Table.Briefing: Climate

Streitgespräch: Wie viel Klimaschutz in der Rezession? + Faktencheck zur Wahl: Klimageld + USA: Investoren gegen „Drill baby, drill“

Liebe Leserin, lieber Leser,

heute dreht sich bei uns vieles darum, wie wir über die Klimakrise und die Maßnahmen dagegen sprechen. Zum Beispiel: Wie viel Klimaschutz können und wollen wir uns in Deutschland noch leisten, wenn die Wirtschaft in der Krise steckt? Im Streitgespräch machen Sabine Nallinger von der Stiftung Klimawirtschaft und Holger Lösch vom Bundesverband der Deutschen Industrie deutlich, was sie davon halten, Klimaziele zu verschieben, die Schuldenbremse zu lockern oder die Bürokratie abzubauen.

Auch beim Faktencheck geht es um eine heiße Debatte im Wahlkampf: Wie soll ein Klimageld aussehen, das fast alle Parteien fordern? Wo sollen die Mittel herkommen und wie kann es EU-konform gestaltet werden? Und schließlich, neben vielen anderen Meldungen, debattieren wir in einem Meinungsbeitrag die erstmalige Überschreitung der 1,5-Grad-Grenze im letzten Jahr: Wie soll die Klimaszene damit umgehen, dass die globale Erhitzung kaum gestoppt wird? Soll man noch an diesem Ziel aus dem Pariser Abkommen festhalten?

Wir wünschen eine anregende Lektüre.

Ihr
Bernhard Pötter
Bild von Bernhard  Pötter

Analyse

“Klimaziele sind Motor für Innovation” – “Wie wir sie erreichen, da habe ich viele Fragezeichen”

Zu Gast bei Table.Briefings: Sabine Nallinger (rechts) von der “Stiftung Klimawirtschaft” im Streitgespräch mit Holger Lösch vom BDI.

Table.Briefings: Frau Nallinger, Deutschland steckt in der Rezession. Die Unternehmen klagen über hohe Energiepreise und zu viel Bürokratie, auch durch den Green Deal. Ist es nicht sinnvoll, da die Klimaziele nach hinten zu schieben?

Sabine Nallinger: Für mich sind die Klimaziele ein Innovationsmotor. Es geht darum, dass wir als Weltgemeinschaft die Wirtschaft klimaneutral aufstellen. Das haben wir im Pariser Abkommen beschlossen. Die Frage ist nicht mehr: Wollen wir das? Sondern: Wenn wir das nicht machen, werden wir in Deutschland keine Produkte mehr für den Weltmarkt in der Zukunft produzieren. Deshalb haben wir keine andere Chance, als bei der grünen Transformation voll einzusteigen.

Herr Lösch, Unternehmen wollen vor allem Planungssicherheit. Der BDI hat oft betont, dass er hinter dem Klimaschutz steht. Ist es da nicht sinnvoll, voll in die Transformation einzusteigen, wie Frau Nallinger sagt?  

Holger Lösch: Wer durch tiefen Morast watet, sollte besser nicht stehen bleiben, sondern schnellere und effizientere Wege ins Trockene suchen. Wir müssen die vielen Pfade, die jetzt praktisch alle Unternehmen zur Transformation eingeschlagen haben, zu einem guten Ende führen. Die Frage ist: Wie gelingt uns in einer durch Inflation, Corona, den russischen Angriffskrieg und vielleicht auch den neuen US-Präsidenten deutlich veränderten Welt, die Balance zwischen den ökologischen und den ökonomischen Bedürfnissen wieder herzustellen? Ist die Art und Weise, wie die Politik die Klimaziele erreichen will, wirklich die beste? Da habe ich viele Fragezeichen. Ich will nicht über das ob diskutieren, sondern über das wie – das aber mit zunehmender Schärfe.

Klimaziel verschieben? “Es geht nicht um Jahreszahlen” 

Was konkret muss sich ändern? Es gibt die Forderung, das Zieldatum für Klimaneutralität, 2045, nach hinten zu schieben. Wollen Sie das?

Lösch: Es geht am Ende nicht um einzelne Jahreszahlen. Nach der Reform des europäischen Emissionshandels dürfen Energie- und große Industrieanlagen spätestens ab den frühen 2040er-Jahren in der EU keine Treibhausgase mehr emittieren. Dies macht deutlich, dass eine isolierte Diskussion über ein nationales Klimaziel nicht zielführend ist. Wir müssen Wege finden, unsere ambitionierten Klimaziele ohne Verlust an Wettbewerbsfähigkeit und ohne Deindustrialisierung zu erreichen. Diese Diskussion müssen wir vorrangig in Europa führen.

Was brauchen Sie dann? 

Lösch: Die zentrale Frage ist: Wie können wir Wettbewerbsfähigkeit und Klimaneutralität kombinieren? Der Fokus der Politik war in den vergangenen Jahren zu einseitig. China und die USA machen viel Klimaschutz, aber das ist eher ein Nebeneffekt ihres Ringens um wirtschaftliche Vorherrschaft in der Welt. Und wir schauen zu. Wir machen in der Klimapolitik vieles zu kompliziert, es wird zu eng reguliert. Wir klagen jetzt darüber, dass Wasserstoff nicht wie erhofft kommt. Aber das ist ja völlig klar: Wenn Wasserstoff so komplex reguliert wird, dann investiert natürlich keiner.

“Wir brauchen Bürokratieabbau, absoluten Pragmatismus” 

Also brauchen wir vor allem Bürokratieabbau?  

Nallinger: Da sind wir uns einig. Wir brauchen einen Bürokratieabbau, absoluten Pragmatismus. Wenn ich höre, wieviel Verwaltungsaufwand der Green Deal mit seinen tausenden Seiten an nachgelagerten Rechtsakten bei Unternehmen verursacht, wie will man sich darauf vorbereiten? Aber was mir noch wichtig ist, Herr Lösch, weil Sie die Wettbewerbsfähigkeit angesprochen haben: Es ist schon erfreulich, wie oft wir hier in Deutschland in Vorleistung gegangen sind und dann doch merken, langsam kommen Nachahmer: China spricht jetzt darüber, einen Emissionshandel für die eigene Industrie einzuführen, der EU-Grenzausgleich wirkt also. Die deutsche Stahlindustrie hat einen Standard für grünen Stahl entwickelt, auch den diskutiert China jetzt. Wenn kritisiert wird, Europa sei zu ambitioniert, sieht man hier: Es funktioniert auch, dass uns die Partner ernst nehmen, wenn wir vorangehen. Wir sind ein ernstzunehmender Wirtschaftsraum, wir haben die Macht, Instrumente weltweit zu etablieren.

Wir setzen die Standards im grünen Bereich und die anderen folgen?  

Lösch: Andere Staaten übernehmen unsere Standards – und werden so zu Wettbewerbern, die von uns Marktanteile gewinnen. China und die USA setzen mit Subventionen Anreize, die auch zu mehr Klimaschutz führen. Damit setzen sie sich zunehmend durch – ein Blick auf die Solartechnologie, Windkraft und Elektrolyse zeigt es deutlich. Das ist Teil einer Strategie, um die globale industrielle Vormachtstellung zu erringen. Aber ich bezweifle, dass China ein ETS so rigide und konsequent umsetzen würde wie wir. Klimaschutz mit einem harten quantitativen Ziel und einem harten Enddatum, das macht sonst niemand in der Welt. 

“Enge EU-Vorgaben behindern Innovation”  

An welchen Stellschrauben würden Sie noch drehen?   

Lösch: Der Kern des Spiels lautet: Wer investiert das, was notwendig ist? Das heißt, Millionen von Menschen, Institutionen, Unternehmen, Staaten, Länder und Städte müssen millionenfach Entscheidungen treffen, die sich zu den notwendigen Milliarden und Billionen addieren. Keine dieser Entscheidungen wird fallen, wenn es kein Geschäftsmodell gibt. Dabei sollten wir Ziele setzen, aber Raum lassen, wie sie erreicht werden. Wir machen einen Fehler, wenn wir inhaltlich, quantitativ und qualitativ zu enge Vorgaben machen, denn damit verhindern wir Innovation. Man könnte sagen: Die Amerikaner spielen Fußball, sie wollen ein Tor schießen. Und wir sagen: Schießt ein Tor, aber es muss ein Fallrückzieher sein, mit dem linken Fuß in den oberen rechten Winkel.  

Nallinger: Es gibt noch eine andere wichtige Stellschraube: Die öffentlichen Finanzen. 2045 klimaneutral zu sein, das ist ein politisch gesetztes Ziel. Das muss unsere Generation in die Wege leiten, die Transformationsgeneration. Sie muss das tun für die nächsten zwei, drei Generationen. Das kann diese eine Generation finanziell erst mal gar nicht stemmen. Und für die nötigen staatlichen Investitionen …

Der BDI beziffert sie auf bis zu 280 Milliarden Euro von 2021 bis 2030 … 

Nallinger: … brauchen wir eine Debatte über die Schuldenbremse. Diese Investitionen schafft die Privatwirtschaft nicht allein, die Gesellschaft nicht allein, das braucht kluge staatliche Förderinstrumente. Da darf es keine Tabus geben. Die demokratischen Kräfte der Mitte müssen da zusammenarbeiten und die verschiedenen Interessen zusammenführen. 

Schuldenbremse debattieren – oder Sondervermögen

Herr Lösch, sollten wir die Schuldenbremse für Investitionen in die Klimawende abschaffen? 

Lösch: Frau Nallinger hat einen ganz wichtigen Punkt: Die Klimawende ist eine politisch angestoßene Transformation. Die Industrie wandelt sich seit ihrer Gründung, und sie wandelt sich ständig, sonst würden wir heute noch mit Holzvergasern durch die Gegend fahren. Bislang ist Transformation in aller Regel aber durch Märkte, Technologien und Kundenwünsche herbeigeführt worden. Jetzt machen wir eine politisch gewollte Transformation mit einem Enddatum. Wenn das zusammenkommt mit dem Wunsch der Politik, die Dinge im Detail zu steuern, dann kommen wir dahin, wo wir heute sind. Uns ist völlig klar, dass die Industrie in 50 Jahren an vielen Stellen anders aussehen wird. Aber die Diskussion um die Schuldenbremse ist mir deutlich zu schlicht. Wir müssen analysieren, was finanziert der Staat heute, was muss er künftig finanzieren? Dabei werden wir harte Diskussionen führen müssen. Es gibt neue, andere Bedarfe, etwa bei der Verteidigung. Das sind hohe zweistellige Milliardensummen, die künftig aufgebracht werden müssen. Wir müssen darüber reden, was der Staat tun soll, wozu er in der Lage ist, woher er das Geld nimmt und wofür er es ausgibt. Dabei müssen wir die Balance halten zwischen Ökologie, Ökonomie und Sozialem. Das ist sicher keine leichte Aufgabe, aber eine unumgängliche.  

Also weg mit der Schuldenbremse?  

Lösch: Wir sind klar dagegen, pauschal die Schuldenbremse abzuschaffen. Ein solider Haushalt ist ein großer Wert. Wir müssen priorisieren. Wir müssen die Dinge effizienter und einfacher machen. Wir müssen bessere Anreize und Rahmenbedingungen für Investitionen bieten. Möglicherweise werden wir am Ende aber auch für zentrale Investitionsaufgaben über sehr klar definierte Sondervermögen im Sinne einer Generationenaufgabe sprechen. 

Ursachen für Deindustrialisierung: Demographie, Digitalisierung, Transformation  

Im Wahlkampf reden viele davon, die Klimapolitik führe zur Deindustrialisierung Deutschlands. Sehen Sie das auch so?  

Lösch: Ja, ich sehe die Gefahr. Es passiert auch bereits. Deindustrialisierung heißt, dass der Anteil der Industrie am BIP deutlich sinkt. Dieser Prozess läuft seit einigen Jahren und wurde zuletzt beschleunigt. Aber das Phänomen hat viele Ursachen. Der Standort ist auf breiter Front schlechter geworden. Wir haben Probleme mit der Demographie, der Digitalisierung, aber auch mit der Konzeption unserer grünen Transformation. Unser Ansatz, Klimaschutz umzusetzen, ist nicht die einzige Ursache für unsere Probleme. Viele, aber nicht alle Probleme des Standorts Deutschland sind hausgemacht. Nicht alle sind in den letzten drei Jahren entstanden. 

Nallinger: Wir müssen das Thema Deindustrialisierung ehrlich diskutieren und darüber reden, welche Prozesse es in Deutschland in Zukunft nicht mehr geben wird. Nehmen Sie die Produktion von Ammoniak, das werden wir in Zukunft höchstwahrscheinlich hier in Deutschland nicht mehr im heutigen Ausmaß machen.  

