Table.Briefing: Climate

Visa zur SB60: Kritik an Deutschland + Haushalt: Bilanztricks für 6 Milliarden + Entscheidende Köpfe der Klimaszene: Verbände

Liebe Leserin, lieber Leser,

bei der Konferenz in Bonn wird die Luft dick und dicker. Am Donnerstag soll die SB60 enden und bisher ist nicht viel Fortschritt gemacht worden, die Menschen werden nervös. Die Debatte übers Geld ist ohne Vision festgefahren, viele andere Themen hängen ebenfalls. Zusätzliche Probleme kommen hinzu: Aktivisten und Delegationen beschweren sich, Deutschland vergebe zu langsam Visa für die Konferenz. Außerdem setzt der nächste COP-Gastgeber Aserbaidschan im Land kritische Journalisten fest. Weil alle auf die Ergebnisse von Bonn warten, bringt unser Climate.Table-Team in Bonn nach Abschluss des Treffens ein Table.Spezial mit einer Zusammenfassung.

Nervös werden auch andere. In der Ampel-Koalition geht es um eine Mission Impossible: sparen und trotzdem sechs Milliarden Euro für die internationale Klimafinanzierung aufbringen. Wie da die Kniffe für eine “kreative Haushaltsführung” aussehen, schreiben wir heute. Und gleichzeitig berichten wir von den Ideen, die deutsche Klimainnenpolitik gerechter zu gestalten, die bisher soziale Schieflage hatte. Das und vieles mehr in dieser Ausgabe.

Beste Grüße und interessante Lektüre

Ihr
Bernhard Pötter
Bild von Bernhard  Pötter

Analyse

Vorwürfe gegen Deutschland wegen fehlender Visa

Hamira Kobusingye, Klimaaktivistin aus Uganda.

Auf der UN-Zwischenkonferenz SB60 in Bonn ist Gastgeber Deutschland wegen Problemen bei der Visavergabe in die Kritik geraten. Vor allem Länder und Aktivisten aus dem Globalen Süden erheben diesen Vorwurf: Aktivistinnen und Aktivisten, aber auch wichtige Mitglieder von Delegationen, hätten ihre Visa zu spät oder gar nicht erhalten. Betroffen sind demnach vor allem Menschen aus afrikanischen und südostasiatischen Ländern, beispielsweise aus Senegal, Marokko, Uganda, den Philippinen und Liberia, unter ihnen viele junge Mitglieder der Loss and Damage Youth Coalition und von Fridays for Future Africa.

Table.Briefings-Informationen zufolge sind die Schwierigkeiten dem UN-Klimasekretariat bekanntDas Auswärtige Amt teilt auf Nachfrage mit, dass es für die Bundesregierung ein wichtiges Anliegen sei, alle akkreditierten Konferenzteilnehmer bei den Verhandlungen vor Ort zu wissen. Die rechtlichen Vorgaben für eine Visumserteilung richteten sich dabei nach den Regeln des Schengen-Raums. Eine verspätete Vergabe sei in der Regel auf zu kurzfristig gestellte Anträgen der Konferenzteilnehmer zurückzuführen.

“Delegation konnte nicht überall mitverhandeln”

Laura Schäfer, Bereichsleiterin internationale Klimapolitik bei der NGO Germanwatch, sagte, einige Delegierte seien erst so spät in Bonn angekommen, dass ihre Themen schon zu Ende verhandelt waren. “Das bedeutet: Die Länder, die sie hätten vertreten sollen, waren in diesen Themen in Bonn nicht repräsentiert.”

Eine Delegierte aus einem afrikanischen Land, die unter der Bedingung der Anonymität mit Table.Briefings sprach, bestätigte die Schwierigkeiten. Sie beklagte, die deutsche Botschaft in ihrem Heimatland habe nicht im Internet über die zur Visavergabe nötigen Dokumente informiert, was eine persönliche Vorsprache nötig gemacht habe. Erst nach Tagen sei sie empfangen worden. Als sie dann alle nötigen Informationen und Papiere beisammen hatte, habe die Botschaft ihr gesagt, sie sei zu spät dran. “Daraufhin habe ich den Antrag gar nicht erst gestellt.” Erst durch persönliche Kontakte habe sie dann doch ein Visum erhalten und anreisen können.

Die Expertin für Klimaanpassung kam erst zur Halbzeit der Konferenz in Bonn an. “Das hatte zur Folge, dass die Delegation meines Landes nicht in allen Räumen dabei sein konnte. Sie konnte nicht überall mitverhandeln, und wichtige Informationen sind uns entgangen.”

Eine Delegierte aus der Gruppe der Least Developed Countries teilte mit, sie habe gar kein Visum erhalten und deshalb nicht an der Konferenz teilnehmen können. Dabei habe sie der Botschaft alle nötigen Dokumente zur Verfügung gestellt. “Für Delegierte aus LDCs, die unverhältnismäßig stark vom Klimawandel betroffen sind, ist das besonders besorgniserregend.”

Auch Aktionen der Zivilgesellschaft, etwa über Klimafinanzierung, fielen leiser aus, weil Aktivistinnen und Aktivisten fehlten, sagt Hamira Kobusingye, Fridays-for-Future-Koordinatorin aus Uganda: “Wenn mehr Menschen hier wären, gäbe es diversere Stimmen, und wenn Unterhändler aus allen Ländern hier repräsentiert wären, dann wären die Verhandlungen wahrscheinlich ausgewogener.”

Kein Visum trotz UN-Akkreditierung

Die Gründe für die Schwierigkeiten sind vielfältig. Dokumente, die Table.Briefings vorliegen, begründen die Ablehnung von Visa unter anderem mit “begründeten Zweifeln an Ihrer Absicht, vor Ablauf des Visums aus dem Hoheitsgebiet der Mitgliedsstaaten auszureisen”, mit dem fehlenden Nachweis ausreichender finanzieller Mittel und mit – trotz vorliegender UN-Akkreditierung – “nicht glaubhaften” Informationen “über den Zweck und die Bedingungen des geplanten Aufenthalts”. In einem Fall kam kein Termin in der Botschaft zustande, weil diese wegen eines Stromausfalls über längere Zeit hinweg geschlossen war.   

Vor allem für junge Aktivisten sei es oft schwierig, den geforderten Nachweis über die Finanzierung ihres Aufenthalts zu erbringen, heißt es. Auch die Zeit für die Bearbeitung der Visaanträge scheint ein Problem. Um ein Visum zu erhalten, müsse man sich etwa drei Monate vorher um einen persönlichen Termin in der Botschaft bemühen, sagt Ina Maria Shikongo, Aktivistin aus Namibia. Das Klimasekretariat vergebe die Akkreditierung für die Bonner Zwischengipfel aber erst etwa ab Mai. Bis dann die Termine in der Botschaft vereinbart, die Finanzierung der Reise gesichert, die nötigen Dokumente beisammen seien, “ist die SB-Konferenz schon vorbei”.

Forderung: ein einfacheres Verfahren

Das Vergabeverfahren sei zu langsam, sagt auch Kobusingye. “Die SBs finden jedes Jahr statt. Die Botschaften müssen darauf vorbereitet sein”, und die Anträge schneller bearbeiten. Für die Bearbeitung ihres Antrags habe die Botschaft in Uganda 15 Tage gebraucht, sagt Kobusingye, aber sie habe ihre Dokumente erst 12 Tage vor dem geplanten Abflug einreichen können, “weil ich meine UN-Akkreditierung sehr spät erhalten habe.” Obwohl sie eine Extra-Gebühr für ein schnelleres Verfahren bezahlt und vollständige Dokumente vorgelegt habe, seien andere Anträge schneller behandelt worden. Kobusingye musste ihren Flug verschieben und kam ebenfalls erst mit einigen Tagen Verspätung in Bonn an.  

Einige NGOs fordern vor der Abschlussdebatte in Bonn, dass die Visavergabe für Personen mit UN-Akkreditierung beschleunigt und stärker mit dem Akkreditierungsprozess des Klimasekretariats verknüpft wird. Dann müssten beispielsweise Dokumente, die bereits vom UN-Klimasekretariat anlässlich der Akkreditierung geprüft wurden, nicht noch einmal dem Visumsantrag beigelegt werden. Zudem solle der Prozess transparenter und günstiger werden, sodass es für Menschen aus dem Globalen Süden einfacher werde, an der UN-Zwischenkonferenz in Bonn teilzunehmen.

Aus dem Auswärtigen Amt heißt es, dass die Akkreditierung für die UN-Zwischenkonferenz nicht die eigentliche Prüfung des Visumantrags ersetzen könne. Die Auslandsvertretungen der jeweiligen Länder müssten jeden Einzelfall prüfen, um sicherzustellen, dass die rechtlichen Bedingungen für ein Schengen-Visum erfüllt seien.

  • Bonner Klimakonferenz 2024
  • Globaler Süden
  • UN-Klimaverhandlungen
Translation missing.

“Kreative Haushaltsführung”: Mit welchen Tricks die Ampel das Problem der Klimafinanzierung lösen kann

Die “Internationale Klimainitiative” (IKI), mit der Deutschland Projekte zur Klimafinanzierung realisiert, setzt verstärkt auf biodiversitätsfördernde Klimamaßnahmen wie die Renaturierung von Mooren.

Die Ampel-Regierung sitzt bei ihrer Finanzierung des internationalen Klimaschutzes in der Klemme: Einerseits sollen im Bundeshaushalt 2025 etwa 25 bis 30 Milliarden Euro gespart werden. Andererseits will sie den Klimaschutz international vorantreiben. Zudem hat sie öffentlich und wiederholt versprochen, dafür ab 2025 mindestens sechs Milliarden Euro im Jahr auszugeben. Deshalb wird im politischen Berlin über eine verlockende Alternative diskutiert: die “kreative Buchführung” bei den Klimafinanzen.

Das deutsche Finanzversprechen wackelt ausgerechnet 2024, wo die UN-Staaten auf der COP29 in Baku ein neues Finanzierungsziel (NCQG) für die Zeit ab 2025 beschließen müssen. Dabei gehört Deutschland zu den bisher wichtigsten und verlässlichsten Zahlern und deshalb zu den lautesten Befürwortern von mehr finanziellem Engagement von den Industriestaaten – aber auch von Schwellenländern wie China, Korea, Singapur oder den Ölstaaten. Immerhin bescheinigt der Industrieländerclub OECD den Industriestaaten jetzt offiziell, 2022 die versprochenen 100 Milliarden US-Dollar für Klimahilfen mit 116 Milliarden an die armen Länder zum ersten Mal erreicht und übererfüllt zu haben.

Deutschland bislang verlässlicher Zahler

Ausgerechnet im Sparhaushalt für das Wahljahr 2025 muss das mehrfach gegebene Versprechen von Bundeskanzler Olaf Scholz abgebildet werden, mit den sechs Milliarden Euro aus öffentlichen Geldern bei der Klimafinanzierung ein verlässlicher Partner zu bleiben. Die Lage ist ernst. Wenn der Haushalt nicht gelingt, steht die Ampel-Koalition vor dem Aus. Entsprechend nervös reagieren die Akteure auf Finanzfragen. SPD-Entwicklungsministerin Svenja Schulze gab sich dazu im Table.Media-Podcast pessimistisch: Es werde “sehr, sehr schwer, mit deutlich weniger Geld” die Zusagen einzuhalten.

Die bisherigen Vorgaben des Finanzministeriums schneiden tief in die Budgets der beteiligten Ressorts. Christian Lindner hat bereits angekündigt, er wolle bei der Entwicklungshilfe sparen, die “sehr hoch” sei.

BMZ-Klimahilfen könnten um 1,5 Milliarden sinken

Das träfe das Ministerium, das für die internationale Klimafinanzierung mit Abstand am wichtigsten ist: Aus dem Entwicklungsministerium (BMZ) kommen 86 Prozent aller deutschen Klimahilfen. Im Haushalt 2022, wegen der verzögerten Meldung von Klimamitteln das letzte Vergleichsjahr, galten etwa 5,5 Milliarden Euro aus dem Etat von 12,2 Milliarden als Klimahilfen. Im Haushalt 2025 sollen die BMZ-Mittel auf 9,9 Milliarden sinken. Würden die Klimamittel anteilig gekürzt, stünden dem Haus von Schulze für die Klimahilfen nur noch gut vier Milliarden zur Verfügung.

Außerhalb des BMZ ist das wichtigste Instrument die “Internationale Klimainitiative” (IKI). Mit ihr hat Deutschland seit 2008 in etwa 150 Ländern 950 Klimaprojekte für mehr als sechs Milliarden Euro gefördert. Derzeit sind es vor allem Initiativen in 14 Schwerpunktländern wie Brasilien, China, Indien, Indonesien, Südafrika, Türkei, Kolumbien oder Mexiko. Im Haushalt 2024 waren dafür laut BMWK insgesamt 735 Millionen vorgesehen. Von ihnen stammen:

  • 355 Millionen aus dem Wirtschafts- und Klimaministerium BMWK,
  • 279 Millionen aus dem Umweltministerium
  • und 101 Millionen aus dem Auswärtigen Amt.

Die IKI ist der größte Topf, aus dem Deutschland Projekte fördert, die ausschließlich den internationalen Klimaschutz voranbringen sollen. Bei Projekten aus dem BMZ geht es auch oft um Entwicklung oder Armutsbekämpfung, wobei die Grenzen zu Klima- und Biodiversitätsschutz in den letzten Jahren fließend wurden. Im November 2023 wurde die IKI zu ihrem 15. Jubiläum neu ausgerichtet, um effizienter zu sein.

