es war ein zentrales Vorhaben der Ampel-Koalition, von dem die Staatsfinanzen und das Klima gleichzeitig profitieren sollten: der Abbau sogenannter klimaschädlicher Subventionen. Schon im Koalitionsvertrag hatten SPD, Grüne und FDP festgelegt, dass sie “zusätzliche Haushaltsspielräume” gewinnen wollten, indem “umwelt- und klimaschädliche Subventionen” abgebaut werden. Doch passiert ist in den ersten drei Jahren der Regierung fast nichts dergleichen – auch weil eine wichtige Datengrundlage fehlte.
Das wollte das BMWK ändern: Sechs Forschungsinstitute sollten in einer umfangreichen Studie ermitteln, welche Subventionen und Vergünstigungen welche Wirkungen aufs Klima haben. Seit November liegt ihr Bericht vor – doch veröffentlicht wird er erst an diesem Montag. Dass er nicht früher publiziert wurde, dürfte damit zusammenhängen, dass die Ergebnisse viel Konfliktpotential bergen: Die größten Einspareffekte entfallen sowohl beim Geld als auch bei den Emissionen auf den Verkehrssektor – doch die Chancen, dass die FDP einer Abschaffung der Steuervorteile für Dieselfahrzeuge, Dienstwagen oder Flugtickets zustimmt, dürften minimal sein.
Die Ergebnisse sind sehr interessant – auch wenn sich die Hoffnung der Autoren, dass die Studie die Grundlage für “politische Maßnahmen” bildet, in dieser Legislaturperiode kaum mehr erfüllen dürfte. Wir konnten sie vorab einsehen und stellen die wichtigsten Inhalte in diesem Table.Alert für Sie zusammen.
Wir wünschen eine anregende Lektüre!
Im Jahr 2020 trieben in Deutschland Subventionen oder Steuererleichterungen von mindestens 35,8 Milliarden Euro die Treibhausgas-Emissionen in die Höhe. Wenn diese Begünstigungen bestehen bleiben, würden sie zwischen 2023 und 2030 zusätzlich etwa 156 Millionen Tonnen CO₂-Emissionen bewirken. Andererseits sorgen andere Staatshilfen dafür, dass im gleichen Zeitraum die Emissionen um etwa 250 Millionen Tonnen sinken. Das ist ein Ergebnis einer umfassenden Studie im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK), die zum ersten Mal einen detaillierten Überblick darüber gibt, wie Staatshilfen die deutschen Emissionen gleichzeitig antreiben und drosseln.
Die Studie “Quantifizierung der Treibhauswirkung von staatlichen Begünstigungen in Deutschland” wurde erstellt von sechs Instituten: IREES, Prognos, GWS, Fraunhofer ISI, Ifeu und dem Öko-Institut, bei dem die Federführung lag. Inhaltlich fertiggestellt wurde die Studie nach Aussage von Autoren bereits im November 2023, doch veröffentlicht wird sie durch das Öko-Institut erst an diesem Montag. Das BMWK als Auftraggeber erklärte, es habe noch Diskussionsbedarf zu einigen Begriffen gegeben.
Die Deutsche Umwelthilfe, die zuvor erfolglos versucht hatte, die Studie unter Berufung auf das Informationsfreiheitsgesetz zu erhalten, reagierte empört auf diese Verzögerung. “In der neusten Haushaltseinigung muss die Bahn erneut herbe finanzielle Einbußen hinnehmen”, sagte Geschäftsführer Jürgen Resch Table.Briefings. “Dabei liegen die Möglichkeiten, Geld zu sparen und gleichzeitig Klimaschutz zu betreiben, den Ministern seit Monaten vor.”
Laut der Studie von 155 Seiten, die Table.Briefings exklusiv vorab vorliegt, verteilten sich 2020 die “staatlichen Begünstigungen mit klimaschädlicher Wirkung” mit einer Gesamtsumme von 35,8 Milliarden Euro folgendermaßen auf die einzelnen Sektoren:
Die Autoren warnen, normalerweise seien die Summen noch größer. Weil 2020 durch die Corona-Pandemie die Wirtschafts- und Reisetätigkeit gering war, sei zu beachten, dass “die Mindereinnahmen bzw. Haushaltsmittel für die gleichen staatlichen Begünstigungen mit klimaschädlicher Wirkung und weiteren Maßnahmen in anderen Jahren als 2020 höher gewesen sind”.
