die Bereitstellung von bezahlbarem Wasserstoff ist zentral für die Dekarbonisierung der deutschen Wirtschaft. Doch während die europäischen Hersteller von Elektrolyse-Anlagen mit massiven Überkapazitäten kämpfen, geht der Ausbau der Importpipelines für Wasserstoff zu langsam voran. Experten sehen die nächste Bundesregierung in der Pflicht, die Pipelines voranzutreiben und die Nachfrage abzusichern, analysiert Nico Beckert.
Auch die Dekarbonisierung der Schifffahrt ist herausfordernd, denn große Tanker sind bis zu 40 Jahre im Betrieb. Entsprechend früh müsste für den Klimaschutz gehandelt werden. Eine wachsende Zahl von Ländern fordert jetzt einen CO₂-Preis im Schiffsverkehr, darunter Panama und Liberia, unter deren Flagge besonders viele Handelsschiffe segeln. Mit den Einnahmen soll die Transformation finanziert werden. Dass die Emissionen teurer werden, soll für zusätzliche Lenkungswirkung sorgen. Mitte Februar verhandelt die International Maritime Organization darüber. Wie die Chancen auf eine Einigung stehen, hat sich Fritz Vorholz angeschaut.
Außerdem lesen Sie heute bei uns ein Interview mit der früheren Aktivistin und aktuellen Bundestagsabgeordneten Kathrin Henneberger. Es sei “einfacher, für Dörfer und einen Wald zu kämpfen als für Gesetze”, sagt die Politikerin der Grünen zu Bernhard Pötter. Außerdem spricht sie über ihre Erfolge im Bundestag, was sie gelernt und welche Enttäuschungen sie erlebt hat.
Wir wünschen Ihnen eine spannende Lektüre!
Die nächste Bundesregierung muss bei der Wasserstoffversorgung der deutschen Industrie Tempo machen. Einige Stahlhersteller befürchten, dass mittelfristig nicht genug Wasserstoff zu wettbewerbsfähigen Preisen verfügbar sein wird. Erste Unternehmen wollen daher Förderbescheide der EU zum Einsatz von grünem Wasserstoff nachverhandeln, um erst später auf die klimaschonende Stahlproduktion umsteigen zu müssen, wie das Handelsblatt berichtet.
Zwischen 50 und 70 Prozent des Wasserstoffbedarfs Deutschlands könnten zukünftig aus dem Ausland kommen, weil die Produktionskosten dort geringer sind. Der Bau von Importpipelines dauert vier bis fünf Jahre und schon heute gibt es Verzögerungen bei der Planung der Pipelines. “Beim Wasserstoff haben wir keine Zeit mehr zu verlieren”, mahnt Mathias Koch, Wasserstoffexperte des Thinktanks Agora Energiewende. Werden die politischen Anstrengungen nicht erhöht, könnte die Stahl- und Chemieindustrie erst später auf Wasserstoff umsteigen. Die Klimaziele geraten somit in Gefahr.
Laut einer Agora-Studie sollen Pipelines aus Dänemark und Norwegen schon 2030 Wasserstoff nach Deutschland liefern. Doch der Bau einer dänischen Pipeline verzögert sich aufgrund einer Umweltverträglichkeitsprüfung voraussichtlich auf 2031. Und eine geplante Pipeline für blauen Wasserstoff aus Norwegen wurde kürzlich auf Eis gelegt, weil es laut norwegischer Seite keine ausreichende Nachfrage gäbe.
Es ist nicht ungewöhnlich, dass es bei derart kapitalintensiven Projekten zu Verzögerungen kommt. Die Pipeline aus Dänemark werde trotz dieser Verzögerungen schnell vorankommen, meinen Experten im Gespräch mit Table.Briefings. Zudem gibt es Gespräche zwischen den Niederlanden und Nordrhein-Westfalen, um Pipelines aus den Niederlanden in die industriellen Zentren NRWs zu verlegen. Der BDI hingegen ist skeptischer. Der für den Wasserstoffimport “erforderliche Infrastrukturausbau erscheint bis Ende der Dekade allerdings kaum realistisch”, heißt es in einer BDI-Publikation. Und auch eine neue Studie des Global Energy Monitors (GEM) warnt, trotz der Unterstützung durch europäische Regierungen befinde sich die Entwicklung der Infrastruktur “noch im Anfangsstadium”.
Beim Bau der Importpipelines gibt es unterschiedliche Herausforderungen:
Kleine Fortschritte gibt es immerhin beim sogenannten Südkorridor. Deutschland, Algerien, Österreich, Italien und Tunesien haben Mitte Januar eine Absichtserklärung zur Entwicklung des südlichen Wasserstoffkorridors unterzeichnet. Der Korridor soll Tunesien und Algerien über 3.500 bis 4.000 Kilometer lange Wasserstoffpipelines mit den europäischen Abnehmern verbinden. Der europäische Teil soll aus 60 bis 70 Prozent umgerüsteten Erdgaspipelines bestehen. “Als nächsten Schritt” müsse nun “die Wasserstoffpipeline nach Nordafrika konkretisiert werden”, so das deutsche Wirtschaftsministerium. Allerdings gibt es Zweifel, ob Tunesien und Algerien die Wasserstoffproduktion schnell genug hochfahren können. Die beiden Staaten prognostizieren, bis 2030 insgesamt rund 330.000 Tonnen Wasserstoff exportieren zu können, was nur gut acht Prozent der Pipelinekapazität ausmacht.
Damit es in Zukunft genug Wasserstoff gibt, muss die Politik auch die Nachfrage anreizen und absichern, sagt Agora-Experte Koch. Haben Investoren keine langfristigen Verträge mit Abnehmern, könnten sie ihre Pipeline- und Elektrolyse-Vorhaben zurückziehen oder verzögern. Um eine sichere Nachfrage zu garantieren, sollte die Politik grüne Leitmärkte ausbauen und Standards und Quoten für bestimmte Produkte wie grünen Stahl oder Ammoniak für die Düngerherstellung einführen, die einen Mindestanteil grünen Wasserstoffs vorsehen, fordert auch die Stiftung Klimaneutralität. Auch die öffentliche Beschaffung grünen Stahls könne die Nachfrage anreizen.
Der Bundesverband der deutschen Industrie (BDI) fordert zudem, die Wasserstoffproduktion in Deutschland zu fördern, “um in der Frühphase Wasserstoff zu bezahlbaren Preisen zur Verfügung stellen zu können”. Grüner Wasserstoff sei in Deutschland aber aus Kostengründen nur in begrenztem Umfang zu produzieren. Der BDI schlägt auch die “heimische Produktion von blauem Wasserstoff” vor – Wasserstoff, der mit Erdgaseinsatz und der Abscheidung und Speicherung von CO₂ produziert wird.
Die CDU/CSU ist bei blauem Wasserstoff nicht abgeneigt. Doch dafür müsste zunächst das CO₂-Speicherproblem gelöst werden, was ebenso Investitionen in Infrastruktur wie CO₂-Pipelines bedeutet. Zudem gibt es in diesem Fall Methan–Emissionen aus der Gasförderung und dem -transport. Auch beim blauen Wasserstoff bräuchte es also mehr politische Anstrengungen als bisher.
In die Bemühungen um den Klimaschutz auf hoher See kommt Bewegung. Eine wachsende Zahl von Ländern macht sich bei der International Maritime Organization (IMO) dafür stark, den Treibhausgasausstoß von Seeschiffen nicht nur mit technischen Vorgaben, sondern auch mithilfe eines “ökonomischen Elements” zu mindern – sprich: mithilfe einer Abgabe auf den Ausstoß von Treibhausgasen. Es wäre die erste weltweit erhobene Klimaschutzabgabe.
Zu ihren Befürwortern gehören einige vom Meeresspiegelanstieg bedrohte pazifische Inselstaaten, sämtliche EU-Mitgliedsländer und vor allem Panama, Liberia und die Marshall Islands. Noch sind sie in der Minderheit. Aber unter ihrer Flagge verkehrt mehr als die Hälfte aller Seeschiffe, gemessen an der Tonnage. Für die Willensbildung bei der IMO hat das hohen Symbolwert. Deshalb dürften die Chancen für eine Einigung gut stehen.
Mitte Februar werden die Verhandlungen auf Arbeitsebene fortgesetzt, im April soll eine Einigung erzielt werden, die im Herbst final abgesegnet werden könnte. Unklar ist, wie die neue US-Regierung unter Donald Trump in der Sache agiert – und ob die übrigen IMO-Mitglieder sie im Ernstfall überstimmen würden.
Auf den Weltmeeren sind mehr als 100.000 Schiffe unterwegs, vor allem Frachter. Sie wickeln 90 Prozent des Welthandels ab, verbrauchen jährlich rund 300 Millionen Tonnen fossile Treibstoffe und sorgen für rund drei Prozent der globalen Emissionen von klimaschädlichem Kohlendioxid (CO₂) – weitgehend unbehelligt von Vorschriften.
Lediglich Schiffe, die in den Europäischen Wirtschaftsraum einfahren oder ihn verlassen, müssen für jede Tonne CO₂ einen Preis bezahlen. Der Grund: 2024 wurde der Seeverkehr in den Europäischen Emissionshandel (ETS) einbezogen. Die hiesigen Reeder sehen darin ein Hindernis für den globalen Handel und drängen auf weltweit einheitliche Vorgaben – so, wie sie bei der IMO jetzt zur Debatte stehen. Das europäische Regelwerk müsse dann “rasch mit dem internationalen System harmonisiert werden, sobald es beschlossen ist”, fordert der Verband Deutscher Reeder (VDR).
Seeschiffe sind zwar in puncto Energieeffizienz besser als jedes andere motorisierte Transportmittel. Doch der wachsende Welthandel lässt ihre CO₂-Emissionen steigen. Weil diese einzelnen Verursacherstaaten kaum zuzurechnen sind, werden sie bei der Entwicklung nationaler Klimaziele nicht berücksichtigt. Darauf hat man sich im Rahmen der UN-Verhandlungen zum globalen Klimaschutz geeinigt. Allerdings wurde schon bei der ersten UN-Klimakonferenz 1995 in Berlin beschlossen, dass die IMO sich der Sache annehmen solle.
Die IMO ist die UN-Sonderorganisation für Angelegenheiten des internationalen Seetransports. Ihr gehören 176 Mitgliedsländer an. Bisher liegt ihr Fokus darauf, Standards für einen sicheren Schiffsbetrieb zu setzen – auf der Basis etablierter, also fossiler Antriebstechnologien. Doch zur Entwicklung innovativer, klimaverträglicher Antriebssysteme hat die in London ansässige Behörde bisher wenig beitragen können.
Dafür gibt es einige Gründe: zu wenig Personal für Forschung und Entwicklung, Unklarheit über das Mandat der Behörde und das Streben nach Konsens, heißt es im Fachblatt Marine Policy. Laut Gesetz sind Mehrheitsentscheidungen zwar möglich, doch tatsächlich herrscht “eine ausgeprägte Kultur und Tradition, Entscheidungen im Konsens zu treffen”, so eine Analyse des Aspen Institute.
Das lähmt die Entscheidungsprozesse. Erst 2018 konnten sich die IMO-Mitglieder auf einen obendrein wenig ambitionierten Plan zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen einigen. 2023 wurde das Ambitionsniveau angehoben. Nun heißt es, die Treibhausgasemissionen der Seeschifffahrt sollten um das Jahr 2050 herum “netto null” betragen.
Ozeanschiffe haben eine Lebensdauer von bis zu 40 Jahren. Wenn die Schifffahrt um 2050 herum klimaneutral sein soll, muss also schnell gehandelt werden. Hier kommt der Vorschlag ins Spiel, den Ende Dezember vergangenen Jahres 47 Länder mit Unterstützung der International Chamber of Shipping (ICS), der Interessenvertretung der Schiffseigner und -betreiber, gemacht haben, und der jetzt auf der IMO-Tagesordnung steht: eben eine Abgabe auf die Treibhausgasemissionen von Schiffen. In dem Papier werden auch Beträge genannt, die allerdings sämtlich noch in eckigen Klammern stehen, also umstritten sind: 18,75 US-Dollar, 100 US-Dollar oder 150 US-Dollar – jeweils pro Tonne emittiertem CO₂-Äquivalent.
Kommt die Abgabe, hätten die Betreiber einen Anreiz, den Energieverbrauch ihrer Schiffe zu reduzieren. Optimierte Formen von Schiffsrümpfen können dazu beitragen, ebenso wie Segel zur Unterstützung der Schiffsdiesel, besseres Flottenmanagement oder die Reduzierung der Geschwindigkeiten. Damit und mit einigen weiteren Maßnahmen ließen sich die Emissionen laut IMO relativ kurzfristig um rund ein Drittel senken. “Netto null” erfordert indes vollkommen neue Antriebssysteme: emissionsarme oder -freie Treibstoffe, passende Motoren und die erforderlichen Hafeninfrastrukturen. All das ist weltweit und in großem Maßstab längst nicht verfügbar.
Die Abgabe kann deshalb kurzfristig nur eine begrenzte Lenkungswirkung haben, ihr primärer Zweck ist die Erzielung von Einnahmen. Eine wachsende Zahl ärmerer Länder hat bereits Ansprüche darauf angemeldet, als Kompensation für befürchtete Nachteile beim Im- und Export. Andere drängen darauf, die erwarteten Milliarden im maritimen Sektor zu verwenden: unter anderem für die Entwicklung CO₂-freier oder -armer Treibstoffe – und für die Förderung von deren Markthochlauf.