Lösch: Wertschöpfungsketten verändern sich permanent. Aber es geht nicht, dass wir apodiktisch bestimmen, welchen Teil der Wertschöpfung wir künftig in Deutschland nicht mehr haben wollen. Das geht schon deshalb nicht, weil verschiedene Industrien eng zusammenhängen. Sie können sich nicht einen energieintensiven Fuß abschneiden und der Rest läuft weiter wie bisher. Dinge verändern sich, völlig klar. Aber was ich vehement ablehne, ist eine staatliche oder zivilgesellschaftliche Entscheidung darüber, was wir in der Industrie tun oder nicht tun. 

Krise in der Autoindustrie: “Schuld ist nicht die Klimapolitik”

Nallinger: Da bin ich ja voll bei Ihnen. Aber es gibt doch eine große Verunsicherung in der Wirtschaft, gerade in der energieintensiven. Haben wir hier eine Zukunft? Die richtigen Rahmenbedingungen? Sind wir hier überhaupt noch erwünscht? Und das ist Gift für die Wirtschaft. Deswegen haben wir gerade den Investitionsstau. Deshalb sollten wir ehrlich diskutieren, was es höchstwahrscheinlich hier in Zukunft nicht mehr geben wird.

Die Stahl- und Autoindustrie haben derzeit große Probleme in Deutschland. Wie hoch ist der Anteil der Klimapolitik daran?  

Nallinger: Beim Stahl ist ganz klar vor allem die Industriepolitik von China verantwortlich, die ihre Überproduktion hier ablädt. Auch an der Krise in der Autoindustrie ist nicht die Klimapolitik schuld. Vielmehr fehlte es der Industrie und den Regierungen lange Zeit an einer Strategie für den Hochlauf der E-Mobilität und ihrer Lieferketten. Zwar gab es mit den EU-Flottengrenzwerten frühzeitig ein Ziel, doch der Weg dahin bleibt unklar. Das ist jetzt das Ergebnis.  

Lösch: Die direkten und indirekten Folgen der weltweiten Klimapolitik wirken sich schon auf uns aus: China fördert die E-Autoindustrie massiv. Ob von zehn Firmen nach zehn Jahren nur eine übrigbleibt, ist für China irrelevant – Hauptsache, diese Firma dominiert den Weltmarkt. Auch der Inflation Reduction Act in den USA setzt der deutschen Industrie zu. Und gleichzeitig ist die Klimagesetzgebung in der EU zu kompliziert und zu bürokratisch. Von außerhalb Europas kommt Druck, von innerhalb wird gebremst.

“Wenn wir für Klimaziele Industriezweige aufgeben, haben wir das falsche Konzept”

Können wir alle Industrien in Deutschland halten? Oder produzieren manche Grundstoffindustrien nicht anderswo so günstig, dass man dagegen nicht ansubventionieren kann?  

Lösch: Ich finde diese Position fatalistisch. Wir haben in Deutschland hoch optimierte Cluster aus Grundstoffindustrien und nachgelagerter Wertschöpfung. Wenn wir ganze Industriezweige aufgeben müssen, um unsere Klimaziele zu erreichen, haben wir das falsche Konzept gewählt. Wir müssen strukturell geschickter vorgehen. Wenn sich die Wertschöpfung wandelt, ist das eine Entwicklung, die wir aktiv mitgestalten sollten – nicht einfach hinnehmen.

Nallinger: Wir werden aber nicht jeden Prozessschritt in der Grundstoffindustrie in Europa halten können. Darüber müssen wir ehrlich reden, sonst führt das zur Verunsicherung in der Wirtschaft. Die Energiewende ist unbestreitbar mit hohen Investitionen verbunden, aber solche Investitionen hat es immer wieder gegeben, beispielsweise in die Atomkraft. Jetzt sind es Zukunftsinvestitionen in Erneuerbare und in Backup-Kraftwerke. Da sollte es doch einen Grundkonsens geben, dass diese Investitionen nötig sind und uns voranbringen. 

Was muss die nächste Bundesregierung aus Ihrer Sicht schnell umsetzen, um die Klimaziele einzuhalten und die Wertschöpfung im Land zu halten?  

Lösch: Alles, was Investitionen und Innovationen einfacher, schneller und besser möglich macht. Deutschland muss innovativer werden. Die Rahmenbedingungen für die Industrie – darunter fällt beispielsweise eine verlässliche Energieversorgung mit wettbewerbsfähigen Preisen – müssen einfach besser werden. Und wir brauchen einen robusten Schutz gegen Wettbewerber, die mit unfairen Mitteln agieren. 

Nallinger: Industrie und Wirtschaft brauchen Verlässlichkeit. Die politischen Rahmenbedingungen dürfen sich nicht nach jeder Wahl komplett ändern. Wir brauchen Investitionen in die Infrastruktur, damit die Industrie hier weiter wachsen kann. Und die Politik muss bei Konflikten stärker moderieren – beispielsweise beim sozialen Ausgleich bei der Gebäudesanierung.

Sabine Nallinger ist Vorständin der “Stiftung Klimawirtschaft”, einer klimapolitischen Initiative deutscher Unternehmenschefs. Holger Lösch ist stellvertretender Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI), dem Spitzenverband der deutschen Industrie.

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Faktencheck zur Wahl: Einführung eines “Klimageldes”

Verschiedene Parteien fordern in ihren Wahlprogrammen die Einführung eines Klimageldes.

Die Forderung

Durch den steigenden CO₂-Preis belastet Klimaschutz die Geldbeutel. In den kommenden Jahren dürfte der Preis weiter steigen. Eine Direktauszahlung in Form eines “Klimageldes” könnte ein Instrument sein, um die privaten Haushalte zu entlasten.

Die Ampel-Regierung hatte in ihrem Koalitionsvertrag schon versprochen, einen sozialen Kompensationsmechanismus in Form eines Klimageldes zu entwickeln. Zuerst fehlte aber ein Mechanismus, um Direktzahlungen des Staates an Bürger zu ermöglichen. Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Klima- und Transformationsfonds fehlte es schließlich aufgrund der angespannten Haushaltslage am Geld.

In einigen Wahlprogrammen taucht das Klimageld wieder auf, allerdings in unterschiedlichen Ausführungen:

  • Die SPD will mit dem steigenden CO₂-Preis ab 2027, beispielsweise mit einem sozial gestaffelten Klimageld, dafür sorgen, dass niemand durch die Transformation überfordert wird.
  • Die FDP will eine Klimadividende einführen, die direkt und pauschal an Bürgerinnen und Bürger ausgezahlt wird.
  • Menschen mit niedrigem und mittlerem Einkommen sollen nach Wunsch der Grünen zum “Ausgleich einen Großteil der Einnahmen der CO₂-Bepreisung von Gebäudewärme und Transport als Klimageld zurück” bekommen.
  • Die CDU will einen Klimabonus einführen, der soll aber nicht direkt ausgezahlt, sondern zur Reduktion von Stromsteuer und Netzentgelten genutzt werden.
  • Ein “soziales Klimageld” will die Linke einführen. Durch seine Besteuerung sollen Haushalte mit niedrigem und mittlerem Einkommen mehr profitieren.

AfD und BSW wollen kein Klimageld einführen, sondern den CO₂-Preis abschaffen.

Mögliche Umsetzung

Klimageld würden Bürgerinnen und Bürger direkt ausgezahlt bekommen. Im vergangenen Dezember wurden zumindest die “Eckpunkte für einen technischen Auszahlungsmechanismus” verabschiedet. Ab wann wirklich Geld fließen könnte, ist offen: Die Linke will das Klimageld sogar rückwirkend zum 1. Januar 2025 auszahlen. Die SPD will ein sozial gestaffeltes Klimageld aber erst ab 2027, wenn die Bürgerinnen und Bürger durch die Einführung des ETS 2 die Kosten der CO₂-Bepreisung noch stärker spüren. Laut Nina Scheer, der klimapolitischen Sprecherin der SPD, könnte das beispielsweise einkommensabhängig ausgezahlt werden. Auch die Grünen wollen Haushalte mit niedrigen Einkommen entlasten. Wie genau die soziale Komponente des Instruments aussehen soll, bleibt allerdings bei beiden Parteien offen.

Expertinnen und Experten gehen außerdem davon aus, dass eine Zahlung eines pauschalen Klimageldes möglicherweise mit EU-Richtlinien kollidiert. Nach diesen müssten nämlich die Mittel aus dem ETS, in den ab 2027 auch der nationale Emissionshandel übergeht, entweder für Zwecke mit nachgewiesenen, positiven Umweltauswirkungen oder aber für soziale Aspekte für Haushalte mit mittleren und niedrigen Einkommen verwendet werden. Es ist fraglich, ob der FDP-Vorschlag, alle zu beteiligen, mit den EU-Vorgaben vereinbar wäre.

Das würde es bedeuten

Einig sind sich fast alle Parteien darüber, dass für das Klimageld die Einnahmen aus dem steigenden CO₂-Preis verwendet werden sollen. Gemeint sind wohl die Einnahmen aus dem nationalen Emissionshandel für Wärme und Verkehr. Im vergangenen Jahr waren das 13 Milliarden Euro. Ob diese Einnahmen ganz oder nur anteilig ausgezahlt werden sollen, ist unklar. Ebenso unsicher ist, welche Personen das Klimageld bekommen sollten. Eine Modellrechnung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) kommt unter der Annahme, dass der steigende CO₂-Preis zu Mehrausgaben für Grundsicherung und Wohngeld führt, auf eine Pro-Kopf-Pauschale von 124 Euro.

Weil der Preis dafür zum 1. Januar 2025 von 45 auf 55 Euro stieg und weil die nationale CO₂-Bepreisung ab 2027 in den europäischen Emissionshandel überführt wird (ETS 2), ist davon auszugehen, dass die Einnahmen daraus in Zukunft weiter steigen. Theoretisch könnte dann auch mehr Geld über das Klimageld ausgeschüttet werden. Zusätzlich erhält Deutschland aus dem EU-Emissionshandel ETS 1 noch Geld – 5,5 Milliarden Euro waren das 2024. Einige Berechnungen wie beispielsweise die des Forums Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft im Auftrag von Greenpeace, auf die sich die Linke bezieht, wollen auch dieses Geld auszahlen – obwohl es die Haushalte nur indirekt belastet.

Wirtschaftliche und finanzielle Folgen

Das Problem: Die Einnahmen aus beiden Arten des Emissionshandels sind eigentlich fest verplant: Beide Geldflüsse landen aktuell im Klima- und Transformationsfonds (KTF). Daraus wird der Umbau der Industrie und der Ausbau der Erneuerbaren finanziert. Die alte Bundesregierung hatte dafür beispielsweise für 2025 Ausgaben von rund 34 Milliarden Euro vorgesehen, dem gegenüber standen aber nur Einnahmen von 25 Milliarden – und das noch ganz ohne Klimageld. Wenn nur ein Teil der Einnahmen aus dem CO₂-Preis ausgezahlt würde, bliebe vermutlich nur ein sehr geringes Klimageld. Die Linke nennt als einzige Partei eine Höhe für das geplante Klimageld – 320 Euro pro Person im Jahr. Um so viel Geld auszuzahlen, hätten 2024 allerdings nicht einmal die Einnahmen aus nationalem CO₂-Preis und ETS 1 zusammen gereicht.  

Politische Umsetzbarkeit

Die Idee für einen sozialen Ausgleich, um die Bevölkerung von den Kosten der Transformation zu entlasten, erfährt über die Parteien hinweg viel Zustimmung. Da die Finanzierung des Klimageldes aber unklar ist und die CDU wenig von einer direkten Auszahlung an die Bürgerinnen und Bürger hält, ist eine Umsetzung unter einer möglichen CDU-Regierung wenig wahrscheinlich.

Fazit

Sozialen Ausgleich durch ein Klimageld fordern viele Parteien und Gruppen. In Diskussionen dazu wird auch immer wieder betont, dass selbst die Auszahlung eines geringen Klimageldes die Akzeptanz von Klimaschutzmaßnahmen steigern könnte. Eine Analyse des Thinktanks Zukunft Klima Sozial kommt aber auch zu dem Ergebnis, dass ein Klimageld nur ein kleiner Teil einer sozialgerechten Klimapolitik sein kann. Bei der aktuellen Finanzlage müssten dafür aber an anderer Stelle erhebliche Abstriche gemacht werden.

