Table.Briefing: Climate

+++ Table.Special: COP-Mandat der EU + Weltbank-Reform +++

Liebe Leserin, lieber Leser,

Es dauerte eine kleine Ewigkeit, aber es hat sich gelohnt: Statt am Vormittag die Frage zu klären, mit welchen Ideen und Forderungen die EU zur COP28 im Dezember nach Dubai fahren soll, dauerte das Gezerre um den europäischen Weg am Montag in Luxemburg bis spät in die Nacht. Aber dann haben die EU-Umweltminister sich doch noch geeinigt: Auf anspruchsvolle Ziele beim Ausbau der Erneuerbaren, der Effizienz und vor allem beim Ausstieg aus den Fossilen. Nur beim neuen Klimaziel fehlt den Europäern der Mut. Um das in diesem Climate.Special aufzuschreiben, hat sich Lukas Scheid die Nacht um die Ohren geschlagen.

Lange wurde auch um eine neue globale Finanzarchitektur gerungen: Weltbank und IWF sollen mehr tun als bisher im Kampf gegen die Klimakrise. Nun hat die Weltbank unter ihrem neuen Chef Reformen beschlossen: Eine neue Vision, mehr Geld, einfacherer Zugang zu Krediten für arme Länder. Ein Teil der Reformen ist auf dem Weg. Aber: Das wird kaum reichen, weder vom Geld her noch von den Strukturreformen. Und der neue Weltbankchef Ajay Banga machte gleich klar: Auf jeden Fall braucht es viel mehr Kapital, wenn die Ärmsten nicht noch mehr zu Verlierern des Klimawandels werden sollen.

Beide Themen werden uns bis Dubai und danach begleiten. Sie sind so wichtig, dass wir sie Ihnen zeitnah in diesem Special präsentieren. Ihnen eine interessante Lektüre!

Ihr
Bernhard Pötter
Bild von Bernhard  Pötter

Analyse

COP28: EU setzt bei CCS auf Konfrontation mit den Ölstaaten

Spaniens Umweltministerin Teresa Ribera in ihrer Rolle als Präsidentin des Ministerrats und der frischgebackene EU-Klimakommissar Wopke Hoekstra.

Mit einer Kurskorrektur bei einem wichtigen Detail geht die EU in die Verhandlungen der COP28 in Dubai, die Ende November beginnen: Die Europäer drängen auf den Ausbau von Erneuerbaren, Energieeffizienz und auf eine schnelle Dekarbonisierung der Wirtschaft. Dafür wollen sie die umstrittene CCS-Technik nicht allgemein in der Energiebranche einsetzen – wie sie das noch im Frühjahr gefordert hatten.

Die Umweltminister der EU legten unter anderem folgende Verhandlungspositionen für die COP28 fest:

  • Verdreifachung der Erneuerbaren auf 11 TW bis 2030
  • Verdoppelung des Tempos zur Verbesserung der Energieeffizienz bis 2030
  • weltweiter Ausstieg aus der Nutzung unverminderter fossiler Brennstoffe in diesem Jahrzehnt
  • Höhepunkt des Verbrauchs von fossilen Brennstoffen in diesem Jahrzehnt
  • schnellstmöglicher Abbau der Subventionen für fossile Brennstoffe
  • Verstärkte Mobilisierung von Finanzmitteln aus allen Quellen zur Unterstützung von Klimaschutzmaßnahmen, unter anderem für Loss & Damage

Das Wort “unabated” – unvermindert – verursachte bei den EU-internen Verhandlungen den größten Streit. Es geht um die Rolle von CO₂-Abscheidungstechnologien (CCS) bei der Dekarbonisierung. Einerseits will die EU sie akzeptieren, wenn es um den weltweiten Ausstieg aus der Nutzung fossiler Brennstoffe geht. Sie fordert einen “global phase out of unabated fossil fuels”. Denn auch die Berichte des Weltklimarates (IPCC) legen nahe, dass in jenen Sektoren, die ansonsten nur schwer zu dekarbonisieren sind, CCS notwendig für das Erreichen der Klimaziele ist.

