einen “Herbst der Entscheidungen” soll es geben, und diese Woche ist dann wohl der vorläufige Höhepunkt: Wenn heute in den USA über einen neuen Präsidenten oder eine neue Präsidentin und über das Parlament entschieden wird, zittert die weltweite Klima-Gemeinde mit. Welche katastrophalen Folgen für Klimaschutz und UN-Verhandlungen ein Sieg von Donald Trump haben kann, haben wir heute zusammengetragen.
Auch eine Nummer kleiner, in Deutschland, wird es spannend: Die Ampel-Koalition knirscht an allen Ecken und Enden. Sollte es eine neue Regierung unter einem CDU-Kanzler Friedrich Merz geben, wie sähe dann deren Klima- und Energiepolitik aus? Wir schreiben heute, was sich die CDU bei dem Thema vorstellt – also welche Ampel-Regeln sie abschaffen, verändern oder behalten würde.
Dann gibt es noch die globalen Entscheidungen: Ab nächster Woche tagt wieder die UN-Klimakonferenz und das Team von Climate.Table ist wieder dabei. Zu dritt sind wir in Baku vor Ort, um mit unseren Kolleginnen und Kollegen in Berlin und rund um die Welt jeden Tag für Sie einen Climate.Table zu zimmern – umfassend, exklusiv, relevant und hintergründig, wie Sie uns kennen.
Wir freuen uns auf die hektischen zwei Wochen und wünschen wie immer interessante Lektüre.
Die Aussicht, dass Donald Trump erneut US-Präsident werden könnte, löst in der US-amerikanischen und globalen Klimaszene große Besorgnis aus. Anders als im Fall eines Wahlsiegs von Kamala Harris wären die Folgen wohl schwerwiegend: In einer Zeit der eskalierenden Klimakrise und hoher geopolitischer Spannungen würde ein erneuter Rückzug der USA aus dem internationalen Prozess die Klimadiplomatie schwer treffen. Zwar sind viele Beobachter optimistisch, dass die Energiewende in den USA auch unter Trump weitergehen würde, aber international könnte ein Sieg von Trump die Zukunft des gesamten COP-Prozesses gefährden und bereits die COP29 vor große zusätzliche Probleme stellen.
Eine der wenigen konsequenten Haltungen von Donald Trump ist seine Meinung zum Klimawandel: Er hält ihn für einen Schwindel und nimmt ihn nicht ernst. Für ihn bedeutet Energiepolitik die globale “Energie-Dominanz” der USA und massiver Ausbau von Öl und Gas, auch zum Export. Aus seiner ersten Amtszeit und dem radikalen “Project 2025” des Thinktanks Heartland Institute lässt sich folgern, dass er viele Klima-Entscheidungen der US-Administration bremsen oder rückgängig machen würde. Expertinnen und Experten lassen sich vor der Wahl in den USA nicht namentlich mit ihren Ansichten zitieren, aber im Einzelnen würde Trump wohl:
Andererseits weisen Beobachter und Experten in den USA darauf hin, dass ein großer Teil der US-Klimapolitik auch ohne und gegen die Bundesregierung weiterginge. Vor allem das Investitionsprogramm rund um den “Inflation Reduction Act” (IRA) ist als Gesetz und durch seine Konstruktion von Steuererleichterungen vor dem direkten Zugriff der Bundesregierung grundsätzlich geschützt. Das Paket von etwa 370 Milliarden Dollar “tax credits” sorgt vor allem auch in “roten” US-Staaten mit republikanischen Regierungen für Jobs und Investitionen. Auch republikanische Abgeordnete des Repräsentantenhauses haben deshalb gefordert, das IRA nicht anzutasten. Dazu kommt:
Trumps zweite Amtszeit könnte also bedeuten: Die Bundesregierung friert weite Teile ihrer Klimapolitik ein oder reduziert sie, sie wettert lautstark gegen Umwelt- und Klimaschutz und fördert vor allem die fossilen Energien. Unter einer wissenschaftsfeindlichen Stimmung in der US-Bundesregierung könnte vor allem die Forschung im Klimabereich leiden, wie Wissenschaftler in Umfragen fürchten. In der Politik der Bundesstaaten, beim Ausbau der Erneuerbaren und bei den massiven Investitionen in Greentech würde sich wohl allerdings wenig ändern.
Schweren Schaden würde eine zweite Amtszeit von Donald Trump allerdings wahrscheinlich in der internationalen Klimapolitik anrichten, fürchten viele Beobachter. Die UNO blickt besorgt auf die Entwicklung, denn die Auswirkungen wären wohl auch deutlich ernsthafter als bei Trumps erster Runde im Weißen Haus von 2017 bis 2021:
Bereits die COP29 könnte ein Wahlsieg von Trump maßgeblich beeinflussen: Denn die Verhandlungen kreisen vor allem um das neue Finanzziel NCQG. Schon bisher wird der Anteil der USA an der globalen Klimafinanzierung von etwa elf Milliarden US-Dollar von vielen Seiten als viel zu gering kritisiert, weil er weder der historischen Verantwortung noch den ökonomischen Möglichkeiten der weltweit größten Volkswirtschaft entspreche. Ein “fairer Beitrag” liege demnach eher bei 40 Milliarden Dollar. Eine Trump-Administration würde wohl weite Teile der Finanzierung, die bisher über die US-Regierung erfolgt, stoppen oder reduzieren. Der US-Kongress wiederum blockiert seit langem solche Zahlungen und Verpflichtungen.
Bei der COP29 in Baku geht es aber gerade darum, mehr öffentliches und privates Geld für dringend nötige Maßnahmen zu CO₂-Reduktion, Anpassung und Techniktransfer und für internationale Gremien zu finden. Wenn die USA sich perspektivisch aus dem gesamten Prozess zurückzögen, fehlte nicht nur das Geld, sondern dann wäre auch die Stimmung gefährdet: Der Vorwurf, dass sich die Industrieländer um die Finanzierung des Klimawandels drücken, würde wohl noch lauter. Und die EU, bereits jetzt größter Klimafinanzierer, könnte diese Lücke wohl nicht füllen – vor allem, weil die öffentlichen Haushalte in Europa auch unter großen Belastungen leiden.
Wenn die COP29 am 11. November mit zwei Tagen “High Level Segment” von Staats- und Regierungschefs offiziell beginnt, könnte also ein Wahlsieg von Trump schon die Stimmung in Baku verderben. Ob es dann im weiteren Verlauf der Konferenz zu einem tragfähigen Kompromiss in der ohnehin sehr schwierigen Frage der Finanzierung käme, ist zweifelhaft.
Wo genau CDU und CSU in der Klimapolitik stehen, war lange unklar. Die Mittelstandsunion etwa vertrat meist andere Konzepte als die Klima-Union, der Klima-Experte und Parteivize Andreas Jung setzte deutlich andere Akzente als der für die Energiepolitik der Fraktion verantwortliche Fraktionsvize Jens Spahn. Doch nun hat sich die Fraktion in einem längeren Prozess auf ein gemeinsames Diskussionspapier geeinigt, das an diesem Dienstag bei einer energiepolitischen Konferenz öffentlich vorgestellt werden soll. Und dieses will die Energie- und Klimapolitik der Ampel-Koalition stärker zurückdrehen, als so manche Äußerung der Vergangenheit nahelegte.
So findet sich im Papier ein klares Bekenntnis zur Atomkraft. Während Parteichef Friedrich Merz noch im Juni beim BDEW-Kongress erklärt hatte, das Thema Kernenergie sei in Deutschland “entschieden”, fordert die Unionsfraktion nun eine Prüfung, ob “eine Wiederaufnahme des Betriebs der zuletzt abgeschalteten Kernkraftwerke unter vertretbarem technischem und finanziellem Aufwand noch möglich ist”. Dass diese positiv ausfällt, ist allerdings wenig wahrscheinlich: Wie das Bundesumweltministerium auf Anfrage von Table.Media mitteilte, hat in allen fünf zuletzt abgeschalteten Druckwasserreaktoren bereits die sogenannte Primärkreiskontamination stattgefunden; dieser Prozess mache “im Regelfall eine Wiederinbetriebnahme praktisch unmöglich”, schreibt das Ministerium auf seiner Webseite.
Beim AKW-Neubau bleibt das Papier dagegen eher vage: Man befürworte “Forschung und Entwicklung von Kernkraftwerken der vierten und fünften Generation sowie von SMR (Small Modular Reactors)” und beteilige sich dazu “an europäischen Partnerschaften und internationalen Initiativen”, heißt es. Ein sehr konkretes – aber nicht unbedingt realistisches – Ziel nennt die Union dagegen bei der Kernfusion: “Der erste an das Netz angeschlossene Fusionsreaktor der Welt soll in Deutschland stehen.”