Auch die IKI könnte stark gekürzt werden

Ein halbes Jahr später steht die viel gelobte IKI jetzt unter großem Druck: Im Ringen um den Haushalt soll bei ihr kräftig gekürzt werden, wird aus Regierungskreisen bestätigt. Weil der Rotstift auch in den anderen Häusern wie etwa dem Außenministerium angesetzt wird, ist klar: Den potenziellen Verlust von etwa 1,5 Milliarden Euro aus einem BMZ-Sparhaushalt können die anderen Ressorts nicht auffangen.

Der Regierung bleiben nur wenige Alternativen: Sie könnte das Geld anderswo einsparen oder die Schulden erhöhen – beides ist aber innenpolitisch kaum durchsetzbar. Sie könnte offen zugeben, dass das Geld trotz der Versprechen nicht zur Verfügung steht – und damit als einer der wichtigsten globalen Geldgeber die Debatte um die Klimafinanzierung schwer beschädigen. Gerade ist dieses Thema in Bonn zentral bei den Verhandlungen der SB60. Eine solche Nachricht wäre Gift für das Vertrauen unter den UN-Staaten.

Diese Rechentricks sind möglich

Die Alternative: Die Ampel kann einmalige oder mehrjährige “kreative Maßnahmen” im Etat mit tatsächlichen oder vermeintlichen Wirkungen ergreifen, wie dies etwa gerade Großbritannien getan hat. Sie könnte:

  • am staatlichen Zuschuss für den “Klima- und Transformationsfonds” (KTF) für 2025 sparen – aber da ist relativ wenig zu holen, was die internationale Klimafinanzierung betrifft. Im letzten “KTF-Bericht” des Finanzministeriums für 2023 sind nur etwa 173 Millionen Euro für internationale Energiepartnerschaften aufgelistet.
  • mehr auf Kredite und weniger auf Zuschüsse setzen. Vorteil: Das ließe die Gesamtsumme wachsen, ohne im gleichen Maße den Haushalt zu belasten, weil nur die “Zuschussäquivalente”, also die Verbilligung der Kredite, angerechnet würde. Nachteil: Die Bilanz würde aufgebläht und viele Empfängerländer sind bereits stark verschuldet. Es ist unklar, ob sie deshalb solche Kredite überhaupt nachfragen würden.
  • geplante Projekte aus 2026/27 auf dem Papier vorziehen und ihren Wert bereits aktuell in die Berechnung einfließen lassen.
  • die Kriterien für BMZ-Projekte noch mehr als bisher auf Klimabezug ausdehnen: Wenn etwa alle Projekte, die mit Wasser oder Landwirtschaft zu tun haben, auch als “Klimaanpassung” bezeichnet werden, verbessert das die Bilanz.
  • Bei Projekten etwa zu grünem Wasserstoff die Anforderungen so verändern, dass auch Investitionen zu “Klima” zählen, die davon bislang ausgenommen waren (etwa, weil der Wasserstoff für den Export nach Deutschland und nicht für das Ursprungsland produziert wird). Die FDP denkt in diese Richtung. Allerdings gibt es für diese Klassifizierungen internationale Regelungen, an die sich das BMZ gebunden fühlt.

Vorteil: Abgerechnet wird erst 2026

Der Charme aller dieser “kreativen Ideen”: Sie würden den Haushalt 2025 nominell entlasten und damit helfen, den vorerst letzten Etat der Ampel-Regierung zu sichern. Deutschland stünde wohl auch international nicht am Pranger, denn andere Länder sind bei der Definition ihrer Klimahilfen ebenfalls oft sehr kreativ.

Und vor allem: Mögliche Fehlannahmen bei der internationalen Klimafinanzierung kämen erst ein Jahr nach der nächsten Bundestagswahl offiziell ans Licht: Den ersten Bericht über diese Termine erwartet die EU erst am 30. September 2026.

  • BMZ
  • Haushaltskrise
  • Klimafinanzierung
  • Renaturierung
Translation missing.

Neuer Thinktank: Wie die Klimapolitik sozialer werden kann

Die Gartenstadt Drewitz in Potsdam wurde teilweise energetisch saniert – ohne, dass die Mieten angestiegen sind.

Klimapolitik, die nicht sozial ausgewogen ist, wird nicht auf Akzeptanz stoßen: Diese von Sozial- und Umweltverbänden schon länger geäußerte These hat durch das jüngste Ergebnis der Europawahl neue Aktualität bekommen. An diesem Donnerstag geht nun mit “Zukunft KlimaSozial” ein neuer Thinktank an den Start, der sich zum Ziel gesetzt hat, Klima- und Sozialpolitik zusammenzudenken und Konzepte für eine soziale Klimapolitik zu entwickeln.

Gegründet wurde das neue Institut von Brigitte Knopf, stellvertretende Vorsitzende des Expertenrats für Klimafragen der Bundesregierung und bis Ende vergangenen Jahres Generalsekretärin am Mercator Research Institute in Global Commons and Climate Change (MCC). Zum zunächst siebenköpfigen Team gehören zudem Ines Verspohl, bisherige Abteilungsleiterin Sozialpolitik beim Sozialverband VdK, Astrid Schaffert, die einst das globalisierungskritische Netzwerk Attac mitgegründet und zuletzt die Klimapolitik des Caritas-Verbands verantwortet hat, sowie Marie Zeller. Sie hat zuvor beim Expertenrat und beim MCC gearbeitet. Finanziert wird die Arbeit von der European Climate Foundation.

Klimageld ist nur ein kleiner Teil der Lösung

Die Grundlagen der künftigen Tätigkeit stellt “Zukunft KlimaSozial” in einem ausführlichen Thesenpapier dar, das an diesem Donnerstag veröffentlicht wird und das Table.Briefings vorab vorlag. Darin beschreiben die Autorinnen vier Säulen, die aus ihrer Sicht für eine sozial gerechte Transformation erforderlich sind:

  • Die klimaschonende öffentliche Infrastruktur und Daseinsvorsorge muss stark ausgebaut werden. Dazu gehört neben der Ausweitung des ÖPNV und besserer Rad- und Fußwege sowie dem Ausbau der Fernwärmeversorgung auch eine soziale Infrastruktur. Das können etwa Gemeinschaftsräume und Parks sein, die kleinere Wohnungen ermöglichen. Oder die wohnortnahe Versorgung mit Praxen und Einkaufsmöglichkeiten, die den Verkehr reduzieren.
  • Die Förderung der Transformation soll auf untere und mittlere Einkommen konzentriert werden. Weil bisher von Zuschüssen etwa zu Elektroautos oder Wärmepumpen primär Haushalte mit hohem Einkommen oder Vermögen profitieren, sollten die Förderinstrumente umgestellt werden. Als Beispiel nennt Knopf das “Social Leasing”-Programm in Frankreich, mit dem Geringverdiener vollelektrische Kleinwagen für maximal 150 Euro pro Monat leasen können.
  • Ordnungsrecht soll konsequenter zur Anwendung kommen. Dies ist vor allem dort erforderlich, wo Handelnde und Nutznießer nicht identisch sind, etwa bei vermieteten Wohnungen. Zudem sorgten Ver- und Gebote dafür, dass auch vermögende Menschen ihr Verhalten umstellen müssen, für die Zusatzkosten etwa durch steigende CO₂-Preise keinen ausreichenden Anreiz bieten.
  • Die Einnahmen aus dem nationalen CO₂-Preis sollen an die Bevölkerung zurückgegeben werden. Das soll zunächst in Form eines Pro-Kopf-Klimageldes geschehen, weil dies einfacher und damit kurzfristiger umzusetzen ist. Später soll es sozial gestaffelt werden – was ab 2027 auch aufgrund der EU-Vorgaben zur Verwendung der ETS-II-Einnahmen erforderlich sein dürfte. Perspektivisch soll es in ein “Klima-Härtefallgeld” umgewandelt werden, das nur an vulnerable Gruppen gezahlt wird, die keine Möglichkeit zum Umstieg auf klimafreundliche Alternativen haben.

Wichtig ist den Initiatorinnen von “Zukunft KlimaSozial” dabei, dass die Debatte nicht – wie sonst oft – auf das Klimageld und dessen exakte Ausgestaltung verengt wird. “Es ist ein Teil der Lösung, aber nicht der wichtigste”, sagte Verspohl. “Wir müssen an die großen Blöcke ran, statt uns mit Schattenboxen zu beschäftigen.” Wichtige Voraussetzung für die Umsetzung der Forderungen sei eine bessere Datenbasis, etwa zu Vermögen, Sanierungsstand von Wohnungen und Anbindung an den ÖPNV.

Und was passiert mit jenen Kosten und Programmen, die bisher mit den Einnahmen aus dem CO₂-Preis bezahlt werden? Etwa die Übernahme der EEG-Umlage, die Zuschüsse für klimafreundliche Heizungen und Ladesäulen oder den Umstieg der Industrie auf Wasserstoff, wenn das Klimageld kommt? Für diese müssten andere Finanzierungsmöglichkeiten gefunden werden, sagt Knopf. “Wir werden nicht aus dem CO₂-Preis allein die Transformation bezahlen können.”

Klima-Allianz kooperiert mit Diakonie und Armutskonferenz

Mit der stärkeren Verknüpfung von Sozial- und Klimapolitik beschäftigt sich auch ein weiteres Bündnis: Die Klima-Allianz Deutschland, die Diakonie und die Nationale Armutskonferenz haben in der vergangenen Woche ein gemeinsames Forderungspapier veröffentlicht. “In der Klimapolitik fehlt es gerade an einer Gerechtigkeitsperspektive”, sagt Daniel Eggstein, Referent für Klimapolitik und soziale Gerechtigkeit bei der Klima-Allianz Deutschland im Gespräch mit Table.Briefings.

In ihrem Papier fordern die Organisationen Maßnahmen, um “Armut und Klimakrise gemeinsam zu bekämpfen”. Dazu gehören:

  • Die Einführung eines sozial-ökologischen Existenzminimums: Regelsätze für Transferleistungen sollten so angepasst werden, dass Menschen auch ökologische Entscheidungen, beispielsweise für energieeffiziente Elektrogeräte, treffen können.
  • Die energetische Sanierung von Gebäuden ohne steigende Mieten: Als positives Beispiel nennt Eggstein dafür die Gartenstadt Drewitz in Potsdam, bei der das schon teilweise gelungen sei.
  • Ein sozial gestaffeltes Klimageld: Damit sollen Kosten des CO₂-Preises für niedrigere Einkommensgruppen kompensiert werden. Es könne beispielsweise an die Einkommensteuer gekoppelt werden oder nur bis zu einer bestimmten Einkommensgrenze ausgezahlt werden.
  • Die Ermöglichung von klimafreundlicher Mobilität: Die Einführung des Deutschland-Tickets für 49 Euro sei da schon ein wichtiger Schritt, für Menschen mit niedrigen Einkommen sollte es aber zusätzlich noch Sozialtickets geben.

“Das Klimageld kann aber nur eine Komponente zur Kompensation sein”, meint auch Eggstein. Ebenso wichtig seien Maßnahmen, die beim Umstieg auf klimaneutrale Technologien unterstützen. Für Eggstein steht auch fest, dass eine sozial-gerechte Transformation “mit einem Sparhaushalt nicht zu machen” sei. Auch ihm ist klar, dass die Einnahmen aus dem CO₂-Preis allein dafür nicht reichen würden. Stattdessen brauche es entweder eine Reform der Schuldenbremse oder ein Sondervermögen. Außerdem sollte in Zeiten mit gesamtgesellschaftlichen Herausforderungen auch Verteilungsgerechtigkeit in den Fokus rücken und Menschen mit hohen Vermögen oder Erbschaften stärker besteuert werden.

