Table.Briefing: Climate

Trotz Fluten: Wenig Interesse an Klima + Rechnungshof kritisiert natürlichen Klimaschutz + COP29: Einreiseverbot für europäische Abgeordnete

Liebe Leserin, lieber Leser,

passender könnte der Termin nicht liegen: Bis Freitag noch feiert das Bundesumweltministerium die “Woche der Klimaanpassung”, in der sich alles darum dreht, wie wir mit der Klimakrise umgehen. Gleichzeitig versinken die östlichen Nachbarländer in Extremregen und in Flutwellen, die bislang mindestens 16 Menschen getötet und weite Landstriche verwüstet haben. Und dazu hat Steffi Lemkes Ministerium auch noch mit einem harschen Urteil des Bundesrechnungshofs zu kämpfen: Der kritisiert eines der zentralen Klimaschutzprojekte der Ampelregierung: das “Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz”. Auf die beiden Themen schauen wir heute im Detail.

Wir wollen in Zukunft aber auch öfter darauf schauen, wo Dinge nicht im Argen liegen, sondern welche konstruktiven Ansätze es für die Klimakrise gibt. Dafür starten wir heute mit einer losen Serie zu Klimalösungen. Zum Auftakt erklärt Nick Nuttall, welches Potenzial schwimmende Windkraftanlagen haben.

Wir haben außerdem Updates von der Affäre um das Betrugssystem mit Klimaprojekten in China und erklären, warum sächsische Unternehmen mehr Tempo in der Energiewende fordern. Mit Blick auf die COP29 stehen die Vorzeichen aktuell nicht gut – gegen Dutzende europäische Abgeordnete wurde ein Einreiseverbot verhängt. Auch da bleiben wir für Sie dran.

Ihre
Lisa Kuner
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Analyse

Flutkatastrophe: Wie Anpassung scheitert, wenn die Politik wegschaut

Jahrhunderthochwasser in Teilen von Niederösterreich.

Die Extremniederschläge und Überschwemmungen in Österreich, Tschechien und Rumänien hinterlassen auch in der Klimapolitik deutliche Spuren. Die aktuelle Katastrophe zeigt, wie schnell auch hoch entwickelte Länder von den Folgen der Krise überfordert sind. Sie macht deutlich, wie begrenzt bisher die Erfolge der Anpassung an die Klimaveränderungen sind. Und sie rückt die Krise wieder ins öffentliche Bewusstsein – auch wenn die Umsetzung der Klimapolitik derzeit in der europäischen Politik und Wirtschaft stockt und bei Wahlen bisher praktisch kein Thema war.

Bei den extremen Niederschlägen sind in Österreich, Tschechien, Polen und Rumänien viele Flüsse schnell über die Ufer getreten. Mindestens 16 Menschen wurden getötet, weite Flächen überflutet und großer Sachschaden angerichtet. Ursache für die weiter andauernden Niederschläge ist das Tiefdruckgebiet “Boris”, das aus dem extrem warmen Mittelmeer viel Feuchtigkeit nach Osteuropa brachte und von stabilen Hochs dort gehalten wurde. Nach einer Kurzanalyse der Plattform ClimaMeter hat der Klimawandel eine wichtige Rolle bei dieser Entwicklung gespielt. Extremregenfälle sind demnach inzwischen bis zu 20 Prozent intensiver als in früheren Jahren.

Niederösterreich ist Katastrophengebiet

In Österreich starben zumindest drei Menschen im Hochwasser, ein Feuerwehrmann kam zudem beim Einsatz ums Leben. Nur die Hälfte der Schüler schaffte es in Wien am Montag in den Unterricht. U-Bahnen und Fernverkehrszüge standen still. Ganz Niederösterreich wurde zum Katastrophengebiet erklärt, rund zehn Dämme sind dort gebrochen.

In der Landeshauptstadt St. Pölten regnete es beispielsweise innerhalb von 96 Stunden mehr als 350 Millimeter pro Quadratmeter – doppelt so viel wie bei der Flutkatastrophe im Ahrtal. Für einige Orte ist es das bereits das dritte sogenannte “hundertjährige Hochwasser”, nach 2013 und 2002. Derartige Wetterlagen treten aufgrund der Klimaerwärmung bereits um 13 Prozent häufiger auf und es regnet um 20 Prozent mehr, teilte die Geosphere Austria kurz vor der Katastrophe mit.

Die Gefahr steigt mit dem Klimawandel. Das zu ignorieren, scheint in Österreich bislang die beste Wahlkampftaktik für die Nationalratswahlen am 29. September zu sein. In Umfragen führt die rechtspopulistische FPÖ, “die prinzipiell alles, was mit dem Klima zu tun hat, als Hysterie darstellt”, erklärt Katharina Rogenhofer, Vorständin des Kontext Institut für Klimafragen, im Gespräch mit Table.Briefings. Die FPÖ sei gegen den Green Deal, gegen CO₂-Steuern und gegen das EU-Renaturierungsgesetz.

Auch die konservative ÖVP, die mit 24 Prozent knapp hinter der FPÖ liegt, positioniere sich in ihrem Wahlprogramm gegen Renaturierung und verbindliche Bodenschutzziele. Es sei überhaupt der “erste Wahlkampf seit langem”, bei dem das Klimathema keine große Rolle spiele, sagt Rogenhofer. Nun werde dieses zwar “auf jeden Fall zum Thema”. Vor allem Politiker der Grünen und der sozialdemokratischen SPÖ würden auf den Zusammenhang mit dem Klimawandel verweisen. Es sei aber noch völlig offen, “welcher Partei dieses Extremwetter hilft und in welche Richtung es verwendet wird”.

Wenig Interesse am Klima in ostdeutschen Bundesländern

Auch Sachsen und Brandenburg blicken mit Sorge auf die Hochwasserwelle, die aus dem Südosten auf sie zurollt. Doch bei den Landtagswahlen in den Ländern und in Thüringen spielte und spielt die zentrale Ursache der Flutkatastrophe, der Klimawandel, kaum eine Rolle. Bei der anstehenden Wahl in Brandenburg am kommenden Sonntag rangierte laut infratest/dimap das Thema Umwelt/Klima nur für sieben Prozent der Befragten ganz vorn, 40 Prozent sehen Zuwanderung als größtes Problem, gefolgt von Bildung und Verkehr.

In Sachsen und Thüringen wurden Bündnis90/Die Grünen, die praktisch als einzige Partei auf die Umsetzung von Klimaschutz drängen, aus den Regierungen und sogar aus dem Landtag herausgewählt. In Brandenburg muss die Partei um den Einzug in den Landtag bangen. In allen drei Ländern waren die Grünen in der letzten Legislaturperiode als Teil der Landesregierungen für Klimapolitik zuständig und haben dort Pläne, Gesetze und Maßnahmen zu Klimaschutz und Ausbau der Erneuerbaren auf den Weg gebracht.

Vorbereitung auf Fluten hat Grenzen

Die Starkregenereignisse in Polen, Tschechien, Rumänien und Österreich waren von Meteorologen seit Tagen vorhergesagt worden. Die Behörden waren gewarnt. Aber “auf bestimmte Wetterlagen wie diese kann man sich nicht vorbereiten, da kann man nur noch evakuieren”, sagt der ZDF-Meteorologe und Klimaexperte Özden Terli zu Table.Briefings. Auch in weiten Teilen der Politik seien “die Fakten der Physik nicht verstanden und nicht akzeptiert: Dass der Zug zur Klimakrise längst rollt und wir uns darauf einstellen müssen”.

Angesichts dieses “Kontrollverlusts” müsse viel intensiver über Klimaschutz und Maßnahmen zur Anpassung öffentlich debattiert werden, fordert Terli. Bei der Katastrophe im Ahrtal vor drei Jahren waren etwa 170 Liter auf den Quadratmeter gefallen, in Österreich war es teilweise doppelt so viel Regenwasser – “um das aufzufangen, reichen die Polderflächen nicht aus”, sagt Terli. “Dann sucht der Fluss sich sein Polder selbst.” Man müsse sich “auf Katastrophen einstellen, darf aber den Kopf nicht in den Sand stecken”, so der Meteorologe. Politik und Gesellschaft müssten mehr tun, um die Ursachen zu bekämpfen und die Schäden abzuwenden.

In Deutschland, wo gerade vom Umweltministerium die “Woche der Klimaanpassung” begangen wird, muss sich die zuständige Umweltministerin Steffi Lemke mit dem Vorwurf des Bundesrechnungshofs auseinandersetzen, für ihr “Aktionsprogramm natürlicher Klimaschutz” (ANK) sei der Bund nicht zuständig und es fehlten Ziele. Lemke wies darauf hin, Starkregen und Hochwasser seien “ein massives Sicherheitsrisiko”, Naturschutz wie mehr Platz für Natur und Flüsse sei auch “praktische Risikovorsorge angesichts der Klimakrise”. Mit dem ANK werde dieser Gedanke umgesetzt. Noch in diesem Jahr solle das neue Hochwasserschutzgesetz im Kabinett verabschiedet werden.

Grenzen der Anpassung werden erreicht

Auch im Umweltbundesamt bereiten die Klimaschäden Sorge: “Wenn die Extremereignisse künftig weiter so zunehmen wie in den letzten Jahren, dann sind die Grenzen der Anpassung irgendwann erreicht”, sagt Experte Achim Daschkeit zu Table.Briefings. Nur langfristige Vorsorge könne gegen solche kurzfristigen Katastrophen wirken. Insgesamt müsse das Tempo der Anpassung zunehmen, etwa beim Stadtumbau oder der Renaturierung von Flüssen. “Wir könnten schneller vorankommen, wenn die Erkenntnisse der Wissenschaft ernster genommen würden”, heißt es. Im Ernstfall müssten auch Gebiete in Überschwemmungszonen aufgegeben werden – ein heikles politisches und juristisches Thema. Derzeit wird dagegen manchmal sogar an Stellen neu gebaut, die von Fluten bedroht sind.  

Während Teile von Polen, Tschechien und Österreich zum Katastrophengebiet erklärt wurden, verlangen die europäischen Autohersteller eine ähnliche Einstufung auch für ihre Branche: Weil sie in der Vergangenheit den CO₂-Ausstoß ihrer Autos zu wenig verringert haben und zu wenige E-Autos verkauft wurden, drohen den Herstellern nach einer EU-Richtlinie ab 2025 Strafzahlungen in Milliardenhöhe. Um das zu verhindern, so der Branchenverband ACEA, solle die EU-Kommission offiziell einen “Notstand” erklären und die erforderlichen Regeln für sie zeitweilig aussetzen.