Eine zentrale Forderung des Papiers ist zudem, die Energiewende preiswerter zu gestalten. “Deswegen müssen für eine Kostenwende jetzt alle zusätzlichen Kosten auf den Prüfstand”, schreiben die Autoren. Konkrete Punkte zur Kostensenkung finden sich aber nur wenige – etwa der Vorschlag, Fernleitungen für Strom in Zukunft in der Regel wieder oberirdisch zu verlegen und den Ausbau der Offshore-Windkraft zu verringern.
Gleichzeitig enthält das Papier aber viele Forderungen, die die Energiewende eher verteuern dürften. So wird die Ampel dafür kritisiert, dass sie “nahezu ausschließlich auf Solar- und Windenergie setzt”, die mit Abstand den billigsten Ökostrom produzieren. Stattdessen fordert die Union eine stärkere Rolle für Biogas, das pro Kilowattstunde ein Vielfaches an Subventionen benötigt. Außerdem soll das Wasserstoff-Kernnetz dichter werden, als von der Bundesnetzagentur derzeit aufgrund der erwarteten Nachfrage geplant, und die garantierte Rendite für die Netzbetreiber soll erhöht werden. Die Teilung des deutschen Stromnetzes in unterschiedliche Preiszonen, die nach Ansicht vieler Experten die Redispatchkosten senken und die Energiewende damit günstiger machen würde, lehnt die Union ab.
Besonders lange gestritten wurde offenbar um den Umgang mit dem Gebäudeenergiegesetz (GEG). In einem Entwurf von Mitte Oktober wurde dieses Thema noch ausgeklammert. Im fertigen Papier findet sich nun die Ankündigung, die Union werde “das Heizungsgesetz der Ampel zurücknehmen”. Ein “Heizungsgesetz” gibt es offiziell nicht; gemeint ist offenbar die jüngste Novelle des GEG, über die auch die Ampel lange gestritten hatte. Eine Pflicht, dass neue Heizungen ab 2026 beziehungsweise 2028 in der Regel nur noch eingebaut werden dürfen, wenn sie zu 65 Prozent erneuerbare Energien nutzen, gäbe es dann nicht mehr. Allerdings hatte Parteichef Merz im Sommer gefordert, dass “viel mehr Wärmepumpen” verbaut werden müssten als derzeit. Um das auch ohne gesetzliche Vorgaben zu erreichen, setzt die Union neben dem steigenden CO₂-Preis auf “verlässliche Förderung”.
Anders als FDP-Chef Christian Lindner, der in seinem Papier gerade angekündigt hat, sämtliche finanzielle Unterstützung für klimafreundliche Technologien stoppen zu wollen, will die Union also – ebenso wie bisher die Regierungskoalition – mit Förderprogrammen den Umstieg auf klimafreundliche Technologien unterstützen. Auch Unternehmen sollen davon weiterhin profitieren können, allerdings “unbürokratisch und marktkonform”.
Auch in anderen Punkten unterscheiden sich die Forderungen der Union weniger von der Politik der Ampel, als die Rhetorik des Papiers nahelegt. So setzt sie ebenso wie das BMWK und anders als die FDP nicht auf eine sofortige Streichung, sondern zunächst auf eine Umgestaltung der EEG-Vergütung. Auch die Senkung von Stromsteuer und Netzentgelten wird von der aktuellen Regierung ebenfalls angestrebt, wobei diese bisher am zusätzlichen Finanzbedarf scheitert. Und an vielen Punkten arbeitet sich die Union an Positionen ab, die die Regierung längst nicht mehr vertritt – etwa ein “Zwang zum Rückbau” des Gasnetzes oder die ausschließliche Nutzung von grünem Wasserstoff.
Und auch das Ziel, in Deutschland bis zum Jahr 2045 Klimaneutralität zu erreichen, stellt die Union – anders als Lindner – nicht infrage. Man wolle “den falschen Weg” der Ampel korrigieren, aber “nicht das Klimaziel”, sagte Unions-Vize Andreas Jung Table.Briefings. “Der Klimaschutz bleibt dringlich, er muss aber unbedingt mit einer starken Wirtschaft und mit sozialer Akzeptanz zusammengebracht werden.”
Zur Erhöhung dieser sozialen Akzeptanz hatten die Mittelstandsunion (MIT) und die Klima-Union kürzlich in ähnlichen Papieren die Einführung eines Klimagelds gefordert. Dazu scheint es innerparteilich aber noch Diskussionsbedarf zu geben: Im Papier der Fraktion wird zwar ein “Klimabonus” erwähnt; damit ist aber nur die Entlastung von Verbrauchern und Unternehmen durch die Senkung der Strompreise gemeint. Ein Klimageld, also die direkte Auszahlung eines Teils der CO₂-Einnahmen, taucht im Papier dagegen nicht auf. Dazu ist nach Informationen von Table.Briefings in den kommenden Wochen ein gesondertes Papier geplant.
Die am Wochenende abgebrochene UN-Konferenz zur Biodiversität COP16 wirft ihre Schatten auch auf die Klima-COP29 voraus. Einerseits betonte die Konferenz im kolumbianischen Cali den engen Zusammenhang zwischen Klima und Artensterben. Andererseits konnten sich die Delegationen so lange nicht über Details der Finanzierung einigen, bis das Plenum nicht mehr beschlussfähig war und die Sitzung beendet werden musste – keine guten Vorzeichen für die Klimakonferenz in Baku.
Bei der Artenschutzkonferenz wurden einige Punkte im Konsens geklärt. So sollen künftig:
Im vorläufigen Schlussdokument zu Klima und Biodiversität forderte die COP16 eine engere Verzahnung mit den Klimaverhandlungen. Es betont unter anderem die Bedrohung der Artenvielfalt durch die Klimakrise, die Risiken bei einem Unterschied zwischen 1,5 von 2 Grad Erwärmung, und warnt vor Fehlern bei Anpassungsmaßnahmen (“Maladaptation”). Der Beschluss sieht auch vor:
Die Erklärung erwähnt allerdings nicht die COP28-Entscheidungen zum Ende der fossilen Energien, die nach Medienberichten noch in einer Draft-Version stand.
Einen Vorgeschmack auf die harten Debatten in Baku lieferte die COP16 vor allem bei der Finanzfrage. Diese unterschiedlichen Ansprüche, die bei der COP29 mit dem neuen geplanten globalen Finanzziel NCQG im Mittelpunkt stehen werden, verhinderten in Cali einen erfolgreichen Abschluss der Konferenz. So scheiterte die Idee, einen neuen UN-Biodiversitäts-Fonds aufzulegen, am Widerstand von Industriestaaten, auch der EU, und Schuldnerländern wie China, weil der Fonds auch die Verschuldung der Entwicklungsländer thematisieren sollte. bpo
Das Gesundheitssystem müsse weiterentwickelt werden, um nicht nur den körperlichen, sondern auch den psychologischen Auswirkungen des Klimawandels besser gewachsen zu sein. Es brauche einen “nationalen Resilienzplan”, der ausarbeitet, wie die Menschen möglichst “produktiv” mit der Stressbelastung durch den Klimawandel umgehen können. Das fordert der Bericht “Psychologische Perspektiven im Klimawandel: Strategien und Konzepte” vom Bundesverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen. Wichtig sei außerdem, dass die Entwicklung eines umfassenden Klimabewusstseins mit “realitätsnaher Risikowahrnehmung” gefördert werde.
Psychologen und Psychotherapeuten sind demnach zum einen “Change Agents”, die gesellschaftliche Veränderungen durch den Klimawandel sowohl begleiten als auch aktiv vorantreiben sollten. Zum anderen sind sie auch immer häufiger mit psychischen Herausforderungen wie Klimaangst konfrontiert, die durch den Klimawandel hervorgerufen werden. Eine Studie von “The Lancet” fand beispielsweise heraus, dass 45 Prozent der jungen Menschen in ihrem Alltag negativ durch Gedanken und Emotionen zum Klimawandel beeinflusst werden. kul
Mit den in seinem Nationalen Energie- und Klimaplan (NEKP) festgelegten Maßnahmen werde Deutschland seine verpflichtenden EU-Klimaziele bis 2030 “massiv verfehlen”, so die Deutsche Umwelthilfe (DUH). Deshalb reichte die Organisation am vergangenen Freitag vor dem Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg (OVG) erneut eine Klimaklage gegen die Bundesregierung ein.
Der NEKP sei unzureichend und verstoße gegen geltendes EU-Recht, teilte sie zur Begründung mit. Es mangele ihm an “nachvollziehbaren Prognosen und ausreichend bestimmten Maßnahmen, sodass eine Beurteilung der tatsächlichen Wirkung unmöglich” sei. Daneben fehle eine realistische Abschätzung der nötigen Investitionen und ihrer Finanzierung.