Anders sieht es bei der Energiewirtschaft aus. Hier will die EU nun weltweit auf ein “weitgehend fossilfreies Energiesystem weit vor 2050″ setzen, explizit ohne den Einsatz von CO₂-Abscheidung. Die großflächige Nutzung von CCS in der Energieproduktion ist allerdings die Position des COP-Gastgebers Vereinigte Arabische Emirate und anderer Ölstaaten. Und auf eine ähnliche Position hatte sich die EU im Frühjahr verständigt. Da forderten die Europäer nur ein “Energiesystem frei von unverminderten fossilen Brennstoffen”. Die neue Position ist nun wieder härter gegenüber den Ölstaaten, weil sie diese EU-Position vom März aufhebt, in der CCS auch für den Energiesektor infrage kam.

“Kein Blankoscheck für Fossile”

Sollte die EU sich mit dieser Forderung bei den Verhandlungen in Dubai durchsetzen, wäre das Schlupfloch für CCS im Energiesektor deutlich eingeschränkt. CCS werde als Ausnahmeanwendung eingestuft, die nur in bestimmten Sektoren kosteneffizient und sinnvoll sind, analysiert Linda Kalcher, Gründerin und Direktorin des Thinktanks Strategic Perspectives. “So wird den Öl- und Gasunternehmen kein Blankoscheck ausgestellt, um den Emissionsausstoß weiterzubetreiben, wie bisher.” Das sei ein wichtiges Signal an die internationalen Partner und grenze die EU deutlich von der Position der COP-Präsidentschaft ab, so Kalcher.

Auch die deutsche Sonderbeauftragte für internationale Klimapolitik Jennifer Morgan sprach gegenüber Table.Media von einem Erfolg für ehrgeizigen Klimaschutz. Die EU-Position sei ein klares Signal zum “Übergang zu einer sozial-ökologischen und gerechten” Wirtschaftsweise.

Außerdem wollen sich die EU-Staaten auf der COP28 dafür einsetzen, dass spätestens Ende der 2030er Jahre weltweit keine neuen Kohlekraftwerke mehr gebaut werden. Auch Subventionen für fossile Brennstoffe sollen eingestellt werden, sofern sie weder Energiearmut bekämpfen noch zu einem gerechten grünen Übergang dienen. Die EU-Verhandlungsposition zur Klimafinanzierung soll am heutigen Dienstag beim Treffen der Wirtschafts- und Finanzminister beschlossen werden.

Kein neues NDC: Minus 55 Prozent bleibt

Problematisch für die Klimaverhandlungen auf der COP28 könnte die deutlich abgespeckte Aktualisierung des EU-Klimaziels für 2030 werden. Die europäischen Verhandler werden in Dubai kein höheres Ziel als bisher vorweisen können. Das bei der UN hinterlegte Klimaziel der EU (NDC) bleibt bei einer CO₂-Reduktion bis 2030 von mindestens 55 Prozent im Vergleich zu 1990.

Immer wieder hatten EU-Vertreter erklärt, nach Abschluss der Verhandlungen des Fit-for-55-Pakets das EU-NDC auf minus 57 Prozent anheben zu wollen. Dazu wird es nun nicht kommen. Zwar wird die EU offiziell ein Update ihres Klimaziels einreichen, jedoch handelt es sich dabei nur um eine zusätzliche Erklärung, durch welche Maßnahmen das bisherige Ziel erreicht werden soll. Von einer Erhöhung des NDC ist nicht die Rede und auch die Zahl 57 taucht nicht in der Erklärung auf. Der grüne Klimapolitiker Michael Bloss warf daher dem neuen EU-Klimakommissar Hoekstra eine “Bruchlandung” vor.