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  • Klimaanpassung
  • Österreich
  • Renaturierung
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Natürlicher Klimaschutz: Rechnungshof bemängelt Ineffizienz und fehlende Zuständigkeit

Das BMUV hält die Renaturierung von Mooren für essenziell, um die Klimaziele zu erreichen; der Bundesrechnungshof bezweifelt die Effizienz.

Der Bundesrechnungshof (BRH) kritisiert eines der zentralen Projekte der Ampel-Regierung im Umwelt- und Klimabereich, weil der Bund nicht dafür zuständig sei und damit teilweise “haushaltsrechtliche Grundsätze” missachte. Bei Förderrichtlinien für das “Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz”, mit dem in den nächsten Jahren insgesamt 3,5 Milliarden Euro für Natur- und Klimaschutz vorgesehen sind, sei teilweise ein “wirtschaftlicher und effizienter Mitteleinsatz nicht gewährleistet“, heißt es in den “abschließenden Mitteilungen” über die Prüfung zweier Förderrichtlinien. Die internen Dokumente des Rechnungshofs liegen Table.Briefings vor.

Das federführende Umweltministerium BMUV widerspricht den Vorwürfen. Es verweist für seine Zuständigkeit auf ein juristisches Gutachten und den erklärten Willen des Bundestags. Und es betont, der Nutzen der Programme für den Klimaschutz sei durchaus nachweisbar.

Vorwürfe: Keine Kompetenz, keine Ziele, Geldverschwendung

Im Hintergrund der Debatte um die Prüfungen, die seit einem Jahr liefen, wächst die Sorge, dass die BRH-Kritik dazu führen könnte, dass das Programm in den anstehenden finalen Haushaltsverhandlungen weiter gekürzt werden könnte.

Das ANK war 2023 beschlossen worden. Es soll Programme – etwa beim Wald- und Moorschutz – finanzieren, die Biodiversität und Klimaschutz gemeinsam voranbringen. Damit sollen etwa Moore, Wälder und Auen geschützt und gefördert werden, um die CO₂-Aufnahme, Klimaanpassung und Artenvielfalt zu verbessern. Der Bundesrechnungshof hatte 2023 bereits den Entwurf der ANK-Förderrichtlinien einer Prüfung unterzogen. In seiner abschließenden Bewertung der Regelungen zum kommunalen Klimaschutz im ländlichen Raum und in Kommunen allgemein monieren die Rechnungsprüfer aus Bonn vor allem Folgendes:

  • Naturschutz falle in die Kompetenz der Länder, nicht des Bundes.
  • Zur “Wahrung des erheblichen Bundesinteresses” und zur Erreichung der Klimaschutzziele durch die ANK fehlten in den Richtlinien die Zielvorgaben.
  • Ohne konkrete Zielvorgaben und Indikatoren sei in manchen Bereichen ein “wirtschaftlicher und effizienter Mitteleinsatz nicht gewährleistet“.
  • Teilweise gebe es “sachfremde Erwägungen” bei Zuwendungen, es entstehe in einigen Fällen der Eindruck, es gehe um einen “möglichst hohen Mittelabfluss aus dem KTF [Klima- und Transformationsfonds]”.
  • Beim Einsatz der staatlichen Förderbank KfW zur Durchführung von Projekten zweifelt der BRH an “naturschutzfachlich zielführender Koordinierung“.
  • Teilweise missachte das BMUV durch die geplante Mittelvergabe die gesetzlichen Vorgaben des KTF.

Zentrales Projekt für Klima- und Artenschutz

Die Kritik der Kontrollbehörde BRH trifft eines der wichtigsten Projekte der Ampel-Regierung im Bereich Klimaschutz, das mit seinen 3,5 Milliarden einen deutlichen Schwerpunkt auf die Verbindung von Klima- und Naturschutz legt. Es ist das größte Programm in diesem Bereich, das in Deutschland je aufgelegt wurde. Von den ursprünglich 4 Milliarden Euro sind nach einer Sparrunde noch etwa 3,5 Milliarden übriggeblieben. Nach Kritik, dass im vergangenen Jahr kaum Mittel aus dem Programm abflossen, sind nach Informationen des BMUV nun die Richtlinien und Strukturen etabliert, die diese Auszahlung möglich machen. Sie sollen laut BMUV so verteilt werden:

  • 2024 insgesamt 320 Millionen Euro, vor allem für Förderung von Waldflächen und Böden als CO₂-Speicher;
  • 2025 insgesamt 579 Millionen Euro, für Finanzierung der begonnenen Projekte und den Schutz von Moorböden;
  • 2026 bis 2028 “steigende Finanzmittel“, um Moorschutz mit Landwirten zu betreiben, also etwa Entschädigungen für Stilllegungen von Flächen;
  • 400 Millionen Euro für die Förderung von Wald- und Agroforstsystemen, ein Programm des Landwirtschaftsministeriums;
  • 125 Millionen für Waldmanagement, das sich an den Klimawandel anpasst, und
  • 100 Millionen für neue Landmaschinen, die den Boden schonen.

BMUV: Zuständigkeit per “Natur der Sache”

Das Ministerium weist die Vorwürfe des Rechnungshofs zurück. Der Bund sei durch internationale und europäische Verträge zum Klimaschutz verpflichtet und der natürliche Klimaschutz sei dabei zentral, etwa durch Erhalt und Förderung von CO₂-Speichern in Wäldern und Mooren. Mit einem juristischen Gutachten für das BMUV, das Table.Briefings vorliegt, argumentiert das Ministerium, deshalb stehe auch dem Bund kraft “Natur der Sache” die Kompetenz zu, den Naturschutz zu fördern. Das Programm setze auch die Verpflichtungen aus dem deutschen Klimaschutzgesetz um.

Auf die BRH-Frage, wie die Effizienz der eingesetzten Steuermittel für den Klimaschutz gemessen werde, hat das BMUV reagiert und seine Richtlinien überarbeitet. Es sei klar, heißt es, dass man nicht für alle ANK-Maßnahmen wie den Erhalt einer Auenwiese oder neue Hecken “tonnenscharf CO₂-Einsparungen ermitteln kann”. Aber sehr wohl messbar sei anhand von Indikatoren etwa die Verbesserung der ökologischen Qualität eines Biotops. Eine solche Metrik sei durch das Bundesamt für Naturschutz (BfN) auch entwickelt worden, um den effizienten Einsatz der Bundesmittel zu regeln. Auch die Kritik an der Arbeit der staatlichen Förderbank KfW weist das BMUV zurück. Die Bank wickele staatliche Aufträge ab wie andere Projektträger auch und müsse nach diesen Kriterien auch Rechenschaft ablegen.

Argumente für die nächste Sparrunde?

Die Kritik des Rechnungshofs hat keine direkten Rechtsfolgen. Wie bei vielen anderen Prüfungen auch legen die Bonner Beamten ihre Ansichten intern dar, die Politik ist aber nicht an ihre Vorschläge gebunden. Im Fall des ANK-Streits verweist das BMUV auf Rückendeckung aus Regierung und Parlament: Die Regierung hat das ANK beschlossen und bestätigt. Und der Haushaltsausschuss des Bundestags hat mit einem “Maßgabe-Beschluss” das ANK gestützt und das BMUV explizit aufgefordert, das “Förderprogramm ländliche Kommunen” aufzulegen.

Allerdings sorgen sich Umwelt- und Klimaschützer, dass die Kritik des Rechnungshofs politisch genutzt werden könnte, um das ANK finanziell weiter zu beschneiden. Immer noch sucht die Ampel-Koalition mehrere Milliarden Euro, um die Deckungslücke im Bundeshaushalt 2025 zu schließen. Zwar soll das ANK davon nicht betroffen sein – aber im Notfall einer Schieflage im Haushalt könnte der große ANK-Topf im Zweifel Begehrlichkeiten wecken. Und dann, so die Befürchtung, ließen sich Argumente für eine Kürzung womöglich auch in der Kritik des Rechnungshofs finden.  

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Windkraft: Wie Großbritannien schwimmenden Turbinen zum Durchbruch verhelfen könnte

Großbritannien hat erstmals ein größeres Projekte für schwimmende Offshore-Windanlagen genehmigt. Im Bild: Ein Pilotprojekt vor Frankreich.
Großbritannien hat erstmals ein größeres Projekt für schwimmende Offshore-Windanlagen genehmigt. Im Bild: Ein Pilotprojekt vor Frankreich.

Der Traum von der Erzeugung noch größerer und billigerer Mengen grüner Energie durch die Nutzung höherer Windgeschwindigkeiten weiter draußen auf dem Meer hat kürzlich einen großen Schub erhalten. Die britische Regierung hat Anfang September in ihrer jüngsten Auktion für erneuerbare Energien einen 15-Jahres-Vertrag für ein Projekt namens Green Volt angekündigt. Es handelt sich dabei um den weltweit ersten groß angelegten, kommerziellen schwimmenden Windkraftpark. Das neue 2,9-Milliarden-Euro-Projekt, das in einer Tiefe von 100 bis 150 Metern 80 Kilometer vor Nordost-Schottland errichtet werden soll, wird voraussichtlich bis 2029 abgeschlossen sein. Es wird mit bis zu 35 schwimmenden Turbinen eine Leistung von 400 Megawatt (MW) erbringen.

“Das ist definitiv ein wichtiger Meilenstein”, sagte Erik Dugstad vom norwegischen Windkraftunternehmen Vårgrønn, das den Park gemeinsam mit dem in Edinburgh ansässigen Unternehmen Flotation Energy entwickelt. Branchenexperten sind der Ansicht, dass das Projekt Green Volt den Weg für die Kommerzialisierung immer größerer schwimmender Windparks in Großbritannien, in Europa und auf der ganzen Welt ebnen kann.

IRENA: Weltweites Potenzial von 13 Terrawatt

Die Internationale Agentur für Erneuerbare Energien (IRENA) schätzt, dass derzeit weltweit eine Reihe von schwimmenden Windkraftprojekten mit einer Gesamtleistung von 244 Gigawatt (GW) auf ihre Genehmigung warten. Das Potenzial der schwimmenden Windenergie wird konservativ auf 13 Terrawatt (TW) in tiefen Gewässern weltweit geschätzt, so die Agentur.

