endlich ist sie da, die “Klimaaußenpolitikstrategie” der Bundesregierung. Fast so lang wie das Wort ist, haben viele Leute auf dieses umfassende Konzept gewartet. Zum ersten Mal bündelt damit ein wichtiges Industrieland und ein Vorreiter in der internationalen Klimapolitik seine Politikfelder, Wirtschaft und zivilgesellschaftliches Engagement rund um das Thema Klima.
Der Zeitpunkt ist gut gewählt: Denn jetzt, wo bei der COP28 in Dubai die technischen Verhandlungen abgeschlossen werden, arbeitet die deutsche Delegation rund um die Uhr. Schließlich hat sich für Donnerstag – der hier offiziell Ruhetag heißt, hahaha – Außenministerin Annalena Baerbock angekündigt. Ab dann wird die ausgewiesene COP-Expertin die Verhandlungen in die Hand nehmen.
Und muss gleich aufpassen, wie sie beim heißesten Eisen der Konferenz dasteht: Denn zum Ausstieg aus den fossilen Energien, den Deutschland hier ohne Wenn und Aber fordert, steht in der brandneuen Klimaaußenpolitikstrategie ihrer Regierung ein riesengroßes Wenn und Aber: Gefordert wird dort in der Zusammenfassung nur der Ausstieg aus “fossilen Energien ohne CO₂-Abscheidung” – genau die Formulierung, die die Deutschen und ihre Partner in Dubai wegverhandeln wollen.
Sie können sich denken: Die nächsten Tage werden spannend. Wir bleiben für Sie dabei.
Deutschland will in Zukunft seine gesamte außenpolitische Arbeit auf die Eindämmung des Klimawandels und die Bewältigung seiner Folgen ausrichten. Mit einer neuen ressortübergreifenden “Klimaaußenpolitikstrategie”, die am Mittwoch vom Bundeskabinett verabschiedet wurde, will die Ampelregierung die Ziele von Diplomatie, Klimaschutz, Wirtschaft und zivilgesellschaftlicher Entwicklung verschränken. Allerdings enthält die Strategie Formulierungen, die die Bemühungen der deutschen Delegation um einen fossilen Ausstieg auf der COP28 konterkarieren.
“Wir wollen alle Foren, Instrumente und Hebel der Außen-, Entwicklungs-, Sicherheits-, Außenwirtschafts-, Handels- und internationalen Finanz-, Umwelt-, Wirtschafts-, Sozial-, Gesundheits-, Land- und Forstwirtschafts-, sowie Forschungs- und Bildungspolitik nutzen, um die sozial-ökologische Transformation in eine klimaneutrale Zukunft voranzubringen”, heißt es im Konzept.
In einem wichtigen Punkt widerspricht die Strategie jedoch der deutschen Position auf der COP28: bei der Rolle von CCS bei einem angestrebten Ausstieg aus den Fossilen.
Denn gleich am Beginn der Strategie heißt es: “Wir beschleunigen die globale Energiewende, um schrittweise aus den fossilen Energien ohne CO₂-Abscheidung im Einklang mit dem 1,5-Grad-Pfad auszusteigen.” Der Begriff “fossile Energien ohne CO₂-Abscheidung” bedeutet: Ausstieg nur aus Energien, die nicht CCS/CCU nutzen. Diese Position aber, aus “unabated fossil fuels” auszusteigen, ist die Haltung von fossilen Staaten und Gas- und Ölindustrie, gegen die Deutschland unter Führung von Klima-Staatsekretärin Jennifer Morgan auf der COP28 kämpft.
Tatsächlich findet sich im hinteren Teil der Strategie durchaus auch Verweise auf die härtere EU-Position, die den Einsatz von CCS auf Sektoren beschränkt, die schwer zu dekarbonisieren sind. Und für die Stromwirtschaft fordert die deutsche Regierung wie die EU einen “schrittweisen Übergang zu einem Energiesektor überwiegend frei von fossilen Brennstoffen“. Doch die Zusammenfassung der “Klimaaußenpolitikstrategie” nutzt in der englischen Kurzversion den Begriff “phase out unabated fossil fuels” – exakt die Sprache, die auf der COP28 für Deutschland, die EU und eine Koalition aus Vorreiterstaaten inakzeptabel ist. Das wurde Table Media auch aus der Delegation bestätigt.