Das deutsche Klimaziel ist bis 2030 eine Reduktion um 65 Prozent der Treibhausgasemissionen gegenüber 1990. Im Frühjahr hatte Klimaschutzminister Robert Habeck erklärt, dieses Ziel sei “greifbar”: Die “Klimaschutzlücke”, die die Ampel bei Amtsantritt vorgefunden hatte, werde “2030 vollständig geschlossen, wenn Deutschland Kurs hält.” Der Expertenrat der Bundesregierung für Klimafragen hatte dagegen im Juni mit Verweis auf Kürzungen im Haushalt darauf hingewiesen, dass “nicht von einer Zielerreichung ausgegangen werden sollte”.
Laut der Untersuchung entstehen bis 2030 “ohne Berücksichtigung von Wechselwirkungen 156 Mio t CO2e zusätzlich durch staatliche Begünstigungen mit klimaschädlicher Wirkung”. Das sei allerdings nur ein “grober Orientierungswert”, weil in einem “kontrafaktischen Szenario” Wechselwirkungen beim Wegfall aller staatlichen Begünstigungen schwer zu kalkulieren seien. Auch macht die Studie ausdrücklich keine Reformvorschläge und berücksichtigt nicht das Problem von “Carbon Leakage”: Sie listet also etwa alle Subventionen für die fossile Energiewirtschaft als klimaschädlich auf – ohne zu diskutieren, dass der Verlust dieser Hilfen und ein mögliches Abwandern der klimaschädlichen Produktion ins Ausland global gesehen die CO₂-Emissionen nicht im gleichen Maße senken würde.
Die Untersuchung erfüllt eine Aufgabe des Ampel-Koalitionsvertrags, mehr finanziellen Spielraum zu gewinnen durch den Abbau von “überflüssigen, unwirksamen und umwelt- und klimaschädlichen Subventionen und Ausgaben”. Außerdem hat sich Deutschland wie die anderen G7-Staaten verpflichtet, spätestens 2025 seine “ineffizienten fossilen Subventionen” zu beenden. Allerdings kommen die aktuellen Daten nun erst an die Öffentlichkeit, nachdem der letzte Haushalt der Ampelkoalition vorgelegt wurde. In den Debatten hat die Streichung von klimaschädlichen Subventionen bisher kaum eine Rolle gespielt. Das aktuelle Gutachten bietet für die kommenden Haushaltsberatungen im Bundestag dennoch die Möglichkeit, genau zu beurteilen, wie die Vergabe von staatlichen Hilfen auf die Klimabilanz und das staatliche Ziel zur Klimaneutralität 2045 einzahlt.
Mit dem Ergebnis von etwa 35,8 Milliarden Euro für klimaschädliche Begünstigungen liegt das Gutachten etwa in der Mitte von bereits debattierten Zahlen zu dem Thema: So führt der 28. Subventionsbericht der Bundesregierung von 2021 nur etwa 7,4 Milliarden Euro an Beihilfen als “emissionsbegünstigend” nach Definition des neuen Gutachtens an – und stellt ihnen die Summe von 6,7 Milliarden Euro an “emissionsmindernden” Zahlungen entgegen. Das Umweltbundesamt wiederum nennt in seinem Bericht zu “umweltschädlichen Subventionen” für das Jahr 2018 die Zahl von mindestens 65 Milliarden Euro – rechnet aber auch alle Umweltschäden ein, die nicht nur das Klima betreffen.
Die aktuelle Studie ermittelt nun erstmals im Detail auch die Klimawirkung dieser Maßnahmen. Die “klimaschädlichsten staatlichen Begünstigungen” sind demnach in kumulierten CO₂-Emissionen von 2023 bis 2030:
Die Daten zeigten, dass “die stärksten Emissionen durch staatliche Strom- und Energiebegünstigungen verursacht werden”, schreiben die Autorinnen und Autoren. Diese Begünstigungen könnten aber “aus vielen verschiedenen Gründen bestehen, wie z. B. Wertschöpfung, soziale Aspekte oder Versorgungssicherheit“, und bei Änderungen könne “die Gefahr von Carbon Leakage bestehen”.
Auch beim Verzicht auf staatliche Einnahmen aus klimaschädlichem Verhalten gibt es große Unterschiede. Solche indirekten Subventionen entfallen nach den Schätzungen für 2020 am meisten auf folgende Maßnahmen:
Die Studie listet aber auch auf, wo staatliche Hilfen bis 2030 zur Senkung der CO₂-Emissionen beitragen werden. Die größten Posten zugunsten des Klimaschutzes sind:
Wie groß die staatlichen Vergünstigungen für diese Art von Klimaschutz waren, wurde in der Studie allerdings nicht erhoben. Außerdem konnten bei mehr als einem Drittel aller Maßnahmen aus Mangel an Daten die “kumulierte Treibhauswirkung nicht quantifiziert werden”, heißt es.
es war ein zentrales Vorhaben der Ampel-Koalition, von dem die Staatsfinanzen und das Klima gleichzeitig profitieren sollten: der Abbau sogenannter klimaschädlicher Subventionen. Schon im Koalitionsvertrag hatten SPD, Grüne und FDP festgelegt, dass sie “zusätzliche Haushaltsspielräume” gewinnen wollten, indem “umwelt- und klimaschädliche Subventionen” abgebaut werden. Doch passiert ist in den ersten drei Jahren der Regierung fast nichts dergleichen – auch weil eine wichtige Datengrundlage fehlte.
