses:
    Liebe Leserin, lieber Leser,

    Wir machen heute, was wir am liebsten tun: Wir beschäftigen uns mit Themen, die nicht im Rampenlicht stehen, dafür aber umso relevanter sind. So haben zwar bei der Reise von Wirtschaftsminister Habeck nach China alle davon geredet, dass es einen Handelskonflikt zwischen der EU und China bei E-Autos und Solartechnik gibt. Die bislang ignorierte Gefahr einer solchen Auseinandersetzung um die Windkraft-Industrie analysiert hier bei uns Nico Beckert.

    Unter dem Radar läuft auch oft das Thema “freiwilliger Kohlenstoff-Markt” – weil es abstrakt und ganz schön kompliziert ist. Wir haben deshalb für Sie einen Text von Tin Fischer, der die Vorschläge der US-Regierung zur Regulierung dieses Marktes erklärt, inklusive der Kritik, das könne schnell im Greenwashing enden. Und über ein ebenfalls gern verdrängtes (Haushalts-) Risiko schreibt unser Europa-Spezialist Lukas Scheid: Weil Deutschland (und andere Staaten wie Italien) ihre europäischen CO₂-Ziele vor allem im Verkehr reißen, droht es für kommende Finanzminister richtig teuer zu werden: 16 Milliarden Euro kann das bis 2030 kosten, so eine Studie.

    Natürlich haben wir noch viele andere spannende Themen. Wir wünschen eine erhellende Lektüre.

    Ihr
    Bernhard Pötter
    Bild von Bernhard  Pötter

    Analyse

    Windkraft: So setzen Chinas Hersteller die westliche Konkurrenz unter Druck

    Rotorblätter-Produktion in Shanghai. Chinas Anbieter streben immer stärker auf den Weltmarkt.

    Im Zollstreit zwischen Europa und China gab es am Wochenende erste Anzeichen der Entspannung. Während der China-Reise von Wirtschaftsminister Robert Habeck einigten sich die EU und China auf neue Gespräche zu den von der EU verhängten Schutzzöllen gegen E-Auto-Importe aus China. Das wird auch als Erfolg Habecks verbucht.

    Aktuelle Entwicklungen in der Windindustrie könnten in Zukunft allerdings zu neuen Handelskonflikten führen. Denn auch in der Windbranche hat China massive Produktionskapazitäten aufgebaut und heimische Unternehmen mit Subventionen und der Abschottung vor ausländischer Konkurrenz groß gemacht. Die Branche strebt immer stärker auf den Weltmarkt und droht, westlichen Anbietern Marktanteile abzunehmen. Mehr Wettbewerb und günstige Preise kämen der Energiewende in Entwicklungs- und Schwellenländern zugute, könnten die Profite westlicher Hersteller aber weiter drücken.

    Bisher ist der globale Windenergiemarkt recht deutlich aufgeteilt: Im Westen dominieren westliche Hersteller und in China haben die heimischen Hersteller fast ein Monopol. Durch den großen Heimatmarkt kommen vier der fünf weltweit größten Hersteller aus China. Doch “chinesische Windenergieanlagen-Hersteller expandieren massiv und versuchen, ihre Überkapazitäten auf die internationalen Märkte zu drücken”, sagt ein Sprecher von Wind Europe, dem europäische Windenergie-Verband, zu Table.Briefings.

    Chinas Hersteller streben auf den Weltmarkt

    Dabei kommt es auch zu ungewöhnlichen Allianzen: “Mit viel Geld ausgestattete chinesische und arabische Energieversorgungsunternehmen bauen jetzt überall in den Entwicklungsländern massive Windkraftkapazitäten mit Turbinen aus chinesischer Produktion auf”, schreiben die Analysten der Beratungsagentur Trivium China.

    Viele chinesische Anbieter streben ins Ausland und bauen dort teils auch Produktionsanlagen auf oder haben Pläne dafür:

    • Envision baut in Indien Rotorblätter und Gondeln, also das Gehäuse der Turbinen, und ist mittlerweile der führende Turbinenlieferant vor Ort. Das Unternehmen strebt auch nach Zentralasien und den Nahen Osten.
    • Goldwind konzentriert sich auf den brasilianischen Markt und baut dort Fabriken auf, ebenso strebt das Unternehmen nach Zentralasien und in die MENA-Region.
    • Mingyang strebt auf den südkoreanischen und japanischen Markt und Sany will in Zentralasien und auf den europäischen Markt expandieren.

    Bisher ist es China zwar noch nicht gelungen, den europäischen und US-Markt stark anzugreifen. Doch “bei ihrer Expansion versuchen chinesische Windenergieanlagen-Hersteller, auch auf dem europäischen Markt Fuß zu fassen”, beobachtet Wind Europe. Der Verband mahnt zur Vorsicht: Die Abhängigkeiten von russischem Gas sollten “sich auf keinen Fall mit Clean Tech aus China wiederholen. Die Herstellung von Windenergieanlagen in Europa ist auch eine Frage unserer Energiesicherheit – und letztlich unserer nationalen Sicherheit.”

    Chinas Wettbewerbsvorteile: Günstige Kosten, Größenvorteile

    Chinas Windanlagenbauer haben auf dem Weltmarkt mittlerweile große Vorteile:

    • Die Preise für chinesische Windturbinen, die in Märkte außerhalb Chinas geliefert werden, liegen 20 Prozent unter denen von Anbietern aus Europa und den USA, wie Bloomberg NEF schreibt.
    • Die Kosten für chinesische Windkraftanlagen sind seit 2020 um 50 (Offshore) bis 60 Prozent (Onshore) gesunken, so die Analysten von Trivium China.