Als aussichtsreichste Kandidaten für die neuen Treibstoffe gelten E-Methanol und E-Ammoniak – erneuerbare Energieträger, die mit per Elektrolyse CO₂-frei erzeugtem Wasserstoff hergestellt werden. Die Abgabe kann ihre Nutzung beschleunigen, sie kann aber nicht verhindern, dass auf diese Weise der Transport auf den Weltmeeren deutlich teurer wird. Weil die Transportkosten nur einen geringen Anteil an den Produktpreisen ausmachen, sind die Effekte auf das weltweite Wirtschaftswachstum und das Preisniveau aber fast zu vernachlässigen, so die IMO-Folgenabschätzung.
Ob die neue US-Regierung das Vorhaben torpedieren wird, darüber kann bisher nur spekuliert werden. Fest steht indes: In der Seeschifffahrt spielt das ansonsten so mächtige Land nur eine kleine Rolle – nur 0,6 Prozent der weltweiten Tonnage verkehren unter US-Flagge.
Table.Briefings: Frau Henneberger, was haben Sie sich vorgenommen, als Sie vor dreieinhalb Jahren als Aktivistin der Klimabewegung in den Bundestag kamen?
Kathrin Henneberger: Sehr groß gesprochen: Ich wollte das Ende des fossilen Zeitalters erreichen. Und für meine Region wollte ich, dass wir den Kohleausstieg im rheinischen Revier umsetzen und festschreiben und so viele Dörfer wie möglich retten.
Wie ist Ihre Bilanz? Das fossile Zeitalter ist noch nicht beendet.
Nein, noch lange nicht. Aber es ist schon erstaunlich, was wir alles erreicht haben. Und gleichzeitig lesen wir die wissenschaftlichen Berichte, dass wir jetzt global bei der Erwärmung die 1,5 Grad-Grenze überschritten haben. Das ist natürlich das Gegenteil von “Hey, wir haben etwas erreicht!”
Was finden Sie erstaunlich an der Bilanz?
Es gibt Erfolge zum Anfassen. Früher habe ich Führungen durch die fünf Dörfer gemacht, die für den Tagebau Garzweiler abgebaggert werden sollten, und habe immer nur gesagt: Das kommt alles weg, hier der Wald, dort der Friedhof. Das war so ein ohnmächtiges Gefühl. Heute sage ich: Dies ist gerettet, dieser 300 Jahre alte Baum kann weiterleben. Das macht mich jedes Mal sehr glücklich.
Finden Sie die Bilanz der Ampel in der Klimapolitik auch erstaunlich?
Mit Blick auf den Energiesektor schon. Wir sind jetzt bei 60 Prozent Erneuerbare im Stromsektor. Das haben wir nur geschafft, weil wir im Eiltempo ein Gesetz nach dem anderen durch das Parlament gebracht haben. Wir haben den Kohleausstieg im Rheinischen Braunkohlerevier festgeschrieben. Und manchmal sind Nebensätze entscheidend, das habe ich gelernt: Ich habe es geschafft, dass jetzt im Text steht, dass bei der Überprüfung des Ausstiegs im Rheinland 2026 nicht nur auf Energiesicherheit geprüft wird, sondern auch auf die Einhaltung der Klimaziele.
Sie sind nach Berlin gekommen, um das fossile Zeitalter zu beenden, und Sie haben Halbsätze erreicht?
Nein, fünf Dörfer sind kein Halbsatz. Ich habe mich auch sehr gefreut, dass wir den Ausstieg aus der Energiecharta geschafft haben. Da haben die Leute vorher gesagt: Das schafft ihr nie! Auch bei den Haushaltsverhandlungen haben wir es geschafft, hunderte Millionen Euro in Richtung globale Klimafinanzierung und Biodiversitätsfinanzierung umzuschichten. Das sind Themen, die unglaublich wichtig sind, wenn wir das fossile Zeitalter beenden wollen.
Gleichzeitig hat die Ampel-Koalition etwa das Klimaschutzgesetz verwässert und viele Klimavorhaben wie den Klima-Check für Gesetze oder den Abbau von fossilen Subventionen nicht umgesetzt. War die Ampel gut für das Klima?
Die grüne Beteiligung an der Ampel war sehr gut für das Klima. Das Problem war, dass immer wieder die FDP komplett blockiert hat, auch etwa bei der Entwicklungszusammenarbeit. Da habe ich dann manchmal bewusst an der FDP vorbeigearbeitet. Das macht man halt, wenn ein Akteur blockiert.
Sie sind als Aktivistin Abgeordnete geworden. Haben Sie einen anderen Blick bekommen?
Meine Arbeitsweise hat sich nicht viel verändert, aber ich habe viel gelernt. Verändert haben sich die Zugänge, die ich nutzen konnte. Primär für die Kämpfe bei mir zu Hause vor Ort, aber auch international. Da konnte ich als Parlamentarierin viel mehr Raum für Themen und Menschen schaffen, mit parlamentarischem Schutz oder Patenschaften, etwa bei der Arbeit gegen die Ölpipeline EACOP in Uganda.
Fühlen Sie sich als Abgeordnete mächtiger denn als Aktivistin?
Als Klimaaktivistin in Deutschland kann ein Mensch viel bewegen, je nachdem, wie viel Arbeit man da reinsteckt. Auf globaler Ebene kann ich als Abgeordnete mehr bewegen. Aber es sollte nie unterschätzt werden, wie viel auch Aktivistin:innen im Parlament erreichen können: Ich kann nachfragen, nachbohren und gerade im globalen Kontext Menschen schützen, die unter Repressionen leiden.
Sind Sie noch Aktivistin, die ein eigenes Ziel verfolgt? Oder Parlamentarierin, die das gesamte Volk vertritt?
Wir repräsentieren die Bevölkerung von Deutschland in all ihrer Vielfalt. Ich habe keinen Parlamentarier kennengelernt, der oder die sagt, wir vertreten die Meinung der gesamten Bevölkerung. Ich berufe mich in meiner Arbeit auf wissenschaftliche Erkenntnisse und Klimaaktivismus ist ja nicht die Durchsetzung von egoistischen Eigeninteressen, wie es manche Lobbygruppen tun. Sondern ich bin aus demselben Grund Klimaaktivistin, aus dem ich Parlamentarierin geworden bin: Um die große Ungerechtigkeit der Klimakrise zu bekämpfen, dazu beizutragen, dass wir eine Chance auf Zukunft in einer besseren und gerechteren Welt haben. Und es geht ja voran: Noch 2015 sind wir aggressiv dafür angepöbelt worden, wenn wir in der Öffentlichkeit über den Kohleausstieg gesprochen haben. Jetzt ist der Ausstieg Konsens.
Sie hatten als Abgeordnete viel Kontakt zu Menschen, die anders denken, etwas anders wollen, zu Lobbyisten, zu Konservativen. Was haben Sie von ihnen gelernt?
(Überlegt lange) Ich erinnere mich eher an ganz viele Szenen, wo ich mich gestritten habe. Ich habe also gelernt, dass ich immer besser vorbereitet sein muss als die Gegenseite.
Wie sehr hat sich Ihr Verhältnis zu Ihrer Basis, zur Klimabewegung, verändert? Viele sagen doch sicher: Mensch, Kathrin, was macht ihr denn da in Berlin?
Ist ja gut, wenn sie mir das sagen. Protest sehe ich immer eher als Wind in meinem Segel als ein Problem. Also ist es doch super, wenn die Fridays for Future jetzt zum nächsten Klimastreik aufrufen. Ich freue mich immer, wenn Menschen auch aus meinem alten Umfeld auf mich zukommen und sagen ‘Hey Kathrin, hier gibt es noch ein politisches Problem, da bin ich drüber gestolpert, kannst du mir das mal erklären? Oder hier ist etwas, damit bin ich nicht einverstanden’.
Sie denken nicht, bei den Versäumnissen der Ampel im Klimabereich: Da haben wir versagt?
Den Kohleausstieg umzusetzen und bei 60 Prozent Erneuerbaren zu sein ist kein Versagen. Das hat mir bisher auch noch nie jemand zurückgespiegelt.
War die Arbeit im Bundestag einfacher oder schwerer als Sie dachten?
Das Parlament ist auf jeden Fall patriarchaler, als ich es gedacht hatte. Weil ich eine Frau und eine Aktivistin bin, bin ich mehrfach definitiv anders behandelt worden. Ich wurde nicht ernst genommen und habe dumme Kommentare abbekommen, mehr als andere Abgeordnete. Das war besonders so in den Ausschüssen. Wenn ich im Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit Expertinnen einlade, die nicht aus Mitteleuropa kommen und keinen Professorentitel haben. Da gab es Kommentare wie: Ist die denn überhaupt kompetent? Da bin ich dann in solchen Runden auch mal etwas lauter geworden. Wenn ich ein alter weißer Mann gewesen wäre, der die Person vorgeschlagen hätte, wäre es sicher eher akzeptiert worden. Und am Anfang der Legislaturperiode hat sich mal mein Ausschussvorsitzender beschwert, ich würde ja immer so grimmig schauen und nicht lächeln. Ganz absurde Sachen.
Gab es positive Überraschungen?
Da sind die Freundschaften, die ich geknüpft habe mit anderen Kolleginnen. Und die gute Zusammenarbeit, die ich inzwischen mit den Ministerien habe. Am Anfang haben die bestimmt gedacht, Oh mein Gott, wer ist denn das jetzt? Kommt aus dem Aktivismus und sitzt jetzt hier in unseren Runden, wo wir Dinge besprechen, die nicht für die Öffentlichkeit gedacht sind. Ich wurde behandelt wie eine heiße Kartoffel. Aber dann ist da Vertrauen gewachsen und die Einsicht, dass ich manchmal Wissen und Perspektiven einbringen kann, die vorher nicht gesehen wurden.
Sie sagten, es war für das Klima gut, dass die Grünen in der Regierung waren. War es auch für die Grünen gut, das Klima zu thematisieren? Derzeit ist das ein Verliererthema.
Das Thema kommt in Zyklen. Wir hatten schon 2009 in Kopenhagen eine krasse Klimabewegung aufgebaut, dann ist das implodiert. Eine Bewegung kommt nicht von allein. Die muss man aufbauen. Und das Gute ist, dass die Bewegung für Klimagerechtigkeit eine viel stärkere Grundbasis hat, als wir sie je hatten, von kirchlichen Verbänden bis zu Fahrradinitiativen.
Wenn das so ist, warum hört man so wenig von ihr?
Wir Menschen reagieren auf Dinge, die dringlich im Hier und Jetzt sind. Die Klimakrise ist für viele immer noch abstrakt und in der Zukunft. Und es ist wissenschaftlich belegt, dass im Diskurs die Klimaleugnung zugenommen hat, so dass der Eindruck entstanden ist: Die Klimakrise ist gar nicht so schlimm, wie die uns sagen.
Was wollen Sie dagegen tun?
In einer Zeit, wo die Rechten versuchen, unsere Gesellschaft auch mit der Klimafrage zu spalten, müssen wir neu über die Klimakrise sprechen: Sie ist eine Frage der Sicherheit und der sozialen Gerechtigkeit. Klimaschutz funktioniert nur mit sozialer Gerechtigkeit. Wir müssen unsere Städte und Dörfer so umbauen, dass sie nicht nur gegen Hitze resistent sind, sondern gleichzeitig bessere Lebensqualität bieten. Klimaschutz bedeutet auch, das Leben sozial gerechter zu machen und den Wohlstand gerechter zu verteilen, denn Menschen mit weniger Einkommen sind am stärksten betroffen.
Wie wollen Sie das erreichen?
Bei der Debatte um Lützerath habe ich gemerkt: Es ist tragischerweise einfacher, für konkrete Dörfer und einen Wald zu kämpfen als für Gesetze. Es ist viel leichter, eine Demo mit 50.000 Menschen für den Erhalt eines Walds auf die Beine zu stellen als für einen Bundeshaushalt, der signifikant mehr Geld zum Beispiel für globalen Waldschutz zur Verfügung stellt, aber abstrakt ist. Deshalb brauchen wir neue Formen von gesellschaftlichem Protest und Diskurs, für politische Mehrheiten, um im Bundestag klimagerechte Veränderungen durchzusetzen.
13. Februar, 10 Uhr, Online
Vortrag CO₂-Kompensation – geht das “gut”?
Die Initiative KliMaWirtschaft diskutiert auf dem Event darüber, wie Unternehmen Treibhausgasneutralität erreichen können und welche Hindernisse es dabei gibt. Infos
13. Februar, 17 Uhr, Online
Webinar Bewahren, was wir lieben – Klimaschutz wählen!
