zum Start der zweiten COP-Woche drängt sich der Eindruck auf: je stockender die Verhandlungen, desto wilder die Gerüchteküche. Am Montag hieß es, vom G20-Gipfel seien größere Entwicklungen bei der Transparenz der Klimafinanzflüsse und der Ausweitung der Geberbasis zu vernehmen. Und beim Klimafinanzziel (NCQG) war von einer Verdreifachung der öffentlichen Klimafinanzierung auf 300 Milliarden US-Dollar die Rede. Konkretisiert haben sich die Gerüchte bis Redaktionsschluss noch nicht. Und die Höhe des NCQG wird hier im Stadion in Baku wahrscheinlich erst in der Nachspielzeit beschlossen.
Wirtschaftsminister Robert Habeck hat bei seinem gestrigen COP-Besuch konkrete Zahlen mitgebracht: Deutschland und Großbritannien haben 420 Millionen US-Dollar an neuem Geld für die Dekarbonisierung der Industrie in Partnerländern des Südens zugesagt. Die USA loben sich für Klimafinanzzahlungen von elf Milliarden Dollar – müssten als großer Verschmutzer aber viel mehr bereitstellen, mahnen Kritiker. Zum heutigen Landwirtschafts-Thementag analysiert Lisa Kuner, warum es eine Ernährungswende braucht und weshalb die Weltgemeinschaft dabei viel zu langsam vorankommt.
Etwas Hoffnung verbreitet heute Alexandra Endres. Sie hat sich den Klima-Vorreiter Chile und seine Energiewende genauer angeschaut. Wären alle Staaten so ehrgeizig wie Chile, würde die 2-Grad-Erwärmungsgrenze eingehalten werden.
Wir freuen uns auf die heiße Phase der COP und neue Rekorde bei den Schrittzählern!
Beste Grüße
Einen Beschluss zur “Abkehr vom Überkonsum von Fleisch” forderte am Freitag auf der COP29 die Food & Climate Action Group, ein Bündnis aus mehr als 25 NGOs. In einer Deklaration drängt der Zusammenschluss, der sich für eine weltweite Ernährungswende einsetzt, unter anderem auf Subventionen für emissionsarme Lebensmittel wie Gemüse. Die Abkehr vom Überkonsum von Fleisch könne durch einen Kohlenstoffpreis im Lebensmittelsektor gelingen, etwaige Gewinne daraus sollten zumindest teilweise in den “Loss and Damage”-Fonds investiert werden. Auch Landwirte sollten dabei unterstützt werden, auf pflanzenbasierte Produkte umzustellen.
“Die derzeitigen Lebensmittelsysteme schaden unverhältnismäßig stark indigenen Gemeinschaften und verwundbaren Gruppen im Globalen Süden, wo die Klimaauswirkungen am stärksten sind”, betont Akshath Kaimal von der True Animal Protein Price Coalition (TAPP Coalition). Ernährung und Landwirtschaft spielen auf der COP noch immer eine Nebenrolle; am heutigen Dienstag rücken die Themen mit einem Thementag zu Wasser, Landwirtschaft und Ernährung etwas stärker in den Fokus.
Der Sektor birgt ein großes Potenzial zur Reduktion von Treibhausgasen: Ernährungssysteme sind für ein Drittel der globalen Treibhausgasemissionen verantwortlich. Rund zwei Drittel dieser Emissionen stammen aus der Herstellung tierischer Produkte, während sie nur 19 Prozent der Kalorien und 41 Prozent des Eiweißes der gesamten weltweit hergestellten Nahrungsmittel enthalten. Nur durch eine Umstellung von Ernährungs- und Landwirtschaftssystemen (Agrifood-Systeme) sei es möglich, die globale Erwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen, sagte darum Qu Dongyu, Generaldirektor der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO), auf der COP29.
Aktuell fließen mit rund 4,3 Prozent der internationalen Klimafinanzierung kaum Finanzmittel in Richtung nachhaltiger Landwirtschaft und Ernährung: Die FAO und die Weltbank hatten darum in der vergangenen Woche gefordert, dass Agrifood-Systeme bei den Verhandlungen um ein NCQG eine größere Rolle spielen. Laut der Weltbank braucht es jährlich 260 Milliarden US-Dollar, um die Emissionen im Agrifood-Sektor bis 2030 zu halbieren und bis 2050 Net-Zero zu erreichen.
Der kürzlich veröffentlichte Bericht “The State of Food and Agriculture 2024” der FAO fasst die weltweiten Probleme zusammen: Demnach führen nicht nachhaltige Agrifood-Systeme jedes Jahr zu versteckten Kosten von mehr als elf Billionen US-Dollar; der größte Teil davon entfällt auf den Gesundheitssektor. Gerade in Krisenstaaten gebe es hohe Umweltkosten. Eine Ernährungsumstellung, insbesondere auf diversere Proteinquellen, trage sowohl zur Gesundheit als auch zur Reduktion von Treibhausgasen bei.
Der Bericht schlägt darum vor:
Bisher gab es im Bereich Ernährungssystem im COP-Prozess nur wenig Fortschritte und kaum bindende Entscheidungen. Im vergangenen Jahr wurde in Dubai die “UAE Declaration on Sustainable Agriculture, Resilient Food Systems and Climate Action” vorgestellt. Rund 160 Länder unterzeichneten die freiwillige Initiative und stimmten damit zu, Emissionsreduktionsziele durch Umstellungen im Ernährungssystem in ihre Nationally Determined Contributions (NDCs) aufzunehmen. Die Erklärung sei “im Ansatz zwar progressiv”, meint Felix Domke von der NGO Germanwatch im Gespräch mit Table.Briefings. Es komme aber auf die Umsetzung an.
Bis kommenden Februar haben die Länder Zeit, ihre neuen NDCs einzureichen; es muss sich also erst noch zeigen, ob sich Ernährungssysteme in Zukunft stärker darin widerspiegeln. Erst im Oktober war ein Arbeitspapier des World Resources Institute zu dem Ergebnis gekommen, dass die Ernährungswende in den nationalen Klimazielen oft zu kurz kommt. “Letztes Jahr in Dubai gab es mit dem ersten Thementag zu Ernährung, Landwirtschaft und Wasser einen echten Fortschritt dazu, Ernährung in die Klimakonferenz einzubinden”, meint Juliette Tronchon von der NGO ProVeg im Gespräch mit Table.Briefings. Seitdem habe sich allerdings wenig getan.
