Table.Briefing: Climate

Wärmewende: Günstige Kredite kaum genutzt + Aserbaidschan: Allianz von Regierung und Fossilindustrie + AMOC: Warnungen werden lauter

Liebe Leserin, lieber Leser,

die Bundesregierung war mit ambitionierten Plänen für eine schnellere Energiewende angetreten, aber viele der Vorhaben laufen aktuell nicht ganz so rund. Darauf blicken wir heute gleich mehrfach: In Sachen Wärmewende erklärt Malte Kreutzfeldt, warum die staatliche Förderung für Wärmepumpen durch günstige Kredite nicht gut angenommen wird. Zudem schauen wir auf ein Vorhaben, das schon als fast aufgegeben galt: das Klimageld. Jetzt gibt es Versuche, es wiederzubeleben – und zwar aus unerwarteter Richtung, nämlich aus den Reihen der CDU.

Außerdem nähert sich die COP29 in Aserbaidschan mit großen Schritten – und damit verbunden auch Zweifel und Kritik am Gastgeber: Bernhard Pötter analysiert, dass bei den in dieser Woche vorgelegten, unverbindlichen Pledges die Hauptthemen der Klimakonferenz ausgeklammert werden. Gleichzeitig zeigt eine neue Studie, dass Aserbaidschans Ölkonzern eng mit der Regierung des Landes verflochten ist.

Und auch von den aktuellen Warnungen vor einem Kollaps der Nordatlantischen Umwälzströmung berichten wir.

Wir bleiben für Sie dran!

Ihre
Lisa Kuner
Bild von Lisa  Kuner

Analyse

Wärmepumpen: Günstige KfW-Kredite werden kaum genutzt

Wärmepumpe an einem Einfamilienhaus in Düsseldorf.

Das Wärmepumpen-Geschäft läuft nach einem zähen Start zu Beginn des Jahres mittlerweile deutlich besser: Im September gingen nach Angaben des Bundeswirtschaftsministeriums über 15.000 Förderanträge für Wärmepumpen bei der KfW ein; das sind doppelt so viele wie noch im April. Insgesamt sind in den ersten neun Monaten gut 81.000 Anträge eingegangen.

Zudem vermitteln die Zahlen einen Eindruck davon, wie hoch die staatlichen Zuschüsse ausfallen: Neben der Grundförderung von 30 Prozent, die jeder bekommt, der eine neue Wärmepumpe installiert, bekommen über 80 Prozent der Antragsteller den sogenannten Klimageschwindigkeitsbonus. Dieser macht 20 Prozent der Kosten aus und wird gezahlt, wenn im selbst genutzten Ein- oder Zweifamilienhaus eine Ölheizung oder eine mehr als 20 Jahre alte Gasheizung ersetzt wird.

KfW Kredite zur Finanzierung

Den Effizienzbonus in Höhe von fünf Prozent, der zusätzlich für Wärmepumpen mit klimafreundlichem Kältemittel gezahlt wird, erhalten über 60 Prozent der Antragsteller. Und rund 30 Prozent qualifizieren sich zudem für den Einkommensbonus, der Eigenheimbesitzern mit einem zu versteuernden Haushaltseinkommen von unter 40.000 Euro einen Zuschuss von 30 Prozent gewährt. Die Prozentsätze beziehen sich dabei auf die maximal förderfähige Summe von 30.000 Euro bei einem Einfamilienhaus. Von dieser Summe oder den tatsächlichen Kosten können maximal 70 Prozent gefördert werden.

Doch trotz dieser Förderung, die auch im internationalen Vergleich recht hoch ist, müssen die Kunden noch beachtliche Summen selbst tragen. Bei einem Wärmepumpenpreis von 35.000 Euro sind es für jene, die die maximale Förderung bekommen, 14.000 Euro; wer nur Klima- und Effizienzbonus bekommt, hat Kosten von 18.500 Euro. Zwar wird der Mehrpreis gegenüber einer neuen Gasheizung im Laufe der Jahre durch die geringeren Betriebskosten eingespart; trotzdem ist diese Investitionssumme für viele Haushalte zunächst eine erhebliche Hürde.

Um diese leichter überwindbar zu machen, gibt es zusätzlich zur direkten Förderung Kredite der KfW. Diese sind vor allem für alle mit einem Haushaltseinkommen von weniger als 90.000 Euro pro Jahr extrem attraktiv: Bei einer Laufzeit von bis zu fünf Jahren liegt der Zinssatz bei nur 0,01 Prozent, bis zu zehn Jahren sind es 0,27 Prozent. Bei höheren Einkommen ist der Zinssatz mit etwa 3,3 Prozent deutlich höher, aber immer noch niedriger als vergleichbare Kredite auf dem freien Markt.

Günstiger Kredit kaum genutzt

Doch trotz dieser guten Konditionen wird der KfW-Kredit kaum genutzt. Bis einschließlich Juli – aktuellere Zahlen sind nicht verfügbar – wurde er exakt 1.431 Mal vergeben, wovon der Großteil auf die besonders günstige Variante entfiel. Damit erhielten bis Juli maximal 2,7 Prozent derjenigen, die einen Zuschuss zum Kaufpreis beantragt haben, den Kredit – obwohl mindestens 30 Prozent von ihnen die Kriterien für die besonders günstigen Konditionen erfüllen. Die KfW will dennoch nicht von einem Misserfolg sprechen. “Wir sehen eine gute Nachfrage bei den Ergänzungskrediten Heizungsförderung”, teilte eine Sprecherin auf Anfrage mit. “Das Produkt wird angenommen, über alle Bundesländer hinweg.”

In der Branche gilt der KfW-Kredit dagegen als Flop: Die Hausbanken, über die er beantragt werden muss, würden sich regelmäßig weigern, ihn zu vermitteln, heißt es. Vermutlich ist der Gewinn, den sie damit erzielen können, im Verhältnis zum Aufwand zu gering. Wie die Vergütung genau geregelt ist, teilt die KfW nicht mit. Sie räumt aber ein: “Grundsätzlich besteht keine Verpflichtung der Banken, KfW-Kredite durchzuleiten.” Man rate Kunden daher, “den Markt zu nutzen und bei verschiedenen Finanzierungspartnern anzufragen”.

Weil das offenbar wenig erfolgreich ist, weichen Kunden, die für ihre Wärmepumpe einen Kredit benötigen, auf andere Angebote aus. So kooperieren mit Thermondo und Octopus seit Anfang des Jahres zwei überregional tätige Wärmepumpen-Installationsunternehmen mit dem Finanzunternehmen Consors. Dieses finanziert deren Kunden die Wärmepumpe für bis zu zehn Jahre zu einem fixen Zinssatz von 6,49 Prozent. Auch der Anbieter 1Komma5Grad arbeitet mit Consors zusammen. Die durchschnittliche anfängliche Kredithöhe liegt nach Angabe des Unternehmens bei rund 29.000 Euro. Wie viele Kredite bisher vergeben wurden, teilte Consors nicht mit.

Milliarden für Kredite

Mehr Details gibt es vom überregionalen Anbieter Enpal. Dort nehme fast jeder Wärmepumpen-Kunde anfangs einen Kredit in Anspruch, den das Unternehmen für 5,99 Prozent anbietet, teilte Pressesprecher Wolfgang Gründinger mit. Die Forderungen werde dabei an spezielle Zweckgesellschaften (SPV) verkauft, die diese wiederum an Investoren wie Blackrock oder große Pensionsfonds weiterveräußern. “So werden Milliarden von Euro in klimafreundliche Infrastruktur gelenkt”, schreibt das Unternehmen.

Tatsächlich geht es dabei um gewaltige Summen: Wie Enpal an diesem Mittwoch mitteilte, hat das Unternehmen für die Kredite mittlerweile fünf Milliarden Euro bei Investoren eingeworben. Bis 2027 soll die Summe auf zehn Milliarden Euro steigen – wobei damit nicht nur Wärmepumpen, sondern auch Solaranlagen, Speicher und Ladepunkte finanziert werden. Dabei dienen die Kredite offenbar nicht nur dazu, den eigenen Absatz zu steigern. Dass sie auch für sich genommen ein gutes Geschäft sind, zeigt sich daran, dass Enpal sie nicht nur an eigene Kunden vermittelt, sondern über das Tochterunternehmen Enpal Financial Services auch die Kunden von regionalen Installationsbetrieben damit versorgt werden.

  • Finanzierung
  • KfW
  • Wärmepumpe
  • Wärmewende
Translation missing.

COP29: Präsidentschaft legt Liste unverbindlicher Ziele vor

Unter dem Logo der COP29 sollen verbindliche und unverbindliche Beschlüsse gefasst werden.

Drei Wochen vor Beginn der COP29 hat die aserbaidschanische Präsidentschaft die Texte veröffentlicht, die sie neben den bindenden Beschlüssen der Konferenz als eigene Initiativen vorantreibt. Die neun Deklarationen und Verpflichtungen, die während der Konferenz verabschiedet werden sollen, sind nicht bindend, sollen aber von möglichst vielen Staaten und anderen Akteuren unterzeichnet werden.

Damit sollen Aspekte vorangetrieben werden, die der Präsidentschaft besonders am Herzen liegen. Allerdings fehlen bei den Deklarationen die zentralen Fragen der COP29-Verhandlungen: Finanzen, Ausstieg aus den fossilen Energien, Emissionsreduktionen, Anpassung. Deshalb monieren Beobachter fehlenden Ehrgeiz der Präsidentschaft. Eine Befürchtung: Der Fokus auf diewichtigen, aber eher randständigen Themen aus den Deklarationen könnte Aufmerksamkeit von den zentralen Fragen der COP ablenken – und den Druck zur Einigung in diesen umstrittenen Feldern verringern.

Waffenstillstand, Erneuerbare, Methan, Wasserstoff, Tourismus

Die Deklarationen betreffen:

  • einen Waffenstillstand während der COP,
  • den Ausbau von Energiespeichern und Netzen,
  • die Errichtung von besonderen Zonen und Korridoren für den Ausbau grüner Energien,
  • den Aufbau der Wasserstoff-Wirtschaft,
  • grüne digitale Projekte,
  • Methanreduzierung aus organischem Abfall,
  • gesunde Städte,
  • Tourismus sowie
  • Wasser.

Die Präsidentschaft hat die Deklarationen zur Kommentierung an die Delegationen und andere Teilnehmer verschickt. Sie betont, diese Erklärungen würden “nicht die Veränderungen bringen, die wir brauchen, um die Welt auf einen 1,5-Grad-Pfad zu bringen”, sie spielten aber eine “signifikante Rolle” in der Vision der Präsidentschaft. Für die Konferenz ab dem 11. November haben sich bisher 32.000 Besucher angemeldet, die Zahl soll aber nach Angaben der Veranstalter noch deutlich steigen.

Erklärungen wiederholen alte Forderungen

Die Erklärung zu einem allgemeinen Waffenstillstand während der COP haben demnach bereits 127 Länder und über 1100 nicht-staatliche Akteure unterzeichnet. Sie nennt keine einzelnen Konflikte, sondern mahnt, Kämpfe verursachten zusätzliche CO₂-Emissionen, zerstörten Ökosystem und “unterminieren die Versuche, den Planeten zu erhalten.” Es fehlt allerdings ein Hinweis auf Opfer oder menschliches Leiden.

Die Deklaration zu Energiespeichern schlägt ein kollektives Ziel von 1500 MW Speicherkapazität bis 2030 vor, “mehr als eine Versechsfachung” der Kapazitäten von 2022. Das fordert auch die Internationale Energieagentur IEA in ihrem World Energy Outlook für ein Klimaszenario. Außerdem sollen besondere “Zonen und Korridore” für erneuerbare Energien die Beschlüsse der COP28 umsetzen helfen, die Kapazitäten der grünen Energien bis 2030 zu verdreifachen und die Effizienz zu verdoppeln. Auch in den anderen Bereichen rufen die Erklärungen auch mit Verweis auf die Ergebnisse des Global Stocktake der COP28 generell dazu auf, das vorhandene Wissen zu nutzen und zusammenzuarbeiten.