Viele Länder hätten diese Zahl nicht im Text sehen wollen, begründete Ratspräsidentin und Spaniens Umweltminister Teresa Ribera die ausbleibende Erhöhung. Sie betonte jedoch, dass die EU ihr Klimaziel durch die Maßnahmen von Fit for 55 ihr Klimaziel übererfüllen werde. Dies sei in der Erklärung reflektiert. In Dubai, wo die EU andere Länder zur Erhöhung ihrer Klimaziele auffordern wird, dürfte das allerdings nicht besonders überzeugend wirken. Denn entscheidend dürfte sein, was auf dem Papier steht. Und da steht bei der EU weiterhin eine 55.

  • CCS
  • COP28
  • EU-Klimapolitik
  • Europa
  • Fit for 55
  • Klimapolitik
  • NDC
Translation missing.

Weltbank-Reform: Viele Visionen, zu wenig Kapital

Die Weltbank und der Internationale Währungsfonds (IWF) haben Strukturreformen auf den Weg gebracht, um das internationale Finanzsystem besser auf die Bekämpfung der Klimakrise auszurichten. Bei der jährlichen Herbsttagung im marokkanischen Marrakesch in der vergangenen Woche verkündete vor allem die Weltbank unter ihrem neuen Chef Ajay Banga Maßnahmen, um Armutsbekämpfung und Wirtschaftswachstum besser mit Klimaschutz und Anpassung an den Klimawandel zu vereinbaren. Diese Veränderungen waren von Kritikern lange Zeit gefordert worden und von einigen Ländern wie Deutschland und den USA vorangetrieben worden.

Entscheidende Weichenstellungen

Die Weltbank wird entscheidende Weichen neu stellen. Die Details gehen aus dem bislang unveröffentlichten Statement des Vorsitzenden des Entwicklungskomitees von Weltbank und IWF hervor, das Table.Media vorliegt:

  • Die offizielle Mission der Weltbank, “die Armut zu beenden” wird ergänzt durch den Zusatz “auf einem bewohnbaren Planeten”. Diese Mission sei “inklusiv für alle, einschließlich Frauen und junger Menschen”. Entwicklung müsse “widerstandsfähig gegen Schocks” aus den Krisen um Klima, Artenverlust, Pandemien sein und nachhaltig für Wachstum, Jobs, Schuldenmanagement und Ernährungssicherheit sorgen, erklärte Weltbank-Chef Banga.
  • Die Bank bestätigt ihre Entscheidung vom Frühjahr, für eigene Kredite nur noch einen Eigenkapitalanteil von 19 statt 20 Prozent vorzusehen und damit ihr Risiko leicht zu erhöhen. So sollen über einen Zeitraum von zehn Jahren 40 Milliarden Dollar zusätzlich für Klima-Investitionen frei werden.
  • Als neues Instrument richtet die Bank einen “Portfolio Guarantee Mechanismus” ein: Mit ihm können Staaten über Kreditgarantien die Summe vergrößern, die die Weltbank armen Ländern in der Klimakrise zur Verfügung stellt. Die USA etwa wollen so insgesamt 25 Milliarden Dollar mobilisieren, ohne direkt Haushaltsmittel an die Bank zu überweisen. Denn solche Zahlungen sind im US-Kongress extrem umstritten.
  • Ebenfalls neu ist ein Instrument für “hybrides Kapital”, vergleichbar einer Anleihe, mit der Staaten der Weltbank Kapital für Klima-Investitionen zur Verfügung stellen können. Deutschland hat angekündigt, als Vorreiter dafür 305 Millionen Euro zur Verfügung zu stellen, mit denen über zehn Jahre bis zu 2,4 Milliarden “gehebelt” werden sollen.
  • Die Bank lädt nun auch Regierungen und private Mäzene dazu ein, ihren “Global Public Goods Fund” für verbilligte Kredite in Klima und Biodiversität mit aufzufüllen. Der Topf soll in “Livable Planet Fund” umbenannt werden.
  • Die Weltbank richtet als Pilotversuch eine “Climate Resilient Debt Clause” ein, nach der die ärmsten Staaten bei akuten Klimaschäden die Rückzahlung von Schulden aussetzen können.
  • Insgesamt soll die Bank neue Regeln für die Kreditvergaben erarbeiten, um den Schutz von globalen Gütern voranzubringen, auch wenn das erst langfristig im Interesse der jeweiligen Kreditnehmer unter den Entwicklungsländern sein sollte: Kredite könnten demnach länger laufen, mehr Volumen haben oder zu günstigeren Zinsen ausgegeben werden.