Vor der Bundestagswahl präsentieren die Katholische Frauengemeinschaft Deutschlands und die Klima-Allianz Deutschland ihre Forderungen für ein modernes, nachhaltiges und sicheres Deutschland. Infos
13. Februar, 17 Uhr, Online
Studienvorstellung Kriminalisierung der Klimabewegung
Die Nichteregierungsorganisation Green Legal Impact stellt ihre Studie “Green Legal Spaces” zur aktuellen Kriminalisierung der Klimabewegung in Deutschland vor. Infos
13. Februar, 19 Uhr, Dortmund
Vortrag Grünes Blatt auf braunem Boden – Rechte Ideologien in der Landwirtschaft
Zuletzt mehren sich Berichte von völkischen und esoterischen Siedlungsprojekten, die Einfluss auf ökologische Anbauverbände und die biologische Lebensmittelwirtschaft nehmen wollen. Hinter der Fassade der naturnahen Landwirtschaft steckt ein antidemokratisches Weltbild, bei dem eine Strategie der rechten Landnahme verfolgt wird. Die Fachstelle Radikalisierungsprävention und Engagement im Naturschutz (FARN) informiert darüber. Infos
14. Februar
Demonstration Klimastreik
Unter dem Motto “Die Ampel ist Geschichte – Wir die Zukunft” will die Klimabewegung rund um Fridays for Future auf die Straße gehen. Damit soll auch Klimaschutz kurz vor der Bundestagswahl wieder zurück in die Debatte gebracht werden. Infos
14. bis 16. Februar, München
Konferenz Münchner Sicherheitskonferenz
Auf der Münchner Sicherheitskonferenz spielen Themenkomplexe am Schnittpunkt zwischen Klima und Sicherheit eine wachsende Rolle. Infos
17. bis 19. Februar, Augsburg
Fachtagung Umsetzungskrise in Klimaschutz und -anpassung sowie mögliche Auswege
Auf dieser Fachtagung des Deutschen Klima-Konsortiums in Kooperation mit dem Zentrum für Klimaresilienz der Universität Augsburg diskutieren führende Wissenschaftler über mögliche Auswege aus der Umsetzungskrise. Infos
18. Februar, 9.30 Uhr, Online
Webinar Regionale Wertschöpfung – Wie kommunaler Klimaschutz die regionale Wirtschaft fördert
Kommunaler Klimaschutz bietet vielfältige Chancen, nicht nur für die Umwelt, sondern auch für die regionale Wirtschaft. Durch eine strategische Herangehensweise bei der Planung und Umsetzung von Klimaschutzmaßnahmen können Kommunen die regionale Wertschöpfung steigern. Die Veranstaltung ist Teil der Reihe “Basics für die treibhausgasneutrale Kommune” der Agentur für kommunalen Klimaschutz. Infos
18. Februar, 18 Uhr, Online
Webinar Spitze bei Hitze – Das hitzerobuste Haus
Mit der Veränderung des Klimas in Folge der Erderwärmung treten immer häufiger extreme Wetterphänomene auf. Temperaturen im Sommer über 35 Grad Celsius führen zu Überhitzung von Innenräumen. Die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen klärt darüber auf, welche Maßnahmen in Gebäuden getroffen werden können. Infos
19. Februar, 10 Uhr, Hannover
Fachtagung Klimawandel, Gesundheit und Stadtplanung konsequent zusammen denken
Die Tagung richtet sich an kommunale Akteure und Akteurinnen in Niedersachen und soll sowohl für die Gesundheitsauswirkungen des Klimawandels sensibilisieren als auch mögliche Maßnahmen aufzeigen. Infos
Der Klimawandel gefährdet die nationale Sicherheit Deutschlands, könnte zu mehr Migration führen und Europa instabiler machen, wie aus einer gemeinsamen Untersuchung der Universität der Bundeswehr, des Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK), Adelphi Research und dem Bundesnachrichtendienst (BND) hervorgeht. BND-Präsident Bruno Kahl warnt, die Sicherheitsrisiken durch den Klimawandel seien neben dem expansiven Russland, den geopolitischen Ambitionen Chinas, zunehmenden Cybergefahren und dem internationalen Terrorismus “eine der fünf großen externen Bedrohungen für unser Land“.
Die “Nationale Interdisziplinäre Klimarisiko-Einschätzung” zeigt die Sicherheitsrisiken in vielen Dimensionen auf:
Um die Sicherheit Deutschlands in Zeiten der Klimakrise zu gewährleisten, müsse die Bundesregierung auf vier Handlungsfeldern aktiv werden:
Extremwetter-Ereignisse haben laut dem gestern veröffentlichten Climate Risk Index von Germanwatch in den letzten 30 Jahren weltweit über 765.000 Menschenleben gekostet und ökonomische Schäden von rund 4,2 Billionen US-Dollar verursacht. In Deutschland gab es demnach mehr als 18.000 Todesopfer und Schäden von gut 125 Milliarden. Der karibische Inselstaat Dominica, China, Honduras, Myanmar, Italien und Indien waren zwischen 1993 und 2022 am stärksten von extremen Stürmen, Hitzewellen, Überflutungen und Dürren betroffen. Mit Spanien und Griechenland liegen zwei weitere europäische Staaten unter den zehn am stärksten betroffenen Staaten. nib
Wenige Tage vor der Bundestagswahl wird das Deutschlandticket zum Wahlkampfthema. Führende Unionspolitiker zweifeln seine Finanzierbarkeit an, sind sich aber uneins über mögliche Lösungen. Auslöser der Debatte war eine Äußerung von Bayerns Verkehrsminister Christian Bernreiter (CSU), der zugleich Vorsitzender der Verkehrsministerkonferenz ist. Er forderte, der Bund müsse die Kosten für das Ticket künftig ganz übernehmen. Christian Haase, der haushaltspolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, sagte dagegen dem Portal Politico: “Wir müssen uns ehrlich machen: Über 2025 hinaus ist das Deutschlandticket nicht mehr zu finanzieren.” Sachsens Verkehrsministerin Regina Kraushaar (CDU) fordert ihrerseits, dass der Bund sich auch künftig “dauerhaft mindestens zur Hälfte” an der Finanzierung des Tickets beteiligen müsse. Die Kommunen bräuchten “möglichst schnell eine verlässliche Finanzierungszusage durch den Bund”.
Derzeit finanzieren Bund und Länder das Ticket jeweils mit 1,5 Milliarden Euro. Die Finanzierung ist aber nur bis Ende 2025 gesichert – und die tatsächlichen Kosten lagen nach Angaben des Verbands Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) im vergangenen Jahr mit 3,45 Milliarden Euro deutlich über den zugesagten Ausgleichszahlungen.
Im Wahlprogramm der Union kommt das Deutschlandticket nicht vor. Kanzlerkandidat Friedrich Merz hatte im November die Frage nach der Zukunft des Tickets als “sehr schwierig” bezeichnet und auf die Haushaltsplanungen verwiesen. Führende Politiker der SPD und Grünen kritisierten die Haltung der Union. Nordrhein-Westfalens Verkehrsminister Oliver Krischer (Grüne) sagte, der Bund müsse sich an der Finanzierung dauerhaft mindestens hälftig beteiligen. Auch Niedersachsens Verkehrsminister Olaf Lies (SPD) erklärte, die Zukunft des Tickets müsse nachhaltig gesichert werden, der Bund solle auch künftig die Hälfte der Kosten tragen.
Seit Jahresbeginn kostet das Ticket monatlich 58 statt 49 Euro. Im vergangenen Herbst war eine Ariadne-Studie zu dem Ergebnis gekommen, dass allein diese Preiserhöhung den Klimanutzen des Tickets fast halbieren könne. Sie war allerdings von sinkenden Nutzerzahlen ausgegangen, die in diesem Ausmaß bislang nicht eingetreten sind. ae/dpa
Kurz nach Ablauf der Frist hat Kanada bei den Vereinten Nationen sein nationales Klimaziel (NDC) für 2035 eingereicht. Darin erklärt das Land sich “verpflichtet und entschlossen”, seinen Beitrag zu leisten, um den globalen Temperaturanstieg auf deutlich unter zwei Grad und bestenfalls auf 1,5 Grad zu begrenzen – doch ein wenig ambitioniertes Reduktionsziel lässt daran zweifeln: Der Treibhausgasausstoß soll bis 2035 um lediglich 45 bis 50 Prozent gegenüber dem Jahr 2005 gemindert werden.
“Kanada hat den Reichtum und die Verantwortung, die Abkehr von fossilen Brennstoffen anzuführen”, sagt Natalie Jones, Politikberaterin am International Institute für Sustainable Development (IISD), zu Table.Briefings. “Aber der neue nationale Klimaplan wird diesem Potenzial nicht gerecht.” Beispielsweise werde der notwendige Rückgang der fossilen Produktion außer Acht gelassen. Auch Sarah Heck, Politikanalystin beim Climate Action Tracker (CAT), bewertet das NDC als “nicht ausreichend” für das 1,5-Grad-Limit. “Tatsächlich hat sich die Lücke zwischen 1,5 Grad und dem Ziel für 2035 im Vergleich zum Ziel für 2030 sowohl in absoluten als auch relativen Zahlen vergrößert”, sagt Heck zu Table.Briefings.
Im NDC setzt Kanada unter anderem auf einen “leistungsbezogenen” Emissionshandel für die Industrie und jährlich steigende Zertifikatspreise auf fossile Brennstoffe von derzeit rund 80 kanadischen Dollar je Tonne CO₂-Äquivalent. Weiter verweist das NDC darauf, dass die Stromerzeugung bereits zu 80 Prozent dekarbonisiert sei und Förderprogramme für die Heizungs- und Verkehrswende existierten. Auch untersuche das Land derzeit die Option, Emissionen im Ausland durch ITMOs (Internationally Transfered Mitigation Outcomes) auszugleichen.
Bislang hat Kanada kein ITMO-Abkommen mit einem Partnerland abgeschlossen. In einem öffentlichen Beteiligungsprozess zum NDC sprach sich eine Mehrheit der Bevölkerung dafür aus, dass Kanada die Emissionen zuvorderst im eigenen Land vermindern sollte, auch wenn dies von den Kanadiern und Unternehmen mehr Sofortmaßnahmen verlange. Experten und Umweltverbände kritisieren ITMO-Abkommen, da negative Auswirkungen auf Partnerländer derzeit nicht ausreichend berücksichtigt würden und reiche Länder gegenüber ärmeren begünstigt werden.
Das neue Ziel baut auf dem bisherigen Ziel auf, die Emissionen bis 2030 um 40 bis 45 Prozent unter das Niveau von 2005 zu senken. Kanada, ein führender Öl- und Gasproduzent, hat bisher aber jedes seiner Treibhausgasemissionsziele verfehlt. Derzeit sei das Land laut NDC “auf dem Weg”, bis 2030 eine Reduktion von 34 Prozent zu erreichen. Was die Regierung als “positives Ergebnis” bezeichnet, wäre allerdings eine um sechs Prozentpunkte niedrigere Reduktion als im NDC vorgesehen.
Einige Klimagruppen und auch das offizielle Beratungsgremium Net Zero Advisory Board hatten bereits im Dezember kritisiert, dass die angekündigten Ziele nicht ehrgeizig genug seien. Das Gremium hatte eine Reduktion von 50 bis 55 Prozent gefordert, Klimagruppen forderten sogar 80 Prozent. Kanadas bisheriges NDC wird vom Climate Action Tracker als “unzureichend” bewertet. lb
Die nächste Bundesregierung wird schnell ein Konzept entwickeln müssen, wie Wind- und Solaranlagen künftig finanziert werden. Die bisherige Förderung mittels Marktprämie, die gemäß EEG aus dem Bundeshalt bezahlt wird, ist von der EU nur bis Ende 2026 genehmigt. Spätestens dann muss die Förderung so umgestellt werden, dass der Staat nicht nur das Risiko trägt, indem er Mindestpreise für den eingespeisten Strom garantiert, sondern auch Gewinne abschöpft, wenn Höchstpreise überschritten werden. Alternativ könnte, wie etwa von der FDP und Teilen der Union gefordert, komplett auf staatliche Unterstützung verzichtet werden; die Erneuerbaren müssten sich dann allein am Markt finanzieren.
Der Thinktank Agora Energiewende hat am Mittwoch nun ein Konzept vorgelegt, das einen Kompromiss aus diesen Vorschlägen darstellt. Betreiber von Freiflächen-Solaranlagen und Windparks an Land können ihren Strom demnach in den ersten Jahren, für die wichtige Bedingungen wie die Strompreise gut vorhersehbar sind, komplett selbst über PPAs (Power Puchase Agreements) vermarkten. In dieser Zeit gäbe es keinen garantierten Mindestpreis, aber auch keine Gewinnabschöpfung bei hohen Preise. Zu einem späteren Zeitpunkt, den sie bei der Ausschreibung selbst festlegen können, würden dann Differenzverträge (Contracts for Difference, CfDs) zum Tragen kommen, die Mindest- und Höchsterlöse festlegen.
“Die Kombination aus beiden Instrumenten kann Investoren gegen niedrige Strompreise absichern und damit Kapitalkosten senken“, schreibt Agora. Allein auf PPAs zu setzen, sei dagegen nicht optimal. Aufgrund der großen Unsicherheiten über künftige Entwicklungen würde dies die Finanzierungskosten für neue Anlagen deutlich erhöhen. “Unser Vorschlag stellt sicher, dass durch die engere Verzahnung marktlicher Anreize mit staatlicher Absicherung die Stromkosten für Verbraucher und den Staat sinken. Zugleich bleiben Investitionen in Wind und Solar weiter attraktiv”, sagt Philipp Godron, Programmleiter Strom bei Agora. Anders als bisher würde sich die Vergütung im Agora-Konzept nicht mehr an der tatsächlich produzierten Strommenge orientieren, sondern an der theoretischen Produktion einer sogenannten Referenzanlage. Nach Angaben von Agora führten solche produktionsunabhängigen CfDs zu einer besseren Anpassung der Produktion an den Marktwert und den tatsächlichen Strombedarf.