  • Armut
  • Klimageld
  • Klimaschutz
  • Sozialpolitik

Termine

13. Juni, 8.30 Uhr
Konferenz Jahreskonferenz DENEFF
Die Deutsche Unternehmensinitiative Energieeffizienz e.V. (DENEFF) diskutiert auf ihrer Jahrestagung über skalierbare Lösungen für Energieeffizienz. Infos

13. Juni, 9.30 Uhr, Online
Webinar Grüne Welle, Deutschlandticket oder Parkgebühren?
Das Deutsches Institut für Urbanistik (difu) diskutiert auf dem Webinar über Strategien und Anreize zur Änderung des Mobilitätsverhaltens. Infos

13. bis 15. Juni, Borgo Egnazia, Italien
Gipfeltreffen G7 Summit
Unter der Präsidentschaft von Italien findet das nächste Gipfeltreffen der G7 statt. Infos

14. Juni, Leipzig
Austausch Klima? Das können wir gemeinsam!
Klimafolgen, Klimaschutzvorgaben, eine breit aufgestellte Förderlandschaft und das bald in Kraft tretende Klimaanpassungsgesetz sind nur einige der Herausforderungen für sächsische Städte und Gemeinden. Das Kompetenzzentrum Klima für das Mitteldeutsche Revier stellt seine Angebote vor und bietet Raum für Austausch. Infos

15. Juni, Dessau
Jubiläum 50-jähriges Jubiläum Umweltbundesamt
Mit einem bunten Programm feiert das Umweltbundesamt die Meilensteine und Erfolge der 50-jährigen Geschichte der Institution. Infos

18. bis 21. Juni, München
Konferenz und Messe Intersolar Europe
Am 18. und 19. Juni findet die Intersolar-Konferenz unter dem Motto “Märkte, Trends und Technologien im Rampenlicht” statt. Am 19. Juni beginnt dann auch die Intersolar-Messe für die Solarwirtschaft.  Infos

19. bis 21.Juni, Manaus
G20 Treffen G20 Climate and Environmental Sustainablity WG
Im G20-Zyklus trifft sich die Working Group “Climate and Environmental Sustainability” in Manaus in Brasilien. Infos

20. Juni, 9.30 Uhr, Online
Webinar Was kostet Klimaschutz? Kosten und Nutzeneffekte von Klimaschutzmaßnahmen
Das Deutsches Institut für Urbanistik (difu) veranstaltet dieses Webinar. Im Fokus stehen Gebäude und die Frage, wie dort zu welchen Kosten CO₂ eingespart werden kann. Infos

News

Klima in Zahlen: So viel Steuergeld fließt in Fossile

Es ist die vielleicht spannendste Frage bei den UN-Verhandlungen in diesem Jahr: Woher soll das Geld für den internationalen Klimaschutz, für die globale Energiewende, Anpassung und den Ausgleich für Verluste und Schäden kommen? Öffentliche Mittel sind sehr knapp, heißt es von den UN-Staaten. Wie sehr die gleichen Staaten allerdings gleichzeitig ihre fossilen Industrien unterstützen, wird oft nicht wirklich klar. Diese Daten des Weltwährungsfonds (IWF) für 2022 zeigen, wie groß die direkte Hilfe aus Steuergeldern für die klimaschädlichen Industrien in ausgewählten Ländern tatsächlich sind.

Die IWF-Bilanz für 2022 zeigt für alle Länder direkte Subventionen von insgesamt etwa 1,3 Billionen Dollar. Rechnet man die indirekten Subventionen (die nicht eingepreisten Kosten für Gesundheits- und Umweltschäden) dazu, kommt der IWF auf etwa sieben Billionen Dollar fossile Beihilfen, etwa sieben Prozent der globalen Wirtschaftsleistung. Sein Hinweis: Würde man diese Subventionen reformieren, würden die CO₂-Emissionen aus den Fossilen bis 2030 um 43 Prozent sinken – also genau um die Menge, die für die Erreichung der 1,5-Grad-Grenze nötig wäre. bpo

  • Fossile Brennstoffe
  • IWF
  • Subventionen

Klimaclub: So soll er Vertrauen für Verhandlungen schaffen

Der “Klimaclub” zur Dekarbonisierung der Industrie soll nach der Meinung seiner beiden Co-Vorsitzenden auch dazu dienen, in den Klimaverhandlungen das Vertrauen zwischen Industrie- und Schwellenländern zu stärken. “Wir sehen den dringenden Bedarf, die Kommunikation und die Zusammenarbeit zwischen entwickelten und entwickelnden Ländern zu verbessern”, sagte Julio Cordano, Direktor für Klimapolitik im chilenischen Außenministerium im Gespräch mit Table.Briefings. “Eine Plattform wie der Klimaclub kann da etwas in diesem Zusammenhang beitragen.” Auch für Berthold Goeke, seinem deutschen Partner in der Leitung des Gremiums und Abteilungsleiter Klimaschutz im Bundeswirtschaftsministerium, soll “der Club ein besonderes Vertrauen zwischen den Partnern schaffen.”

Der “Klimaclub” soll als globale Plattform von inzwischen 37 Industrie- und Schwellenländern sowie der EU den Dialog bei der Dekarbonisierung der Schwerindustrie vorantreiben. Er wurde auf deutsche Initiative bei der COP28 in Dubai offiziell gegründet und hat im Frühjahr die regelmäßige Arbeit aufgenommen. Sein Ziel: Vor allem in der Stahl- und Zementindustrie an weltweiten Standards für die Erfassung und Messung von CO₂-Emissionen zu arbeiten. Das soll die Produktion besser vergleichbar machen und das Abwandern von emissionsintensiven Industrien (“Carbon Leakage”) verringern.

China und Indien fehlen im “Klimaclub”

Cordano und Goeke gaben sich beide optimistisch bei der Entwicklung des Clubs. Aufstrebende Schwellenländer mit eigener Industrie hätten ein großes Interesse am Austausch zu diesen Fragen, so der chilenische Beamte. Das Problem mit Carbon Leakage sei real, daher sei gerade ein solcher Ort wichtig als “Raum für Diskussionen, bevor das Problem aufkommt”.

Bisher sind allerdings weder China noch Indien Mitglieder im Club, obwohl sie einen großen Teil der betreffenden Industrien beherbergen. Doch allen Ländern, die die Ziele des Klimaclubs unterstützen, stehe der Zutritt offen, so Goeke. Die Ziele des Clubs ruhten auf drei Säulen:

  • “Ehrgeizige Programme zum Klimaschutz” sowie Dialoge zu Carbon Leakage-Risiken und anderen Nebeneffekten in den Sektoren, die schwer zu dekarbonisieren sind.
  • Die Entwicklung von vergleichbaren Standards und Bilanzierungsmethoden für Emissionen in der Stahl- bzw. Zementproduktion.
  • Eine globale Plattform für Unterstützung der industriellen Dekarbonisierung in Schwellen- und Entwicklungsländern zu bieten. bpo
  • Chile
  • Deutschland
  • Klimaclub
  • Klimapolitik
  • Zementindustrie

Aserbaidschan: Mindestens 25 Journalisten und Aktivisten vor COP29 festgenommen

Aserbaidschan hat nach Angaben der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch im vergangenen Jahr mindestens 25 unabhängige Journalisten und Aktivisten festgenommen. Viele von ihnen befinden sich noch immer in Gewahrsam. Zuletzt wurden am 6. März sechs Journalistinnen und Journalisten des Online-Mediums Toplum TV in Baku festgenommen. Die Autoritäten durchsuchten zudem deren Büro und riegelten es ab. Infolgedessen seien auch die Kanäle von Toplum TV auf Instagram und YouTube gehackt und Beiträge darauf gelöscht worden, wie Human Rights Watch berichtet.

Aserbaidschan richtet im November 2024 in seiner Hauptstadt Baku die Weltklimakonferenz COP29 aus. Im Vorfeld dazu kam es vergangenen Freitag auf der UN-Zwischenkonferenz SB60 in Bonn zu Protesten, wie der Guardian berichtete. Aserbaidschan wurde aufgefordert, 23 armenische politische Gefangene freizulassen. Einige Protestierende warfen dem Land, das die COP29 zu einer “COP des Friedens” machen möchte, zudem Genozid vor.

Aserbaidschan ist nach den Vereinigten Arabischen Emiraten und Ägypten das dritte Austragungsland der COP in Folge, in dem die Menschenrechtslage bedenklich ist. Zwar garantieren die Vereinten Nation eine stärkere Presse- und Meinungsfreiheit, doch außerhalb des UN-Geländes ist deren Einfluss begrenzt. lb

  • Aserbaidschan
  • COP29
  • Menschenrechte

Wärmeplanung: Warum Kommunen Wasserstoff ausschließen können – und sollten

Kommunen können – und sollten – bei der momentan laufenden Wärmeplanung Wasserstoffnetze in der Regel frühzeitig ausschließen. Zu diesem Ergebnis kommt ein Rechtsgutachten der auf Umweltrecht spezialisierten Kanzlei Günther, welches das Umweltinstitut München zusammen mit der Deutschen Umwelthilfe (DUH), dem WWF, GermanZero und dem Klima-Bündnis in Auftrag gegeben hat. Ein Gebiet, in dem bereits ein Gasnetz besteht, kann dem Gutachten zufolge nur dann als Wasserstoffnetzgebiet ausgewiesen werden, wenn der Netzbetreiber bereits eine vorvertragliche Zusage für einen konkreten Fahrplan zur Umstellung des Netzes abgegeben hat.

Besagte Fahrpläne sind rechtlich gesehen öffentlich-rechtliche Verträge zwischen den Kommunen und den Netzbetreibern. Darin müssen sich die Betreiber mit konkreten Finanzierungsplänen zur schrittweisen Umstellung der Gasversorgung auf Wasserstoff verpflichten. Gelingt dies nicht, haften sie für alle Mehrkosten, die den angeschlossenen Gebäudebesitzern daraus entstehen. Das Gutachten argumentiert nun, dass nicht nur der zweite Schritt – nämlich die Ausweisung eines Wasserstoffnetzgebiets – unzulässig ist, wenn kein solcher Umstellungsfahrplan vorliegt. Vielmehr müssten diese bereits in der vorgeschalteten Planungsphase ausgeschlossen werden, wenn es keine konkrete und realistische Perspektive für einen Fahrplan gibt.

Unrealistische Planungen sollen vermieden werden

Aus den Entscheidungsspielräumen der Kommune folge “eine öffentlich-rechtliche Pflicht, unrealistische Planungen zu vermeiden”, schreiben die Gutachter. “Das folgt nicht zuletzt auch aus den haushaltsrechtlichen Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit, denen die Kommune selbstverständlich auch bei der kommunalen Wärmeplanung untersteht.”

Aus Sicht von Wiebke Hansen vom Umweltinstitut München ist diese Klarstellung sehr wichtig. “Kommunen sollten nicht mit Wasserstoff zum Heizen planen, weil es unrealistisch ist, dass grüner Wasserstoff dafür verfügbar und bezahlbar sein wird”, erklärte sie. “Es ist gut, dass das Gutachten die Kommunen nun auch rechtlich darin bestärkt, die von Gasbranchenverbänden forcierte Umstellung der Gasverteilnetze auf Wasserstoff abzulehnen.” Die Ergebnisse des Gutachtens und die daraus abgeleiteten Handlungsempfehlungen wollen die auftraggebenden Verbände jetzt an 7.000 Kommunen und kommunale Verbände verschicken. mkr

  • Fernwärme
  • Kommunen
  • Wärmewende
  • Wasserstoff

Stromversorgung: Warum es Rückschritte beim Zugang zu Elektrizität gibt

Weltweit steigt die Anzahl der Menschen ohne Zugang zu Strom das erste Mal innerhalb eines Jahrzehnts wieder an, da das Bevölkerungswachstum die Anzahl der Neuanschlüsse übersteigt. Zu diesem Ergebnis kommt der aktuelle “Tracking SDG 7”-Report von IRENA, IEA, Weltbank und weiteren internationalen Organisationen, dafür Daten aus dem Jahr 2022 ausgewertet haben.

685 Millionen Menschen – und damit zehn Millionen mehr als im Vorjahr – hatten demnach 2022 keinen Zugang zu Elektrizität. 2015 waren es noch mehr als 950 Millionen Menschen. Damit befinde sich die Welt nicht auf dem richtigen Weg, um das Nachhaltige Entwicklungsziel 7 “Bezahlbare und saubere Energie” (SDG7) bis 2030 zu erreichen. Mehr als 80 Prozent der Menschen ohne Zugang zu Elektrizität leben in Subsahara-Afrika. Verschiedene Faktoren trugen zu den Rückschritten bei: Darunter die weltweite Energiekrise, die Inflation, die zunehmende Verschuldung vieler einkommensschwacher Länder und die zunehmenden geopolitischen Spannungen. Dezentrale, erneuerbare Projekte hätten aber ein vielversprechendes Potenzial, den Fortschritt beim Zugang zu Elektrizität gerade im ländlichen Raum zu beschleunigen.

Außerdem haben 2,1 Milliarden Menschen keinen Zugang zu sauberen Kochmöglichkeiten, was zu einer Vielzahl an Krankheiten und zu 3,2 Millionen vorzeitiger Todesfälle im Jahr führt. kul

  • Erneuerbare Energien
  • SDG
  • Strom

Heads

Klaus Töpfer: UNEP-Retter und Verfechter der Menschenrechte

Der ehemalige Bundesumweltminister Klaus Töpfer (CDU) ist am 8. Juni 2024 im Alter von 85 Jahren gestorben. Hier zu sehen 2019 bei der Verleihung des Staatspreises des Landes NRW an ihn im WCCB Bonn.

Viele in Deutschland erinnern sich an Klaus Töpfer als den Umweltminister, der den Rhein durchschwamm, um zu beweisen, dass er sauber ist. Aber für andere auf der ganzen Welt, die seinen Tod betrauern, wird er für seinen einzigartigen Beitrag zur internationalen Umweltpolitik in Erinnerung bleiben.

Von 1998 bis 2005 war Klaus Exekutivdirektor des UN-Umweltprogramms (UNEP) mit Hauptsitz in Nairobi, Kenia. Es war eine Rettungsmission, nachdem die europäischen Geldgeber des UNEP in den späten 1990er-Jahren damit gedroht hatten, es ohne einen europäischen Leiter zu schließen. Klaus ergriff die Gelegenheit und setzte seine ungeheure Energie, sein diplomatisches Geschick, seine Erfahrung und seinen Intellekt ein, um kreuz und quer über den Globus zu reisen und die Bedeutung des UNEP wiederherzustellen. Das war keine leichte Aufgabe, da viele Entwicklungsländer den Umweltschutz als Luxus der reichen Länder betrachteten, während ihre Aufgabe darin bestand, die Menschen aus der Armut zu befreien.