Das wollte das BMWK ändern: Sechs Forschungsinstitute sollten in einer umfangreichen Studie ermitteln, welche Subventionen und Vergünstigungen welche Wirkungen aufs Klima haben. Seit November liegt ihr Bericht vor – doch veröffentlicht wird er erst an diesem Montag. Dass er nicht früher publiziert wurde, dürfte damit zusammenhängen, dass die Ergebnisse viel Konfliktpotential bergen: Die größten Einspareffekte entfallen sowohl beim Geld als auch bei den Emissionen auf den Verkehrssektor – doch die Chancen, dass die FDP einer Abschaffung der Steuervorteile für Dieselfahrzeuge, Dienstwagen oder Flugtickets zustimmt, dürften minimal sein.
Die Ergebnisse sind sehr interessant – auch wenn sich die Hoffnung der Autoren, dass die Studie die Grundlage für “politische Maßnahmen” bildet, in dieser Legislaturperiode kaum mehr erfüllen dürfte. Wir konnten sie vorab einsehen und stellen die wichtigsten Inhalte in diesem Table.Alert für Sie zusammen.
Wir wünschen eine anregende Lektüre!
Im Jahr 2020 trieben in Deutschland Subventionen oder Steuererleichterungen von mindestens 35,8 Milliarden Euro die Treibhausgas-Emissionen in die Höhe. Wenn diese Begünstigungen bestehen bleiben, würden sie zwischen 2023 und 2030 zusätzlich etwa 156 Millionen Tonnen CO₂-Emissionen bewirken. Andererseits sorgen andere Staatshilfen dafür, dass im gleichen Zeitraum die Emissionen um etwa 250 Millionen Tonnen sinken. Das ist ein Ergebnis einer umfassenden Studie im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK), die zum ersten Mal einen detaillierten Überblick darüber gibt, wie Staatshilfen die deutschen Emissionen gleichzeitig antreiben und drosseln.
Die Studie “Quantifizierung der Treibhauswirkung von staatlichen Begünstigungen in Deutschland” wurde erstellt von sechs Instituten: IREES, Prognos, GWS, Fraunhofer ISI, Ifeu und dem Öko-Institut, bei dem die Federführung lag. Inhaltlich fertiggestellt wurde die Studie nach Aussage von Autoren bereits im November 2023, doch veröffentlicht wird sie durch das Öko-Institut erst an diesem Montag. Das BMWK als Auftraggeber erklärte, es habe noch Diskussionsbedarf zu einigen Begriffen gegeben.
Die Deutsche Umwelthilfe, die zuvor erfolglos versucht hatte, die Studie unter Berufung auf das Informationsfreiheitsgesetz zu erhalten, reagierte empört auf diese Verzögerung. “In der neusten Haushaltseinigung muss die Bahn erneut herbe finanzielle Einbußen hinnehmen”, sagte Geschäftsführer Jürgen Resch Table.Briefings. “Dabei liegen die Möglichkeiten, Geld zu sparen und gleichzeitig Klimaschutz zu betreiben, den Ministern seit Monaten vor.”
Laut der Studie von 155 Seiten, die Table.Briefings exklusiv vorab vorliegt, verteilten sich 2020 die “staatlichen Begünstigungen mit klimaschädlicher Wirkung” mit einer Gesamtsumme von 35,8 Milliarden Euro folgendermaßen auf die einzelnen Sektoren:
Die Autoren warnen, normalerweise seien die Summen noch größer. Weil 2020 durch die Corona-Pandemie die Wirtschafts- und Reisetätigkeit gering war, sei zu beachten, dass “die Mindereinnahmen bzw. Haushaltsmittel für die gleichen staatlichen Begünstigungen mit klimaschädlicher Wirkung und weiteren Maßnahmen in anderen Jahren als 2020 höher gewesen sind”.