  • Bundestagswahl
  • ETS 2
  • Grundsicherung
  • Klimageld
  • KTF

Termine

30. Januar, 9 Uhr, Online
Diskussion Overshoot: Einmal Erderwärmung und zurück?
Dass die Erderwärmung auf 1,5 Grad Celsius begrenzt werden kann, wird zunehmend unwahrscheinlicher. Andy Reisinger (Mitglied des IPCC, neuseeländisches Forschungszentrum für Treibhausgase) stellt bei diesem Event vom Zentrum Liberale Moderne das neue Factsheet “Overshoot: can we exceed and return to 1,5 °C?” vor und diskutiert die klimatischen und politischen Implikationen. Infos

30. Januar, 15 Uhr, Online
Webinar Stories to Watch 2025
Der Präsident des World Resources Institute, Ani Dasgupta, erklärt, welche Klimathemen aus seiner Sicht in diesem Jahr wichtig werden. Infos

30. Januar, 15 Uhr, Online
Webinar Nach Betrug und Preisverfall – wie gelingt der Neustart der THG-Quote?
Sind die auf dem Tisch liegenden Vorschläge ausreichend, um das wichtige Klimaschutzinstrument für den Verkehrssektor noch zu retten? Wie wird sich der THG-Quotenhandel 2025 entwickeln? Darüber wird auf dem Webinar von Energate diskutiert. Infos

30. Januar, 18 Uhr, Berlin
Berliner Klimagespräch Europas Green Deal zukunftsfest und sozial gestalten
Die Klima-Allianz Deutschland und der Deutsche Naturschutzring (DNR) laden zum Austausch ein, wie der European Green Deal weiterhin erfolgreich umgesetzt und sozial abgesichert werden kann. Infos

31. Januar 2025, 9 Uhr bis 19 Uhr, Berlin
Konferenz Klimakonferenz der Stiftung Klimaneutralität
Die kommende Legislaturperiode wird entscheidend für das Klimaziel 2030 und den Weg zur Klimaneutralität 2045 sein. Im Rahmen der Konferenz wird die Stiftung Klimaneutralität ihre 55 Politikempfehlungen für die Erreichung der Klimaneutralität präsentieren und öffentlich diskutieren – Table.Briefings berichtete bereits. Infos

4. Februar, 18.30 Uhr, Dresden/Online
Podiumsdiskussion Energieversorgung in Sachsen – Stabilität in Wirtschaft und Strompreisen
Auf der Podiumsdiskussion des Bundesverbands für Erneuerbare Energien wird anlässlich der Bundestagswahl darüber diskutiert, wie für die Wirtschaft ausreichend grüner Strom und “grüne Gase” bereitgestellt werden können. Infos

5. Februar, 10 Uhr, Berlin
Veröffentlichung Zweijahresgutachten des Expertenrats für Klimafragen
Der Expertenrat für Klimafragen wird gut zwei Wochen vor der Bundestagswahl sein Zweijahresgutachten veröffentlichen. Das unabhängige Gremium untersucht in dem Gutachten bisherige Entwicklungen und Trends der Treibhausgasemissionen sowie die Wirksamkeit von Klimaschutzmaßnahmen. Infos

5. Februar, 10 Uhr, Brüssel/Online
Präsentation Boosting the clean heat market: solutions for the new policy cycle
Agora Energiewende stellt auf dieser Veranstaltung vor, wie die Wärmewende in Europa vorangetrieben werden kann. Infos

5. Februar, 19 Uhr, Hamburg/Online
Diskussion Klimapolitik in Zeiten des Rechtsrucks
Klimaschutz – war da was? Trotz eskalierender Klimakrise bestimmen Wirtschafts-, Sicherheits- und Migrationspolitik aktuell die politische Agenda. Auf der Podiumsdiskussion der Nichtregierungsorganisation Robin Wood wird darüber diskutiert, wie Klimagerechtigkeit in diesem angespannten Klima priorisiert werden kann. Infos

News

Klima in Zahlen: Öl- und Gasmanager zögern mit “Drill, baby, drill”

Noch in seiner Rede zur Amtseinführung hatte US-Präsident Donald Trump versprochen, die USA würden mehr Öl und Gas fördern als zuvor: “We will drill, baby, drill”, wiederholte er sein Versprechen aus dem Wahlkampf. Aber trotz seiner Beschlüsse, die Öl- und Gasindustrie zu deregulieren, gehen Analysten nur von einem leichten Anstieg der Förderung aus. Für das Jahr 2025 prognostiziert die Energy Information Administration nur einen Anstieg von 2,6 Prozent – für 2026 liegt die Prognose sogar bei unter einem Prozent Anstieg.

Die meisten Manager der großen Öl- und Gasförderer wollen 2025 weniger in die Suche nach neuen Vorkommen und ihre Förderung investieren als noch 2024, wie eine Befragung der Zentralbank von Texas zeigt. Die großen Öl- und Gasförderer machen 80 Prozent der US-Förderung aus.

Laut der Bank J.P. Morgan werde der Preis für US-Erdöl bis Ende 2025 auf 64 US-Dollar pro Barrel sinken (derzeit liegt er bei circa 73 Dollar). Es sei dieser Preisdruck, der die Förderung bestimme, nicht politische Wünsche aus Washington, zitiert die Financial Times mehrere Analysten. Die Investoren der Wall Street hätten keine politische, sondern eine wirtschaftliche Agenda – und sie hätten keinerlei Anreiz, den Öl- und Gasförderern eine Ausweitung der Förderung zu empfehlen oder diese zu finanzieren, wird ein großer Investor der Schiefergas-Industrie zitiert.

Trump selbst dagegen ignoriert in seinen Äußerungen diese Zusammenhänge. Beim Weltwirtschaftsforum forderte er die OPEC auf, den Ölpreis zu senken. Sinkende Preise für Öl und Gas würden allerdings zuerst die Schiefergasproduktion in den USA gefährden. nib

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CCS: WWF warnt vor 2.000 Kilometern Pipeline in der Nordsee

Zur Speicherung der nicht-vermeidbaren CO₂-Emissionen des Industriesektors bräuchte es 2.000 Kilometer neue Pipelines in der Nordsee. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie des Öko-Instituts im Auftrag des WWF Deutschland. Um die CO₂-Emissionen des Zement- und Kalksektors sowie der Abfallverbrennung in der Nordsee zu speichern, bräuchte es deutschlandweit ein CO₂-Pipeline-Netz von rund 10.000 Kilometern Länge.

Der Energiebedarf für die Abscheidung von CO₂ und in geringfügigem Maße auch für die Transportinfrastruktur würde demnach jährlich zwischen 2,4 und bis zu 3,9 Millionen Tonnen CO₂-Emissionen verursachen. Das sind rund sieben bis elf Prozent der CO₂-Emissionen, die die Zement-, Kalk und Abfallindustrie ab 2045 jährlich abscheiden will.

Der WWF befürwortet die “ergebnisoffene Prüfung” der Speicherung von CO₂ an Land. Die NGO fordert, den Einsatz der CO₂-Abscheidung und -Speicherung auf wenige Industriesektoren zu begrenzen und für die Energiewirtschaft zu verbieten. Zudem müsse der Meeresschutz verbessert werden. nib

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Deepseek: Energieverbrauch von KI laut IEA schwer einschätzbar

Der Kursverfall von Energieaktien zeige, wie wenig bislang über den Energiebedarf von künstlicher Intelligenz (KI) bekannt sei, wird die Internationale Energieagentur in einem Bericht der Financial Times zitiert. Demzufolge fehlten derzeit Tools und Informationen, um den zukünftigen Strombedarf verlässlich zu ermitteln. Die Aktienkurse der Energieunternehmen waren in jüngster Zeit auch angestiegen, weil Investoren einen höheren Strombedarf durch KI vermuteten.

Hintergrund der Börsenverluste von Energieunternehmen wie Siemens, Vernova oder Schneider Electric sind die Angaben des chinesischen Start-ups Deepseek, dass seine KI mit deutlich weniger Rechenleistung und somit energiesparender und günstiger als US-Konkurrenten wie OpenAI und Meta trainiert worden sei. Im Vergleich zum Llama-Modell von Meta wurden etwa nur zehn Prozent der Rechenleistung benötigt.

Allerdings könnten die Effizienzgewinne auch den gegenteiligen Effekt haben: “Da KI immer effizienter und zugänglicher wird, werden ihre Einsatzmöglichkeiten in die Höhe schnellen und sie zu einer Ware machen, von der wir einfach nicht genug bekommen können”, schreibt etwa Microsoft-CEO Satya Nadella auf LinkedIn. Der Manager verweist auf das sogenannte Jevons Paradoxon, wonach Effizienzgewinne oft zu einer höheren Nachfrage führen, weil Produkte günstiger und zugänglicher werden. lb

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Studie: Klimawandel hat Brände in Südkalifornien verschlimmert

Der Klimawandel hat die Bedingungen für die Brände in Südkalifornien um 35 Prozent wahrscheinlicher und um sechs Prozent intensiver gemacht. Dieser Trend habe sich in den letzten Jahrzehnten beschleunigt, zeigt eine Schnellanalyse der Organisation World Weather Attribution (WWA) am Imperial College London. Bei den Waldbränden im Großraum Los Angeles Anfang 2025 sind bisher 29 Menschen gestorben, über 16.000 Gebäude wurden zerstört.

Der Analyse zufolge habe sich die Trockenzeit in der Region aufgrund des Klimawandels bereits um 23 Tage verlängert. Dadurch überschneide sich die Zeit, in der trockenes Pflanzenmaterial als Brennstoff zur Verfügung stehe, mit der Santa-Ana-Windsaison. Nach zwei sehr feuchten Wintern sei nun in der Trockenzeit reichlich ausgetrocknetes Pflanzenmaterial vorhanden gewesen, da zuvor die Niederschläge dieser Winter das Wachstum von Gras und Sträuchern gefördert hätten. Solche feuerfördernden Bedingungen würden bei einer Erwärmung von 2,6 Grad, die mit derzeitigen Politikmaßnahmen droht, um weitere 35 Prozent wahrscheinlicher. dpa/lb

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Energie: Worüber der Bundestag an diesem Freitag noch abstimmen will

Wirtschaftsverbände aus der Energiebranche begrüßen die Einigung von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und Unionsfraktion auf Gesetzesänderungen, die an diesem Freitag (31. Januar 2025) im Bundestag beschlossen werden sollen. “Die Einigung ist eine gute Nachricht für die Energiewende”, sagte etwa Kerstin Andreae, Vorsitzende des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW).

Bereits vergangenen Monat hatten Mitglieder des Bundestagsausschusses für Klima und Energie einige der nun geplanten Einigungen angedeutet. Am Montag bestätigten auch die Fraktionen von SPD und Union sowie Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (B90/Die Grünen) die Zusammenarbeit.

Die Novellen betreffen unter anderem

  • neue Regulierungen zur Abmilderung von Angebotsspitzen aus der Photovoltaik (PV) und Anreize für Investitionen in Energiespeicher,
  • eine Verlängerung des Kraft-Wärme-Kopplungsgesetzes (KWKG), damit genehmigte Anlagen, die nach 2026 in Betrieb gehen, gefördert werden,
  • Regelungen, damit Behörden insbesondere in Nordrhein-Westfalen den Neubau von Windkraftanlagen nicht außerhalb dafür vorgesehener Gebiete genehmigen müssen
  • sowie ein größeres Fördervolumen für Bioenergie als von den Fraktionen der SPD und der Grünen ursprünglich vorgesehen. Laut dem Gesetzentwurf zur Änderung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) soll das Biomasseausschreibevolumen 2025 auf 1.300 Megawatt erhöht werden, 2026 auf 1.126 Megawatt. Gleichzeitig sieht der Entwurf vor, den Flexibilitätszuschlag von 65 Euro/kW auf 100 Euro/kW anzuheben.

Kerstin Andrae vom BDEW lobte insbesondere die Maßnahmen zur Dämpfung von PV-Einspeisespitzen, welche die Netzstabilität verbessern sollen. Das KWKG-Gesetz sichere laufende Projekte an und ermögliche “dringend benötigte Investitionen in den Fernwärmeausbau als ein zentrales Element der Wärmewende.” Die kommende Regierung müsse aber noch mehr Klarheit in dem Bereich schaffen.