Kein Konsens für Kapitalerhöhung

Viele der Ideen entspringen einem Dilemma: Die Weltbank will keine Kapitalerhöhung von ihren Anteilseignern, den Staaten, verlangen: Denn die angespannten nationalen Budgets, die geopolitische Konkurrenz zwischen den USA und China und allgemein zwischen den Industrie- und Schwellenländern und der Ukraine-Konflikt machen ein einheitliches Vorgehen schwierig. Außerdem würden einseitige Aufstockungen des Kapitals die Stimmverhältnisse zwischen den Staaten verschieben.

Dennoch machte Weltbank-Chef Banga deutlich, dass seine Bank jenseits der bisher etwa 100 Milliarden Dollar pro Jahr für Entwicklungsprojekte dringend mehr Kapital braucht: Das Wirtschaftswachstum weltweit sei in den letzten Jahrzehnten von sechs auf fünf Prozent jährlich gefallen und werde perspektivisch weiter auf vier Prozent sinken: “Mit jedem verlorenen Prozent werden 100 Millionen Menschen in die Armut und weitere 50 Millionen in extreme Armut gezogen.” Er versprach eine “bessere und größere Bank”, die sich auch gegen die finanziellen Folgen von Umweltschäden (laut Banga sechs Billionen Dollar jährlich) und gegen umweltschädliche Subventionen engagieren werde. Außerdem soll die Bank einen internationalen Kohlenstoffmarkt vorantreiben.

Bundesentwicklungsministerin Svenja Schule wiederum versprach, den Blick auch auf andere Entwicklungsbanken und das gesamte Finanzsystem zu richten: “Die Entwicklung zeigt, dass sich globale Institutionen wie die Weltbank reformieren können. Im 21. Jahrhundert kann man Armut nicht mehr bekämpfen, ohne die natürlichen Lebensgrundlagen zu schützen.”

Die Umwelt- und Entwicklungsorganisation Germanwatch lobte eine “deutliche Richtungsänderung” für mehr Klimaschutz, Ernährungssicherheit, Digitalisierung und Gesundheit bei der Weltbank. Deutschland und andere Staaten müssten nun dafür sorgen, dass die Versprechen umgesetzt würden und etwa auch bei der deutschen KfW gelten. Allerdings seien nötige Veränderungen in den Entscheidungsstrukturen von Bank und IWF zu kurz gekommen, hieß es.

IWF will kurzfristig höhere Quoten zulassen

Auch beim Weltwährungsfonds IWF steht ein Umbau zu mehr Klimaschutz auf der Tagesordnung: So fordert etwa die “Bridgetown Initative” der Premierministerin von Barbados, Mia Mottley, die Industriestaaten sollten Sonderziehungsrechte (SZR) für Investitionen in Klimaschutz bereitstellen.

Der IWF kam in dieser Frage nicht zu einer einheitlichen Regelung, sondern zu schrittweisen Fortschritten. Das System der Quoten-Zuteilung an bestimmte Länder im IWF soll überarbeitet werden. Bis zum Abschluss dieses Prozesses solle die IWF-Führung laut Abschlussdokument “Übergangs-Arrangements” treffen können. Das heißt: Die Länder können nun über “Ad-hoc”-Erhöhungen ihrer Quoten mehr Kapital für Klimafragen bereitstellen, wenn sie es wollen. Das wird für die EU und Deutschland allerdings kaum zutreffen: die Europäische Zentralbank und die Bundesbank wehren sich gegen diesen Schritt, weil sie unabhängig von der Politik sind. Deutschland hat daher direkte Haushaltsmittel an den IWF überwiesen.

