Table.Briefing: Climate

+++ Table.Alert +++ COP29: Die Ergebnisse + Neues Finanzziel + Artikel 6 beschlossen

Analyse

COP29: Die wichtigsten Ergebnisse

Während des sogenannten Qurultay versuchen die Staatenlenker zu COP-Kompromissen zu kommen. Haben die EU, China und die USA eine Allianz gegen die Schwachen gebildet?
Das Plenum der COP29 – am frühen Sonntagmorgen ging die Klimakonferenz zu Ende.

Die COP29 in Baku endete am frühen Sonntagmorgen mit mehr als 30 Stunden Verspätung und einem Bündel von Entscheidungen. In den teilweise chaotisch verlaufenden letzten Tagen stand die Konferenz zeitweise vor dem Scheitern, weil sich viele Ländergruppen nicht angemessen berücksichtigt fühlten. Aus vielen Verhandlergruppen wurde heftige Kritik an der Amtsführung des COP29-Präsidenten Mukhtar Babajew geübt, weil der Prozess oft Transparenz und Kooperation habe vermissen lassen.

Doch als Babajew am frühen Morgen Ortszeit den Sitzungshammer fallen ließ, waren das die wichtigsten Entscheidungen der COP29:

Finanzziel NCQG

  • Ein neues Finanzziel NCQG: Bis 2035 sollen die Industrieländer ihre jährlichen Zahlungen an Entwicklungsländer (aus öffentlichen und privaten Mitteln) auf 300 Milliarden US-Dollar erhöhen. Insgesamt sollen dann jährlich 1,3 Billionen Dollar an Klimafinanzierung fließen. Darin eingerechnet sind die 300 Milliarden, private Investitionen, Flüsse aus den multilateralen Entwicklungsbanken (MDBs) und innovativen Mechanismen wie neuen Abgaben.
  • Zur Planung und Prüfung dieses Prozesses soll eine “Baku to Belém Roadmap” eingerichtet werden, die den Aufwuchs zu den 1,3 Billionen bis 2035 beschreibt.
  • Die Geberbasis für Klimafinanzierung wird über die Industrieländer hinaus erweitert: Schwellenländer wie China, Südkorea, die Golfstaaten oder Singapur können freiwillig ihre Anteile an den Klimamitteln der MDBs als Klimahilfen definieren. Ebenfalls können sie ihre Süd-Süd-Hilfen zum gemeinsamen Klimaziel von mindestens 1,3 Billionen anrechnen lassen.
  • Allerdings widersprachen Kuba, Bolivien, Nigeria und vor allem Indien in der Sitzung lautstark und unter Beifall vieler Beobachter im Saal der Verabschiedung des NCQG.

Emissionsminderung

Der Bereich “Mitigation” war den Industriestaaten, AOSIS, AILAC und LDC-Ländern besonders wichtig – erlebte aber starken Widerstand der Ölstaaten unter Führung von Saudi-Arabien. Die entsprechenden GST-Beschlüsse der COP28 von Dubai (“transitioning away from fossil fuels”) wurden teilweise aus den Texten gestrichen und mussten mühsam wieder hineingeschrieben werden. Tatsächlich gab es im Mitigation Work Program der COP26 keine Erwähnung der GST-Ergebnisse.

Dafür sollte “Dubai” im “UAE-Dialog” verankert werden, in dem es um die Umsetzung des Global Stocktake geht. Darin werden die Ergebnisse des Global Stocktake der COP28 in Dubai gleich am Anfang allgemein bekräftigt: Das sind die Verdreifachung der Erneuerbaren, die Verdopplung der Energieeffizienz und die Abkehr von fossilen Brennstoffen, das berühmte “transitioning away”.

Dieser Begriff selbst fand sich aber nicht in diesem Dokument. Auf ihn wurde in Paragraf 14 nur mit Verweis auf Paragraf 28 der Dubai-GST-Entscheidung hingewiesen. Ein Absatz später allerdings werden die “transitional fuels” ausdrücklich erwähnt – also die Unterstützung für Gas. Auch gibt es noch eine Absage an “einseitige Handelsmaßnahmen” wie etwa das CBAM der EU.

Statt wie geplant verabschiedet, wurde der UAE-Dialog aber nach Einsprüchen von südamerikanischen und EIG-Ländern verschoben. Er soll nun bei den SBSTA-Sitzungen in Bonn im Juni weiter verhandelt werden.