Die DUH kritisiert vor allem deutlich zu hohe Emissionen in den Sektoren, die unter die EU-Regeln zur Lastenteilung fallen (Effort Sharing Regulation, ESR). Das sind Verkehr, Gebäude und Landnutzung. Bereits im August hatte die Organisation das OVG Berlin-Brandenburg in einer weiteren Klage aufgefordert, das Gericht möge die Bundesregierung dazu verpflichten, einen Plan mit “zusätzlichen Aktionen” vorzulegen, die ausreichten, um die Emissionen in diesen Sektoren gemäß der EU-Vorgaben zu senken. ae
China will den Verbrauch erneuerbarer Energien ankurbeln und hat dafür neue Richtlinien erlassen. Die Beratungsagentur Trivium China nennt die neuen Ziele “unglaublich ehrgeizig”. Das ist geplant:
In den vergangenen Jahren hat China die Stromerzeugungskapazitäten von erneuerbaren Energien massiv ausgebaut. Damit nun auch die Nachfrage steigen kann, sollen:
“Die Geschwindigkeit, mit der Schlüsselsektoren der Wirtschaft – nämlich Industrie, Verkehr und Heizung – von der Nutzung fossiler Brennstoffe auf Strom umstellen, wird darüber entscheiden, ob China sein derzeitiges Tempo beim Ausbau der erneuerbaren Energien beibehalten kann”, so die Einschätzung der Trivium-China-Experten. nib
Eine Reihe von zivilgesellschaftlichen Organisationen fordern EU-Klimakommissar Wopke Hoekstra auf, keine Lobbyisten für fossile Brennstoffe als Teil der EU-Delegation zu den UN-Klimaverhandlungen in Baku mitzubringen. In einem gemeinsamen Brief kritisieren sie, Hoekstras Team habe bei der COP28 vergangenes Jahr leitende Angestellte von Eni und BP sowie den Cheflobbyisten von Exxonmobil in Brüssel als Teil der EU-Delegation mit nach Dubai gebracht.
Auch einige Mitgliedstaaten haben demnach Vertreter der Fossil-Industrie auf ihrem Ticket zur COP nach Dubai gebracht. Beispielsweise brachte die französische Delegation sechs Lobbyisten von Total Energies mit, darunter CEO Patrick Pouyanné.
Die EU-Kommission erklärte bereits während der COP in Dubai auf Nachfrage von Table.Briefings, die EU-Delegation habe aus Kommissaren, Verhandlern und Mitarbeitenden bestanden, Lobbyisten seien kein Teil der Delegation gewesen. Dass Fossil-Lobbyisten auf der Anmeldungsliste der COP28 mit EU-Akkreditierung aufgelistet werden, liege daran, dass sie als Rednerinnen bei Side Events eingeladen waren und einen Zugangsausweis zum Veranstaltungsort benötigten. Sie hätten aber “keinen Zugang zu den Delegationsräumen der EU-Kommission gehabt”, so die eine Kommissionssprecherin.
Der Brief wurde von über 100 NGOs unterschrieben. Sie fordern, dass Öl- und Gasunternehmen kein privilegierter Zugang zu den Klimaverhandlungen gewährt wird. “Es ist genauso wenig sinnvoll, Exxonmobil und BP zu fragen, wie man von fossilen Brennstoffen wegkommt, wie man Philip Morris fragen kann, wie man mit dem Rauchen aufhört.” luk
Wird der Ausstoß von Lachgas nicht eingedämmt, kann das 1,5-Grad-Limit des Pariser Klimaabkommens nicht erreicht werden. Dies geht aus der ersten umfassenden globalen Bewertung des Schadstoffs hervor, die am Donnerstag veröffentlicht wurde. Erstellt wurde das Global Nitrous Oxide Assessment von der Climate and Clean Air Coalition, einem Zusammenschluss von über 180 Regierungen, NGOs und internationalen Organisationen.
Lachgas (N₂O) ist das am dritthäufigsten vorkommende Treibhausgas und vielfach klimaschädlicher als CO₂. Zudem schädigt Lachgas die Ozonschicht. N₂O-Emissionen entstehen vor allem durch den Einsatz von Kunstdünger und Gülle in der Landwirtschaft. Sie sind laut Bericht seit 1980 weltweit um 40 Prozent gestiegen und würden ohne Gegenmaßnahmen bis 2050 voraussichtlich um 30 Prozent über das Niveau von 2020 ansteigen.
Die Einsparung von Lachgas ist allerdings herausfordernd. Geschicktere Düngung oder digitale Innovationen können laut dem Agrarwissenschaftler Bernhard Osterburg vom Thünen Institut die Emissionen verringern. Deutschland habe hier bereits Fortschritte erzielt. Osterburg sieht auch die Überdüngung zur Absicherung von Erträgen kritisch. Die EU-Kommission will daher im Rahmen ihrer Farm-to-Fork-Strategie den Einsatz von Düngemitteln bis 2030 um 20 Prozent und Nährstoffverluste um 50 Prozent verringern.
Globale Maßnahmen zur Verringerung der N₂O-Emissionen könnten bis zum Jahr 2100 das Äquivalent von bis zu 235 Milliarden Tonnen an CO₂-Emissionen vermeiden, heißt es weiter im Bericht. Die Einsparungen überstiegen somit das vom MCC-Institut berechnete Kohlenstoffbudget für das 1,5-Grad-Limit. Umgekehrt hieße das: Ohne Einsparungen scheitert das 1,5-Grad-Limit alleine schon an den Lachgasemissionen. rtr/lb
Der Ausstoß von Treibhausgasen in der EU ist vorläufigen Zahlen zufolge im vergangenen Jahr kräftig gesunken. Laut einem Bericht der Europäischen Umweltagentur (EEA) gingen die Netto-Treibhausgasemissionen in der EU 2023 im Vergleich zum Vorjahr um acht Prozent zurück. Das sei der größte jährliche Rückgang seit Jahrzehnten – mit Ausnahme des Corona-Jahres 2020.
Die Wirtschaftszweige Energie und Industrie, die dem europäischen Emissionshandelssystem ETS unterliegen, hätten maßgeblich zu dem guten Ergebnis beigetragen. Die Reduzierung der Emissionen ist laut EEA zur Hälfte auf die Entwicklung des Energiesektors zurückführen. Dazu beigetragen habe
Auch im Industriebereich führten Effizienz- und Prozessverbesserungen zu einem Rückgang um sechs Prozent in 2023.
Andere Sektoren hätten hingegen Nachholbedarf bei der Emissionsreduktion.
Landwirtschaft und Transport sind durch die Lastenverteilungsverordnung ESR mit nationalen Minderungszielen belegt. Unter den großen ESR-geregelten Sektoren sei einzig im Baubereich ein signifikanter Rückgang um sechs Prozent zu verzeichnen, der allerdings eher durch moderate Wetterbedingungen mit weniger Heiz- und Kühlungsbedarf als durch die Installation von Wärmepumpen erreicht worden sei.
Die EU hat sich das Ziel gesetzt, bis 2050 weitgehend klimaneutral zu sein. Bis 2030 sollen die Emissionen verglichen mit denen des Jahres 1990 um 55 Prozent zurückgehen. Basierend auf bisherigen und geplanten Klimaschutzmaßnahmen erreicht die EU den Prognosen zufolge allerdings nur 43 bis 49 Prozent weniger Emissionen. av/mit dpa
Natürlich im Boden gebundene giftige Metalle könnten einer aktuellen Studie zufolge durch den Klimawandel mobilisiert werden und verstärkt in die Nahrungskette gelangen. Das sei vor allem bei leicht sauren Böden – sie machen ein Drittel der Böden aus – zu erwarten, geht aus der Studie der Universität Tübingen und des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ) hervor. Das Forscherteam untersuchte dafür landwirtschaftlich genutzte Flächen auf das krebserregende Cadmium. Cadmium kommt weltweit natürlicherweise in Böden vor, allerdings in gebundener und damit normalerweise nicht gefährlicher Form.
Die Forscher ließen nun Böden eine reguläre Wachstumsperiode in Deutschland durchlaufen – unter angenommenen Klimabedingungen des Jahres 2100, mit einem prognostizierten Temperaturanstieg von zwei bis vier Grad. Sie stellten fest, dass das Cadmium verstärkt mobilisiert wurde. Seine Mobilität nahm in leicht sauren Böden gegenüber heutigen Bedingungen um etwa 40 Prozent zu. Das führte den Angaben zufolge zu höheren Cadmium-Konzentrationen, etwa im Porenwasser des Bodens. Auch bestimmte Mikroorganismen würden dadurch beeinflusst.
Ökosysteme könnten künftig massiv durch erhöhte Mengen an mobilem Cadmium gestört werden, sagte Studienleiterin Marie Muehe von der Pflanzen-Biogeochemie der Uni Tübingen und dem UFZ. Die Folge: Cadmium könne in Nutzpflanzen gelangen und damit wiederum gesundheitsschädlich für den Menschen sein. Diese Entwicklungen müssten weiter beobachtet werden. dpa
Elektrofahrzeuge können einen wichtigen Beitrag zur stabilen Versorgung der Stromnetze mit erneuerbaren Energien leisten, so eine Studie von Fraunhofer ISI und ISE für den Verkehrsverband Transport & Environment (T&E). Der Schlüssel dazu ist die Vehicle-to-Grid-Technologie (V2G), also das bidirektionale Laden, bei dem Autobatterien nicht nur Strom aufnehmen, sondern auch wieder ins Netz abgeben.