Neben dieser nicht verpflichtenden Erklärung gibt es auch einen offiziellen Verhandlungsstrang zu Ernährung, die “Sharm el-Sheikh Joint Work on Implementation of Climate Action on Agriculture and Food Security” (SSJWA), die auf der COP27 in Ägypten ins Leben gerufen wurde. “Auf dieser COP gibt es in Sachen Ernährung wenig Fortschritt“, sagt Tronchon. Das sei aber auch nicht zu erwarten gewesen: Nachdem auf der SB60 ein Fahrplan zur Umsetzung der SSJWA bis zur COP31 (im Wesentlichen bestehend aus Workshops und einem Onlineportal) beschlossen wurde, stehen auf der COP29 keine Verhandlungen dazu auf dem Programm.
Aus der Sicht von Tronchon wäre es wichtig, dass die Ernährungswende in andere Verhandlungsstränge noch stärker aufgenommen wird – aber auch dazu sieht sie bisher kaum Fortschritt. Domke sieht das ähnlich, er denkt auch, dass ein Unterziel für Ernährung und Landwirtschaft innerhalb des aktuell verhandelten internationalen Finanzziels sinnvoll wäre. “Die Bedeutung von Ernährung im COP-Prozess hat in den vergangenen Jahren zwar zugenommen”, meint Domke. “Aber wir sehen eigentlich noch keine Staaten, die ihre Emissionen im Ernährungssystem tatsächlich ganzheitlich und ambitioniert senken.”
Auch beim Catering der diesjährigen COP scheint der Umbau der Ernährungssysteme noch nicht angekommen zu sein: Aktivistinnen und Aktivisten beschweren sich, wie viel Fleisch angeboten wird und dass vegetarische und vegane Alternativen teuer sind. Außerdem sollen Lebensmittel auch fälschlicherweise als vegetarisch oder vegan gelabelt worden sein, obwohl sie Fleisch oder Fisch enthielten.
Bewegung in Richtung Umbau des Ernährungssystems könnte auch aus einer anderen Richtung kommen: Auf dem G20-Gipfel soll eine “Global Alliance Against Hunger” an den Start gehen. Brasilien will in diesem Kontext Ernährungssicherheit und Klimafragen stärker zusammen denken. Das Land müsse dafür sorgen, dass bei der Umsetzung dieses Plans der Transformation der Ernährungssysteme eine Schlüsselrolle zukomme, fordert Germanwatch.
Chile gehört zu den Vorreitern der globalen Klimawende: Der Climate Action Tracker (CAT) stuft die Politik des Landes als “fast ausreichend” ein, um die Pariser Klimaziele zu erreichen. Das heißt: Würden alle Staaten ähnlich viel tun wie Chile, würde zwar das 1,5-Grad-Ziel verfehlt – aber die Erderwärmung könnte bei unter zwei Grad plus aufgehalten werden. Kein anderes Land wurde bisher besser bewertet. Der CAT schätzt, dass die chilenischen Emissionen schon 2021 ihren Höhepunkt erreicht haben, deutlich vor dem angestrebten Peak im Jahr 2025.
Oberflächlich betrachtet steckt hinter dem Erfolg vor allem der ambitionierte und zuletzt beschleunigte Ausbau der Wind- und Solarenergie. Doch Chiles Ehrgeiz reicht weiter: Klimapolitik und Dekarbonisierung gelten in Chile als “Política de Estado”: als Staatspolitik, die das Land unabhängig von der jeweils aktuellen Regierung verfolgt. Beispielsweise geht Chiles Strategie für grünen Wasserstoff auf den früheren Präsidenten Sebastián Piñera zurück und wurde von der derzeitigen Regierung unter Präsident Gabriel Boric konkretisiert.
Der CAT bewertet positiv, dass der Kohleausstieg bisher schneller vorangehe als erwartet. Chile plant den Ausbau von Elektromobilität und Wasserstoff. In seinem Klimaziel (NDC) verknüpft es Biodiversitäts- und Klimaschutz; seine Landschaften gelten historisch als CO₂-Senke.
Die Regierung setzt klar auf wirtschaftliche Vorteile durch die Klimapolitik: Die Dekarbonisierung könnte die Wirtschaftsleistung bis 2050 um bis zu 4,4 Prozent erhöhen, sagt die Umweltministerin Maisa Rojas im Gespräch mit Table.Briefings. Dabei legt sie großen Wert auf eine “gerechte Transition”, also die Schaffung neuer Jobs, Investitionen in saubere Technologien und die Beteiligung der vom Kohleausstieg betroffenen Gemeinden. Klimapolitik soll konkrete soziale Verbesserungen bringen, beispielsweise indem Elektrobusse und Wärmepumpen für bessere Luftqualität sorgen und Solarpaneele auf den Dächern die Energiearmut bekämpfen.
Derzeit erbringen laut der Internationalen Energieagentur (IEA) Wind und Sonne etwas mehr als 31 Prozent der chilenischen Stromproduktion. Zum Vergleich: In Deutschland liegt der Anteil der Fossilen mit 44,6 Prozent deutlich höher. Für die gesamte Energieversorgung Chiles spielen fossile Energien zwar eine größere Rolle, aber auch hier schneidet das Land aus Klimasicht besser ab als Deutschland.
Chile habe “eine weltweit führende Rolle im Bereich der sauberen Energie übernommen”, schreibt die IEA, “und sich zu einem erstklassigen Standort für Entwickler von Solar- und Windenergie entwickelt”. Ein Grund dafür: In der Atacama-Wüste im Norden und der Steppe Patagoniens im Süden des Landes herrschen beste Bedingungen für Solar und Wind.
Zugleich verfügt Chile kaum über eigene fossile Energievorkommen. Daraus ergibt sich eine Abhängigkeit von fossilen Importen, die das Land in vergangenen Energiekrisen bereits schmerzhaft spürte. Erneuerbare hätten Chile die Chance auf eine größere Unabhängigkeit geboten – ein wichtiger Grund für die ehrgeizige Klimapolitik, wie Ministerin Rojas sagt.
Chile ist auch anfällig für die Auswirkungen der Klimakrise – ein weiterer Anreiz für die ambitionierte Dekarbonisierungspolitik, schreiben die beiden Klimaforscher Michael Jakob und Jan C. Steckel in ihrem Buch “The Political Economy of Coal”.
Laut Jakob und Steckel spielt daneben der liberalisierte Energiemarkt Chiles für den schnellen Ausbau der Erneuerbaren eine zentrale Rolle: Er habe ermöglicht, schmutzige Kohle schnell und kostengünstig durch klimafreundlichere Energiequellen wie Erneuerbare – aber auch durch Gas – zu ersetzen. In Chiles Verfassung, die noch auf die Pinochet-Diktatur zurückgeht, ist die Marktorientierung der Wirtschaft festgeschrieben.
Die Regierung hat lediglich die Aufgabe, den Wettbewerb zu fördern. Erneuerbare Energien werden in Chile nicht staatlich subventioniert – allerdings gibt es sehr wohl Steuererleichterungen für fossile Energieträger, etwa für Diesel, der als Lkw-Treibstoff oder im Bergbau verwendet wird.