Anpassung und Loss und Damage

Das Globale Anpassungsziel wurde auch in Baku nur mühsam vorangebracht. Um es zu konkretisieren, werden nun höchstens 100 Indikatoren angestrebt: In bestimmten Schlüsselbereichen (beispielsweise Gesundheitssektor, Ernährung, Wasser) sollen alle Staaten Anpassungsmaßnahmen unternehmen. Dazu gehören auch finanzielle Kriterien. Aber es gab nur prozedurale Fortschritte. Inhaltlich muss die Arbeit bis Belém gemacht werden.

Im Finanzbereich wird Anpassung in einem eigenen Absatz erwähnt, es gibt also eine Verbindung zum NCQG, sagt Laura Schäfer von Germanwatch: Die Finanzierung soll laut NCQG-Text “dramatisch hochgefahren” werden und es gebe in diesem Feld einen hohen Bedarf an Zuschüssen und stark verbilligten Krediten. Außerdem wird eine “Balance zwischen Anpassung und Minderung” bei der Finanzierung angestrebt. Die Ausschüttungen aus den Fonds, die sich auch mit Anpassung befassen, sollen verdreifacht werden.

Das Thema “Loss and Damage” ist dagegen aus dem Finanztext verschwunden. Der Text erkennt an, dass es “signifikante Lücken gibt bei der Antwort auf den erhöhten Umfang und Frequenz von Verlusten und Schäden”. Aber er enthält keine Handlungsaufforderung oder Verpflichtung zur Bereitstellung von Finanzierung. Der Loss and Damage Fonds wird nur sehr indirekt als Teil des UNFCCC-Finanzmechanismus des Klimaregimes gesehen, ähnlich wie der Green Climate Fonds. Man merkt allen Texten deutlich an, dass das Thema mit sehr spitzen Fingern angefasst wird.

Artikel 6

Nach neun Jahren intensiver Verhandlungen wurden in Baku Regeln und Standards für den Handel mit Emissionsminderungsgutschriften unter Artikel 6 des Paris-Abkommens beschlossen. Die Einigung war nur möglich, weil die Europäische Union eine jahrelange Blockade aufgab, mit der sie schwache Transparenz und Greenwashing durch die Kohlenstoffmärkte verhindern wollte.

Gender

Beim Thema Gender wurden in Baku kaum Fortschritte gemacht, sondern vor allem Rückschritte verhindert. Das Lima-Aktions-Programm von 2024 wurde um zehn Jahre erweitert. Nächstes Jahr auf der SB62 in Bonn soll nun die Erarbeitung eines Gender-Aktionsplans begonnen werden. Allerdings wurde vor allem von einer Koalition von Saudi-Arabien, Russland und dem Vatikan an vielen Stellen die Sprache abgelehnt, die Gender-inklusiv umgestaltet werden sollte.

  • Adaptation
  • CBAM
  • COP28
  • COP29
  • Greenwashing
  • Klima & Umwelt
  • Klimadiplomatie
  • Klimafinanzierung
  • NCQG

NCQG beschlossen: 300 Milliarden und “Roadmap to Belém”

Forderten “Billionen, nicht Milliarden” für den Globalen Süden: Protestierende auf der COP29

Es brauchte einen “Walk-out” der Inselstaaten (AOSIS) und der am wenigsten entwickelten Länder (LDCs), um in Baku doch noch zu einer Einigung zu kommen. Beide verließen am Samstagnachmittag aus Protest den Verhandlungsraum. Die aserbaidschanische COP29-Präsidentschaft hatte beide Staatengruppen bei den Verhandlungen über das neue Klimafinanzziel (NCQG) außen vor gelassen, bevor sie am Freitag einen ersten echten Textentwurf präsentierte.

Anschließend kam Bewegung in die Konferenzräume. Europa, die verletzlichsten Staaten sowie die Präsidentschaft handelten hinter verschlossenen Türen einen neuen Text aus, der bis auf wenige Änderungen auch dem finalen Text entsprach. Die finale Einigung beinhaltet:

  • Bei der Höhe (“Quantum”) des NCQG gab es doch noch Spielraum: “Mindestens” 300 Milliarden US-Dollar lautet das neue Klimafinanzierungsziel nun – mit den Industriestaaten “in the lead”. Sie sollen das Geld bis zum Jahr 2035 mobilisieren. Ein konkreter Wachstumspfad von den derzeit mobilisierten 116 Milliarden bis zu den 300 Milliarden in 2035 wurde nicht festgehalten. Im vorherigen Entwurf war von 250 Milliarden die Rede gewesen. Bi- und multilaterale Geber aus öffentlicher und privater Hand stellen die Mittel für dieses Kernziel bereit. Unklar ist, inwieweit sich das neue Ziel im Vergleich zum bisherigen Ziel von jährlich 100 Milliarden verbessert hat. Wenn die Inflation bis 2035 und die erweiterte Geberbasis rausgerechnet werden, dürfte der Beitrag zu keiner deutlich höheren Verpflichtung für Industrienationen führen.
  • Zur erweiterten Geberbasis zählen auch Beiträge zur Klimafinanzierung von multilateralen Entwicklungsbanken (MDB). Beim NCQG sollen 100 Prozent der Klimafinanzierung der MDBs angerechnet werden. Beim 100-Milliarden-Ziel waren es nur die 70 Prozent der MDB-Finanzierung, die aus Industriestaaten stammt. Das NCQG erkennt dabei die “freiwillige Intention” aller Staaten an, über ihre MDB-Anteile auf das Klimafinanzziel einzuzahlen. Das betrifft vor allem die großen Beiträge, die China in Entwicklungsbanken wie die Asiatische Infrastrukturinvestmentbank einzahlt. Es ist eine Erweiterung der Geberbasis durch die Hintertür. Darüber hinaus können auch Entwicklungsländer freiwillig sogenannte Süd-Süd-Unterstützung leisten, die ebenfalls auf das Ziel einzahlen würde.
  • Die “Baku to Belém Roadmap to 1.3T” soll den Prozess zur Ausrichtung des globalen Finanzsystems festlegen, um die Klimafinanzierung aus allen Quellen bis 2035 auf mindestens 1,3 Billionen zu bringen. Laut Table.Briefings-Informationen könnte der Prozess bereits beim Petersberger Klimadialog kommendes Jahr starten, unter Aufsicht der COP-Präsidentschaften von Baku und Belém (COP30). Die Erarbeitung von Mindestzuweisungen, insbesondere für am wenigsten entwickelte Länder und kleine Inselstaaten, wurde für diesen Prozess zwischenzeitlich diskutiert, findet sich im beschlossenen Text jedoch nicht mehr wieder.
  • Qualität: Es wird “anerkannt”, dass “Zuschüsse” und “(stark) vergünstige Kredite” in den Bereichen Anpassung und Loss and Damage “gebraucht werden” – eine Forderung der Inselstaaten und am wenigsten entwickelten Länder. Eine konkrete Zahl, wie groß der Anteil des Kernziels aus Zuschüssen und vergünstigten Krediten sein soll, steht jedoch nicht im Text. Entwicklungsbanken und ihre Stakeholder werden aber “eingeladen”, mehr hoch-konzessionäre Kredite bereitzustellen.
  • Wofür soll das Geld fließen: Das Kernziel umfasst nur Mitigation und Adaptation. Wie schon im Paris-Abkommen soll zwischen beiden Bereichen eine “Balance” erreicht werden. Ein konkretes Unterziel für Anpassung fehlt. Jedoch sollen die öffentlichen Ausgaben für verschiedenste Fonds zur Unterstützung von Entwicklungsländern (darunter auch der Anpassungsfonds) bis spätestens 2030 “mindestens verdreifacht” werden. Allerdings sind einige der Fonds schwer unterfinanziert. Eine Verdreifachung würde keine erheblichen neuen Mittel bedeuten. Verluste und Schäden werden beim Kernziel allerdings nicht genannt.
  • Review: 2030 wird das NCQG überprüft.

Indien lehnt ab – ohne Konsequenzen

Nachdem der Applaus für die historische Einigung auf das Klimafinanzziel abgeflaut war, meldeten sich umgehend die Kritiker des Deals zu Wort. Kuba und Bolivien attackierten vor allem das Ziel von 300 Milliarden, da es ihnen zu gering ausfällt. Indiens Verhandlerin Chandni Raina machte klar, dass sie das Ergebnis nicht akzeptiere und ablehne – allerdings erst, nachdem COP-Präsident Mukhtar Babajew den Hammer zur Annahme des NCQG fallen gelassen hatte. Damit wird Indiens Wortmeldung ins Protokoll aufgenommen, hat aber keine Auswirkungen. Das NCQG bleibt angenommen.