Die Technologie von Flotation Energy wurde in den letzten Jahren bereits erfolgreich mit einem 50-MW-Projekt vor Kincardine, Schottland, getestet. Im Gegensatz zu herkömmlichen Offshore-Windkraftanlagen, für die Fundamente im Meeresboden versenkt werden müssen, können schwimmende Windkraftanlagen mit Kabeln an der Meeresoberfläche oder unter der Wasserlinie verankert werden. Dies ermöglicht es den Entwicklern, immer tiefere Gebiete, die weiter vor der Küste liegen, mit höheren und vorhersehbaren Windgeschwindigkeiten kosteneffizient zu nutzen.

Green Volt wird in der Nähe eines bestehenden, aber schrumpfenden Öl- und Gasbetriebs errichtet, sodass es an eine bestehende Verbindungsleitung zurück an Land und in das Stromnetz angeschlossen werden kann.
Die Crown Estate, eine unabhängige Regierungsbehörde, die den Meeresboden für die Windenergie in Großbritannien verpachtet, hat Pläne für noch mehr schwimmende Windturbinen angekündigt. Wenn die Crown Estate ihre nächste Ausschreibungsrunde Anfang 2025 abschließt, sollen schwimmende Windturbinen auch in der relativ unerschlossenen Keltischen See vor Südwestengland und Wales entstehen.

Herausforderung Netzanschluss

Schwimmende Windturbinen wurden bisher nur in kleineren Projekten realisiert:

  • Derzeit hat Norwegen drei kleinere Projekte mit insgesamt 94 MW,
  • Großbritannien liegt mit 80 MW aus zwei Projekten an zweiter Stelle,
  • Portugal mit einem 25-MW-Projekt an dritter,
  • China mit 23 MW aus drei Projekten an vierter,
  • Japan mit fünf MW aus zwei Projekten an fünfter
  • und Spanien und Frankreich mit je zwei MW an sechster Stelle.

Jane Cooper, Exekutivdirektorin für Offshore-Windkraft beim Branchenverband RenewableUK, erklärte, dass schwimmende Windparks noch immer vor Herausforderungen stehen. In Europa beispielsweise sehen sich die Entwickler erneuerbarer Energien mit Verzögerungen von bis zu zehn Jahren oder mehr bei der Anbindung an das Stromnetz konfrontiert. “Wie bei jeder neuen Art von technischer Infrastruktur gibt es Herausforderungen, die es zu bewältigen gilt. Wenn wir diese lösen können, könnte die schwimmende Windenergie bis 2050 weit über die Hälfte der Offshore-Windenergieerzeugung im Vereinigten Königreich ausmachen. Ein Teil dieser Energie kann zur Erzeugung von grünem Wasserstoff genutzt werden, was die Flexibilität der Energieversorgung erhöht”, meint Cooper.

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News

Betrug in China: Umweltbundesamt will 45 Projekte stoppen

In Zusammenhang mit mutmaßlichen Betrugsfällen in China will das Umweltbundesamt (UBA) 45 Klimaprojekte stoppen. “Unser Ziel ist es, alle 45 verdächtigen China-Projekte rückabzuwickeln”, erklärte UBA-Präsident Dirk Messner bei einer digitalen Pressekonferenz am Montag. Die Projekte stünden unter einem “sehr starken Betrugsverdacht”. Es handele sich vermutlich um ein “Täuschungsvertragssystem”, bei denen Projekte angemeldet werden, die nicht die angegebenen Voraussetzungen, etwa zur Reduktion von Treibhausgasen, erfüllen würden, hieß es zur Erläuterung.

Die 45 Projekte umfassen demnach Klimazertifikate im Wert von sechs Millionen Tonnen CO₂-Äquivalenten. Das entspräche nach UBA-Angaben einem Marktwert von 1,5 Milliarden Euro. Nur vier dieser sechs Millionen Tonnen könnten aber rückabgewickelt und gerettet werden. Folglich wäre durch den Betrug bislang – bezogen auf die ausgestellten Zertifikate – ein materieller Schaden von ungefähr 500 Millionen Euro entstanden. Das UBA habe mittlerweile 56 Klimaprojekte in China gründlich untersucht und könne diese Zwischenbilanz vorweisen, erklärte Messner weiter. Die Ermittlungen, an denen sowohl die Staatsanwaltschaft Berlin als auch eine internationale Anwaltskanzlei beteiligt sind, würden weitergehen.

Union kritisiert Aufarbeitung

Hintergrund der seit Wochen andauernden Überprüfungen ist ein mutmaßliches Betrugsgeflecht im Zusammenhang mit Klimaprojekten in China. Wie im Juni bekannt geworden war, haben sich deutsche Mineralölkonzerne möglicherweise einen Beitrag auf ihre CO₂-Bilanzen anrechnen lassen, der auf Klimaschutz-Projekte zurückging, die laut UBA auf Basis von Betrug zustande gekommen sein könnten.

An der Aufarbeitung der mutmaßlichen Betrugsfälle im Umweltbundesamt übt unter anderem die Union Kritik. Sie wirft dem UBA und dem Umweltministerium von Steffi Lemke (Grüne) vor, zu spät auf den Betrug reagiert zu haben. Laut UBA gab es im September 2023 erste Hinweise auf Einzelfälle, denen die Behörde nachgegangen sei. Dabei habe erst Aussage gegen Aussage gestanden, die anonymen Hinweisgeber seien nicht von Anfang an vertrauenswürdig gewesen. Konkretere Daten zu verdächtigen Firmen und Einzelpersonen nannte das UBA mit Verweis auf die laufenden Ermittlungen zunächst nicht. dpa

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DUH: Bundesregierung muss ab sofort mehr für Wald- und Moorschutz tun

Die Bundesregierung muss schnell mehr für das Klima tun, vor allem durch einen besseren Schutz von Mooren, Wäldern und anderen Landschaften. Das ergibt sich aus einem Urteil des Oberverwaltungsgerichts (OVG) Berlin-Brandenburg vom Mai, das seit vergangenen Freitag rechtskräftig ist, weil das federführende Bundesumweltministerium (BMUV) keine Revision eingelegt hat. Die Klägerin Deutsche Umwelthilfe (DUH) verlangt nun einen Regierungsentwurf für “konkrete und ausreichende Maßnahmen bis 31. Oktober”. Komme er nicht, werde sie ein Vollstreckungsverfahren einleiten.

Über eine zweite Klage zum Klimaschutz in anderen Sektoren, bei der das Gericht der DUH im Mai ebenfalls recht gegeben hatte, muss dagegen das Bundesverwaltungsgericht entscheiden. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) hatte dagegen Revision eingelegt.

Im jetzt rechtskräftigen Urteil geht es um den Klimaschutz im Sektor Landnutzung. Die Bundesregierung ist gesetzlich verpflichtet, dort bis 2045 insgesamt 40 Millionen Tonnen Kohlenstoffdioxid-Äquivalente einzusparen. Nach Auffassung des OVG tut sie dafür zu wenig. Um das Urteil umzusetzen, will das BMUV eigenen Angaben zufolge einen Nachsteuerungsmechanismus im Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz (ANK) nutzen. Konkret bedeute das eine regelmäßige Bestandsaufnahme, schrieb eine BMUV-Sprecherin auf Anfrage von Table.Briefings. Zeichne sich dann ab, “dass wir die Klimaziele nicht erreichen, entwickeln wir Vorschläge, wie wir das ANK wieder auf Zielkurs bringen. Das haben wir im ANK selbst bewusst so festgelegt.” Bisher stehen für das ANK laut Ministerium bis 2028 insgesamt 3,5 Milliarden Euro zur Verfügung.

Erneute Verfassungsbeschwerde gegen Klimapolitik der Ampel

Daneben haben am Montag die Umweltverbände Greenpeace und Germanwatch gemeinsam mit mehr als 54.000 Menschen eine neue Verfassungsbeschwerde wegen der aus ihrer Sicht unzureichenden Klimapolitik der Bundesregierung eingereicht. Im Kern geht es in der Beschwerde um die umstrittene Reform des Klimaschutzgesetzes. Zudem fordern die Verbände weitere Schritte zur CO₂-Reduktion im Verkehr.

Damit sind vor dem Bundesverfassungsgericht mittlerweile drei Beschwerden gegen das neue Klimaschutzgesetz anhängig. Vergangenen Donnerstag reichten der BUND und der Solarenergie Förderverein Deutschland eine Verfassungsbeschwerde gegen das Gesetz ein. Die DUH hatte ihre Beschwerde bereits im Juli erhoben. Die Verbände argumentieren, der unzureichende Klimaschutz verletze Grundrechte. Sie verweisen auch auf eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2021. Diese besagt im Kern, dass die Politik deutlich mehr tun müsse, um Klimaziele zu erreichen, und dass sie einschneidende Schritte zur Senkung von schädlichen Treibhausgasemissionen nicht zulasten der jungen Generation auf die lange Bank schieben dürfe. dpa/ae

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Agora Energiewende: Grüne Investitionen helfen Wirtschaftswachstum

Die Investitionen, die erforderlich sind, um das vorgeschlagene EU-Klimaziel für 2040 von 90 Prozent CO₂-Reduktion zu erreichen, würden der EU-Wirtschaft zu einem Wachstum von etwa zwei Prozent verhelfen. Das ist das Ergebnis einer Studie des Thinktanks Agora Energiewende. Investitionen in Cleantech, Netto-Null-Infrastruktur und Gebäudesanierung würden die Produktion in der EU stärken, neue Arbeitsplätze schaffen und die wirtschaftliche Konvergenz zwischen West- und Osteuropa fördern, schreibt Agora.

Besonders kleinere EU-Länder könnten demnach profitieren. Während für Deutschland, Frankreich, Italien und Spanien als Ergebnis der Investitionen in die Klimaneutralität nur ein geringeres Wirtschaftswachstum prognostiziert wird, könnte Polens Bruttoinlandsprodukt (BIP) bis 2040 um rund fünf Prozent gegenüber dem Ausgangsniveau steigen.