Die Legislatur werde mit wichtigen Maßnahmen für mehr Flexibilität und Steuerbarkeit des Stromnetzes beendet, hieß es auch vom Bundesverband Erneuerbare Energie (BEE). “Es ist ein gutes politisches Signal, dass dies unter den demokratischen Parteien SPD, CDU/CSU und Grünen auch im Wahlkampf der Sache wegen noch möglich war”, sagte BEE-Präsidentin Simone Peter. Auch der Bundesverband Solarwirtschaft äußerte sich überwiegend zustimmend. av

  • Erneuerbare Energien
  • Nachhaltigkeit

Emissionsreduktion: Wie der LEH seine Klimaziele bis 2030 kostengünstig erreichen könnte

Eine Diversifizierung des Proteinangebots ist der kostengünstigste Weg für den Lebensmitteleinzelhandel (LEH), um Treibhausgasemissionen zu verringern. Dies zeigt eine neue Studie im Auftrag der NGO Madre Brava. Pflanzenbasierte Proteine seien weniger ressourcenintensiv in der Produktion und benötigten – verglichen mit tierischen Lebensmitteln – weniger Fläche, Wasser und Energie zum Anbau. Dadurch würden sie nicht nur weniger Treibhausgase verursachen, sondern seien auch günstiger in der Herstellung, schreiben die Autoren.

Rund 16 Millionen Tonnen CO₂-Emissionen könne der LEH bis 2030 einsparen, wenn 30 Prozent des Angebots an tierischen Milch- und Fleischprodukten durch pflanzliche Alternativen ersetzt würden. Pro reduzierter Tonne CO₂-Emissionen ergäbe sich der Studie zufolge zudem eine Kostenersparnis von 156 Euro. Die vier größten Lebensmittelkonzerne in Deutschland, Edeka, Rewe, Lidl und Aldi, könnten enormen Einfluss auf die Nachhaltigkeit des gesamten Sektors nehmen, indem sie pflanzenbetonte Lebensmittelsysteme fördern, sagt Florian Wall von Madre Brava. Um Klimaneutralität bis 2050 zu erreichen, müsste der LEH in Deutschland nach Schätzungen der NGO jedoch bis 2030 rund 24,12 Millionen Tonnen Treibhausgase einsparen. Eine Proteindiversifizierung allein genüge daher nicht.

Investitions- und ressourcenintensiver sei es jedoch, landwirtschaftliche Praktiken zu verbessern. Der Ansatz, die Verluste bei Milch- und Fleischerzeugnissen zu reduzieren, habe vergleichsweise geringe Auswirkungen auf die Treibhausgasemissionen. Er sei dennoch wichtiger Bestandteil einer umfassenden Klima- und Nachhaltigkeitsstrategie, betont die NGO. Trotz des höheren Kostenfaktors seien Schritte hin zu einer nachhaltigeren und effizienteren Landwirtschaft, neben der Reduktion von Lebensmittelabfällen, maßgeblich, um die Nachhaltigkeitsziele zu erreichen, heißt es in der Studie.

Um die Ernährungsgewohnheiten von Verbrauchern zu beeinflussen, brauche es vor allem Preisparität. Pflanzliche Alternativen zu Fleisch, Milch und anderen Produkten müssten zugänglich und kostengünstig angeboten werden, um Kaufentscheidungen zu beeinflussen, so die Studienautoren. Laut Philipp Hennerkes, dem Geschäftsführer des Bundesverbands des Deutschen Lebensmittelhandels (BVLH), spiele die Optimierung der Sortimente bei den Nachhaltigkeitsstrategien des LEH eine wichtige Rolle. Händler könnten jedoch lediglich Angebote machen. Entscheidend sei die Nachfrage der Verbraucher. Im Sinne einer strategischen Zielsteuerung sei der Aspekt Sortiment daher zwar wichtig, jedoch nicht immer zuverlässig, so Hennerkes. kih

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Must-Reads

Climate Home News: Indonesiens schwieriger Kohleausstieg. Indonesiens Präsident Prabowo Subianto hat angekündigt, bis 2040 auf Kohle zu verzichten. Noch gewinnt das Land 62 Prozent seines Stroms aus Kohle. Damit das gelingen kann, muss allerdings der Ausbau erneuerbarer Energien beschleunigt und die Stromversorgung flexibler gestaltet werden. Zum Artikel

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Times: Klimakrise wird zur Wohnungskrise für schwarze Community. In einem Essay schreibt Jerel Ezell, dass für die schwarze Community die Klimakrise auch eine Wohnungskrise sei. Viele Schwarze leben in den USA in Regionen, die vom Klimawandel besonders betroffen sind. Und wenn sie umziehen wollen, werden sie durch eine rassistische Kredit- und Wohnungsvergabe dabei behindert. Zum Artikel

Standpunkt

Klimakommunikation: Wie man das 1,5-Grad-Ziel am Leben erhalten kann

Von Charlotte Unger und Janna Hoppmann
Janna Hoppmann (links) und Charlotte Unger.

Im vergangenen Jahr lagen die weltweiten Durchschnittstemperaturen erstmals kontinuierlich über dem 1,5-Grad-Ziel. In vielen Medienberichten war bereits von einem Scheitern des Pariser Klimaabkommens die Rede. Doch zugleich beschworen Delegationen auf der COP29 in Baku die Notwendigkeit, das 1,5-Grad-Ziel am Leben zu erhalten.

Die offensichtliche Diskrepanz zwischen wissenschaftlichen Daten und politischen Slogans kann Verwirrung, Wut, Enttäuschung und Frustration auslösen. Solche Emotionen können das Vertrauen in die politischen Institutionen untergraben und Klimawandel-Leugnern Auftrieb geben. Menschen, die für eine ehrgeizige Klimapolitik eintreten, müssen ihre Kommunikation anpassen, um dem entgegenzuwirken.

Was 1,5 Grad plus im Jahr 2024 bedeuten

Das aus dem Pariser Abkommen abgeleitete 1,5-Grad-Ziel bezieht sich auf einen über 20-30 Jahre gemittelten Temperaturanstieg. Dass die Erde die 1,5-Grad im vergangenen Jahr überschritten hat, bedeutet also nicht, dass wir die Ziele des Pariser Abkommens verfehlt haben – noch nicht.

1,5 Grad ist ein wissenschaftlich fundiertes, vor allem aber politisch gesetztes Ziel. Es war die Allianz der kleinen Inselstaaten (AOSIS), die bei der COP15 in Kopenhagen und den darauffolgenden UN-Klimakonferenzen darauf drängte, 1,5 Grad als “sichere Grenze” festzulegen. 2018 rückte ein IPCC-Sonderbericht das Ziel ins öffentliche Bewusstsein. Seitdem ist es in der Politik und für viele gesellschaftliche Gruppen zur “goldenen Zahl” geworden, an der sich alle Klimaschutzaktivitäten orientieren.

Solche klaren politischen Ziele sind wichtig. Sie machen Abstraktes konkreter – Klimaschutz zum Beispiel wird darauf ausgerichtet, das Ziel von 1,5 Grad globaler Erwärmung nicht zu überschreiten. Sie helfen, die Kluft zwischen theoretischem Wissen, politischen Absichten und politischem Handeln zu überbrücken. Das 1,5-Grad-Ziel stärkt auch den gesellschaftlichen Konsens darüber, welche Maßnahmen notwendig und ethisch vertretbar sind.

Das Ziel bleibt ein wichtiger Maßstab

Es ist auch ein Bezugspunkt für Entscheidungen. Ähnlich wie bei einer Gehaltsverhandlung, bei der es sich lohnt, mit möglichst hohen Forderungen zu starten, kann ein ehrgeiziges Ziel die politische Diskussion und politisches Handeln in die richtige Richtung lenken. Selbst wenn es nicht erfüllt wird, liegt das Ergebnis wahrscheinlich näher an der ursprünglichen Erwartung als ohne solch einen ehrgeizigen Ansporn.

Als Wissenschaftlerinnen plädieren wir deshalb dafür, auch kommunikativ am 1,5-Grad-Ziel festzuhalten – und über Überschreitungen auf eine Weise zu sprechen und zu schreiben, die dazu beiträgt, dass der Klimaschutz weiterhin oberste Priorität behält. Fünf Punkte helfen dabei: Emotionen ernst zu nehmen, das Ziel gut zu erklären, die Risiken des Überschreitens ehrlich aufzuzeigen, die Selbstwirksamkeit der Menschen zu fördern und vor allem die Hoffnung nicht aufzugeben.

Emotionen, Erklärungen, Risiken

Grundsätzlich gilt: Wir müssen die Menschen mit ihrer Verwirrung, Frustration oder Enttäuschung ernst nehmen. Oft geht es darum, zunächst zu klären, was das Überschreiten von 1,5 Grad genau heißt und warum das Ziel wichtig bleibt – und dabei aber die Sorgen des Gegenübers nicht abzutun.

Ein wichtiger Faktor: Die 1,5 Grad stellen keine harte Schwelle zwischen einem sicheren und einem unsicheren Klima dar. Doomsday-Szenarien, die dies behaupten, untergraben eher die Glaubwürdigkeit der Klimawissenschaft und -politik. Sie beschwören einen unmittelbar bevorstehenden Zusammenbruch, sobald die Schwelle überschritten ist. Richtig ist aber: Das Überschreiten von 1,5 Grad bedeutet nicht, dass alle Klimabemühungen umsonst gewesen wären.

Wir müssen deutlich machen, dass nicht nur die große Marke zählt, sondern jedes Zehntel, jedes Hundertstel Grad. Der kleinste Fortschritt ist besser als der Status quo.

Zugleich muss man ehrlich über die Risiken sprechen und schreiben, die mit einem Temperaturanstieg jenseits der 1,5 Grad verbunden sind. Etwa darüber, dass die Machbarkeit und Sicherheit vieler Overshoot-Szenarien, die ein zeitweises Überschreiten des Ziels und späteres Zurückkommen auf 1,5 Grad durch Negativemissionstechnologien beschreiben, fraglich sind. Viele Folgen des Klimawandels, wie das Artensterben, sind unumkehrbar – selbst wenn es uns gelingt, die Temperaturen wieder auf 1,5 Grad zurückzubringen.

Selbstwirksamkeit und Hoffnung

Ein Slogan wie “Jedes Zehntelgrad zählt” könnte durch Beschreibungen ergänzt werden, die Klimaschutzmaßnahmen direkt mit zukünftigen Ereignissen in Verbindung setzen. 1,5 Grad heißt, möglichst vielen Menschen ein menschenwürdiges Leben auf der Erde zu sichern. Mit jeder Tonne Treibhausgasen, die wir einsparen, mildern wir die Folgen des Klimawandels. Wir sollten an den Hebeln mit der stärksten Wirkung arbeiten, aber auch kleine Verbesserungen auf allen Ebenen wichtig nehmen.  

Mit unserer Kommunikation können wir Selbstwirksamkeit und mehr Zusammengehörigkeit der Menschen anregen: Wenn alle kleinen Schritte zählen, heißt das auch, dass der Beitrag jeder einzelnen Person wichtig ist. In der Summe machen Energie sparen, weniger Auto fahren oder geringerer Fleischkonsum viel aus. Wir sind alle – in irgendeiner Form – vom Klimawandel betroffen, und auf der ganzen Welt arbeiten Menschen daran, die 1,5-Grad-Grenze im Sinne des Pariser Abkommens doch noch zu halten.

Es geht auch darum, Hoffnung zu machen: Selbst, wenn sich die Erde stärker erwärmt, ist nicht alles verloren. Die Welt ist weiter als noch vor zehn Jahren. Es gibt viele Beispiele, mit denen wir die Gewinne und positiven Seiten der großen Transformation, die wir durchmachen, betonen können. Wir müssen uns weiterhin mit aller Kraft um das Einhalten von 1,5 Grad bemühen. Aber wir sollten unsere Hoffnung nicht aufgeben, wenn wir das Ziel doch überschreiten.

Charlotte Unger erforscht am Research Institute for Sustainability – Helmholtz Centre Potsdam (RIFS) Prozesse der nationalen und internationalen Klimapolitik. Janna Hoppmann ist Psychologin und die Gründerin der Beratungsagentur ClimateMind und der dazugehörigen ClimateMind Academy. Die Autorinnen danken dem Deutschen Klima Konsortium für anregende Gespräche zum 1,5-Grad-Ziel.

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Climate.Table Redaktion

CLIMATE.TABLE REDAKTION

Licenses:
    Liebe Leserin, lieber Leser,

    heute dreht sich bei uns vieles darum, wie wir über die Klimakrise und die Maßnahmen dagegen sprechen. Zum Beispiel: Wie viel Klimaschutz können und wollen wir uns in Deutschland noch leisten, wenn die Wirtschaft in der Krise steckt? Im Streitgespräch machen Sabine Nallinger von der Stiftung Klimawirtschaft und Holger Lösch vom Bundesverband der Deutschen Industrie deutlich, was sie davon halten, Klimaziele zu verschieben, die Schuldenbremse zu lockern oder die Bürokratie abzubauen.