Raina beklagte, dass die Präsidentschaft keine Wortmeldungen zuließ, sondern umgehend den Hammer schlug. Die sonst übliche Nachfrage der Präsidentschaft, ob es Einspruch gebe, blieb aus. Das Dokument sei nichts weiter als eine optische Täuschung, kritisierte Raina scharf. EU-Klimakommissar Wopke Hoekstra verteidigte das Ergebnis, zeigte aber wenig Verständnis für die Kritik aus dem Globalen Süden. Das liegt auch daran, dass die Inselstaaten und am wenigsten entwickelten Länder den Deal unterstützen.

  • AIIB
  • COP29
  • Finanzen
  • Globaler Süden
  • Klimaanpassung
  • Klimafinanzen
  • Klimafinanzierung
  • Mitigation
  • NCQG
  • Petersberger Klimadialog

News

Artikel 6-Regeln für Kohlenstoffmärkte angenommen: EU hebt Blockade gegen “anything goes”-Funktionsweise auf

Es ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu internationalen Kohlenstoffmärkten: Regeln und Standards für den Handel mit Emissionsminderungsgutschriften unter Artikel 6 des Paris-Abkommens wurden nach neun Jahren intensiver Verhandlungen beschlossen. Die Einigung war nur möglich, weil die Europäische Union eine jahrelange Blockade aufgab, mit der sie schwache Transparenz und Greenwashing durch die Kohlenstoffmärkte verhindern wollte.

In der Einigung zum zwischenstaatlichen Handel mit Emissionsgutschriften (Artikel 6.2), mit dem Anbieterländer Geld verdienen und Käuferländer ihr Treibhausgasbilanz aufbessern können, heißt es:

  • Länder, die sich nicht an die Vorschriften halten (laut Text: deren Berichte für den Handel “Unstimmigkeiten” aufweisen), haben keine Konsequenzen zu befürchten – abgesehen von einer vagen Verpflichtung zur Behebung der Probleme ohne klare Frist. Die NGO Carbon Market Watch kritisiert das.
  • Länder müssen zwar wichtige Informationen über die gehandelten Emissionsgutschriften offenlegen, aber ohne zeitliche Frist, sodass es Jahre dauern könnte, bis öffentlich einsehbar ist, welche Qualität die Emissionsgutschriften haben.

Jonathan Crook, Policy Lead bei Carbon Market Watch, bezeichnet die Einigung zu Artikel 6.2 als einen “anything goes”-Mechanismus mit zahlreichen Lücken, Hürden und komplizierten Registrierungsinstrumenten für Kohlenstoffgutschriften.

Regelungen für freiwillige Märkte unter Artikel 6.4

Artikel 6.4 für freiwillige Kohlenstoffmärkte für private Akteure wurde nach der Auftakteinigung in Baku weiterverhandelt und weitere Details wurden nun ebenfalls beschlossen:

  • Zertifikate für CO₂-Entnahme werden nur ausgestellt, wenn Kohlenstoff in “klimarelevanten Zeiträumen” der Atmosphäre entzogen wird.
  • Projekte unter dem aus dem Kyoto-Protokoll stammenden Clean Development Mechanism (CDM) können ohne weitere Überprüfung und ohne Zusätzlichkeitsprinzip (Additionality) in Artikel 6.4-Märkte überführt werden.
  • Es gibt keine regelmäßigen Überprüfungen der Standards und Methoden für Emissionsminderungsprojekte, um “regulatorische Stabilität” zu ermöglichen.

Das heißt, die Mindeststandards auf den freiwilligen Kohlenstoffmärkten sind in Zukunft relativ locker und deshalb anfällig für Greenwashing.

An den neuen Regelungen zu Artikel 6 gibt es von vielen Seiten Kritik: Unter ihnen “würden unabhängigen Beobachter, Forscher, die Medien und die Länder selbst viel Gewicht auf den Schultern tragen, um die Kohlenstoffmärkte genau zu überprüfen”, meint Jonathan Crook. Die Komplexität und der technische Charakter von Artikel 6 würde wahrscheinlich ein erhebliches Hindernis für diese Aufgabe darstellen. Einige Länder könnten genau darauf zählen, so der Emissionshandelsexperte.