Halbe Billion Euro im Jahr erforderlich

Das EU-Klimaziel 2040 von 90 Prozent CO₂-Reduktion ist noch nicht beschlossen. Die EU-Kommission hatte im Februar ihre Pläne vorgestellt und arbeitet derzeit an einem entsprechenden Gesetzespaket. Mitgliedstaaten werden voraussichtlich Ende diesen oder Anfang kommenden Jahres gemäß internationalen Verpflichtungen ihre Position festlegen. Ein niedrigeres CO₂-Reduktionsziel ist nicht ausgeschlossen.

Sollte das 90-Prozent-Ziel der Kommission bestätigt werden, geht Agora Energiewende davon aus, dass in den 2020er-Jahren Investitionen von mindestens 462 Milliarden Euro (2,7 Prozent des EU-BIP) erforderlich sein werden. In den 2030er-Jahren steige der Investitionsbedarf auf 3,3 Prozent des BIP oder 564 Milliarden Euro. luk

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COP29: Wie Aserbaidschan mit Einreiseverboten Druck auf den Europarat ausübt

Aserbaidschan, der Gastgeber der im November stattfindenden 29. Weltklimakonferenz (COP29), hat Einreiseverbote gegen 76 Abgeordnete der Parlamentarischen Versammlung des Europarats (Pace) verhängt, auch vier Bundestagsabgeordnete sind darunter: Frank Schwabe und Heike Engelhardt von der SPD, Max Lucks von den Grünen sowie Andrej Hunko vom BSW.

Die Abgeordneten hatten im Januar für eine Resolution gestimmt, die Aserbaidschan Menschenrechtsverletzungen vorwirft, mit der Folge, dass das Mandat der aserbaidschanischen Delegation bei Pace nicht verlängert wurde. “Es bestehen nach wie vor sehr ernste Bedenken hinsichtlich der Fähigkeit Aserbaidschans, freie und faire Wahlen abzuhalten, der Gewaltenteilung, der Schwäche der Legislative gegenüber der Exekutive, der Unabhängigkeit der Justiz und der Achtung der Menschenrechte“, heißt es in der Resolution von Anfang des Jahres.

Auch Aserbaidschans Militäroperation im September 2023, die zur Flucht fast aller der 120.000 armenischen Bewohner Berg-Karabachs nach Armenien führte, und die damit verbundene Blockade des Latschin-Korridors spielte eine Rolle.

Laut Ayhan Hajizade, Pressesprecher des aserbaidschanischen Außenministeriums, solle das Einreiseverbot bestehen bleiben, bis das Mandat wiederhergestellt sei, berichtete die aserbaidschanische Plattform “News“. Schon vor den Einreiseverboten gab es Kritik daran, dass die diesjährige COP in Aserbaidschan stattfindet. Das Gastgeberland gehe mit schlechter Klimapolitik voran, hieß es. Zudem solle Baku im Vorfeld der Konferenz “systematisch Aktivisten und Journalisten wegsperren“. asc

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Report: Warum CCS ein “Irrweg” für die deutsche Wirtschaft ist

Kohlenstoffabscheidung und -speicherung (CCS) helfe der deutschen Wirtschaft nicht auf ihrem Weg zur Klimaneutralität. Zu diesem Schluss kommt ein Report des Forschungsbüros Energycomment, der von Greenpeace in Auftrag gegeben wurde. Alle bisherigen CO₂-Deponien seien von Verzögerungen, unerwarteten Projektabbrüchen und geologischen Unsicherheiten geprägt. “Die CCS-Pläne der Bundesregierung sind ein Luftschloss: unerprobt, störanfällig, teuer – und damit unrealistisch”, sagt Anike Peters, Energieexpertin von Greenpeace.

Um nur zehn Prozent der derzeitigen fossilen Emissionen unterirdisch zu deponieren, bräuchte es 3.300-mal die Kapazität des bislang größten europäischen CCS-Projekts Sleipner (Norwegen), so der Report. Außerdem blieben die Kosten für CCS auch langfristig hoch. Der Report sieht zudem zahlreiche Umweltrisiken: Dazu gehören der Einsatz von gefährlichen Chemikalien, mögliche Lecks in CO₂-Pipelines, Schäden im Meer und ein Rückgang von Biodiversität. Zudem könnte die CO₂-Speicherung das Risiko für Erdbeben erhöhen.

CCS könnte “fossilen Pfad” verlängern

Aktuell befindet sich die Carbon-Management-Strategie der Bundesregierung in der Ressortabstimmung, darin sind unter anderem industrielle Großanlagen zur Abscheidung von CO₂ vorgesehen. Aus der Sicht von Greenpeace könnte der Fokus auf CCS dafür sorgen, dass nicht genügend Anstrengung in die Reduktion von Emissionen gesteckt wird. Der Einsatz von CCS werde den “fossilen Pfad bis weit in die Zukunft verlängern”.

Auch andere Analysen kommen immer wieder zu dem Ergebnis, dass CCS teuer und unausgereift ist und dass der Ausbau nur langsam vorangeht. Die meisten Experten halten CCS- und CCUS-Technologien trotzdem für einen wichtigen Baustein auf dem Weg zur Klimaneutralität, allerdings könnten die Technologien rasche Emissionsreduzierungen nicht ersetzen. kul

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Energiewende: Sächsische Unternehmen machen Druck auf Landesregierung

Über 60 sächsische Unternehmen, Stadtwerke und Industrie- und Handelskammern (IHK) fordern die künftige Regierung in Dresden auf, mehr Tempo bei der Energiewende zu entwickeln. In einem Appell, der Table.Briefings vorliegt, fordern sie “ein ausreichendes Marktangebot zu international wettbewerbsfähigen Preisen von Strom aus erneuerbaren Energien wie Wind, Photovoltaik und Biomasse sowie die entsprechende Infrastruktur”. Im Ländervergleich liege Sachsen beim Ausbau der Erneuerbaren auf den hinteren Plätzen und sei im Begriff, seine Vorteile als attraktiver Wirtschafts- und Industriestandort zu verlieren.

Zu den Unterzeichnern des Appells gehören unter anderem Wacker Chemie, Siemens, Arevipharma, die Stadtwerke Zittau, aber auch die IHKs aus Dresden und Chemnitz. Weil die gesellschaftliche Akzeptanz Grundvoraussetzung für den Erfolg der Energiewende sei, fordern die Unterzeichner von der Landesregierung “eine aktive positive Kommunikation zu der Notwendigkeit des Ausbaus sowie gezielte Informationskampagnen und Beratungsangebote”.

Die künftige Landesregierung solle sich “zu einem pragmatischen und schnellen Ausbau der erneuerbaren Energien in Sachsen bekennen”. Es sei “wichtig, dass sie deren Relevanz für die lokale Wertschöpfung und Standortsicherung unterstreicht und die Entwicklungschancen für Sachsen deutlich macht”. Nicht zuletzt die Netzkapazitäten seien ein Problem. Die Staatsregierung solle sich für eine Beschleunigung des Netzausbaus einsetzen. Das bedeute: “Verschlankung, Flexibilisierung und Digitalisierung von Genehmigungsverfahren, insbesondere in Netzengpassregionen.” hk

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Werbung: Warum Den Haag als erste Stadt Reklame für Fossile verbietet

Den Haag hat am vergangenen Donnerstag als weltweit erste Stadt ein Gesetz verabschiedet, das Werbung für Produkte aus fossilen Brennstoffen und klimaschädliche Dienstleistungen verbietet. Sowohl öffentliche als auch private Werbung für Kreuzfahrschiffe, Flugzeuge, Benzin oder Diesel wird damit zum Beginn des kommenden Jahres laut der britischen Zeitung Guardian in Straßen und an Haltestellen verboten.

Das Gesetz folgt einem Aufruf von UN-Generalsekretär António Guterres, der Anfang des Jahres dazu aufforderte, dass Regierungen und Medien solche Werbeverbote erlassen – ähnlich wie sie es bei Tabak getan haben. Auch in anderen Städten gibt es ähnliche Entwicklungen: Der Stadtrat von Edinburgh hatte im Mai beschlossen, Werbung für Unternehmen, die fossile Brennstoffe verwenden, und Waffen auf gemeindeeigenen Werbeflächen zu verbieten. Unternehmen, die diese Produkte verkaufen, können auch keine Veranstaltungen oder andere Partnerschaften in der schottischen Hauptstadt mehr sponsern. kul

  • Fossile Brennstoffe
  • Niederlande
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Must-Reads

Financial Times: Lulas Spagat. Der linke brasilianische Präsident Luiz Inácio Lula da Silva möchte, dass sein Land ein Vorreiter in Sachen Klimaschutz wird. Aber ohne die Ölwirtschaft kann er die Armut in Brasilien nicht bekämpfen. Zum Artikel

The Guardian: Labour setzt auf Umweltpolitik. Die britische Regierung plant erstmals die Ernennung eines Sondergesandten für Natur. Außenminister David Lammy möchte Großbritannien damit in den Mittelpunkt der globalen Bemühungen zur Bewältigung der ökologischen Krisen rücken. Die regierende Labour-Partei wird außerdem einen neuen Klimabeauftragten ernennen, nachdem die Tories diesen Posten vor über einem Jahr abgeschafft hatten. Zum Artikel

Stern: Klimaneutraler Stahl. Auf einer Konferenz in Duisburg soll über den Weg der deutschen Stahlindustrie gesprochen werden. Technisch ist grüner Stahl möglich, aber es hapert an der Umsetzung und auch die Kosten sind nicht absehbar. Zum Artikel

Euronews: Ungarn soll in der Klimapolitik liefern. Die EU-Finanzminister kamen in Budapest zu einem informellen Treffen zusammen, bei dem mehrere dringende Themen im Fokus standen, darunter die Klimapolitik, die alternde Bevölkerung und die grüne Wende. Während der Gespräche betonten die Beamten, dass Ungarn die Konsistenz und Transparenz seiner Klimapolitik verbessern müsse. Der ungarische Finanzminister Mihály Varga erklärte, das Land wolle dieses Ziel auf eine Weise erreichen, die auch zur Wettbewerbsfähigkeit beitrage. Zum Artikel

Markenartikel Magazin: Unternehmen investieren in Klimaschutz. Klimaschutz gehört nach wie vor weltweit zu den wichtigsten Prioritäten von Unternehmen. 75 Prozent von ihnen haben im vergangenen Jahr ihre Investitionen in den Klimaschutz erhöht. Zum Artikel

Climate.Table Redaktion

CLIMATE.TABLE REDAKTION

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    Liebe Leserin, lieber Leser,

    passender könnte der Termin nicht liegen: Bis Freitag noch feiert das Bundesumweltministerium die “Woche der Klimaanpassung”, in der sich alles darum dreht, wie wir mit der Klimakrise umgehen. Gleichzeitig versinken die östlichen Nachbarländer in Extremregen und in Flutwellen, die bislang mindestens 16 Menschen getötet und weite Landstriche verwüstet haben. Und dazu hat Steffi Lemkes Ministerium auch noch mit einem harschen Urteil des Bundesrechnungshofs zu kämpfen: Der kritisiert eines der zentralen Klimaschutzprojekte der Ampelregierung: das “Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz”. Auf die beiden Themen schauen wir heute im Detail.