Was fehlt: Finanzen, fossiler Ausstieg, Methan aus der Industrie

Zentrale Themen der Klimadiskussion werden in den Erklärungen allerdings nicht behandelt:

  • Die Klimafinanzierung, zentrales Anliegen der COP29, mit einem neuen Finanzziel. Auch der geplante Climate Finance Action Fund (CFAF) und die Baku Initiative for Climate Finance, Investment and Trade (BICFIT), die die Präsidentschaft als zentrale Anliegen benannt hat, sind nicht darunter. Sie sollen offenbar später adressiert werden.
  • Die Abwendung von den fossilen Energien (“transition away”), eines der zentralen Ergebnisse der COP28, wird nicht erwähnt.
  • Die Deklaration zur Methan-Reduktion bezieht sich nur auf die Emissionen aus dem Lebensmittel-Sektor. Diese machen etwa 20 Prozent der Emissionen aus. Die deutlich größeren Emissionen vor allem aus der Gasindustrie werden nicht angesprochen. Die “Methan-Pledge”, die Emissionen der Industrie um 30 Prozent verringern soll, steht jedoch bisher vor großen Problemen.

Für Petter Lydén von Germanwatch haben die vorgelegten Deklarationen “sehr wenig Substanz”, weil sie vor allem eine Zusammenfassung von bisherigen Initiativen sind. Es fehle die Ambition, um über bisherige Ziele hinauszugehen, so Lydén. “Wir werden das nicht unterschreiben, weil wir damit etwas legitimieren würden, was nicht genug ist”, sagte er gegenüber Table.Briefings.

  • Aserbaidschan
  • CO2-Emissionen
  • COP28
  • COP29
  • Erneuerbare Energien
  • Fossile Brennstoffe
  • Methan
  • UN-Klimaverhandlungen
Translation missing.

Termine

24. Oktober, 9 Uhr, Karlsruhe
Aktionstag Fair Day – Impulse für nachhaltiges Wirtschaften
Die Unternehmerinitiative Fairantwortung veranstaltet diesen Aktionstag zum Austausch über nachhaltiges Wirtschaften. Es geht unter anderem um Sustainable Finance und regenerative Geschäftsmodelle.  Infos

24. Oktober, Hafen von Odense, Dänemark
Ministertreffen North Seas Ministerial Meeting 2024
Die europäischen Klima- und Energieminister, der EU-Energiekommissar und Vertreter der Windbranche treffen sich am 24. Oktober im Hafen von Odense in Dänemark zur Nordsee-Ministertagung. Sie werden erörtern, wie das Ziel erreicht werden kann, 20.000 Offshore-Windturbinen in der Nordsee zu installieren. Infos

24. Oktober, 16 Uhr, Online
Webinar Zero Waste: The Road to COP29
Das Webinar ist Teil einer Reihe, die gemeinsam von der COP29-Präsidentschaft und dem Beirat für Abfallvermeidung des UN-Generalsekretärs veranstaltet wird, um durch die Förderung innovativer nationaler und lokaler Initiativen einen weltweiten Übergang zur Abfallvermeidung zu unterstützen. Infos

25. bis 27. Oktober, Berlin
Konferenz Local Conference of the Youth
1.200 junge Menschen im Alter von 14 bis 30 Jahren werden sich ein Wochenende lang in über 200 Programmbeiträgen mit Themen rund ums Klima auseinandersetzen. Finanziell ermöglicht wird die Konferenz durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Klima sowie die Senatsverwaltung für Mobilität, Verkehr, Klimaschutz und Umwelt Berlin.  Infos

26. Oktober, 14 Uhr, Mainz/Online
Symposium Wie finanzieren wir die Transformation? Auf dem Weg zu einer klimaneutralen Wirtschaft und Gesellschaft
Wie können private Investitionen mobilisiert werden, um Klimafinanzierung zu sichern? Darüber wird auf diesem Symposium der Deutschen Bundesstiftung Umwelt diskutiert.  Infos

28. Oktober bis 1. November, Bankok, Thailand
UN-Konferenz UN-Ozon-Treffen
Auf der 13. Tagung der Konferenz der Vertragsparteien des Wiener Übereinkommens zum Schutz der Ozonschicht (COP13) und der 36. Tagung der Vertragsparteien des Montrealer Protokolls über Stoffe, die zu einem Abbau der Ozonschicht führen (MOP36), werden Fragen zur Verbesserung des Schutzes der Ozonschicht und des Klimas erörtert.  Infos

29. Oktober, 15 Uhr, Online
Webinar Show us the money! Climate finance prospects at COP29
Experten der Plattform Climate Home News werden bei diesem Webinar darüber diskutieren, wie die Debatten zu einem neuen Finanzziel bei der COP29 konstruktiv verlaufen können.  Infos

30. Oktober, 9 Uhr, Berlin
Tagung Wirtschaftsfaktor Naturkapital
Im Fokus dieser Veranstaltung stehen Ökosystemleistungen und ihre ökonomische Bewertung. Der Bundesverband Nachhaltige Wirtschaft und die Heinrich-Böll-Stiftung richten diese Tagung gemeinsam aus.  Infos

30. Oktober, 14 Uhr, Online
Webinar “Batteries on wheels”: what can EVs do for the power system?
Als Batterien auf Rädern werden E-Fahrzeuge ein wichtiger Eckpfeiler des Energiesystems von morgen sein. Im Auftrag von T&E haben die Fraunhofer-Forschungsinstitute ISI und ISE die potenziellen Einsparungen modelliert und Gründe identifiziert, die Europa noch daran hindern, das wachsende “kostenlose” Speicherpotenzial zu erschließen. Auf dem Webinar von T&E werden die Hauptergebnisse der Untersuchung diskutiert. Infos

30. Oktober, 15.30 Uhr, Online
Webinar Climate finance for livestock development: bridging the gap
Die Landwirtschaft erhält bisher verhältnismäßig wenig Klimafinanzierung. In diesem Webinar von der Climate und Clean Air Coalition (CCAC) werden die von der Livestock Data for Decisions (LD4D) Climate Finance Solutions Group dazu entwickelten Erkenntnisse vorgestellt. Hierbei handelt es sich um einen Zusammenschluss von 20 internationalen Viehzucht- und Finanzexperten. Infos

News

Klima in Zahlen: So viel Wald zerstört der Bergbau

In den vergangenen 20 Jahren hat der Bergbau weltweit um mehr als 50 Prozent zugelegt. Da die Suche nach Kohle, Gold und anderen Materialien vor allem auch in Forstgebieten stattfindet, leidet darunter weltweit der Wald. In einer ersten Übersicht stellt das World Ressource Institute (WRI) jetzt fest, dass zwischen 2001 und 2020 weltweit 1,4 Millionen Hektar Wald durch Bergbauaktivitäten vernichtet wurden – etwa die Fläche von Schleswig-Holstein. Der Verlust der Bäume entspricht der Emission von etwa 36 Millionen Tonnen CO₂ jährlich, vergleichbar mit dem Treibhausgasausstoß von Finnland.

Verglichen mit anderen Waldverlusten ist das einerseits nicht viel: Allein durch die Forstwirtschaft gingen in diesem Zeitraum etwa 130 Millionen Hektar Wald verloren, weitere 90 Millionen fielen Bränden zum Opfer. Aber ein großer Teil der Zerstörung durch den Bergbau findet in besonders sensiblen Gebieten statt: In primären Regenwäldern mit hoher Artenvielfalt und von hohem biologischen Wert, in Naturschutzgebieten und in Regionen, die von indigenen Gemeinschaften zum Lebensunterhalt genutzt werden. Außerdem wird beim Bergbau oft auch der Boden entfernt, spätere Regeneration der Natur ist also schwieriger als etwa bei der Abholzung.

Die Zahlen des WRI sind konservativ geschätzt, denn sie beziehen sich nur auf den Bergbau. Der Bau von Straßen, Siedlungen und anderer Infrastruktur wird dabei nicht eingerechnet. Die Waldvernichtung durch die Suche nach Gold, Kohle und Materialien (auch für die Energiewende) konzentriert sich vor allem auf eine Handvoll Staaten: Indonesien, Brasilien, Russland, USA, Kanada, Peru, Ghana, Surinam, Myanmar, Australien und Guyana. bpo

  • Bergbau
  • CO2-Emissionen
  • Klima in Zahlen
  • Wald

Klimageld: Welche CDU-Politiker jetzt für die Einführung werben

Kurz vor dem Energiegipfel der CDU/CSU-Bundestagsfraktion am 5.November setzt sich in der Partei ein ungewohntes Bündnis für die Einführung eines Klimagelds ein. Die Klima-Union hat dazu ein ausführliches Papier erarbeitet; ähnliche Forderungen hat nach Informationen von Table.Briefings auch der Vorstand der Mittelstandsvereinigung der Partei verabschiedet. Unterstützt werden sie von Dennis Radtke, dem Vorsitzenden der Arbeitnehmervereinigung CDU (CDA), und Roland Koch, dem Vorsitzenden der konservativ-libertären Ludwig-Erhard-Stiftung.

Das Konzept der Klima-Union und das in weiten Teilen ähnliche Papier der Mittelstandsvereinigung sehen vor, dass die Einnahmen aus dem CO₂-Handel auf drei verschiedenen Wegen – als Klimageld, über gesenkte Strompreise und durch Zuschüsse für klimafreundliche Investitionen – an Verbraucher und Wirtschaft zurückgegeben werden sollen. Allerdings soll das frühestens ab 2027 passieren. Ab dann bildet sich auch der bisher vom Staat vorgegebene CO₂-Preis für den Gebäude- und Verkehrssektor am Markt, sodass mit einem starken Anstieg gerechnet wird. “Wenn wir die Einnahmen aus der CO₂-Bepreisung vollständig an Bürger und Unternehmen zurückgeben wollen und nicht wie die Ampel für andere Zwecke missbrauchen, dann können wir Stromkosten senken, Förderungen finanzieren und ein Klimageld finanzieren“, sagte Thomas Heilmann, Bundestagsabgeordneter und Vorsitzender der Klima-Union, Table.Briefings.

Beginnen soll die Auszahlung, wenn die Einnahmen aus der CO₂-Bepreisung, die aktuell bei rund 22 Milliarden Euro liegen, auf 30 Milliarden Euro gestiegen sind; das dürfte bei einem CO₂-Preis zwischen 80 und 90 Euro pro Tonne der Fall sein. Die Finanzplanung der Bundesregierung rechnet damit im Jahr 2028; möglich ist diese Summe aber bei entsprechender Entwicklung des CO₂-Preises auch schon 2027. Wenn ein Drittel der Einnahmen gleichmäßig pro Kopf ausgezahlt würde, ergäbe sich ein Klimageld von 120 Euro pro Jahr. Allerdings plädiert die Klima-Union nicht für einen einheitlichen Betrag, sondern will die Höhe ähnlich wie in Österreich teilweise vom Wohnort abhängig machen: Auf dem Land, wo kaum Busse oder Bahnen genutzt werden können, wäre der Betrag dann höher als in Städten mit gut ausgebauten ÖPNV-Angebot.

Gelbwesten in Frankreich als Warnung

Diese genaue Ausgestaltung vertritt bisher nur die Klima-Union, doch generelle Unterstützung für die Einführung eines Klimageldes kommt aus sehr unterschiedlichen Flügeln der Partei. Der CDA-Vorsitzende und Europaabgeordnete Dennis Radtke etwa hält den geplanten Emissionshandel im Gebäude- und Verkehrssektor zwar für richtig. “Ohne sozialen Ausgleich findet dieser aber keine Akzeptanz”, sagte er Table.Briefings. Daher habe die Union schon auf europäischer Union dafür gekämpft, “dass die nationalen Einnahmen nach einer sozialen Staffelung an die Menschen zurückgegeben werden”. Ein Klimageld könne dabei “einen wichtigen Beitrag leisten”. Unterstützung kommt auch von Roland Koch von der Ludwig-Erhard-Stiftung. Einkommensschwache Haushalte litten besonders unter wirksamen CO₂-Preisen. “Ohne Ausgleich durch ein Klimageld ist das politisch nicht durchsetzbar”, sagte er. “Die Gelbwesten in Frankreich sollten uns eine Warnung sein.”

Die aktuellen Forderungen stehen im Gegensatz zu einem energiepolitischen Papier, das der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Jens Spahn für den Energiegipfel erarbeitet hat. Darin hatte er sich dafür ausgesprochen, Verbraucher und Unternehmen statt über ein Klimageld zunächst nur über die Senkung der Stromsteuer und der Netzentgelte zu entlasten. mkr

  • Autoindustrie
  • CDU
  • Emissionshandel
  • Klimageld
  • MIT

Atlantikströmung: Warum Forschende eindringlich vor ihrem Kollaps warnen

In einem eindringlichen offenen Brief haben mehr als 40 namhafte Klimaforschende den Nordischen Ministerrat vor der Gefahr gewarnt, dass die Nordatlantische Umwälzströmung (Atlantic Meridional Overturning Circulation, AMOC) zusammenbrechen könnte. Das könnte die klimatischen Verhältnisse in Europa abrupt und dramatisch verändern, etwa durch drastisch fallende Temperaturen – mit potenziell schwerwiegenden Folgen für Ökosysteme und menschliche Lebensgrundlagen weit über den Kontinent hinaus.