Das deutsche Klimaziel ist bis 2030 eine Reduktion um 65 Prozent der Treibhausgasemissionen gegenüber 1990. Im Frühjahr hatte Klimaschutzminister Robert Habeck erklärt, dieses Ziel sei “greifbar”: Die “Klimaschutzlücke”, die die Ampel bei Amtsantritt vorgefunden hatte, werde “2030 vollständig geschlossen, wenn Deutschland Kurs hält.” Der Expertenrat der Bundesregierung für Klimafragen hatte dagegen im Juni mit Verweis auf Kürzungen im Haushalt darauf hingewiesen, dass “nicht von einer Zielerreichung ausgegangen werden sollte”.
Laut der Untersuchung entstehen bis 2030 “ohne Berücksichtigung von Wechselwirkungen 156 Mio t CO2e zusätzlich durch staatliche Begünstigungen mit klimaschädlicher Wirkung”. Das sei allerdings nur ein “grober Orientierungswert”, weil in einem “kontrafaktischen Szenario” Wechselwirkungen beim Wegfall aller staatlichen Begünstigungen schwer zu kalkulieren seien. Auch macht die Studie ausdrücklich keine Reformvorschläge und berücksichtigt nicht das Problem von “Carbon Leakage”: Sie listet also etwa alle Subventionen für die fossile Energiewirtschaft als klimaschädlich auf – ohne zu diskutieren, dass der Verlust dieser Hilfen und ein mögliches Abwandern der klimaschädlichen Produktion ins Ausland global gesehen die CO₂-Emissionen nicht im gleichen Maße senken würde.
Die Untersuchung erfüllt eine Aufgabe des Ampel-Koalitionsvertrags, mehr finanziellen Spielraum zu gewinnen durch den Abbau von “überflüssigen, unwirksamen und umwelt- und klimaschädlichen Subventionen und Ausgaben”. Außerdem hat sich Deutschland wie die anderen G7-Staaten verpflichtet, spätestens 2025 seine “ineffizienten fossilen Subventionen” zu beenden. Allerdings kommen die aktuellen Daten nun erst an die Öffentlichkeit, nachdem der letzte Haushalt der Ampelkoalition vorgelegt wurde. In den Debatten hat die Streichung von klimaschädlichen Subventionen bisher kaum eine Rolle gespielt. Das aktuelle Gutachten bietet für die kommenden Haushaltsberatungen im Bundestag dennoch die Möglichkeit, genau zu beurteilen, wie die Vergabe von staatlichen Hilfen auf die Klimabilanz und das staatliche Ziel zur Klimaneutralität 2045 einzahlt.
Mit dem Ergebnis von etwa 35,8 Milliarden Euro für klimaschädliche Begünstigungen liegt das Gutachten etwa in der Mitte von bereits debattierten Zahlen zu dem Thema: So führt der 28. Subventionsbericht der Bundesregierung von 2021 nur etwa 7,4 Milliarden Euro an Beihilfen als “emissionsbegünstigend” nach Definition des neuen Gutachtens an – und stellt ihnen die Summe von 6,7 Milliarden Euro an “emissionsmindernden” Zahlungen entgegen. Das Umweltbundesamt wiederum nennt in seinem Bericht zu “umweltschädlichen Subventionen” für das Jahr 2018 die Zahl von mindestens 65 Milliarden Euro – rechnet aber auch alle Umweltschäden ein, die nicht nur das Klima betreffen.
Die aktuelle Studie ermittelt nun erstmals im Detail auch die Klimawirkung dieser Maßnahmen. Die “klimaschädlichsten staatlichen Begünstigungen” sind demnach in kumulierten CO₂-Emissionen von 2023 bis 2030:
Die Daten zeigten, dass “die stärksten Emissionen durch staatliche Strom- und Energiebegünstigungen verursacht werden”, schreiben die Autorinnen und Autoren. Diese Begünstigungen könnten aber “aus vielen verschiedenen Gründen bestehen, wie z. B. Wertschöpfung, soziale Aspekte oder Versorgungssicherheit“, und bei Änderungen könne “die Gefahr von Carbon Leakage bestehen”.
Auch beim Verzicht auf staatliche Einnahmen aus klimaschädlichem Verhalten gibt es große Unterschiede. Solche indirekten Subventionen entfallen nach den Schätzungen für 2020 am meisten auf folgende Maßnahmen:
Die Studie listet aber auch auf, wo staatliche Hilfen bis 2030 zur Senkung der CO₂-Emissionen beitragen werden. Die größten Posten zugunsten des Klimaschutzes sind:
Wie groß die staatlichen Vergünstigungen für diese Art von Klimaschutz waren, wurde in der Studie allerdings nicht erhoben. Außerdem konnten bei mehr als einem Drittel aller Maßnahmen aus Mangel an Daten die “kumulierte Treibhauswirkung nicht quantifiziert werden”, heißt es.