Die Möglichkeit der Zwischenspeicherung von Wind- und Solarenergie ist für den Ausbau der erneuerbaren Energien wichtig, um Phasen des Über- und Unterangebots zu puffern. Doch der teure Aufbau einer Großspeicher-Infrastruktur steht erst am Anfang. Laut Studie stellt bidirektionales Laden eine kostengünstige und schnell umsetzbare Alternative dar.
Die Forscher gehen davon aus, dass auf diese Weise der Zubau von stationären Batteriespeichern in der EU bis 2040 um bis zu 92 Prozent reduziert werden könnte. Das durchschnittliche Einsparpotenzial liege dadurch allein in Deutschland bei 8,4 Milliarden Euro pro Jahr. EU-weit wären es 22 Milliarden Euro.
“Das bidirektionale Laden wird uns kostenlos Batterien auf Rädern zur Verfügung stellen”, sagt Kim Kohlmeyer von T&E. Damit sinke der Druck, Energiespeicher für überschüssigen Wind- und Solarstrom zu bauen. Allerdings brauche es bessere Rahmenbedingungen, so Kohlmeyer.
Als problematisch sieht T&E, dass die Automobilindustrie derzeit unterschiedliche technische Ansätze bei V2G verfolgt. Für die Interoperabilität sei es notwendig, dass in Zukunft möglichst jedes Fahrzeug an jedem Ladepunkt geladen und entladen werden kann. Hier seien Vorgaben der Politik notwendig.
Die Befürchtung von Elektroautobesitzern, dass sich V2G negativ auf die Batterie auswirkt, ist laut Studie unbegründet. Da die Batterie durch die Technik in einem optimalen Ladezustand gehalten wird, könne sich die Lebensdauer sogar verlängern. ch
The Telegraph: Mückenplage durch Klimawandel. Der Klimawandel ist nach Ansicht pakistanischer Behörden für die Verbreitung eines von Mücken übertragenen Virus verantwortlich, das die Krankenhäuser in Karachi, Pakistans größter Stadt, stark belastet. Hohe Temperaturen hätten zusammen mit Niederschlägen günstigere Brutbedingungen für die Aedes-Mücken geschaffen, die Chikungunya-, Dengue- und Zika-Viren übertragen. Zum Artikel
BBC: Protest gegen Rechenzentren. Umweltschützer in Nord-Virginia in den USA protestieren gegen den Bau weiterer Rechenzentren in ihrer Region. Neue Stromleitungen, der steigende Wasserbedarf und Notstromdiesel gingen auf Kosten der Lebensqualität. In Nord-Virginia gibt es die weltweit größte Konzentration von Rechenzentren. Zum Artikel
Washington Post: Klimademonstration im Senegal. Mit Parolen gegen den Kapitalismus gingen im Senegal 50 Klimaaktivistinnen auf die Straße. Sie forderten im Vorfeld der Weltklimakonferenz verschmutzende Länder auf, ihre Treibhausgasemissionen zu reduzieren. Der Senegal und andere Länder der Sahel-Zone leiden stark unter den Folgen des Klimawandels, in diesem Jahr gab es zum Beispiel schwere Überschwemmungen. Gleichzeitig ist der afrikanische Kontinent nur für einen sehr kleinen Teil der Treibhausgase verantwortlich. Zum Artikel
Guardian: Schneeschutz aus Finnland. Damit Wintersport angesichts steigender Temperaturen möglich bleibt, hat Finnland eine Methode entwickelt, Schnee zu konservieren. Matten aus extrudiertem Polystyrol schützen den Schnee vor der Wärme und verhindern sein Schmelzen. Die Technik könnte auch in anderen Wintersportregionen eingesetzt werden. Zum Artikel
Wall Street Journal: Investitionen gegen den Klimawandel. Die Länder des asiatisch-pazifischen Raums müssen nach Berechnungen der Asiatischen Entwicklungsbank jährlich zwischen 102 und 431 Milliarden US-Dollar investieren, um sich an den Klimawandel anzupassen und ihre CO₂-Emissionen zu reduzieren. Ginge der Klimawandel ungebremst weiter, würde das die Region 17 Prozent ihres Wirtschaftswachstums kosten. Zum Artikel
Vor fast genau einem Jahr sollte Gubad Ibadoghlu eine neue Stelle an der TU Dresden antreten. Doch dazu kam es nie. Im Juli 2023 wurde der gebürtige Aserbaidschaner zusammen mit seiner Frau auf offener Straße in Baku verhaftet. Seine Frau wurde noch am selben Tag wieder freigelassen und berichtete anschließend von Misshandlungen und sogar Folter. Ibadoghlu ist bis heute noch nicht frei und wird des Terrorismus beschuldigt. Er soll der Gülen-Bewegung angehören. Echte Beweise gibt es nicht.
Nach 274 Tagen in Haft und weiteren Berichten von Folter wurde er am 22. April dieses Jahres in den Hausarrest überstellt, wo Ibadoghlu bis heute ist. Er kann das Land nicht verlassen, leidet jedoch an erheblichen gesundheitlichen Problemen. Aufgrund von Typ-2-Diabetes, erhöhtem Blutdruck und einer geweiteten Aorta ordnete der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte eine adäquate medizinische Behandlung an, die ihm jedoch laut seiner Familie verwehrt bleibt. “Sein Zustand verschlechtert sich stetig, aber das Regime in Aserbaidschan ignoriert das”, sagt Zahla Bayramova, die Tochter des inhaftierten Regime-Kritikers. Ohne medizinische Behandlung droht ein Schlaganfall oder lebensbedrohliche Herzkrankheiten.
In den Fokus der aserbaidschanischen Regierung geriet der 53-Jährige zunächst durch seine Arbeit am Economic Research Center, einem in Baku ansässigen Thinktank, der sich für eine transparente Staatsführung und Good Governance einsetzt. Später forschte er unter anderem in Warschau, Chapel Hill, Princeton und zuletzt an der London School of Economics. Der nächste Karriereschritt wäre die Professur an der TU Dresden gewesen, zu der es nie kam.
Seine Forschung legte Korruption und Misswirtschaft im Staatsapparat Aserbaidschans offen, insbesondere in Bezug auf fossile Energien. Dabei kritisierte er stets die schlechte Menschenrechtslage und die Verwaltung der Öleinnahmen in seinem Geburtsland. Auch der Gas-Deal zwischen der Europäischen Union und Aserbaidschan beschäftigte den Wirtschaftswissenschaftler. Er forderte, dass die EU den Deal nutzt, um Verbesserungen der Menschenrechtslage und der Demokratie in Aserbaidschan zu erreichen.
Dem Regime in Baku gefielen diese Forschungen und die Aufmerksamkeit für Ibadoghlu nicht. Laut Amnesty International ist die “unbegründete Strafverfolgung von Gubad Ibadoghlu” Teil des anhaltenden Vorgehens der aserbaidschanischen Behörden gegen Menschenrechtsaktivisten, Regierungskritiker und unabhängige Medien. Dieses “bekannte Muster” sei auch im Vorfeld der UN-Klimakonferenz in Baku (COP29) zu beobachten, um kritische Stimmen zum Schweigen zu bringen.
Doch die COP ist nun just dort, wo Ibadoghlu gefangen gehalten wird. Das könnte auch Druck auf das aserbaidschanische Regime aufbauen. Diplomaten und Aktivisten aus aller Welt strömen ab kommendem Montag nach Baku. Auch die Bundesaußenministerin Annalena Baerbock weiß um das Schicksal Ibadoghlus und dürfte seine Freilassung in ihren Gesprächen mit den aserbaidschanischen Amtskollegen bei ihrem Aufenthalt in Baku in der zweiten COP-Woche thematisieren.
Abgeordnete des EU-Parlaments werden ebenfalls nach Baku reisen und auf die Freilassung des Fossil-Kritikers pochen. Sie hatten Ibadoghlu kürzlich für den Sacharow-Preis nominiert und sich bereits in Resolutionen mit breiter Mehrheit gegen Repressionen gegen Ibadoghlu ausgesprochen. Als Nominierter für den Sacharow-Preis ist er zudem zur Preisverleihung im Dezember in Straßburg eingeladen, weshalb Parlamentspräsidentin Roberta Metsola die Regierung Aserbaidschans aufrief, den Hausarrest aufzuheben.
Ibadoghlu steht längst als Symbol für den Widerstand gegen Korruption und Unterdrückung in Aserbaidschan. Dinge, die das Regime während der COP lieber nicht allzu breit öffentlich diskutieren will. Die Chancen für seine Freilassung stehen aktuell also nicht schlecht. Sollten die Bemühungen jedoch bis zum Ende der COP erfolglos bleiben und Baku wieder aus dem Lichte der Öffentlichkeit verschwinden, wird es umso schwieriger für Ibadoghlu. Lukas Knigge
einen “Herbst der Entscheidungen” soll es geben, und diese Woche ist dann wohl der vorläufige Höhepunkt: Wenn heute in den USA über einen neuen Präsidenten oder eine neue Präsidentin und über das Parlament entschieden wird, zittert die weltweite Klima-Gemeinde mit. Welche katastrophalen Folgen für Klimaschutz und UN-Verhandlungen ein Sieg von Donald Trump haben kann, haben wir heute zusammengetragen.