Die AMOC ist der Grund für das vergleichsweise milde europäische Klima und eine der wichtigsten Meeresströmungen der Erde. Zwar sei die Wahrscheinlichkeit ihres Zusammenbruchs “höchst ungewiss”, räumen die Forschenden in ihrem Brief ein. Aber jüngste wissenschaftliche Ergebnisse “deuten darauf hin, dass der IPCC dieses Risiko unterschätzt hat und dass das Überschreiten dieses Kipppunkts bereits in den nächsten Jahrzehnten eine ernsthafte Möglichkeit ist”.

“Die Auswirkungen, insbesondere auf die nordischen Länder, wären wahrscheinlich katastrophal“, heißt es in dem Brief weiter: Die Region könnte sich stark abkühlen, “nie dagewesene Wetterextreme” könnten auftreten, die Landwirtschaft in Nordwesteuropa wäre bedroht. Weltweit könnten sich zudem die tropischen Niederschlagsgürtel verschieben, heißt es in dem Schreiben weiter. Die Ozeane könnten weniger CO₂ aufnehmen, wodurch die Konzentration des Gases in der Atmosphäre schneller steigen würde. Der zusätzliche Anstieg des Meeresspiegels vor allem entlang der amerikanischen Atlantikküste wäre “erheblich”, die marinen Ökosysteme und die Fischerei würden “umgewälzt”. Sich an eine solche Klimakatastrophe anzupassen, sei praktisch unmöglich.

Nordische Länder sollen dringend handeln

Deshalb fordern die Forschenden in dem Brief den Nordischen Ministerrat dringend auf, “eine Bewertung dieses bedeutenden Risikos für die nordischen Länder einzuleiten und Schritte zu unternehmen, um dieses Risiko so weit wie möglich zu minimieren“. Der Nordische Ministerrat besteht aus Dänemark, Schweden, Finnland, Norwegen und Island sowie drei zu Finnland und Dänemark gehörenden autonomen Gebieten.

Unterdessen haben die weltweiten Subventionen für fossile Brennstoffe laut Weltwährungsfonds im Jahr 2022 die Rekordsumme von sieben Billionen US-Dollar erreicht. Das zeige, dass es keine glaubwürdigen Anstrengungen gebe, eine Klimakatastrophe wie im Brief beschrieben zu verhindern, sagte Unterzeichner und Klimaforscher Stefan Rahmstorf.

Den Brief unterzeichnet haben daneben unter anderem der US-Klimaforscher Michael Mann, der als Vater der Hockey-Stick-Grafik gilt; Johan Rockström, Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung PIK; der Schweizer Klimaphysiker Thomas Stocker, ehemaliger Co-Vorsitzender der IPCC-Arbeitsgruppe I, sowie Forschende aus mehreren weiteren europäischen Ländern, den USA, Australien und China. rtr/ae

  • AMOC
  • Fossile Brennstoffe
  • IPCC
  • Klima & Umwelt
  • Klimaanpassung
  • Klimaforschung
  • Klimaschutz
  • Ozeane

Aserbaidschan: Enge Verbindung zwischen Fossilindustrie und Regierung

Der staatliche Öl- und Gaskonzern von Aserbaidschan SOCAR ist nach einer neuen Studie eng mit der Regierung des Landes verflochten und setzt stark auf den weiteren Ausbau der fossilen Energien. 2023 produzierte der Konzern 174 Millionen Barrel an Öl- und Gasprodukten, investierte von 2022 bis 2024 insgesamt 300 Millionen US-Dollar in die Erkundung neuer Reserven und hilft, das Energieembargo der EU gegen Russland zu umgehen. Das ist ein Ergebnis der Studie “SOCAR- Azerbaijan´s Fossil Fuel Proxy”, die die NGOs urgewald und Bankwatch network jetzt vorgelegt haben.

Die Untersuchung stützt sich auf frei zugängliche Daten und zeigt die enge Verbindung zwischen Politik und der Öl- und Gaswirtschaft im Gastgeberland der COP29. Obwohl SOCAR weniger als ein Prozent der weltweiten Gas- und Ölmenge produziert, ist die heimische Wirtschaft von dem Sektor extrem abhängig. Fossile Energien machen demnach 90 Prozent der Exporterlöse aus, 60 Prozent der Staatseinnahmen und 30 bis 50 Prozent der Wirtschaftsleistung. Bei der Begutachtung durch den “Climate Action Tracker” erreichte das Land kürzlich die schlechteste Note “kritisch unzureichend.”

Korruption und Finanzierung des Konflikts in Armenien

“SOCAR ist eine zutiefst politische Organisation und die Verbindungen des aserbaidschanischen Präsidenten zu der Firma sind ein großer Grund zur Besorgnis”, heißt es in der Studie. Präsident Ilham Alliev war vor seiner Amtszeit SOCAR-Vizevorsitzender, er setzt den Chef und den Aufsichtsrat ein. Der designierte COP29-Präsident und Umweltminister Mukhtar Babayev arbeitete zuvor 26 Jahre bei SOCAR. Die Studie wirft dem Konzern auch Verwicklung in Korruption und die Finanzierung des militärischen Konflikts mit Armenien vor.

SOCAR erhielt zwischen 2021 und 2023 insgesamt 6,8 Milliarden US-Dollar an Krediten und Verträgen von internationalen Banken, allen voran JPMorgan Chase und Citigroup. Kurz nach dem Zuschlag für die COP29 gründete der Konzern seine Tochter SOCAR Green, die in Erneuerbare, grünen Wasserstoff und CCS investieren soll. Das aber soll laut Gutachten weniger dazu dienen, die Wirtschaft von Öl und Gas abzuwenden, sondern vor allem dem Export helfen: Denn die EU hat auf der Suche nach anderen Gaslieferanten nach dem russischen Angriff auf die Ukraine 2022 mit Aserbaidschan die Verdopplung der Lieferungen vereinbart. Außerdem sind SOCAR und Aserbaidschan laut Gutachten an einer Raffinerie in der Türkei beteiligt, die das EU-Embargo gegen Russland umgeht. bpo

  • Aserbaidschan
  • CCS
  • COP29
  • Fossile Brennstoffe
  • Fossile Industrien

G20: Klimaziele mit Wachstum in Einklang bringen

Wirtschaftswachstum müsse dringend mit Klimazielen in Einklang gebracht werden. Das fordert die Task Force for the Global Mobilization Against Climate Change (TF Climate) der G20 in einem Bericht mit dem Titel “A Green and Just Planet”, der am Mittwoch in Washington veröffentlicht wurde. Wachstum schließe Klimaschutz nicht aus, aber es brauche grünes Wachstum.

Da die G20-Staaten für 80 Prozent der globalen Emissionen verantwortlich sind, sollten sie auch für mindestens diesen Anteil an Emissionsreduzierung verantwortlich sein, heißt es. Die Länder, die den größten Teil der historischen Emissionen verursacht haben, sollten vorangehen. Um das zu erreichen, müssten Industriestrategien und Finanzarchitektur auf Klimaziele ausgerichtet werden. Dafür sollten die G20-Staaten “grüne Industriestrategien” entwickeln. Die sollen “sektorübergreifende Investition, Innovation und Transformation” vorantreiben.

Vor dem G20-Gipfel, der am 18. und 19. November in Rio de Janeiro stattfindet, hat auch das Climate Action Network (CAN) Erwartungen an die Staaten formuliert. Die G20 müssten auf ihrem Gipfel zeitgleich mit der COP29 den Boden für ein “ehrgeiziges, faires und reaktionsschnelles Klimafinanzierungsziel und für gerechte nationale Klimapläne” bereiten, fordert CAN. Wichtig sei es in dem Zusammenhang, dass die G20 – insbesondere die reichsten Länder – mit öffentlichen Geldern zu einem neuen Klimafinanzziel beitragen. kul

  • G20
  • Industrie
  • Innovation
  • Klimafinanzierung
  • Klimaziele

Eisbären: Deshalb infizieren sie sich häufiger durch die Erderwärmung

Eisbären infizieren sich in Folge der Klimakrise immer häufiger mit Krankheitserregern. Zu dem Ergebnis kommt eine im Fachjournal “Plos One” erschienen Studie, für die Forscherinnen und Forscher Blutproben von Eisbären analysierten und nach Antikörpern gegen sechs verschiedene Erreger suchten. Die Proben von der Eisbärenpopulation in der Tschuktschensee, einem Teil des arktischen Ozeans zwischen Alaska und Sibirien, stammen aus zwei Zeitspannen: von 1987 bis 1994 und von 2008 bis 2017.

Im Vergleich zum früheren Zeitraum traten fünf der sechs Erreger in den Blutproben ab 2008 häufiger auf. Die Infektionszahlen für drei der Erreger hatten sich sogar mehr als verdoppelt. Eisbärenweibchen waren im Schnitt stärker betroffen als Männchen – möglicherweise, weil in dieser Region viele von ihnen die Schwangerschaft auf dem Festland verbringen. Laut den Forschenden schreitet die Erderwärmung in der Arktis fast viermal schneller voran als im weltweiten Vergleich. Der Lebensraum der Eisbären, das Meereis, schwinde in rasantem Tempo. Gleichzeitig sorgt der Klimawandel dort für bessere Bedingungen für Viren, Bakterien und Parasiten.

Die Ergebnisse zeigen zwar, dass Eisbären heute öfter als früher mit verschiedenen Keimen in Kontakt kommen. In welchem Umfang die Tiere von diesen aber tatsächlich krank werden, ist unklar. Unter anderem ein Vergleich mit Braunbärpopulationen in Alaska lasse aber darauf schließen, dass der Erregerkontakt der Eisbärengesundheit bisher nicht nennenswert schade. Die Situation müsse weiter beobachtet werden. dpa

  • Arktis
  • Gesundheit
  • Klimakrise

Energiewende bei Gebäuden: Massive Wissenslücke bei Eigentümern

Unter Eigentümern von Ein- und Zweifamilienhäusern, die ihre Immobilie selbst bewohnen, herrscht großes Unwissen über den energetischen Zustand ihrer Häuser. Zudem sind viele durch die politischen Debatten über die Wärmewende und das Heizungsgesetz verunsichert, was sie von Sanierungsmaßnahmen abhält. Das ist das Ergebnis einer Studie, bei der das Institut B+L Marktdaten bundesweit mehr als 2.000 Eigenheimbesitzer im August und im September befragte. Auftraggeber ist die Initiative Klimaneutrales Deutschland (IKND) und die Repräsentanz Transparente Gebäudehülle (RTG), in der Wirtschaftsverbände und Unternehmen vertreten sind. Das sind zentrale Ergebnisse der Studie:

  • Die Qualität eigener Gebäude wird deutlich überschätzt. Zwar können mittlerweile 45 Prozent der Eigenheimbesitzer eine Aussage über den Energiestandard treffen (2002 waren es nur 33 Prozent). Allerdings ordnen nur 13 Prozent ihr Haus den niedrigen Effizienzklassen E bis H zu. Tatsächlich liegt der Anteil solcher Häuser aber bei 68 Prozent. Die Lücke verweist auf große Unkenntnis der Besitzer über den wirklichen Zustand vieler Häuser.
  • Weniger Sanierungen geplant: Zwölf Prozent der Befragten wollen in den kommenden zwölf Monaten ihr Haus energetisch sanieren. 2002 wollten dies noch 18 Prozent. Haupthindernisse sind finanzielle Unsicherheit, die fehlende Bereitschaft dafür, einen Kredit aufzunehmen, höhere Baukosten sowie die politischen Debatten um das Gebäudeenergiegesetz (GEG).
  • Unattraktive Förderprogramme: 55 Prozent der befragten Eigenheimbesitzer stufen die staatlichen Förderprogramme als wenig attraktiv ein. Mehr als 70 Prozent derjenigen, die nicht sanieren, könnten sich bei besseren Fördermöglichkeiten durchaus eine Sanierung vorstellen.