Hinter den verschiedenen Formulierungen verbirgt sich ein Streit in der Bundesregierung über die Anwendung von CCU/CCS. Schon früher hat diese interne Debatte dazu geführt, dass Bundeskanzler Olaf Scholz eine Erklärung der “High Ambition Coalition” (HAC) beim UN-Klimagipfel im September nicht unterzeichnet hat. Die “Klimaaußenpolitikstrategie” brauchte für die Abstimmung zwischen den Ressorts deutlich länger als geplant.
Die Strategie kommt zur Halbzeit der COP28 in Dubai, wo am Donnerstagabend auch Außenministerin Annalena Baerbock für die entscheidende zweite Woche der Verhandlungen erwartet wird. Das Konzept folgt auf die Sicherheits- und Chinastrategie der Bundesregierung und soll zeigen, dass die Bundesregierung bei diesem Thema zumindest außenpolitisch an einem Strang zieht.
Die Klimaaußenpolitikstrategie der Bundesregierung definiert sechs Prioritäten der deutschen Anstrengungen in der Welt:
Diese “umfassendste Klimaaußenpolitikstrategie aller Staaten”, wie sie Jennifer Morgan bezeichnete, soll auch in der Organisation der Regierungsarbeit einiges verändern:
Die Strategie setzt aber nicht nur auf “soft power”. Sie erklärt zudem, die “Transformation Richtung Klimaneutralität” sei auch eine “Neuvermessung ökonomischer Stärke”. Deutschland werde sich deshalb für UN-Mechanismen dazu einsetzen, das Thema bei G7, G20, Uno, Nato und OSZE vorantreiben. Außerdem lehnt sie die geopolitisch umstrittene Manipulation der Sonneneinstrahlung (SRM) ab. Die Regierung hat zum Klimathema eine Einschätzung des Bundesnachrichtendienstes angefordert. Das klimapolitische Engagement soll auch als Argument für die geplante Bewerbung Deutschlands um einen Sitz im UN-Sicherheitsrat 2026/27 dienen. Und besonderes Augenmerk soll die neue umfassende Klimapolitik auf die “Östliche Partnerschaft, den Westbalkan, das östliche Mittelmeer und die MENA-Region” legen – wo in der EU-Nachbarschaft die “eigenen Energiesysteme anschließen”.
Schließlich setzt die Strategie zwar vor allem auf Dialog und Austausch – aber die Klimapolitik soll auch ein Mittel sein, um mit Ländern in Kontakt zu kommen, bei denen es eventuell laut Sicherheits- und Chinastrategie sonst schwieriger ist: “Klimazusammenarbeit kann gerade auch im Dialog mit globalen Partnern, die nicht alle unsere Werte teilen, oft Teil einer Positivagenda sein und kann Brücken bauen“, heißt es.
Vorsichtig ist die Strategie beim Thema Subventionen: Während in Deutschland in der Suche nach Finanzierung für den Bundeshaushalt auch die Streichung von Subventionen debattiert wird, bleibt die Klimaaußenpolitikstrategie bei dem Thema vage: Man verfolge das Ziel, “unsere im Rahmen der G7 getätigte Zusage zum Abbau ineffizienter (klimaschädlicher) Subventionen bis 2025 umzusetzen”, schreiben die Autoren. Weitere und überraschende Schritte, die manche Klimaschützer auf der COP28 als deutliche Signale bei der Reform der globalen Finanzströme erhofft hatten, sind im Papier nicht vorgesehen.
Für Jule Könnike von der “Stiftung Wissenschaft und Politik” liefert das Konzept einen “strategischen und kohärenten Rahmen, der alle Facetten der Außenpolitik integriert”. Die Frontstellungen auf der COP zeigten die Notwendigkeit, Geopolitik, Handelsfragen und Klima zusammenzudenken. “Das ist genau das, was Klimaaußenpolitik leisten kann: Sie ist eine Chance, Maßnahmen wie den CBAM mit diplomatischen Bemühungen zu ergänzen und die Bereitschaft zur Zusammenarbeit und Unterstützung zu kommunizieren, sodass die Entfremdung von Partnern und eine weitere Polarisierung der Verhandlungen verhindert werden kann.”
Für Sabine Minninger, Klimaexpertin von “Brot für die Welt”, ist die Strategie notwendig, um “die Bedürfnisse gerade der ärmsten Bevölkerungsgruppen in den Fokus” zu nehmen. “Alle Ministerien, die sich beteiligt haben, müssen nun auch Nägel mit Köpfen machen”, fordert sie. “Das heißt, sie müssen sich auch finanziell an der Umsetzung der Strategie beteiligen und zusätzliche Klimafinanzierung bereitstellen.”
endlich ist sie da, die “Klimaaußenpolitikstrategie” der Bundesregierung. Fast so lang wie das Wort ist, haben viele Leute auf dieses umfassende Konzept gewartet. Zum ersten Mal bündelt damit ein wichtiges Industrieland und ein Vorreiter in der internationalen Klimapolitik seine Politikfelder, Wirtschaft und zivilgesellschaftliches Engagement rund um das Thema Klima.