Auch eine Nummer kleiner, in Deutschland, wird es spannend: Die Ampel-Koalition knirscht an allen Ecken und Enden. Sollte es eine neue Regierung unter einem CDU-Kanzler Friedrich Merz geben, wie sähe dann deren Klima- und Energiepolitik aus? Wir schreiben heute, was sich die CDU bei dem Thema vorstellt – also welche Ampel-Regeln sie abschaffen, verändern oder behalten würde.
Dann gibt es noch die globalen Entscheidungen: Ab nächster Woche tagt wieder die UN-Klimakonferenz und das Team von Climate.Table ist wieder dabei. Zu dritt sind wir in Baku vor Ort, um mit unseren Kolleginnen und Kollegen in Berlin und rund um die Welt jeden Tag für Sie einen Climate.Table zu zimmern – umfassend, exklusiv, relevant und hintergründig, wie Sie uns kennen.
Wir freuen uns auf die hektischen zwei Wochen und wünschen wie immer interessante Lektüre.
Die Aussicht, dass Donald Trump erneut US-Präsident werden könnte, löst in der US-amerikanischen und globalen Klimaszene große Besorgnis aus. Anders als im Fall eines Wahlsiegs von Kamala Harris wären die Folgen wohl schwerwiegend: In einer Zeit der eskalierenden Klimakrise und hoher geopolitischer Spannungen würde ein erneuter Rückzug der USA aus dem internationalen Prozess die Klimadiplomatie schwer treffen. Zwar sind viele Beobachter optimistisch, dass die Energiewende in den USA auch unter Trump weitergehen würde, aber international könnte ein Sieg von Trump die Zukunft des gesamten COP-Prozesses gefährden und bereits die COP29 vor große zusätzliche Probleme stellen.
Eine der wenigen konsequenten Haltungen von Donald Trump ist seine Meinung zum Klimawandel: Er hält ihn für einen Schwindel und nimmt ihn nicht ernst. Für ihn bedeutet Energiepolitik die globale “Energie-Dominanz” der USA und massiver Ausbau von Öl und Gas, auch zum Export. Aus seiner ersten Amtszeit und dem radikalen “Project 2025” des Thinktanks Heartland Institute lässt sich folgern, dass er viele Klima-Entscheidungen der US-Administration bremsen oder rückgängig machen würde. Expertinnen und Experten lassen sich vor der Wahl in den USA nicht namentlich mit ihren Ansichten zitieren, aber im Einzelnen würde Trump wohl:
Andererseits weisen Beobachter und Experten in den USA darauf hin, dass ein großer Teil der US-Klimapolitik auch ohne und gegen die Bundesregierung weiterginge. Vor allem das Investitionsprogramm rund um den “Inflation Reduction Act” (IRA) ist als Gesetz und durch seine Konstruktion von Steuererleichterungen vor dem direkten Zugriff der Bundesregierung grundsätzlich geschützt. Das Paket von etwa 370 Milliarden Dollar “tax credits” sorgt vor allem auch in “roten” US-Staaten mit republikanischen Regierungen für Jobs und Investitionen. Auch republikanische Abgeordnete des Repräsentantenhauses haben deshalb gefordert, das IRA nicht anzutasten. Dazu kommt:
Trumps zweite Amtszeit könnte also bedeuten: Die Bundesregierung friert weite Teile ihrer Klimapolitik ein oder reduziert sie, sie wettert lautstark gegen Umwelt- und Klimaschutz und fördert vor allem die fossilen Energien. Unter einer wissenschaftsfeindlichen Stimmung in der US-Bundesregierung könnte vor allem die Forschung im Klimabereich leiden, wie Wissenschaftler in Umfragen fürchten. In der Politik der Bundesstaaten, beim Ausbau der Erneuerbaren und bei den massiven Investitionen in Greentech würde sich wohl allerdings wenig ändern.
Schweren Schaden würde eine zweite Amtszeit von Donald Trump allerdings wahrscheinlich in der internationalen Klimapolitik anrichten, fürchten viele Beobachter. Die UNO blickt besorgt auf die Entwicklung, denn die Auswirkungen wären wohl auch deutlich ernsthafter als bei Trumps erster Runde im Weißen Haus von 2017 bis 2021:
Bereits die COP29 könnte ein Wahlsieg von Trump maßgeblich beeinflussen: Denn die Verhandlungen kreisen vor allem um das neue Finanzziel NCQG. Schon bisher wird der Anteil der USA an der globalen Klimafinanzierung von etwa elf Milliarden US-Dollar von vielen Seiten als viel zu gering kritisiert, weil er weder der historischen Verantwortung noch den ökonomischen Möglichkeiten der weltweit größten Volkswirtschaft entspreche. Ein “fairer Beitrag” liege demnach eher bei 40 Milliarden Dollar. Eine Trump-Administration würde wohl weite Teile der Finanzierung, die bisher über die US-Regierung erfolgt, stoppen oder reduzieren. Der US-Kongress wiederum blockiert seit langem solche Zahlungen und Verpflichtungen.
Bei der COP29 in Baku geht es aber gerade darum, mehr öffentliches und privates Geld für dringend nötige Maßnahmen zu CO₂-Reduktion, Anpassung und Techniktransfer und für internationale Gremien zu finden. Wenn die USA sich perspektivisch aus dem gesamten Prozess zurückzögen, fehlte nicht nur das Geld, sondern dann wäre auch die Stimmung gefährdet: Der Vorwurf, dass sich die Industrieländer um die Finanzierung des Klimawandels drücken, würde wohl noch lauter. Und die EU, bereits jetzt größter Klimafinanzierer, könnte diese Lücke wohl nicht füllen – vor allem, weil die öffentlichen Haushalte in Europa auch unter großen Belastungen leiden.
Wenn die COP29 am 11. November mit zwei Tagen “High Level Segment” von Staats- und Regierungschefs offiziell beginnt, könnte also ein Wahlsieg von Trump schon die Stimmung in Baku verderben. Ob es dann im weiteren Verlauf der Konferenz zu einem tragfähigen Kompromiss in der ohnehin sehr schwierigen Frage der Finanzierung käme, ist zweifelhaft.
Wo genau CDU und CSU in der Klimapolitik stehen, war lange unklar. Die Mittelstandsunion etwa vertrat meist andere Konzepte als die Klima-Union, der Klima-Experte und Parteivize Andreas Jung setzte deutlich andere Akzente als der für die Energiepolitik der Fraktion verantwortliche Fraktionsvize Jens Spahn. Doch nun hat sich die Fraktion in einem längeren Prozess auf ein gemeinsames Diskussionspapier geeinigt, das an diesem Dienstag bei einer energiepolitischen Konferenz öffentlich vorgestellt werden soll. Und dieses will die Energie- und Klimapolitik der Ampel-Koalition stärker zurückdrehen, als so manche Äußerung der Vergangenheit nahelegte.
So findet sich im Papier ein klares Bekenntnis zur Atomkraft. Während Parteichef Friedrich Merz noch im Juni beim BDEW-Kongress erklärt hatte, das Thema Kernenergie sei in Deutschland “entschieden”, fordert die Unionsfraktion nun eine Prüfung, ob “eine Wiederaufnahme des Betriebs der zuletzt abgeschalteten Kernkraftwerke unter vertretbarem technischem und finanziellem Aufwand noch möglich ist”. Dass diese positiv ausfällt, ist allerdings wenig wahrscheinlich: Wie das Bundesumweltministerium auf Anfrage von Table.Media mitteilte, hat in allen fünf zuletzt abgeschalteten Druckwasserreaktoren bereits die sogenannte Primärkreiskontamination stattgefunden; dieser Prozess mache “im Regelfall eine Wiederinbetriebnahme praktisch unmöglich”, schreibt das Ministerium auf seiner Webseite.
Beim AKW-Neubau bleibt das Papier dagegen eher vage: Man befürworte “Forschung und Entwicklung von Kernkraftwerken der vierten und fünften Generation sowie von SMR (Small Modular Reactors)” und beteilige sich dazu “an europäischen Partnerschaften und internationalen Initiativen”, heißt es. Ein sehr konkretes – aber nicht unbedingt realistisches – Ziel nennt die Union dagegen bei der Kernfusion: “Der erste an das Netz angeschlossene Fusionsreaktor der Welt soll in Deutschland stehen.”