Derzeit liegt die Sanierungsrate bei nur einem Prozent. Das ist ein historisches Tief. Um die Klimaziele in Deutschland umzusetzen, bräuchte es eine Sanierungsrate von zwei Prozent, sagt Carolin Friedemann, Geschäftsführerin der Initiative Klimaneutrales Deutschland. Nach Ansicht der Herausgeber der Studie braucht es attraktivere Förderprogramme, bessere Beratungsangebote und mehr Planungssicherheit. cd

  • Energieeffizienz
  • Energiewende
  • Gebäudeenergiegesetz
  • Klimaanpassung
  • Klimaziele
  • Wärmewende

Klimapflichten von Staaten: Wann die Verhandlung vor dem IGH beginnt

Am 2. Dezember beginnen vor dem Internationalen Gerichtshof (IGH) die Anhörungen im Fall um die Pflichten und Verantwortungen von Staaten im Klimawandel. Wie das Magazin Forbes berichtet, werden insgesamt 88 Staaten und mehrere Organisationen zwölf Tage lang ihre Argumente vor dem Gericht darlegen. Auf dieser Basis wird der IGH dann ein Gutachten erarbeiten.

Das Gericht behandelt den Fall auf Bitten der Generalversammlung der Vereinten Nationen, die im März einstimmig eine entsprechende Resolution des Inselstaats Vanuatu angenommen hatte. Dabei hatte die Generalversammlung dem IGH folgende Fragen gestellt:

  • Welche Verpflichtungen haben die Staaten nach internationalem Recht zum Schutz des Klimasystems und anderer Teile der Umwelt vor Treibhausgasen?
  • Welche juristischen Konsequenzen haben diese Verpflichtungen für Staaten, die durch “Handeln oder Unterlassen beträchtlichen Schaden am Klima- und anderen Umweltsystemen verursacht haben” – und zwar sowohl mit Bezug auf auf andere Länder, vor allem kleine Inselstaaten, die im Klimawandel besonders verwundbar oder von ihm bereits besonders betroffen sind, als auch mit Bezug auf besonders betroffene Völker und Personen jetziger und kommender Generationen?

Die erfolgreiche Abstimmung in der UN-Generalversammlung gilt als großer diplomatischer Erfolg von Vanuatu. Ein IGH-Gutachten ist zwar rechtlich nicht bindend, dürfte aber dennoch politische Wirkung entfalten. So kann es beispielsweise beeinflussen, wie Staaten in Zukunft Umwelt- und Klimagesetze ausgestalten und wie Gerichte über Klimapolitik urteilen. ae

  • IGH
  • Klima & Umwelt
  • Klimaklagen
  • Vanuatu
  • Vereinte Nationen

Presseschau

New York Times: Google investiert in CO₂-Abscheidung. Das US-Unternehmen Holocene will mit Unterstützung von Google ab 2030 das Treibhausgas CO₂ aus der Atmosphäre entfernen. Zurzeit arbeitet Holocene an einer Erprobungsanlage. Ziel ist es, eine Tonne CO₂ für 100 US-Dollar abzuscheiden. Zum Artikel

Klimareporter: CCS bei Abfall untergräbt Klimaschutz. Künftig soll auch CO₂ aus der Müllverbrennung mit dem CCS-Verfahren unterirdisch gespeichert werden, weil die Bundesregierung diese Emissionen teilweise als unvermeidlich einstuft. Dabei gibt es Möglichkeiten, den CO₂-Ausstoß zu verringern und so auf CCS zu verzichten. Zum Artikel

Washington Post: Mit Glauben gegen den Klimawandel. Religiöse Umweltgruppen argumentieren mit der Bibel, dem Koran oder den Veden gegen Umweltverschmutzung. Den verantwortlichen Umgang mit fossilen Brennstoffen, die Ursache für den Klimawandel sind, sehen sie als eine heilige Pflicht, die sie aus ihrem Glauben ableiten. Zum Artikel

New York Times: Das Hochwasserproblem der USA. Seit den 1990er-Jahren haben sich die Hochwasserschäden in den USA verdoppelt. Auf das Hochwasser kann unterschiedlich reagiert werden. Deiche können gebaut, Häuser auf Pfähle gesetzt oder das Bauen in hochwassergefährdeten Gebieten eingestellt werden. Zum Artikel

Tagesschau: Biodiversität ist ein Wirtschaftsfaktor. Die Tropenbiologin und Unternehmensberaterin Frauke Fische sagt, dass 60 Prozent des weltweiten Bruttosozialprodukts von intakten Ökosystemen abhängen. Geht die Biodiversität durch Übernutzung von natürlichen Ressourcen zurück, würde dies zu massiven wirtschaftlichen Schäden führen. Zum Artikel

Guardian: Lokaljournalisten können Klimafakten vermitteln. Journalisten und Meteorologen, die für lokale Medien arbeiten, haben eine wichtige Rolle, wenn es darum geht, ihren Lesern den Klimawandel zu erklären. Sie berichten vor Ort über die Auswirkungen von Extremwetterereignissen wie den Hurrikan Milton, wobei sie das Vertrauen ihrer Leser und Zuschauer genießen. Zum Artikel

Le Monde: Harris will weiter Gas fördern. Kamala Harris hat angekündigt, Fracking nicht zu verbieten, wenn sie Präsidentin wird. Die Kandidatin der US-Demokraten braucht die Stimmen aus Pennsylvania, um die Wahl im November zu gewinnen. Die Gasförderung ist in dem Bundesstaat ein wichtiger Wirtschaftszweig. Zum Artikel

Standpunkt

Generationenkapital: Feuerprobe für Sustainable Finance

Von Kathrin Petz und Mathias von Gemmingen
Mathias von Gemmingen und Kathrin Petz.

Kurz vor der UN-Klimakonferenz im November könnte der Startschuss für den größten Staatsfonds der deutschen Geschichte fallen: Mit einem “Generationenkapital” im Umfang von 200 Milliarden Euro will der Bund künftig weltweit Wertpapiere kaufen. Mit den erhofften Renditen will die Politik das Rentensystem stützen. Gleichzeitig könnte sie ein Signal an die internationalen Finanzmärkte senden: Seht her, die drittgrößte Wirtschaftsnation der Welt investiert in eine fossilfreie Zukunft.

Dieses Signal brauchen wir dringend: Denn die Klimakatastrophe ist im vollen Gange und die fossile Industrie verschärft mit ihren Expansionsprojekten diese existenzielle Bedrohung. Während die internationale Politik in mühsamen Verhandlungen versucht, den CO₂-Ausstoß auf Paris-Kurs zu bringen, kippen die fossilen Riesen ständig weiter Öl ins Feuer.

Vor diesem Hintergrund debattiert der Bundestag derzeit über den Gesetzentwurf für das “Generationenkapital”. Und was tut die Chefin des Fonds, der künftig die Rentenanlagen verantworten soll? Anja Mikus, CEO des staatlichen Atomfonds Kenfo, lehnt Nachhaltigkeitsvorgaben durch den Gesetzgeber in aller Öffentlichkeit als “kontraproduktiv” ab.  Mikus beharrt darauf, weiter in Gas- und Ölkonzerne zu investieren – als hätte es das Pariser Klima-Abkommen nie gegeben.

Kenfo investierte in über 100 fossile Unternehmen

Fakt ist: Der Kenfo investierte nach letztem Stand in über 100 fossile Unternehmen. Darunter die sogenannten “Oil Majors” Shell, Total Energies und BP sowie die beiden Unternehmen mit den größten kurzfristigen Expansionsplänen innerhalb der Branche: der brasilianische Konzern Petrobas und Saudi Aramco.

Zum Kenfo-Portfolio gehören laut einer kürzlich von Greenpeace veröffentlichten Studie auch weitere Unternehmen mit einem Volumen von 1,3 Milliarden Euro, die mit schweren Umweltschäden und Menschenrechtsverletzungen in Verbindung gebracht werden.

Die Kenfo-Chefin versucht die Rolle ihres Fondsmanagements in solchen Fragen kleinzureden: Mit dem Ausschluss fossiler Aktien lasse sich kein CO₂ sparen. Dabei ignoriert sie die Signalwirkung eines gezielten Divestments – des Verkaufs kritischer Wertpapiere auf Basis klar definierter Ausschlusskriterien. Wissenschaftliche Forschung hat diesen “Signaling-Effekt” und Emissionsminderungen infolge solcher Divestment-Schritte längst nachgewiesen.

Andere Investoren gehen voran

Zahlreiche namhafte Investoren nutzen diesen Hebel bereits. So hat der irische Staatsfonds (ISIF) Ausschlüsse für fossile Unternehmen formuliert – ebenfalls verschiedene niederländische Pensionsfonds wie PME, PFZW oder ABP. Sorgen um ihre Rendite machen sie sich aufgrund des Rauswurfs fossiler Konzerne übrigens nicht. Zitat ABP: “Der Fonds geht nicht davon aus, dass sich diese Entscheidung negativ auf die langfristigen Renditen auswirken wird.”

Welche positiven Klimawirkungen solche Schritte entfalten können, zeigt das Beispiel des norwegischen Pensionsfonds: Im Jahr 2015 beschloss das norwegische Parlament, große Kohlekonzerne aus dem Fondsportfolio zu entfernen. Dass ein solch weltweit beachteter Fonds divestierte, entfaltete starke Signalwirkung in der Branche. Es folgte eine ganze Kaskade weiterer Kohle-Divestment-Entscheidungen in der gesamten europäischen Finanzindustrie, von Investoren, Banken und Versicherern. Für Kohleunternehmen ist es seitdem deutlich schwieriger geworden, frisches Kapital aufzunehmen, mit denen sich Expansionsprojekte finanzieren ließen. Jede Kohlemine, die nicht erschlossen wird, verhindert Millionen Tonnen an schädlichen Treibhausgasen.

Kritische Dialoge helfen wenig

Auch der Kenfo hat sich hier eingereiht: Er schließt größere Kohlebergbaufirmen und Betreiber von Kohlekraftwerken aus, ebenso einige weitere Unternehmen. Umso unverständlicher ist die hartnäckige Weigerung der Kenfo-Chefin, ihr Portfolio auch von schmutzigen Investitionen in die Öl- und Gasförderung zu befreien. Dabei könnte sie auf diese Weise die Klima-Versprechen des Kenfo endlich konsequent mit Leben füllen, passend zu den Empfehlungen des Sustainable-Finance-Beirats der Bundesregierung. So fordert es auch eine breite NGO-Koalition.

Auch das viel bemühte Transformationsargument ist mit Blick auf die rücksichtslose Expansionsstrategie der Öl- und Gasindustrie unhaltbar. Bislang gibt es keinen Beweis dafür, dass Investoren durch “kritischen Dialog” mit solchen Konzernen positiven Einfluss auf deren Klima-Effekte nehmen können. Oder welcher Investor glaubt ernsthaft, Saudi Aramco am Konferenztisch auf Klimakurs bringen zu können?

Lässt Anja Mikus ihr Fondsmanagement weiter wie bisher investieren, wettet sie gegen die Interessen künftiger Generationen. Die Basis für deren Wohlstand bilden Nachhaltigkeit, Klimaschutz und die Achtung von Menschenrechten – nicht ein gekipptes Klima, ein entwaldeter Amazonas und ausgebeutete Arbeiter*innen.

In einem Land, das sich selbst eine Vorreiterrolle als “Sustainable-Finance-Standort” verordnet hat, muss Fossilfreiheit der öffentlichen Kapitalanlage zum Mindeststandard werden. Nur so können der Kenfo und das “Generationenkapital” auch generationengerecht werden.

Kathrin Petz arbeitet seit 2012 als Finanz-Campaignerin bei der NGO urgewald. Sie beschäftigt sich intensiv mit den Auswirkungen auf das Klima durch öffentliche und privaten Finanzinstitutionen in Deutschland. Sie hat Erfahrung aus zahlreichen Divestment-Kampagnen. Mathias von Gemmingen ist Sprecher der Klima-Initiative FOSSIL FREE Berlin und engagiert sich seit 2015 ehrenamtlich für Divestment.