Dieser Teil des Vorschlags stößt in der Branche auf Kritik. Der Bundesverband Erneuerbare Energien (BEE) befürchtet auf Grundlage einer umfassenden Untersuchung, dass dadurch erhebliche Rückzahlungen entstehen könnten, die die Erlöse übersteigen. “Die oft angeführten Marktverzerrungen durch produktionsabhängige CfD existieren in der Praxis kaum, während die Risiken produktionsunabhängiger CfD für Investitionen real und gravierend sind”, sagte BEE-Präsidentin Simone auf Anfrage von Table.Briefings. Agora räumt in der Studie ein, dass das Modell mit Risiken verbunden sei, hält diese aber für lösbar. Es müsse sichergestellt werden, “dass die Wirtschaftlichkeit der Investition nicht durch einen Referenzwert untergraben wird, der nur theoretischer Natur ist und in der Praxis regelmäßig nicht erreicht werden kann”, schreiben die Autoren. mkr
Überließe die Politik die Wärmewende ausschließlich dem Markt, würden die Heizkosten für Haushalte aller Wahrscheinlichkeit nach drastisch steigen. Zu dem Ergebnis kommt eine neue gemeinsame Untersuchung des Öko-Instituts und des Paritätischen Gesamtverbands. Ihre Analyse geht von der Annahme aus, dass das Gebäudeenergiegesetz (GEG) gekippt und allein ein CO₂-Preis eingesetzt würde, um Heizen klimafreundlich zu machen. Zentrales Ergebnis: “Es wäre ein CO₂-Preis von 524 Euro erforderlich, damit die CO₂-Emissionen genauso stark sinken, wie sie es durch das Heizungsgesetz bis 2030 voraussichtlich tun.”
Das würde bei Gas zu einem zusätzlichen CO₂-Kostenaufschlag von 10,52 Cent pro kWh führen – was einer Verdopplung des Gaspreises entsprechen würde. “Die finanziellen Folgen für Haushalte wären enorm.” Und anders als beim GEG, das nur jene Haushalte belaste, die ihre Heizung erneuern müssten, würde ein hoher CO₂-Preis alle Haushalte treffen, “auch jene, die ihre Heizung erst kürzlich ausgetauscht haben und daher keine kurzfristige Wechselmöglichkeit haben”. Öko-Institut und Paritätischer Gesamtverband fordern eine “soziale Wärmewende” mit gezielten Entlastungsmaßnahmen. Als ein Beispiel führen sie Social Leasing auf, das Wärmepumpen durch Ratenzahlung finanzierbar machen soll. ae
Greenpeace International hat am Dienstag vor einem Amsterdamer Bezirksgericht Klage gegen das US-Unternehmen Energy Transfer eingereicht. Dabei beruft sich die NGO, deren Hauptsitz in Amsterdam liegt, auf eine neue Richtlinie der Europäischen Union, die sogenannte SLAPP-Klagen eindämmen soll. Der Begriff bezeichnet Klagen, die strategisch darauf ausgerichtet sind, Kritiker einzuschüchtern oder zum Schweigen zu bringen, um eine kritische Beteiligung der Öffentlichkeit zu verhindern. Die neue Richtlinie ist ausdrücklich auch auf SLAPP-Klagen außerhalb des EU-Territoriums anwendbar. Laut Greenpeace ist die Klage der erste Anwendungsfall.
Energy Transfer betreibt Pipelines für fossile Brennstoffe. Das Unternehmen verklagt Greenpeace in North Dakota auf 300 Millionen US-Dollar, weil die NGO gemeinsam mit anderen Umweltgruppen und indigenen Organisationen gegen die Dakota Access Pipeline protestiert hatte. Durch die eigene Klage fordert Greenpeace jetzt das Amsterdamer Bezirksgericht dazu auf, das US-Verfahren zu einer SLAPP-Klage zu erklären und Energy Transfer zu Schadenersatzzahlungen zu verurteilen. Das Unternehmen hat bis Juli Zeit, darauf zu reagieren.
Unterdessen geht eine weitere richtungsweisende Klimaklage in die nächste Runde. Die niederländische Klimaorganisation Milieudefensie zieht gegen den Ölkonzern Shell vor den Obersten Gerichtshof des Landes, den Hoge Raad. Milieudefensie fordert weiterhin, Shell solle verpflichtet werden, die Emissionen des Unternehmens und seiner Produkte (Scope 1 bis 3) um eine konkrete Quote zu reduzieren. Dafür gebe es eine “mehr als ausreichende” rechtliche Basis. Ein niederländisches Gericht hatte Shell 2021 in einem Grundsatzurteil auferlegt, diese Emissionen bis 2030 um 45 Prozent unter den Stand von 2019 zu senken. Doch im November 2024 hob ein Berufungsgericht die konkrete Zahl wieder auf, bestätigte jedoch Shells grundsätzliche Verpflichtung zum Klimaschutz. Shell reagierte zuversichtlich auf Milieudefensies Gang vor den Hoge Raad. ae
Die europäischen Hersteller von Elektrolyse-Anlagen zur Produktion von grünem Wasserstoff leiden unter gewaltigen Überkapazitäten. Dies geht aus einer Studie der Beratungsgesellschaft PwC Strategy& hervor, die Table.Briefings vorab vorliegt. Zugleich drängen chinesische Konkurrenten mit Niedrigpreisen auf die europäischen Märkte.
Bis Ende 2024 haben die Hersteller in Europa Kapazitäten aufgebaut, die für die Produktion von Elektrolyseuren mit einer Gesamtleistung von acht Gigawatt ausreichen. Allein das im September eröffnete Werk von MAN Energy Solutions in Hamburg kann pro Jahr Anlagen mit einer Leistung von einem Gigawatt produzieren. Etwa ebenso groß ist die Fabrik von Siemens Energy in Berlin. Doch 2024 konnten die europäischen Hersteller nur Elektrolyseure mit einer Leistung von insgesamt 1,6 Gigawatt verkaufen. Dies entsprach gerade einmal einer Auslastung von 20 Prozent der derzeit betriebenen Fabriken.
Elektrolyseure werden benötigt, um chemische Verbindungen aufzuspalten. Sie sind wesentlich für die Herstellung von (grünem) Wasserstoff. Emissionsintensive Branchen wie Stahl, Glas oder Chemie zögern aufgrund der hohen Kosten aktuell aber noch mit dem Einsatz. Lediglich in Raffinerien, wo Wasserstoff zur Entschwefelung von Benzin und Diesel benötigt wird, besteht aufgrund regulatorischer Auflagen eine größere Nachfrage. Denn bei der Produktion von Kraftstoffen müssen zunehmend karbonarme Verfahren eingesetzt werden.
Angesichts der schwachen Nachfrage hat BP im Oktober 18 Projekte zur Produktion von grünem Wasserstoff auf Eis gelegt. Auch Shell und Uniper kündigten im Herbst 2024 an, mehrere Vorhaben einzustellen. Die drei Unternehmen wollen aber grundsätzlich an dieser karbonarmen Energie festhalten.
Zugleich wollen chinesische Hersteller in Europa gleich mehrere Werke zur Produktion solcher Anlagen bauen. Sie bevorzugen dabei Länder, in denen Ökostrom günstig erzeugt werden kann und die Elektrolyse deshalb langfristig gute Chancen hat. Dies sind zum einen Norwegen und Schweden, wo billige Wasserkraft reichlich vorhanden ist. Zum anderen gehen die Chinesen nach Spanien, einem der sonnenreichsten Länder Europas.
Laut PwC Strategy& haben chinesische Elektrolyse-Hersteller, die in ihrer Heimat vom Staat großzügig gefördert werden, in diesen drei Ländern 2024 ein halbes Dutzend Projekte gestartet. In der Regel gehen sie hierbei Partnerschaften mit einheimischen Unternehmen ein, um besseren Zugang zu den lokalen Märkten zu erhalten. Günter Heismann
In vielen Klimaszenarien ist Bioenergy with Carbon Capture and Storage (BECCS) eine zentrale Technologie zur Begrenzung der Erderwärmung auf unter 1,5 Grad und ist sogar für das Zwei-Grad-Limit noch von großer Bedeutung. Für BECCS werden Pflanzen mit schnellem Wachstum angebaut und verbrannt. Das freigesetzte CO₂ wird gebunden und schließlich gespeichert.
Während das theoretische Potenzial solcher “Klima-Plantagen” deutlich höher als die im Mittel der Szenarien angenommene CO₂-Entnahme wäre, so eine Studie des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK), drehe sich das Bild mit Blick auf die planetaren Grenzen um: “Die Milliarden Tonnen sind über diese Technologie bei weitem nicht erreichbar”, schlussfolgern die Autorinnen und Autoren. Mit den planetaren Grenzen vereinbar seien statt 7,5 Milliarden lediglich 200 Millionen Tonnen CO₂-Entnahme im Jahr 2050.
Die Studie bezieht sich in ihren Computersimulationen auf ein Biosphären-Modell, das die neun planetaren Grenzen berücksichtigt, welche die Lebensgrundlage der Menschheit abbilden. Sechs dieser Grenzen sind bereits überschritten, vier von ihnen sind landbezogen – stehen also im Nutzungskonflikt mit Plantagen, die für BECCS nötig wären. Würde man mehr auf BECCS setzen, müssten etwa Landwirtschaftsflächen weichen. Das sei wiederum nur machbar, wenn das Ernährungssystem weniger auf tierische Produkte ausgerichtet wird. Selbst in diesem Fall dürfte die weltweit verfügbare Fläche aber nicht ausreichen, um auf die 7,5 Milliarden Tonnen CO₂-Entnahme zu kommen. lb
Climate Change News: Rücktritt mit Verzögerung. Susana Muhamad, seit 2022 Umweltministerin Kolumbiens und Vorsitzende der UN-Biodiversitätsverhandlungen bei der COP16, hat ihren Rücktritt angekündigt, aber Präsident Gustavo Petro gebeten, noch bis Ende Februar im Amt bleiben zu können, um die Biodiversitätskonferenz abzuschließen. Bei der Wiederaufnahme der COP16 müssen die Regierungen wichtige Entscheidungen zur Naturfinanzierung und einem Überwachungsrahmen für Fortschritte bei der Naturwiederherstellung treffen. Diese Themen blieben nach den Verhandlungen im vergangenen Jahr in Cali, Kolumbien, ungelöst. Zum Artikel
The Guardian: Nachhaltigkeit und KI. Die Eröffnungsgespräche eines globalen Gipfels in Paris, an dem politische Führer, Technologiemanager und Experten teilnahmen, drehten sich um die Auswirkungen künstlicher Intelligenz auf Umwelt und Ungleichheit. Kritiker erkennen zwar das Potenzial der KI zur Begrenzung des Klimawandels, bemängeln jedoch die derzeit fehlende Nachhaltigkeit. Zum Artikel
Mongabay: Hoffnung Neembaum. In der sudanesischen Region Darfur führte erhebliche Abholzung in den letzten Jahrzehnten zu Umweltproblemen. Die Initiative “The Safe Space for Women and Girls” engagiert sich für die Wiederaufforstung, indem sie Neembäume pflanzt. Diese Bäume bieten Schatten, Öl, Früchte und Materialien für Handarbeiten. Zum Artikel
Euractiv: Ungarn will fracken. Ungarn plant ein umfangreiches Gas-Fracking-Projekt in Grenznähe zu Rumänien und stellt sich damit gegen die Klimapolitik der EU. Fracking gilt als äußerst umweltschädlich und hat gravierende Auswirkungen auf Natur und Gesundheit. Umweltorganisationen befürchten, dass die Projekterweiterung ohne eine vollständige Umweltverträglichkeitsprüfung oder grenzüberschreitende Untersuchung erfolgen könnte, insbesondere, da das Projekt nur zehn Kilometer von der rumänischen Grenze entfernt liegt. Zum Artikel
Klimareporter: Abwärme nutzen. Die Deutsche Energieagentur (Dena) schätzt, dass jährlich etwa 125 Milliarden Kilowattstunden Abwärme aus Gewerbe und Industrie ungenutzt bleiben. Ein Teil dieser Energie kann direkt in den Unternehmen genutzt werden, sofern entsprechende Rückgewinnungsverfahren eingesetzt werden. Nicht verwendete Abwärme kann unter geeigneten Bedingungen zur Beheizung von Häusern verwendet werden – etwa durch Einspeisung in Wärmenetze – und somit fossile Energieträger ersetzen. Zum Artikel
Zeit: Dubioser Umweltschützer. Tankah Enterprise baut in Mexiko angeblich ökologische Luxussiedlungen auf bewaldeten Flächen. Die Mehrheit des Unternehmens gehört Karolin Finkbeiner, der Frau von Frithjof Finkbeiner, dem Gründer der bekannten deutschen Umweltinitiative Plant-for-the-Planet. Anstatt Bäume zu pflanzen, wird hier aber für Immobilien gerodet. Zum Artikel
die Bereitstellung von bezahlbarem Wasserstoff ist zentral für die Dekarbonisierung der deutschen Wirtschaft. Doch während die europäischen Hersteller von Elektrolyse-Anlagen mit massiven Überkapazitäten kämpfen, geht der Ausbau der Importpipelines für Wasserstoff zu langsam voran. Experten sehen die nächste Bundesregierung in der Pflicht, die Pipelines voranzutreiben und die Nachfrage abzusichern, analysiert Nico Beckert.