Umwelt, Entwicklung, Menschenwürde

Kurz nachdem ich als Klaus’ Pressesprecher und Redenschreiber angefangen hatte, saßen wir bei einem Glas Wein zusammen und dachten über einen Slogan nach, der seine Vision einfangen sollte. Ihm war klar, dass eine gesunde Umwelt eine Voraussetzung für wirtschaftliche Entwicklung und Menschenwürde ist. Und so wurde UNEP – Umwelt für Entwicklung – geboren. “So viele Menschen sind gegen etwas, wir müssen für etwas sein”, dachte er.

Klaus wollte immer etwas tun und war der Meinung, dass er positive Veränderungen herbeiführen müsste, ohne auf den Segen der oft widerwilligen UN-Mitgliedstaaten zu warten. Als Folge des Balkankriegs richtete er eine Einheit zur Bewertung der Lage nach dem Konflikt ein. Er war sich darüber im Klaren, dass nach einem Konflikt die humanitäre Hilfe an erster Stelle steht. Doch kurz danach müssten die Umweltleistungen eines Landes wiederhergestellt werden, wenn Frieden und Wohlstand gesichert werden sollen.

Wissenschaft als Leitstern der Politik

Klaus war auch wissbegierig und glaubte leidenschaftlich daran, dass die Wissenschaft der Leitstern für die Umweltpolitik sei. Bei einem Flug mit einem Leichtflugzeug über den Himalaya wurde ihm zusammen mit dem Chemie-Nobelpreisträger Paul Crutzen eine massive braune Wolke aus schwarzem Kohlenstoff und Giftstoffen gezeigt: das Ergebnis der Verbrennung von Brennstoffen und Biomasse in Asien.

Zu den vorläufigen Erkenntnissen gehörten die Veränderung der Niederschlagsmuster des Monsuns bis hin zur Beschleunigung der Gletscherschmelze infolge der Verdunkelung des Eises durch den Ruß. Wir stellten die Ergebnisse auf einer großen Pressekonferenz in London vor, und die Geschichte ging um die ganze Welt. Doch schon bald wurde das UNEP beschuldigt, die armen Länder für den Klimawandel verantwortlich zu machen. Die indische Regierung, die die nächste UN-Klimakonferenz ausrichtet, beschuldigte die UN, ein Instrument der Amerikaner zu sein. Auch ich persönlich stand unter Beschuss, weil ich eine recht dramatische Pressemitteilung verfasst hatte.

Später veröffentlichte die Chinesische Akademie der Wissenschaften eine von Fachleuten geprüfte Bewertung der braunen Wolke und bestätigte die vorläufigen Ergebnisse des UNEP. “Endlich hat die Wissenschaft mit Ihrer Pressemitteilung gleichgezogen”, meinte er zu mir. Das war typisch Klaus Töpfer: Wenn er deine Arbeit mochte, stand er immer hinter dir.

Hüter der Menschenrechte

Klaus war auch ein Verfechter der Menschenrechte. Als die Aktivistin des Green Belt Movement, Wangari Maathai, Gefahr lief, vom kenianischen Präsidenten Daniel Arap Moi “verunglückt” zu werden, bot Klaus ihr auf dem UNEP-Campus Zuflucht. Er konnte seine Begeisterung kaum zügeln, als sie 2004 den Friedensnobelpreis erhielt und damit ihre kraftvolle Botschaft zu Umwelt und Sicherheit in die Welt schickte. Ohne Klaus wäre sie vielleicht nicht mehr am Leben gewesen, um den Preis entgegenzunehmen.

Klaus hatte auch seine konservativen Tendenzen. Er bestand auf seinem korrekten Titel Professor Dr. Töpfer und zuckte sichtlich zusammen, als eine Stimme aus dem US-Außenministerium rief: “Schön, dich zu sehen, Klaus”. An seinem letzten Tag bei UNEP führte er zwei Personen zum Abendessen aus: Seine damalige Superassistentin Julia Crause und mich. Nach dem Hauptgang schenkte er uns allen ein gutes Glas trockenen Weißwein ein und sagte: “Ihr könnt mich jetzt Klaus nennen”. Und seitdem heißt er Klaus und wird es immer bleiben. Nick Nuttall

Der Autor war 2001 bis 2013 Sprecher von UNEP und Redenschreiber. Von 2014 bis 2018 leitete er als Sprecher die Kommunikationsabteilung des UN-Klimasekretariats UNFCCC.

  • Klima & Umwelt
  • Umweltpolitik
  • Vereinte Nationen

Die entscheidenden Köpfe der Klima-Szene – Verbände

Timm Kehler – Vorstand, Zukunft Gas GmbH

Er ist seit vielen Jahren die Stimme der deutschen Gasbranche: Seit 2009 als Vorstand “Erdgas mobil”, seit 2015 dann beim Lobbyverband “Zukunft Erdgas”, der sich 2021 in “Zukunft Gas” umbenannte und seitdem offiziell das Ziel verfolgt, von fossilem Gas auf Biogas und Wasserstoff umzusteigen. Sehr erfolgreich war der Verband bei der Ausrichtung der deutschen Energieversorgung auf Erdgas, das vor allem aus Russland importiert wurde. Beim Gebäudeenergiegesetz setzte sich Zukunft Gas erfolgreich dafür ein, dass mit Wasserstoff betreibbare Heizungen als Option aufgenommen werden. Zum Verband gehören mehr als 130 Unternehmen aus der Gas- und Wasserstoffwirtschaft; zahlreiche Stadtwerke sind nach einer Kampagne der Organisation Lobbycontrol in den vergangenen Jahren ausgetreten.

Fatih Birol – Vorsitzender, International Energy Agency (IEA)

Als Vorsitzender der Internationalen Energieagentur (IEA) treibt Birol die globale Energiewende voran. Er hat den Kurswechsel der Organisation von der Sicherung der westlichen Ölversorgung hin zum Ausbau der Erneuerbaren und die Erreichung der globalen Klimaziele maßgeblich mitbestimmt. Birol ist seit Mitte der 1990er-Jahre bei der IEA und führt die Organisation seit 2015. Seine Äußerungen und IEA-Berichte zum Thema Peak-Oil bereiten der OPEC Sorge. Birol ist eingefleischter Fußballfan und Ehrenmitglied bei Galatasaray Istanbul (zum Portrait).

Carsten Körnig – Geschäftsführer, Bundesverband Solarwirtschaft e. V.

Er ist nicht nur einer der einflussreichsten Berliner Energie-Lobbyisten, sondern auch einer der langjährigsten: Seit 1997 ist Carsten Körnig als Vertreter der Solarbranche in Berlin unterwegs – zunächst als Mitgründer und Geschäftsführer der “Unternehmensvereinigung Solarwirtschaft”, seit 2006 und bis heute als Geschäftsführer des Bundesverbands Solarwirtschaft, in dem über 1.000 Unternehmen Mitglied sind. Am Erneuerbare-Energien-Gesetz hat Körnig vom ersten Entwurf bis zur jüngsten Novelle mitgewirkt und durch parteiübergreifend gute Verbindungen dafür gesorgt, dass die Solarwirtschaft in Deutschland zu einer mächtigen Branche geworden ist. Gescheitert ist zuletzt allerdings der Versuch, durch den sogenannten Resilienzbonus Produktionskapazitäten in Deutschland zu sichern.

Kai Niebert – Präsident, Deutscher Naturschutzring

Niebert ist seit 2015 Präsident des Deutschen Naturschutzrings (DNR), der Dachorganisation der deutschen Umweltverbände. In dieser Funktion und als Berater in vielen weiteren Gremien hält der Professor für Didaktik der Naturwissenschaften und Nachhaltigkeit an der Universität Zürich enge Verbindungen zu den wichtigen Akteuren in Politik, Gesellschaft und Wirtschaft. Er saß oder sitzt unter anderem im Nachhaltigkeitsrat, der Zukunftskommission Landwirtschaft, der Kommission zum Kohleausstieg, der Allianz für Transformation, in der EU-High Level Group in Financing Sustainability Transition und im Bündnis für bezahlbares Wohnen. In einer Studie zeigte Niebert außerdem, dass die Klimabildung an Schulen nicht den gesellschaftlichen Anforderungen entspricht.

Kerstin Andreae – Geschäftsführerin, BDEW Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft e. V.

Für ein bezahlbares und nachhaltiges Energiesystem und gleichzeitig für Versorgungssicherheit setzt sich Kerstin Andreae ein. Ihr Verband, der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW), vertritt dabei mehr als 2.000 Mitglieder, darunter viele Stadt- und Wasserwerke. Aktuell eine der größten Herausforderungen für den Verband: Die Wärmewende gestalten. Davor saß Andreae ab 2002 für die Grünen im Bundestag, von 2012 bis 2018 war sie stellvertretende Vorsitzende der Grünen Fraktion. Seit 2019 ist sie Vorsitzende des BDEW, Anfang des Jahres wurde sie für weitere fünf Jahre bestätigt.

Sabine Nallinger – Vorständin, Stiftung KlimaWirtschaft

Als Vorständin der StiftungKlimawirtschaft beschleunigt Sabine Nallinger den Umbau der deutschen Wirtschaft zur Klimaneutralität und will aufzeigen, dass Klimaschutz ein erfolgreiches Geschäftsmodell sein kann. Sie setzt sich für die richtigen politischen, rechtlichen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen ein und lobt die grüne Industriepolitik von Joe Biden (zum Porträt). Die StiftungKlimawirtschaft wurde von Vorstandsvorsitzenden, Geschäftsführern und Familienunternehmern unter dem Namen Stiftung 2° gegründet und prüft beispielsweise die Klimaschutzversprechen aus dem Koalitionsvertrag mit einem Transformations-Tracker.

Matthias Belitz – Bereichsleiter Nachhaltigkeit, Energie und Klimaschutz, Verband der Chemischen Industrie

Im März 2024 übernahm Matthias Belitz die Abteilung Nachhaltigkeit, Energie und Klimaschutz beim VCI von seinem Vorgänger Jörg Rothermel. Der Diplom-Betriebswirt, der zuvor 16 Jahre bei BASF war, hat die große Aufgabe, die Transformation in einer der energieintensivsten Branchen überhaupt voranzutreiben und umzusetzen. Schließlich will die Chemie 2045 klimaneutral sein. 

Simone Peter – Präsidentin, Bundesverband Erneuerbare Energie e. V. (BEE)

Deutschland sei trotz seines Engagements noch weit davon entfernt, Erneuerbare schnell genug auszubauen, findet Simone Peter. Damit das schneller geht, setzt sie sich unter anderem für Flexibilität im Strommarkt ein. Peters Engagement für die Energiewende reicht weit zurück: Als Jugendliche demonstrierte sie gegen den Bau des französischen Atomkraftwerks im grenznahen Cattenom, außerdem trat sie den Grünen bei. 2009 wurde die promovierte Mikrobiologin dann Umweltministerin ihres Heimatbundeslandes, dem Saarland. Von 2013 bis 2018 war sie Bundesvorsitzende der Grünen, dann wurde sie Präsidentin des BEE.

Holger Lösch – Mitglied der Hauptgeschäftsführung, Bundesverband der Deutschen Industrie e. V. (BDI)

Als böser Lobbyist will sich Holger Lösch nicht beschimpfen lassen. Auch seinen Beitrag als Industrievertreter bei den Verhandlungen über den deutschen Kohleausstieg in der sogenannten Kohlekommission möchte er nicht als Einsatz für die Verlängerung der Kohleverstromung missverstanden wissen. Und tatsächlich: Lösch weiß, wie Klimaschutz geht. Der Versuch, Wirtschafts- und Klimafragen in Einklang zu bringen, sei eine gesellschaftliche Aufgabe, zu der er etwas beitragen wolle, sagte er einmal zu Table.Briefings. Er gilt zugleich aber auch als strenger Kritiker überambitionierter Klimapolitik. So hält er den europäischen CO₂-Grenzausgleichsmechanismus CBAM für übertrieben. Doch anders als andere Industrievertreter hält Lösch die deutschen Klimaziele für 2030 und 2045 durch schnelles Handeln für realistisch.

Corinna Enders – Vorsitzende der Geschäftsführung, Deutsche Energie-Agentur GmbH (dena)

Die Juristin soll die staatliche dena mit ihren 550 Mitarbeitenden in den nächsten drei Jahren fit machen für die “Riesenherausforderung, unser gesamtes Wohlstandsmodell umzubauen und hierfür die Akzeptanz in der Breite zu gewinnen”, sagte sie bei Amtsantritt. Sie soll die Agentur auch wieder aus den negativen Schlagzeilen holen, wo sie nach Debatten um die Postenvergabe an ihren Vorgänger gelandet war. Enders arbeitete zuvor im Umweltministerium und führte seit 2018 als Geschäftsführerin die gemeinnützige “Zukunft-Umwelt-Gesellschaft” (ZUG), eine Bundesgesellschaft, die Projekte und Förderprogramme zu den Themen Umwelt, Klima und Natur verwaltet. Sie teilt sich die dena-Geschäftsführung mit Kristina Haverkamp.