Eine zentrale Forderung des Papiers ist zudem, die Energiewende preiswerter zu gestalten. “Deswegen müssen für eine Kostenwende jetzt alle zusätzlichen Kosten auf den Prüfstand”, schreiben die Autoren. Konkrete Punkte zur Kostensenkung finden sich aber nur wenige – etwa der Vorschlag, Fernleitungen für Strom in Zukunft in der Regel wieder oberirdisch zu verlegen und den Ausbau der Offshore-Windkraft zu verringern.
Gleichzeitig enthält das Papier aber viele Forderungen, die die Energiewende eher verteuern dürften. So wird die Ampel dafür kritisiert, dass sie “nahezu ausschließlich auf Solar- und Windenergie setzt”, die mit Abstand den billigsten Ökostrom produzieren. Stattdessen fordert die Union eine stärkere Rolle für Biogas, das pro Kilowattstunde ein Vielfaches an Subventionen benötigt. Außerdem soll das Wasserstoff-Kernnetz dichter werden, als von der Bundesnetzagentur derzeit aufgrund der erwarteten Nachfrage geplant, und die garantierte Rendite für die Netzbetreiber soll erhöht werden. Die Teilung des deutschen Stromnetzes in unterschiedliche Preiszonen, die nach Ansicht vieler Experten die Redispatchkosten senken und die Energiewende damit günstiger machen würde, lehnt die Union ab.
Besonders lange gestritten wurde offenbar um den Umgang mit dem Gebäudeenergiegesetz (GEG). In einem Entwurf von Mitte Oktober wurde dieses Thema noch ausgeklammert. Im fertigen Papier findet sich nun die Ankündigung, die Union werde “das Heizungsgesetz der Ampel zurücknehmen”. Ein “Heizungsgesetz” gibt es offiziell nicht; gemeint ist offenbar die jüngste Novelle des GEG, über die auch die Ampel lange gestritten hatte. Eine Pflicht, dass neue Heizungen ab 2026 beziehungsweise 2028 in der Regel nur noch eingebaut werden dürfen, wenn sie zu 65 Prozent erneuerbare Energien nutzen, gäbe es dann nicht mehr. Allerdings hatte Parteichef Merz im Sommer gefordert, dass “viel mehr Wärmepumpen” verbaut werden müssten als derzeit. Um das auch ohne gesetzliche Vorgaben zu erreichen, setzt die Union neben dem steigenden CO₂-Preis auf “verlässliche Förderung”.
Anders als FDP-Chef Christian Lindner, der in seinem Papier gerade angekündigt hat, sämtliche finanzielle Unterstützung für klimafreundliche Technologien stoppen zu wollen, will die Union also – ebenso wie bisher die Regierungskoalition – mit Förderprogrammen den Umstieg auf klimafreundliche Technologien unterstützen. Auch Unternehmen sollen davon weiterhin profitieren können, allerdings “unbürokratisch und marktkonform”.
Auch in anderen Punkten unterscheiden sich die Forderungen der Union weniger von der Politik der Ampel, als die Rhetorik des Papiers nahelegt. So setzt sie ebenso wie das BMWK und anders als die FDP nicht auf eine sofortige Streichung, sondern zunächst auf eine Umgestaltung der EEG-Vergütung. Auch die Senkung von Stromsteuer und Netzentgelten wird von der aktuellen Regierung ebenfalls angestrebt, wobei diese bisher am zusätzlichen Finanzbedarf scheitert. Und an vielen Punkten arbeitet sich die Union an Positionen ab, die die Regierung längst nicht mehr vertritt – etwa ein “Zwang zum Rückbau” des Gasnetzes oder die ausschließliche Nutzung von grünem Wasserstoff.
Und auch das Ziel, in Deutschland bis zum Jahr 2045 Klimaneutralität zu erreichen, stellt die Union – anders als Lindner – nicht infrage. Man wolle “den falschen Weg” der Ampel korrigieren, aber “nicht das Klimaziel”, sagte Unions-Vize Andreas Jung Table.Briefings. “Der Klimaschutz bleibt dringlich, er muss aber unbedingt mit einer starken Wirtschaft und mit sozialer Akzeptanz zusammengebracht werden.”
Zur Erhöhung dieser sozialen Akzeptanz hatten die Mittelstandsunion (MIT) und die Klima-Union kürzlich in ähnlichen Papieren die Einführung eines Klimagelds gefordert. Dazu scheint es innerparteilich aber noch Diskussionsbedarf zu geben: Im Papier der Fraktion wird zwar ein “Klimabonus” erwähnt; damit ist aber nur die Entlastung von Verbrauchern und Unternehmen durch die Senkung der Strompreise gemeint. Ein Klimageld, also die direkte Auszahlung eines Teils der CO₂-Einnahmen, taucht im Papier dagegen nicht auf. Dazu ist nach Informationen von Table.Briefings in den kommenden Wochen ein gesondertes Papier geplant.
Die am Wochenende abgebrochene UN-Konferenz zur Biodiversität COP16 wirft ihre Schatten auch auf die Klima-COP29 voraus. Einerseits betonte die Konferenz im kolumbianischen Cali den engen Zusammenhang zwischen Klima und Artensterben. Andererseits konnten sich die Delegationen so lange nicht über Details der Finanzierung einigen, bis das Plenum nicht mehr beschlussfähig war und die Sitzung beendet werden musste – keine guten Vorzeichen für die Klimakonferenz in Baku.
Bei der Artenschutzkonferenz wurden einige Punkte im Konsens geklärt. So sollen künftig:
Im vorläufigen Schlussdokument zu Klima und Biodiversität forderte die COP16 eine engere Verzahnung mit den Klimaverhandlungen. Es betont unter anderem die Bedrohung der Artenvielfalt durch die Klimakrise, die Risiken bei einem Unterschied zwischen 1,5 von 2 Grad Erwärmung, und warnt vor Fehlern bei Anpassungsmaßnahmen (“Maladaptation”). Der Beschluss sieht auch vor:
Die Erklärung erwähnt allerdings nicht die COP28-Entscheidungen zum Ende der fossilen Energien, die nach Medienberichten noch in einer Draft-Version stand.
Einen Vorgeschmack auf die harten Debatten in Baku lieferte die COP16 vor allem bei der Finanzfrage. Diese unterschiedlichen Ansprüche, die bei der COP29 mit dem neuen geplanten globalen Finanzziel NCQG im Mittelpunkt stehen werden, verhinderten in Cali einen erfolgreichen Abschluss der Konferenz. So scheiterte die Idee, einen neuen UN-Biodiversitäts-Fonds aufzulegen, am Widerstand von Industriestaaten, auch der EU, und Schuldnerländern wie China, weil der Fonds auch die Verschuldung der Entwicklungsländer thematisieren sollte. bpo
Das Gesundheitssystem müsse weiterentwickelt werden, um nicht nur den körperlichen, sondern auch den psychologischen Auswirkungen des Klimawandels besser gewachsen zu sein. Es brauche einen “nationalen Resilienzplan”, der ausarbeitet, wie die Menschen möglichst “produktiv” mit der Stressbelastung durch den Klimawandel umgehen können. Das fordert der Bericht “Psychologische Perspektiven im Klimawandel: Strategien und Konzepte” vom Bundesverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen. Wichtig sei außerdem, dass die Entwicklung eines umfassenden Klimabewusstseins mit “realitätsnaher Risikowahrnehmung” gefördert werde.
Psychologen und Psychotherapeuten sind demnach zum einen “Change Agents”, die gesellschaftliche Veränderungen durch den Klimawandel sowohl begleiten als auch aktiv vorantreiben sollten. Zum anderen sind sie auch immer häufiger mit psychischen Herausforderungen wie Klimaangst konfrontiert, die durch den Klimawandel hervorgerufen werden. Eine Studie von “The Lancet” fand beispielsweise heraus, dass 45 Prozent der jungen Menschen in ihrem Alltag negativ durch Gedanken und Emotionen zum Klimawandel beeinflusst werden. kul
Mit den in seinem Nationalen Energie- und Klimaplan (NEKP) festgelegten Maßnahmen werde Deutschland seine verpflichtenden EU-Klimaziele bis 2030 “massiv verfehlen”, so die Deutsche Umwelthilfe (DUH). Deshalb reichte die Organisation am vergangenen Freitag vor dem Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg (OVG) erneut eine Klimaklage gegen die Bundesregierung ein.
Der NEKP sei unzureichend und verstoße gegen geltendes EU-Recht, teilte sie zur Begründung mit. Es mangele ihm an “nachvollziehbaren Prognosen und ausreichend bestimmten Maßnahmen, sodass eine Beurteilung der tatsächlichen Wirkung unmöglich” sei. Daneben fehle eine realistische Abschätzung der nötigen Investitionen und ihrer Finanzierung.