Der Zeitpunkt ist gut gewählt: Denn jetzt, wo bei der COP28 in Dubai die technischen Verhandlungen abgeschlossen werden, arbeitet die deutsche Delegation rund um die Uhr. Schließlich hat sich für Donnerstag – der hier offiziell Ruhetag heißt, hahaha – Außenministerin Annalena Baerbock angekündigt. Ab dann wird die ausgewiesene COP-Expertin die Verhandlungen in die Hand nehmen.
Und muss gleich aufpassen, wie sie beim heißesten Eisen der Konferenz dasteht: Denn zum Ausstieg aus den fossilen Energien, den Deutschland hier ohne Wenn und Aber fordert, steht in der brandneuen Klimaaußenpolitikstrategie ihrer Regierung ein riesengroßes Wenn und Aber: Gefordert wird dort in der Zusammenfassung nur der Ausstieg aus “fossilen Energien ohne CO₂-Abscheidung” – genau die Formulierung, die die Deutschen und ihre Partner in Dubai wegverhandeln wollen.
Sie können sich denken: Die nächsten Tage werden spannend. Wir bleiben für Sie dabei.
Deutschland will in Zukunft seine gesamte außenpolitische Arbeit auf die Eindämmung des Klimawandels und die Bewältigung seiner Folgen ausrichten. Mit einer neuen ressortübergreifenden “Klimaaußenpolitikstrategie”, die am Mittwoch vom Bundeskabinett verabschiedet wurde, will die Ampelregierung die Ziele von Diplomatie, Klimaschutz, Wirtschaft und zivilgesellschaftlicher Entwicklung verschränken. Allerdings enthält die Strategie Formulierungen, die die Bemühungen der deutschen Delegation um einen fossilen Ausstieg auf der COP28 konterkarieren.
“Wir wollen alle Foren, Instrumente und Hebel der Außen-, Entwicklungs-, Sicherheits-, Außenwirtschafts-, Handels- und internationalen Finanz-, Umwelt-, Wirtschafts-, Sozial-, Gesundheits-, Land- und Forstwirtschafts-, sowie Forschungs- und Bildungspolitik nutzen, um die sozial-ökologische Transformation in eine klimaneutrale Zukunft voranzubringen”, heißt es im Konzept.
In einem wichtigen Punkt widerspricht die Strategie jedoch der deutschen Position auf der COP28: bei der Rolle von CCS bei einem angestrebten Ausstieg aus den Fossilen.
Denn gleich am Beginn der Strategie heißt es: “Wir beschleunigen die globale Energiewende, um schrittweise aus den fossilen Energien ohne CO₂-Abscheidung im Einklang mit dem 1,5-Grad-Pfad auszusteigen.” Der Begriff “fossile Energien ohne CO₂-Abscheidung” bedeutet: Ausstieg nur aus Energien, die nicht CCS/CCU nutzen. Diese Position aber, aus “unabated fossil fuels” auszusteigen, ist die Haltung von fossilen Staaten und Gas- und Ölindustrie, gegen die Deutschland unter Führung von Klima-Staatsekretärin Jennifer Morgan auf der COP28 kämpft.
Tatsächlich findet sich im hinteren Teil der Strategie durchaus auch Verweise auf die härtere EU-Position, die den Einsatz von CCS auf Sektoren beschränkt, die schwer zu dekarbonisieren sind. Und für die Stromwirtschaft fordert die deutsche Regierung wie die EU einen “schrittweisen Übergang zu einem Energiesektor überwiegend frei von fossilen Brennstoffen“. Doch die Zusammenfassung der “Klimaaußenpolitikstrategie” nutzt in der englischen Kurzversion den Begriff “phase out unabated fossil fuels” – exakt die Sprache, die auf der COP28 für Deutschland, die EU und eine Koalition aus Vorreiterstaaten inakzeptabel ist. Das wurde Table Media auch aus der Delegation bestätigt.