Doch trotz der klaren Marktorientierung: Ohne eine entschiedene Politik hätte die chilenische Energiewende so wohl nicht funktioniert. Der Staat schaffe gute Bedingungen für die Energiewende, urteilt die IEA. Sein Handeln habe “dazu beigetragen, die Projektentwicklung anzukurbeln”.
Chilenische Fachleute sagen, vor etwa zehn Jahren habe der damalige Energieminister Máximo Pacheco die Basis für den Erfolg geschaffen. Pacheco habe alle wichtigen Akteure an einen Tisch geholt, um dem Energiemarkt eine Richtung zu geben, erinnert sich etwa Alex Santander, Abteilungsleiter für strategische Planung im chilenischen Energieministerium, im Gespräch mit Table.Briefings. “Dieser Sektor bewegt sehr viele Ressourcen”, sagt Santander. “Und es gibt viele verschiedene, manchmal widerstreitende Interessen. Denkt man aber langfristig und positioniert Chile als ein Land, das sich klar für erneuerbare Energien öffnet, dann stehen alle dahinter.” Das sei Pacheco gelungen.
Dennoch könnte Chile sein 2030er NDC verpassen. Dieses sieht vor, die Netto-Emissionen bis 2030 um 45 Prozent unter den Stand von 2016 zu senken, doch laut CAT geht der Treibhausgasausstoß in Industrie, Landwirtschaft, Abfallsektor und Verkehr dafür zu langsam zurück. Eine weitere Gefahr: Stillgelegte Kohlekraftwerke könnten durch Gaskraftwerke ersetzt werden – Chiles Regierung sieht fossiles Gas trotz seiner Klimawirkung als “Übergangsbrennstoff”.
Derzeit werde darüber nachgedacht, den Kohleausstieg vorzuziehen, sagt Santander. “Aber dafür müssen bestimmte Bedingungen erfüllt sein” – beispielsweise müssten die Strompreise bezahlbar bleiben: “Unsere Wettbewerbsfähigkeit als Land hängt von den Energiepreisen ab.” Zudem müssten die Netze in der Lage sein, eine sichere Energieversorgung zu gewährleisten. Dafür treibt die Regierung nun den Ausbau der Leitungen und Stromspeicher und die Digitalisierung der Netze voran. Doch in einem schmalen, mehr als 4.000 Kilometer langen Land wie Chile, wo wichtige Leitungen teils mehrere Verwaltungsbezirke und hunderte Kommunen durchqueren, ist das eine komplexe Aufgabe.
Eine weitere Herausforderung ist der Ausbau der grünen Wasserstoffproduktion. Chile will der wettbewerbsfähigste Produzent weltweit werden und wirbt dafür um internationale Investitionen – doch bislang sind nur vereinzelte Projekte operativ. Dabei soll der grüne Wasserstoff 2050, wenn Chile sich vollständig klimaneutral mit Energie versorgen will, laut Santander rund 20 Prozent des Bedarfs decken.
Etwa die Hälfte solle dann direkt aus erneuerbaren Energien kommen – die Fossilen würden immer noch rund 30 Prozent beisteuern. Chile setzt darauf, dass seine natürlichen Senken dann deren Emissionen vollständig ausgleichen. Auch von ihnen wird abhängen, ob das Land seine Klimaziele erreicht.
(Die Recherche in Chile wurde unterstützt durch Internationale Journalistenprogramme (IJP))
19. November, 10 Uhr, Special Event Room Nasimi
Action on Water: Water solutions for climate actions
Auf dem Event diskutieren verschiedene Akteure über die Rolle von Wasser bei der Einhaltung des Pariser Klimaabkommens. Infos
19. November, 13.30 Uhr, UN Climate Change Pavilion/Online
Diskussion Building Climate Resilient Food Systems through Global Partnerships Infos
19. November, 14 Uhr, Deutscher Pavilion
Diskussion Accelerating change for 1.5°: Climate solution made in Germany
Auf der Veranstaltung werden Best-Practice-Beispiele für Klimainnovation aus deutschen und internationalen Unternehmen vorgestellt, Chancen diskutiert und Hebel zur Beschleunigung der grünen Transformation aufgezeigt. Infos
19. November, 16.45 Uhr, Side Event Room 6
Diskussion Transforming Urban Mobility: Leveraging NDCs for Sustainable Transport and Climate Action
Auf dem Event wird darüber diskutiert, wie Ziele für nachhaltigen Transport in den NDCs festgehalten werden können. Infos
Gemeinsam mit dem Weltverband für Zement und Beton (GCCA) hat Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck am Montag in Baku erstmals Standards für CO₂-armen Zement und Beton vorgestellt. Dieser Schritt ist Teil der Bemühungen, innerhalb des Klimaclubs die Dekarbonisierung bestimmter Industriesektoren voranzutreiben.
Die Zement- und Betonindustrie verursacht derzeit rund sieben Prozent der weltweiten CO₂-Emissionen. Es ist das erste Mal, dass eine Schwerindustrie konkrete Pläne für deren Dekarbonisierung vorlegt.
Grundlage für die Standards für grünen Zement sind IEA-Vorgaben, die Emissionsklassen von “nahe Null” bis “hoch” festlegen und dabei auf den Klinkeranteil eingehen. Klinker ist das Bindemittel von Zement, das für die Festigkeit des Materials sorgt. Für die Herstellung des Klinkerzements sind jedoch sehr hohe Temperaturen nötig, weshalb er als besonders emissionsintensiv gilt. Die nun vorgeschlagenen Standards sehen vor:
Als Standard für das Endprodukt Beton soll gelten:
Um die Dekarbonisierung der Zementindustrie und anderer schwerindustrieller Sektoren in Schwellen- und Entwicklungsländern voranzutreiben, kündigten Deutschland, Großbritannien, Kanada und die Klimainvestitionsfonds (CIF) am Montag insgesamt 1,3 Milliarden US-Dollar an Unterstützung an:
300 Millionen US-Dollar sollen dabei für technische Hilfe zur Umstellung auf saubere Energiequellen bereitgestellt werden. Der Wirtschaftsminister machte in Baku deutlich, dass man durch diese Initiative auch ein Signal in die Verhandlungsräume auf der COP29 senden wolle. “Die Industrieländer stehen zu ihrer Klimafinanzierung, gleichzeitig holen wir mehr private Investoren und Geldgeber ins Boot und verbreitern die Geberbasis”, sagte Habeck am Montag. luk
Am Beginn der zweiten Konferenzwoche wird klarer, welche Planungen die aserbaidschanische Präsidentschaft verfolgt – aber auch, wie begrenzt ihr Einfluss dabei ist. COP-Präsident Mukhtar Babajew stellte am Montag im Plenum der Konferenz seine Schritte vor, wie nun verhandelt werden soll. Dabei setzt er vor allem auf folgende Punkte:
Gleichzeitig blickt Baku gespannt nach Rio de Janeiro zum G20-Gipfel. Viele erwarten ein deutliches Signal für Fortschritt von dem Treffen der Staats- und Regierungschefs. Ob das gerechtfertigt ist, bleibt abzuwarten. Der Entwurf einer Abschlusserklärung, die Table.Briefings einsehen konnte, verspricht jedenfalls noch keine weitreichenden Signale.