Insbesondere große Industrienationen, allen voran die USA, aber auch Entwicklungsländer, die auf den Märkten Geld verdienen wollen, haben in der Vergangenheit stets für schwache Regeln geworben. Sie wollten den Markt simpel und für alle leicht zugänglich machen. Allerdings unter der Gefahr, dass das Instrument an Integrität verliert und Greenwashing ermöglicht. luk

  • COP29
  • Emissionshandel
  • Greenwashing
  • NGO
  • Pariser Klimaabkommen

Climate.Table Redaktion

CLIMATE.TABLE REDAKTION

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    Analyse

    COP29: Die wichtigsten Ergebnisse

    Während des sogenannten Qurultay versuchen die Staatenlenker zu COP-Kompromissen zu kommen. Haben die EU, China und die USA eine Allianz gegen die Schwachen gebildet?
    Das Plenum der COP29 – am frühen Sonntagmorgen ging die Klimakonferenz zu Ende.

    Die COP29 in Baku endete am frühen Sonntagmorgen mit mehr als 30 Stunden Verspätung und einem Bündel von Entscheidungen. In den teilweise chaotisch verlaufenden letzten Tagen stand die Konferenz zeitweise vor dem Scheitern, weil sich viele Ländergruppen nicht angemessen berücksichtigt fühlten. Aus vielen Verhandlergruppen wurde heftige Kritik an der Amtsführung des COP29-Präsidenten Mukhtar Babajew geübt, weil der Prozess oft Transparenz und Kooperation habe vermissen lassen.

    Doch als Babajew am frühen Morgen Ortszeit den Sitzungshammer fallen ließ, waren das die wichtigsten Entscheidungen der COP29:

    Finanzziel NCQG

    • Ein neues Finanzziel NCQG: Bis 2035 sollen die Industrieländer ihre jährlichen Zahlungen an Entwicklungsländer (aus öffentlichen und privaten Mitteln) auf 300 Milliarden US-Dollar erhöhen. Insgesamt sollen dann jährlich 1,3 Billionen Dollar an Klimafinanzierung fließen. Darin eingerechnet sind die 300 Milliarden, private Investitionen, Flüsse aus den multilateralen Entwicklungsbanken (MDBs) und innovativen Mechanismen wie neuen Abgaben.
    • Zur Planung und Prüfung dieses Prozesses soll eine “Baku to Belém Roadmap” eingerichtet werden, die den Aufwuchs zu den 1,3 Billionen bis 2035 beschreibt.
    • Die Geberbasis für Klimafinanzierung wird über die Industrieländer hinaus erweitert: Schwellenländer wie China, Südkorea, die Golfstaaten oder Singapur können freiwillig ihre Anteile an den Klimamitteln der MDBs als Klimahilfen definieren. Ebenfalls können sie ihre Süd-Süd-Hilfen zum gemeinsamen Klimaziel von mindestens 1,3 Billionen anrechnen lassen.
    • Allerdings widersprachen Kuba, Bolivien, Nigeria und vor allem Indien in der Sitzung lautstark und unter Beifall vieler Beobachter im Saal der Verabschiedung des NCQG.

    Emissionsminderung

    Der Bereich “Mitigation” war den Industriestaaten, AOSIS, AILAC und LDC-Ländern besonders wichtig – erlebte aber starken Widerstand der Ölstaaten unter Führung von Saudi-Arabien. Die entsprechenden GST-Beschlüsse der COP28 von Dubai (“transitioning away from fossil fuels”) wurden teilweise aus den Texten gestrichen und mussten mühsam wieder hineingeschrieben werden. Tatsächlich gab es im Mitigation Work Program der COP26 keine Erwähnung der GST-Ergebnisse.

    Dafür sollte “Dubai” im “UAE-Dialog” verankert werden, in dem es um die Umsetzung des Global Stocktake geht. Darin werden die Ergebnisse des Global Stocktake der COP28 in Dubai gleich am Anfang allgemein bekräftigt: Das sind die Verdreifachung der Erneuerbaren, die Verdopplung der Energieeffizienz und die Abkehr von fossilen Brennstoffen, das berühmte “transitioning away”.

    Dieser Begriff selbst fand sich aber nicht in diesem Dokument. Auf ihn wurde in Paragraf 14 nur mit Verweis auf Paragraf 28 der Dubai-GST-Entscheidung hingewiesen. Ein Absatz später allerdings werden die “transitional fuels” ausdrücklich erwähnt – also die Unterstützung für Gas. Auch gibt es noch eine Absage an “einseitige Handelsmaßnahmen” wie etwa das CBAM der EU.

    Statt wie geplant verabschiedet, wurde der UAE-Dialog aber nach Einsprüchen von südamerikanischen und EIG-Ländern verschoben. Er soll nun bei den SBSTA-Sitzungen in Bonn im Juni weiter verhandelt werden.