    Auch beim Faktencheck geht es um eine heiße Debatte im Wahlkampf: Wie soll ein Klimageld aussehen, das fast alle Parteien fordern? Wo sollen die Mittel herkommen und wie kann es EU-konform gestaltet werden? Und schließlich, neben vielen anderen Meldungen, debattieren wir in einem Meinungsbeitrag die erstmalige Überschreitung der 1,5-Grad-Grenze im letzten Jahr: Wie soll die Klimaszene damit umgehen, dass die globale Erhitzung kaum gestoppt wird? Soll man noch an diesem Ziel aus dem Pariser Abkommen festhalten?

    Wir wünschen eine anregende Lektüre.

    Ihr
    Bernhard Pötter
    Bild von Bernhard  Pötter

    Analyse

    “Klimaziele sind Motor für Innovation” – “Wie wir sie erreichen, da habe ich viele Fragezeichen”

    Zu Gast bei Table.Briefings: Sabine Nallinger (rechts) von der “Stiftung Klimawirtschaft” im Streitgespräch mit Holger Lösch vom BDI.

    Table.Briefings: Frau Nallinger, Deutschland steckt in der Rezession. Die Unternehmen klagen über hohe Energiepreise und zu viel Bürokratie, auch durch den Green Deal. Ist es nicht sinnvoll, da die Klimaziele nach hinten zu schieben?

    Sabine Nallinger: Für mich sind die Klimaziele ein Innovationsmotor. Es geht darum, dass wir als Weltgemeinschaft die Wirtschaft klimaneutral aufstellen. Das haben wir im Pariser Abkommen beschlossen. Die Frage ist nicht mehr: Wollen wir das? Sondern: Wenn wir das nicht machen, werden wir in Deutschland keine Produkte mehr für den Weltmarkt in der Zukunft produzieren. Deshalb haben wir keine andere Chance, als bei der grünen Transformation voll einzusteigen.

    Herr Lösch, Unternehmen wollen vor allem Planungssicherheit. Der BDI hat oft betont, dass er hinter dem Klimaschutz steht. Ist es da nicht sinnvoll, voll in die Transformation einzusteigen, wie Frau Nallinger sagt?  

    Holger Lösch: Wer durch tiefen Morast watet, sollte besser nicht stehen bleiben, sondern schnellere und effizientere Wege ins Trockene suchen. Wir müssen die vielen Pfade, die jetzt praktisch alle Unternehmen zur Transformation eingeschlagen haben, zu einem guten Ende führen. Die Frage ist: Wie gelingt uns in einer durch Inflation, Corona, den russischen Angriffskrieg und vielleicht auch den neuen US-Präsidenten deutlich veränderten Welt, die Balance zwischen den ökologischen und den ökonomischen Bedürfnissen wieder herzustellen? Ist die Art und Weise, wie die Politik die Klimaziele erreichen will, wirklich die beste? Da habe ich viele Fragezeichen. Ich will nicht über das ob diskutieren, sondern über das wie – das aber mit zunehmender Schärfe.

    Klimaziel verschieben? “Es geht nicht um Jahreszahlen” 

    Was konkret muss sich ändern? Es gibt die Forderung, das Zieldatum für Klimaneutralität, 2045, nach hinten zu schieben. Wollen Sie das?

    Lösch: Es geht am Ende nicht um einzelne Jahreszahlen. Nach der Reform des europäischen Emissionshandels dürfen Energie- und große Industrieanlagen spätestens ab den frühen 2040er-Jahren in der EU keine Treibhausgase mehr emittieren. Dies macht deutlich, dass eine isolierte Diskussion über ein nationales Klimaziel nicht zielführend ist. Wir müssen Wege finden, unsere ambitionierten Klimaziele ohne Verlust an Wettbewerbsfähigkeit und ohne Deindustrialisierung zu erreichen. Diese Diskussion müssen wir vorrangig in Europa führen.

    Was brauchen Sie dann? 

    Lösch: Die zentrale Frage ist: Wie können wir Wettbewerbsfähigkeit und Klimaneutralität kombinieren? Der Fokus der Politik war in den vergangenen Jahren zu einseitig. China und die USA machen viel Klimaschutz, aber das ist eher ein Nebeneffekt ihres Ringens um wirtschaftliche Vorherrschaft in der Welt. Und wir schauen zu. Wir machen in der Klimapolitik vieles zu kompliziert, es wird zu eng reguliert. Wir klagen jetzt darüber, dass Wasserstoff nicht wie erhofft kommt. Aber das ist ja völlig klar: Wenn Wasserstoff so komplex reguliert wird, dann investiert natürlich keiner.

    “Wir brauchen Bürokratieabbau, absoluten Pragmatismus” 

    Also brauchen wir vor allem Bürokratieabbau?  

    Nallinger: Da sind wir uns einig. Wir brauchen einen Bürokratieabbau, absoluten Pragmatismus. Wenn ich höre, wieviel Verwaltungsaufwand der Green Deal mit seinen tausenden Seiten an nachgelagerten Rechtsakten bei Unternehmen verursacht, wie will man sich darauf vorbereiten? Aber was mir noch wichtig ist, Herr Lösch, weil Sie die Wettbewerbsfähigkeit angesprochen haben: Es ist schon erfreulich, wie oft wir hier in Deutschland in Vorleistung gegangen sind und dann doch merken, langsam kommen Nachahmer: China spricht jetzt darüber, einen Emissionshandel für die eigene Industrie einzuführen, der EU-Grenzausgleich wirkt also. Die deutsche Stahlindustrie hat einen Standard für grünen Stahl entwickelt, auch den diskutiert China jetzt. Wenn kritisiert wird, Europa sei zu ambitioniert, sieht man hier: Es funktioniert auch, dass uns die Partner ernst nehmen, wenn wir vorangehen. Wir sind ein ernstzunehmender Wirtschaftsraum, wir haben die Macht, Instrumente weltweit zu etablieren.

    Wir setzen die Standards im grünen Bereich und die anderen folgen?  

    Lösch: Andere Staaten übernehmen unsere Standards – und werden so zu Wettbewerbern, die von uns Marktanteile gewinnen. China und die USA setzen mit Subventionen Anreize, die auch zu mehr Klimaschutz führen. Damit setzen sie sich zunehmend durch – ein Blick auf die Solartechnologie, Windkraft und Elektrolyse zeigt es deutlich. Das ist Teil einer Strategie, um die globale industrielle Vormachtstellung zu erringen. Aber ich bezweifle, dass China ein ETS so rigide und konsequent umsetzen würde wie wir. Klimaschutz mit einem harten quantitativen Ziel und einem harten Enddatum, das macht sonst niemand in der Welt. 

    “Enge EU-Vorgaben behindern Innovation”  

    An welchen Stellschrauben würden Sie noch drehen?   

    Lösch: Der Kern des Spiels lautet: Wer investiert das, was notwendig ist? Das heißt, Millionen von Menschen, Institutionen, Unternehmen, Staaten, Länder und Städte müssen millionenfach Entscheidungen treffen, die sich zu den notwendigen Milliarden und Billionen addieren. Keine dieser Entscheidungen wird fallen, wenn es kein Geschäftsmodell gibt. Dabei sollten wir Ziele setzen, aber Raum lassen, wie sie erreicht werden. Wir machen einen Fehler, wenn wir inhaltlich, quantitativ und qualitativ zu enge Vorgaben machen, denn damit verhindern wir Innovation. Man könnte sagen: Die Amerikaner spielen Fußball, sie wollen ein Tor schießen. Und wir sagen: Schießt ein Tor, aber es muss ein Fallrückzieher sein, mit dem linken Fuß in den oberen rechten Winkel.  

    Nallinger: Es gibt noch eine andere wichtige Stellschraube: Die öffentlichen Finanzen. 2045 klimaneutral zu sein, das ist ein politisch gesetztes Ziel. Das muss unsere Generation in die Wege leiten, die Transformationsgeneration. Sie muss das tun für die nächsten zwei, drei Generationen. Das kann diese eine Generation finanziell erst mal gar nicht stemmen. Und für die nötigen staatlichen Investitionen …

    Der BDI beziffert sie auf bis zu 280 Milliarden Euro von 2021 bis 2030 … 

    Nallinger: … brauchen wir eine Debatte über die Schuldenbremse. Diese Investitionen schafft die Privatwirtschaft nicht allein, die Gesellschaft nicht allein, das braucht kluge staatliche Förderinstrumente. Da darf es keine Tabus geben. Die demokratischen Kräfte der Mitte müssen da zusammenarbeiten und die verschiedenen Interessen zusammenführen. 

    Schuldenbremse debattieren – oder Sondervermögen

    Herr Lösch, sollten wir die Schuldenbremse für Investitionen in die Klimawende abschaffen? 

    Lösch: Frau Nallinger hat einen ganz wichtigen Punkt: Die Klimawende ist eine politisch angestoßene Transformation. Die Industrie wandelt sich seit ihrer Gründung, und sie wandelt sich ständig, sonst würden wir heute noch mit Holzvergasern durch die Gegend fahren. Bislang ist Transformation in aller Regel aber durch Märkte, Technologien und Kundenwünsche herbeigeführt worden. Jetzt machen wir eine politisch gewollte Transformation mit einem Enddatum. Wenn das zusammenkommt mit dem Wunsch der Politik, die Dinge im Detail zu steuern, dann kommen wir dahin, wo wir heute sind. Uns ist völlig klar, dass die Industrie in 50 Jahren an vielen Stellen anders aussehen wird. Aber die Diskussion um die Schuldenbremse ist mir deutlich zu schlicht. Wir müssen analysieren, was finanziert der Staat heute, was muss er künftig finanzieren? Dabei werden wir harte Diskussionen führen müssen. Es gibt neue, andere Bedarfe, etwa bei der Verteidigung. Das sind hohe zweistellige Milliardensummen, die künftig aufgebracht werden müssen. Wir müssen darüber reden, was der Staat tun soll, wozu er in der Lage ist, woher er das Geld nimmt und wofür er es ausgibt. Dabei müssen wir die Balance halten zwischen Ökologie, Ökonomie und Sozialem. Das ist sicher keine leichte Aufgabe, aber eine unumgängliche.  

    Also weg mit der Schuldenbremse?  

    Lösch: Wir sind klar dagegen, pauschal die Schuldenbremse abzuschaffen. Ein solider Haushalt ist ein großer Wert. Wir müssen priorisieren. Wir müssen die Dinge effizienter und einfacher machen. Wir müssen bessere Anreize und Rahmenbedingungen für Investitionen bieten. Möglicherweise werden wir am Ende aber auch für zentrale Investitionsaufgaben über sehr klar definierte Sondervermögen im Sinne einer Generationenaufgabe sprechen. 

    Ursachen für Deindustrialisierung: Demographie, Digitalisierung, Transformation  

    Im Wahlkampf reden viele davon, die Klimapolitik führe zur Deindustrialisierung Deutschlands. Sehen Sie das auch so?  

    Lösch: Ja, ich sehe die Gefahr. Es passiert auch bereits. Deindustrialisierung heißt, dass der Anteil der Industrie am BIP deutlich sinkt. Dieser Prozess läuft seit einigen Jahren und wurde zuletzt beschleunigt. Aber das Phänomen hat viele Ursachen. Der Standort ist auf breiter Front schlechter geworden. Wir haben Probleme mit der Demographie, der Digitalisierung, aber auch mit der Konzeption unserer grünen Transformation. Unser Ansatz, Klimaschutz umzusetzen, ist nicht die einzige Ursache für unsere Probleme. Viele, aber nicht alle Probleme des Standorts Deutschland sind hausgemacht. Nicht alle sind in den letzten drei Jahren entstanden. 

    Nallinger: Wir müssen das Thema Deindustrialisierung ehrlich diskutieren und darüber reden, welche Prozesse es in Deutschland in Zukunft nicht mehr geben wird. Nehmen Sie die Produktion von Ammoniak, das werden wir in Zukunft höchstwahrscheinlich hier in Deutschland nicht mehr im heutigen Ausmaß machen.  