Die COP29 wartet also auf die endgültige Erklärung am späten Dienstag. Dann wird sich zeigen, ob sie positiven Schwung in Baku bringen kann. bpo
Die USA haben im Jahr 2024 über elf Milliarden US-Dollar für die internationale Klimafinanzierung bereitgestellt. Das gab die US-Administration vor dem G20-Gipfel in Rio de Janeiro bekannt. Die USA seien damit der weltweit größte bilaterale Geber, so ein Statement der Regierung. Im Jahr 2021 lagen die US-Ausgaben für die Klimafinanzierung nach eigenen Angaben noch bei 1,5 Milliarden US-Dollar. Drei Milliarden US-Dollar würden demnach in die Anpassung an die Folgen des Klimawandels fließen. Das Ziel der Versechsfachung dieser Zahlungen wurde somit erreicht. Die Biden-Administration gab zudem bekannt, 50 Millionen US-Dollar für den Amazonas-Fonds bereitzustellen, der sich gegen die Abholzung des Regenwalds einsetzt.
Obwohl die USA mittlerweile der größte Geber sind, müssten sie, gemessen an ihrem Wohlstand und der historischen Verantwortung für die Klimakrise, viel mehr zur internationalen Klimafinanzierung beitragen, wie Thinktanks berechnet haben. Demnach hätten die USA – je nach Wahl der Beitragskriterien – zwischen rund 45 und 60 Prozent zum 100-Milliarden-Ziel beitragen müssen. nib
Die Biden-Regierung in den USA erwägt, bei den aktuellen OECD-Verhandlungen einen letzten Vorstoß für ein internationales Abkommen zur Einschränkung von finanzieller Unterstützung von ausländischen Gas- und Ölprojekten zu machen. Am Wochenende sei die Verhandlungsposition der USA aber nicht abschließend geklärt gewesen, berichtet Bloomberg.
Zur Debatte steht ein Vorschlag der europäischen Staaten, das bereits existierende Verbot der Unterstützung von Exportkreditagenturen für Kohlekraftwerke ohne CO₂-Abscheidung auszuweiten. Nach dem Vorschlag der Europäischen Union wären Finanzierungen durch Exportkreditagenturen, wie zum Beispiel Darlehen und Garantien, für die meisten Öl- und Gasprojekte tabu. Unstimmigkeiten in den USA hatten dafür gesorgt, dass der Vorschlag im vergangenen Jahr innerhalb der OECD blockiert wurde. Eine angenommene OECD-Entscheidung dazu könnte auch von der kommenden Regierung unter Donald Trump nicht gekippt werden. kul
FAZ: Fracking-Experte wird Energieminister. Der künftige US-Präsident Donald Trump will Chris Wright zu seinem Energieminister machen. Wright ist Fracking-Spezialist und gründete mehrere Unternehmen, die der Technologie in den USA zum Durchbruch verhalfen. Zum Artikel
New York Times: Klimafonds nimmt Arbeit auf. Der UN-Klimagipfel in Aserbaidschan hat den Weg für Hilfszahlungen an einkommensschwache Länder geebnet. Nach jahrzehntelangem Widerstand einigten sich die wohlhabenden Länder auf dem Klimagipfel 2022 auf die Einrichtung eines Fonds. Nun hat der Fonds einen Leiter und plant, im nächsten Jahr mit der Auszahlung der Gelder zu beginnen. Zum Artikel
NTV: Biden besucht Amazonas. Kurz vor dem Machtwechsel in Washington setzt der scheidende US-Präsident Joe Biden ein Zeichen im Kampf gegen die Klimakrise, indem er das brasilianische Amazonas-Gebiet besucht. Biden ist der erste amtierende US-Präsident, der diese Region besucht. Zum Artikel
Tagesschau: Wald soll diverser werden. Künftig sollen nach Ansicht von Wissenschaftlern in Deutschland Fichten mit polnischen Vorfahren und Buchen mit Vorfahren aus Südfrankreich gepflanzt werden. Diese Bäume seien besser an das künftige Klima in Deutschland angepasst und könnten helfen, die Resilienz des Waldes vor den Folgen des Klimawandels zu erhöhen. Zum Artikel
Guardian: Vorwürfe gegen Australien. Ralph Regenvanu, der Sondergesandte für Klimawandel des Inselstaats Vanuatu, wirft Australien vor, bei der Weltklimakonferenz in Baku nicht ehrlich aufzutreten. Das Land präsentiere seine Klimaschutzmaßnahmen, sei aber der weltweit drittgrößte Exporteur von fossilen Brennstoffen und plane eine massive Ausweitung der Gasförderung. Zum Artikel
Die größte Kritik an der COP29 (wie bei jeder COP) ist: Hier bewegt sich nichts. Oder zumindest zu wenig. Das stimmt. Aber nicht für uns. Denn zumindest wir Journalistinnen und Journalisten sind die ganze Zeit auf Achse: Richtung Pressezentrum, Plenum, Delegationsbüros, Veranstaltungen, Demonstrationen, Länderpavillons, Toiletten. In den Verhandlungssälen mag Stillstand herrschen, draußen qualmen die Socken. Daran haben wir am Montag, dem offiziellen “Health Day”, gedacht.
Denn die COP ist ein großes Gesundheitsprogramm. Das sagt uns zumindest mein Fitness-Tracker im Smartphone. Er belohnt uns Konferenzbesucher mit Lob, weil wir hier nicht stillsitzen: 9,2 Kilometer am Tag im Schnitt über die letzte Woche, über 13.000 Schritte am Tag. Zu Hause wäre das ein aktiver Tag. Hier ist es Alltag. Denn wir sind Teil der Klima-Bewegung.