    Anpassung und Loss und Damage

    Das Globale Anpassungsziel wurde auch in Baku nur mühsam vorangebracht. Um es zu konkretisieren, werden nun höchstens 100 Indikatoren angestrebt: In bestimmten Schlüsselbereichen (beispielsweise Gesundheitssektor, Ernährung, Wasser) sollen alle Staaten Anpassungsmaßnahmen unternehmen. Dazu gehören auch finanzielle Kriterien. Aber es gab nur prozedurale Fortschritte. Inhaltlich muss die Arbeit bis Belém gemacht werden.

    Im Finanzbereich wird Anpassung in einem eigenen Absatz erwähnt, es gibt also eine Verbindung zum NCQG, sagt Laura Schäfer von Germanwatch: Die Finanzierung soll laut NCQG-Text “dramatisch hochgefahren” werden und es gebe in diesem Feld einen hohen Bedarf an Zuschüssen und stark verbilligten Krediten. Außerdem wird eine “Balance zwischen Anpassung und Minderung” bei der Finanzierung angestrebt. Die Ausschüttungen aus den Fonds, die sich auch mit Anpassung befassen, sollen verdreifacht werden.

    Das Thema “Loss and Damage” ist dagegen aus dem Finanztext verschwunden. Der Text erkennt an, dass es “signifikante Lücken gibt bei der Antwort auf den erhöhten Umfang und Frequenz von Verlusten und Schäden”. Aber er enthält keine Handlungsaufforderung oder Verpflichtung zur Bereitstellung von Finanzierung. Der Loss and Damage Fonds wird nur sehr indirekt als Teil des UNFCCC-Finanzmechanismus des Klimaregimes gesehen, ähnlich wie der Green Climate Fonds. Man merkt allen Texten deutlich an, dass das Thema mit sehr spitzen Fingern angefasst wird.

    Artikel 6

    Nach neun Jahren intensiver Verhandlungen wurden in Baku Regeln und Standards für den Handel mit Emissionsminderungsgutschriften unter Artikel 6 des Paris-Abkommens beschlossen. Die Einigung war nur möglich, weil die Europäische Union eine jahrelange Blockade aufgab, mit der sie schwache Transparenz und Greenwashing durch die Kohlenstoffmärkte verhindern wollte.

    Gender

    Beim Thema Gender wurden in Baku kaum Fortschritte gemacht, sondern vor allem Rückschritte verhindert. Das Lima-Aktions-Programm von 2024 wurde um zehn Jahre erweitert. Nächstes Jahr auf der SB62 in Bonn soll nun die Erarbeitung eines Gender-Aktionsplans begonnen werden. Allerdings wurde vor allem von einer Koalition von Saudi-Arabien, Russland und dem Vatikan an vielen Stellen die Sprache abgelehnt, die Gender-inklusiv umgestaltet werden sollte.

    • Adaptation
    • CBAM
    • COP28
    • COP29
    • Greenwashing
    • Klima & Umwelt
    • Klimadiplomatie
    • Klimafinanzierung
    • NCQG

    NCQG beschlossen: 300 Milliarden und “Roadmap to Belém”

    Forderten “Billionen, nicht Milliarden” für den Globalen Süden: Protestierende auf der COP29

    Es brauchte einen “Walk-out” der Inselstaaten (AOSIS) und der am wenigsten entwickelten Länder (LDCs), um in Baku doch noch zu einer Einigung zu kommen. Beide verließen am Samstagnachmittag aus Protest den Verhandlungsraum. Die aserbaidschanische COP29-Präsidentschaft hatte beide Staatengruppen bei den Verhandlungen über das neue Klimafinanzziel (NCQG) außen vor gelassen, bevor sie am Freitag einen ersten echten Textentwurf präsentierte.