    Durch die Kostenvorteile chinesischer Anbieter wird die Windkraft auch für Schwellen- und Entwicklungsländer immer attraktiver. Die wachsende Präsenz chinesischer Anbieter “auf den globalen Märkten hat das Potenzial, die Kosten für Windkraftanlagen weltweit deutlich zu senken“, so die Trivium China-Analysten.

    China drängt westliche Anbieter vom heimischen Markt

    Die Wettbewerbsvorteile chinesischer Windkraftanlagenbauer gehen auf Chinas Industrie- und Handelspolitik zurück. Während westliche Anbieter in den 2000er-Jahren in der Volksrepublik noch einen Marktanteil von 70 Prozent hatten, wurden sie durch Subventionen für heimische Produzenten und Anforderungen zum Einsatz lokal hergestellter Güter fast komplett verdrängt. Mittlerweile teilen sich Chinas Hersteller 99,8 Prozent des heimischen Marktes auf.

    Durch die hohe Nachfrage konnten die chinesischen Anbieter eine günstige Massenproduktion mit hohen Skaleneffekten erreichen. Zudem haben Chinas Hersteller in den letzten Jahren bei der Größe der Anlagen aufgeholt und westliche Anbieter mittlerweile überholt. Im Offshore-Bereich werden erste Anlagen mit einer Kapazität von 18 Megawatt (MW) installiert – onshore wurde die 10-MW-Marke durchbrochen. Durch große Anlagen lässt sich mehr Windkraft auf weniger Fläche installieren und es müssen weniger Anlagen gebaut werden, um einen Windpark mit einer gewissen Kapazität auszustatten – was Kosten- und Zeitersparnisse mit sich bringt.

    Krise der Konkurrenz als “einmalige Gelegenheit”

    Doch auch im chinesischen Windenergiemarkt bestehen Überkapazitäten und es herrscht ein “brutaler Preiskrieg”, wie die Trivium China-Analysten schreiben. Das Wettrennen um die größten Windkraftanlagen “könnte sich als wenig nachhaltig herausstellen”, so die Einschätzung der Analysten der Energie-Beratungsfirma Wood Mackenzie. Zwar erwirtschafteten Chinas Hersteller noch Profite. Aber weil die Preise immer weiter sinken, könnte “den chinesischen Windkraftunternehmen eine Gewinnkrise bevorstehen“, so die Analysten von Wood Mackenzie. Das gilt als ein weiterer Grund für sie, auf den Weltmarkt zu streben.

    In einer solchen Gewinnkrise befinden sich westliche Hersteller schon seit längerer Zeit. “Unterbrechungen in der Lieferkette, steigende Rohstoffpreise, geopolitische Spannungen und Qualitätsmängel” hätten den westlichen Herstellern zugesetzt. Ihre Fertigungskapazitäten reichen laut Wood Mackenzie nicht aus, um die steigende weltweite Nachfrage zu bedienen. Investitionen in neue Fabriken gestalten sich aufgrund der geringen Profitabilität als schwierig. Chinas Produzenten sehen demnach eine “einmalige Gelegenheit”, um global Marktanteile zu gewinnen. Sie können ihre Finanzmacht und die massive Größe ihrer heimischen Lieferkette ausnutzen, um westliche Hersteller in den Entwicklungs- und Schwellenländern herauszufordern, so die Einschätzung der Wood Mackenzie-Experten.

    Allerdings ist es unwahrscheinlich, dass China in der Windbranche eine ähnlich große Dominanz aufbaut wie in der Photovoltaik. Die Logistik ist bei den sperrigen Windenergieanlagen schwieriger. Zudem müssen Windkraftanlagen vor Ort gewartet werden. “Die europäischen Hersteller haben seit Jahren etablierte und qualitativ hochwertige Service- und Wartungsdienste. Chinesische Hersteller haben bislang weder diese Strukturen aufgebaut, noch haben sie sich das Vertrauen der Kundschaft erarbeitet”, so der Bundesverband Windenergie (BWE) zu Table.Briefings.

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    Carbon Credits: So wollen die USA den freiwilligen Markt regeln

    Guyana hat bereits freiwillige CO₂-Zertifikate für 40 Millionen Tonnen verkauft.

    Die US-Regierung will den Klimaschutz auch mit freiwilligen Kompensationsmaßnahmen für CO₂-Emissionen vorantreiben. In einem neuen Konzeptpapier hat sie nun Wünsche und Erwartungen für die Überarbeitung des Voluntary Carbon Marktes (VCMs) festgelegt. Gleichzeitig starten große US-Unternehmen wie Amazon, Microsoft, Google und Meta neue Projekte für Kompensationszertifikate. Doch die Kritik an freiwilligen CO₂-Kompensationen reißt nicht ab. Wie schwierig viele Kompensationsziele zu erreichen sind, zeigt das Beispiel der Schweiz.

    Grundsätze: Transparenz, echte CO₂-Reduktion

    Das neue Papier aus dem Weißen Haus zeigt auf zwölf Seiten, nach welchen Grundsätzen der freiwillige Kompensationsmarkt handeln sollte:

    • CO₂-Credits sollten einen “glaubwürdigen” Effekt auf die Atmosphäre haben und entsprechenden Standards folgen.
    • Die Reduktion von Emissionen sollte Priorität haben.
    • Schäden an Menschen und Umwelt sollten vermieden werden.
    • Credits und ihre Verwendung sollten öffentlich einsehbar sein.
    • Die Teilnahme am Markt sollte vereinfacht werden.