Erfahrene Verhandlerinnen und Verhandler wissen: Das Wichtigste auf einer COP sind bequeme Schuhe. Dann sind auch die täglichen Viertelmarathons locker zu schaffen. Jeder COP-Tag ist Health Day! Es sei denn, das Smartphone zählt auch die anderen Vital-Parameter dazu: den Schlafmangel, den Stress, die Hektik, den Frust, das schlechte Essen. Dann fühlt sich das schon anders an als zwei Wochen Wellness. bpo
zum Start der zweiten COP-Woche drängt sich der Eindruck auf: je stockender die Verhandlungen, desto wilder die Gerüchteküche. Am Montag hieß es, vom G20-Gipfel seien größere Entwicklungen bei der Transparenz der Klimafinanzflüsse und der Ausweitung der Geberbasis zu vernehmen. Und beim Klimafinanzziel (NCQG) war von einer Verdreifachung der öffentlichen Klimafinanzierung auf 300 Milliarden US-Dollar die Rede. Konkretisiert haben sich die Gerüchte bis Redaktionsschluss noch nicht. Und die Höhe des NCQG wird hier im Stadion in Baku wahrscheinlich erst in der Nachspielzeit beschlossen.
Wirtschaftsminister Robert Habeck hat bei seinem gestrigen COP-Besuch konkrete Zahlen mitgebracht: Deutschland und Großbritannien haben 420 Millionen US-Dollar an neuem Geld für die Dekarbonisierung der Industrie in Partnerländern des Südens zugesagt. Die USA loben sich für Klimafinanzzahlungen von elf Milliarden Dollar – müssten als großer Verschmutzer aber viel mehr bereitstellen, mahnen Kritiker. Zum heutigen Landwirtschafts-Thementag analysiert Lisa Kuner, warum es eine Ernährungswende braucht und weshalb die Weltgemeinschaft dabei viel zu langsam vorankommt.
Etwas Hoffnung verbreitet heute Alexandra Endres. Sie hat sich den Klima-Vorreiter Chile und seine Energiewende genauer angeschaut. Wären alle Staaten so ehrgeizig wie Chile, würde die 2-Grad-Erwärmungsgrenze eingehalten werden.
Wir freuen uns auf die heiße Phase der COP und neue Rekorde bei den Schrittzählern!
Beste Grüße
Einen Beschluss zur “Abkehr vom Überkonsum von Fleisch” forderte am Freitag auf der COP29 die Food & Climate Action Group, ein Bündnis aus mehr als 25 NGOs. In einer Deklaration drängt der Zusammenschluss, der sich für eine weltweite Ernährungswende einsetzt, unter anderem auf Subventionen für emissionsarme Lebensmittel wie Gemüse. Die Abkehr vom Überkonsum von Fleisch könne durch einen Kohlenstoffpreis im Lebensmittelsektor gelingen, etwaige Gewinne daraus sollten zumindest teilweise in den “Loss and Damage”-Fonds investiert werden. Auch Landwirte sollten dabei unterstützt werden, auf pflanzenbasierte Produkte umzustellen.
“Die derzeitigen Lebensmittelsysteme schaden unverhältnismäßig stark indigenen Gemeinschaften und verwundbaren Gruppen im Globalen Süden, wo die Klimaauswirkungen am stärksten sind”, betont Akshath Kaimal von der True Animal Protein Price Coalition (TAPP Coalition). Ernährung und Landwirtschaft spielen auf der COP noch immer eine Nebenrolle; am heutigen Dienstag rücken die Themen mit einem Thementag zu Wasser, Landwirtschaft und Ernährung etwas stärker in den Fokus.
Der Sektor birgt ein großes Potenzial zur Reduktion von Treibhausgasen: Ernährungssysteme sind für ein Drittel der globalen Treibhausgasemissionen verantwortlich. Rund zwei Drittel dieser Emissionen stammen aus der Herstellung tierischer Produkte, während sie nur 19 Prozent der Kalorien und 41 Prozent des Eiweißes der gesamten weltweit hergestellten Nahrungsmittel enthalten. Nur durch eine Umstellung von Ernährungs- und Landwirtschaftssystemen (Agrifood-Systeme) sei es möglich, die globale Erwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen, sagte darum Qu Dongyu, Generaldirektor der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO), auf der COP29.
Aktuell fließen mit rund 4,3 Prozent der internationalen Klimafinanzierung kaum Finanzmittel in Richtung nachhaltiger Landwirtschaft und Ernährung: Die FAO und die Weltbank hatten darum in der vergangenen Woche gefordert, dass Agrifood-Systeme bei den Verhandlungen um ein NCQG eine größere Rolle spielen. Laut der Weltbank braucht es jährlich 260 Milliarden US-Dollar, um die Emissionen im Agrifood-Sektor bis 2030 zu halbieren und bis 2050 Net-Zero zu erreichen.
Der kürzlich veröffentlichte Bericht “The State of Food and Agriculture 2024” der FAO fasst die weltweiten Probleme zusammen: Demnach führen nicht nachhaltige Agrifood-Systeme jedes Jahr zu versteckten Kosten von mehr als elf Billionen US-Dollar; der größte Teil davon entfällt auf den Gesundheitssektor. Gerade in Krisenstaaten gebe es hohe Umweltkosten. Eine Ernährungsumstellung, insbesondere auf diversere Proteinquellen, trage sowohl zur Gesundheit als auch zur Reduktion von Treibhausgasen bei.
Der Bericht schlägt darum vor:
Bisher gab es im Bereich Ernährungssystem im COP-Prozess nur wenig Fortschritte und kaum bindende Entscheidungen. Im vergangenen Jahr wurde in Dubai die “UAE Declaration on Sustainable Agriculture, Resilient Food Systems and Climate Action” vorgestellt. Rund 160 Länder unterzeichneten die freiwillige Initiative und stimmten damit zu, Emissionsreduktionsziele durch Umstellungen im Ernährungssystem in ihre Nationally Determined Contributions (NDCs) aufzunehmen. Die Erklärung sei “im Ansatz zwar progressiv”, meint Felix Domke von der NGO Germanwatch im Gespräch mit Table.Briefings. Es komme aber auf die Umsetzung an.
Bis kommenden Februar haben die Länder Zeit, ihre neuen NDCs einzureichen; es muss sich also erst noch zeigen, ob sich Ernährungssysteme in Zukunft stärker darin widerspiegeln. Erst im Oktober war ein Arbeitspapier des World Resources Institute zu dem Ergebnis gekommen, dass die Ernährungswende in den nationalen Klimazielen oft zu kurz kommt. “Letztes Jahr in Dubai gab es mit dem ersten Thementag zu Ernährung, Landwirtschaft und Wasser einen echten Fortschritt dazu, Ernährung in die Klimakonferenz einzubinden”, meint Juliette Tronchon von der NGO ProVeg im Gespräch mit Table.Briefings. Seitdem habe sich allerdings wenig getan.