Weitere Artikel der Table.Media-Redaktion über die Weltbanktagung finden Sie hier.  

  • IWF
  • Klimafinanzierung
  • Weltbank

Climate.Table Redaktion

REDAKTION CLIMATE.TABLE

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    Es dauerte eine kleine Ewigkeit, aber es hat sich gelohnt: Statt am Vormittag die Frage zu klären, mit welchen Ideen und Forderungen die EU zur COP28 im Dezember nach Dubai fahren soll, dauerte das Gezerre um den europäischen Weg am Montag in Luxemburg bis spät in die Nacht. Aber dann haben die EU-Umweltminister sich doch noch geeinigt: Auf anspruchsvolle Ziele beim Ausbau der Erneuerbaren, der Effizienz und vor allem beim Ausstieg aus den Fossilen. Nur beim neuen Klimaziel fehlt den Europäern der Mut. Um das in diesem Climate.Special aufzuschreiben, hat sich Lukas Scheid die Nacht um die Ohren geschlagen.

    Lange wurde auch um eine neue globale Finanzarchitektur gerungen: Weltbank und IWF sollen mehr tun als bisher im Kampf gegen die Klimakrise. Nun hat die Weltbank unter ihrem neuen Chef Reformen beschlossen: Eine neue Vision, mehr Geld, einfacherer Zugang zu Krediten für arme Länder. Ein Teil der Reformen ist auf dem Weg. Aber: Das wird kaum reichen, weder vom Geld her noch von den Strukturreformen. Und der neue Weltbankchef Ajay Banga machte gleich klar: Auf jeden Fall braucht es viel mehr Kapital, wenn die Ärmsten nicht noch mehr zu Verlierern des Klimawandels werden sollen.

    Beide Themen werden uns bis Dubai und danach begleiten. Sie sind so wichtig, dass wir sie Ihnen zeitnah in diesem Special präsentieren. Ihnen eine interessante Lektüre!

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    Analyse

    COP28: EU setzt bei CCS auf Konfrontation mit den Ölstaaten

    Spaniens Umweltministerin Teresa Ribera in ihrer Rolle als Präsidentin des Ministerrats und der frischgebackene EU-Klimakommissar Wopke Hoekstra.

    Mit einer Kurskorrektur bei einem wichtigen Detail geht die EU in die Verhandlungen der COP28 in Dubai, die Ende November beginnen: Die Europäer drängen auf den Ausbau von Erneuerbaren, Energieeffizienz und auf eine schnelle Dekarbonisierung der Wirtschaft. Dafür wollen sie die umstrittene CCS-Technik nicht allgemein in der Energiebranche einsetzen – wie sie das noch im Frühjahr gefordert hatten.

    Die Umweltminister der EU legten unter anderem folgende Verhandlungspositionen für die COP28 fest:

    • Verdreifachung der Erneuerbaren auf 11 TW bis 2030
    • Verdoppelung des Tempos zur Verbesserung der Energieeffizienz bis 2030
    • weltweiter Ausstieg aus der Nutzung unverminderter fossiler Brennstoffe in diesem Jahrzehnt
    • Höhepunkt des Verbrauchs von fossilen Brennstoffen in diesem Jahrzehnt
    • schnellstmöglicher Abbau der Subventionen für fossile Brennstoffe
    • Verstärkte Mobilisierung von Finanzmitteln aus allen Quellen zur Unterstützung von Klimaschutzmaßnahmen, unter anderem für Loss & Damage

    Das Wort “unabated” – unvermindert – verursachte bei den EU-internen Verhandlungen den größten Streit. Es geht um die Rolle von CO₂-Abscheidungstechnologien (CCS) bei der Dekarbonisierung. Einerseits will die EU sie akzeptieren, wenn es um den weltweiten Ausstieg aus der Nutzung fossiler Brennstoffe geht. Sie fordert einen “global phase out of unabated fossil fuels”. Denn auch die Berichte des Weltklimarates (IPCC) legen nahe, dass in jenen Sektoren, die ansonsten nur schwer zu dekarbonisieren sind, CCS notwendig für das Erreichen der Klimaziele ist.