    Wir wollen in Zukunft aber auch öfter darauf schauen, wo Dinge nicht im Argen liegen, sondern welche konstruktiven Ansätze es für die Klimakrise gibt. Dafür starten wir heute mit einer losen Serie zu Klimalösungen. Zum Auftakt erklärt Nick Nuttall, welches Potenzial schwimmende Windkraftanlagen haben.

    Wir haben außerdem Updates von der Affäre um das Betrugssystem mit Klimaprojekten in China und erklären, warum sächsische Unternehmen mehr Tempo in der Energiewende fordern. Mit Blick auf die COP29 stehen die Vorzeichen aktuell nicht gut – gegen Dutzende europäische Abgeordnete wurde ein Einreiseverbot verhängt. Auch da bleiben wir für Sie dran.

    Ihre
    Lisa Kuner
    Bild von Lisa  Kuner

    Analyse

    Flutkatastrophe: Wie Anpassung scheitert, wenn die Politik wegschaut

    Jahrhunderthochwasser in Teilen von Niederösterreich.

    Die Extremniederschläge und Überschwemmungen in Österreich, Tschechien und Rumänien hinterlassen auch in der Klimapolitik deutliche Spuren. Die aktuelle Katastrophe zeigt, wie schnell auch hoch entwickelte Länder von den Folgen der Krise überfordert sind. Sie macht deutlich, wie begrenzt bisher die Erfolge der Anpassung an die Klimaveränderungen sind. Und sie rückt die Krise wieder ins öffentliche Bewusstsein – auch wenn die Umsetzung der Klimapolitik derzeit in der europäischen Politik und Wirtschaft stockt und bei Wahlen bisher praktisch kein Thema war.

    Bei den extremen Niederschlägen sind in Österreich, Tschechien, Polen und Rumänien viele Flüsse schnell über die Ufer getreten. Mindestens 16 Menschen wurden getötet, weite Flächen überflutet und großer Sachschaden angerichtet. Ursache für die weiter andauernden Niederschläge ist das Tiefdruckgebiet “Boris”, das aus dem extrem warmen Mittelmeer viel Feuchtigkeit nach Osteuropa brachte und von stabilen Hochs dort gehalten wurde. Nach einer Kurzanalyse der Plattform ClimaMeter hat der Klimawandel eine wichtige Rolle bei dieser Entwicklung gespielt. Extremregenfälle sind demnach inzwischen bis zu 20 Prozent intensiver als in früheren Jahren.

    Niederösterreich ist Katastrophengebiet

    In Österreich starben zumindest drei Menschen im Hochwasser, ein Feuerwehrmann kam zudem beim Einsatz ums Leben. Nur die Hälfte der Schüler schaffte es in Wien am Montag in den Unterricht. U-Bahnen und Fernverkehrszüge standen still. Ganz Niederösterreich wurde zum Katastrophengebiet erklärt, rund zehn Dämme sind dort gebrochen.

    In der Landeshauptstadt St. Pölten regnete es beispielsweise innerhalb von 96 Stunden mehr als 350 Millimeter pro Quadratmeter – doppelt so viel wie bei der Flutkatastrophe im Ahrtal. Für einige Orte ist es das bereits das dritte sogenannte “hundertjährige Hochwasser”, nach 2013 und 2002. Derartige Wetterlagen treten aufgrund der Klimaerwärmung bereits um 13 Prozent häufiger auf und es regnet um 20 Prozent mehr, teilte die Geosphere Austria kurz vor der Katastrophe mit.

    Die Gefahr steigt mit dem Klimawandel. Das zu ignorieren, scheint in Österreich bislang die beste Wahlkampftaktik für die Nationalratswahlen am 29. September zu sein. In Umfragen führt die rechtspopulistische FPÖ, “die prinzipiell alles, was mit dem Klima zu tun hat, als Hysterie darstellt”, erklärt Katharina Rogenhofer, Vorständin des Kontext Institut für Klimafragen, im Gespräch mit Table.Briefings. Die FPÖ sei gegen den Green Deal, gegen CO₂-Steuern und gegen das EU-Renaturierungsgesetz.

    Auch die konservative ÖVP, die mit 24 Prozent knapp hinter der FPÖ liegt, positioniere sich in ihrem Wahlprogramm gegen Renaturierung und verbindliche Bodenschutzziele. Es sei überhaupt der “erste Wahlkampf seit langem”, bei dem das Klimathema keine große Rolle spiele, sagt Rogenhofer. Nun werde dieses zwar “auf jeden Fall zum Thema”. Vor allem Politiker der Grünen und der sozialdemokratischen SPÖ würden auf den Zusammenhang mit dem Klimawandel verweisen. Es sei aber noch völlig offen, “welcher Partei dieses Extremwetter hilft und in welche Richtung es verwendet wird”.

    Wenig Interesse am Klima in ostdeutschen Bundesländern

    Auch Sachsen und Brandenburg blicken mit Sorge auf die Hochwasserwelle, die aus dem Südosten auf sie zurollt. Doch bei den Landtagswahlen in den Ländern und in Thüringen spielte und spielt die zentrale Ursache der Flutkatastrophe, der Klimawandel, kaum eine Rolle. Bei der anstehenden Wahl in Brandenburg am kommenden Sonntag rangierte laut infratest/dimap das Thema Umwelt/Klima nur für sieben Prozent der Befragten ganz vorn, 40 Prozent sehen Zuwanderung als größtes Problem, gefolgt von Bildung und Verkehr.

    In Sachsen und Thüringen wurden Bündnis90/Die Grünen, die praktisch als einzige Partei auf die Umsetzung von Klimaschutz drängen, aus den Regierungen und sogar aus dem Landtag herausgewählt. In Brandenburg muss die Partei um den Einzug in den Landtag bangen. In allen drei Ländern waren die Grünen in der letzten Legislaturperiode als Teil der Landesregierungen für Klimapolitik zuständig und haben dort Pläne, Gesetze und Maßnahmen zu Klimaschutz und Ausbau der Erneuerbaren auf den Weg gebracht.

    Vorbereitung auf Fluten hat Grenzen

    Die Starkregenereignisse in Polen, Tschechien, Rumänien und Österreich waren von Meteorologen seit Tagen vorhergesagt worden. Die Behörden waren gewarnt. Aber “auf bestimmte Wetterlagen wie diese kann man sich nicht vorbereiten, da kann man nur noch evakuieren”, sagt der ZDF-Meteorologe und Klimaexperte Özden Terli zu Table.Briefings. Auch in weiten Teilen der Politik seien “die Fakten der Physik nicht verstanden und nicht akzeptiert: Dass der Zug zur Klimakrise längst rollt und wir uns darauf einstellen müssen”.

    Angesichts dieses “Kontrollverlusts” müsse viel intensiver über Klimaschutz und Maßnahmen zur Anpassung öffentlich debattiert werden, fordert Terli. Bei der Katastrophe im Ahrtal vor drei Jahren waren etwa 170 Liter auf den Quadratmeter gefallen, in Österreich war es teilweise doppelt so viel Regenwasser – “um das aufzufangen, reichen die Polderflächen nicht aus”, sagt Terli. “Dann sucht der Fluss sich sein Polder selbst.” Man müsse sich “auf Katastrophen einstellen, darf aber den Kopf nicht in den Sand stecken”, so der Meteorologe. Politik und Gesellschaft müssten mehr tun, um die Ursachen zu bekämpfen und die Schäden abzuwenden.

    In Deutschland, wo gerade vom Umweltministerium die “Woche der Klimaanpassung” begangen wird, muss sich die zuständige Umweltministerin Steffi Lemke mit dem Vorwurf des Bundesrechnungshofs auseinandersetzen, für ihr “Aktionsprogramm natürlicher Klimaschutz” (ANK) sei der Bund nicht zuständig und es fehlten Ziele. Lemke wies darauf hin, Starkregen und Hochwasser seien “ein massives Sicherheitsrisiko”, Naturschutz wie mehr Platz für Natur und Flüsse sei auch “praktische Risikovorsorge angesichts der Klimakrise”. Mit dem ANK werde dieser Gedanke umgesetzt. Noch in diesem Jahr solle das neue Hochwasserschutzgesetz im Kabinett verabschiedet werden.

    Grenzen der Anpassung werden erreicht

    Auch im Umweltbundesamt bereiten die Klimaschäden Sorge: “Wenn die Extremereignisse künftig weiter so zunehmen wie in den letzten Jahren, dann sind die Grenzen der Anpassung irgendwann erreicht”, sagt Experte Achim Daschkeit zu Table.Briefings. Nur langfristige Vorsorge könne gegen solche kurzfristigen Katastrophen wirken. Insgesamt müsse das Tempo der Anpassung zunehmen, etwa beim Stadtumbau oder der Renaturierung von Flüssen. “Wir könnten schneller vorankommen, wenn die Erkenntnisse der Wissenschaft ernster genommen würden”, heißt es. Im Ernstfall müssten auch Gebiete in Überschwemmungszonen aufgegeben werden – ein heikles politisches und juristisches Thema. Derzeit wird dagegen manchmal sogar an Stellen neu gebaut, die von Fluten bedroht sind.  

    Während Teile von Polen, Tschechien und Österreich zum Katastrophengebiet erklärt wurden, verlangen die europäischen Autohersteller eine ähnliche Einstufung auch für ihre Branche: Weil sie in der Vergangenheit den CO₂-Ausstoß ihrer Autos zu wenig verringert haben und zu wenige E-Autos verkauft wurden, drohen den Herstellern nach einer EU-Richtlinie ab 2025 Strafzahlungen in Milliardenhöhe. Um das zu verhindern, so der Branchenverband ACEA, solle die EU-Kommission offiziell einen “Notstand” erklären und die erforderlichen Regeln für sie zeitweilig aussetzen.