  • ESG
  • ESG-Fonds
  • Finanzmarkt
  • Generationenkapital
  • Greenpeace
  • Menschenrechte
  • NGO
  • Sustainable Finance

Climate.Table Redaktion

CLIMATE.TABLE REDAKTION

Licenses:
    Liebe Leserin, lieber Leser,

    die Bundesregierung war mit ambitionierten Plänen für eine schnellere Energiewende angetreten, aber viele der Vorhaben laufen aktuell nicht ganz so rund. Darauf blicken wir heute gleich mehrfach: In Sachen Wärmewende erklärt Malte Kreutzfeldt, warum die staatliche Förderung für Wärmepumpen durch günstige Kredite nicht gut angenommen wird. Zudem schauen wir auf ein Vorhaben, das schon als fast aufgegeben galt: das Klimageld. Jetzt gibt es Versuche, es wiederzubeleben – und zwar aus unerwarteter Richtung, nämlich aus den Reihen der CDU.

    Außerdem nähert sich die COP29 in Aserbaidschan mit großen Schritten – und damit verbunden auch Zweifel und Kritik am Gastgeber: Bernhard Pötter analysiert, dass bei den in dieser Woche vorgelegten, unverbindlichen Pledges die Hauptthemen der Klimakonferenz ausgeklammert werden. Gleichzeitig zeigt eine neue Studie, dass Aserbaidschans Ölkonzern eng mit der Regierung des Landes verflochten ist.

    Und auch von den aktuellen Warnungen vor einem Kollaps der Nordatlantischen Umwälzströmung berichten wir.

    Wir bleiben für Sie dran!

    Ihre
    Lisa Kuner
    Bild von Lisa  Kuner

    Analyse

    Wärmepumpen: Günstige KfW-Kredite werden kaum genutzt

    Wärmepumpe an einem Einfamilienhaus in Düsseldorf.

    Das Wärmepumpen-Geschäft läuft nach einem zähen Start zu Beginn des Jahres mittlerweile deutlich besser: Im September gingen nach Angaben des Bundeswirtschaftsministeriums über 15.000 Förderanträge für Wärmepumpen bei der KfW ein; das sind doppelt so viele wie noch im April. Insgesamt sind in den ersten neun Monaten gut 81.000 Anträge eingegangen.

    Zudem vermitteln die Zahlen einen Eindruck davon, wie hoch die staatlichen Zuschüsse ausfallen: Neben der Grundförderung von 30 Prozent, die jeder bekommt, der eine neue Wärmepumpe installiert, bekommen über 80 Prozent der Antragsteller den sogenannten Klimageschwindigkeitsbonus. Dieser macht 20 Prozent der Kosten aus und wird gezahlt, wenn im selbst genutzten Ein- oder Zweifamilienhaus eine Ölheizung oder eine mehr als 20 Jahre alte Gasheizung ersetzt wird.

    KfW Kredite zur Finanzierung

    Den Effizienzbonus in Höhe von fünf Prozent, der zusätzlich für Wärmepumpen mit klimafreundlichem Kältemittel gezahlt wird, erhalten über 60 Prozent der Antragsteller. Und rund 30 Prozent qualifizieren sich zudem für den Einkommensbonus, der Eigenheimbesitzern mit einem zu versteuernden Haushaltseinkommen von unter 40.000 Euro einen Zuschuss von 30 Prozent gewährt. Die Prozentsätze beziehen sich dabei auf die maximal förderfähige Summe von 30.000 Euro bei einem Einfamilienhaus. Von dieser Summe oder den tatsächlichen Kosten können maximal 70 Prozent gefördert werden.

    Doch trotz dieser Förderung, die auch im internationalen Vergleich recht hoch ist, müssen die Kunden noch beachtliche Summen selbst tragen. Bei einem Wärmepumpenpreis von 35.000 Euro sind es für jene, die die maximale Förderung bekommen, 14.000 Euro; wer nur Klima- und Effizienzbonus bekommt, hat Kosten von 18.500 Euro. Zwar wird der Mehrpreis gegenüber einer neuen Gasheizung im Laufe der Jahre durch die geringeren Betriebskosten eingespart; trotzdem ist diese Investitionssumme für viele Haushalte zunächst eine erhebliche Hürde.

    Um diese leichter überwindbar zu machen, gibt es zusätzlich zur direkten Förderung Kredite der KfW. Diese sind vor allem für alle mit einem Haushaltseinkommen von weniger als 90.000 Euro pro Jahr extrem attraktiv: Bei einer Laufzeit von bis zu fünf Jahren liegt der Zinssatz bei nur 0,01 Prozent, bis zu zehn Jahren sind es 0,27 Prozent. Bei höheren Einkommen ist der Zinssatz mit etwa 3,3 Prozent deutlich höher, aber immer noch niedriger als vergleichbare Kredite auf dem freien Markt.

    Günstiger Kredit kaum genutzt

    Doch trotz dieser guten Konditionen wird der KfW-Kredit kaum genutzt. Bis einschließlich Juli – aktuellere Zahlen sind nicht verfügbar – wurde er exakt 1.431 Mal vergeben, wovon der Großteil auf die besonders günstige Variante entfiel. Damit erhielten bis Juli maximal 2,7 Prozent derjenigen, die einen Zuschuss zum Kaufpreis beantragt haben, den Kredit – obwohl mindestens 30 Prozent von ihnen die Kriterien für die besonders günstigen Konditionen erfüllen. Die KfW will dennoch nicht von einem Misserfolg sprechen. “Wir sehen eine gute Nachfrage bei den Ergänzungskrediten Heizungsförderung”, teilte eine Sprecherin auf Anfrage mit. “Das Produkt wird angenommen, über alle Bundesländer hinweg.”

    In der Branche gilt der KfW-Kredit dagegen als Flop: Die Hausbanken, über die er beantragt werden muss, würden sich regelmäßig weigern, ihn zu vermitteln, heißt es. Vermutlich ist der Gewinn, den sie damit erzielen können, im Verhältnis zum Aufwand zu gering. Wie die Vergütung genau geregelt ist, teilt die KfW nicht mit. Sie räumt aber ein: “Grundsätzlich besteht keine Verpflichtung der Banken, KfW-Kredite durchzuleiten.” Man rate Kunden daher, “den Markt zu nutzen und bei verschiedenen Finanzierungspartnern anzufragen”.

    Weil das offenbar wenig erfolgreich ist, weichen Kunden, die für ihre Wärmepumpe einen Kredit benötigen, auf andere Angebote aus. So kooperieren mit Thermondo und Octopus seit Anfang des Jahres zwei überregional tätige Wärmepumpen-Installationsunternehmen mit dem Finanzunternehmen Consors. Dieses finanziert deren Kunden die Wärmepumpe für bis zu zehn Jahre zu einem fixen Zinssatz von 6,49 Prozent. Auch der Anbieter 1Komma5Grad arbeitet mit Consors zusammen. Die durchschnittliche anfängliche Kredithöhe liegt nach Angabe des Unternehmens bei rund 29.000 Euro. Wie viele Kredite bisher vergeben wurden, teilte Consors nicht mit.

    Milliarden für Kredite

    Mehr Details gibt es vom überregionalen Anbieter Enpal. Dort nehme fast jeder Wärmepumpen-Kunde anfangs einen Kredit in Anspruch, den das Unternehmen für 5,99 Prozent anbietet, teilte Pressesprecher Wolfgang Gründinger mit. Die Forderungen werde dabei an spezielle Zweckgesellschaften (SPV) verkauft, die diese wiederum an Investoren wie Blackrock oder große Pensionsfonds weiterveräußern. “So werden Milliarden von Euro in klimafreundliche Infrastruktur gelenkt”, schreibt das Unternehmen.

    Tatsächlich geht es dabei um gewaltige Summen: Wie Enpal an diesem Mittwoch mitteilte, hat das Unternehmen für die Kredite mittlerweile fünf Milliarden Euro bei Investoren eingeworben. Bis 2027 soll die Summe auf zehn Milliarden Euro steigen – wobei damit nicht nur Wärmepumpen, sondern auch Solaranlagen, Speicher und Ladepunkte finanziert werden. Dabei dienen die Kredite offenbar nicht nur dazu, den eigenen Absatz zu steigern. Dass sie auch für sich genommen ein gutes Geschäft sind, zeigt sich daran, dass Enpal sie nicht nur an eigene Kunden vermittelt, sondern über das Tochterunternehmen Enpal Financial Services auch die Kunden von regionalen Installationsbetrieben damit versorgt werden.

    • Finanzierung
    • KfW
    • Wärmepumpe
    • Wärmewende
    Translation missing.

    COP29: Präsidentschaft legt Liste unverbindlicher Ziele vor

    Unter dem Logo der COP29 sollen verbindliche und unverbindliche Beschlüsse gefasst werden.

    Drei Wochen vor Beginn der COP29 hat die aserbaidschanische Präsidentschaft die Texte veröffentlicht, die sie neben den bindenden Beschlüssen der Konferenz als eigene Initiativen vorantreibt. Die neun Deklarationen und Verpflichtungen, die während der Konferenz verabschiedet werden sollen, sind nicht bindend, sollen aber von möglichst vielen Staaten und anderen Akteuren unterzeichnet werden.

    Damit sollen Aspekte vorangetrieben werden, die der Präsidentschaft besonders am Herzen liegen. Allerdings fehlen bei den Deklarationen die zentralen Fragen der COP29-Verhandlungen: Finanzen, Ausstieg aus den fossilen Energien, Emissionsreduktionen, Anpassung. Deshalb monieren Beobachter fehlenden Ehrgeiz der Präsidentschaft. Eine Befürchtung: Der Fokus auf diewichtigen, aber eher randständigen Themen aus den Deklarationen könnte Aufmerksamkeit von den zentralen Fragen der COP ablenken – und den Druck zur Einigung in diesen umstrittenen Feldern verringern.

    Waffenstillstand, Erneuerbare, Methan, Wasserstoff, Tourismus

    Die Deklarationen betreffen:

    • einen Waffenstillstand während der COP,
    • den Ausbau von Energiespeichern und Netzen,
    • die Errichtung von besonderen Zonen und Korridoren für den Ausbau grüner Energien,
    • den Aufbau der Wasserstoff-Wirtschaft,
    • grüne digitale Projekte,
    • Methanreduzierung aus organischem Abfall,
    • gesunde Städte,
    • Tourismus sowie
    • Wasser.

    Die Präsidentschaft hat die Deklarationen zur Kommentierung an die Delegationen und andere Teilnehmer verschickt. Sie betont, diese Erklärungen würden “nicht die Veränderungen bringen, die wir brauchen, um die Welt auf einen 1,5-Grad-Pfad zu bringen”, sie spielten aber eine “signifikante Rolle” in der Vision der Präsidentschaft. Für die Konferenz ab dem 11. November haben sich bisher 32.000 Besucher angemeldet, die Zahl soll aber nach Angaben der Veranstalter noch deutlich steigen.

    Erklärungen wiederholen alte Forderungen

    Die Erklärung zu einem allgemeinen Waffenstillstand während der COP haben demnach bereits 127 Länder und über 1100 nicht-staatliche Akteure unterzeichnet. Sie nennt keine einzelnen Konflikte, sondern mahnt, Kämpfe verursachten zusätzliche CO₂-Emissionen, zerstörten Ökosystem und “unterminieren die Versuche, den Planeten zu erhalten.” Es fehlt allerdings ein Hinweis auf Opfer oder menschliches Leiden.

    Die Deklaration zu Energiespeichern schlägt ein kollektives Ziel von 1500 MW Speicherkapazität bis 2030 vor, “mehr als eine Versechsfachung” der Kapazitäten von 2022. Das fordert auch die Internationale Energieagentur IEA in ihrem World Energy Outlook für ein Klimaszenario. Außerdem sollen besondere “Zonen und Korridore” für erneuerbare Energien die Beschlüsse der COP28 umsetzen helfen, die Kapazitäten der grünen Energien bis 2030 zu verdreifachen und die Effizienz zu verdoppeln. Auch in den anderen Bereichen rufen die Erklärungen auch mit Verweis auf die Ergebnisse des Global Stocktake der COP28 generell dazu auf, das vorhandene Wissen zu nutzen und zusammenzuarbeiten.

    Was fehlt: Finanzen, fossiler Ausstieg, Methan aus der Industrie

    Zentrale Themen der Klimadiskussion werden in den Erklärungen allerdings nicht behandelt:

    • Die Klimafinanzierung, zentrales Anliegen der COP29, mit einem neuen Finanzziel. Auch der geplante Climate Finance Action Fund (CFAF) und die Baku Initiative for Climate Finance, Investment and Trade (BICFIT), die die Präsidentschaft als zentrale Anliegen benannt hat, sind nicht darunter. Sie sollen offenbar später adressiert werden.
    • Die Abwendung von den fossilen Energien (“transition away”), eines der zentralen Ergebnisse der COP28, wird nicht erwähnt.
    • Die Deklaration zur Methan-Reduktion bezieht sich nur auf die Emissionen aus dem Lebensmittel-Sektor. Diese machen etwa 20 Prozent der Emissionen aus. Die deutlich größeren Emissionen vor allem aus der Gasindustrie werden nicht angesprochen. Die “Methan-Pledge”, die Emissionen der Industrie um 30 Prozent verringern soll, steht jedoch bisher vor großen Problemen.