Auch die Dekarbonisierung der Schifffahrt ist herausfordernd, denn große Tanker sind bis zu 40 Jahre im Betrieb. Entsprechend früh müsste für den Klimaschutz gehandelt werden. Eine wachsende Zahl von Ländern fordert jetzt einen CO₂-Preis im Schiffsverkehr, darunter Panama und Liberia, unter deren Flagge besonders viele Handelsschiffe segeln. Mit den Einnahmen soll die Transformation finanziert werden. Dass die Emissionen teurer werden, soll für zusätzliche Lenkungswirkung sorgen. Mitte Februar verhandelt die International Maritime Organization darüber. Wie die Chancen auf eine Einigung stehen, hat sich Fritz Vorholz angeschaut.
Außerdem lesen Sie heute bei uns ein Interview mit der früheren Aktivistin und aktuellen Bundestagsabgeordneten Kathrin Henneberger. Es sei “einfacher, für Dörfer und einen Wald zu kämpfen als für Gesetze”, sagt die Politikerin der Grünen zu Bernhard Pötter. Außerdem spricht sie über ihre Erfolge im Bundestag, was sie gelernt und welche Enttäuschungen sie erlebt hat.
Wir wünschen Ihnen eine spannende Lektüre!
Die nächste Bundesregierung muss bei der Wasserstoffversorgung der deutschen Industrie Tempo machen. Einige Stahlhersteller befürchten, dass mittelfristig nicht genug Wasserstoff zu wettbewerbsfähigen Preisen verfügbar sein wird. Erste Unternehmen wollen daher Förderbescheide der EU zum Einsatz von grünem Wasserstoff nachverhandeln, um erst später auf die klimaschonende Stahlproduktion umsteigen zu müssen, wie das Handelsblatt berichtet.
Zwischen 50 und 70 Prozent des Wasserstoffbedarfs Deutschlands könnten zukünftig aus dem Ausland kommen, weil die Produktionskosten dort geringer sind. Der Bau von Importpipelines dauert vier bis fünf Jahre und schon heute gibt es Verzögerungen bei der Planung der Pipelines. “Beim Wasserstoff haben wir keine Zeit mehr zu verlieren”, mahnt Mathias Koch, Wasserstoffexperte des Thinktanks Agora Energiewende. Werden die politischen Anstrengungen nicht erhöht, könnte die Stahl- und Chemieindustrie erst später auf Wasserstoff umsteigen. Die Klimaziele geraten somit in Gefahr.
Laut einer Agora-Studie sollen Pipelines aus Dänemark und Norwegen schon 2030 Wasserstoff nach Deutschland liefern. Doch der Bau einer dänischen Pipeline verzögert sich aufgrund einer Umweltverträglichkeitsprüfung voraussichtlich auf 2031. Und eine geplante Pipeline für blauen Wasserstoff aus Norwegen wurde kürzlich auf Eis gelegt, weil es laut norwegischer Seite keine ausreichende Nachfrage gäbe.
Es ist nicht ungewöhnlich, dass es bei derart kapitalintensiven Projekten zu Verzögerungen kommt. Die Pipeline aus Dänemark werde trotz dieser Verzögerungen schnell vorankommen, meinen Experten im Gespräch mit Table.Briefings. Zudem gibt es Gespräche zwischen den Niederlanden und Nordrhein-Westfalen, um Pipelines aus den Niederlanden in die industriellen Zentren NRWs zu verlegen. Der BDI hingegen ist skeptischer. Der für den Wasserstoffimport “erforderliche Infrastrukturausbau erscheint bis Ende der Dekade allerdings kaum realistisch”, heißt es in einer BDI-Publikation. Und auch eine neue Studie des Global Energy Monitors (GEM) warnt, trotz der Unterstützung durch europäische Regierungen befinde sich die Entwicklung der Infrastruktur “noch im Anfangsstadium”.
Beim Bau der Importpipelines gibt es unterschiedliche Herausforderungen:
Kleine Fortschritte gibt es immerhin beim sogenannten Südkorridor. Deutschland, Algerien, Österreich, Italien und Tunesien haben Mitte Januar eine Absichtserklärung zur Entwicklung des südlichen Wasserstoffkorridors unterzeichnet. Der Korridor soll Tunesien und Algerien über 3.500 bis 4.000 Kilometer lange Wasserstoffpipelines mit den europäischen Abnehmern verbinden. Der europäische Teil soll aus 60 bis 70 Prozent umgerüsteten Erdgaspipelines bestehen. “Als nächsten Schritt” müsse nun “die Wasserstoffpipeline nach Nordafrika konkretisiert werden”, so das deutsche Wirtschaftsministerium. Allerdings gibt es Zweifel, ob Tunesien und Algerien die Wasserstoffproduktion schnell genug hochfahren können. Die beiden Staaten prognostizieren, bis 2030 insgesamt rund 330.000 Tonnen Wasserstoff exportieren zu können, was nur gut acht Prozent der Pipelinekapazität ausmacht.
Damit es in Zukunft genug Wasserstoff gibt, muss die Politik auch die Nachfrage anreizen und absichern, sagt Agora-Experte Koch. Haben Investoren keine langfristigen Verträge mit Abnehmern, könnten sie ihre Pipeline- und Elektrolyse-Vorhaben zurückziehen oder verzögern. Um eine sichere Nachfrage zu garantieren, sollte die Politik grüne Leitmärkte ausbauen und Standards und Quoten für bestimmte Produkte wie grünen Stahl oder Ammoniak für die Düngerherstellung einführen, die einen Mindestanteil grünen Wasserstoffs vorsehen, fordert auch die Stiftung Klimaneutralität. Auch die öffentliche Beschaffung grünen Stahls könne die Nachfrage anreizen.
Der Bundesverband der deutschen Industrie (BDI) fordert zudem, die Wasserstoffproduktion in Deutschland zu fördern, “um in der Frühphase Wasserstoff zu bezahlbaren Preisen zur Verfügung stellen zu können”. Grüner Wasserstoff sei in Deutschland aber aus Kostengründen nur in begrenztem Umfang zu produzieren. Der BDI schlägt auch die “heimische Produktion von blauem Wasserstoff” vor – Wasserstoff, der mit Erdgaseinsatz und der Abscheidung und Speicherung von CO₂ produziert wird.
Die CDU/CSU ist bei blauem Wasserstoff nicht abgeneigt. Doch dafür müsste zunächst das CO₂-Speicherproblem gelöst werden, was ebenso Investitionen in Infrastruktur wie CO₂-Pipelines bedeutet. Zudem gibt es in diesem Fall Methan–Emissionen aus der Gasförderung und dem -transport. Auch beim blauen Wasserstoff bräuchte es also mehr politische Anstrengungen als bisher.
In die Bemühungen um den Klimaschutz auf hoher See kommt Bewegung. Eine wachsende Zahl von Ländern macht sich bei der International Maritime Organization (IMO) dafür stark, den Treibhausgasausstoß von Seeschiffen nicht nur mit technischen Vorgaben, sondern auch mithilfe eines “ökonomischen Elements” zu mindern – sprich: mithilfe einer Abgabe auf den Ausstoß von Treibhausgasen. Es wäre die erste weltweit erhobene Klimaschutzabgabe.
Zu ihren Befürwortern gehören einige vom Meeresspiegelanstieg bedrohte pazifische Inselstaaten, sämtliche EU-Mitgliedsländer und vor allem Panama, Liberia und die Marshall Islands. Noch sind sie in der Minderheit. Aber unter ihrer Flagge verkehrt mehr als die Hälfte aller Seeschiffe, gemessen an der Tonnage. Für die Willensbildung bei der IMO hat das hohen Symbolwert. Deshalb dürften die Chancen für eine Einigung gut stehen.
Mitte Februar werden die Verhandlungen auf Arbeitsebene fortgesetzt, im April soll eine Einigung erzielt werden, die im Herbst final abgesegnet werden könnte. Unklar ist, wie die neue US-Regierung unter Donald Trump in der Sache agiert – und ob die übrigen IMO-Mitglieder sie im Ernstfall überstimmen würden.
Auf den Weltmeeren sind mehr als 100.000 Schiffe unterwegs, vor allem Frachter. Sie wickeln 90 Prozent des Welthandels ab, verbrauchen jährlich rund 300 Millionen Tonnen fossile Treibstoffe und sorgen für rund drei Prozent der globalen Emissionen von klimaschädlichem Kohlendioxid (CO₂) – weitgehend unbehelligt von Vorschriften.
Lediglich Schiffe, die in den Europäischen Wirtschaftsraum einfahren oder ihn verlassen, müssen für jede Tonne CO₂ einen Preis bezahlen. Der Grund: 2024 wurde der Seeverkehr in den Europäischen Emissionshandel (ETS) einbezogen. Die hiesigen Reeder sehen darin ein Hindernis für den globalen Handel und drängen auf weltweit einheitliche Vorgaben – so, wie sie bei der IMO jetzt zur Debatte stehen. Das europäische Regelwerk müsse dann “rasch mit dem internationalen System harmonisiert werden, sobald es beschlossen ist”, fordert der Verband Deutscher Reeder (VDR).
Seeschiffe sind zwar in puncto Energieeffizienz besser als jedes andere motorisierte Transportmittel. Doch der wachsende Welthandel lässt ihre CO₂-Emissionen steigen. Weil diese einzelnen Verursacherstaaten kaum zuzurechnen sind, werden sie bei der Entwicklung nationaler Klimaziele nicht berücksichtigt. Darauf hat man sich im Rahmen der UN-Verhandlungen zum globalen Klimaschutz geeinigt. Allerdings wurde schon bei der ersten UN-Klimakonferenz 1995 in Berlin beschlossen, dass die IMO sich der Sache annehmen solle.
Die IMO ist die UN-Sonderorganisation für Angelegenheiten des internationalen Seetransports. Ihr gehören 176 Mitgliedsländer an. Bisher liegt ihr Fokus darauf, Standards für einen sicheren Schiffsbetrieb zu setzen – auf der Basis etablierter, also fossiler Antriebstechnologien. Doch zur Entwicklung innovativer, klimaverträglicher Antriebssysteme hat die in London ansässige Behörde bisher wenig beitragen können.
Dafür gibt es einige Gründe: zu wenig Personal für Forschung und Entwicklung, Unklarheit über das Mandat der Behörde und das Streben nach Konsens, heißt es im Fachblatt Marine Policy. Laut Gesetz sind Mehrheitsentscheidungen zwar möglich, doch tatsächlich herrscht “eine ausgeprägte Kultur und Tradition, Entscheidungen im Konsens zu treffen”, so eine Analyse des Aspen Institute.
Das lähmt die Entscheidungsprozesse. Erst 2018 konnten sich die IMO-Mitglieder auf einen obendrein wenig ambitionierten Plan zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen einigen. 2023 wurde das Ambitionsniveau angehoben. Nun heißt es, die Treibhausgasemissionen der Seeschifffahrt sollten um das Jahr 2050 herum “netto null” betragen.
Ozeanschiffe haben eine Lebensdauer von bis zu 40 Jahren. Wenn die Schifffahrt um 2050 herum klimaneutral sein soll, muss also schnell gehandelt werden. Hier kommt der Vorschlag ins Spiel, den Ende Dezember vergangenen Jahres 47 Länder mit Unterstützung der International Chamber of Shipping (ICS), der Interessenvertretung der Schiffseigner und -betreiber, gemacht haben, und der jetzt auf der IMO-Tagesordnung steht: eben eine Abgabe auf die Treibhausgasemissionen von Schiffen. In dem Papier werden auch Beträge genannt, die allerdings sämtlich noch in eckigen Klammern stehen, also umstritten sind: 18,75 US-Dollar, 100 US-Dollar oder 150 US-Dollar – jeweils pro Tonne emittiertem CO₂-Äquivalent.
Kommt die Abgabe, hätten die Betreiber einen Anreiz, den Energieverbrauch ihrer Schiffe zu reduzieren. Optimierte Formen von Schiffsrümpfen können dazu beitragen, ebenso wie Segel zur Unterstützung der Schiffsdiesel, besseres Flottenmanagement oder die Reduzierung der Geschwindigkeiten. Damit und mit einigen weiteren Maßnahmen ließen sich die Emissionen laut IMO relativ kurzfristig um rund ein Drittel senken. “Netto null” erfordert indes vollkommen neue Antriebssysteme: emissionsarme oder -freie Treibstoffe, passende Motoren und die erforderlichen Hafeninfrastrukturen. All das ist weltweit und in großem Maßstab längst nicht verfügbar.
Die Abgabe kann deshalb kurzfristig nur eine begrenzte Lenkungswirkung haben, ihr primärer Zweck ist die Erzielung von Einnahmen. Eine wachsende Zahl ärmerer Länder hat bereits Ansprüche darauf angemeldet, als Kompensation für befürchtete Nachteile beim Im- und Export. Andere drängen darauf, die erwarteten Milliarden im maritimen Sektor zu verwenden: unter anderem für die Entwicklung CO₂-freier oder -armer Treibstoffe – und für die Förderung von deren Markthochlauf.