    • EU-Renaturierungsgesetz
    • Green Deal
    • Hochwasser
    • Klimaanpassung
    • Österreich
    • Renaturierung
    • Überflutungen
    Translation missing.

    Natürlicher Klimaschutz: Rechnungshof bemängelt Ineffizienz und fehlende Zuständigkeit

    Das BMUV hält die Renaturierung von Mooren für essenziell, um die Klimaziele zu erreichen; der Bundesrechnungshof bezweifelt die Effizienz.

    Der Bundesrechnungshof (BRH) kritisiert eines der zentralen Projekte der Ampel-Regierung im Umwelt- und Klimabereich, weil der Bund nicht dafür zuständig sei und damit teilweise “haushaltsrechtliche Grundsätze” missachte. Bei Förderrichtlinien für das “Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz”, mit dem in den nächsten Jahren insgesamt 3,5 Milliarden Euro für Natur- und Klimaschutz vorgesehen sind, sei teilweise ein “wirtschaftlicher und effizienter Mitteleinsatz nicht gewährleistet“, heißt es in den “abschließenden Mitteilungen” über die Prüfung zweier Förderrichtlinien. Die internen Dokumente des Rechnungshofs liegen Table.Briefings vor.

    Das federführende Umweltministerium BMUV widerspricht den Vorwürfen. Es verweist für seine Zuständigkeit auf ein juristisches Gutachten und den erklärten Willen des Bundestags. Und es betont, der Nutzen der Programme für den Klimaschutz sei durchaus nachweisbar.

    Vorwürfe: Keine Kompetenz, keine Ziele, Geldverschwendung

    Im Hintergrund der Debatte um die Prüfungen, die seit einem Jahr liefen, wächst die Sorge, dass die BRH-Kritik dazu führen könnte, dass das Programm in den anstehenden finalen Haushaltsverhandlungen weiter gekürzt werden könnte.

    Das ANK war 2023 beschlossen worden. Es soll Programme – etwa beim Wald- und Moorschutz – finanzieren, die Biodiversität und Klimaschutz gemeinsam voranbringen. Damit sollen etwa Moore, Wälder und Auen geschützt und gefördert werden, um die CO₂-Aufnahme, Klimaanpassung und Artenvielfalt zu verbessern. Der Bundesrechnungshof hatte 2023 bereits den Entwurf der ANK-Förderrichtlinien einer Prüfung unterzogen. In seiner abschließenden Bewertung der Regelungen zum kommunalen Klimaschutz im ländlichen Raum und in Kommunen allgemein monieren die Rechnungsprüfer aus Bonn vor allem Folgendes:

    • Naturschutz falle in die Kompetenz der Länder, nicht des Bundes.
    • Zur “Wahrung des erheblichen Bundesinteresses” und zur Erreichung der Klimaschutzziele durch die ANK fehlten in den Richtlinien die Zielvorgaben.
    • Ohne konkrete Zielvorgaben und Indikatoren sei in manchen Bereichen ein “wirtschaftlicher und effizienter Mitteleinsatz nicht gewährleistet“.
    • Teilweise gebe es “sachfremde Erwägungen” bei Zuwendungen, es entstehe in einigen Fällen der Eindruck, es gehe um einen “möglichst hohen Mittelabfluss aus dem KTF [Klima- und Transformationsfonds]”.
    • Beim Einsatz der staatlichen Förderbank KfW zur Durchführung von Projekten zweifelt der BRH an “naturschutzfachlich zielführender Koordinierung“.
    • Teilweise missachte das BMUV durch die geplante Mittelvergabe die gesetzlichen Vorgaben des KTF.

    Zentrales Projekt für Klima- und Artenschutz

    Die Kritik der Kontrollbehörde BRH trifft eines der wichtigsten Projekte der Ampel-Regierung im Bereich Klimaschutz, das mit seinen 3,5 Milliarden einen deutlichen Schwerpunkt auf die Verbindung von Klima- und Naturschutz legt. Es ist das größte Programm in diesem Bereich, das in Deutschland je aufgelegt wurde. Von den ursprünglich 4 Milliarden Euro sind nach einer Sparrunde noch etwa 3,5 Milliarden übriggeblieben. Nach Kritik, dass im vergangenen Jahr kaum Mittel aus dem Programm abflossen, sind nach Informationen des BMUV nun die Richtlinien und Strukturen etabliert, die diese Auszahlung möglich machen. Sie sollen laut BMUV so verteilt werden:

    • 2024 insgesamt 320 Millionen Euro, vor allem für Förderung von Waldflächen und Böden als CO₂-Speicher;
    • 2025 insgesamt 579 Millionen Euro, für Finanzierung der begonnenen Projekte und den Schutz von Moorböden;
    • 2026 bis 2028 “steigende Finanzmittel“, um Moorschutz mit Landwirten zu betreiben, also etwa Entschädigungen für Stilllegungen von Flächen;
    • 400 Millionen Euro für die Förderung von Wald- und Agroforstsystemen, ein Programm des Landwirtschaftsministeriums;
    • 125 Millionen für Waldmanagement, das sich an den Klimawandel anpasst, und
    • 100 Millionen für neue Landmaschinen, die den Boden schonen.

    BMUV: Zuständigkeit per “Natur der Sache”

    Das Ministerium weist die Vorwürfe des Rechnungshofs zurück. Der Bund sei durch internationale und europäische Verträge zum Klimaschutz verpflichtet und der natürliche Klimaschutz sei dabei zentral, etwa durch Erhalt und Förderung von CO₂-Speichern in Wäldern und Mooren. Mit einem juristischen Gutachten für das BMUV, das Table.Briefings vorliegt, argumentiert das Ministerium, deshalb stehe auch dem Bund kraft “Natur der Sache” die Kompetenz zu, den Naturschutz zu fördern. Das Programm setze auch die Verpflichtungen aus dem deutschen Klimaschutzgesetz um.

    Auf die BRH-Frage, wie die Effizienz der eingesetzten Steuermittel für den Klimaschutz gemessen werde, hat das BMUV reagiert und seine Richtlinien überarbeitet. Es sei klar, heißt es, dass man nicht für alle ANK-Maßnahmen wie den Erhalt einer Auenwiese oder neue Hecken “tonnenscharf CO₂-Einsparungen ermitteln kann”. Aber sehr wohl messbar sei anhand von Indikatoren etwa die Verbesserung der ökologischen Qualität eines Biotops. Eine solche Metrik sei durch das Bundesamt für Naturschutz (BfN) auch entwickelt worden, um den effizienten Einsatz der Bundesmittel zu regeln. Auch die Kritik an der Arbeit der staatlichen Förderbank KfW weist das BMUV zurück. Die Bank wickele staatliche Aufträge ab wie andere Projektträger auch und müsse nach diesen Kriterien auch Rechenschaft ablegen.

    Argumente für die nächste Sparrunde?

    Die Kritik des Rechnungshofs hat keine direkten Rechtsfolgen. Wie bei vielen anderen Prüfungen auch legen die Bonner Beamten ihre Ansichten intern dar, die Politik ist aber nicht an ihre Vorschläge gebunden. Im Fall des ANK-Streits verweist das BMUV auf Rückendeckung aus Regierung und Parlament: Die Regierung hat das ANK beschlossen und bestätigt. Und der Haushaltsausschuss des Bundestags hat mit einem “Maßgabe-Beschluss” das ANK gestützt und das BMUV explizit aufgefordert, das “Förderprogramm ländliche Kommunen” aufzulegen.

    Allerdings sorgen sich Umwelt- und Klimaschützer, dass die Kritik des Rechnungshofs politisch genutzt werden könnte, um das ANK finanziell weiter zu beschneiden. Immer noch sucht die Ampel-Koalition mehrere Milliarden Euro, um die Deckungslücke im Bundeshaushalt 2025 zu schließen. Zwar soll das ANK davon nicht betroffen sein – aber im Notfall einer Schieflage im Haushalt könnte der große ANK-Topf im Zweifel Begehrlichkeiten wecken. Und dann, so die Befürchtung, ließen sich Argumente für eine Kürzung womöglich auch in der Kritik des Rechnungshofs finden.  

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    Windkraft: Wie Großbritannien schwimmenden Turbinen zum Durchbruch verhelfen könnte

    Großbritannien hat erstmals ein größeres Projekte für schwimmende Offshore-Windanlagen genehmigt. Im Bild: Ein Pilotprojekt vor Frankreich.
    Großbritannien hat erstmals ein größeres Projekt für schwimmende Offshore-Windanlagen genehmigt. Im Bild: Ein Pilotprojekt vor Frankreich.

    Der Traum von der Erzeugung noch größerer und billigerer Mengen grüner Energie durch die Nutzung höherer Windgeschwindigkeiten weiter draußen auf dem Meer hat kürzlich einen großen Schub erhalten. Die britische Regierung hat Anfang September in ihrer jüngsten Auktion für erneuerbare Energien einen 15-Jahres-Vertrag für ein Projekt namens Green Volt angekündigt. Es handelt sich dabei um den weltweit ersten groß angelegten, kommerziellen schwimmenden Windkraftpark. Das neue 2,9-Milliarden-Euro-Projekt, das in einer Tiefe von 100 bis 150 Metern 80 Kilometer vor Nordost-Schottland errichtet werden soll, wird voraussichtlich bis 2029 abgeschlossen sein. Es wird mit bis zu 35 schwimmenden Turbinen eine Leistung von 400 Megawatt (MW) erbringen.

    “Das ist definitiv ein wichtiger Meilenstein”, sagte Erik Dugstad vom norwegischen Windkraftunternehmen Vårgrønn, das den Park gemeinsam mit dem in Edinburgh ansässigen Unternehmen Flotation Energy entwickelt. Branchenexperten sind der Ansicht, dass das Projekt Green Volt den Weg für die Kommerzialisierung immer größerer schwimmender Windparks in Großbritannien, in Europa und auf der ganzen Welt ebnen kann.

    IRENA: Weltweites Potenzial von 13 Terrawatt

    Die Internationale Agentur für Erneuerbare Energien (IRENA) schätzt, dass derzeit weltweit eine Reihe von schwimmenden Windkraftprojekten mit einer Gesamtleistung von 244 Gigawatt (GW) auf ihre Genehmigung warten. Das Potenzial der schwimmenden Windenergie wird konservativ auf 13 Terrawatt (TW) in tiefen Gewässern weltweit geschätzt, so die Agentur.