Neben dieser nicht verpflichtenden Erklärung gibt es auch einen offiziellen Verhandlungsstrang zu Ernährung, die “Sharm el-Sheikh Joint Work on Implementation of Climate Action on Agriculture and Food Security” (SSJWA), die auf der COP27 in Ägypten ins Leben gerufen wurde. “Auf dieser COP gibt es in Sachen Ernährung wenig Fortschritt“, sagt Tronchon. Das sei aber auch nicht zu erwarten gewesen: Nachdem auf der SB60 ein Fahrplan zur Umsetzung der SSJWA bis zur COP31 (im Wesentlichen bestehend aus Workshops und einem Onlineportal) beschlossen wurde, stehen auf der COP29 keine Verhandlungen dazu auf dem Programm.
Aus der Sicht von Tronchon wäre es wichtig, dass die Ernährungswende in andere Verhandlungsstränge noch stärker aufgenommen wird – aber auch dazu sieht sie bisher kaum Fortschritt. Domke sieht das ähnlich, er denkt auch, dass ein Unterziel für Ernährung und Landwirtschaft innerhalb des aktuell verhandelten internationalen Finanzziels sinnvoll wäre. “Die Bedeutung von Ernährung im COP-Prozess hat in den vergangenen Jahren zwar zugenommen”, meint Domke. “Aber wir sehen eigentlich noch keine Staaten, die ihre Emissionen im Ernährungssystem tatsächlich ganzheitlich und ambitioniert senken.”
Auch beim Catering der diesjährigen COP scheint der Umbau der Ernährungssysteme noch nicht angekommen zu sein: Aktivistinnen und Aktivisten beschweren sich, wie viel Fleisch angeboten wird und dass vegetarische und vegane Alternativen teuer sind. Außerdem sollen Lebensmittel auch fälschlicherweise als vegetarisch oder vegan gelabelt worden sein, obwohl sie Fleisch oder Fisch enthielten.
Bewegung in Richtung Umbau des Ernährungssystems könnte auch aus einer anderen Richtung kommen: Auf dem G20-Gipfel soll eine “Global Alliance Against Hunger” an den Start gehen. Brasilien will in diesem Kontext Ernährungssicherheit und Klimafragen stärker zusammen denken. Das Land müsse dafür sorgen, dass bei der Umsetzung dieses Plans der Transformation der Ernährungssysteme eine Schlüsselrolle zukomme, fordert Germanwatch.
Chile gehört zu den Vorreitern der globalen Klimawende: Der Climate Action Tracker (CAT) stuft die Politik des Landes als “fast ausreichend” ein, um die Pariser Klimaziele zu erreichen. Das heißt: Würden alle Staaten ähnlich viel tun wie Chile, würde zwar das 1,5-Grad-Ziel verfehlt – aber die Erderwärmung könnte bei unter zwei Grad plus aufgehalten werden. Kein anderes Land wurde bisher besser bewertet. Der CAT schätzt, dass die chilenischen Emissionen schon 2021 ihren Höhepunkt erreicht haben, deutlich vor dem angestrebten Peak im Jahr 2025.
Oberflächlich betrachtet steckt hinter dem Erfolg vor allem der ambitionierte und zuletzt beschleunigte Ausbau der Wind- und Solarenergie. Doch Chiles Ehrgeiz reicht weiter: Klimapolitik und Dekarbonisierung gelten in Chile als “Política de Estado”: als Staatspolitik, die das Land unabhängig von der jeweils aktuellen Regierung verfolgt. Beispielsweise geht Chiles Strategie für grünen Wasserstoff auf den früheren Präsidenten Sebastián Piñera zurück und wurde von der derzeitigen Regierung unter Präsident Gabriel Boric konkretisiert.
Der CAT bewertet positiv, dass der Kohleausstieg bisher schneller vorangehe als erwartet. Chile plant den Ausbau von Elektromobilität und Wasserstoff. In seinem Klimaziel (NDC) verknüpft es Biodiversitäts- und Klimaschutz; seine Landschaften gelten historisch als CO₂-Senke.
Die Regierung setzt klar auf wirtschaftliche Vorteile durch die Klimapolitik: Die Dekarbonisierung könnte die Wirtschaftsleistung bis 2050 um bis zu 4,4 Prozent erhöhen, sagt die Umweltministerin Maisa Rojas im Gespräch mit Table.Briefings. Dabei legt sie großen Wert auf eine “gerechte Transition”, also die Schaffung neuer Jobs, Investitionen in saubere Technologien und die Beteiligung der vom Kohleausstieg betroffenen Gemeinden. Klimapolitik soll konkrete soziale Verbesserungen bringen, beispielsweise indem Elektrobusse und Wärmepumpen für bessere Luftqualität sorgen und Solarpaneele auf den Dächern die Energiearmut bekämpfen.
Derzeit erbringen laut der Internationalen Energieagentur (IEA) Wind und Sonne etwas mehr als 31 Prozent der chilenischen Stromproduktion. Zum Vergleich: In Deutschland liegt der Anteil der Fossilen mit 44,6 Prozent deutlich höher. Für die gesamte Energieversorgung Chiles spielen fossile Energien zwar eine größere Rolle, aber auch hier schneidet das Land aus Klimasicht besser ab als Deutschland.
Chile habe “eine weltweit führende Rolle im Bereich der sauberen Energie übernommen”, schreibt die IEA, “und sich zu einem erstklassigen Standort für Entwickler von Solar- und Windenergie entwickelt”. Ein Grund dafür: In der Atacama-Wüste im Norden und der Steppe Patagoniens im Süden des Landes herrschen beste Bedingungen für Solar und Wind.
Zugleich verfügt Chile kaum über eigene fossile Energievorkommen. Daraus ergibt sich eine Abhängigkeit von fossilen Importen, die das Land in vergangenen Energiekrisen bereits schmerzhaft spürte. Erneuerbare hätten Chile die Chance auf eine größere Unabhängigkeit geboten – ein wichtiger Grund für die ehrgeizige Klimapolitik, wie Ministerin Rojas sagt.
Chile ist auch anfällig für die Auswirkungen der Klimakrise – ein weiterer Anreiz für die ambitionierte Dekarbonisierungspolitik, schreiben die beiden Klimaforscher Michael Jakob und Jan C. Steckel in ihrem Buch “The Political Economy of Coal”.
Laut Jakob und Steckel spielt daneben der liberalisierte Energiemarkt Chiles für den schnellen Ausbau der Erneuerbaren eine zentrale Rolle: Er habe ermöglicht, schmutzige Kohle schnell und kostengünstig durch klimafreundlichere Energiequellen wie Erneuerbare – aber auch durch Gas – zu ersetzen. In Chiles Verfassung, die noch auf die Pinochet-Diktatur zurückgeht, ist die Marktorientierung der Wirtschaft festgeschrieben.
Die Regierung hat lediglich die Aufgabe, den Wettbewerb zu fördern. Erneuerbare Energien werden in Chile nicht staatlich subventioniert – allerdings gibt es sehr wohl Steuererleichterungen für fossile Energieträger, etwa für Diesel, der als Lkw-Treibstoff oder im Bergbau verwendet wird.