Als aussichtsreichste Kandidaten für die neuen Treibstoffe gelten E-Methanol und E-Ammoniak – erneuerbare Energieträger, die mit per Elektrolyse CO₂-frei erzeugtem Wasserstoff hergestellt werden. Die Abgabe kann ihre Nutzung beschleunigen, sie kann aber nicht verhindern, dass auf diese Weise der Transport auf den Weltmeeren deutlich teurer wird. Weil die Transportkosten nur einen geringen Anteil an den Produktpreisen ausmachen, sind die Effekte auf das weltweite Wirtschaftswachstum und das Preisniveau aber fast zu vernachlässigen, so die IMO-Folgenabschätzung.
Ob die neue US-Regierung das Vorhaben torpedieren wird, darüber kann bisher nur spekuliert werden. Fest steht indes: In der Seeschifffahrt spielt das ansonsten so mächtige Land nur eine kleine Rolle – nur 0,6 Prozent der weltweiten Tonnage verkehren unter US-Flagge.
Table.Briefings: Frau Henneberger, was haben Sie sich vorgenommen, als Sie vor dreieinhalb Jahren als Aktivistin der Klimabewegung in den Bundestag kamen?
Kathrin Henneberger: Sehr groß gesprochen: Ich wollte das Ende des fossilen Zeitalters erreichen. Und für meine Region wollte ich, dass wir den Kohleausstieg im rheinischen Revier umsetzen und festschreiben und so viele Dörfer wie möglich retten.
Wie ist Ihre Bilanz? Das fossile Zeitalter ist noch nicht beendet.
Nein, noch lange nicht. Aber es ist schon erstaunlich, was wir alles erreicht haben. Und gleichzeitig lesen wir die wissenschaftlichen Berichte, dass wir jetzt global bei der Erwärmung die 1,5 Grad-Grenze überschritten haben. Das ist natürlich das Gegenteil von “Hey, wir haben etwas erreicht!”
Was finden Sie erstaunlich an der Bilanz?
Es gibt Erfolge zum Anfassen. Früher habe ich Führungen durch die fünf Dörfer gemacht, die für den Tagebau Garzweiler abgebaggert werden sollten, und habe immer nur gesagt: Das kommt alles weg, hier der Wald, dort der Friedhof. Das war so ein ohnmächtiges Gefühl. Heute sage ich: Dies ist gerettet, dieser 300 Jahre alte Baum kann weiterleben. Das macht mich jedes Mal sehr glücklich.
Finden Sie die Bilanz der Ampel in der Klimapolitik auch erstaunlich?
Mit Blick auf den Energiesektor schon. Wir sind jetzt bei 60 Prozent Erneuerbare im Stromsektor. Das haben wir nur geschafft, weil wir im Eiltempo ein Gesetz nach dem anderen durch das Parlament gebracht haben. Wir haben den Kohleausstieg im Rheinischen Braunkohlerevier festgeschrieben. Und manchmal sind Nebensätze entscheidend, das habe ich gelernt: Ich habe es geschafft, dass jetzt im Text steht, dass bei der Überprüfung des Ausstiegs im Rheinland 2026 nicht nur auf Energiesicherheit geprüft wird, sondern auch auf die Einhaltung der Klimaziele.
Sie sind nach Berlin gekommen, um das fossile Zeitalter zu beenden, und Sie haben Halbsätze erreicht?
Nein, fünf Dörfer sind kein Halbsatz. Ich habe mich auch sehr gefreut, dass wir den Ausstieg aus der Energiecharta geschafft haben. Da haben die Leute vorher gesagt: Das schafft ihr nie! Auch bei den Haushaltsverhandlungen haben wir es geschafft, hunderte Millionen Euro in Richtung globale Klimafinanzierung und Biodiversitätsfinanzierung umzuschichten. Das sind Themen, die unglaublich wichtig sind, wenn wir das fossile Zeitalter beenden wollen.
Gleichzeitig hat die Ampel-Koalition etwa das Klimaschutzgesetz verwässert und viele Klimavorhaben wie den Klima-Check für Gesetze oder den Abbau von fossilen Subventionen nicht umgesetzt. War die Ampel gut für das Klima?
Die grüne Beteiligung an der Ampel war sehr gut für das Klima. Das Problem war, dass immer wieder die FDP komplett blockiert hat, auch etwa bei der Entwicklungszusammenarbeit. Da habe ich dann manchmal bewusst an der FDP vorbeigearbeitet. Das macht man halt, wenn ein Akteur blockiert.
Sie sind als Aktivistin Abgeordnete geworden. Haben Sie einen anderen Blick bekommen?
Meine Arbeitsweise hat sich nicht viel verändert, aber ich habe viel gelernt. Verändert haben sich die Zugänge, die ich nutzen konnte. Primär für die Kämpfe bei mir zu Hause vor Ort, aber auch international. Da konnte ich als Parlamentarierin viel mehr Raum für Themen und Menschen schaffen, mit parlamentarischem Schutz oder Patenschaften, etwa bei der Arbeit gegen die Ölpipeline EACOP in Uganda.
Fühlen Sie sich als Abgeordnete mächtiger denn als Aktivistin?
Als Klimaaktivistin in Deutschland kann ein Mensch viel bewegen, je nachdem, wie viel Arbeit man da reinsteckt. Auf globaler Ebene kann ich als Abgeordnete mehr bewegen. Aber es sollte nie unterschätzt werden, wie viel auch Aktivistin:innen im Parlament erreichen können: Ich kann nachfragen, nachbohren und gerade im globalen Kontext Menschen schützen, die unter Repressionen leiden.
Sind Sie noch Aktivistin, die ein eigenes Ziel verfolgt? Oder Parlamentarierin, die das gesamte Volk vertritt?
Wir repräsentieren die Bevölkerung von Deutschland in all ihrer Vielfalt. Ich habe keinen Parlamentarier kennengelernt, der oder die sagt, wir vertreten die Meinung der gesamten Bevölkerung. Ich berufe mich in meiner Arbeit auf wissenschaftliche Erkenntnisse und Klimaaktivismus ist ja nicht die Durchsetzung von egoistischen Eigeninteressen, wie es manche Lobbygruppen tun. Sondern ich bin aus demselben Grund Klimaaktivistin, aus dem ich Parlamentarierin geworden bin: Um die große Ungerechtigkeit der Klimakrise zu bekämpfen, dazu beizutragen, dass wir eine Chance auf Zukunft in einer besseren und gerechteren Welt haben. Und es geht ja voran: Noch 2015 sind wir aggressiv dafür angepöbelt worden, wenn wir in der Öffentlichkeit über den Kohleausstieg gesprochen haben. Jetzt ist der Ausstieg Konsens.
Sie hatten als Abgeordnete viel Kontakt zu Menschen, die anders denken, etwas anders wollen, zu Lobbyisten, zu Konservativen. Was haben Sie von ihnen gelernt?
(Überlegt lange) Ich erinnere mich eher an ganz viele Szenen, wo ich mich gestritten habe. Ich habe also gelernt, dass ich immer besser vorbereitet sein muss als die Gegenseite.
Wie sehr hat sich Ihr Verhältnis zu Ihrer Basis, zur Klimabewegung, verändert? Viele sagen doch sicher: Mensch, Kathrin, was macht ihr denn da in Berlin?
Ist ja gut, wenn sie mir das sagen. Protest sehe ich immer eher als Wind in meinem Segel als ein Problem. Also ist es doch super, wenn die Fridays for Future jetzt zum nächsten Klimastreik aufrufen. Ich freue mich immer, wenn Menschen auch aus meinem alten Umfeld auf mich zukommen und sagen ‘Hey Kathrin, hier gibt es noch ein politisches Problem, da bin ich drüber gestolpert, kannst du mir das mal erklären? Oder hier ist etwas, damit bin ich nicht einverstanden’.
Sie denken nicht, bei den Versäumnissen der Ampel im Klimabereich: Da haben wir versagt?
Den Kohleausstieg umzusetzen und bei 60 Prozent Erneuerbaren zu sein ist kein Versagen. Das hat mir bisher auch noch nie jemand zurückgespiegelt.
War die Arbeit im Bundestag einfacher oder schwerer als Sie dachten?
Das Parlament ist auf jeden Fall patriarchaler, als ich es gedacht hatte. Weil ich eine Frau und eine Aktivistin bin, bin ich mehrfach definitiv anders behandelt worden. Ich wurde nicht ernst genommen und habe dumme Kommentare abbekommen, mehr als andere Abgeordnete. Das war besonders so in den Ausschüssen. Wenn ich im Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit Expertinnen einlade, die nicht aus Mitteleuropa kommen und keinen Professorentitel haben. Da gab es Kommentare wie: Ist die denn überhaupt kompetent? Da bin ich dann in solchen Runden auch mal etwas lauter geworden. Wenn ich ein alter weißer Mann gewesen wäre, der die Person vorgeschlagen hätte, wäre es sicher eher akzeptiert worden. Und am Anfang der Legislaturperiode hat sich mal mein Ausschussvorsitzender beschwert, ich würde ja immer so grimmig schauen und nicht lächeln. Ganz absurde Sachen.
Gab es positive Überraschungen?
Da sind die Freundschaften, die ich geknüpft habe mit anderen Kolleginnen. Und die gute Zusammenarbeit, die ich inzwischen mit den Ministerien habe. Am Anfang haben die bestimmt gedacht, Oh mein Gott, wer ist denn das jetzt? Kommt aus dem Aktivismus und sitzt jetzt hier in unseren Runden, wo wir Dinge besprechen, die nicht für die Öffentlichkeit gedacht sind. Ich wurde behandelt wie eine heiße Kartoffel. Aber dann ist da Vertrauen gewachsen und die Einsicht, dass ich manchmal Wissen und Perspektiven einbringen kann, die vorher nicht gesehen wurden.
Sie sagten, es war für das Klima gut, dass die Grünen in der Regierung waren. War es auch für die Grünen gut, das Klima zu thematisieren? Derzeit ist das ein Verliererthema.
Das Thema kommt in Zyklen. Wir hatten schon 2009 in Kopenhagen eine krasse Klimabewegung aufgebaut, dann ist das implodiert. Eine Bewegung kommt nicht von allein. Die muss man aufbauen. Und das Gute ist, dass die Bewegung für Klimagerechtigkeit eine viel stärkere Grundbasis hat, als wir sie je hatten, von kirchlichen Verbänden bis zu Fahrradinitiativen.
Wenn das so ist, warum hört man so wenig von ihr?
Wir Menschen reagieren auf Dinge, die dringlich im Hier und Jetzt sind. Die Klimakrise ist für viele immer noch abstrakt und in der Zukunft. Und es ist wissenschaftlich belegt, dass im Diskurs die Klimaleugnung zugenommen hat, so dass der Eindruck entstanden ist: Die Klimakrise ist gar nicht so schlimm, wie die uns sagen.
Was wollen Sie dagegen tun?
In einer Zeit, wo die Rechten versuchen, unsere Gesellschaft auch mit der Klimafrage zu spalten, müssen wir neu über die Klimakrise sprechen: Sie ist eine Frage der Sicherheit und der sozialen Gerechtigkeit. Klimaschutz funktioniert nur mit sozialer Gerechtigkeit. Wir müssen unsere Städte und Dörfer so umbauen, dass sie nicht nur gegen Hitze resistent sind, sondern gleichzeitig bessere Lebensqualität bieten. Klimaschutz bedeutet auch, das Leben sozial gerechter zu machen und den Wohlstand gerechter zu verteilen, denn Menschen mit weniger Einkommen sind am stärksten betroffen.
Wie wollen Sie das erreichen?
Bei der Debatte um Lützerath habe ich gemerkt: Es ist tragischerweise einfacher, für konkrete Dörfer und einen Wald zu kämpfen als für Gesetze. Es ist viel leichter, eine Demo mit 50.000 Menschen für den Erhalt eines Walds auf die Beine zu stellen als für einen Bundeshaushalt, der signifikant mehr Geld zum Beispiel für globalen Waldschutz zur Verfügung stellt, aber abstrakt ist. Deshalb brauchen wir neue Formen von gesellschaftlichem Protest und Diskurs, für politische Mehrheiten, um im Bundestag klimagerechte Veränderungen durchzusetzen.
13. Februar, 10 Uhr, Online
Vortrag CO₂-Kompensation – geht das “gut”?
Die Initiative KliMaWirtschaft diskutiert auf dem Event darüber, wie Unternehmen Treibhausgasneutralität erreichen können und welche Hindernisse es dabei gibt. Infos
13. Februar, 17 Uhr, Online
Webinar Bewahren, was wir lieben – Klimaschutz wählen!