    Der freiwillige Kompensationsmarkt hat einen Boom und Crash hinter sich. Nach Studien und Berichten über wertlose Zertifikate brach der Markt 2023 ein. In einem neuen Anlauf soll jetzt alles besser werden. Branchen-Initiativen und Rating-Agenturen versprechen, fortan Qualitätsstandards zu definieren und zu kontrollieren. Hinzu kommt, dass auch der Emissionshandel zwischen Staaten über Artikel 6.2 des Pariser Abkommens Fahrt aufnimmt – und Standards setzt, vorangetrieben von Ländern wie der Schweiz, Singapur oder Südkorea.

    USA wollen “seriösen Kohlenstoffmarkt”

    Auch John Kerry forderte in seiner Zeit als Klima-Sondergesandter von US-Präsident Biden: “Wir brauchen seriöse Carbon Markets, um Klima-Ambitionen voranzutreiben”. Nur die Privatwirtschaft habe das Geld zum Erreichen der Klimaziele. “Wenn wir die Privatwirtschaft nicht mobilisieren, gewinnen wir diesen Kampf nicht. Ganz einfach”, drohte Kerry.

    Die USA verfolgen dabei einen ganz anderen Ansatz als Europa. “Chancen und Risiken der freiwilligen Kompensation werden in den USA ganz anders gesehen als in Europa. Man hat eine viel größere Hoffnung in den freiwilligen Markt”, sagt Lambert Schneider vom Berliner Öko-Institut. Man habe in den USA schlicht nicht die Instrumente wie in der EU mit ihrem verpflichtenden Markt im Emissionshandel.

    Mittel der Wahl: Erneuerbare und Waldschutz

    Dabei setzen die US-Vorschläge auf alte Bekannte: Zertifikate für erneuerbare Energie in Entwicklungs- und Schwellenländern sowie Waldschutz. Der Energy Transition Accelerator, eine Initiative unter anderem des State Departments und der Stiftung von Jeff Bezos, sowie die LEAF Coalition, eine Initiative unter anderem der USA, Großbritanniens und von Amazon, sollen in den nächsten zehn Jahren Credits generieren, “die einer Reduzierung der Treibhausgase um mehr als zwei Milliarden Tonnen entsprechen”, sagte Kerry. Das wäre zwanzigmal mehr als das momentane jährliche Volumen von rund 100 Millionen Tonnen. Die Initiative wurde 2022 auf der COP27 vorgestellt, zog aber auch Kritik auf sich. Denn ihre Regularien widersprechen den Empfehlungen einer UN-Expertengruppe zur Verhinderung von Greenwashing in diesem Bereich.

    Entsprechend viel bewegte sich in den letzten Wochen vor allem auf dem Waldschutz-Markt. Google, Meta, Salesforce und Microsoft kündigten beispielsweise an, 20 Millionen Zertifikate aus Baumpflanz-Projekten gewinnen zu wollen, die Natur wiederherstellen sollen. Die Unternehmen haben eine Initiative namens Symbiosis gegründet, deren Regeln auch CO₂-Credits aus Holzplantagen erlauben. Diese Plantagen stehen allerdings oft in der Kritik, weil sie nicht zusätzlich sind – die Plantagen also auch ohne Geld von Zertifikaten angelegt worden wären.

    Waldschutz: 10 US-Dollar pro Tonne CO₂

    Die LEAF-Koalition wiederum, vorangetrieben vor allem von Amazon, will Millionen Credits mit Waldschutz im Globalen Süden generieren. Die Koalition verspricht mindestens 10 US-Dollar pro Tonne zu bezahlen, weit mehr als der aktuelle Marktpreis. Zur Anwendung kommt der neue ART TREES-Standard, der ganze Staaten oder Regionen in Kompensationsprojekte verwandelt. Bislang war es so, dass Waldschutz-Projekte zeigen mussten, dass ohne ihren Schutz ein Wald gerodet worden wäre. ART TREES hingegen soll auch Länder mit CO₂-Zertifikaten belohnen, die bislang kaum gerodet haben oder deren Rodungen längst zurückgehen. Vorreiter Guyana hat so bereits 40 Millionen Credits erzeugt.

    “Aus unserer Sicht wird da heiße Luft generiert“, sagt Schneider: “Länder können sich rückwirkend bei ART TREES anmelden, wenn ihre Entwaldung – aus welchen Gründen auch immer – gesunken ist, etwa weil der Palmöl-Export eingebrochen ist.” Auch bei Carbon Market Watch sieht man das kritisch: “Manche sagen: Sie schauen einfach nur auf ihre Wälder und verwandeln sie in Credits”, so Isa Mulder von der NGO. “Wir sollten Länder wie Guyana für ihre Wälder belohnen, aber nicht so. Das kompensiert nichts.

    Kritik: Geld für “heiße Luft”

    Werden US-Unternehmen solche Credits freiwillig kaufen, wenn sie mit Greenwashing-Vorwürfen konfrontiert werden könnten? Dass die Käufer im vergangenen Jahr nicht nur weniger, sondern auch wählerischer geworden sind, zeigt eine Analyse der Rating-Agentur Calyx. Heute würden statt Waldschutz-Credits eher Kochofen-Projekte gekauft, einfach weil sie etwas besser bewertet sind. Die Kritik auf dem Markt habe einen “kollektiven Druck zur Erhöhung der Integrität von Carbon Credits ausgelöst”, so Calyx.

    Für Qualität sollen nun Branchen-Initiativen wie der ICVCM sorgen, der Integrity Council for the Voluntary Carbon Market. Diese sollen definieren, was “High integrity carbon credits” sind, also Zertifikate von “hoher Integrität“. Die ersten sieben Regelwerke – für Credits aus Mülldeponien – haben den Stempel des ICVCM gerade erhalten. Die Bewertung von Waldschutz-Credits soll in den nächsten Monaten folgen.