    Lösch: Wertschöpfungsketten verändern sich permanent. Aber es geht nicht, dass wir apodiktisch bestimmen, welchen Teil der Wertschöpfung wir künftig in Deutschland nicht mehr haben wollen. Das geht schon deshalb nicht, weil verschiedene Industrien eng zusammenhängen. Sie können sich nicht einen energieintensiven Fuß abschneiden und der Rest läuft weiter wie bisher. Dinge verändern sich, völlig klar. Aber was ich vehement ablehne, ist eine staatliche oder zivilgesellschaftliche Entscheidung darüber, was wir in der Industrie tun oder nicht tun. 

    Krise in der Autoindustrie: “Schuld ist nicht die Klimapolitik”

    Nallinger: Da bin ich ja voll bei Ihnen. Aber es gibt doch eine große Verunsicherung in der Wirtschaft, gerade in der energieintensiven. Haben wir hier eine Zukunft? Die richtigen Rahmenbedingungen? Sind wir hier überhaupt noch erwünscht? Und das ist Gift für die Wirtschaft. Deswegen haben wir gerade den Investitionsstau. Deshalb sollten wir ehrlich diskutieren, was es höchstwahrscheinlich hier in Zukunft nicht mehr geben wird.

    Die Stahl- und Autoindustrie haben derzeit große Probleme in Deutschland. Wie hoch ist der Anteil der Klimapolitik daran?  

    Nallinger: Beim Stahl ist ganz klar vor allem die Industriepolitik von China verantwortlich, die ihre Überproduktion hier ablädt. Auch an der Krise in der Autoindustrie ist nicht die Klimapolitik schuld. Vielmehr fehlte es der Industrie und den Regierungen lange Zeit an einer Strategie für den Hochlauf der E-Mobilität und ihrer Lieferketten. Zwar gab es mit den EU-Flottengrenzwerten frühzeitig ein Ziel, doch der Weg dahin bleibt unklar. Das ist jetzt das Ergebnis.  

    Lösch: Die direkten und indirekten Folgen der weltweiten Klimapolitik wirken sich schon auf uns aus: China fördert die E-Autoindustrie massiv. Ob von zehn Firmen nach zehn Jahren nur eine übrigbleibt, ist für China irrelevant – Hauptsache, diese Firma dominiert den Weltmarkt. Auch der Inflation Reduction Act in den USA setzt der deutschen Industrie zu. Und gleichzeitig ist die Klimagesetzgebung in der EU zu kompliziert und zu bürokratisch. Von außerhalb Europas kommt Druck, von innerhalb wird gebremst.

    “Wenn wir für Klimaziele Industriezweige aufgeben, haben wir das falsche Konzept”

    Können wir alle Industrien in Deutschland halten? Oder produzieren manche Grundstoffindustrien nicht anderswo so günstig, dass man dagegen nicht ansubventionieren kann?  

    Lösch: Ich finde diese Position fatalistisch. Wir haben in Deutschland hoch optimierte Cluster aus Grundstoffindustrien und nachgelagerter Wertschöpfung. Wenn wir ganze Industriezweige aufgeben müssen, um unsere Klimaziele zu erreichen, haben wir das falsche Konzept gewählt. Wir müssen strukturell geschickter vorgehen. Wenn sich die Wertschöpfung wandelt, ist das eine Entwicklung, die wir aktiv mitgestalten sollten – nicht einfach hinnehmen.

    Nallinger: Wir werden aber nicht jeden Prozessschritt in der Grundstoffindustrie in Europa halten können. Darüber müssen wir ehrlich reden, sonst führt das zur Verunsicherung in der Wirtschaft. Die Energiewende ist unbestreitbar mit hohen Investitionen verbunden, aber solche Investitionen hat es immer wieder gegeben, beispielsweise in die Atomkraft. Jetzt sind es Zukunftsinvestitionen in Erneuerbare und in Backup-Kraftwerke. Da sollte es doch einen Grundkonsens geben, dass diese Investitionen nötig sind und uns voranbringen. 

    Was muss die nächste Bundesregierung aus Ihrer Sicht schnell umsetzen, um die Klimaziele einzuhalten und die Wertschöpfung im Land zu halten?  

    Lösch: Alles, was Investitionen und Innovationen einfacher, schneller und besser möglich macht. Deutschland muss innovativer werden. Die Rahmenbedingungen für die Industrie – darunter fällt beispielsweise eine verlässliche Energieversorgung mit wettbewerbsfähigen Preisen – müssen einfach besser werden. Und wir brauchen einen robusten Schutz gegen Wettbewerber, die mit unfairen Mitteln agieren. 

    Nallinger: Industrie und Wirtschaft brauchen Verlässlichkeit. Die politischen Rahmenbedingungen dürfen sich nicht nach jeder Wahl komplett ändern. Wir brauchen Investitionen in die Infrastruktur, damit die Industrie hier weiter wachsen kann. Und die Politik muss bei Konflikten stärker moderieren – beispielsweise beim sozialen Ausgleich bei der Gebäudesanierung.

    Sabine Nallinger ist Vorständin der “Stiftung Klimawirtschaft”, einer klimapolitischen Initiative deutscher Unternehmenschefs. Holger Lösch ist stellvertretender Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI), dem Spitzenverband der deutschen Industrie.

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    Faktencheck zur Wahl: Einführung eines “Klimageldes”

    Verschiedene Parteien fordern in ihren Wahlprogrammen die Einführung eines Klimageldes.

    Die Forderung

    Durch den steigenden CO₂-Preis belastet Klimaschutz die Geldbeutel. In den kommenden Jahren dürfte der Preis weiter steigen. Eine Direktauszahlung in Form eines “Klimageldes” könnte ein Instrument sein, um die privaten Haushalte zu entlasten.

    Die Ampel-Regierung hatte in ihrem Koalitionsvertrag schon versprochen, einen sozialen Kompensationsmechanismus in Form eines Klimageldes zu entwickeln. Zuerst fehlte aber ein Mechanismus, um Direktzahlungen des Staates an Bürger zu ermöglichen. Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Klima- und Transformationsfonds fehlte es schließlich aufgrund der angespannten Haushaltslage am Geld.

    In einigen Wahlprogrammen taucht das Klimageld wieder auf, allerdings in unterschiedlichen Ausführungen:

    • Die SPD will mit dem steigenden CO₂-Preis ab 2027, beispielsweise mit einem sozial gestaffelten Klimageld, dafür sorgen, dass niemand durch die Transformation überfordert wird.
    • Die FDP will eine Klimadividende einführen, die direkt und pauschal an Bürgerinnen und Bürger ausgezahlt wird.
    • Menschen mit niedrigem und mittlerem Einkommen sollen nach Wunsch der Grünen zum “Ausgleich einen Großteil der Einnahmen der CO₂-Bepreisung von Gebäudewärme und Transport als Klimageld zurück” bekommen.
    • Die CDU will einen Klimabonus einführen, der soll aber nicht direkt ausgezahlt, sondern zur Reduktion von Stromsteuer und Netzentgelten genutzt werden.
    • Ein “soziales Klimageld” will die Linke einführen. Durch seine Besteuerung sollen Haushalte mit niedrigem und mittlerem Einkommen mehr profitieren.

    AfD und BSW wollen kein Klimageld einführen, sondern den CO₂-Preis abschaffen.

    Mögliche Umsetzung

    Klimageld würden Bürgerinnen und Bürger direkt ausgezahlt bekommen. Im vergangenen Dezember wurden zumindest die “Eckpunkte für einen technischen Auszahlungsmechanismus” verabschiedet. Ab wann wirklich Geld fließen könnte, ist offen: Die Linke will das Klimageld sogar rückwirkend zum 1. Januar 2025 auszahlen. Die SPD will ein sozial gestaffeltes Klimageld aber erst ab 2027, wenn die Bürgerinnen und Bürger durch die Einführung des ETS 2 die Kosten der CO₂-Bepreisung noch stärker spüren. Laut Nina Scheer, der klimapolitischen Sprecherin der SPD, könnte das beispielsweise einkommensabhängig ausgezahlt werden. Auch die Grünen wollen Haushalte mit niedrigen Einkommen entlasten. Wie genau die soziale Komponente des Instruments aussehen soll, bleibt allerdings bei beiden Parteien offen.

    Expertinnen und Experten gehen außerdem davon aus, dass eine Zahlung eines pauschalen Klimageldes möglicherweise mit EU-Richtlinien kollidiert. Nach diesen müssten nämlich die Mittel aus dem ETS, in den ab 2027 auch der nationale Emissionshandel übergeht, entweder für Zwecke mit nachgewiesenen, positiven Umweltauswirkungen oder aber für soziale Aspekte für Haushalte mit mittleren und niedrigen Einkommen verwendet werden. Es ist fraglich, ob der FDP-Vorschlag, alle zu beteiligen, mit den EU-Vorgaben vereinbar wäre.

    Das würde es bedeuten

    Einig sind sich fast alle Parteien darüber, dass für das Klimageld die Einnahmen aus dem steigenden CO₂-Preis verwendet werden sollen. Gemeint sind wohl die Einnahmen aus dem nationalen Emissionshandel für Wärme und Verkehr. Im vergangenen Jahr waren das 13 Milliarden Euro. Ob diese Einnahmen ganz oder nur anteilig ausgezahlt werden sollen, ist unklar. Ebenso unsicher ist, welche Personen das Klimageld bekommen sollten. Eine Modellrechnung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) kommt unter der Annahme, dass der steigende CO₂-Preis zu Mehrausgaben für Grundsicherung und Wohngeld führt, auf eine Pro-Kopf-Pauschale von 124 Euro.

    Weil der Preis dafür zum 1. Januar 2025 von 45 auf 55 Euro stieg und weil die nationale CO₂-Bepreisung ab 2027 in den europäischen Emissionshandel überführt wird (ETS 2), ist davon auszugehen, dass die Einnahmen daraus in Zukunft weiter steigen. Theoretisch könnte dann auch mehr Geld über das Klimageld ausgeschüttet werden. Zusätzlich erhält Deutschland aus dem EU-Emissionshandel ETS 1 noch Geld – 5,5 Milliarden Euro waren das 2024. Einige Berechnungen wie beispielsweise die des Forums Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft im Auftrag von Greenpeace, auf die sich die Linke bezieht, wollen auch dieses Geld auszahlen – obwohl es die Haushalte nur indirekt belastet.

    Wirtschaftliche und finanzielle Folgen

    Das Problem: Die Einnahmen aus beiden Arten des Emissionshandels sind eigentlich fest verplant: Beide Geldflüsse landen aktuell im Klima- und Transformationsfonds (KTF). Daraus wird der Umbau der Industrie und der Ausbau der Erneuerbaren finanziert. Die alte Bundesregierung hatte dafür beispielsweise für 2025 Ausgaben von rund 34 Milliarden Euro vorgesehen, dem gegenüber standen aber nur Einnahmen von 25 Milliarden – und das noch ganz ohne Klimageld. Wenn nur ein Teil der Einnahmen aus dem CO₂-Preis ausgezahlt würde, bliebe vermutlich nur ein sehr geringes Klimageld. Die Linke nennt als einzige Partei eine Höhe für das geplante Klimageld – 320 Euro pro Person im Jahr. Um so viel Geld auszuzahlen, hätten 2024 allerdings nicht einmal die Einnahmen aus nationalem CO₂-Preis und ETS 1 zusammen gereicht.  

    Politische Umsetzbarkeit

    Die Idee für einen sozialen Ausgleich, um die Bevölkerung von den Kosten der Transformation zu entlasten, erfährt über die Parteien hinweg viel Zustimmung. Da die Finanzierung des Klimageldes aber unklar ist und die CDU wenig von einer direkten Auszahlung an die Bürgerinnen und Bürger hält, ist eine Umsetzung unter einer möglichen CDU-Regierung wenig wahrscheinlich.

    Fazit

    Sozialen Ausgleich durch ein Klimageld fordern viele Parteien und Gruppen. In Diskussionen dazu wird auch immer wieder betont, dass selbst die Auszahlung eines geringen Klimageldes die Akzeptanz von Klimaschutzmaßnahmen steigern könnte. Eine Analyse des Thinktanks Zukunft Klima Sozial kommt aber auch zu dem Ergebnis, dass ein Klimageld nur ein kleiner Teil einer sozialgerechten Klimapolitik sein kann. Bei der aktuellen Finanzlage müssten dafür aber an anderer Stelle erhebliche Abstriche gemacht werden.