  • CBAM
  • Gebäudeenergiegesetz
  • Klimaschutz
  • Strommarkt
  • Wärmewende
  • ZKL

Climate.Table Redaktion

CLIMATE.TABLE REDAKTION

Licenses:
    Liebe Leserin, lieber Leser,

    bei der Konferenz in Bonn wird die Luft dick und dicker. Am Donnerstag soll die SB60 enden und bisher ist nicht viel Fortschritt gemacht worden, die Menschen werden nervös. Die Debatte übers Geld ist ohne Vision festgefahren, viele andere Themen hängen ebenfalls. Zusätzliche Probleme kommen hinzu: Aktivisten und Delegationen beschweren sich, Deutschland vergebe zu langsam Visa für die Konferenz. Außerdem setzt der nächste COP-Gastgeber Aserbaidschan im Land kritische Journalisten fest. Weil alle auf die Ergebnisse von Bonn warten, bringt unser Climate.Table-Team in Bonn nach Abschluss des Treffens ein Table.Spezial mit einer Zusammenfassung.

    Nervös werden auch andere. In der Ampel-Koalition geht es um eine Mission Impossible: sparen und trotzdem sechs Milliarden Euro für die internationale Klimafinanzierung aufbringen. Wie da die Kniffe für eine “kreative Haushaltsführung” aussehen, schreiben wir heute. Und gleichzeitig berichten wir von den Ideen, die deutsche Klimainnenpolitik gerechter zu gestalten, die bisher soziale Schieflage hatte. Das und vieles mehr in dieser Ausgabe.

    Beste Grüße und interessante Lektüre

    Ihr
    Bernhard Pötter
    Bild von Bernhard  Pötter

    Analyse

    Vorwürfe gegen Deutschland wegen fehlender Visa

    Hamira Kobusingye, Klimaaktivistin aus Uganda.

    Auf der UN-Zwischenkonferenz SB60 in Bonn ist Gastgeber Deutschland wegen Problemen bei der Visavergabe in die Kritik geraten. Vor allem Länder und Aktivisten aus dem Globalen Süden erheben diesen Vorwurf: Aktivistinnen und Aktivisten, aber auch wichtige Mitglieder von Delegationen, hätten ihre Visa zu spät oder gar nicht erhalten. Betroffen sind demnach vor allem Menschen aus afrikanischen und südostasiatischen Ländern, beispielsweise aus Senegal, Marokko, Uganda, den Philippinen und Liberia, unter ihnen viele junge Mitglieder der Loss and Damage Youth Coalition und von Fridays for Future Africa.

    Table.Briefings-Informationen zufolge sind die Schwierigkeiten dem UN-Klimasekretariat bekanntDas Auswärtige Amt teilt auf Nachfrage mit, dass es für die Bundesregierung ein wichtiges Anliegen sei, alle akkreditierten Konferenzteilnehmer bei den Verhandlungen vor Ort zu wissen. Die rechtlichen Vorgaben für eine Visumserteilung richteten sich dabei nach den Regeln des Schengen-Raums. Eine verspätete Vergabe sei in der Regel auf zu kurzfristig gestellte Anträgen der Konferenzteilnehmer zurückzuführen.

    “Delegation konnte nicht überall mitverhandeln”

    Laura Schäfer, Bereichsleiterin internationale Klimapolitik bei der NGO Germanwatch, sagte, einige Delegierte seien erst so spät in Bonn angekommen, dass ihre Themen schon zu Ende verhandelt waren. “Das bedeutet: Die Länder, die sie hätten vertreten sollen, waren in diesen Themen in Bonn nicht repräsentiert.”

    Eine Delegierte aus einem afrikanischen Land, die unter der Bedingung der Anonymität mit Table.Briefings sprach, bestätigte die Schwierigkeiten. Sie beklagte, die deutsche Botschaft in ihrem Heimatland habe nicht im Internet über die zur Visavergabe nötigen Dokumente informiert, was eine persönliche Vorsprache nötig gemacht habe. Erst nach Tagen sei sie empfangen worden. Als sie dann alle nötigen Informationen und Papiere beisammen hatte, habe die Botschaft ihr gesagt, sie sei zu spät dran. “Daraufhin habe ich den Antrag gar nicht erst gestellt.” Erst durch persönliche Kontakte habe sie dann doch ein Visum erhalten und anreisen können.

    Die Expertin für Klimaanpassung kam erst zur Halbzeit der Konferenz in Bonn an. “Das hatte zur Folge, dass die Delegation meines Landes nicht in allen Räumen dabei sein konnte. Sie konnte nicht überall mitverhandeln, und wichtige Informationen sind uns entgangen.”

    Eine Delegierte aus der Gruppe der Least Developed Countries teilte mit, sie habe gar kein Visum erhalten und deshalb nicht an der Konferenz teilnehmen können. Dabei habe sie der Botschaft alle nötigen Dokumente zur Verfügung gestellt. “Für Delegierte aus LDCs, die unverhältnismäßig stark vom Klimawandel betroffen sind, ist das besonders besorgniserregend.”

    Auch Aktionen der Zivilgesellschaft, etwa über Klimafinanzierung, fielen leiser aus, weil Aktivistinnen und Aktivisten fehlten, sagt Hamira Kobusingye, Fridays-for-Future-Koordinatorin aus Uganda: “Wenn mehr Menschen hier wären, gäbe es diversere Stimmen, und wenn Unterhändler aus allen Ländern hier repräsentiert wären, dann wären die Verhandlungen wahrscheinlich ausgewogener.”

    Kein Visum trotz UN-Akkreditierung

    Die Gründe für die Schwierigkeiten sind vielfältig. Dokumente, die Table.Briefings vorliegen, begründen die Ablehnung von Visa unter anderem mit “begründeten Zweifeln an Ihrer Absicht, vor Ablauf des Visums aus dem Hoheitsgebiet der Mitgliedsstaaten auszureisen”, mit dem fehlenden Nachweis ausreichender finanzieller Mittel und mit – trotz vorliegender UN-Akkreditierung – “nicht glaubhaften” Informationen “über den Zweck und die Bedingungen des geplanten Aufenthalts”. In einem Fall kam kein Termin in der Botschaft zustande, weil diese wegen eines Stromausfalls über längere Zeit hinweg geschlossen war.   

    Vor allem für junge Aktivisten sei es oft schwierig, den geforderten Nachweis über die Finanzierung ihres Aufenthalts zu erbringen, heißt es. Auch die Zeit für die Bearbeitung der Visaanträge scheint ein Problem. Um ein Visum zu erhalten, müsse man sich etwa drei Monate vorher um einen persönlichen Termin in der Botschaft bemühen, sagt Ina Maria Shikongo, Aktivistin aus Namibia. Das Klimasekretariat vergebe die Akkreditierung für die Bonner Zwischengipfel aber erst etwa ab Mai. Bis dann die Termine in der Botschaft vereinbart, die Finanzierung der Reise gesichert, die nötigen Dokumente beisammen seien, “ist die SB-Konferenz schon vorbei”.

    Forderung: ein einfacheres Verfahren

    Das Vergabeverfahren sei zu langsam, sagt auch Kobusingye. “Die SBs finden jedes Jahr statt. Die Botschaften müssen darauf vorbereitet sein”, und die Anträge schneller bearbeiten. Für die Bearbeitung ihres Antrags habe die Botschaft in Uganda 15 Tage gebraucht, sagt Kobusingye, aber sie habe ihre Dokumente erst 12 Tage vor dem geplanten Abflug einreichen können, “weil ich meine UN-Akkreditierung sehr spät erhalten habe.” Obwohl sie eine Extra-Gebühr für ein schnelleres Verfahren bezahlt und vollständige Dokumente vorgelegt habe, seien andere Anträge schneller behandelt worden. Kobusingye musste ihren Flug verschieben und kam ebenfalls erst mit einigen Tagen Verspätung in Bonn an.  

    Einige NGOs fordern vor der Abschlussdebatte in Bonn, dass die Visavergabe für Personen mit UN-Akkreditierung beschleunigt und stärker mit dem Akkreditierungsprozess des Klimasekretariats verknüpft wird. Dann müssten beispielsweise Dokumente, die bereits vom UN-Klimasekretariat anlässlich der Akkreditierung geprüft wurden, nicht noch einmal dem Visumsantrag beigelegt werden. Zudem solle der Prozess transparenter und günstiger werden, sodass es für Menschen aus dem Globalen Süden einfacher werde, an der UN-Zwischenkonferenz in Bonn teilzunehmen.

    Aus dem Auswärtigen Amt heißt es, dass die Akkreditierung für die UN-Zwischenkonferenz nicht die eigentliche Prüfung des Visumantrags ersetzen könne. Die Auslandsvertretungen der jeweiligen Länder müssten jeden Einzelfall prüfen, um sicherzustellen, dass die rechtlichen Bedingungen für ein Schengen-Visum erfüllt seien.

    • Bonner Klimakonferenz 2024
    • Globaler Süden
    • UN-Klimaverhandlungen
    Translation missing.

    “Kreative Haushaltsführung”: Mit welchen Tricks die Ampel das Problem der Klimafinanzierung lösen kann

    Die “Internationale Klimainitiative” (IKI), mit der Deutschland Projekte zur Klimafinanzierung realisiert, setzt verstärkt auf biodiversitätsfördernde Klimamaßnahmen wie die Renaturierung von Mooren.

    Die Ampel-Regierung sitzt bei ihrer Finanzierung des internationalen Klimaschutzes in der Klemme: Einerseits sollen im Bundeshaushalt 2025 etwa 25 bis 30 Milliarden Euro gespart werden. Andererseits will sie den Klimaschutz international vorantreiben. Zudem hat sie öffentlich und wiederholt versprochen, dafür ab 2025 mindestens sechs Milliarden Euro im Jahr auszugeben. Deshalb wird im politischen Berlin über eine verlockende Alternative diskutiert: die “kreative Buchführung” bei den Klimafinanzen.

    Das deutsche Finanzversprechen wackelt ausgerechnet 2024, wo die UN-Staaten auf der COP29 in Baku ein neues Finanzierungsziel (NCQG) für die Zeit ab 2025 beschließen müssen. Dabei gehört Deutschland zu den bisher wichtigsten und verlässlichsten Zahlern und deshalb zu den lautesten Befürwortern von mehr finanziellem Engagement von den Industriestaaten – aber auch von Schwellenländern wie China, Korea, Singapur oder den Ölstaaten. Immerhin bescheinigt der Industrieländerclub OECD den Industriestaaten jetzt offiziell, 2022 die versprochenen 100 Milliarden US-Dollar für Klimahilfen mit 116 Milliarden an die armen Länder zum ersten Mal erreicht und übererfüllt zu haben.

    Deutschland bislang verlässlicher Zahler

    Ausgerechnet im Sparhaushalt für das Wahljahr 2025 muss das mehrfach gegebene Versprechen von Bundeskanzler Olaf Scholz abgebildet werden, mit den sechs Milliarden Euro aus öffentlichen Geldern bei der Klimafinanzierung ein verlässlicher Partner zu bleiben. Die Lage ist ernst. Wenn der Haushalt nicht gelingt, steht die Ampel-Koalition vor dem Aus. Entsprechend nervös reagieren die Akteure auf Finanzfragen. SPD-Entwicklungsministerin Svenja Schulze gab sich dazu im Table.Media-Podcast pessimistisch: Es werde “sehr, sehr schwer, mit deutlich weniger Geld” die Zusagen einzuhalten.

    Die bisherigen Vorgaben des Finanzministeriums schneiden tief in die Budgets der beteiligten Ressorts. Christian Lindner hat bereits angekündigt, er wolle bei der Entwicklungshilfe sparen, die “sehr hoch” sei.

    BMZ-Klimahilfen könnten um 1,5 Milliarden sinken

    Das träfe das Ministerium, das für die internationale Klimafinanzierung mit Abstand am wichtigsten ist: Aus dem Entwicklungsministerium (BMZ) kommen 86 Prozent aller deutschen Klimahilfen. Im Haushalt 2022, wegen der verzögerten Meldung von Klimamitteln das letzte Vergleichsjahr, galten etwa 5,5 Milliarden Euro aus dem Etat von 12,2 Milliarden als Klimahilfen. Im Haushalt 2025 sollen die BMZ-Mittel auf 9,9 Milliarden sinken. Würden die Klimamittel anteilig gekürzt, stünden dem Haus von Schulze für die Klimahilfen nur noch gut vier Milliarden zur Verfügung.

    Außerhalb des BMZ ist das wichtigste Instrument die “Internationale Klimainitiative” (IKI). Mit ihr hat Deutschland seit 2008 in etwa 150 Ländern 950 Klimaprojekte für mehr als sechs Milliarden Euro gefördert. Derzeit sind es vor allem Initiativen in 14 Schwerpunktländern wie Brasilien, China, Indien, Indonesien, Südafrika, Türkei, Kolumbien oder Mexiko. Im Haushalt 2024 waren dafür laut BMWK insgesamt 735 Millionen vorgesehen. Von ihnen stammen:

    • 355 Millionen aus dem Wirtschafts- und Klimaministerium BMWK,
    • 279 Millionen aus dem Umweltministerium
    • und 101 Millionen aus dem Auswärtigen Amt.

    Die IKI ist der größte Topf, aus dem Deutschland Projekte fördert, die ausschließlich den internationalen Klimaschutz voranbringen sollen. Bei Projekten aus dem BMZ geht es auch oft um Entwicklung oder Armutsbekämpfung, wobei die Grenzen zu Klima- und Biodiversitätsschutz in den letzten Jahren fließend wurden. Im November 2023 wurde die IKI zu ihrem 15. Jubiläum neu ausgerichtet, um effizienter zu sein.