    Schweiz: Hohe Ansprüche kaum einzulösen

    “Letztlich versuchen die Amerikaner die Quadratur des Kreises”, so Schneider. Sie wollen riesige Mengen an Credits, die aber auch hohen Standards genügen sollen. Wie man daran scheitern kann, macht derzeit die Schweiz vor, die Teile ihrer Straßenverkehrsemissionen im Ausland kompensieren will. 20 Millionen Tonnen bräuchte sie in den nächsten Jahren, setzt aber hohe Qualitätsstandards (Wald-Zertifikate sind ausgeschlossen). Die zuständige Stiftung KliK nennt das Ziel im neuen Jahresbericht “zumindest nicht unmöglich”, gibt aber zu bedenken, “dass nicht davon ausgegangen werden kann, dass die vertraglich in Aussicht gestellte Menge an Bescheinigungen auch geliefert wird”. 

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    Verfehlte EU-Klimaziele: Warum Deutschland womöglich 16,2 Milliarden Euro zahlen muss

    Ohne Sofortmaßnahmen werden zwölf EU-Länder ihre nationalen Klimaziele im Rahmen der EU-Lastenteilungsverordnung (Effort Sharing Regulation, ESR) verfehlen. Zu diesem Ergebnis kommt eine Untersuchung der Verkehrs- und Umweltorganisation Transport & Environment. T&E hat dafür die Entwürfe der nationalen Energie- und Klimapläne analysiert.

    In der ESR werden jedem Mitgliedstaat erlaubte Emissionsmengen für die Sektoren außerhalb des EU-Emissionshandelssystems (ETS) in Form von Zertifikaten zugeteilt. Die Sektoren sind Straßenverkehr, Gebäude, Kleinindustrie, Abfall und Landwirtschaft. Für Verfehlungen der ESR-Ziele müssen Länder überschüssige Zertifikate anderer Länder aufkaufen. Je nach zwischenstaatlich verhandeltem Preis könnten für die Bundesregierung vor allem durch die Verfehlungen im Verkehrssektor bis zu 16,2 Milliarden Euro fällig sein, schreibt T&E.

    CO₂-Preis von über 120 Euro pro Tonne prognostiziert

    Daten des Umweltbundesamtes zufolge emittiert Deutschland in den betroffenen Sektoren 126 Millionen Tonnen CO₂-Äquivalente über der durch die ESR zugeteilten Menge. T&E legt den Zertifikatspreis von 129 Euro zugrunde, den Bloomberg für die ETS-Sektoren im Jahr 2030 prognostiziert. Das UBA geht von 125 Euro pro Tonne CO₂ aus.

    Höhere Preise kommen vor allem durch knappe Zertifikatsmengen zustande. Allein Deutschland würde bei der von T&E prognostizierten Emissionslücke von 126 Millionen Tonnen rund 70 Prozent der überschüssigen Zertifikate anderer EU-Länder aufbrauchen. T&E warnt daher, dass es ohne sofortige Maßnahmen zu einer enormen Verknappung der Gutschriften kommen wird, da mehrere Länder ihre Ziele verfehlen werden.

    Auch Italien verfehlt Ziele deutlich

    Italien benötigt laut T&E ebenfalls 120 Millionen Emissionsgutschriften zusätzlich über die ESR, was Rom bis 15,5 Milliarden Euro kosten könnte. Deutschland und Italien würden demnach 246 Millionen Zertifikate benötigen. Voraussichtlich werden jedoch nur 180 Millionen überschüssige Zertifikate aus anderen Mitgliedstaaten verfügbar sein. Damit hätten weitere 10 Länder, die ihre Vorgaben nicht erfüllen, keine Möglichkeit mehr, die Ziele der ESR einzuhalten, kritisiert T&E. Dies würde auch zu hohen Kosten für die deutschen und italienischen Steuerzahler führen.

    Die von der FDP geforderte Novelle des deutschen Klimaschutzgesetzes und die damit verbundene Aufhebung der Sektorziele sei letztendlich “nicht mehr als ein Taschenspielertrick” gewesen, sagt Sebastian Bock, Geschäftsführer von T&E Deutschland. “Volker Wissing steht vor einer klaren Wahl: Entweder er zahlt für den verschleppten Klimaschutz Milliarden an unsere Europäischen Nachbarländer oder er fängt endlich an, beim Klimaschutz im Verkehr ernst zu machen.” luk

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    Globale Reichensteuer: So groß ist die Zustimmung

    Zwei Drittel der Menschen weltweit befürworten eine höhere, progressive Besteuerung reicher Personen und umweltschädigender Unternehmen. Auch unter Menschen mit höherem Einkommen ist die Zustimmung in vielen Ländern ähnlich hoch. In Deutschland liegt die Unterstützung in der Gesamtbevölkerung etwa bei 71 Prozent für eine höhere Einkommenssteuer für Reiche und bei 68 Prozent für eine höhere Vermögenssteuer. Das hat eine repräsentative Umfrage in 22 Ländern – darunter 18 G20-Länder wie Deutschland, Frankreich, USA, Brasilien, China, Indien sowie Österreich – im Auftrag von Earth4All und der Global Commons Alliance ergeben.

    Die Zustimmung zu Reichensteuern sei in Deutschland besonders hoch, sagt Owen Gaffney, Leiter von Earth4All und vormals Analyst am PIK. Das unterstreiche die “starke Zustimmung für wirtschaftliche Gerechtigkeit in Deutschland“. Die Bundesregierung müsse daher ihre Steuerpolitik fairer und nachhaltiger gestalten.