    • Bundestagswahl
    • ETS 2
    • Grundsicherung
    • Klimageld
    • KTF

    Termine

    30. Januar, 9 Uhr, Online
    Diskussion Overshoot: Einmal Erderwärmung und zurück?
    Dass die Erderwärmung auf 1,5 Grad Celsius begrenzt werden kann, wird zunehmend unwahrscheinlicher. Andy Reisinger (Mitglied des IPCC, neuseeländisches Forschungszentrum für Treibhausgase) stellt bei diesem Event vom Zentrum Liberale Moderne das neue Factsheet “Overshoot: can we exceed and return to 1,5 °C?” vor und diskutiert die klimatischen und politischen Implikationen. Infos

    30. Januar, 15 Uhr, Online
    Webinar Stories to Watch 2025
    Der Präsident des World Resources Institute, Ani Dasgupta, erklärt, welche Klimathemen aus seiner Sicht in diesem Jahr wichtig werden. Infos

    30. Januar, 15 Uhr, Online
    Webinar Nach Betrug und Preisverfall – wie gelingt der Neustart der THG-Quote?
    Sind die auf dem Tisch liegenden Vorschläge ausreichend, um das wichtige Klimaschutzinstrument für den Verkehrssektor noch zu retten? Wie wird sich der THG-Quotenhandel 2025 entwickeln? Darüber wird auf dem Webinar von Energate diskutiert. Infos

    30. Januar, 18 Uhr, Berlin
    Berliner Klimagespräch Europas Green Deal zukunftsfest und sozial gestalten
    Die Klima-Allianz Deutschland und der Deutsche Naturschutzring (DNR) laden zum Austausch ein, wie der European Green Deal weiterhin erfolgreich umgesetzt und sozial abgesichert werden kann. Infos

    31. Januar 2025, 9 Uhr bis 19 Uhr, Berlin
    Konferenz Klimakonferenz der Stiftung Klimaneutralität
    Die kommende Legislaturperiode wird entscheidend für das Klimaziel 2030 und den Weg zur Klimaneutralität 2045 sein. Im Rahmen der Konferenz wird die Stiftung Klimaneutralität ihre 55 Politikempfehlungen für die Erreichung der Klimaneutralität präsentieren und öffentlich diskutieren – Table.Briefings berichtete bereits. Infos

    4. Februar, 18.30 Uhr, Dresden/Online
    Podiumsdiskussion Energieversorgung in Sachsen – Stabilität in Wirtschaft und Strompreisen
    Auf der Podiumsdiskussion des Bundesverbands für Erneuerbare Energien wird anlässlich der Bundestagswahl darüber diskutiert, wie für die Wirtschaft ausreichend grüner Strom und “grüne Gase” bereitgestellt werden können. Infos

    5. Februar, 10 Uhr, Berlin
    Veröffentlichung Zweijahresgutachten des Expertenrats für Klimafragen
    Der Expertenrat für Klimafragen wird gut zwei Wochen vor der Bundestagswahl sein Zweijahresgutachten veröffentlichen. Das unabhängige Gremium untersucht in dem Gutachten bisherige Entwicklungen und Trends der Treibhausgasemissionen sowie die Wirksamkeit von Klimaschutzmaßnahmen. Infos

    5. Februar, 10 Uhr, Brüssel/Online
    Präsentation Boosting the clean heat market: solutions for the new policy cycle
    Agora Energiewende stellt auf dieser Veranstaltung vor, wie die Wärmewende in Europa vorangetrieben werden kann. Infos

    5. Februar, 19 Uhr, Hamburg/Online
    Diskussion Klimapolitik in Zeiten des Rechtsrucks
    Klimaschutz – war da was? Trotz eskalierender Klimakrise bestimmen Wirtschafts-, Sicherheits- und Migrationspolitik aktuell die politische Agenda. Auf der Podiumsdiskussion der Nichtregierungsorganisation Robin Wood wird darüber diskutiert, wie Klimagerechtigkeit in diesem angespannten Klima priorisiert werden kann. Infos

    News

    Klima in Zahlen: Öl- und Gasmanager zögern mit “Drill, baby, drill”

    Noch in seiner Rede zur Amtseinführung hatte US-Präsident Donald Trump versprochen, die USA würden mehr Öl und Gas fördern als zuvor: “We will drill, baby, drill”, wiederholte er sein Versprechen aus dem Wahlkampf. Aber trotz seiner Beschlüsse, die Öl- und Gasindustrie zu deregulieren, gehen Analysten nur von einem leichten Anstieg der Förderung aus. Für das Jahr 2025 prognostiziert die Energy Information Administration nur einen Anstieg von 2,6 Prozent – für 2026 liegt die Prognose sogar bei unter einem Prozent Anstieg.

    Die meisten Manager der großen Öl- und Gasförderer wollen 2025 weniger in die Suche nach neuen Vorkommen und ihre Förderung investieren als noch 2024, wie eine Befragung der Zentralbank von Texas zeigt. Die großen Öl- und Gasförderer machen 80 Prozent der US-Förderung aus.

    Laut der Bank J.P. Morgan werde der Preis für US-Erdöl bis Ende 2025 auf 64 US-Dollar pro Barrel sinken (derzeit liegt er bei circa 73 Dollar). Es sei dieser Preisdruck, der die Förderung bestimme, nicht politische Wünsche aus Washington, zitiert die Financial Times mehrere Analysten. Die Investoren der Wall Street hätten keine politische, sondern eine wirtschaftliche Agenda – und sie hätten keinerlei Anreiz, den Öl- und Gasförderern eine Ausweitung der Förderung zu empfehlen oder diese zu finanzieren, wird ein großer Investor der Schiefergas-Industrie zitiert.

    Trump selbst dagegen ignoriert in seinen Äußerungen diese Zusammenhänge. Beim Weltwirtschaftsforum forderte er die OPEC auf, den Ölpreis zu senken. Sinkende Preise für Öl und Gas würden allerdings zuerst die Schiefergasproduktion in den USA gefährden. nib

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    CCS: WWF warnt vor 2.000 Kilometern Pipeline in der Nordsee

    Zur Speicherung der nicht-vermeidbaren CO₂-Emissionen des Industriesektors bräuchte es 2.000 Kilometer neue Pipelines in der Nordsee. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie des Öko-Instituts im Auftrag des WWF Deutschland. Um die CO₂-Emissionen des Zement- und Kalksektors sowie der Abfallverbrennung in der Nordsee zu speichern, bräuchte es deutschlandweit ein CO₂-Pipeline-Netz von rund 10.000 Kilometern Länge.

    Der Energiebedarf für die Abscheidung von CO₂ und in geringfügigem Maße auch für die Transportinfrastruktur würde demnach jährlich zwischen 2,4 und bis zu 3,9 Millionen Tonnen CO₂-Emissionen verursachen. Das sind rund sieben bis elf Prozent der CO₂-Emissionen, die die Zement-, Kalk und Abfallindustrie ab 2045 jährlich abscheiden will.

    Der WWF befürwortet die “ergebnisoffene Prüfung” der Speicherung von CO₂ an Land. Die NGO fordert, den Einsatz der CO₂-Abscheidung und -Speicherung auf wenige Industriesektoren zu begrenzen und für die Energiewirtschaft zu verbieten. Zudem müsse der Meeresschutz verbessert werden. nib

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    Deepseek: Energieverbrauch von KI laut IEA schwer einschätzbar

    Der Kursverfall von Energieaktien zeige, wie wenig bislang über den Energiebedarf von künstlicher Intelligenz (KI) bekannt sei, wird die Internationale Energieagentur in einem Bericht der Financial Times zitiert. Demzufolge fehlten derzeit Tools und Informationen, um den zukünftigen Strombedarf verlässlich zu ermitteln. Die Aktienkurse der Energieunternehmen waren in jüngster Zeit auch angestiegen, weil Investoren einen höheren Strombedarf durch KI vermuteten.

    Hintergrund der Börsenverluste von Energieunternehmen wie Siemens, Vernova oder Schneider Electric sind die Angaben des chinesischen Start-ups Deepseek, dass seine KI mit deutlich weniger Rechenleistung und somit energiesparender und günstiger als US-Konkurrenten wie OpenAI und Meta trainiert worden sei. Im Vergleich zum Llama-Modell von Meta wurden etwa nur zehn Prozent der Rechenleistung benötigt.

    Allerdings könnten die Effizienzgewinne auch den gegenteiligen Effekt haben: “Da KI immer effizienter und zugänglicher wird, werden ihre Einsatzmöglichkeiten in die Höhe schnellen und sie zu einer Ware machen, von der wir einfach nicht genug bekommen können”, schreibt etwa Microsoft-CEO Satya Nadella auf LinkedIn. Der Manager verweist auf das sogenannte Jevons Paradoxon, wonach Effizienzgewinne oft zu einer höheren Nachfrage führen, weil Produkte günstiger und zugänglicher werden. lb

    • Energieeffizienz
    • Energiewende
    • Künstliche Intelligenz

    Studie: Klimawandel hat Brände in Südkalifornien verschlimmert

    Der Klimawandel hat die Bedingungen für die Brände in Südkalifornien um 35 Prozent wahrscheinlicher und um sechs Prozent intensiver gemacht. Dieser Trend habe sich in den letzten Jahrzehnten beschleunigt, zeigt eine Schnellanalyse der Organisation World Weather Attribution (WWA) am Imperial College London. Bei den Waldbränden im Großraum Los Angeles Anfang 2025 sind bisher 29 Menschen gestorben, über 16.000 Gebäude wurden zerstört.

    Der Analyse zufolge habe sich die Trockenzeit in der Region aufgrund des Klimawandels bereits um 23 Tage verlängert. Dadurch überschneide sich die Zeit, in der trockenes Pflanzenmaterial als Brennstoff zur Verfügung stehe, mit der Santa-Ana-Windsaison. Nach zwei sehr feuchten Wintern sei nun in der Trockenzeit reichlich ausgetrocknetes Pflanzenmaterial vorhanden gewesen, da zuvor die Niederschläge dieser Winter das Wachstum von Gras und Sträuchern gefördert hätten. Solche feuerfördernden Bedingungen würden bei einer Erwärmung von 2,6 Grad, die mit derzeitigen Politikmaßnahmen droht, um weitere 35 Prozent wahrscheinlicher. dpa/lb

    • Attributionsforschung
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    • Waldbrände
    • World Weather Attribution

    Energie: Worüber der Bundestag an diesem Freitag noch abstimmen will

    Wirtschaftsverbände aus der Energiebranche begrüßen die Einigung von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und Unionsfraktion auf Gesetzesänderungen, die an diesem Freitag (31. Januar 2025) im Bundestag beschlossen werden sollen. “Die Einigung ist eine gute Nachricht für die Energiewende”, sagte etwa Kerstin Andreae, Vorsitzende des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW).

    Bereits vergangenen Monat hatten Mitglieder des Bundestagsausschusses für Klima und Energie einige der nun geplanten Einigungen angedeutet. Am Montag bestätigten auch die Fraktionen von SPD und Union sowie Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (B90/Die Grünen) die Zusammenarbeit.

    Die Novellen betreffen unter anderem

    • neue Regulierungen zur Abmilderung von Angebotsspitzen aus der Photovoltaik (PV) und Anreize für Investitionen in Energiespeicher,
    • eine Verlängerung des Kraft-Wärme-Kopplungsgesetzes (KWKG), damit genehmigte Anlagen, die nach 2026 in Betrieb gehen, gefördert werden,
    • Regelungen, damit Behörden insbesondere in Nordrhein-Westfalen den Neubau von Windkraftanlagen nicht außerhalb dafür vorgesehener Gebiete genehmigen müssen
    • sowie ein größeres Fördervolumen für Bioenergie als von den Fraktionen der SPD und der Grünen ursprünglich vorgesehen. Laut dem Gesetzentwurf zur Änderung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) soll das Biomasseausschreibevolumen 2025 auf 1.300 Megawatt erhöht werden, 2026 auf 1.126 Megawatt. Gleichzeitig sieht der Entwurf vor, den Flexibilitätszuschlag von 65 Euro/kW auf 100 Euro/kW anzuheben.

    Kerstin Andrae vom BDEW lobte insbesondere die Maßnahmen zur Dämpfung von PV-Einspeisespitzen, welche die Netzstabilität verbessern sollen. Das KWKG-Gesetz sichere laufende Projekte an und ermögliche “dringend benötigte Investitionen in den Fernwärmeausbau als ein zentrales Element der Wärmewende.” Die kommende Regierung müsse aber noch mehr Klarheit in dem Bereich schaffen.