Doch trotz der klaren Marktorientierung: Ohne eine entschiedene Politik hätte die chilenische Energiewende so wohl nicht funktioniert. Der Staat schaffe gute Bedingungen für die Energiewende, urteilt die IEA. Sein Handeln habe “dazu beigetragen, die Projektentwicklung anzukurbeln”.
Chilenische Fachleute sagen, vor etwa zehn Jahren habe der damalige Energieminister Máximo Pacheco die Basis für den Erfolg geschaffen. Pacheco habe alle wichtigen Akteure an einen Tisch geholt, um dem Energiemarkt eine Richtung zu geben, erinnert sich etwa Alex Santander, Abteilungsleiter für strategische Planung im chilenischen Energieministerium, im Gespräch mit Table.Briefings. “Dieser Sektor bewegt sehr viele Ressourcen”, sagt Santander. “Und es gibt viele verschiedene, manchmal widerstreitende Interessen. Denkt man aber langfristig und positioniert Chile als ein Land, das sich klar für erneuerbare Energien öffnet, dann stehen alle dahinter.” Das sei Pacheco gelungen.
Dennoch könnte Chile sein 2030er NDC verpassen. Dieses sieht vor, die Netto-Emissionen bis 2030 um 45 Prozent unter den Stand von 2016 zu senken, doch laut CAT geht der Treibhausgasausstoß in Industrie, Landwirtschaft, Abfallsektor und Verkehr dafür zu langsam zurück. Eine weitere Gefahr: Stillgelegte Kohlekraftwerke könnten durch Gaskraftwerke ersetzt werden – Chiles Regierung sieht fossiles Gas trotz seiner Klimawirkung als “Übergangsbrennstoff”.
Derzeit werde darüber nachgedacht, den Kohleausstieg vorzuziehen, sagt Santander. “Aber dafür müssen bestimmte Bedingungen erfüllt sein” – beispielsweise müssten die Strompreise bezahlbar bleiben: “Unsere Wettbewerbsfähigkeit als Land hängt von den Energiepreisen ab.” Zudem müssten die Netze in der Lage sein, eine sichere Energieversorgung zu gewährleisten. Dafür treibt die Regierung nun den Ausbau der Leitungen und Stromspeicher und die Digitalisierung der Netze voran. Doch in einem schmalen, mehr als 4.000 Kilometer langen Land wie Chile, wo wichtige Leitungen teils mehrere Verwaltungsbezirke und hunderte Kommunen durchqueren, ist das eine komplexe Aufgabe.
Eine weitere Herausforderung ist der Ausbau der grünen Wasserstoffproduktion. Chile will der wettbewerbsfähigste Produzent weltweit werden und wirbt dafür um internationale Investitionen – doch bislang sind nur vereinzelte Projekte operativ. Dabei soll der grüne Wasserstoff 2050, wenn Chile sich vollständig klimaneutral mit Energie versorgen will, laut Santander rund 20 Prozent des Bedarfs decken.
Etwa die Hälfte solle dann direkt aus erneuerbaren Energien kommen – die Fossilen würden immer noch rund 30 Prozent beisteuern. Chile setzt darauf, dass seine natürlichen Senken dann deren Emissionen vollständig ausgleichen. Auch von ihnen wird abhängen, ob das Land seine Klimaziele erreicht.
(Die Recherche in Chile wurde unterstützt durch Internationale Journalistenprogramme (IJP))
19. November, 10 Uhr, Special Event Room Nasimi
Action on Water: Water solutions for climate actions
Auf dem Event diskutieren verschiedene Akteure über die Rolle von Wasser bei der Einhaltung des Pariser Klimaabkommens. Infos
19. November, 13.30 Uhr, UN Climate Change Pavilion/Online
Diskussion Building Climate Resilient Food Systems through Global Partnerships Infos
19. November, 14 Uhr, Deutscher Pavilion
Diskussion Accelerating change for 1.5°: Climate solution made in Germany
Auf der Veranstaltung werden Best-Practice-Beispiele für Klimainnovation aus deutschen und internationalen Unternehmen vorgestellt, Chancen diskutiert und Hebel zur Beschleunigung der grünen Transformation aufgezeigt. Infos
19. November, 16.45 Uhr, Side Event Room 6
Diskussion Transforming Urban Mobility: Leveraging NDCs for Sustainable Transport and Climate Action
Auf dem Event wird darüber diskutiert, wie Ziele für nachhaltigen Transport in den NDCs festgehalten werden können. Infos
Gemeinsam mit dem Weltverband für Zement und Beton (GCCA) hat Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck am Montag in Baku erstmals Standards für CO₂-armen Zement und Beton vorgestellt. Dieser Schritt ist Teil der Bemühungen, innerhalb des Klimaclubs die Dekarbonisierung bestimmter Industriesektoren voranzutreiben.
Die Zement- und Betonindustrie verursacht derzeit rund sieben Prozent der weltweiten CO₂-Emissionen. Es ist das erste Mal, dass eine Schwerindustrie konkrete Pläne für deren Dekarbonisierung vorlegt.
Grundlage für die Standards für grünen Zement sind IEA-Vorgaben, die Emissionsklassen von “nahe Null” bis “hoch” festlegen und dabei auf den Klinkeranteil eingehen. Klinker ist das Bindemittel von Zement, das für die Festigkeit des Materials sorgt. Für die Herstellung des Klinkerzements sind jedoch sehr hohe Temperaturen nötig, weshalb er als besonders emissionsintensiv gilt. Die nun vorgeschlagenen Standards sehen vor:
Als Standard für das Endprodukt Beton soll gelten:
Um die Dekarbonisierung der Zementindustrie und anderer schwerindustrieller Sektoren in Schwellen- und Entwicklungsländern voranzutreiben, kündigten Deutschland, Großbritannien, Kanada und die Klimainvestitionsfonds (CIF) am Montag insgesamt 1,3 Milliarden US-Dollar an Unterstützung an:
300 Millionen US-Dollar sollen dabei für technische Hilfe zur Umstellung auf saubere Energiequellen bereitgestellt werden. Der Wirtschaftsminister machte in Baku deutlich, dass man durch diese Initiative auch ein Signal in die Verhandlungsräume auf der COP29 senden wolle. “Die Industrieländer stehen zu ihrer Klimafinanzierung, gleichzeitig holen wir mehr private Investoren und Geldgeber ins Boot und verbreitern die Geberbasis”, sagte Habeck am Montag. luk
Am Beginn der zweiten Konferenzwoche wird klarer, welche Planungen die aserbaidschanische Präsidentschaft verfolgt – aber auch, wie begrenzt ihr Einfluss dabei ist. COP-Präsident Mukhtar Babajew stellte am Montag im Plenum der Konferenz seine Schritte vor, wie nun verhandelt werden soll. Dabei setzt er vor allem auf folgende Punkte:
Gleichzeitig blickt Baku gespannt nach Rio de Janeiro zum G20-Gipfel. Viele erwarten ein deutliches Signal für Fortschritt von dem Treffen der Staats- und Regierungschefs. Ob das gerechtfertigt ist, bleibt abzuwarten. Der Entwurf einer Abschlusserklärung, die Table.Briefings einsehen konnte, verspricht jedenfalls noch keine weitreichenden Signale.