    Anders sieht es bei der Energiewirtschaft aus. Hier will die EU nun weltweit auf ein “weitgehend fossilfreies Energiesystem weit vor 2050″ setzen, explizit ohne den Einsatz von CO₂-Abscheidung. Die großflächige Nutzung von CCS in der Energieproduktion ist allerdings die Position des COP-Gastgebers Vereinigte Arabische Emirate und anderer Ölstaaten. Und auf eine ähnliche Position hatte sich die EU im Frühjahr verständigt. Da forderten die Europäer nur ein “Energiesystem frei von unverminderten fossilen Brennstoffen”. Die neue Position ist nun wieder härter gegenüber den Ölstaaten, weil sie diese EU-Position vom März aufhebt, in der CCS auch für den Energiesektor infrage kam.

    “Kein Blankoscheck für Fossile”

    Sollte die EU sich mit dieser Forderung bei den Verhandlungen in Dubai durchsetzen, wäre das Schlupfloch für CCS im Energiesektor deutlich eingeschränkt. CCS werde als Ausnahmeanwendung eingestuft, die nur in bestimmten Sektoren kosteneffizient und sinnvoll sind, analysiert Linda Kalcher, Gründerin und Direktorin des Thinktanks Strategic Perspectives. “So wird den Öl- und Gasunternehmen kein Blankoscheck ausgestellt, um den Emissionsausstoß weiterzubetreiben, wie bisher.” Das sei ein wichtiges Signal an die internationalen Partner und grenze die EU deutlich von der Position der COP-Präsidentschaft ab, so Kalcher.

    Auch die deutsche Sonderbeauftragte für internationale Klimapolitik Jennifer Morgan sprach gegenüber Table.Media von einem Erfolg für ehrgeizigen Klimaschutz. Die EU-Position sei ein klares Signal zum “Übergang zu einer sozial-ökologischen und gerechten” Wirtschaftsweise.

    Außerdem wollen sich die EU-Staaten auf der COP28 dafür einsetzen, dass spätestens Ende der 2030er Jahre weltweit keine neuen Kohlekraftwerke mehr gebaut werden. Auch Subventionen für fossile Brennstoffe sollen eingestellt werden, sofern sie weder Energiearmut bekämpfen noch zu einem gerechten grünen Übergang dienen. Die EU-Verhandlungsposition zur Klimafinanzierung soll am heutigen Dienstag beim Treffen der Wirtschafts- und Finanzminister beschlossen werden.

    Kein neues NDC: Minus 55 Prozent bleibt

    Problematisch für die Klimaverhandlungen auf der COP28 könnte die deutlich abgespeckte Aktualisierung des EU-Klimaziels für 2030 werden. Die europäischen Verhandler werden in Dubai kein höheres Ziel als bisher vorweisen können. Das bei der UN hinterlegte Klimaziel der EU (NDC) bleibt bei einer CO₂-Reduktion bis 2030 von mindestens 55 Prozent im Vergleich zu 1990.

    Immer wieder hatten EU-Vertreter erklärt, nach Abschluss der Verhandlungen des Fit-for-55-Pakets das EU-NDC auf minus 57 Prozent anheben zu wollen. Dazu wird es nun nicht kommen. Zwar wird die EU offiziell ein Update ihres Klimaziels einreichen, jedoch handelt es sich dabei nur um eine zusätzliche Erklärung, durch welche Maßnahmen das bisherige Ziel erreicht werden soll. Von einer Erhöhung des NDC ist nicht die Rede und auch die Zahl 57 taucht nicht in der Erklärung auf. Der grüne Klimapolitiker Michael Bloss warf daher dem neuen EU-Klimakommissar Hoekstra eine “Bruchlandung” vor.