Hinter den verschiedenen Formulierungen verbirgt sich ein Streit in der Bundesregierung über die Anwendung von CCU/CCS. Schon früher hat diese interne Debatte dazu geführt, dass Bundeskanzler Olaf Scholz eine Erklärung der “High Ambition Coalition” (HAC) beim UN-Klimagipfel im September nicht unterzeichnet hat. Die “Klimaaußenpolitikstrategie” brauchte für die Abstimmung zwischen den Ressorts deutlich länger als geplant.
Die Strategie kommt zur Halbzeit der COP28 in Dubai, wo am Donnerstagabend auch Außenministerin Annalena Baerbock für die entscheidende zweite Woche der Verhandlungen erwartet wird. Das Konzept folgt auf die Sicherheits- und Chinastrategie der Bundesregierung und soll zeigen, dass die Bundesregierung bei diesem Thema zumindest außenpolitisch an einem Strang zieht.
Die Klimaaußenpolitikstrategie der Bundesregierung definiert sechs Prioritäten der deutschen Anstrengungen in der Welt:
Diese “umfassendste Klimaaußenpolitikstrategie aller Staaten”, wie sie Jennifer Morgan bezeichnete, soll auch in der Organisation der Regierungsarbeit einiges verändern:
Die Strategie setzt aber nicht nur auf “soft power”. Sie erklärt zudem, die “Transformation Richtung Klimaneutralität” sei auch eine “Neuvermessung ökonomischer Stärke”. Deutschland werde sich deshalb für UN-Mechanismen dazu einsetzen, das Thema bei G7, G20, Uno, Nato und OSZE vorantreiben. Außerdem lehnt sie die geopolitisch umstrittene Manipulation der Sonneneinstrahlung (SRM) ab. Die Regierung hat zum Klimathema eine Einschätzung des Bundesnachrichtendienstes angefordert. Das klimapolitische Engagement soll auch als Argument für die geplante Bewerbung Deutschlands um einen Sitz im UN-Sicherheitsrat 2026/27 dienen. Und besonderes Augenmerk soll die neue umfassende Klimapolitik auf die “Östliche Partnerschaft, den Westbalkan, das östliche Mittelmeer und die MENA-Region” legen – wo in der EU-Nachbarschaft die “eigenen Energiesysteme anschließen”.
Schließlich setzt die Strategie zwar vor allem auf Dialog und Austausch – aber die Klimapolitik soll auch ein Mittel sein, um mit Ländern in Kontakt zu kommen, bei denen es eventuell laut Sicherheits- und Chinastrategie sonst schwieriger ist: “Klimazusammenarbeit kann gerade auch im Dialog mit globalen Partnern, die nicht alle unsere Werte teilen, oft Teil einer Positivagenda sein und kann Brücken bauen“, heißt es.
Vorsichtig ist die Strategie beim Thema Subventionen: Während in Deutschland in der Suche nach Finanzierung für den Bundeshaushalt auch die Streichung von Subventionen debattiert wird, bleibt die Klimaaußenpolitikstrategie bei dem Thema vage: Man verfolge das Ziel, “unsere im Rahmen der G7 getätigte Zusage zum Abbau ineffizienter (klimaschädlicher) Subventionen bis 2025 umzusetzen”, schreiben die Autoren. Weitere und überraschende Schritte, die manche Klimaschützer auf der COP28 als deutliche Signale bei der Reform der globalen Finanzströme erhofft hatten, sind im Papier nicht vorgesehen.
Für Jule Könnike von der “Stiftung Wissenschaft und Politik” liefert das Konzept einen “strategischen und kohärenten Rahmen, der alle Facetten der Außenpolitik integriert”. Die Frontstellungen auf der COP zeigten die Notwendigkeit, Geopolitik, Handelsfragen und Klima zusammenzudenken. “Das ist genau das, was Klimaaußenpolitik leisten kann: Sie ist eine Chance, Maßnahmen wie den CBAM mit diplomatischen Bemühungen zu ergänzen und die Bereitschaft zur Zusammenarbeit und Unterstützung zu kommunizieren, sodass die Entfremdung von Partnern und eine weitere Polarisierung der Verhandlungen verhindert werden kann.”
Für Sabine Minninger, Klimaexpertin von “Brot für die Welt”, ist die Strategie notwendig, um “die Bedürfnisse gerade der ärmsten Bevölkerungsgruppen in den Fokus” zu nehmen. “Alle Ministerien, die sich beteiligt haben, müssen nun auch Nägel mit Köpfen machen”, fordert sie. “Das heißt, sie müssen sich auch finanziell an der Umsetzung der Strategie beteiligen und zusätzliche Klimafinanzierung bereitstellen.”