    Für Petter Lydén von Germanwatch haben die vorgelegten Deklarationen “sehr wenig Substanz”, weil sie vor allem eine Zusammenfassung von bisherigen Initiativen sind. Es fehle die Ambition, um über bisherige Ziele hinauszugehen, so Lydén. “Wir werden das nicht unterschreiben, weil wir damit etwas legitimieren würden, was nicht genug ist”, sagte er gegenüber Table.Briefings.

    • Aserbaidschan
    • CO2-Emissionen
    • COP28
    • COP29
    • Erneuerbare Energien
    • Fossile Brennstoffe
    • Methan
    • UN-Klimaverhandlungen
    Translation missing.

    Termine

    24. Oktober, 9 Uhr, Karlsruhe
    Aktionstag Fair Day – Impulse für nachhaltiges Wirtschaften
    Die Unternehmerinitiative Fairantwortung veranstaltet diesen Aktionstag zum Austausch über nachhaltiges Wirtschaften. Es geht unter anderem um Sustainable Finance und regenerative Geschäftsmodelle.  Infos

    24. Oktober, Hafen von Odense, Dänemark
    Ministertreffen North Seas Ministerial Meeting 2024
    Die europäischen Klima- und Energieminister, der EU-Energiekommissar und Vertreter der Windbranche treffen sich am 24. Oktober im Hafen von Odense in Dänemark zur Nordsee-Ministertagung. Sie werden erörtern, wie das Ziel erreicht werden kann, 20.000 Offshore-Windturbinen in der Nordsee zu installieren. Infos

    24. Oktober, 16 Uhr, Online
    Webinar Zero Waste: The Road to COP29
    Das Webinar ist Teil einer Reihe, die gemeinsam von der COP29-Präsidentschaft und dem Beirat für Abfallvermeidung des UN-Generalsekretärs veranstaltet wird, um durch die Förderung innovativer nationaler und lokaler Initiativen einen weltweiten Übergang zur Abfallvermeidung zu unterstützen. Infos

    25. bis 27. Oktober, Berlin
    Konferenz Local Conference of the Youth
    1.200 junge Menschen im Alter von 14 bis 30 Jahren werden sich ein Wochenende lang in über 200 Programmbeiträgen mit Themen rund ums Klima auseinandersetzen. Finanziell ermöglicht wird die Konferenz durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Klima sowie die Senatsverwaltung für Mobilität, Verkehr, Klimaschutz und Umwelt Berlin.  Infos

    26. Oktober, 14 Uhr, Mainz/Online
    Symposium Wie finanzieren wir die Transformation? Auf dem Weg zu einer klimaneutralen Wirtschaft und Gesellschaft
    Wie können private Investitionen mobilisiert werden, um Klimafinanzierung zu sichern? Darüber wird auf diesem Symposium der Deutschen Bundesstiftung Umwelt diskutiert.  Infos

    28. Oktober bis 1. November, Bankok, Thailand
    UN-Konferenz UN-Ozon-Treffen
    Auf der 13. Tagung der Konferenz der Vertragsparteien des Wiener Übereinkommens zum Schutz der Ozonschicht (COP13) und der 36. Tagung der Vertragsparteien des Montrealer Protokolls über Stoffe, die zu einem Abbau der Ozonschicht führen (MOP36), werden Fragen zur Verbesserung des Schutzes der Ozonschicht und des Klimas erörtert.  Infos

    29. Oktober, 15 Uhr, Online
    Webinar Show us the money! Climate finance prospects at COP29
    Experten der Plattform Climate Home News werden bei diesem Webinar darüber diskutieren, wie die Debatten zu einem neuen Finanzziel bei der COP29 konstruktiv verlaufen können.  Infos

    30. Oktober, 9 Uhr, Berlin
    Tagung Wirtschaftsfaktor Naturkapital
    Im Fokus dieser Veranstaltung stehen Ökosystemleistungen und ihre ökonomische Bewertung. Der Bundesverband Nachhaltige Wirtschaft und die Heinrich-Böll-Stiftung richten diese Tagung gemeinsam aus.  Infos

    30. Oktober, 14 Uhr, Online
    Webinar “Batteries on wheels”: what can EVs do for the power system?
    Als Batterien auf Rädern werden E-Fahrzeuge ein wichtiger Eckpfeiler des Energiesystems von morgen sein. Im Auftrag von T&E haben die Fraunhofer-Forschungsinstitute ISI und ISE die potenziellen Einsparungen modelliert und Gründe identifiziert, die Europa noch daran hindern, das wachsende “kostenlose” Speicherpotenzial zu erschließen. Auf dem Webinar von T&E werden die Hauptergebnisse der Untersuchung diskutiert. Infos

    30. Oktober, 15.30 Uhr, Online
    Webinar Climate finance for livestock development: bridging the gap
    Die Landwirtschaft erhält bisher verhältnismäßig wenig Klimafinanzierung. In diesem Webinar von der Climate und Clean Air Coalition (CCAC) werden die von der Livestock Data for Decisions (LD4D) Climate Finance Solutions Group dazu entwickelten Erkenntnisse vorgestellt. Hierbei handelt es sich um einen Zusammenschluss von 20 internationalen Viehzucht- und Finanzexperten. Infos

    News

    Klima in Zahlen: So viel Wald zerstört der Bergbau

    In den vergangenen 20 Jahren hat der Bergbau weltweit um mehr als 50 Prozent zugelegt. Da die Suche nach Kohle, Gold und anderen Materialien vor allem auch in Forstgebieten stattfindet, leidet darunter weltweit der Wald. In einer ersten Übersicht stellt das World Ressource Institute (WRI) jetzt fest, dass zwischen 2001 und 2020 weltweit 1,4 Millionen Hektar Wald durch Bergbauaktivitäten vernichtet wurden – etwa die Fläche von Schleswig-Holstein. Der Verlust der Bäume entspricht der Emission von etwa 36 Millionen Tonnen CO₂ jährlich, vergleichbar mit dem Treibhausgasausstoß von Finnland.

    Verglichen mit anderen Waldverlusten ist das einerseits nicht viel: Allein durch die Forstwirtschaft gingen in diesem Zeitraum etwa 130 Millionen Hektar Wald verloren, weitere 90 Millionen fielen Bränden zum Opfer. Aber ein großer Teil der Zerstörung durch den Bergbau findet in besonders sensiblen Gebieten statt: In primären Regenwäldern mit hoher Artenvielfalt und von hohem biologischen Wert, in Naturschutzgebieten und in Regionen, die von indigenen Gemeinschaften zum Lebensunterhalt genutzt werden. Außerdem wird beim Bergbau oft auch der Boden entfernt, spätere Regeneration der Natur ist also schwieriger als etwa bei der Abholzung.

    Die Zahlen des WRI sind konservativ geschätzt, denn sie beziehen sich nur auf den Bergbau. Der Bau von Straßen, Siedlungen und anderer Infrastruktur wird dabei nicht eingerechnet. Die Waldvernichtung durch die Suche nach Gold, Kohle und Materialien (auch für die Energiewende) konzentriert sich vor allem auf eine Handvoll Staaten: Indonesien, Brasilien, Russland, USA, Kanada, Peru, Ghana, Surinam, Myanmar, Australien und Guyana. bpo

    • Bergbau
    • CO2-Emissionen
    • Klima in Zahlen
    • Wald

    Klimageld: Welche CDU-Politiker jetzt für die Einführung werben

    Kurz vor dem Energiegipfel der CDU/CSU-Bundestagsfraktion am 5.November setzt sich in der Partei ein ungewohntes Bündnis für die Einführung eines Klimagelds ein. Die Klima-Union hat dazu ein ausführliches Papier erarbeitet; ähnliche Forderungen hat nach Informationen von Table.Briefings auch der Vorstand der Mittelstandsvereinigung der Partei verabschiedet. Unterstützt werden sie von Dennis Radtke, dem Vorsitzenden der Arbeitnehmervereinigung CDU (CDA), und Roland Koch, dem Vorsitzenden der konservativ-libertären Ludwig-Erhard-Stiftung.

    Das Konzept der Klima-Union und das in weiten Teilen ähnliche Papier der Mittelstandsvereinigung sehen vor, dass die Einnahmen aus dem CO₂-Handel auf drei verschiedenen Wegen – als Klimageld, über gesenkte Strompreise und durch Zuschüsse für klimafreundliche Investitionen – an Verbraucher und Wirtschaft zurückgegeben werden sollen. Allerdings soll das frühestens ab 2027 passieren. Ab dann bildet sich auch der bisher vom Staat vorgegebene CO₂-Preis für den Gebäude- und Verkehrssektor am Markt, sodass mit einem starken Anstieg gerechnet wird. “Wenn wir die Einnahmen aus der CO₂-Bepreisung vollständig an Bürger und Unternehmen zurückgeben wollen und nicht wie die Ampel für andere Zwecke missbrauchen, dann können wir Stromkosten senken, Förderungen finanzieren und ein Klimageld finanzieren“, sagte Thomas Heilmann, Bundestagsabgeordneter und Vorsitzender der Klima-Union, Table.Briefings.

    Beginnen soll die Auszahlung, wenn die Einnahmen aus der CO₂-Bepreisung, die aktuell bei rund 22 Milliarden Euro liegen, auf 30 Milliarden Euro gestiegen sind; das dürfte bei einem CO₂-Preis zwischen 80 und 90 Euro pro Tonne der Fall sein. Die Finanzplanung der Bundesregierung rechnet damit im Jahr 2028; möglich ist diese Summe aber bei entsprechender Entwicklung des CO₂-Preises auch schon 2027. Wenn ein Drittel der Einnahmen gleichmäßig pro Kopf ausgezahlt würde, ergäbe sich ein Klimageld von 120 Euro pro Jahr. Allerdings plädiert die Klima-Union nicht für einen einheitlichen Betrag, sondern will die Höhe ähnlich wie in Österreich teilweise vom Wohnort abhängig machen: Auf dem Land, wo kaum Busse oder Bahnen genutzt werden können, wäre der Betrag dann höher als in Städten mit gut ausgebauten ÖPNV-Angebot.

    Gelbwesten in Frankreich als Warnung

    Diese genaue Ausgestaltung vertritt bisher nur die Klima-Union, doch generelle Unterstützung für die Einführung eines Klimageldes kommt aus sehr unterschiedlichen Flügeln der Partei. Der CDA-Vorsitzende und Europaabgeordnete Dennis Radtke etwa hält den geplanten Emissionshandel im Gebäude- und Verkehrssektor zwar für richtig. “Ohne sozialen Ausgleich findet dieser aber keine Akzeptanz”, sagte er Table.Briefings. Daher habe die Union schon auf europäischer Union dafür gekämpft, “dass die nationalen Einnahmen nach einer sozialen Staffelung an die Menschen zurückgegeben werden”. Ein Klimageld könne dabei “einen wichtigen Beitrag leisten”. Unterstützung kommt auch von Roland Koch von der Ludwig-Erhard-Stiftung. Einkommensschwache Haushalte litten besonders unter wirksamen CO₂-Preisen. “Ohne Ausgleich durch ein Klimageld ist das politisch nicht durchsetzbar”, sagte er. “Die Gelbwesten in Frankreich sollten uns eine Warnung sein.”

    Die aktuellen Forderungen stehen im Gegensatz zu einem energiepolitischen Papier, das der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Jens Spahn für den Energiegipfel erarbeitet hat. Darin hatte er sich dafür ausgesprochen, Verbraucher und Unternehmen statt über ein Klimageld zunächst nur über die Senkung der Stromsteuer und der Netzentgelte zu entlasten. mkr

    • Autoindustrie
    • CDU
    • Emissionshandel
    • Klimageld
    • MIT

    Atlantikströmung: Warum Forschende eindringlich vor ihrem Kollaps warnen

    In einem eindringlichen offenen Brief haben mehr als 40 namhafte Klimaforschende den Nordischen Ministerrat vor der Gefahr gewarnt, dass die Nordatlantische Umwälzströmung (Atlantic Meridional Overturning Circulation, AMOC) zusammenbrechen könnte. Das könnte die klimatischen Verhältnisse in Europa abrupt und dramatisch verändern, etwa durch drastisch fallende Temperaturen – mit potenziell schwerwiegenden Folgen für Ökosysteme und menschliche Lebensgrundlagen weit über den Kontinent hinaus.