Die DUH kritisiert vor allem deutlich zu hohe Emissionen in den Sektoren, die unter die EU-Regeln zur Lastenteilung fallen (Effort Sharing Regulation, ESR). Das sind Verkehr, Gebäude und Landnutzung. Bereits im August hatte die Organisation das OVG Berlin-Brandenburg in einer weiteren Klage aufgefordert, das Gericht möge die Bundesregierung dazu verpflichten, einen Plan mit “zusätzlichen Aktionen” vorzulegen, die ausreichten, um die Emissionen in diesen Sektoren gemäß der EU-Vorgaben zu senken. ae
China will den Verbrauch erneuerbarer Energien ankurbeln und hat dafür neue Richtlinien erlassen. Die Beratungsagentur Trivium China nennt die neuen Ziele “unglaublich ehrgeizig”. Das ist geplant:
In den vergangenen Jahren hat China die Stromerzeugungskapazitäten von erneuerbaren Energien massiv ausgebaut. Damit nun auch die Nachfrage steigen kann, sollen:
“Die Geschwindigkeit, mit der Schlüsselsektoren der Wirtschaft – nämlich Industrie, Verkehr und Heizung – von der Nutzung fossiler Brennstoffe auf Strom umstellen, wird darüber entscheiden, ob China sein derzeitiges Tempo beim Ausbau der erneuerbaren Energien beibehalten kann”, so die Einschätzung der Trivium-China-Experten. nib
Eine Reihe von zivilgesellschaftlichen Organisationen fordern EU-Klimakommissar Wopke Hoekstra auf, keine Lobbyisten für fossile Brennstoffe als Teil der EU-Delegation zu den UN-Klimaverhandlungen in Baku mitzubringen. In einem gemeinsamen Brief kritisieren sie, Hoekstras Team habe bei der COP28 vergangenes Jahr leitende Angestellte von Eni und BP sowie den Cheflobbyisten von Exxonmobil in Brüssel als Teil der EU-Delegation mit nach Dubai gebracht.
Auch einige Mitgliedstaaten haben demnach Vertreter der Fossil-Industrie auf ihrem Ticket zur COP nach Dubai gebracht. Beispielsweise brachte die französische Delegation sechs Lobbyisten von Total Energies mit, darunter CEO Patrick Pouyanné.
Die EU-Kommission erklärte bereits während der COP in Dubai auf Nachfrage von Table.Briefings, die EU-Delegation habe aus Kommissaren, Verhandlern und Mitarbeitenden bestanden, Lobbyisten seien kein Teil der Delegation gewesen. Dass Fossil-Lobbyisten auf der Anmeldungsliste der COP28 mit EU-Akkreditierung aufgelistet werden, liege daran, dass sie als Rednerinnen bei Side Events eingeladen waren und einen Zugangsausweis zum Veranstaltungsort benötigten. Sie hätten aber “keinen Zugang zu den Delegationsräumen der EU-Kommission gehabt”, so die eine Kommissionssprecherin.
Der Brief wurde von über 100 NGOs unterschrieben. Sie fordern, dass Öl- und Gasunternehmen kein privilegierter Zugang zu den Klimaverhandlungen gewährt wird. “Es ist genauso wenig sinnvoll, Exxonmobil und BP zu fragen, wie man von fossilen Brennstoffen wegkommt, wie man Philip Morris fragen kann, wie man mit dem Rauchen aufhört.” luk
Wird der Ausstoß von Lachgas nicht eingedämmt, kann das 1,5-Grad-Limit des Pariser Klimaabkommens nicht erreicht werden. Dies geht aus der ersten umfassenden globalen Bewertung des Schadstoffs hervor, die am Donnerstag veröffentlicht wurde. Erstellt wurde das Global Nitrous Oxide Assessment von der Climate and Clean Air Coalition, einem Zusammenschluss von über 180 Regierungen, NGOs und internationalen Organisationen.
Lachgas (N₂O) ist das am dritthäufigsten vorkommende Treibhausgas und vielfach klimaschädlicher als CO₂. Zudem schädigt Lachgas die Ozonschicht. N₂O-Emissionen entstehen vor allem durch den Einsatz von Kunstdünger und Gülle in der Landwirtschaft. Sie sind laut Bericht seit 1980 weltweit um 40 Prozent gestiegen und würden ohne Gegenmaßnahmen bis 2050 voraussichtlich um 30 Prozent über das Niveau von 2020 ansteigen.
Die Einsparung von Lachgas ist allerdings herausfordernd. Geschicktere Düngung oder digitale Innovationen können laut dem Agrarwissenschaftler Bernhard Osterburg vom Thünen Institut die Emissionen verringern. Deutschland habe hier bereits Fortschritte erzielt. Osterburg sieht auch die Überdüngung zur Absicherung von Erträgen kritisch. Die EU-Kommission will daher im Rahmen ihrer Farm-to-Fork-Strategie den Einsatz von Düngemitteln bis 2030 um 20 Prozent und Nährstoffverluste um 50 Prozent verringern.
Globale Maßnahmen zur Verringerung der N₂O-Emissionen könnten bis zum Jahr 2100 das Äquivalent von bis zu 235 Milliarden Tonnen an CO₂-Emissionen vermeiden, heißt es weiter im Bericht. Die Einsparungen überstiegen somit das vom MCC-Institut berechnete Kohlenstoffbudget für das 1,5-Grad-Limit. Umgekehrt hieße das: Ohne Einsparungen scheitert das 1,5-Grad-Limit alleine schon an den Lachgasemissionen. rtr/lb
Der Ausstoß von Treibhausgasen in der EU ist vorläufigen Zahlen zufolge im vergangenen Jahr kräftig gesunken. Laut einem Bericht der Europäischen Umweltagentur (EEA) gingen die Netto-Treibhausgasemissionen in der EU 2023 im Vergleich zum Vorjahr um acht Prozent zurück. Das sei der größte jährliche Rückgang seit Jahrzehnten – mit Ausnahme des Corona-Jahres 2020.
Die Wirtschaftszweige Energie und Industrie, die dem europäischen Emissionshandelssystem ETS unterliegen, hätten maßgeblich zu dem guten Ergebnis beigetragen. Die Reduzierung der Emissionen ist laut EEA zur Hälfte auf die Entwicklung des Energiesektors zurückführen. Dazu beigetragen habe
Auch im Industriebereich führten Effizienz- und Prozessverbesserungen zu einem Rückgang um sechs Prozent in 2023.
Andere Sektoren hätten hingegen Nachholbedarf bei der Emissionsreduktion.
Landwirtschaft und Transport sind durch die Lastenverteilungsverordnung ESR mit nationalen Minderungszielen belegt. Unter den großen ESR-geregelten Sektoren sei einzig im Baubereich ein signifikanter Rückgang um sechs Prozent zu verzeichnen, der allerdings eher durch moderate Wetterbedingungen mit weniger Heiz- und Kühlungsbedarf als durch die Installation von Wärmepumpen erreicht worden sei.
Die EU hat sich das Ziel gesetzt, bis 2050 weitgehend klimaneutral zu sein. Bis 2030 sollen die Emissionen verglichen mit denen des Jahres 1990 um 55 Prozent zurückgehen. Basierend auf bisherigen und geplanten Klimaschutzmaßnahmen erreicht die EU den Prognosen zufolge allerdings nur 43 bis 49 Prozent weniger Emissionen. av/mit dpa
Natürlich im Boden gebundene giftige Metalle könnten einer aktuellen Studie zufolge durch den Klimawandel mobilisiert werden und verstärkt in die Nahrungskette gelangen. Das sei vor allem bei leicht sauren Böden – sie machen ein Drittel der Böden aus – zu erwarten, geht aus der Studie der Universität Tübingen und des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ) hervor. Das Forscherteam untersuchte dafür landwirtschaftlich genutzte Flächen auf das krebserregende Cadmium. Cadmium kommt weltweit natürlicherweise in Böden vor, allerdings in gebundener und damit normalerweise nicht gefährlicher Form.
Die Forscher ließen nun Böden eine reguläre Wachstumsperiode in Deutschland durchlaufen – unter angenommenen Klimabedingungen des Jahres 2100, mit einem prognostizierten Temperaturanstieg von zwei bis vier Grad. Sie stellten fest, dass das Cadmium verstärkt mobilisiert wurde. Seine Mobilität nahm in leicht sauren Böden gegenüber heutigen Bedingungen um etwa 40 Prozent zu. Das führte den Angaben zufolge zu höheren Cadmium-Konzentrationen, etwa im Porenwasser des Bodens. Auch bestimmte Mikroorganismen würden dadurch beeinflusst.
Ökosysteme könnten künftig massiv durch erhöhte Mengen an mobilem Cadmium gestört werden, sagte Studienleiterin Marie Muehe von der Pflanzen-Biogeochemie der Uni Tübingen und dem UFZ. Die Folge: Cadmium könne in Nutzpflanzen gelangen und damit wiederum gesundheitsschädlich für den Menschen sein. Diese Entwicklungen müssten weiter beobachtet werden. dpa
Elektrofahrzeuge können einen wichtigen Beitrag zur stabilen Versorgung der Stromnetze mit erneuerbaren Energien leisten, so eine Studie von Fraunhofer ISI und ISE für den Verkehrsverband Transport & Environment (T&E). Der Schlüssel dazu ist die Vehicle-to-Grid-Technologie (V2G), also das bidirektionale Laden, bei dem Autobatterien nicht nur Strom aufnehmen, sondern auch wieder ins Netz abgeben.