    Auch die IKI könnte stark gekürzt werden

    Ein halbes Jahr später steht die viel gelobte IKI jetzt unter großem Druck: Im Ringen um den Haushalt soll bei ihr kräftig gekürzt werden, wird aus Regierungskreisen bestätigt. Weil der Rotstift auch in den anderen Häusern wie etwa dem Außenministerium angesetzt wird, ist klar: Den potenziellen Verlust von etwa 1,5 Milliarden Euro aus einem BMZ-Sparhaushalt können die anderen Ressorts nicht auffangen.

    Der Regierung bleiben nur wenige Alternativen: Sie könnte das Geld anderswo einsparen oder die Schulden erhöhen – beides ist aber innenpolitisch kaum durchsetzbar. Sie könnte offen zugeben, dass das Geld trotz der Versprechen nicht zur Verfügung steht – und damit als einer der wichtigsten globalen Geldgeber die Debatte um die Klimafinanzierung schwer beschädigen. Gerade ist dieses Thema in Bonn zentral bei den Verhandlungen der SB60. Eine solche Nachricht wäre Gift für das Vertrauen unter den UN-Staaten.

    Diese Rechentricks sind möglich

    Die Alternative: Die Ampel kann einmalige oder mehrjährige “kreative Maßnahmen” im Etat mit tatsächlichen oder vermeintlichen Wirkungen ergreifen, wie dies etwa gerade Großbritannien getan hat. Sie könnte:

    • am staatlichen Zuschuss für den “Klima- und Transformationsfonds” (KTF) für 2025 sparen – aber da ist relativ wenig zu holen, was die internationale Klimafinanzierung betrifft. Im letzten “KTF-Bericht” des Finanzministeriums für 2023 sind nur etwa 173 Millionen Euro für internationale Energiepartnerschaften aufgelistet.
    • mehr auf Kredite und weniger auf Zuschüsse setzen. Vorteil: Das ließe die Gesamtsumme wachsen, ohne im gleichen Maße den Haushalt zu belasten, weil nur die “Zuschussäquivalente”, also die Verbilligung der Kredite, angerechnet würde. Nachteil: Die Bilanz würde aufgebläht und viele Empfängerländer sind bereits stark verschuldet. Es ist unklar, ob sie deshalb solche Kredite überhaupt nachfragen würden.
    • geplante Projekte aus 2026/27 auf dem Papier vorziehen und ihren Wert bereits aktuell in die Berechnung einfließen lassen.
    • die Kriterien für BMZ-Projekte noch mehr als bisher auf Klimabezug ausdehnen: Wenn etwa alle Projekte, die mit Wasser oder Landwirtschaft zu tun haben, auch als “Klimaanpassung” bezeichnet werden, verbessert das die Bilanz.
    • Bei Projekten etwa zu grünem Wasserstoff die Anforderungen so verändern, dass auch Investitionen zu “Klima” zählen, die davon bislang ausgenommen waren (etwa, weil der Wasserstoff für den Export nach Deutschland und nicht für das Ursprungsland produziert wird). Die FDP denkt in diese Richtung. Allerdings gibt es für diese Klassifizierungen internationale Regelungen, an die sich das BMZ gebunden fühlt.

    Vorteil: Abgerechnet wird erst 2026

    Der Charme aller dieser “kreativen Ideen”: Sie würden den Haushalt 2025 nominell entlasten und damit helfen, den vorerst letzten Etat der Ampel-Regierung zu sichern. Deutschland stünde wohl auch international nicht am Pranger, denn andere Länder sind bei der Definition ihrer Klimahilfen ebenfalls oft sehr kreativ.

    Und vor allem: Mögliche Fehlannahmen bei der internationalen Klimafinanzierung kämen erst ein Jahr nach der nächsten Bundestagswahl offiziell ans Licht: Den ersten Bericht über diese Termine erwartet die EU erst am 30. September 2026.

    • BMZ
    • Haushaltskrise
    • Klimafinanzierung
    • Renaturierung
    Translation missing.

    Neuer Thinktank: Wie die Klimapolitik sozialer werden kann

    Die Gartenstadt Drewitz in Potsdam wurde teilweise energetisch saniert – ohne, dass die Mieten angestiegen sind.

    Klimapolitik, die nicht sozial ausgewogen ist, wird nicht auf Akzeptanz stoßen: Diese von Sozial- und Umweltverbänden schon länger geäußerte These hat durch das jüngste Ergebnis der Europawahl neue Aktualität bekommen. An diesem Donnerstag geht nun mit “Zukunft KlimaSozial” ein neuer Thinktank an den Start, der sich zum Ziel gesetzt hat, Klima- und Sozialpolitik zusammenzudenken und Konzepte für eine soziale Klimapolitik zu entwickeln.

    Gegründet wurde das neue Institut von Brigitte Knopf, stellvertretende Vorsitzende des Expertenrats für Klimafragen der Bundesregierung und bis Ende vergangenen Jahres Generalsekretärin am Mercator Research Institute in Global Commons and Climate Change (MCC). Zum zunächst siebenköpfigen Team gehören zudem Ines Verspohl, bisherige Abteilungsleiterin Sozialpolitik beim Sozialverband VdK, Astrid Schaffert, die einst das globalisierungskritische Netzwerk Attac mitgegründet und zuletzt die Klimapolitik des Caritas-Verbands verantwortet hat, sowie Marie Zeller. Sie hat zuvor beim Expertenrat und beim MCC gearbeitet. Finanziert wird die Arbeit von der European Climate Foundation.

    Klimageld ist nur ein kleiner Teil der Lösung

    Die Grundlagen der künftigen Tätigkeit stellt “Zukunft KlimaSozial” in einem ausführlichen Thesenpapier dar, das an diesem Donnerstag veröffentlicht wird und das Table.Briefings vorab vorlag. Darin beschreiben die Autorinnen vier Säulen, die aus ihrer Sicht für eine sozial gerechte Transformation erforderlich sind:

    • Die klimaschonende öffentliche Infrastruktur und Daseinsvorsorge muss stark ausgebaut werden. Dazu gehört neben der Ausweitung des ÖPNV und besserer Rad- und Fußwege sowie dem Ausbau der Fernwärmeversorgung auch eine soziale Infrastruktur. Das können etwa Gemeinschaftsräume und Parks sein, die kleinere Wohnungen ermöglichen. Oder die wohnortnahe Versorgung mit Praxen und Einkaufsmöglichkeiten, die den Verkehr reduzieren.
    • Die Förderung der Transformation soll auf untere und mittlere Einkommen konzentriert werden. Weil bisher von Zuschüssen etwa zu Elektroautos oder Wärmepumpen primär Haushalte mit hohem Einkommen oder Vermögen profitieren, sollten die Förderinstrumente umgestellt werden. Als Beispiel nennt Knopf das “Social Leasing”-Programm in Frankreich, mit dem Geringverdiener vollelektrische Kleinwagen für maximal 150 Euro pro Monat leasen können.
    • Ordnungsrecht soll konsequenter zur Anwendung kommen. Dies ist vor allem dort erforderlich, wo Handelnde und Nutznießer nicht identisch sind, etwa bei vermieteten Wohnungen. Zudem sorgten Ver- und Gebote dafür, dass auch vermögende Menschen ihr Verhalten umstellen müssen, für die Zusatzkosten etwa durch steigende CO₂-Preise keinen ausreichenden Anreiz bieten.
    • Die Einnahmen aus dem nationalen CO₂-Preis sollen an die Bevölkerung zurückgegeben werden. Das soll zunächst in Form eines Pro-Kopf-Klimageldes geschehen, weil dies einfacher und damit kurzfristiger umzusetzen ist. Später soll es sozial gestaffelt werden – was ab 2027 auch aufgrund der EU-Vorgaben zur Verwendung der ETS-II-Einnahmen erforderlich sein dürfte. Perspektivisch soll es in ein “Klima-Härtefallgeld” umgewandelt werden, das nur an vulnerable Gruppen gezahlt wird, die keine Möglichkeit zum Umstieg auf klimafreundliche Alternativen haben.

    Wichtig ist den Initiatorinnen von “Zukunft KlimaSozial” dabei, dass die Debatte nicht – wie sonst oft – auf das Klimageld und dessen exakte Ausgestaltung verengt wird. “Es ist ein Teil der Lösung, aber nicht der wichtigste”, sagte Verspohl. “Wir müssen an die großen Blöcke ran, statt uns mit Schattenboxen zu beschäftigen.” Wichtige Voraussetzung für die Umsetzung der Forderungen sei eine bessere Datenbasis, etwa zu Vermögen, Sanierungsstand von Wohnungen und Anbindung an den ÖPNV.

    Und was passiert mit jenen Kosten und Programmen, die bisher mit den Einnahmen aus dem CO₂-Preis bezahlt werden? Etwa die Übernahme der EEG-Umlage, die Zuschüsse für klimafreundliche Heizungen und Ladesäulen oder den Umstieg der Industrie auf Wasserstoff, wenn das Klimageld kommt? Für diese müssten andere Finanzierungsmöglichkeiten gefunden werden, sagt Knopf. “Wir werden nicht aus dem CO₂-Preis allein die Transformation bezahlen können.”

    Klima-Allianz kooperiert mit Diakonie und Armutskonferenz

    Mit der stärkeren Verknüpfung von Sozial- und Klimapolitik beschäftigt sich auch ein weiteres Bündnis: Die Klima-Allianz Deutschland, die Diakonie und die Nationale Armutskonferenz haben in der vergangenen Woche ein gemeinsames Forderungspapier veröffentlicht. “In der Klimapolitik fehlt es gerade an einer Gerechtigkeitsperspektive”, sagt Daniel Eggstein, Referent für Klimapolitik und soziale Gerechtigkeit bei der Klima-Allianz Deutschland im Gespräch mit Table.Briefings.

    In ihrem Papier fordern die Organisationen Maßnahmen, um “Armut und Klimakrise gemeinsam zu bekämpfen”. Dazu gehören:

    • Die Einführung eines sozial-ökologischen Existenzminimums: Regelsätze für Transferleistungen sollten so angepasst werden, dass Menschen auch ökologische Entscheidungen, beispielsweise für energieeffiziente Elektrogeräte, treffen können.
    • Die energetische Sanierung von Gebäuden ohne steigende Mieten: Als positives Beispiel nennt Eggstein dafür die Gartenstadt Drewitz in Potsdam, bei der das schon teilweise gelungen sei.
    • Ein sozial gestaffeltes Klimageld: Damit sollen Kosten des CO₂-Preises für niedrigere Einkommensgruppen kompensiert werden. Es könne beispielsweise an die Einkommensteuer gekoppelt werden oder nur bis zu einer bestimmten Einkommensgrenze ausgezahlt werden.
    • Die Ermöglichung von klimafreundlicher Mobilität: Die Einführung des Deutschland-Tickets für 49 Euro sei da schon ein wichtiger Schritt, für Menschen mit niedrigen Einkommen sollte es aber zusätzlich noch Sozialtickets geben.

    “Das Klimageld kann aber nur eine Komponente zur Kompensation sein”, meint auch Eggstein. Ebenso wichtig seien Maßnahmen, die beim Umstieg auf klimaneutrale Technologien unterstützen. Für Eggstein steht auch fest, dass eine sozial-gerechte Transformation “mit einem Sparhaushalt nicht zu machen” sei. Auch ihm ist klar, dass die Einnahmen aus dem CO₂-Preis allein dafür nicht reichen würden. Stattdessen brauche es entweder eine Reform der Schuldenbremse oder ein Sondervermögen. Außerdem sollte in Zeiten mit gesamtgesellschaftlichen Herausforderungen auch Verteilungsgerechtigkeit in den Fokus rücken und Menschen mit hohen Vermögen oder Erbschaften stärker besteuert werden.

    • Armut
    • Klimageld
    • Klimaschutz
    • Sozialpolitik

    Termine

    13. Juni, 8.30 Uhr
    Konferenz Jahreskonferenz DENEFF
    Die Deutsche Unternehmensinitiative Energieeffizienz e.V. (DENEFF) diskutiert auf ihrer Jahrestagung über skalierbare Lösungen für Energieeffizienz. Infos

    13. Juni, 9.30 Uhr, Online
    Webinar Grüne Welle, Deutschlandticket oder Parkgebühren?
    Das Deutsches Institut für Urbanistik (difu) diskutiert auf dem Webinar über Strategien und Anreize zur Änderung des Mobilitätsverhaltens. Infos

    13. bis 15. Juni, Borgo Egnazia, Italien
    Gipfeltreffen G7 Summit
    Unter der Präsidentschaft von Italien findet das nächste Gipfeltreffen der G7 statt. Infos

    14. Juni, Leipzig
    Austausch Klima? Das können wir gemeinsam!
    Klimafolgen, Klimaschutzvorgaben, eine breit aufgestellte Förderlandschaft und das bald in Kraft tretende Klimaanpassungsgesetz sind nur einige der Herausforderungen für sächsische Städte und Gemeinden. Das Kompetenzzentrum Klima für das Mitteldeutsche Revier stellt seine Angebote vor und bietet Raum für Austausch. Infos

    15. Juni, Dessau
    Jubiläum 50-jähriges Jubiläum Umweltbundesamt
    Mit einem bunten Programm feiert das Umweltbundesamt die Meilensteine und Erfolge der 50-jährigen Geschichte der Institution. Infos

    18. bis 21. Juni, München
    Konferenz und Messe Intersolar Europe
    Am 18. und 19. Juni findet die Intersolar-Konferenz unter dem Motto “Märkte, Trends und Technologien im Rampenlicht” statt. Am 19. Juni beginnt dann auch die Intersolar-Messe für die Solarwirtschaft.  Infos

    19. bis 21.Juni, Manaus
    G20 Treffen G20 Climate and Environmental Sustainablity WG
    Im G20-Zyklus trifft sich die Working Group “Climate and Environmental Sustainability” in Manaus in Brasilien. Infos

    20. Juni, 9.30 Uhr, Online
    Webinar Was kostet Klimaschutz? Kosten und Nutzeneffekte von Klimaschutzmaßnahmen
    Das Deutsches Institut für Urbanistik (difu) veranstaltet dieses Webinar. Im Fokus stehen Gebäude und die Frage, wie dort zu welchen Kosten CO₂ eingespart werden kann. Infos

    News

    Klima in Zahlen: So viel Steuergeld fließt in Fossile

    Es ist die vielleicht spannendste Frage bei den UN-Verhandlungen in diesem Jahr: Woher soll das Geld für den internationalen Klimaschutz, für die globale Energiewende, Anpassung und den Ausgleich für Verluste und Schäden kommen? Öffentliche Mittel sind sehr knapp, heißt es von den UN-Staaten. Wie sehr die gleichen Staaten allerdings gleichzeitig ihre fossilen Industrien unterstützen, wird oft nicht wirklich klar. Diese Daten des Weltwährungsfonds (IWF) für 2022 zeigen, wie groß die direkte Hilfe aus Steuergeldern für die klimaschädlichen Industrien in ausgewählten Ländern tatsächlich sind.