    Viele Länder hätten diese Zahl nicht im Text sehen wollen, begründete Ratspräsidentin und Spaniens Umweltminister Teresa Ribera die ausbleibende Erhöhung. Sie betonte jedoch, dass die EU ihr Klimaziel durch die Maßnahmen von Fit for 55 ihr Klimaziel übererfüllen werde. Dies sei in der Erklärung reflektiert. In Dubai, wo die EU andere Länder zur Erhöhung ihrer Klimaziele auffordern wird, dürfte das allerdings nicht besonders überzeugend wirken. Denn entscheidend dürfte sein, was auf dem Papier steht. Und da steht bei der EU weiterhin eine 55.

    • CCS
    • COP28
    • EU-Klimapolitik
    • Europa
    • Fit for 55
    • Klimapolitik
    • NDC
    Translation missing.

    Weltbank-Reform: Viele Visionen, zu wenig Kapital

    Die Weltbank und der Internationale Währungsfonds (IWF) haben Strukturreformen auf den Weg gebracht, um das internationale Finanzsystem besser auf die Bekämpfung der Klimakrise auszurichten. Bei der jährlichen Herbsttagung im marokkanischen Marrakesch in der vergangenen Woche verkündete vor allem die Weltbank unter ihrem neuen Chef Ajay Banga Maßnahmen, um Armutsbekämpfung und Wirtschaftswachstum besser mit Klimaschutz und Anpassung an den Klimawandel zu vereinbaren. Diese Veränderungen waren von Kritikern lange Zeit gefordert worden und von einigen Ländern wie Deutschland und den USA vorangetrieben worden.

    Entscheidende Weichenstellungen

    Die Weltbank wird entscheidende Weichen neu stellen. Die Details gehen aus dem bislang unveröffentlichten Statement des Vorsitzenden des Entwicklungskomitees von Weltbank und IWF hervor, das Table.Media vorliegt:

    • Die offizielle Mission der Weltbank, “die Armut zu beenden” wird ergänzt durch den Zusatz “auf einem bewohnbaren Planeten”. Diese Mission sei “inklusiv für alle, einschließlich Frauen und junger Menschen”. Entwicklung müsse “widerstandsfähig gegen Schocks” aus den Krisen um Klima, Artenverlust, Pandemien sein und nachhaltig für Wachstum, Jobs, Schuldenmanagement und Ernährungssicherheit sorgen, erklärte Weltbank-Chef Banga.
    • Die Bank bestätigt ihre Entscheidung vom Frühjahr, für eigene Kredite nur noch einen Eigenkapitalanteil von 19 statt 20 Prozent vorzusehen und damit ihr Risiko leicht zu erhöhen. So sollen über einen Zeitraum von zehn Jahren 40 Milliarden Dollar zusätzlich für Klima-Investitionen frei werden.
    • Als neues Instrument richtet die Bank einen “Portfolio Guarantee Mechanismus” ein: Mit ihm können Staaten über Kreditgarantien die Summe vergrößern, die die Weltbank armen Ländern in der Klimakrise zur Verfügung stellt. Die USA etwa wollen so insgesamt 25 Milliarden Dollar mobilisieren, ohne direkt Haushaltsmittel an die Bank zu überweisen. Denn solche Zahlungen sind im US-Kongress extrem umstritten.
    • Ebenfalls neu ist ein Instrument für “hybrides Kapital”, vergleichbar einer Anleihe, mit der Staaten der Weltbank Kapital für Klima-Investitionen zur Verfügung stellen können. Deutschland hat angekündigt, als Vorreiter dafür 305 Millionen Euro zur Verfügung zu stellen, mit denen über zehn Jahre bis zu 2,4 Milliarden “gehebelt” werden sollen.
    • Die Bank lädt nun auch Regierungen und private Mäzene dazu ein, ihren “Global Public Goods Fund” für verbilligte Kredite in Klima und Biodiversität mit aufzufüllen. Der Topf soll in “Livable Planet Fund” umbenannt werden.
    • Die Weltbank richtet als Pilotversuch eine “Climate Resilient Debt Clause” ein, nach der die ärmsten Staaten bei akuten Klimaschäden die Rückzahlung von Schulden aussetzen können.
    • Insgesamt soll die Bank neue Regeln für die Kreditvergaben erarbeiten, um den Schutz von globalen Gütern voranzubringen, auch wenn das erst langfristig im Interesse der jeweiligen Kreditnehmer unter den Entwicklungsländern sein sollte: Kredite könnten demnach länger laufen, mehr Volumen haben oder zu günstigeren Zinsen ausgegeben werden.