    Die AMOC ist der Grund für das vergleichsweise milde europäische Klima und eine der wichtigsten Meeresströmungen der Erde. Zwar sei die Wahrscheinlichkeit ihres Zusammenbruchs “höchst ungewiss”, räumen die Forschenden in ihrem Brief ein. Aber jüngste wissenschaftliche Ergebnisse “deuten darauf hin, dass der IPCC dieses Risiko unterschätzt hat und dass das Überschreiten dieses Kipppunkts bereits in den nächsten Jahrzehnten eine ernsthafte Möglichkeit ist”.

    “Die Auswirkungen, insbesondere auf die nordischen Länder, wären wahrscheinlich katastrophal“, heißt es in dem Brief weiter: Die Region könnte sich stark abkühlen, “nie dagewesene Wetterextreme” könnten auftreten, die Landwirtschaft in Nordwesteuropa wäre bedroht. Weltweit könnten sich zudem die tropischen Niederschlagsgürtel verschieben, heißt es in dem Schreiben weiter. Die Ozeane könnten weniger CO₂ aufnehmen, wodurch die Konzentration des Gases in der Atmosphäre schneller steigen würde. Der zusätzliche Anstieg des Meeresspiegels vor allem entlang der amerikanischen Atlantikküste wäre “erheblich”, die marinen Ökosysteme und die Fischerei würden “umgewälzt”. Sich an eine solche Klimakatastrophe anzupassen, sei praktisch unmöglich.

    Nordische Länder sollen dringend handeln

    Deshalb fordern die Forschenden in dem Brief den Nordischen Ministerrat dringend auf, “eine Bewertung dieses bedeutenden Risikos für die nordischen Länder einzuleiten und Schritte zu unternehmen, um dieses Risiko so weit wie möglich zu minimieren“. Der Nordische Ministerrat besteht aus Dänemark, Schweden, Finnland, Norwegen und Island sowie drei zu Finnland und Dänemark gehörenden autonomen Gebieten.

    Unterdessen haben die weltweiten Subventionen für fossile Brennstoffe laut Weltwährungsfonds im Jahr 2022 die Rekordsumme von sieben Billionen US-Dollar erreicht. Das zeige, dass es keine glaubwürdigen Anstrengungen gebe, eine Klimakatastrophe wie im Brief beschrieben zu verhindern, sagte Unterzeichner und Klimaforscher Stefan Rahmstorf.

    Den Brief unterzeichnet haben daneben unter anderem der US-Klimaforscher Michael Mann, der als Vater der Hockey-Stick-Grafik gilt; Johan Rockström, Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung PIK; der Schweizer Klimaphysiker Thomas Stocker, ehemaliger Co-Vorsitzender der IPCC-Arbeitsgruppe I, sowie Forschende aus mehreren weiteren europäischen Ländern, den USA, Australien und China. rtr/ae

    • AMOC
    • Fossile Brennstoffe
    • IPCC
    • Klima & Umwelt
    • Klimaanpassung
    • Klimaforschung
    • Klimaschutz
    • Ozeane

    Aserbaidschan: Enge Verbindung zwischen Fossilindustrie und Regierung

    Der staatliche Öl- und Gaskonzern von Aserbaidschan SOCAR ist nach einer neuen Studie eng mit der Regierung des Landes verflochten und setzt stark auf den weiteren Ausbau der fossilen Energien. 2023 produzierte der Konzern 174 Millionen Barrel an Öl- und Gasprodukten, investierte von 2022 bis 2024 insgesamt 300 Millionen US-Dollar in die Erkundung neuer Reserven und hilft, das Energieembargo der EU gegen Russland zu umgehen. Das ist ein Ergebnis der Studie “SOCAR- Azerbaijan´s Fossil Fuel Proxy”, die die NGOs urgewald und Bankwatch network jetzt vorgelegt haben.

    Die Untersuchung stützt sich auf frei zugängliche Daten und zeigt die enge Verbindung zwischen Politik und der Öl- und Gaswirtschaft im Gastgeberland der COP29. Obwohl SOCAR weniger als ein Prozent der weltweiten Gas- und Ölmenge produziert, ist die heimische Wirtschaft von dem Sektor extrem abhängig. Fossile Energien machen demnach 90 Prozent der Exporterlöse aus, 60 Prozent der Staatseinnahmen und 30 bis 50 Prozent der Wirtschaftsleistung. Bei der Begutachtung durch den “Climate Action Tracker” erreichte das Land kürzlich die schlechteste Note “kritisch unzureichend.”

    Korruption und Finanzierung des Konflikts in Armenien

    “SOCAR ist eine zutiefst politische Organisation und die Verbindungen des aserbaidschanischen Präsidenten zu der Firma sind ein großer Grund zur Besorgnis”, heißt es in der Studie. Präsident Ilham Alliev war vor seiner Amtszeit SOCAR-Vizevorsitzender, er setzt den Chef und den Aufsichtsrat ein. Der designierte COP29-Präsident und Umweltminister Mukhtar Babayev arbeitete zuvor 26 Jahre bei SOCAR. Die Studie wirft dem Konzern auch Verwicklung in Korruption und die Finanzierung des militärischen Konflikts mit Armenien vor.

    SOCAR erhielt zwischen 2021 und 2023 insgesamt 6,8 Milliarden US-Dollar an Krediten und Verträgen von internationalen Banken, allen voran JPMorgan Chase und Citigroup. Kurz nach dem Zuschlag für die COP29 gründete der Konzern seine Tochter SOCAR Green, die in Erneuerbare, grünen Wasserstoff und CCS investieren soll. Das aber soll laut Gutachten weniger dazu dienen, die Wirtschaft von Öl und Gas abzuwenden, sondern vor allem dem Export helfen: Denn die EU hat auf der Suche nach anderen Gaslieferanten nach dem russischen Angriff auf die Ukraine 2022 mit Aserbaidschan die Verdopplung der Lieferungen vereinbart. Außerdem sind SOCAR und Aserbaidschan laut Gutachten an einer Raffinerie in der Türkei beteiligt, die das EU-Embargo gegen Russland umgeht. bpo

    • Aserbaidschan
    • CCS
    • COP29
    • Fossile Brennstoffe
    • Fossile Industrien

    G20: Klimaziele mit Wachstum in Einklang bringen

    Wirtschaftswachstum müsse dringend mit Klimazielen in Einklang gebracht werden. Das fordert die Task Force for the Global Mobilization Against Climate Change (TF Climate) der G20 in einem Bericht mit dem Titel “A Green and Just Planet”, der am Mittwoch in Washington veröffentlicht wurde. Wachstum schließe Klimaschutz nicht aus, aber es brauche grünes Wachstum.

    Da die G20-Staaten für 80 Prozent der globalen Emissionen verantwortlich sind, sollten sie auch für mindestens diesen Anteil an Emissionsreduzierung verantwortlich sein, heißt es. Die Länder, die den größten Teil der historischen Emissionen verursacht haben, sollten vorangehen. Um das zu erreichen, müssten Industriestrategien und Finanzarchitektur auf Klimaziele ausgerichtet werden. Dafür sollten die G20-Staaten “grüne Industriestrategien” entwickeln. Die sollen “sektorübergreifende Investition, Innovation und Transformation” vorantreiben.

    Vor dem G20-Gipfel, der am 18. und 19. November in Rio de Janeiro stattfindet, hat auch das Climate Action Network (CAN) Erwartungen an die Staaten formuliert. Die G20 müssten auf ihrem Gipfel zeitgleich mit der COP29 den Boden für ein “ehrgeiziges, faires und reaktionsschnelles Klimafinanzierungsziel und für gerechte nationale Klimapläne” bereiten, fordert CAN. Wichtig sei es in dem Zusammenhang, dass die G20 – insbesondere die reichsten Länder – mit öffentlichen Geldern zu einem neuen Klimafinanzziel beitragen. kul

    • G20
    • Industrie
    • Innovation
    • Klimafinanzierung
    • Klimaziele

    Eisbären: Deshalb infizieren sie sich häufiger durch die Erderwärmung

    Eisbären infizieren sich in Folge der Klimakrise immer häufiger mit Krankheitserregern. Zu dem Ergebnis kommt eine im Fachjournal “Plos One” erschienen Studie, für die Forscherinnen und Forscher Blutproben von Eisbären analysierten und nach Antikörpern gegen sechs verschiedene Erreger suchten. Die Proben von der Eisbärenpopulation in der Tschuktschensee, einem Teil des arktischen Ozeans zwischen Alaska und Sibirien, stammen aus zwei Zeitspannen: von 1987 bis 1994 und von 2008 bis 2017.

    Im Vergleich zum früheren Zeitraum traten fünf der sechs Erreger in den Blutproben ab 2008 häufiger auf. Die Infektionszahlen für drei der Erreger hatten sich sogar mehr als verdoppelt. Eisbärenweibchen waren im Schnitt stärker betroffen als Männchen – möglicherweise, weil in dieser Region viele von ihnen die Schwangerschaft auf dem Festland verbringen. Laut den Forschenden schreitet die Erderwärmung in der Arktis fast viermal schneller voran als im weltweiten Vergleich. Der Lebensraum der Eisbären, das Meereis, schwinde in rasantem Tempo. Gleichzeitig sorgt der Klimawandel dort für bessere Bedingungen für Viren, Bakterien und Parasiten.

    Die Ergebnisse zeigen zwar, dass Eisbären heute öfter als früher mit verschiedenen Keimen in Kontakt kommen. In welchem Umfang die Tiere von diesen aber tatsächlich krank werden, ist unklar. Unter anderem ein Vergleich mit Braunbärpopulationen in Alaska lasse aber darauf schließen, dass der Erregerkontakt der Eisbärengesundheit bisher nicht nennenswert schade. Die Situation müsse weiter beobachtet werden. dpa

    • Arktis
    • Gesundheit
    • Klimakrise

    Energiewende bei Gebäuden: Massive Wissenslücke bei Eigentümern

    Unter Eigentümern von Ein- und Zweifamilienhäusern, die ihre Immobilie selbst bewohnen, herrscht großes Unwissen über den energetischen Zustand ihrer Häuser. Zudem sind viele durch die politischen Debatten über die Wärmewende und das Heizungsgesetz verunsichert, was sie von Sanierungsmaßnahmen abhält. Das ist das Ergebnis einer Studie, bei der das Institut B+L Marktdaten bundesweit mehr als 2.000 Eigenheimbesitzer im August und im September befragte. Auftraggeber ist die Initiative Klimaneutrales Deutschland (IKND) und die Repräsentanz Transparente Gebäudehülle (RTG), in der Wirtschaftsverbände und Unternehmen vertreten sind. Das sind zentrale Ergebnisse der Studie:

    • Die Qualität eigener Gebäude wird deutlich überschätzt. Zwar können mittlerweile 45 Prozent der Eigenheimbesitzer eine Aussage über den Energiestandard treffen (2002 waren es nur 33 Prozent). Allerdings ordnen nur 13 Prozent ihr Haus den niedrigen Effizienzklassen E bis H zu. Tatsächlich liegt der Anteil solcher Häuser aber bei 68 Prozent. Die Lücke verweist auf große Unkenntnis der Besitzer über den wirklichen Zustand vieler Häuser.
    • Weniger Sanierungen geplant: Zwölf Prozent der Befragten wollen in den kommenden zwölf Monaten ihr Haus energetisch sanieren. 2002 wollten dies noch 18 Prozent. Haupthindernisse sind finanzielle Unsicherheit, die fehlende Bereitschaft dafür, einen Kredit aufzunehmen, höhere Baukosten sowie die politischen Debatten um das Gebäudeenergiegesetz (GEG).
    • Unattraktive Förderprogramme: 55 Prozent der befragten Eigenheimbesitzer stufen die staatlichen Förderprogramme als wenig attraktiv ein. Mehr als 70 Prozent derjenigen, die nicht sanieren, könnten sich bei besseren Fördermöglichkeiten durchaus eine Sanierung vorstellen.