    Weitere Ergebnisse: Erlöse für Klimaschutz verwenden und Rechte der Natur stärken

    • 68 Prozent der Menschen in den G20-Ländern wünschen sich, dass die Wirtschaft nicht auf Profit, sondern auf das Wohlergehen der Menschen ausgerichtet wird.
    • 44 Prozent sehen einen Zusammenhang zwischen dem aktuellen Wirtschaftssystem und der Zerstörung der Natur.
    • 68 Prozent stimmen zu, dass das BIP kein guter Indikator für den Erfolg der Wirtschaft sei.
    • 60 Prozent befürworten Rechte für zukünftige Generationen und die Natur.
    • Besonders hoch ist die Zustimmung dafür, dass Steuereinnahmen für Initiativen zum Klimaschutz, die allgemeine Gesundheitsversorgung und die Stärkung der Arbeitnehmerrechte verwendet werden sollten.

    Auch in der internationalen Klimapolitik gewinnt die Debatte über höhere Steuern für Reiche an Relevanz. Das reichste Prozent verursacht derzeit 16 Prozent der Emissionen und die reichsten zehn Prozent verursachen 50 Prozent. Im April hat sich etwa Entwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD) gemeinsam mit den Finanzministern aus Spanien, Südafrika und Brasilien für eine globale Milliardärssteuer ausgesprochen. Brasilien hat derzeit den Vorsitz der G20 inne. Vom 25. bis 26. Juli treffen sich dort die Finanzminister; zum ersten Mal soll auch über Vermögenssteuern diskutiert werden. lb

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    Hawaii: Wie jungen Klägern eine “historische” Einigung gelang

    Jungen Aktivisten und Aktivistinnen auf Hawaii erreichten Ende der vergangenen Woche nach einer Klimaklage eine wichtige Einigung, nach der das lokale Verkehrsamt jetzt verpflichtend Emissionen reduzieren und sich mit jungen Menschen zu Klimaauswirkungen austauschen muss. Die Washington Post beschreibt, dass die Einigung die weltweit erste sei, in der junge Menschen erfolgreich gegen Verkehrsemissionen klagten.

    Laut der Einigung muss Hawaii innerhalb eines Jahres einen Plan zur Emissionsreduzierung mit Zwischenzielen alle fünf Jahre vorlegen. Innerhalb von 20 Jahren soll der Verkehrssektor vollständig dekarbonisiert werden. Mit dem Plan sollen Transportoptionen für Radfahrer, öffentlichen Nahverkehr und Fußgänger gestärkt und die Infrastruktur für Elektroautos ausgebaut werden.

    In der 2022 eingereichten Klage argumentierten die jungen Kläger, dass Hawaiis Verkehrssystem ihr Recht auf eine “saubere und gesunde Umwelt” verletze. Der jüngste Kläger war damals neun Jahre alt. Die Klage wurde von den Organisationen Our Children’s Trust und Earthjustice unterstützt. Kurz bevor der Fall vor Gericht verhandelt werden sollte, wurde diese Einigung nun bekannt gegeben. kul

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    Hitzewelle: Mehr als 1.300 Pilger sterben bei der Hadsch

    Während der muslimischen Wallfahrt Hadsch in Saudi-Arabien sind nach offiziellen Angaben 1.301 Menschen aufgrund extremer Hitze gestorben. Bei der großen Mehrheit der Toten habe es sich um nicht registrierte Pilger gehandelt, teilte der saudische Gesundheitsminister Fahad Al-Dschaladschel am Sonntagabend mit. “Die unregistrierten Pilger liefen über lange Strecken unter der Sonne ohne Schutz und Pause. Einige von ihnen waren älter und einige andere hatten chronische Krankheiten”, sagte der saudische Gesundheitsminister. In diesem Jahr nahmen rund 1,8 Millionen Pilger am Hadsch teil. Laut einer Schnellanalyse von Climameter gehen die extremen Temperaturen während der Hitzewelle auf den menschengemachten Klimawandel zurück.

    WHO: Extreme Hitze gefährdet Menschen in Gaza

    Derzeit leiden viele weitere Länder und Regionen unter Hitzewellen:

    • In Indien starben in den letzten Wochen über 140 Menschen an den Folgen einer Hitzewelle. Bei über 40.000 Menschen gab es den Verdacht eines Hitzeschlags. Die Temperaturen in Neu-Delhi haben an 38 aufeinanderfolgenden Tagen die Marke von 40 Grad überstiegen.
    • Die Weltgesundheitsorganisation warnte am Freitag, die extreme Hitze im Gazastreifen könnte die Gesundheit der Menschen gefährden. Sie stelle eine weitere Belastung neben dem Krieg dar. Die Hitze gefährde die Wasserversorgung zusätzlich und beschleunige das Verfaulen der ohnehin knappen Lebensmittel.
    • Auch die Staaten der Ostküste der USA kämpfen seit einigen Tagen mit extremer Hitze. Rund 100 Millionen Menschen waren betroffen.
    • In Portugal und Griechenland kam es aufgrund der Hitze zu Waldbränden. Auf den griechischen Inseln starben sechs Touristen in Folge der Hitze. In Montenegro, Bosnien, Albanien und Teilen Kroatiens kam es durch die Hitze und den steigenden Stromverbrauch zu Stromausfällen. nib/dpa/rtr
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    Gasnetze: Was bei einem Rückbau wichtig ist

    In einem Kommentar für die Fachzeitschrift One Earth haben Energieökonomin Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) und Jan Rosenow von der NGO Regulatory Assistance Project (RAP) fünf Ideen skizziert, was mit den Gasnetzen passieren muss, wenn die Nutzung von Erdgas in Europa abnimmt. Nach den Prognosen der Wissenschaftler wird der Bedarf von Erdgas bis 2050 um bis zu 70 Prozent zurückgehen. Ohne begleitende politische Maßnahmen könnten sich die Netzentgelte in Deutschland in den nächsten 16 Jahren verfünffachen. 