    Kein Konsens für Kapitalerhöhung

    Viele der Ideen entspringen einem Dilemma: Die Weltbank will keine Kapitalerhöhung von ihren Anteilseignern, den Staaten, verlangen: Denn die angespannten nationalen Budgets, die geopolitische Konkurrenz zwischen den USA und China und allgemein zwischen den Industrie- und Schwellenländern und der Ukraine-Konflikt machen ein einheitliches Vorgehen schwierig. Außerdem würden einseitige Aufstockungen des Kapitals die Stimmverhältnisse zwischen den Staaten verschieben.

    Dennoch machte Weltbank-Chef Banga deutlich, dass seine Bank jenseits der bisher etwa 100 Milliarden Dollar pro Jahr für Entwicklungsprojekte dringend mehr Kapital braucht: Das Wirtschaftswachstum weltweit sei in den letzten Jahrzehnten von sechs auf fünf Prozent jährlich gefallen und werde perspektivisch weiter auf vier Prozent sinken: “Mit jedem verlorenen Prozent werden 100 Millionen Menschen in die Armut und weitere 50 Millionen in extreme Armut gezogen.” Er versprach eine “bessere und größere Bank”, die sich auch gegen die finanziellen Folgen von Umweltschäden (laut Banga sechs Billionen Dollar jährlich) und gegen umweltschädliche Subventionen engagieren werde. Außerdem soll die Bank einen internationalen Kohlenstoffmarkt vorantreiben.

    Bundesentwicklungsministerin Svenja Schule wiederum versprach, den Blick auch auf andere Entwicklungsbanken und das gesamte Finanzsystem zu richten: “Die Entwicklung zeigt, dass sich globale Institutionen wie die Weltbank reformieren können. Im 21. Jahrhundert kann man Armut nicht mehr bekämpfen, ohne die natürlichen Lebensgrundlagen zu schützen.”

    Die Umwelt- und Entwicklungsorganisation Germanwatch lobte eine “deutliche Richtungsänderung” für mehr Klimaschutz, Ernährungssicherheit, Digitalisierung und Gesundheit bei der Weltbank. Deutschland und andere Staaten müssten nun dafür sorgen, dass die Versprechen umgesetzt würden und etwa auch bei der deutschen KfW gelten. Allerdings seien nötige Veränderungen in den Entscheidungsstrukturen von Bank und IWF zu kurz gekommen, hieß es.

    IWF will kurzfristig höhere Quoten zulassen

    Auch beim Weltwährungsfonds IWF steht ein Umbau zu mehr Klimaschutz auf der Tagesordnung: So fordert etwa die “Bridgetown Initative” der Premierministerin von Barbados, Mia Mottley, die Industriestaaten sollten Sonderziehungsrechte (SZR) für Investitionen in Klimaschutz bereitstellen.

    Der IWF kam in dieser Frage nicht zu einer einheitlichen Regelung, sondern zu schrittweisen Fortschritten. Das System der Quoten-Zuteilung an bestimmte Länder im IWF soll überarbeitet werden. Bis zum Abschluss dieses Prozesses solle die IWF-Führung laut Abschlussdokument “Übergangs-Arrangements” treffen können. Das heißt: Die Länder können nun über “Ad-hoc”-Erhöhungen ihrer Quoten mehr Kapital für Klimafragen bereitstellen, wenn sie es wollen. Das wird für die EU und Deutschland allerdings kaum zutreffen: die Europäische Zentralbank und die Bundesbank wehren sich gegen diesen Schritt, weil sie unabhängig von der Politik sind. Deutschland hat daher direkte Haushaltsmittel an den IWF überwiesen.

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