    Derzeit liegt die Sanierungsrate bei nur einem Prozent. Das ist ein historisches Tief. Um die Klimaziele in Deutschland umzusetzen, bräuchte es eine Sanierungsrate von zwei Prozent, sagt Carolin Friedemann, Geschäftsführerin der Initiative Klimaneutrales Deutschland. Nach Ansicht der Herausgeber der Studie braucht es attraktivere Förderprogramme, bessere Beratungsangebote und mehr Planungssicherheit. cd

    • Energieeffizienz
    • Energiewende
    • Gebäudeenergiegesetz
    • Klimaanpassung
    • Klimaziele
    • Wärmewende

    Klimapflichten von Staaten: Wann die Verhandlung vor dem IGH beginnt

    Am 2. Dezember beginnen vor dem Internationalen Gerichtshof (IGH) die Anhörungen im Fall um die Pflichten und Verantwortungen von Staaten im Klimawandel. Wie das Magazin Forbes berichtet, werden insgesamt 88 Staaten und mehrere Organisationen zwölf Tage lang ihre Argumente vor dem Gericht darlegen. Auf dieser Basis wird der IGH dann ein Gutachten erarbeiten.

    Das Gericht behandelt den Fall auf Bitten der Generalversammlung der Vereinten Nationen, die im März einstimmig eine entsprechende Resolution des Inselstaats Vanuatu angenommen hatte. Dabei hatte die Generalversammlung dem IGH folgende Fragen gestellt:

    • Welche Verpflichtungen haben die Staaten nach internationalem Recht zum Schutz des Klimasystems und anderer Teile der Umwelt vor Treibhausgasen?
    • Welche juristischen Konsequenzen haben diese Verpflichtungen für Staaten, die durch “Handeln oder Unterlassen beträchtlichen Schaden am Klima- und anderen Umweltsystemen verursacht haben” – und zwar sowohl mit Bezug auf auf andere Länder, vor allem kleine Inselstaaten, die im Klimawandel besonders verwundbar oder von ihm bereits besonders betroffen sind, als auch mit Bezug auf besonders betroffene Völker und Personen jetziger und kommender Generationen?

    Die erfolgreiche Abstimmung in der UN-Generalversammlung gilt als großer diplomatischer Erfolg von Vanuatu. Ein IGH-Gutachten ist zwar rechtlich nicht bindend, dürfte aber dennoch politische Wirkung entfalten. So kann es beispielsweise beeinflussen, wie Staaten in Zukunft Umwelt- und Klimagesetze ausgestalten und wie Gerichte über Klimapolitik urteilen. ae

    • IGH
    • Klima & Umwelt
    • Klimaklagen
    • Vanuatu
    • Vereinte Nationen

    Presseschau

    New York Times: Google investiert in CO₂-Abscheidung. Das US-Unternehmen Holocene will mit Unterstützung von Google ab 2030 das Treibhausgas CO₂ aus der Atmosphäre entfernen. Zurzeit arbeitet Holocene an einer Erprobungsanlage. Ziel ist es, eine Tonne CO₂ für 100 US-Dollar abzuscheiden. Zum Artikel

    Klimareporter: CCS bei Abfall untergräbt Klimaschutz. Künftig soll auch CO₂ aus der Müllverbrennung mit dem CCS-Verfahren unterirdisch gespeichert werden, weil die Bundesregierung diese Emissionen teilweise als unvermeidlich einstuft. Dabei gibt es Möglichkeiten, den CO₂-Ausstoß zu verringern und so auf CCS zu verzichten. Zum Artikel

    Washington Post: Mit Glauben gegen den Klimawandel. Religiöse Umweltgruppen argumentieren mit der Bibel, dem Koran oder den Veden gegen Umweltverschmutzung. Den verantwortlichen Umgang mit fossilen Brennstoffen, die Ursache für den Klimawandel sind, sehen sie als eine heilige Pflicht, die sie aus ihrem Glauben ableiten. Zum Artikel

    New York Times: Das Hochwasserproblem der USA. Seit den 1990er-Jahren haben sich die Hochwasserschäden in den USA verdoppelt. Auf das Hochwasser kann unterschiedlich reagiert werden. Deiche können gebaut, Häuser auf Pfähle gesetzt oder das Bauen in hochwassergefährdeten Gebieten eingestellt werden. Zum Artikel

    Tagesschau: Biodiversität ist ein Wirtschaftsfaktor. Die Tropenbiologin und Unternehmensberaterin Frauke Fische sagt, dass 60 Prozent des weltweiten Bruttosozialprodukts von intakten Ökosystemen abhängen. Geht die Biodiversität durch Übernutzung von natürlichen Ressourcen zurück, würde dies zu massiven wirtschaftlichen Schäden führen. Zum Artikel

    Guardian: Lokaljournalisten können Klimafakten vermitteln. Journalisten und Meteorologen, die für lokale Medien arbeiten, haben eine wichtige Rolle, wenn es darum geht, ihren Lesern den Klimawandel zu erklären. Sie berichten vor Ort über die Auswirkungen von Extremwetterereignissen wie den Hurrikan Milton, wobei sie das Vertrauen ihrer Leser und Zuschauer genießen. Zum Artikel

    Le Monde: Harris will weiter Gas fördern. Kamala Harris hat angekündigt, Fracking nicht zu verbieten, wenn sie Präsidentin wird. Die Kandidatin der US-Demokraten braucht die Stimmen aus Pennsylvania, um die Wahl im November zu gewinnen. Die Gasförderung ist in dem Bundesstaat ein wichtiger Wirtschaftszweig. Zum Artikel

    Standpunkt

    Generationenkapital: Feuerprobe für Sustainable Finance

    Von Kathrin Petz und Mathias von Gemmingen
    Mathias von Gemmingen und Kathrin Petz.

    Kurz vor der UN-Klimakonferenz im November könnte der Startschuss für den größten Staatsfonds der deutschen Geschichte fallen: Mit einem “Generationenkapital” im Umfang von 200 Milliarden Euro will der Bund künftig weltweit Wertpapiere kaufen. Mit den erhofften Renditen will die Politik das Rentensystem stützen. Gleichzeitig könnte sie ein Signal an die internationalen Finanzmärkte senden: Seht her, die drittgrößte Wirtschaftsnation der Welt investiert in eine fossilfreie Zukunft.

    Dieses Signal brauchen wir dringend: Denn die Klimakatastrophe ist im vollen Gange und die fossile Industrie verschärft mit ihren Expansionsprojekten diese existenzielle Bedrohung. Während die internationale Politik in mühsamen Verhandlungen versucht, den CO₂-Ausstoß auf Paris-Kurs zu bringen, kippen die fossilen Riesen ständig weiter Öl ins Feuer.

    Vor diesem Hintergrund debattiert der Bundestag derzeit über den Gesetzentwurf für das “Generationenkapital”. Und was tut die Chefin des Fonds, der künftig die Rentenanlagen verantworten soll? Anja Mikus, CEO des staatlichen Atomfonds Kenfo, lehnt Nachhaltigkeitsvorgaben durch den Gesetzgeber in aller Öffentlichkeit als “kontraproduktiv” ab.  Mikus beharrt darauf, weiter in Gas- und Ölkonzerne zu investieren – als hätte es das Pariser Klima-Abkommen nie gegeben.

    Kenfo investierte in über 100 fossile Unternehmen

    Fakt ist: Der Kenfo investierte nach letztem Stand in über 100 fossile Unternehmen. Darunter die sogenannten “Oil Majors” Shell, Total Energies und BP sowie die beiden Unternehmen mit den größten kurzfristigen Expansionsplänen innerhalb der Branche: der brasilianische Konzern Petrobas und Saudi Aramco.

    Zum Kenfo-Portfolio gehören laut einer kürzlich von Greenpeace veröffentlichten Studie auch weitere Unternehmen mit einem Volumen von 1,3 Milliarden Euro, die mit schweren Umweltschäden und Menschenrechtsverletzungen in Verbindung gebracht werden.

    Die Kenfo-Chefin versucht die Rolle ihres Fondsmanagements in solchen Fragen kleinzureden: Mit dem Ausschluss fossiler Aktien lasse sich kein CO₂ sparen. Dabei ignoriert sie die Signalwirkung eines gezielten Divestments – des Verkaufs kritischer Wertpapiere auf Basis klar definierter Ausschlusskriterien. Wissenschaftliche Forschung hat diesen “Signaling-Effekt” und Emissionsminderungen infolge solcher Divestment-Schritte längst nachgewiesen.

    Andere Investoren gehen voran

    Zahlreiche namhafte Investoren nutzen diesen Hebel bereits. So hat der irische Staatsfonds (ISIF) Ausschlüsse für fossile Unternehmen formuliert – ebenfalls verschiedene niederländische Pensionsfonds wie PME, PFZW oder ABP. Sorgen um ihre Rendite machen sie sich aufgrund des Rauswurfs fossiler Konzerne übrigens nicht. Zitat ABP: “Der Fonds geht nicht davon aus, dass sich diese Entscheidung negativ auf die langfristigen Renditen auswirken wird.”

    Welche positiven Klimawirkungen solche Schritte entfalten können, zeigt das Beispiel des norwegischen Pensionsfonds: Im Jahr 2015 beschloss das norwegische Parlament, große Kohlekonzerne aus dem Fondsportfolio zu entfernen. Dass ein solch weltweit beachteter Fonds divestierte, entfaltete starke Signalwirkung in der Branche. Es folgte eine ganze Kaskade weiterer Kohle-Divestment-Entscheidungen in der gesamten europäischen Finanzindustrie, von Investoren, Banken und Versicherern. Für Kohleunternehmen ist es seitdem deutlich schwieriger geworden, frisches Kapital aufzunehmen, mit denen sich Expansionsprojekte finanzieren ließen. Jede Kohlemine, die nicht erschlossen wird, verhindert Millionen Tonnen an schädlichen Treibhausgasen.

    Kritische Dialoge helfen wenig

    Auch der Kenfo hat sich hier eingereiht: Er schließt größere Kohlebergbaufirmen und Betreiber von Kohlekraftwerken aus, ebenso einige weitere Unternehmen. Umso unverständlicher ist die hartnäckige Weigerung der Kenfo-Chefin, ihr Portfolio auch von schmutzigen Investitionen in die Öl- und Gasförderung zu befreien. Dabei könnte sie auf diese Weise die Klima-Versprechen des Kenfo endlich konsequent mit Leben füllen, passend zu den Empfehlungen des Sustainable-Finance-Beirats der Bundesregierung. So fordert es auch eine breite NGO-Koalition.

    Auch das viel bemühte Transformationsargument ist mit Blick auf die rücksichtslose Expansionsstrategie der Öl- und Gasindustrie unhaltbar. Bislang gibt es keinen Beweis dafür, dass Investoren durch “kritischen Dialog” mit solchen Konzernen positiven Einfluss auf deren Klima-Effekte nehmen können. Oder welcher Investor glaubt ernsthaft, Saudi Aramco am Konferenztisch auf Klimakurs bringen zu können?

    Lässt Anja Mikus ihr Fondsmanagement weiter wie bisher investieren, wettet sie gegen die Interessen künftiger Generationen. Die Basis für deren Wohlstand bilden Nachhaltigkeit, Klimaschutz und die Achtung von Menschenrechten – nicht ein gekipptes Klima, ein entwaldeter Amazonas und ausgebeutete Arbeiter*innen.

    In einem Land, das sich selbst eine Vorreiterrolle als “Sustainable-Finance-Standort” verordnet hat, muss Fossilfreiheit der öffentlichen Kapitalanlage zum Mindeststandard werden. Nur so können der Kenfo und das “Generationenkapital” auch generationengerecht werden.

    Kathrin Petz arbeitet seit 2012 als Finanz-Campaignerin bei der NGO urgewald. Sie beschäftigt sich intensiv mit den Auswirkungen auf das Klima durch öffentliche und privaten Finanzinstitutionen in Deutschland. Sie hat Erfahrung aus zahlreichen Divestment-Kampagnen. Mathias von Gemmingen ist Sprecher der Klima-Initiative FOSSIL FREE Berlin und engagiert sich seit 2015 ehrenamtlich für Divestment.

    • ESG
    • ESG-Fonds
    • Finanzmarkt
    • Generationenkapital
    • Greenpeace
    • Menschenrechte
    • NGO
    • Sustainable Finance

    Climate.Table Redaktion

    CLIMATE.TABLE REDAKTION

    Licenses:

      Jetzt kostenlos anmelden und sofort weiterlesen

      Keine Bankdaten. Keine automatische Verlängerung.

      Sie haben bereits das Table.Briefing Abonnement?

      Anmelden und weiterlesen