    Kemfert und Rudow schlagen fünf politische Maßnahmen vor, um die Nutzung der Gasnetze auf die sinkende Nachfrage vorzubereiten:

    • Eine langfristige und umfassende Planung der Regulierungsbehörden für Gas, Strom und Wärme in den Kommunen. So kann die sinkende Nachfrage der Gasnetze mit der steigenden Nachfrage von Stromnetzen zusammengedacht werden. Netzbetreiber könnten dazu angeregt werden, die erforderliche Infrastruktur zu schaffen und gleichzeitig unnötige Ausgaben für zukünftige Infrastruktur vermeiden.
    • Die Investitionskosten der Gasnetze sollen kurzfristiger refinanziert werden, damit die Netze bis zur Klimaneutralität finanziert und die Kosten für die Verbraucher fairer aufgeteilt sind.
    • Es sollen Schwellenwerte und Kriterien für den Rückbau der Gasnetze definiert werden, ab denen der Netzbetreiber Kunden nicht mehr versorgt oder ganz vom Netz trennen kann. So können hohe Netzkosten für Verbraucher vermieden werden.
    • Neue Investitionen in Gasnetze sollen sorgfältig geprüft werden, um sicherzustellen, dass sie wirklich gebraucht und am Ende nicht doch zu einem Stranded Asset werden.
    • Es braucht ein gründliches Verständnis der Kosten für die Stilllegung von Gasnetzen, damit Geld dafür eingeplant werden kann. Momentan gibt es keine finanziellen Mittel dafür. In Deutschland könnten Kosten von bis zu 24,6 Milliarden Euro anfallen. Außerdem sollte Deutschland wie in Dänemark die Gebühren der Verbraucher übernehmen, wenn Gasnetze stillgelegt werden.

    Einen Plan für den Rückbau der bestehenden Netze gebe es noch nicht. “Es muss früh damit begonnen werden, das Erdgasnetz abzuschreiben und die schrittweise Stilllegung zu organisieren, um Stranded Assets und gigantische Kostensteigerungen für die verbleibenden Kunden zu vermeiden”, sagt Claudia Kemfert vom DIW. In Deutschland liegen insgesamt über 511.000 Kilometer Gastransportleitungen, die laut den Wissenschaftlern zu Stranded Assets werden können. seh

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    Saudi-Arabien: Wie der Staat mit fossilen Gaskraftwerken Emissionen reduzieren will

    Siemens Energy hat aus Saudi-Arabien einen Kraftwerksauftrag über 1,4 Milliarden Euro erhalten. Der Konzern soll dort zwei sehr große Gas- und Dampfturbinen-Kraftwerke bauen, die fast vier Gigawatt Strom liefern. Taiba 2 und Qassim 2 werden laut Siemens Energy die “weltweit größten, modernsten und effizientesten Gas- und Dampfturbinen-Kraftwerke”.

    Die Anlagen sollen teilweise mit Schweröl befeuerte Kraftwerke ersetzen und bis zu 60 Prozent CO₂ einsparen. Zum Vertrag gehöre auch ein Wartungsvertrag über 25 Jahre, teilte Siemens Energy am Montag mit. Vertragspartner und Generalunternehmer ist die China Energy International Group. Zusätzlich wolle der Wüstenstaat mittelfristig noch CCS-Anlagen bauen, um klimaneutrale Energieversorgung zu ermöglichen.

    Der Climate Action Tracker bewertet Saudi-Arabiens Klimapolitik als “kritisch unzureichend”. Das Land habe bisher keine Maßnahmen ergriffen, die seine fossile Abhängigkeit senken. In seinem Klimaziel (NDC) hat sich das Land zum Ziel gesetzt, bis 2030 50 Prozent des Stroms aus Erneuerbaren zu produzieren. Davon ist das Land weit entfernt: 2020 produzierte es gerade einmal 0,3 Prozent seiner Elektrizität erneuerbar. Netto-Null will das Land erst im Jahr 2060 erreichen. dpa/kul

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    Erderhitzung: Frauen brauchen mehr Zeit zum Wasserholen

    In Folge des Klimawandelns könnte die Zeit, die Frauen verwenden, um Trinkwasser zu beschaffen, bis zu 30 Prozent steigen. Der Grund: Steigende Temperaturen verändern die Niederschlagsmuster, sodass weniger Wasser verfügbar ist und auch Quellen weniger werden. Außerdem wird der Weg zu Wasserquellen aufgrund von Hitzestress unangenehmer und die Frauen brauchen mehr Zeit, weil die Wege länger werden.

    Das ist das Ergebnis einer neuen Studie des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK), die im Nature Climate Change veröffentlicht wurde. Aufgrund höherer Temperaturen könnte sich in Regionen Südamerikas und Südostasiens der Zeitaufwand für das Wasserholen bis 2050 sogar verdoppeln. Dadurch geht für die Frauen auch Arbeitszeit verloren. Nach Berechnungen des PIK könnten bei einem Szenario mit hohen Emissionen Kosten von bis zu hundert Millionen US-Dollar pro Land und Jahr entstehen.