    Die IWF-Bilanz für 2022 zeigt für alle Länder direkte Subventionen von insgesamt etwa 1,3 Billionen Dollar. Rechnet man die indirekten Subventionen (die nicht eingepreisten Kosten für Gesundheits- und Umweltschäden) dazu, kommt der IWF auf etwa sieben Billionen Dollar fossile Beihilfen, etwa sieben Prozent der globalen Wirtschaftsleistung. Sein Hinweis: Würde man diese Subventionen reformieren, würden die CO₂-Emissionen aus den Fossilen bis 2030 um 43 Prozent sinken – also genau um die Menge, die für die Erreichung der 1,5-Grad-Grenze nötig wäre. bpo

    • Fossile Brennstoffe
    • IWF
    • Subventionen

    Klimaclub: So soll er Vertrauen für Verhandlungen schaffen

    Der “Klimaclub” zur Dekarbonisierung der Industrie soll nach der Meinung seiner beiden Co-Vorsitzenden auch dazu dienen, in den Klimaverhandlungen das Vertrauen zwischen Industrie- und Schwellenländern zu stärken. “Wir sehen den dringenden Bedarf, die Kommunikation und die Zusammenarbeit zwischen entwickelten und entwickelnden Ländern zu verbessern”, sagte Julio Cordano, Direktor für Klimapolitik im chilenischen Außenministerium im Gespräch mit Table.Briefings. “Eine Plattform wie der Klimaclub kann da etwas in diesem Zusammenhang beitragen.” Auch für Berthold Goeke, seinem deutschen Partner in der Leitung des Gremiums und Abteilungsleiter Klimaschutz im Bundeswirtschaftsministerium, soll “der Club ein besonderes Vertrauen zwischen den Partnern schaffen.”

    Der “Klimaclub” soll als globale Plattform von inzwischen 37 Industrie- und Schwellenländern sowie der EU den Dialog bei der Dekarbonisierung der Schwerindustrie vorantreiben. Er wurde auf deutsche Initiative bei der COP28 in Dubai offiziell gegründet und hat im Frühjahr die regelmäßige Arbeit aufgenommen. Sein Ziel: Vor allem in der Stahl- und Zementindustrie an weltweiten Standards für die Erfassung und Messung von CO₂-Emissionen zu arbeiten. Das soll die Produktion besser vergleichbar machen und das Abwandern von emissionsintensiven Industrien (“Carbon Leakage”) verringern.

    China und Indien fehlen im “Klimaclub”

    Cordano und Goeke gaben sich beide optimistisch bei der Entwicklung des Clubs. Aufstrebende Schwellenländer mit eigener Industrie hätten ein großes Interesse am Austausch zu diesen Fragen, so der chilenische Beamte. Das Problem mit Carbon Leakage sei real, daher sei gerade ein solcher Ort wichtig als “Raum für Diskussionen, bevor das Problem aufkommt”.

    Bisher sind allerdings weder China noch Indien Mitglieder im Club, obwohl sie einen großen Teil der betreffenden Industrien beherbergen. Doch allen Ländern, die die Ziele des Klimaclubs unterstützen, stehe der Zutritt offen, so Goeke. Die Ziele des Clubs ruhten auf drei Säulen:

    • “Ehrgeizige Programme zum Klimaschutz” sowie Dialoge zu Carbon Leakage-Risiken und anderen Nebeneffekten in den Sektoren, die schwer zu dekarbonisieren sind.
    • Die Entwicklung von vergleichbaren Standards und Bilanzierungsmethoden für Emissionen in der Stahl- bzw. Zementproduktion.
    • Eine globale Plattform für Unterstützung der industriellen Dekarbonisierung in Schwellen- und Entwicklungsländern zu bieten. bpo
    • Chile
    • Deutschland
    • Klimaclub
    • Klimapolitik
    • Zementindustrie

    Aserbaidschan: Mindestens 25 Journalisten und Aktivisten vor COP29 festgenommen

    Aserbaidschan hat nach Angaben der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch im vergangenen Jahr mindestens 25 unabhängige Journalisten und Aktivisten festgenommen. Viele von ihnen befinden sich noch immer in Gewahrsam. Zuletzt wurden am 6. März sechs Journalistinnen und Journalisten des Online-Mediums Toplum TV in Baku festgenommen. Die Autoritäten durchsuchten zudem deren Büro und riegelten es ab. Infolgedessen seien auch die Kanäle von Toplum TV auf Instagram und YouTube gehackt und Beiträge darauf gelöscht worden, wie Human Rights Watch berichtet.

    Aserbaidschan richtet im November 2024 in seiner Hauptstadt Baku die Weltklimakonferenz COP29 aus. Im Vorfeld dazu kam es vergangenen Freitag auf der UN-Zwischenkonferenz SB60 in Bonn zu Protesten, wie der Guardian berichtete. Aserbaidschan wurde aufgefordert, 23 armenische politische Gefangene freizulassen. Einige Protestierende warfen dem Land, das die COP29 zu einer “COP des Friedens” machen möchte, zudem Genozid vor.

    Aserbaidschan ist nach den Vereinigten Arabischen Emiraten und Ägypten das dritte Austragungsland der COP in Folge, in dem die Menschenrechtslage bedenklich ist. Zwar garantieren die Vereinten Nation eine stärkere Presse- und Meinungsfreiheit, doch außerhalb des UN-Geländes ist deren Einfluss begrenzt. lb

    • Aserbaidschan
    • COP29
    • Menschenrechte

    Wärmeplanung: Warum Kommunen Wasserstoff ausschließen können – und sollten

    Kommunen können – und sollten – bei der momentan laufenden Wärmeplanung Wasserstoffnetze in der Regel frühzeitig ausschließen. Zu diesem Ergebnis kommt ein Rechtsgutachten der auf Umweltrecht spezialisierten Kanzlei Günther, welches das Umweltinstitut München zusammen mit der Deutschen Umwelthilfe (DUH), dem WWF, GermanZero und dem Klima-Bündnis in Auftrag gegeben hat. Ein Gebiet, in dem bereits ein Gasnetz besteht, kann dem Gutachten zufolge nur dann als Wasserstoffnetzgebiet ausgewiesen werden, wenn der Netzbetreiber bereits eine vorvertragliche Zusage für einen konkreten Fahrplan zur Umstellung des Netzes abgegeben hat.

    Besagte Fahrpläne sind rechtlich gesehen öffentlich-rechtliche Verträge zwischen den Kommunen und den Netzbetreibern. Darin müssen sich die Betreiber mit konkreten Finanzierungsplänen zur schrittweisen Umstellung der Gasversorgung auf Wasserstoff verpflichten. Gelingt dies nicht, haften sie für alle Mehrkosten, die den angeschlossenen Gebäudebesitzern daraus entstehen. Das Gutachten argumentiert nun, dass nicht nur der zweite Schritt – nämlich die Ausweisung eines Wasserstoffnetzgebiets – unzulässig ist, wenn kein solcher Umstellungsfahrplan vorliegt. Vielmehr müssten diese bereits in der vorgeschalteten Planungsphase ausgeschlossen werden, wenn es keine konkrete und realistische Perspektive für einen Fahrplan gibt.

    Unrealistische Planungen sollen vermieden werden

    Aus den Entscheidungsspielräumen der Kommune folge “eine öffentlich-rechtliche Pflicht, unrealistische Planungen zu vermeiden”, schreiben die Gutachter. “Das folgt nicht zuletzt auch aus den haushaltsrechtlichen Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit, denen die Kommune selbstverständlich auch bei der kommunalen Wärmeplanung untersteht.”

    Aus Sicht von Wiebke Hansen vom Umweltinstitut München ist diese Klarstellung sehr wichtig. “Kommunen sollten nicht mit Wasserstoff zum Heizen planen, weil es unrealistisch ist, dass grüner Wasserstoff dafür verfügbar und bezahlbar sein wird”, erklärte sie. “Es ist gut, dass das Gutachten die Kommunen nun auch rechtlich darin bestärkt, die von Gasbranchenverbänden forcierte Umstellung der Gasverteilnetze auf Wasserstoff abzulehnen.” Die Ergebnisse des Gutachtens und die daraus abgeleiteten Handlungsempfehlungen wollen die auftraggebenden Verbände jetzt an 7.000 Kommunen und kommunale Verbände verschicken. mkr

    • Fernwärme
    • Kommunen
    • Wärmewende
    • Wasserstoff

    Stromversorgung: Warum es Rückschritte beim Zugang zu Elektrizität gibt

    Weltweit steigt die Anzahl der Menschen ohne Zugang zu Strom das erste Mal innerhalb eines Jahrzehnts wieder an, da das Bevölkerungswachstum die Anzahl der Neuanschlüsse übersteigt. Zu diesem Ergebnis kommt der aktuelle “Tracking SDG 7”-Report von IRENA, IEA, Weltbank und weiteren internationalen Organisationen, dafür Daten aus dem Jahr 2022 ausgewertet haben.

    685 Millionen Menschen – und damit zehn Millionen mehr als im Vorjahr – hatten demnach 2022 keinen Zugang zu Elektrizität. 2015 waren es noch mehr als 950 Millionen Menschen. Damit befinde sich die Welt nicht auf dem richtigen Weg, um das Nachhaltige Entwicklungsziel 7 “Bezahlbare und saubere Energie” (SDG7) bis 2030 zu erreichen. Mehr als 80 Prozent der Menschen ohne Zugang zu Elektrizität leben in Subsahara-Afrika. Verschiedene Faktoren trugen zu den Rückschritten bei: Darunter die weltweite Energiekrise, die Inflation, die zunehmende Verschuldung vieler einkommensschwacher Länder und die zunehmenden geopolitischen Spannungen. Dezentrale, erneuerbare Projekte hätten aber ein vielversprechendes Potenzial, den Fortschritt beim Zugang zu Elektrizität gerade im ländlichen Raum zu beschleunigen.

    Außerdem haben 2,1 Milliarden Menschen keinen Zugang zu sauberen Kochmöglichkeiten, was zu einer Vielzahl an Krankheiten und zu 3,2 Millionen vorzeitiger Todesfälle im Jahr führt. kul

    • Erneuerbare Energien
    • SDG
    • Strom

    Heads

    Klaus Töpfer: UNEP-Retter und Verfechter der Menschenrechte

    Der ehemalige Bundesumweltminister Klaus Töpfer (CDU) ist am 8. Juni 2024 im Alter von 85 Jahren gestorben. Hier zu sehen 2019 bei der Verleihung des Staatspreises des Landes NRW an ihn im WCCB Bonn.

    Viele in Deutschland erinnern sich an Klaus Töpfer als den Umweltminister, der den Rhein durchschwamm, um zu beweisen, dass er sauber ist. Aber für andere auf der ganzen Welt, die seinen Tod betrauern, wird er für seinen einzigartigen Beitrag zur internationalen Umweltpolitik in Erinnerung bleiben.

    Von 1998 bis 2005 war Klaus Exekutivdirektor des UN-Umweltprogramms (UNEP) mit Hauptsitz in Nairobi, Kenia. Es war eine Rettungsmission, nachdem die europäischen Geldgeber des UNEP in den späten 1990er-Jahren damit gedroht hatten, es ohne einen europäischen Leiter zu schließen. Klaus ergriff die Gelegenheit und setzte seine ungeheure Energie, sein diplomatisches Geschick, seine Erfahrung und seinen Intellekt ein, um kreuz und quer über den Globus zu reisen und die Bedeutung des UNEP wiederherzustellen. Das war keine leichte Aufgabe, da viele Entwicklungsländer den Umweltschutz als Luxus der reichen Länder betrachteten, während ihre Aufgabe darin bestand, die Menschen aus der Armut zu befreien.