    Anschließend kam Bewegung in die Konferenzräume. Europa, die verletzlichsten Staaten sowie die Präsidentschaft handelten hinter verschlossenen Türen einen neuen Text aus, der bis auf wenige Änderungen auch dem finalen Text entsprach. Die finale Einigung beinhaltet:

    • Bei der Höhe (“Quantum”) des NCQG gab es doch noch Spielraum: “Mindestens” 300 Milliarden US-Dollar lautet das neue Klimafinanzierungsziel nun – mit den Industriestaaten “in the lead”. Sie sollen das Geld bis zum Jahr 2035 mobilisieren. Ein konkreter Wachstumspfad von den derzeit mobilisierten 116 Milliarden bis zu den 300 Milliarden in 2035 wurde nicht festgehalten. Im vorherigen Entwurf war von 250 Milliarden die Rede gewesen. Bi- und multilaterale Geber aus öffentlicher und privater Hand stellen die Mittel für dieses Kernziel bereit. Unklar ist, inwieweit sich das neue Ziel im Vergleich zum bisherigen Ziel von jährlich 100 Milliarden verbessert hat. Wenn die Inflation bis 2035 und die erweiterte Geberbasis rausgerechnet werden, dürfte der Beitrag zu keiner deutlich höheren Verpflichtung für Industrienationen führen.
    • Zur erweiterten Geberbasis zählen auch Beiträge zur Klimafinanzierung von multilateralen Entwicklungsbanken (MDB). Beim NCQG sollen 100 Prozent der Klimafinanzierung der MDBs angerechnet werden. Beim 100-Milliarden-Ziel waren es nur die 70 Prozent der MDB-Finanzierung, die aus Industriestaaten stammt. Das NCQG erkennt dabei die “freiwillige Intention” aller Staaten an, über ihre MDB-Anteile auf das Klimafinanzziel einzuzahlen. Das betrifft vor allem die großen Beiträge, die China in Entwicklungsbanken wie die Asiatische Infrastrukturinvestmentbank einzahlt. Es ist eine Erweiterung der Geberbasis durch die Hintertür. Darüber hinaus können auch Entwicklungsländer freiwillig sogenannte Süd-Süd-Unterstützung leisten, die ebenfalls auf das Ziel einzahlen würde.
    • Die “Baku to Belém Roadmap to 1.3T” soll den Prozess zur Ausrichtung des globalen Finanzsystems festlegen, um die Klimafinanzierung aus allen Quellen bis 2035 auf mindestens 1,3 Billionen zu bringen. Laut Table.Briefings-Informationen könnte der Prozess bereits beim Petersberger Klimadialog kommendes Jahr starten, unter Aufsicht der COP-Präsidentschaften von Baku und Belém (COP30). Die Erarbeitung von Mindestzuweisungen, insbesondere für am wenigsten entwickelte Länder und kleine Inselstaaten, wurde für diesen Prozess zwischenzeitlich diskutiert, findet sich im beschlossenen Text jedoch nicht mehr wieder.
    • Qualität: Es wird “anerkannt”, dass “Zuschüsse” und “(stark) vergünstige Kredite” in den Bereichen Anpassung und Loss and Damage “gebraucht werden” – eine Forderung der Inselstaaten und am wenigsten entwickelten Länder. Eine konkrete Zahl, wie groß der Anteil des Kernziels aus Zuschüssen und vergünstigten Krediten sein soll, steht jedoch nicht im Text. Entwicklungsbanken und ihre Stakeholder werden aber “eingeladen”, mehr hoch-konzessionäre Kredite bereitzustellen.
    • Wofür soll das Geld fließen: Das Kernziel umfasst nur Mitigation und Adaptation. Wie schon im Paris-Abkommen soll zwischen beiden Bereichen eine “Balance” erreicht werden. Ein konkretes Unterziel für Anpassung fehlt. Jedoch sollen die öffentlichen Ausgaben für verschiedenste Fonds zur Unterstützung von Entwicklungsländern (darunter auch der Anpassungsfonds) bis spätestens 2030 “mindestens verdreifacht” werden. Allerdings sind einige der Fonds schwer unterfinanziert. Eine Verdreifachung würde keine erheblichen neuen Mittel bedeuten. Verluste und Schäden werden beim Kernziel allerdings nicht genannt.
    • Review: 2030 wird das NCQG überprüft.

    Indien lehnt ab – ohne Konsequenzen

    Nachdem der Applaus für die historische Einigung auf das Klimafinanzziel abgeflaut war, meldeten sich umgehend die Kritiker des Deals zu Wort. Kuba und Bolivien attackierten vor allem das Ziel von 300 Milliarden, da es ihnen zu gering ausfällt. Indiens Verhandlerin Chandni Raina machte klar, dass sie das Ergebnis nicht akzeptiere und ablehne – allerdings erst, nachdem COP-Präsident Mukhtar Babajew den Hammer zur Annahme des NCQG fallen gelassen hatte. Damit wird Indiens Wortmeldung ins Protokoll aufgenommen, hat aber keine Auswirkungen. Das NCQG bleibt angenommen.