    Rund zwei Milliarden Menschen auf der Welt haben keinen direkten Zugang zu sauberen Trinkwasser. In der Regel sind es Frauen, die dafür verantwortlich sind, Trinkwasser zu holen. Die Studie beleuchtet eine geschlechterspezifische Dimension der Folgen des Klimawandels: “Die Ergebnisse zeigen, wie stark sich der Klimawandel auf das Wohlbefinden von Frauen auswirken wird. Durch längere Wasserholzeiten verlieren sie Zeit für Bildung, Arbeit und Freizeit“, sagt Leonie Wenz, Koautorin und PIK-Forscherin. Der Anstieg könnte um 19 Prozent reduziert werden, wenn die globale Erwärmung unter zwei Grad Celsius gehalten wird. Von 1990 bis 2019 brauchten Frauen weltweit täglich 22,84 Minuten zum Wasserholen. Dabei reicht die Spanne von vier Minuten in Teilen Indonesiens bis zu 110 Minuten in Regionen in Äthiopien. seh

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    Energiewende: Warum die Versicherungsbranche eine entscheidende Rolle spielen wird

    Bis 2030 wird in den Bereichen Energie, Straßenverkehr und Bauwesen ein neuer Versicherungsschutz in Höhe von mindestens zehn Billionen US-Dollar erforderlich – insbesondere für große Infrastrukturprojekte wie Offshore-Windparks und Solarparks sowie die Isolierung von Gebäuden. Zu diesem Schluss kommen laut Financial Times der Versicherungsmakler Howden und die Boston Consulting Group in einem aktuellen Bericht.

    Demnach seien weltweit 19 Milliarden US-Dollar an Investitionen in die Energiewende zugesagt. Für mehr als die Hälfte davon werde ein Versicherungsschutz entscheidend sein. Das setze die Branche unter “beispiellosen strukturellen Druck”. Viele Versicherer böten zwar bereits zusätzlichen Schutz für wasserstoffbetriebene und elektrische Fahrzeuge, Offshore-Windkraftanlagen oder Hybridbaustoffe. Zudem planten sie eine Ausweitung auf neuere Technologien.

    Doch die Versicherungsunternehmen müssten abwägen, wie viele neue Risiken sie in Bereichen eingehen, in denen es an Daten über mögliche Verluste mangelt. Der Druck erhöhe sich auch durch Naturkatastrophen, die im Klimawandel stärker werden und Infrastruktur zerstören. Zudem sei bis 2030 kaum mit zusätzlich freien Kapazitäten für grüne Projekte zu rechnen, da die Versicherungsleistungen für fossile Projekte nur leicht sinken werden. asc

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    Die entscheidenden Köpfe der Klima-Szene – Beratung

    Johan Rockström Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK), Professor für Erdsystemwissenschaften an der Uni Potsdam

    Johan Rockström wurde mit gutem Grund in diesem Jahr mit dem “Tyler Prize for Environmental Achievement” ausgezeichnet, dem inoffiziellen “Nobelpreis für Umwelt”: Der Schwede ist einer der einflussreichsten Vordenker und Berater in der internationalen Klima- und Nachhaltigkeitspolitik. Der ehemalige Chef des Stockholm Environment Institute leitet seit 2018 mit dem Klimaökonomen Ottmar Edenhofer als wissenschaftlicher Direktor das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK). Vor allem sein Konzept der “planetaren Grenzen” von 2009 hat großen Widerhall gefunden. Der studierte Bodenkundler und Hydrologe beschreibt das Erdsystem in seine Belastungen, er warnt vor Kipppunkten im Klima- und Natursystem. Rockström liest Politik und Wirtschaft regelmäßig auf Podien wie dem Weltwirtschaftsforum in Davos oder auf COPs wissenschaftlich fundiert die Leviten.

    Christiane Textor – Leiterin der deutschen IPCC-Koordinierungsstelle

    Christiane Textor sitzt führend an der wichtigsten deutschen Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Politik in Fragen des Klimawandels. Als Leiterin der IPCC-Koordinierungsstelle nimmt die promovierte Atmosphärenwissenschaftlerin intensiv an den technischen Verhandlungen im Weltklimarat teil und ist gleichzeitig Ansprechpartnerin für Medien und Öffentlichkeit. Sie vertritt Deutschland seit Jahren in den IPCC-Prozessen und ist mit den Details der umfassenden IPCC-Berichte bestens vertraut. Textor berät aber auch das Auswärtige Amt und das Bundesforschungsministerium, also die politische Seite des IPCC, das Expertise aus Wissenschaft und aus Politik zusammenführt. Als Mitglied der deutschen Delegation bei den Klimaverhandlungen stimmt sie deutsche und europäische Positionen etwa zum Global Stocktake ab und bringt diese in die Verhandlungen ein.

    Roda VerheyenPartnerin, Rechtsanwälte Günther

    Roda Verheyen ist Juristin geworden, um sich möglichst wirkungsvoll für die Umwelt einzusetzen. Bekannt wurde sie durch zwei Klimaklagen: Im ersten, noch laufenden Fall verlangt sie von RWE eine finanzielle Beteiligung an Folgekosten des Klimawandels in Peru. Die zweite Klage – gemeinsam mit weiteren Verfassungsbeschwerden – führte zum Klimabeschluss des Bundesverfassungsgerichts 2021. Derzeit klagt Verheyen mit Greenpeace gegen die Entscheidung der EU-Kommission, Gas und Atomkraft als nachhaltig einzustufen. Sie ist Partnerin der Hamburger Umweltkanzlei Günther und ehrenamtliche Richterin am Hamburger Verfassungsgericht, hat das internationale Netzwerk “Climate Justice Programme” mitbegründet und sitzt im Vorstand des Vereins Green Legal Impact Germany.