Vor der Bundestagswahl präsentieren die Katholische Frauengemeinschaft Deutschlands und die Klima-Allianz Deutschland ihre Forderungen für ein modernes, nachhaltiges und sicheres Deutschland. Infos
13. Februar, 17 Uhr, Online
Studienvorstellung Kriminalisierung der Klimabewegung
Die Nichteregierungsorganisation Green Legal Impact stellt ihre Studie “Green Legal Spaces” zur aktuellen Kriminalisierung der Klimabewegung in Deutschland vor. Infos
13. Februar, 19 Uhr, Dortmund
Vortrag Grünes Blatt auf braunem Boden – Rechte Ideologien in der Landwirtschaft
Zuletzt mehren sich Berichte von völkischen und esoterischen Siedlungsprojekten, die Einfluss auf ökologische Anbauverbände und die biologische Lebensmittelwirtschaft nehmen wollen. Hinter der Fassade der naturnahen Landwirtschaft steckt ein antidemokratisches Weltbild, bei dem eine Strategie der rechten Landnahme verfolgt wird. Die Fachstelle Radikalisierungsprävention und Engagement im Naturschutz (FARN) informiert darüber. Infos
14. Februar
Demonstration Klimastreik
Unter dem Motto “Die Ampel ist Geschichte – Wir die Zukunft” will die Klimabewegung rund um Fridays for Future auf die Straße gehen. Damit soll auch Klimaschutz kurz vor der Bundestagswahl wieder zurück in die Debatte gebracht werden. Infos
14. bis 16. Februar, München
Konferenz Münchner Sicherheitskonferenz
Auf der Münchner Sicherheitskonferenz spielen Themenkomplexe am Schnittpunkt zwischen Klima und Sicherheit eine wachsende Rolle. Infos
17. bis 19. Februar, Augsburg
Fachtagung Umsetzungskrise in Klimaschutz und -anpassung sowie mögliche Auswege
Auf dieser Fachtagung des Deutschen Klima-Konsortiums in Kooperation mit dem Zentrum für Klimaresilienz der Universität Augsburg diskutieren führende Wissenschaftler über mögliche Auswege aus der Umsetzungskrise. Infos
18. Februar, 9.30 Uhr, Online
Webinar Regionale Wertschöpfung – Wie kommunaler Klimaschutz die regionale Wirtschaft fördert
Kommunaler Klimaschutz bietet vielfältige Chancen, nicht nur für die Umwelt, sondern auch für die regionale Wirtschaft. Durch eine strategische Herangehensweise bei der Planung und Umsetzung von Klimaschutzmaßnahmen können Kommunen die regionale Wertschöpfung steigern. Die Veranstaltung ist Teil der Reihe “Basics für die treibhausgasneutrale Kommune” der Agentur für kommunalen Klimaschutz. Infos
18. Februar, 18 Uhr, Online
Webinar Spitze bei Hitze – Das hitzerobuste Haus
Mit der Veränderung des Klimas in Folge der Erderwärmung treten immer häufiger extreme Wetterphänomene auf. Temperaturen im Sommer über 35 Grad Celsius führen zu Überhitzung von Innenräumen. Die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen klärt darüber auf, welche Maßnahmen in Gebäuden getroffen werden können. Infos
19. Februar, 10 Uhr, Hannover
Fachtagung Klimawandel, Gesundheit und Stadtplanung konsequent zusammen denken
Die Tagung richtet sich an kommunale Akteure und Akteurinnen in Niedersachen und soll sowohl für die Gesundheitsauswirkungen des Klimawandels sensibilisieren als auch mögliche Maßnahmen aufzeigen. Infos
Der Klimawandel gefährdet die nationale Sicherheit Deutschlands, könnte zu mehr Migration führen und Europa instabiler machen, wie aus einer gemeinsamen Untersuchung der Universität der Bundeswehr, des Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK), Adelphi Research und dem Bundesnachrichtendienst (BND) hervorgeht. BND-Präsident Bruno Kahl warnt, die Sicherheitsrisiken durch den Klimawandel seien neben dem expansiven Russland, den geopolitischen Ambitionen Chinas, zunehmenden Cybergefahren und dem internationalen Terrorismus “eine der fünf großen externen Bedrohungen für unser Land“.
Die “Nationale Interdisziplinäre Klimarisiko-Einschätzung” zeigt die Sicherheitsrisiken in vielen Dimensionen auf:
Um die Sicherheit Deutschlands in Zeiten der Klimakrise zu gewährleisten, müsse die Bundesregierung auf vier Handlungsfeldern aktiv werden:
Extremwetter-Ereignisse haben laut dem gestern veröffentlichten Climate Risk Index von Germanwatch in den letzten 30 Jahren weltweit über 765.000 Menschenleben gekostet und ökonomische Schäden von rund 4,2 Billionen US-Dollar verursacht. In Deutschland gab es demnach mehr als 18.000 Todesopfer und Schäden von gut 125 Milliarden. Der karibische Inselstaat Dominica, China, Honduras, Myanmar, Italien und Indien waren zwischen 1993 und 2022 am stärksten von extremen Stürmen, Hitzewellen, Überflutungen und Dürren betroffen. Mit Spanien und Griechenland liegen zwei weitere europäische Staaten unter den zehn am stärksten betroffenen Staaten. nib
Wenige Tage vor der Bundestagswahl wird das Deutschlandticket zum Wahlkampfthema. Führende Unionspolitiker zweifeln seine Finanzierbarkeit an, sind sich aber uneins über mögliche Lösungen. Auslöser der Debatte war eine Äußerung von Bayerns Verkehrsminister Christian Bernreiter (CSU), der zugleich Vorsitzender der Verkehrsministerkonferenz ist. Er forderte, der Bund müsse die Kosten für das Ticket künftig ganz übernehmen. Christian Haase, der haushaltspolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, sagte dagegen dem Portal Politico: “Wir müssen uns ehrlich machen: Über 2025 hinaus ist das Deutschlandticket nicht mehr zu finanzieren.” Sachsens Verkehrsministerin Regina Kraushaar (CDU) fordert ihrerseits, dass der Bund sich auch künftig “dauerhaft mindestens zur Hälfte” an der Finanzierung des Tickets beteiligen müsse. Die Kommunen bräuchten “möglichst schnell eine verlässliche Finanzierungszusage durch den Bund”.
Derzeit finanzieren Bund und Länder das Ticket jeweils mit 1,5 Milliarden Euro. Die Finanzierung ist aber nur bis Ende 2025 gesichert – und die tatsächlichen Kosten lagen nach Angaben des Verbands Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) im vergangenen Jahr mit 3,45 Milliarden Euro deutlich über den zugesagten Ausgleichszahlungen.
Im Wahlprogramm der Union kommt das Deutschlandticket nicht vor. Kanzlerkandidat Friedrich Merz hatte im November die Frage nach der Zukunft des Tickets als “sehr schwierig” bezeichnet und auf die Haushaltsplanungen verwiesen. Führende Politiker der SPD und Grünen kritisierten die Haltung der Union. Nordrhein-Westfalens Verkehrsminister Oliver Krischer (Grüne) sagte, der Bund müsse sich an der Finanzierung dauerhaft mindestens hälftig beteiligen. Auch Niedersachsens Verkehrsminister Olaf Lies (SPD) erklärte, die Zukunft des Tickets müsse nachhaltig gesichert werden, der Bund solle auch künftig die Hälfte der Kosten tragen.
Seit Jahresbeginn kostet das Ticket monatlich 58 statt 49 Euro. Im vergangenen Herbst war eine Ariadne-Studie zu dem Ergebnis gekommen, dass allein diese Preiserhöhung den Klimanutzen des Tickets fast halbieren könne. Sie war allerdings von sinkenden Nutzerzahlen ausgegangen, die in diesem Ausmaß bislang nicht eingetreten sind. ae/dpa
Kurz nach Ablauf der Frist hat Kanada bei den Vereinten Nationen sein nationales Klimaziel (NDC) für 2035 eingereicht. Darin erklärt das Land sich “verpflichtet und entschlossen”, seinen Beitrag zu leisten, um den globalen Temperaturanstieg auf deutlich unter zwei Grad und bestenfalls auf 1,5 Grad zu begrenzen – doch ein wenig ambitioniertes Reduktionsziel lässt daran zweifeln: Der Treibhausgasausstoß soll bis 2035 um lediglich 45 bis 50 Prozent gegenüber dem Jahr 2005 gemindert werden.
“Kanada hat den Reichtum und die Verantwortung, die Abkehr von fossilen Brennstoffen anzuführen”, sagt Natalie Jones, Politikberaterin am International Institute für Sustainable Development (IISD), zu Table.Briefings. “Aber der neue nationale Klimaplan wird diesem Potenzial nicht gerecht.” Beispielsweise werde der notwendige Rückgang der fossilen Produktion außer Acht gelassen. Auch Sarah Heck, Politikanalystin beim Climate Action Tracker (CAT), bewertet das NDC als “nicht ausreichend” für das 1,5-Grad-Limit. “Tatsächlich hat sich die Lücke zwischen 1,5 Grad und dem Ziel für 2035 im Vergleich zum Ziel für 2030 sowohl in absoluten als auch relativen Zahlen vergrößert”, sagt Heck zu Table.Briefings.
Im NDC setzt Kanada unter anderem auf einen “leistungsbezogenen” Emissionshandel für die Industrie und jährlich steigende Zertifikatspreise auf fossile Brennstoffe von derzeit rund 80 kanadischen Dollar je Tonne CO₂-Äquivalent. Weiter verweist das NDC darauf, dass die Stromerzeugung bereits zu 80 Prozent dekarbonisiert sei und Förderprogramme für die Heizungs- und Verkehrswende existierten. Auch untersuche das Land derzeit die Option, Emissionen im Ausland durch ITMOs (Internationally Transfered Mitigation Outcomes) auszugleichen.
Bislang hat Kanada kein ITMO-Abkommen mit einem Partnerland abgeschlossen. In einem öffentlichen Beteiligungsprozess zum NDC sprach sich eine Mehrheit der Bevölkerung dafür aus, dass Kanada die Emissionen zuvorderst im eigenen Land vermindern sollte, auch wenn dies von den Kanadiern und Unternehmen mehr Sofortmaßnahmen verlange. Experten und Umweltverbände kritisieren ITMO-Abkommen, da negative Auswirkungen auf Partnerländer derzeit nicht ausreichend berücksichtigt würden und reiche Länder gegenüber ärmeren begünstigt werden.
Das neue Ziel baut auf dem bisherigen Ziel auf, die Emissionen bis 2030 um 40 bis 45 Prozent unter das Niveau von 2005 zu senken. Kanada, ein führender Öl- und Gasproduzent, hat bisher aber jedes seiner Treibhausgasemissionsziele verfehlt. Derzeit sei das Land laut NDC “auf dem Weg”, bis 2030 eine Reduktion von 34 Prozent zu erreichen. Was die Regierung als “positives Ergebnis” bezeichnet, wäre allerdings eine um sechs Prozentpunkte niedrigere Reduktion als im NDC vorgesehen.
Einige Klimagruppen und auch das offizielle Beratungsgremium Net Zero Advisory Board hatten bereits im Dezember kritisiert, dass die angekündigten Ziele nicht ehrgeizig genug seien. Das Gremium hatte eine Reduktion von 50 bis 55 Prozent gefordert, Klimagruppen forderten sogar 80 Prozent. Kanadas bisheriges NDC wird vom Climate Action Tracker als “unzureichend” bewertet. lb
Die nächste Bundesregierung wird schnell ein Konzept entwickeln müssen, wie Wind- und Solaranlagen künftig finanziert werden. Die bisherige Förderung mittels Marktprämie, die gemäß EEG aus dem Bundeshalt bezahlt wird, ist von der EU nur bis Ende 2026 genehmigt. Spätestens dann muss die Förderung so umgestellt werden, dass der Staat nicht nur das Risiko trägt, indem er Mindestpreise für den eingespeisten Strom garantiert, sondern auch Gewinne abschöpft, wenn Höchstpreise überschritten werden. Alternativ könnte, wie etwa von der FDP und Teilen der Union gefordert, komplett auf staatliche Unterstützung verzichtet werden; die Erneuerbaren müssten sich dann allein am Markt finanzieren.
Der Thinktank Agora Energiewende hat am Mittwoch nun ein Konzept vorgelegt, das einen Kompromiss aus diesen Vorschlägen darstellt. Betreiber von Freiflächen-Solaranlagen und Windparks an Land können ihren Strom demnach in den ersten Jahren, für die wichtige Bedingungen wie die Strompreise gut vorhersehbar sind, komplett selbst über PPAs (Power Puchase Agreements) vermarkten. In dieser Zeit gäbe es keinen garantierten Mindestpreis, aber auch keine Gewinnabschöpfung bei hohen Preise. Zu einem späteren Zeitpunkt, den sie bei der Ausschreibung selbst festlegen können, würden dann Differenzverträge (Contracts for Difference, CfDs) zum Tragen kommen, die Mindest- und Höchsterlöse festlegen.
“Die Kombination aus beiden Instrumenten kann Investoren gegen niedrige Strompreise absichern und damit Kapitalkosten senken“, schreibt Agora. Allein auf PPAs zu setzen, sei dagegen nicht optimal. Aufgrund der großen Unsicherheiten über künftige Entwicklungen würde dies die Finanzierungskosten für neue Anlagen deutlich erhöhen. “Unser Vorschlag stellt sicher, dass durch die engere Verzahnung marktlicher Anreize mit staatlicher Absicherung die Stromkosten für Verbraucher und den Staat sinken. Zugleich bleiben Investitionen in Wind und Solar weiter attraktiv”, sagt Philipp Godron, Programmleiter Strom bei Agora. Anders als bisher würde sich die Vergütung im Agora-Konzept nicht mehr an der tatsächlich produzierten Strommenge orientieren, sondern an der theoretischen Produktion einer sogenannten Referenzanlage. Nach Angaben von Agora führten solche produktionsunabhängigen CfDs zu einer besseren Anpassung der Produktion an den Marktwert und den tatsächlichen Strombedarf.