Die Möglichkeit der Zwischenspeicherung von Wind- und Solarenergie ist für den Ausbau der erneuerbaren Energien wichtig, um Phasen des Über- und Unterangebots zu puffern. Doch der teure Aufbau einer Großspeicher-Infrastruktur steht erst am Anfang. Laut Studie stellt bidirektionales Laden eine kostengünstige und schnell umsetzbare Alternative dar.
Die Forscher gehen davon aus, dass auf diese Weise der Zubau von stationären Batteriespeichern in der EU bis 2040 um bis zu 92 Prozent reduziert werden könnte. Das durchschnittliche Einsparpotenzial liege dadurch allein in Deutschland bei 8,4 Milliarden Euro pro Jahr. EU-weit wären es 22 Milliarden Euro.
“Das bidirektionale Laden wird uns kostenlos Batterien auf Rädern zur Verfügung stellen”, sagt Kim Kohlmeyer von T&E. Damit sinke der Druck, Energiespeicher für überschüssigen Wind- und Solarstrom zu bauen. Allerdings brauche es bessere Rahmenbedingungen, so Kohlmeyer.
Als problematisch sieht T&E, dass die Automobilindustrie derzeit unterschiedliche technische Ansätze bei V2G verfolgt. Für die Interoperabilität sei es notwendig, dass in Zukunft möglichst jedes Fahrzeug an jedem Ladepunkt geladen und entladen werden kann. Hier seien Vorgaben der Politik notwendig.
Die Befürchtung von Elektroautobesitzern, dass sich V2G negativ auf die Batterie auswirkt, ist laut Studie unbegründet. Da die Batterie durch die Technik in einem optimalen Ladezustand gehalten wird, könne sich die Lebensdauer sogar verlängern. ch
The Telegraph: Mückenplage durch Klimawandel. Der Klimawandel ist nach Ansicht pakistanischer Behörden für die Verbreitung eines von Mücken übertragenen Virus verantwortlich, das die Krankenhäuser in Karachi, Pakistans größter Stadt, stark belastet. Hohe Temperaturen hätten zusammen mit Niederschlägen günstigere Brutbedingungen für die Aedes-Mücken geschaffen, die Chikungunya-, Dengue- und Zika-Viren übertragen. Zum Artikel
BBC: Protest gegen Rechenzentren. Umweltschützer in Nord-Virginia in den USA protestieren gegen den Bau weiterer Rechenzentren in ihrer Region. Neue Stromleitungen, der steigende Wasserbedarf und Notstromdiesel gingen auf Kosten der Lebensqualität. In Nord-Virginia gibt es die weltweit größte Konzentration von Rechenzentren. Zum Artikel
Washington Post: Klimademonstration im Senegal. Mit Parolen gegen den Kapitalismus gingen im Senegal 50 Klimaaktivistinnen auf die Straße. Sie forderten im Vorfeld der Weltklimakonferenz verschmutzende Länder auf, ihre Treibhausgasemissionen zu reduzieren. Der Senegal und andere Länder der Sahel-Zone leiden stark unter den Folgen des Klimawandels, in diesem Jahr gab es zum Beispiel schwere Überschwemmungen. Gleichzeitig ist der afrikanische Kontinent nur für einen sehr kleinen Teil der Treibhausgase verantwortlich. Zum Artikel
Guardian: Schneeschutz aus Finnland. Damit Wintersport angesichts steigender Temperaturen möglich bleibt, hat Finnland eine Methode entwickelt, Schnee zu konservieren. Matten aus extrudiertem Polystyrol schützen den Schnee vor der Wärme und verhindern sein Schmelzen. Die Technik könnte auch in anderen Wintersportregionen eingesetzt werden. Zum Artikel
Wall Street Journal: Investitionen gegen den Klimawandel. Die Länder des asiatisch-pazifischen Raums müssen nach Berechnungen der Asiatischen Entwicklungsbank jährlich zwischen 102 und 431 Milliarden US-Dollar investieren, um sich an den Klimawandel anzupassen und ihre CO₂-Emissionen zu reduzieren. Ginge der Klimawandel ungebremst weiter, würde das die Region 17 Prozent ihres Wirtschaftswachstums kosten. Zum Artikel
Vor fast genau einem Jahr sollte Gubad Ibadoghlu eine neue Stelle an der TU Dresden antreten. Doch dazu kam es nie. Im Juli 2023 wurde der gebürtige Aserbaidschaner zusammen mit seiner Frau auf offener Straße in Baku verhaftet. Seine Frau wurde noch am selben Tag wieder freigelassen und berichtete anschließend von Misshandlungen und sogar Folter. Ibadoghlu ist bis heute noch nicht frei und wird des Terrorismus beschuldigt. Er soll der Gülen-Bewegung angehören. Echte Beweise gibt es nicht.
Nach 274 Tagen in Haft und weiteren Berichten von Folter wurde er am 22. April dieses Jahres in den Hausarrest überstellt, wo Ibadoghlu bis heute ist. Er kann das Land nicht verlassen, leidet jedoch an erheblichen gesundheitlichen Problemen. Aufgrund von Typ-2-Diabetes, erhöhtem Blutdruck und einer geweiteten Aorta ordnete der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte eine adäquate medizinische Behandlung an, die ihm jedoch laut seiner Familie verwehrt bleibt. “Sein Zustand verschlechtert sich stetig, aber das Regime in Aserbaidschan ignoriert das”, sagt Zahla Bayramova, die Tochter des inhaftierten Regime-Kritikers. Ohne medizinische Behandlung droht ein Schlaganfall oder lebensbedrohliche Herzkrankheiten.
In den Fokus der aserbaidschanischen Regierung geriet der 53-Jährige zunächst durch seine Arbeit am Economic Research Center, einem in Baku ansässigen Thinktank, der sich für eine transparente Staatsführung und Good Governance einsetzt. Später forschte er unter anderem in Warschau, Chapel Hill, Princeton und zuletzt an der London School of Economics. Der nächste Karriereschritt wäre die Professur an der TU Dresden gewesen, zu der es nie kam.
Seine Forschung legte Korruption und Misswirtschaft im Staatsapparat Aserbaidschans offen, insbesondere in Bezug auf fossile Energien. Dabei kritisierte er stets die schlechte Menschenrechtslage und die Verwaltung der Öleinnahmen in seinem Geburtsland. Auch der Gas-Deal zwischen der Europäischen Union und Aserbaidschan beschäftigte den Wirtschaftswissenschaftler. Er forderte, dass die EU den Deal nutzt, um Verbesserungen der Menschenrechtslage und der Demokratie in Aserbaidschan zu erreichen.
Dem Regime in Baku gefielen diese Forschungen und die Aufmerksamkeit für Ibadoghlu nicht. Laut Amnesty International ist die “unbegründete Strafverfolgung von Gubad Ibadoghlu” Teil des anhaltenden Vorgehens der aserbaidschanischen Behörden gegen Menschenrechtsaktivisten, Regierungskritiker und unabhängige Medien. Dieses “bekannte Muster” sei auch im Vorfeld der UN-Klimakonferenz in Baku (COP29) zu beobachten, um kritische Stimmen zum Schweigen zu bringen.
Doch die COP ist nun just dort, wo Ibadoghlu gefangen gehalten wird. Das könnte auch Druck auf das aserbaidschanische Regime aufbauen. Diplomaten und Aktivisten aus aller Welt strömen ab kommendem Montag nach Baku. Auch die Bundesaußenministerin Annalena Baerbock weiß um das Schicksal Ibadoghlus und dürfte seine Freilassung in ihren Gesprächen mit den aserbaidschanischen Amtskollegen bei ihrem Aufenthalt in Baku in der zweiten COP-Woche thematisieren.
Abgeordnete des EU-Parlaments werden ebenfalls nach Baku reisen und auf die Freilassung des Fossil-Kritikers pochen. Sie hatten Ibadoghlu kürzlich für den Sacharow-Preis nominiert und sich bereits in Resolutionen mit breiter Mehrheit gegen Repressionen gegen Ibadoghlu ausgesprochen. Als Nominierter für den Sacharow-Preis ist er zudem zur Preisverleihung im Dezember in Straßburg eingeladen, weshalb Parlamentspräsidentin Roberta Metsola die Regierung Aserbaidschans aufrief, den Hausarrest aufzuheben.
Ibadoghlu steht längst als Symbol für den Widerstand gegen Korruption und Unterdrückung in Aserbaidschan. Dinge, die das Regime während der COP lieber nicht allzu breit öffentlich diskutieren will. Die Chancen für seine Freilassung stehen aktuell also nicht schlecht. Sollten die Bemühungen jedoch bis zum Ende der COP erfolglos bleiben und Baku wieder aus dem Lichte der Öffentlichkeit verschwinden, wird es umso schwieriger für Ibadoghlu. Lukas Knigge