Die COP29 wartet also auf die endgültige Erklärung am späten Dienstag. Dann wird sich zeigen, ob sie positiven Schwung in Baku bringen kann. bpo
Die USA haben im Jahr 2024 über elf Milliarden US-Dollar für die internationale Klimafinanzierung bereitgestellt. Das gab die US-Administration vor dem G20-Gipfel in Rio de Janeiro bekannt. Die USA seien damit der weltweit größte bilaterale Geber, so ein Statement der Regierung. Im Jahr 2021 lagen die US-Ausgaben für die Klimafinanzierung nach eigenen Angaben noch bei 1,5 Milliarden US-Dollar. Drei Milliarden US-Dollar würden demnach in die Anpassung an die Folgen des Klimawandels fließen. Das Ziel der Versechsfachung dieser Zahlungen wurde somit erreicht. Die Biden-Administration gab zudem bekannt, 50 Millionen US-Dollar für den Amazonas-Fonds bereitzustellen, der sich gegen die Abholzung des Regenwalds einsetzt.
Obwohl die USA mittlerweile der größte Geber sind, müssten sie, gemessen an ihrem Wohlstand und der historischen Verantwortung für die Klimakrise, viel mehr zur internationalen Klimafinanzierung beitragen, wie Thinktanks berechnet haben. Demnach hätten die USA – je nach Wahl der Beitragskriterien – zwischen rund 45 und 60 Prozent zum 100-Milliarden-Ziel beitragen müssen. nib
Die Biden-Regierung in den USA erwägt, bei den aktuellen OECD-Verhandlungen einen letzten Vorstoß für ein internationales Abkommen zur Einschränkung von finanzieller Unterstützung von ausländischen Gas- und Ölprojekten zu machen. Am Wochenende sei die Verhandlungsposition der USA aber nicht abschließend geklärt gewesen, berichtet Bloomberg.
Zur Debatte steht ein Vorschlag der europäischen Staaten, das bereits existierende Verbot der Unterstützung von Exportkreditagenturen für Kohlekraftwerke ohne CO₂-Abscheidung auszuweiten. Nach dem Vorschlag der Europäischen Union wären Finanzierungen durch Exportkreditagenturen, wie zum Beispiel Darlehen und Garantien, für die meisten Öl- und Gasprojekte tabu. Unstimmigkeiten in den USA hatten dafür gesorgt, dass der Vorschlag im vergangenen Jahr innerhalb der OECD blockiert wurde. Eine angenommene OECD-Entscheidung dazu könnte auch von der kommenden Regierung unter Donald Trump nicht gekippt werden. kul
FAZ: Fracking-Experte wird Energieminister. Der künftige US-Präsident Donald Trump will Chris Wright zu seinem Energieminister machen. Wright ist Fracking-Spezialist und gründete mehrere Unternehmen, die der Technologie in den USA zum Durchbruch verhalfen. Zum Artikel
New York Times: Klimafonds nimmt Arbeit auf. Der UN-Klimagipfel in Aserbaidschan hat den Weg für Hilfszahlungen an einkommensschwache Länder geebnet. Nach jahrzehntelangem Widerstand einigten sich die wohlhabenden Länder auf dem Klimagipfel 2022 auf die Einrichtung eines Fonds. Nun hat der Fonds einen Leiter und plant, im nächsten Jahr mit der Auszahlung der Gelder zu beginnen. Zum Artikel
NTV: Biden besucht Amazonas. Kurz vor dem Machtwechsel in Washington setzt der scheidende US-Präsident Joe Biden ein Zeichen im Kampf gegen die Klimakrise, indem er das brasilianische Amazonas-Gebiet besucht. Biden ist der erste amtierende US-Präsident, der diese Region besucht. Zum Artikel
Tagesschau: Wald soll diverser werden. Künftig sollen nach Ansicht von Wissenschaftlern in Deutschland Fichten mit polnischen Vorfahren und Buchen mit Vorfahren aus Südfrankreich gepflanzt werden. Diese Bäume seien besser an das künftige Klima in Deutschland angepasst und könnten helfen, die Resilienz des Waldes vor den Folgen des Klimawandels zu erhöhen. Zum Artikel
Guardian: Vorwürfe gegen Australien. Ralph Regenvanu, der Sondergesandte für Klimawandel des Inselstaats Vanuatu, wirft Australien vor, bei der Weltklimakonferenz in Baku nicht ehrlich aufzutreten. Das Land präsentiere seine Klimaschutzmaßnahmen, sei aber der weltweit drittgrößte Exporteur von fossilen Brennstoffen und plane eine massive Ausweitung der Gasförderung. Zum Artikel
Die größte Kritik an der COP29 (wie bei jeder COP) ist: Hier bewegt sich nichts. Oder zumindest zu wenig. Das stimmt. Aber nicht für uns. Denn zumindest wir Journalistinnen und Journalisten sind die ganze Zeit auf Achse: Richtung Pressezentrum, Plenum, Delegationsbüros, Veranstaltungen, Demonstrationen, Länderpavillons, Toiletten. In den Verhandlungssälen mag Stillstand herrschen, draußen qualmen die Socken. Daran haben wir am Montag, dem offiziellen “Health Day”, gedacht.
Denn die COP ist ein großes Gesundheitsprogramm. Das sagt uns zumindest mein Fitness-Tracker im Smartphone. Er belohnt uns Konferenzbesucher mit Lob, weil wir hier nicht stillsitzen: 9,2 Kilometer am Tag im Schnitt über die letzte Woche, über 13.000 Schritte am Tag. Zu Hause wäre das ein aktiver Tag. Hier ist es Alltag. Denn wir sind Teil der Klima-Bewegung.
Erfahrene Verhandlerinnen und Verhandler wissen: Das Wichtigste auf einer COP sind bequeme Schuhe. Dann sind auch die täglichen Viertelmarathons locker zu schaffen. Jeder COP-Tag ist Health Day! Es sei denn, das Smartphone zählt auch die anderen Vital-Parameter dazu: den Schlafmangel, den Stress, die Hektik, den Frust, das schlechte Essen. Dann fühlt sich das schon anders an als zwei Wochen Wellness. bpo