    Die Technologie von Flotation Energy wurde in den letzten Jahren bereits erfolgreich mit einem 50-MW-Projekt vor Kincardine, Schottland, getestet. Im Gegensatz zu herkömmlichen Offshore-Windkraftanlagen, für die Fundamente im Meeresboden versenkt werden müssen, können schwimmende Windkraftanlagen mit Kabeln an der Meeresoberfläche oder unter der Wasserlinie verankert werden. Dies ermöglicht es den Entwicklern, immer tiefere Gebiete, die weiter vor der Küste liegen, mit höheren und vorhersehbaren Windgeschwindigkeiten kosteneffizient zu nutzen.

    Green Volt wird in der Nähe eines bestehenden, aber schrumpfenden Öl- und Gasbetriebs errichtet, sodass es an eine bestehende Verbindungsleitung zurück an Land und in das Stromnetz angeschlossen werden kann.
    Die Crown Estate, eine unabhängige Regierungsbehörde, die den Meeresboden für die Windenergie in Großbritannien verpachtet, hat Pläne für noch mehr schwimmende Windturbinen angekündigt. Wenn die Crown Estate ihre nächste Ausschreibungsrunde Anfang 2025 abschließt, sollen schwimmende Windturbinen auch in der relativ unerschlossenen Keltischen See vor Südwestengland und Wales entstehen.

    Herausforderung Netzanschluss

    Schwimmende Windturbinen wurden bisher nur in kleineren Projekten realisiert:

    • Derzeit hat Norwegen drei kleinere Projekte mit insgesamt 94 MW,
    • Großbritannien liegt mit 80 MW aus zwei Projekten an zweiter Stelle,
    • Portugal mit einem 25-MW-Projekt an dritter,
    • China mit 23 MW aus drei Projekten an vierter,
    • Japan mit fünf MW aus zwei Projekten an fünfter
    • und Spanien und Frankreich mit je zwei MW an sechster Stelle.

    Jane Cooper, Exekutivdirektorin für Offshore-Windkraft beim Branchenverband RenewableUK, erklärte, dass schwimmende Windparks noch immer vor Herausforderungen stehen. In Europa beispielsweise sehen sich die Entwickler erneuerbarer Energien mit Verzögerungen von bis zu zehn Jahren oder mehr bei der Anbindung an das Stromnetz konfrontiert. “Wie bei jeder neuen Art von technischer Infrastruktur gibt es Herausforderungen, die es zu bewältigen gilt. Wenn wir diese lösen können, könnte die schwimmende Windenergie bis 2050 weit über die Hälfte der Offshore-Windenergieerzeugung im Vereinigten Königreich ausmachen. Ein Teil dieser Energie kann zur Erzeugung von grünem Wasserstoff genutzt werden, was die Flexibilität der Energieversorgung erhöht”, meint Cooper.

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    News

    Betrug in China: Umweltbundesamt will 45 Projekte stoppen

    In Zusammenhang mit mutmaßlichen Betrugsfällen in China will das Umweltbundesamt (UBA) 45 Klimaprojekte stoppen. “Unser Ziel ist es, alle 45 verdächtigen China-Projekte rückabzuwickeln”, erklärte UBA-Präsident Dirk Messner bei einer digitalen Pressekonferenz am Montag. Die Projekte stünden unter einem “sehr starken Betrugsverdacht”. Es handele sich vermutlich um ein “Täuschungsvertragssystem”, bei denen Projekte angemeldet werden, die nicht die angegebenen Voraussetzungen, etwa zur Reduktion von Treibhausgasen, erfüllen würden, hieß es zur Erläuterung.

    Die 45 Projekte umfassen demnach Klimazertifikate im Wert von sechs Millionen Tonnen CO₂-Äquivalenten. Das entspräche nach UBA-Angaben einem Marktwert von 1,5 Milliarden Euro. Nur vier dieser sechs Millionen Tonnen könnten aber rückabgewickelt und gerettet werden. Folglich wäre durch den Betrug bislang – bezogen auf die ausgestellten Zertifikate – ein materieller Schaden von ungefähr 500 Millionen Euro entstanden. Das UBA habe mittlerweile 56 Klimaprojekte in China gründlich untersucht und könne diese Zwischenbilanz vorweisen, erklärte Messner weiter. Die Ermittlungen, an denen sowohl die Staatsanwaltschaft Berlin als auch eine internationale Anwaltskanzlei beteiligt sind, würden weitergehen.

    Union kritisiert Aufarbeitung

    Hintergrund der seit Wochen andauernden Überprüfungen ist ein mutmaßliches Betrugsgeflecht im Zusammenhang mit Klimaprojekten in China. Wie im Juni bekannt geworden war, haben sich deutsche Mineralölkonzerne möglicherweise einen Beitrag auf ihre CO₂-Bilanzen anrechnen lassen, der auf Klimaschutz-Projekte zurückging, die laut UBA auf Basis von Betrug zustande gekommen sein könnten.

    An der Aufarbeitung der mutmaßlichen Betrugsfälle im Umweltbundesamt übt unter anderem die Union Kritik. Sie wirft dem UBA und dem Umweltministerium von Steffi Lemke (Grüne) vor, zu spät auf den Betrug reagiert zu haben. Laut UBA gab es im September 2023 erste Hinweise auf Einzelfälle, denen die Behörde nachgegangen sei. Dabei habe erst Aussage gegen Aussage gestanden, die anonymen Hinweisgeber seien nicht von Anfang an vertrauenswürdig gewesen. Konkretere Daten zu verdächtigen Firmen und Einzelpersonen nannte das UBA mit Verweis auf die laufenden Ermittlungen zunächst nicht. dpa

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    DUH: Bundesregierung muss ab sofort mehr für Wald- und Moorschutz tun

    Die Bundesregierung muss schnell mehr für das Klima tun, vor allem durch einen besseren Schutz von Mooren, Wäldern und anderen Landschaften. Das ergibt sich aus einem Urteil des Oberverwaltungsgerichts (OVG) Berlin-Brandenburg vom Mai, das seit vergangenen Freitag rechtskräftig ist, weil das federführende Bundesumweltministerium (BMUV) keine Revision eingelegt hat. Die Klägerin Deutsche Umwelthilfe (DUH) verlangt nun einen Regierungsentwurf für “konkrete und ausreichende Maßnahmen bis 31. Oktober”. Komme er nicht, werde sie ein Vollstreckungsverfahren einleiten.

    Über eine zweite Klage zum Klimaschutz in anderen Sektoren, bei der das Gericht der DUH im Mai ebenfalls recht gegeben hatte, muss dagegen das Bundesverwaltungsgericht entscheiden. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) hatte dagegen Revision eingelegt.

    Im jetzt rechtskräftigen Urteil geht es um den Klimaschutz im Sektor Landnutzung. Die Bundesregierung ist gesetzlich verpflichtet, dort bis 2045 insgesamt 40 Millionen Tonnen Kohlenstoffdioxid-Äquivalente einzusparen. Nach Auffassung des OVG tut sie dafür zu wenig. Um das Urteil umzusetzen, will das BMUV eigenen Angaben zufolge einen Nachsteuerungsmechanismus im Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz (ANK) nutzen. Konkret bedeute das eine regelmäßige Bestandsaufnahme, schrieb eine BMUV-Sprecherin auf Anfrage von Table.Briefings. Zeichne sich dann ab, “dass wir die Klimaziele nicht erreichen, entwickeln wir Vorschläge, wie wir das ANK wieder auf Zielkurs bringen. Das haben wir im ANK selbst bewusst so festgelegt.” Bisher stehen für das ANK laut Ministerium bis 2028 insgesamt 3,5 Milliarden Euro zur Verfügung.

    Erneute Verfassungsbeschwerde gegen Klimapolitik der Ampel

    Daneben haben am Montag die Umweltverbände Greenpeace und Germanwatch gemeinsam mit mehr als 54.000 Menschen eine neue Verfassungsbeschwerde wegen der aus ihrer Sicht unzureichenden Klimapolitik der Bundesregierung eingereicht. Im Kern geht es in der Beschwerde um die umstrittene Reform des Klimaschutzgesetzes. Zudem fordern die Verbände weitere Schritte zur CO₂-Reduktion im Verkehr.

    Damit sind vor dem Bundesverfassungsgericht mittlerweile drei Beschwerden gegen das neue Klimaschutzgesetz anhängig. Vergangenen Donnerstag reichten der BUND und der Solarenergie Förderverein Deutschland eine Verfassungsbeschwerde gegen das Gesetz ein. Die DUH hatte ihre Beschwerde bereits im Juli erhoben. Die Verbände argumentieren, der unzureichende Klimaschutz verletze Grundrechte. Sie verweisen auch auf eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2021. Diese besagt im Kern, dass die Politik deutlich mehr tun müsse, um Klimaziele zu erreichen, und dass sie einschneidende Schritte zur Senkung von schädlichen Treibhausgasemissionen nicht zulasten der jungen Generation auf die lange Bank schieben dürfe. dpa/ae

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    Agora Energiewende: Grüne Investitionen helfen Wirtschaftswachstum

    Die Investitionen, die erforderlich sind, um das vorgeschlagene EU-Klimaziel für 2040 von 90 Prozent CO₂-Reduktion zu erreichen, würden der EU-Wirtschaft zu einem Wachstum von etwa zwei Prozent verhelfen. Das ist das Ergebnis einer Studie des Thinktanks Agora Energiewende. Investitionen in Cleantech, Netto-Null-Infrastruktur und Gebäudesanierung würden die Produktion in der EU stärken, neue Arbeitsplätze schaffen und die wirtschaftliche Konvergenz zwischen West- und Osteuropa fördern, schreibt Agora.

    Besonders kleinere EU-Länder könnten demnach profitieren. Während für Deutschland, Frankreich, Italien und Spanien als Ergebnis der Investitionen in die Klimaneutralität nur ein geringeres Wirtschaftswachstum prognostiziert wird, könnte Polens Bruttoinlandsprodukt (BIP) bis 2040 um rund fünf Prozent gegenüber dem Ausgangsniveau steigen.