    Umwelt, Entwicklung, Menschenwürde

    Kurz nachdem ich als Klaus’ Pressesprecher und Redenschreiber angefangen hatte, saßen wir bei einem Glas Wein zusammen und dachten über einen Slogan nach, der seine Vision einfangen sollte. Ihm war klar, dass eine gesunde Umwelt eine Voraussetzung für wirtschaftliche Entwicklung und Menschenwürde ist. Und so wurde UNEP – Umwelt für Entwicklung – geboren. “So viele Menschen sind gegen etwas, wir müssen für etwas sein”, dachte er.

    Klaus wollte immer etwas tun und war der Meinung, dass er positive Veränderungen herbeiführen müsste, ohne auf den Segen der oft widerwilligen UN-Mitgliedstaaten zu warten. Als Folge des Balkankriegs richtete er eine Einheit zur Bewertung der Lage nach dem Konflikt ein. Er war sich darüber im Klaren, dass nach einem Konflikt die humanitäre Hilfe an erster Stelle steht. Doch kurz danach müssten die Umweltleistungen eines Landes wiederhergestellt werden, wenn Frieden und Wohlstand gesichert werden sollen.

    Wissenschaft als Leitstern der Politik

    Klaus war auch wissbegierig und glaubte leidenschaftlich daran, dass die Wissenschaft der Leitstern für die Umweltpolitik sei. Bei einem Flug mit einem Leichtflugzeug über den Himalaya wurde ihm zusammen mit dem Chemie-Nobelpreisträger Paul Crutzen eine massive braune Wolke aus schwarzem Kohlenstoff und Giftstoffen gezeigt: das Ergebnis der Verbrennung von Brennstoffen und Biomasse in Asien.

    Zu den vorläufigen Erkenntnissen gehörten die Veränderung der Niederschlagsmuster des Monsuns bis hin zur Beschleunigung der Gletscherschmelze infolge der Verdunkelung des Eises durch den Ruß. Wir stellten die Ergebnisse auf einer großen Pressekonferenz in London vor, und die Geschichte ging um die ganze Welt. Doch schon bald wurde das UNEP beschuldigt, die armen Länder für den Klimawandel verantwortlich zu machen. Die indische Regierung, die die nächste UN-Klimakonferenz ausrichtet, beschuldigte die UN, ein Instrument der Amerikaner zu sein. Auch ich persönlich stand unter Beschuss, weil ich eine recht dramatische Pressemitteilung verfasst hatte.

    Später veröffentlichte die Chinesische Akademie der Wissenschaften eine von Fachleuten geprüfte Bewertung der braunen Wolke und bestätigte die vorläufigen Ergebnisse des UNEP. “Endlich hat die Wissenschaft mit Ihrer Pressemitteilung gleichgezogen”, meinte er zu mir. Das war typisch Klaus Töpfer: Wenn er deine Arbeit mochte, stand er immer hinter dir.

    Hüter der Menschenrechte

    Klaus war auch ein Verfechter der Menschenrechte. Als die Aktivistin des Green Belt Movement, Wangari Maathai, Gefahr lief, vom kenianischen Präsidenten Daniel Arap Moi “verunglückt” zu werden, bot Klaus ihr auf dem UNEP-Campus Zuflucht. Er konnte seine Begeisterung kaum zügeln, als sie 2004 den Friedensnobelpreis erhielt und damit ihre kraftvolle Botschaft zu Umwelt und Sicherheit in die Welt schickte. Ohne Klaus wäre sie vielleicht nicht mehr am Leben gewesen, um den Preis entgegenzunehmen.

    Klaus hatte auch seine konservativen Tendenzen. Er bestand auf seinem korrekten Titel Professor Dr. Töpfer und zuckte sichtlich zusammen, als eine Stimme aus dem US-Außenministerium rief: “Schön, dich zu sehen, Klaus”. An seinem letzten Tag bei UNEP führte er zwei Personen zum Abendessen aus: Seine damalige Superassistentin Julia Crause und mich. Nach dem Hauptgang schenkte er uns allen ein gutes Glas trockenen Weißwein ein und sagte: “Ihr könnt mich jetzt Klaus nennen”. Und seitdem heißt er Klaus und wird es immer bleiben. Nick Nuttall

    Der Autor war 2001 bis 2013 Sprecher von UNEP und Redenschreiber. Von 2014 bis 2018 leitete er als Sprecher die Kommunikationsabteilung des UN-Klimasekretariats UNFCCC.

    • Klima & Umwelt
    • Umweltpolitik
    • Vereinte Nationen

    Die entscheidenden Köpfe der Klima-Szene – Verbände

    Timm Kehler – Vorstand, Zukunft Gas GmbH

    Er ist seit vielen Jahren die Stimme der deutschen Gasbranche: Seit 2009 als Vorstand “Erdgas mobil”, seit 2015 dann beim Lobbyverband “Zukunft Erdgas”, der sich 2021 in “Zukunft Gas” umbenannte und seitdem offiziell das Ziel verfolgt, von fossilem Gas auf Biogas und Wasserstoff umzusteigen. Sehr erfolgreich war der Verband bei der Ausrichtung der deutschen Energieversorgung auf Erdgas, das vor allem aus Russland importiert wurde. Beim Gebäudeenergiegesetz setzte sich Zukunft Gas erfolgreich dafür ein, dass mit Wasserstoff betreibbare Heizungen als Option aufgenommen werden. Zum Verband gehören mehr als 130 Unternehmen aus der Gas- und Wasserstoffwirtschaft; zahlreiche Stadtwerke sind nach einer Kampagne der Organisation Lobbycontrol in den vergangenen Jahren ausgetreten.

    Fatih Birol – Vorsitzender, International Energy Agency (IEA)

    Als Vorsitzender der Internationalen Energieagentur (IEA) treibt Birol die globale Energiewende voran. Er hat den Kurswechsel der Organisation von der Sicherung der westlichen Ölversorgung hin zum Ausbau der Erneuerbaren und die Erreichung der globalen Klimaziele maßgeblich mitbestimmt. Birol ist seit Mitte der 1990er-Jahre bei der IEA und führt die Organisation seit 2015. Seine Äußerungen und IEA-Berichte zum Thema Peak-Oil bereiten der OPEC Sorge. Birol ist eingefleischter Fußballfan und Ehrenmitglied bei Galatasaray Istanbul (zum Portrait).

    Carsten Körnig – Geschäftsführer, Bundesverband Solarwirtschaft e. V.

    Er ist nicht nur einer der einflussreichsten Berliner Energie-Lobbyisten, sondern auch einer der langjährigsten: Seit 1997 ist Carsten Körnig als Vertreter der Solarbranche in Berlin unterwegs – zunächst als Mitgründer und Geschäftsführer der “Unternehmensvereinigung Solarwirtschaft”, seit 2006 und bis heute als Geschäftsführer des Bundesverbands Solarwirtschaft, in dem über 1.000 Unternehmen Mitglied sind. Am Erneuerbare-Energien-Gesetz hat Körnig vom ersten Entwurf bis zur jüngsten Novelle mitgewirkt und durch parteiübergreifend gute Verbindungen dafür gesorgt, dass die Solarwirtschaft in Deutschland zu einer mächtigen Branche geworden ist. Gescheitert ist zuletzt allerdings der Versuch, durch den sogenannten Resilienzbonus Produktionskapazitäten in Deutschland zu sichern.

    Kai Niebert – Präsident, Deutscher Naturschutzring

    Niebert ist seit 2015 Präsident des Deutschen Naturschutzrings (DNR), der Dachorganisation der deutschen Umweltverbände. In dieser Funktion und als Berater in vielen weiteren Gremien hält der Professor für Didaktik der Naturwissenschaften und Nachhaltigkeit an der Universität Zürich enge Verbindungen zu den wichtigen Akteuren in Politik, Gesellschaft und Wirtschaft. Er saß oder sitzt unter anderem im Nachhaltigkeitsrat, der Zukunftskommission Landwirtschaft, der Kommission zum Kohleausstieg, der Allianz für Transformation, in der EU-High Level Group in Financing Sustainability Transition und im Bündnis für bezahlbares Wohnen. In einer Studie zeigte Niebert außerdem, dass die Klimabildung an Schulen nicht den gesellschaftlichen Anforderungen entspricht.

    Kerstin Andreae – Geschäftsführerin, BDEW Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft e. V.

    Für ein bezahlbares und nachhaltiges Energiesystem und gleichzeitig für Versorgungssicherheit setzt sich Kerstin Andreae ein. Ihr Verband, der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW), vertritt dabei mehr als 2.000 Mitglieder, darunter viele Stadt- und Wasserwerke. Aktuell eine der größten Herausforderungen für den Verband: Die Wärmewende gestalten. Davor saß Andreae ab 2002 für die Grünen im Bundestag, von 2012 bis 2018 war sie stellvertretende Vorsitzende der Grünen Fraktion. Seit 2019 ist sie Vorsitzende des BDEW, Anfang des Jahres wurde sie für weitere fünf Jahre bestätigt.

    Sabine Nallinger – Vorständin, Stiftung KlimaWirtschaft

    Als Vorständin der StiftungKlimawirtschaft beschleunigt Sabine Nallinger den Umbau der deutschen Wirtschaft zur Klimaneutralität und will aufzeigen, dass Klimaschutz ein erfolgreiches Geschäftsmodell sein kann. Sie setzt sich für die richtigen politischen, rechtlichen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen ein und lobt die grüne Industriepolitik von Joe Biden (zum Porträt). Die StiftungKlimawirtschaft wurde von Vorstandsvorsitzenden, Geschäftsführern und Familienunternehmern unter dem Namen Stiftung 2° gegründet und prüft beispielsweise die Klimaschutzversprechen aus dem Koalitionsvertrag mit einem Transformations-Tracker.

    Matthias Belitz – Bereichsleiter Nachhaltigkeit, Energie und Klimaschutz, Verband der Chemischen Industrie

    Im März 2024 übernahm Matthias Belitz die Abteilung Nachhaltigkeit, Energie und Klimaschutz beim VCI von seinem Vorgänger Jörg Rothermel. Der Diplom-Betriebswirt, der zuvor 16 Jahre bei BASF war, hat die große Aufgabe, die Transformation in einer der energieintensivsten Branchen überhaupt voranzutreiben und umzusetzen. Schließlich will die Chemie 2045 klimaneutral sein. 

    Simone Peter – Präsidentin, Bundesverband Erneuerbare Energie e. V. (BEE)

    Deutschland sei trotz seines Engagements noch weit davon entfernt, Erneuerbare schnell genug auszubauen, findet Simone Peter. Damit das schneller geht, setzt sie sich unter anderem für Flexibilität im Strommarkt ein. Peters Engagement für die Energiewende reicht weit zurück: Als Jugendliche demonstrierte sie gegen den Bau des französischen Atomkraftwerks im grenznahen Cattenom, außerdem trat sie den Grünen bei. 2009 wurde die promovierte Mikrobiologin dann Umweltministerin ihres Heimatbundeslandes, dem Saarland. Von 2013 bis 2018 war sie Bundesvorsitzende der Grünen, dann wurde sie Präsidentin des BEE.

    Holger Lösch – Mitglied der Hauptgeschäftsführung, Bundesverband der Deutschen Industrie e. V. (BDI)

    Als böser Lobbyist will sich Holger Lösch nicht beschimpfen lassen. Auch seinen Beitrag als Industrievertreter bei den Verhandlungen über den deutschen Kohleausstieg in der sogenannten Kohlekommission möchte er nicht als Einsatz für die Verlängerung der Kohleverstromung missverstanden wissen. Und tatsächlich: Lösch weiß, wie Klimaschutz geht. Der Versuch, Wirtschafts- und Klimafragen in Einklang zu bringen, sei eine gesellschaftliche Aufgabe, zu der er etwas beitragen wolle, sagte er einmal zu Table.Briefings. Er gilt zugleich aber auch als strenger Kritiker überambitionierter Klimapolitik. So hält er den europäischen CO₂-Grenzausgleichsmechanismus CBAM für übertrieben. Doch anders als andere Industrievertreter hält Lösch die deutschen Klimaziele für 2030 und 2045 durch schnelles Handeln für realistisch.

    Corinna Enders – Vorsitzende der Geschäftsführung, Deutsche Energie-Agentur GmbH (dena)

    Die Juristin soll die staatliche dena mit ihren 550 Mitarbeitenden in den nächsten drei Jahren fit machen für die “Riesenherausforderung, unser gesamtes Wohlstandsmodell umzubauen und hierfür die Akzeptanz in der Breite zu gewinnen”, sagte sie bei Amtsantritt. Sie soll die Agentur auch wieder aus den negativen Schlagzeilen holen, wo sie nach Debatten um die Postenvergabe an ihren Vorgänger gelandet war. Enders arbeitete zuvor im Umweltministerium und führte seit 2018 als Geschäftsführerin die gemeinnützige “Zukunft-Umwelt-Gesellschaft” (ZUG), eine Bundesgesellschaft, die Projekte und Förderprogramme zu den Themen Umwelt, Klima und Natur verwaltet. Sie teilt sich die dena-Geschäftsführung mit Kristina Haverkamp.

    • CBAM
    • Gebäudeenergiegesetz
    • Klimaschutz
    • Strommarkt
    • Wärmewende
    • ZKL

    Climate.Table Redaktion

    CLIMATE.TABLE REDAKTION

    Licenses:

      Jetzt kostenlos anmelden und sofort weiterlesen

      Keine Bankdaten. Keine automatische Verlängerung.

      Sie haben bereits das Table.Briefing Abonnement?

      Anmelden und weiterlesen