Dieser Teil des Vorschlags stößt in der Branche auf Kritik. Der Bundesverband Erneuerbare Energien (BEE) befürchtet auf Grundlage einer umfassenden Untersuchung, dass dadurch erhebliche Rückzahlungen entstehen könnten, die die Erlöse übersteigen. “Die oft angeführten Marktverzerrungen durch produktionsabhängige CfD existieren in der Praxis kaum, während die Risiken produktionsunabhängiger CfD für Investitionen real und gravierend sind”, sagte BEE-Präsidentin Simone auf Anfrage von Table.Briefings. Agora räumt in der Studie ein, dass das Modell mit Risiken verbunden sei, hält diese aber für lösbar. Es müsse sichergestellt werden, “dass die Wirtschaftlichkeit der Investition nicht durch einen Referenzwert untergraben wird, der nur theoretischer Natur ist und in der Praxis regelmäßig nicht erreicht werden kann”, schreiben die Autoren. mkr
Überließe die Politik die Wärmewende ausschließlich dem Markt, würden die Heizkosten für Haushalte aller Wahrscheinlichkeit nach drastisch steigen. Zu dem Ergebnis kommt eine neue gemeinsame Untersuchung des Öko-Instituts und des Paritätischen Gesamtverbands. Ihre Analyse geht von der Annahme aus, dass das Gebäudeenergiegesetz (GEG) gekippt und allein ein CO₂-Preis eingesetzt würde, um Heizen klimafreundlich zu machen. Zentrales Ergebnis: “Es wäre ein CO₂-Preis von 524 Euro erforderlich, damit die CO₂-Emissionen genauso stark sinken, wie sie es durch das Heizungsgesetz bis 2030 voraussichtlich tun.”
Das würde bei Gas zu einem zusätzlichen CO₂-Kostenaufschlag von 10,52 Cent pro kWh führen – was einer Verdopplung des Gaspreises entsprechen würde. “Die finanziellen Folgen für Haushalte wären enorm.” Und anders als beim GEG, das nur jene Haushalte belaste, die ihre Heizung erneuern müssten, würde ein hoher CO₂-Preis alle Haushalte treffen, “auch jene, die ihre Heizung erst kürzlich ausgetauscht haben und daher keine kurzfristige Wechselmöglichkeit haben”. Öko-Institut und Paritätischer Gesamtverband fordern eine “soziale Wärmewende” mit gezielten Entlastungsmaßnahmen. Als ein Beispiel führen sie Social Leasing auf, das Wärmepumpen durch Ratenzahlung finanzierbar machen soll. ae
Greenpeace International hat am Dienstag vor einem Amsterdamer Bezirksgericht Klage gegen das US-Unternehmen Energy Transfer eingereicht. Dabei beruft sich die NGO, deren Hauptsitz in Amsterdam liegt, auf eine neue Richtlinie der Europäischen Union, die sogenannte SLAPP-Klagen eindämmen soll. Der Begriff bezeichnet Klagen, die strategisch darauf ausgerichtet sind, Kritiker einzuschüchtern oder zum Schweigen zu bringen, um eine kritische Beteiligung der Öffentlichkeit zu verhindern. Die neue Richtlinie ist ausdrücklich auch auf SLAPP-Klagen außerhalb des EU-Territoriums anwendbar. Laut Greenpeace ist die Klage der erste Anwendungsfall.
Energy Transfer betreibt Pipelines für fossile Brennstoffe. Das Unternehmen verklagt Greenpeace in North Dakota auf 300 Millionen US-Dollar, weil die NGO gemeinsam mit anderen Umweltgruppen und indigenen Organisationen gegen die Dakota Access Pipeline protestiert hatte. Durch die eigene Klage fordert Greenpeace jetzt das Amsterdamer Bezirksgericht dazu auf, das US-Verfahren zu einer SLAPP-Klage zu erklären und Energy Transfer zu Schadenersatzzahlungen zu verurteilen. Das Unternehmen hat bis Juli Zeit, darauf zu reagieren.
Unterdessen geht eine weitere richtungsweisende Klimaklage in die nächste Runde. Die niederländische Klimaorganisation Milieudefensie zieht gegen den Ölkonzern Shell vor den Obersten Gerichtshof des Landes, den Hoge Raad. Milieudefensie fordert weiterhin, Shell solle verpflichtet werden, die Emissionen des Unternehmens und seiner Produkte (Scope 1 bis 3) um eine konkrete Quote zu reduzieren. Dafür gebe es eine “mehr als ausreichende” rechtliche Basis. Ein niederländisches Gericht hatte Shell 2021 in einem Grundsatzurteil auferlegt, diese Emissionen bis 2030 um 45 Prozent unter den Stand von 2019 zu senken. Doch im November 2024 hob ein Berufungsgericht die konkrete Zahl wieder auf, bestätigte jedoch Shells grundsätzliche Verpflichtung zum Klimaschutz. Shell reagierte zuversichtlich auf Milieudefensies Gang vor den Hoge Raad. ae
Die europäischen Hersteller von Elektrolyse-Anlagen zur Produktion von grünem Wasserstoff leiden unter gewaltigen Überkapazitäten. Dies geht aus einer Studie der Beratungsgesellschaft PwC Strategy& hervor, die Table.Briefings vorab vorliegt. Zugleich drängen chinesische Konkurrenten mit Niedrigpreisen auf die europäischen Märkte.
Bis Ende 2024 haben die Hersteller in Europa Kapazitäten aufgebaut, die für die Produktion von Elektrolyseuren mit einer Gesamtleistung von acht Gigawatt ausreichen. Allein das im September eröffnete Werk von MAN Energy Solutions in Hamburg kann pro Jahr Anlagen mit einer Leistung von einem Gigawatt produzieren. Etwa ebenso groß ist die Fabrik von Siemens Energy in Berlin. Doch 2024 konnten die europäischen Hersteller nur Elektrolyseure mit einer Leistung von insgesamt 1,6 Gigawatt verkaufen. Dies entsprach gerade einmal einer Auslastung von 20 Prozent der derzeit betriebenen Fabriken.
Elektrolyseure werden benötigt, um chemische Verbindungen aufzuspalten. Sie sind wesentlich für die Herstellung von (grünem) Wasserstoff. Emissionsintensive Branchen wie Stahl, Glas oder Chemie zögern aufgrund der hohen Kosten aktuell aber noch mit dem Einsatz. Lediglich in Raffinerien, wo Wasserstoff zur Entschwefelung von Benzin und Diesel benötigt wird, besteht aufgrund regulatorischer Auflagen eine größere Nachfrage. Denn bei der Produktion von Kraftstoffen müssen zunehmend karbonarme Verfahren eingesetzt werden.
Angesichts der schwachen Nachfrage hat BP im Oktober 18 Projekte zur Produktion von grünem Wasserstoff auf Eis gelegt. Auch Shell und Uniper kündigten im Herbst 2024 an, mehrere Vorhaben einzustellen. Die drei Unternehmen wollen aber grundsätzlich an dieser karbonarmen Energie festhalten.
Zugleich wollen chinesische Hersteller in Europa gleich mehrere Werke zur Produktion solcher Anlagen bauen. Sie bevorzugen dabei Länder, in denen Ökostrom günstig erzeugt werden kann und die Elektrolyse deshalb langfristig gute Chancen hat. Dies sind zum einen Norwegen und Schweden, wo billige Wasserkraft reichlich vorhanden ist. Zum anderen gehen die Chinesen nach Spanien, einem der sonnenreichsten Länder Europas.
Laut PwC Strategy& haben chinesische Elektrolyse-Hersteller, die in ihrer Heimat vom Staat großzügig gefördert werden, in diesen drei Ländern 2024 ein halbes Dutzend Projekte gestartet. In der Regel gehen sie hierbei Partnerschaften mit einheimischen Unternehmen ein, um besseren Zugang zu den lokalen Märkten zu erhalten. Günter Heismann
In vielen Klimaszenarien ist Bioenergy with Carbon Capture and Storage (BECCS) eine zentrale Technologie zur Begrenzung der Erderwärmung auf unter 1,5 Grad und ist sogar für das Zwei-Grad-Limit noch von großer Bedeutung. Für BECCS werden Pflanzen mit schnellem Wachstum angebaut und verbrannt. Das freigesetzte CO₂ wird gebunden und schließlich gespeichert.
Während das theoretische Potenzial solcher “Klima-Plantagen” deutlich höher als die im Mittel der Szenarien angenommene CO₂-Entnahme wäre, so eine Studie des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK), drehe sich das Bild mit Blick auf die planetaren Grenzen um: “Die Milliarden Tonnen sind über diese Technologie bei weitem nicht erreichbar”, schlussfolgern die Autorinnen und Autoren. Mit den planetaren Grenzen vereinbar seien statt 7,5 Milliarden lediglich 200 Millionen Tonnen CO₂-Entnahme im Jahr 2050.
Die Studie bezieht sich in ihren Computersimulationen auf ein Biosphären-Modell, das die neun planetaren Grenzen berücksichtigt, welche die Lebensgrundlage der Menschheit abbilden. Sechs dieser Grenzen sind bereits überschritten, vier von ihnen sind landbezogen – stehen also im Nutzungskonflikt mit Plantagen, die für BECCS nötig wären. Würde man mehr auf BECCS setzen, müssten etwa Landwirtschaftsflächen weichen. Das sei wiederum nur machbar, wenn das Ernährungssystem weniger auf tierische Produkte ausgerichtet wird. Selbst in diesem Fall dürfte die weltweit verfügbare Fläche aber nicht ausreichen, um auf die 7,5 Milliarden Tonnen CO₂-Entnahme zu kommen. lb
Climate Change News: Rücktritt mit Verzögerung. Susana Muhamad, seit 2022 Umweltministerin Kolumbiens und Vorsitzende der UN-Biodiversitätsverhandlungen bei der COP16, hat ihren Rücktritt angekündigt, aber Präsident Gustavo Petro gebeten, noch bis Ende Februar im Amt bleiben zu können, um die Biodiversitätskonferenz abzuschließen. Bei der Wiederaufnahme der COP16 müssen die Regierungen wichtige Entscheidungen zur Naturfinanzierung und einem Überwachungsrahmen für Fortschritte bei der Naturwiederherstellung treffen. Diese Themen blieben nach den Verhandlungen im vergangenen Jahr in Cali, Kolumbien, ungelöst. Zum Artikel
The Guardian: Nachhaltigkeit und KI. Die Eröffnungsgespräche eines globalen Gipfels in Paris, an dem politische Führer, Technologiemanager und Experten teilnahmen, drehten sich um die Auswirkungen künstlicher Intelligenz auf Umwelt und Ungleichheit. Kritiker erkennen zwar das Potenzial der KI zur Begrenzung des Klimawandels, bemängeln jedoch die derzeit fehlende Nachhaltigkeit. Zum Artikel
Mongabay: Hoffnung Neembaum. In der sudanesischen Region Darfur führte erhebliche Abholzung in den letzten Jahrzehnten zu Umweltproblemen. Die Initiative “The Safe Space for Women and Girls” engagiert sich für die Wiederaufforstung, indem sie Neembäume pflanzt. Diese Bäume bieten Schatten, Öl, Früchte und Materialien für Handarbeiten. Zum Artikel
Euractiv: Ungarn will fracken. Ungarn plant ein umfangreiches Gas-Fracking-Projekt in Grenznähe zu Rumänien und stellt sich damit gegen die Klimapolitik der EU. Fracking gilt als äußerst umweltschädlich und hat gravierende Auswirkungen auf Natur und Gesundheit. Umweltorganisationen befürchten, dass die Projekterweiterung ohne eine vollständige Umweltverträglichkeitsprüfung oder grenzüberschreitende Untersuchung erfolgen könnte, insbesondere, da das Projekt nur zehn Kilometer von der rumänischen Grenze entfernt liegt. Zum Artikel
Klimareporter: Abwärme nutzen. Die Deutsche Energieagentur (Dena) schätzt, dass jährlich etwa 125 Milliarden Kilowattstunden Abwärme aus Gewerbe und Industrie ungenutzt bleiben. Ein Teil dieser Energie kann direkt in den Unternehmen genutzt werden, sofern entsprechende Rückgewinnungsverfahren eingesetzt werden. Nicht verwendete Abwärme kann unter geeigneten Bedingungen zur Beheizung von Häusern verwendet werden – etwa durch Einspeisung in Wärmenetze – und somit fossile Energieträger ersetzen. Zum Artikel
Zeit: Dubioser Umweltschützer. Tankah Enterprise baut in Mexiko angeblich ökologische Luxussiedlungen auf bewaldeten Flächen. Die Mehrheit des Unternehmens gehört Karolin Finkbeiner, der Frau von Frithjof Finkbeiner, dem Gründer der bekannten deutschen Umweltinitiative Plant-for-the-Planet. Anstatt Bäume zu pflanzen, wird hier aber für Immobilien gerodet. Zum Artikel