    Halbe Billion Euro im Jahr erforderlich

    Das EU-Klimaziel 2040 von 90 Prozent CO₂-Reduktion ist noch nicht beschlossen. Die EU-Kommission hatte im Februar ihre Pläne vorgestellt und arbeitet derzeit an einem entsprechenden Gesetzespaket. Mitgliedstaaten werden voraussichtlich Ende diesen oder Anfang kommenden Jahres gemäß internationalen Verpflichtungen ihre Position festlegen. Ein niedrigeres CO₂-Reduktionsziel ist nicht ausgeschlossen.

    Sollte das 90-Prozent-Ziel der Kommission bestätigt werden, geht Agora Energiewende davon aus, dass in den 2020er-Jahren Investitionen von mindestens 462 Milliarden Euro (2,7 Prozent des EU-BIP) erforderlich sein werden. In den 2030er-Jahren steige der Investitionsbedarf auf 3,3 Prozent des BIP oder 564 Milliarden Euro. luk

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    COP29: Wie Aserbaidschan mit Einreiseverboten Druck auf den Europarat ausübt

    Aserbaidschan, der Gastgeber der im November stattfindenden 29. Weltklimakonferenz (COP29), hat Einreiseverbote gegen 76 Abgeordnete der Parlamentarischen Versammlung des Europarats (Pace) verhängt, auch vier Bundestagsabgeordnete sind darunter: Frank Schwabe und Heike Engelhardt von der SPD, Max Lucks von den Grünen sowie Andrej Hunko vom BSW.

    Die Abgeordneten hatten im Januar für eine Resolution gestimmt, die Aserbaidschan Menschenrechtsverletzungen vorwirft, mit der Folge, dass das Mandat der aserbaidschanischen Delegation bei Pace nicht verlängert wurde. “Es bestehen nach wie vor sehr ernste Bedenken hinsichtlich der Fähigkeit Aserbaidschans, freie und faire Wahlen abzuhalten, der Gewaltenteilung, der Schwäche der Legislative gegenüber der Exekutive, der Unabhängigkeit der Justiz und der Achtung der Menschenrechte“, heißt es in der Resolution von Anfang des Jahres.

    Auch Aserbaidschans Militäroperation im September 2023, die zur Flucht fast aller der 120.000 armenischen Bewohner Berg-Karabachs nach Armenien führte, und die damit verbundene Blockade des Latschin-Korridors spielte eine Rolle.

    Laut Ayhan Hajizade, Pressesprecher des aserbaidschanischen Außenministeriums, solle das Einreiseverbot bestehen bleiben, bis das Mandat wiederhergestellt sei, berichtete die aserbaidschanische Plattform “News“. Schon vor den Einreiseverboten gab es Kritik daran, dass die diesjährige COP in Aserbaidschan stattfindet. Das Gastgeberland gehe mit schlechter Klimapolitik voran, hieß es. Zudem solle Baku im Vorfeld der Konferenz “systematisch Aktivisten und Journalisten wegsperren“. asc

    • Armenien
    • Aserbaidschan
    • COP29
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    Report: Warum CCS ein “Irrweg” für die deutsche Wirtschaft ist

    Kohlenstoffabscheidung und -speicherung (CCS) helfe der deutschen Wirtschaft nicht auf ihrem Weg zur Klimaneutralität. Zu diesem Schluss kommt ein Report des Forschungsbüros Energycomment, der von Greenpeace in Auftrag gegeben wurde. Alle bisherigen CO₂-Deponien seien von Verzögerungen, unerwarteten Projektabbrüchen und geologischen Unsicherheiten geprägt. “Die CCS-Pläne der Bundesregierung sind ein Luftschloss: unerprobt, störanfällig, teuer – und damit unrealistisch”, sagt Anike Peters, Energieexpertin von Greenpeace.

    Um nur zehn Prozent der derzeitigen fossilen Emissionen unterirdisch zu deponieren, bräuchte es 3.300-mal die Kapazität des bislang größten europäischen CCS-Projekts Sleipner (Norwegen), so der Report. Außerdem blieben die Kosten für CCS auch langfristig hoch. Der Report sieht zudem zahlreiche Umweltrisiken: Dazu gehören der Einsatz von gefährlichen Chemikalien, mögliche Lecks in CO₂-Pipelines, Schäden im Meer und ein Rückgang von Biodiversität. Zudem könnte die CO₂-Speicherung das Risiko für Erdbeben erhöhen.

    CCS könnte “fossilen Pfad” verlängern

    Aktuell befindet sich die Carbon-Management-Strategie der Bundesregierung in der Ressortabstimmung, darin sind unter anderem industrielle Großanlagen zur Abscheidung von CO₂ vorgesehen. Aus der Sicht von Greenpeace könnte der Fokus auf CCS dafür sorgen, dass nicht genügend Anstrengung in die Reduktion von Emissionen gesteckt wird. Der Einsatz von CCS werde den “fossilen Pfad bis weit in die Zukunft verlängern”.

    Auch andere Analysen kommen immer wieder zu dem Ergebnis, dass CCS teuer und unausgereift ist und dass der Ausbau nur langsam vorangeht. Die meisten Experten halten CCS- und CCUS-Technologien trotzdem für einen wichtigen Baustein auf dem Weg zur Klimaneutralität, allerdings könnten die Technologien rasche Emissionsreduzierungen nicht ersetzen. kul

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    Energiewende: Sächsische Unternehmen machen Druck auf Landesregierung

    Über 60 sächsische Unternehmen, Stadtwerke und Industrie- und Handelskammern (IHK) fordern die künftige Regierung in Dresden auf, mehr Tempo bei der Energiewende zu entwickeln. In einem Appell, der Table.Briefings vorliegt, fordern sie “ein ausreichendes Marktangebot zu international wettbewerbsfähigen Preisen von Strom aus erneuerbaren Energien wie Wind, Photovoltaik und Biomasse sowie die entsprechende Infrastruktur”. Im Ländervergleich liege Sachsen beim Ausbau der Erneuerbaren auf den hinteren Plätzen und sei im Begriff, seine Vorteile als attraktiver Wirtschafts- und Industriestandort zu verlieren.

    Zu den Unterzeichnern des Appells gehören unter anderem Wacker Chemie, Siemens, Arevipharma, die Stadtwerke Zittau, aber auch die IHKs aus Dresden und Chemnitz. Weil die gesellschaftliche Akzeptanz Grundvoraussetzung für den Erfolg der Energiewende sei, fordern die Unterzeichner von der Landesregierung “eine aktive positive Kommunikation zu der Notwendigkeit des Ausbaus sowie gezielte Informationskampagnen und Beratungsangebote”.

    Die künftige Landesregierung solle sich “zu einem pragmatischen und schnellen Ausbau der erneuerbaren Energien in Sachsen bekennen”. Es sei “wichtig, dass sie deren Relevanz für die lokale Wertschöpfung und Standortsicherung unterstreicht und die Entwicklungschancen für Sachsen deutlich macht”. Nicht zuletzt die Netzkapazitäten seien ein Problem. Die Staatsregierung solle sich für eine Beschleunigung des Netzausbaus einsetzen. Das bedeute: “Verschlankung, Flexibilisierung und Digitalisierung von Genehmigungsverfahren, insbesondere in Netzengpassregionen.” hk

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    Werbung: Warum Den Haag als erste Stadt Reklame für Fossile verbietet

    Den Haag hat am vergangenen Donnerstag als weltweit erste Stadt ein Gesetz verabschiedet, das Werbung für Produkte aus fossilen Brennstoffen und klimaschädliche Dienstleistungen verbietet. Sowohl öffentliche als auch private Werbung für Kreuzfahrschiffe, Flugzeuge, Benzin oder Diesel wird damit zum Beginn des kommenden Jahres laut der britischen Zeitung Guardian in Straßen und an Haltestellen verboten.

    Das Gesetz folgt einem Aufruf von UN-Generalsekretär António Guterres, der Anfang des Jahres dazu aufforderte, dass Regierungen und Medien solche Werbeverbote erlassen – ähnlich wie sie es bei Tabak getan haben. Auch in anderen Städten gibt es ähnliche Entwicklungen: Der Stadtrat von Edinburgh hatte im Mai beschlossen, Werbung für Unternehmen, die fossile Brennstoffe verwenden, und Waffen auf gemeindeeigenen Werbeflächen zu verbieten. Unternehmen, die diese Produkte verkaufen, können auch keine Veranstaltungen oder andere Partnerschaften in der schottischen Hauptstadt mehr sponsern. kul

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    Must-Reads

    Financial Times: Lulas Spagat. Der linke brasilianische Präsident Luiz Inácio Lula da Silva möchte, dass sein Land ein Vorreiter in Sachen Klimaschutz wird. Aber ohne die Ölwirtschaft kann er die Armut in Brasilien nicht bekämpfen. Zum Artikel

    The Guardian: Labour setzt auf Umweltpolitik. Die britische Regierung plant erstmals die Ernennung eines Sondergesandten für Natur. Außenminister David Lammy möchte Großbritannien damit in den Mittelpunkt der globalen Bemühungen zur Bewältigung der ökologischen Krisen rücken. Die regierende Labour-Partei wird außerdem einen neuen Klimabeauftragten ernennen, nachdem die Tories diesen Posten vor über einem Jahr abgeschafft hatten. Zum Artikel

    Stern: Klimaneutraler Stahl. Auf einer Konferenz in Duisburg soll über den Weg der deutschen Stahlindustrie gesprochen werden. Technisch ist grüner Stahl möglich, aber es hapert an der Umsetzung und auch die Kosten sind nicht absehbar. Zum Artikel

    Euronews: Ungarn soll in der Klimapolitik liefern. Die EU-Finanzminister kamen in Budapest zu einem informellen Treffen zusammen, bei dem mehrere dringende Themen im Fokus standen, darunter die Klimapolitik, die alternde Bevölkerung und die grüne Wende. Während der Gespräche betonten die Beamten, dass Ungarn die Konsistenz und Transparenz seiner Klimapolitik verbessern müsse. Der ungarische Finanzminister Mihály Varga erklärte, das Land wolle dieses Ziel auf eine Weise erreichen, die auch zur Wettbewerbsfähigkeit beitrage. Zum Artikel

    Markenartikel Magazin: Unternehmen investieren in Klimaschutz. Klimaschutz gehört nach wie vor weltweit zu den wichtigsten Prioritäten von Unternehmen. 75 Prozent von ihnen haben im vergangenen Jahr ihre Investitionen in den Klimaschutz erhöht. Zum Artikel

    Climate.Table Redaktion

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