    Remo Klinger – Partner, Geulen & Klinger

    Remo Klinger ist der juristische Kopf hinter den Klimaklagen der Deutschen Umwelthilfe (DUH). Er hat vor Gericht die Dieselfahrverbote erstritten und war an zwei der vier Verfassungsbeschwerden beteiligt, die 2021 zum bahnbrechenden Klimabeschluss des Bundesverfassungsgerichts führten. Seither hat er mit der DUH weitere Verfahren für eine ehrgeizigere deutsche Klimapolitik gewonnen. Klinger ist Partner der auf Öffentliches Recht spezialisierten Berliner Kanzlei Geulen & Klinger, Honorarprofessor der Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde, Mitherausgeber und Redaktionsmitglied der Zeitschrift für Umweltrecht sowie Mitglied des Gesetzgebungsausschusses für Umweltrecht des Deutschen Anwaltvereins e. V.

    Wolfgang Blau – Managing Partner, Climate Hub, Brunswick

    Wolfgang Blau ist Klima-Kommunikator durch und durch: Seit Jahren trommelt der Publizist für einen besseren Klimajournalismus – genauer gesagt: dafür, dass die Klimakrise über alle Ressorts und Themenbereiche hinweg die Aufmerksamkeit bekommt, die ihr gebührt. Jede Geschichte ist eine Klimageschichte, so der Gedanke. Bei der Unternehmensberatung Brunswick hilft Blau Firmen, sich auf die Folgen der Erderwärmung einzustellen. 2021 hat er das Climate Journalism Network der University of Oxford mitbegründet, zuvor hatte er Führungspositionen bei Condé Nast und dem britischen Guardian inne und war Chefredakteur von Zeit Online.

    Cory Combs

    Cory Combs – Stellvertretender Direktor, Trivium China

    Als Analyst bei der Beratungsfirma Trivium China gehört Cory Combs zu den versiertesten Experten zu Chinas Klima- und Energiepolitik. Er produziert den Newsletter Trivium China Net Zero und informiert darin über neue Regulierungen, Gesetzesvorhaben und die wirtschaftlichen Herausforderungen Chinas bei der Energiewende. Zu seinen Schwerpunkten gehört die Energiewende, die Dekarbonisierung von Chinas Industrie und Rohstofffragen. Combs berät Unternehmen, Investoren und politische Entscheidungsträger zu regulatorischen Veränderungen und politischen Entwicklungen in China.

    Katharine Hayhoe – Professorin, Texas Tech University

    Katharine Hayhoe ist eine der wichtigsten Klimawandel-Kommunikatorin. Die Kanadierin sieht sich immer wieder mit Klimawandel-Leugnern konfrontiert. Viele Gläubige und Politiker in den USA zweifeln ihre Forschung an. Davon ließ sich die Klimawissenschaftlerin und evangelikale Christin nicht abschrecken, im Gegenteil: Im Fernsehen und bei TED Talks spricht sie unermüdlich gegen Mythen zur Klimakrise und setzt sich für die Vereinbarkeit von Glaube und Wissenschaft ein. 2021 trat Hayhoe als leitende Wissenschaftlerin in die Naturschutzorganisation Nature Conservancy ein.

    Jim Skea – Vorsitzender, IPCC

    Der Schotte ist seit Juli 2023 Chef des Weltklimarats (Intergovernmental Panel on Climate Change, IPCC), dem wichtigsten wissenschaftlichen Gremium für die internationalen Klimaverhandlungen. Er leitet damit den 7. Sachstandszyklus des Gremiums und wird den Vorsitz bis zum 7. Sachstandsbericht innehaben. Skeas Stimme hat großes Gewicht, das sich sogar COP-Präsidenten zunutze machen. Als Sultan Al Jaber sich Vorwürfen der Wissenschaftsfeindlichkeit gegenüber sah, setzte er sich gemeinsam mit Skea in Dubai auf das Podium einer Pressekonferenz und ließ seine Aussagen vom IPCC-Chef persönlich verifizieren.

    Frank Peter

    Frank Peter – Direktor, Agora Industrie

    Als Direktor von Agora Industrie ist Frank Peter einer der wichtigsten Berater der Bundesregierung bei der Transformation der Industrie. Zu seinen Arbeitsschwerpunkten gehören der Umbau der Stahl-, Zement und Chemieindustrie, der Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft und politische Maßnahmen wie die Klimaschutzverträge, die Carbon Management Strategie oder Maßnahmen zur Senkung des industriellen Strompreises. Peter koordiniert das 30-köpfige Industrie-Team des Thinktanks. Vor seiner Zeit bei Agora war er zwölf Jahre bei dem Wirtschaftsforschungsunternehmen Prognos.

    Claudia Kemfert

    Claudie Kemfert – Abteilungsleiterin Energie, Verkehr und Umwelt Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung

    Claudia Kemfert leitet die Abteilung Energie, Verkehr und Umwelt am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) und ist Professorin für Energiewirtschaft und Energiepolitik an der Leuphana Universität Lüneburg. Die deutsche Wirtschaftswissenschaftlerin und Autorin ist seit 2016 Co-Vorsitzende des Sachverständigenrats für Umweltfragen (SRU) und auch als Gutachterin und Politikberaterin tätig. In Brüssel hat sie etwa den früheren EU-Kommissionspräsidenten José Manuel Barroso beraten. Für den MDR spricht sie in “Kemferts Klima-Podcast” alle zwei Wochen über Klima- und Energiethemen. Immer wieder ist sie Diffamierungskampagnen und Hetze ausgesetzt – ein zunehmendes Problem für Klimaforschende, die sich in der Öffentlichkeit deutlicher positionieren. Kemfert lebt in Oldenburg und Berlin und ist verheiratet. 1968 ist sie in Delmenhorst geboren und so heißt auch ihr Lieblingslied der Rockband “Element of Crime”.

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