    Raina beklagte, dass die Präsidentschaft keine Wortmeldungen zuließ, sondern umgehend den Hammer schlug. Die sonst übliche Nachfrage der Präsidentschaft, ob es Einspruch gebe, blieb aus. Das Dokument sei nichts weiter als eine optische Täuschung, kritisierte Raina scharf. EU-Klimakommissar Wopke Hoekstra verteidigte das Ergebnis, zeigte aber wenig Verständnis für die Kritik aus dem Globalen Süden. Das liegt auch daran, dass die Inselstaaten und am wenigsten entwickelten Länder den Deal unterstützen.

    • AIIB
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    • Mitigation
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    • Petersberger Klimadialog

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    Artikel 6-Regeln für Kohlenstoffmärkte angenommen: EU hebt Blockade gegen “anything goes”-Funktionsweise auf

    Es ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu internationalen Kohlenstoffmärkten: Regeln und Standards für den Handel mit Emissionsminderungsgutschriften unter Artikel 6 des Paris-Abkommens wurden nach neun Jahren intensiver Verhandlungen beschlossen. Die Einigung war nur möglich, weil die Europäische Union eine jahrelange Blockade aufgab, mit der sie schwache Transparenz und Greenwashing durch die Kohlenstoffmärkte verhindern wollte.

    In der Einigung zum zwischenstaatlichen Handel mit Emissionsgutschriften (Artikel 6.2), mit dem Anbieterländer Geld verdienen und Käuferländer ihr Treibhausgasbilanz aufbessern können, heißt es:

    • Länder, die sich nicht an die Vorschriften halten (laut Text: deren Berichte für den Handel “Unstimmigkeiten” aufweisen), haben keine Konsequenzen zu befürchten – abgesehen von einer vagen Verpflichtung zur Behebung der Probleme ohne klare Frist. Die NGO Carbon Market Watch kritisiert das.
    • Länder müssen zwar wichtige Informationen über die gehandelten Emissionsgutschriften offenlegen, aber ohne zeitliche Frist, sodass es Jahre dauern könnte, bis öffentlich einsehbar ist, welche Qualität die Emissionsgutschriften haben.

    Jonathan Crook, Policy Lead bei Carbon Market Watch, bezeichnet die Einigung zu Artikel 6.2 als einen “anything goes”-Mechanismus mit zahlreichen Lücken, Hürden und komplizierten Registrierungsinstrumenten für Kohlenstoffgutschriften.

    Regelungen für freiwillige Märkte unter Artikel 6.4

    Artikel 6.4 für freiwillige Kohlenstoffmärkte für private Akteure wurde nach der Auftakteinigung in Baku weiterverhandelt und weitere Details wurden nun ebenfalls beschlossen:

    • Zertifikate für CO₂-Entnahme werden nur ausgestellt, wenn Kohlenstoff in “klimarelevanten Zeiträumen” der Atmosphäre entzogen wird.
    • Projekte unter dem aus dem Kyoto-Protokoll stammenden Clean Development Mechanism (CDM) können ohne weitere Überprüfung und ohne Zusätzlichkeitsprinzip (Additionality) in Artikel 6.4-Märkte überführt werden.
    • Es gibt keine regelmäßigen Überprüfungen der Standards und Methoden für Emissionsminderungsprojekte, um “regulatorische Stabilität” zu ermöglichen.

    Das heißt, die Mindeststandards auf den freiwilligen Kohlenstoffmärkten sind in Zukunft relativ locker und deshalb anfällig für Greenwashing.

    An den neuen Regelungen zu Artikel 6 gibt es von vielen Seiten Kritik: Unter ihnen “würden unabhängigen Beobachter, Forscher, die Medien und die Länder selbst viel Gewicht auf den Schultern tragen, um die Kohlenstoffmärkte genau zu überprüfen”, meint Jonathan Crook. Die Komplexität und der technische Charakter von Artikel 6 würde wahrscheinlich ein erhebliches Hindernis für diese Aufgabe darstellen. Einige Länder könnten genau darauf zählen, so der Emissionshandelsexperte.

    Insbesondere große Industrienationen, allen voran die USA, aber auch Entwicklungsländer, die auf den Märkten Geld verdienen wollen, haben in der Vergangenheit stets für schwache Regeln geworben. Sie wollten den Markt simpel und für alle leicht zugänglich machen. Allerdings unter der Gefahr, dass das Instrument an Integrität verliert und Greenwashing ermöglicht. luk

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