    Die Legislatur werde mit wichtigen Maßnahmen für mehr Flexibilität und Steuerbarkeit des Stromnetzes beendet, hieß es auch vom Bundesverband Erneuerbare Energie (BEE). “Es ist ein gutes politisches Signal, dass dies unter den demokratischen Parteien SPD, CDU/CSU und Grünen auch im Wahlkampf der Sache wegen noch möglich war”, sagte BEE-Präsidentin Simone Peter. Auch der Bundesverband Solarwirtschaft äußerte sich überwiegend zustimmend. av

    • Erneuerbare Energien
    • Nachhaltigkeit

    Emissionsreduktion: Wie der LEH seine Klimaziele bis 2030 kostengünstig erreichen könnte

    Eine Diversifizierung des Proteinangebots ist der kostengünstigste Weg für den Lebensmitteleinzelhandel (LEH), um Treibhausgasemissionen zu verringern. Dies zeigt eine neue Studie im Auftrag der NGO Madre Brava. Pflanzenbasierte Proteine seien weniger ressourcenintensiv in der Produktion und benötigten – verglichen mit tierischen Lebensmitteln – weniger Fläche, Wasser und Energie zum Anbau. Dadurch würden sie nicht nur weniger Treibhausgase verursachen, sondern seien auch günstiger in der Herstellung, schreiben die Autoren.

    Rund 16 Millionen Tonnen CO₂-Emissionen könne der LEH bis 2030 einsparen, wenn 30 Prozent des Angebots an tierischen Milch- und Fleischprodukten durch pflanzliche Alternativen ersetzt würden. Pro reduzierter Tonne CO₂-Emissionen ergäbe sich der Studie zufolge zudem eine Kostenersparnis von 156 Euro. Die vier größten Lebensmittelkonzerne in Deutschland, Edeka, Rewe, Lidl und Aldi, könnten enormen Einfluss auf die Nachhaltigkeit des gesamten Sektors nehmen, indem sie pflanzenbetonte Lebensmittelsysteme fördern, sagt Florian Wall von Madre Brava. Um Klimaneutralität bis 2050 zu erreichen, müsste der LEH in Deutschland nach Schätzungen der NGO jedoch bis 2030 rund 24,12 Millionen Tonnen Treibhausgase einsparen. Eine Proteindiversifizierung allein genüge daher nicht.

    Investitions- und ressourcenintensiver sei es jedoch, landwirtschaftliche Praktiken zu verbessern. Der Ansatz, die Verluste bei Milch- und Fleischerzeugnissen zu reduzieren, habe vergleichsweise geringe Auswirkungen auf die Treibhausgasemissionen. Er sei dennoch wichtiger Bestandteil einer umfassenden Klima- und Nachhaltigkeitsstrategie, betont die NGO. Trotz des höheren Kostenfaktors seien Schritte hin zu einer nachhaltigeren und effizienteren Landwirtschaft, neben der Reduktion von Lebensmittelabfällen, maßgeblich, um die Nachhaltigkeitsziele zu erreichen, heißt es in der Studie.

    Um die Ernährungsgewohnheiten von Verbrauchern zu beeinflussen, brauche es vor allem Preisparität. Pflanzliche Alternativen zu Fleisch, Milch und anderen Produkten müssten zugänglich und kostengünstig angeboten werden, um Kaufentscheidungen zu beeinflussen, so die Studienautoren. Laut Philipp Hennerkes, dem Geschäftsführer des Bundesverbands des Deutschen Lebensmittelhandels (BVLH), spiele die Optimierung der Sortimente bei den Nachhaltigkeitsstrategien des LEH eine wichtige Rolle. Händler könnten jedoch lediglich Angebote machen. Entscheidend sei die Nachfrage der Verbraucher. Im Sinne einer strategischen Zielsteuerung sei der Aspekt Sortiment daher zwar wichtig, jedoch nicht immer zuverlässig, so Hennerkes. kih

    • Alternative Proteine
    • Ernährungsstrategie
    • Lebensmittelindustrie
    • LEH
    • Nachhaltige Ernährungssysteme

    Must-Reads

    Climate Home News: Indonesiens schwieriger Kohleausstieg. Indonesiens Präsident Prabowo Subianto hat angekündigt, bis 2040 auf Kohle zu verzichten. Noch gewinnt das Land 62 Prozent seines Stroms aus Kohle. Damit das gelingen kann, muss allerdings der Ausbau erneuerbarer Energien beschleunigt und die Stromversorgung flexibler gestaltet werden. Zum Artikel

    Inside Climate News: Debatte um Gasförderung. In den letzten Tagen der Regierung von Joe Biden begannen die Behörden damit, die öffentliche Meinung zur zukünftigen Öl- und Gasförderung im Conecuh National Forest im Süden Alabamas einzuholen. Die informelle 30-tägige öffentliche Kommentierungsfrist des US Forest Service endet am 12. Februar. Ob Trump das Projekt beendet, ist unklar. Zum Artikel

    Financial Times: Emissionshandel verknüpfen. Der britische Premierminister Keir Starmer plant, die Emissionshandelssysteme Großbritanniens und der EU wieder zu verknüpfen. Seit dem Brexit, als die Kohlenstoffmärkte der EU und Großbritanniens getrennt wurden, werden britische Emissionsrechte zu einem erheblichen Abschlag im Vergleich zu den in der EU gehandelten Zertifikaten gehandelt. Laut der Beratungsfirma Frontier Economics würde eine erneute Verknüpfung die Liquidität beider Märkte erhöhen und beiden Seiten beim Übergang zu Netto-Null verhelfen. Zum Artikel

    Times: Klimakrise wird zur Wohnungskrise für schwarze Community. In einem Essay schreibt Jerel Ezell, dass für die schwarze Community die Klimakrise auch eine Wohnungskrise sei. Viele Schwarze leben in den USA in Regionen, die vom Klimawandel besonders betroffen sind. Und wenn sie umziehen wollen, werden sie durch eine rassistische Kredit- und Wohnungsvergabe dabei behindert. Zum Artikel

    Standpunkt

    Klimakommunikation: Wie man das 1,5-Grad-Ziel am Leben erhalten kann

    Von Charlotte Unger und Janna Hoppmann
    Janna Hoppmann (links) und Charlotte Unger.

    Im vergangenen Jahr lagen die weltweiten Durchschnittstemperaturen erstmals kontinuierlich über dem 1,5-Grad-Ziel. In vielen Medienberichten war bereits von einem Scheitern des Pariser Klimaabkommens die Rede. Doch zugleich beschworen Delegationen auf der COP29 in Baku die Notwendigkeit, das 1,5-Grad-Ziel am Leben zu erhalten.

    Die offensichtliche Diskrepanz zwischen wissenschaftlichen Daten und politischen Slogans kann Verwirrung, Wut, Enttäuschung und Frustration auslösen. Solche Emotionen können das Vertrauen in die politischen Institutionen untergraben und Klimawandel-Leugnern Auftrieb geben. Menschen, die für eine ehrgeizige Klimapolitik eintreten, müssen ihre Kommunikation anpassen, um dem entgegenzuwirken.

    Was 1,5 Grad plus im Jahr 2024 bedeuten

    Das aus dem Pariser Abkommen abgeleitete 1,5-Grad-Ziel bezieht sich auf einen über 20-30 Jahre gemittelten Temperaturanstieg. Dass die Erde die 1,5-Grad im vergangenen Jahr überschritten hat, bedeutet also nicht, dass wir die Ziele des Pariser Abkommens verfehlt haben – noch nicht.

    1,5 Grad ist ein wissenschaftlich fundiertes, vor allem aber politisch gesetztes Ziel. Es war die Allianz der kleinen Inselstaaten (AOSIS), die bei der COP15 in Kopenhagen und den darauffolgenden UN-Klimakonferenzen darauf drängte, 1,5 Grad als “sichere Grenze” festzulegen. 2018 rückte ein IPCC-Sonderbericht das Ziel ins öffentliche Bewusstsein. Seitdem ist es in der Politik und für viele gesellschaftliche Gruppen zur “goldenen Zahl” geworden, an der sich alle Klimaschutzaktivitäten orientieren.

    Solche klaren politischen Ziele sind wichtig. Sie machen Abstraktes konkreter – Klimaschutz zum Beispiel wird darauf ausgerichtet, das Ziel von 1,5 Grad globaler Erwärmung nicht zu überschreiten. Sie helfen, die Kluft zwischen theoretischem Wissen, politischen Absichten und politischem Handeln zu überbrücken. Das 1,5-Grad-Ziel stärkt auch den gesellschaftlichen Konsens darüber, welche Maßnahmen notwendig und ethisch vertretbar sind.

    Das Ziel bleibt ein wichtiger Maßstab

    Es ist auch ein Bezugspunkt für Entscheidungen. Ähnlich wie bei einer Gehaltsverhandlung, bei der es sich lohnt, mit möglichst hohen Forderungen zu starten, kann ein ehrgeiziges Ziel die politische Diskussion und politisches Handeln in die richtige Richtung lenken. Selbst wenn es nicht erfüllt wird, liegt das Ergebnis wahrscheinlich näher an der ursprünglichen Erwartung als ohne solch einen ehrgeizigen Ansporn.

    Als Wissenschaftlerinnen plädieren wir deshalb dafür, auch kommunikativ am 1,5-Grad-Ziel festzuhalten – und über Überschreitungen auf eine Weise zu sprechen und zu schreiben, die dazu beiträgt, dass der Klimaschutz weiterhin oberste Priorität behält. Fünf Punkte helfen dabei: Emotionen ernst zu nehmen, das Ziel gut zu erklären, die Risiken des Überschreitens ehrlich aufzuzeigen, die Selbstwirksamkeit der Menschen zu fördern und vor allem die Hoffnung nicht aufzugeben.

    Emotionen, Erklärungen, Risiken

    Grundsätzlich gilt: Wir müssen die Menschen mit ihrer Verwirrung, Frustration oder Enttäuschung ernst nehmen. Oft geht es darum, zunächst zu klären, was das Überschreiten von 1,5 Grad genau heißt und warum das Ziel wichtig bleibt – und dabei aber die Sorgen des Gegenübers nicht abzutun.

    Ein wichtiger Faktor: Die 1,5 Grad stellen keine harte Schwelle zwischen einem sicheren und einem unsicheren Klima dar. Doomsday-Szenarien, die dies behaupten, untergraben eher die Glaubwürdigkeit der Klimawissenschaft und -politik. Sie beschwören einen unmittelbar bevorstehenden Zusammenbruch, sobald die Schwelle überschritten ist. Richtig ist aber: Das Überschreiten von 1,5 Grad bedeutet nicht, dass alle Klimabemühungen umsonst gewesen wären.

    Wir müssen deutlich machen, dass nicht nur die große Marke zählt, sondern jedes Zehntel, jedes Hundertstel Grad. Der kleinste Fortschritt ist besser als der Status quo.

    Zugleich muss man ehrlich über die Risiken sprechen und schreiben, die mit einem Temperaturanstieg jenseits der 1,5 Grad verbunden sind. Etwa darüber, dass die Machbarkeit und Sicherheit vieler Overshoot-Szenarien, die ein zeitweises Überschreiten des Ziels und späteres Zurückkommen auf 1,5 Grad durch Negativemissionstechnologien beschreiben, fraglich sind. Viele Folgen des Klimawandels, wie das Artensterben, sind unumkehrbar – selbst wenn es uns gelingt, die Temperaturen wieder auf 1,5 Grad zurückzubringen.

    Selbstwirksamkeit und Hoffnung

    Ein Slogan wie “Jedes Zehntelgrad zählt” könnte durch Beschreibungen ergänzt werden, die Klimaschutzmaßnahmen direkt mit zukünftigen Ereignissen in Verbindung setzen. 1,5 Grad heißt, möglichst vielen Menschen ein menschenwürdiges Leben auf der Erde zu sichern. Mit jeder Tonne Treibhausgasen, die wir einsparen, mildern wir die Folgen des Klimawandels. Wir sollten an den Hebeln mit der stärksten Wirkung arbeiten, aber auch kleine Verbesserungen auf allen Ebenen wichtig nehmen.  

    Mit unserer Kommunikation können wir Selbstwirksamkeit und mehr Zusammengehörigkeit der Menschen anregen: Wenn alle kleinen Schritte zählen, heißt das auch, dass der Beitrag jeder einzelnen Person wichtig ist. In der Summe machen Energie sparen, weniger Auto fahren oder geringerer Fleischkonsum viel aus. Wir sind alle – in irgendeiner Form – vom Klimawandel betroffen, und auf der ganzen Welt arbeiten Menschen daran, die 1,5-Grad-Grenze im Sinne des Pariser Abkommens doch noch zu halten.

    Es geht auch darum, Hoffnung zu machen: Selbst, wenn sich die Erde stärker erwärmt, ist nicht alles verloren. Die Welt ist weiter als noch vor zehn Jahren. Es gibt viele Beispiele, mit denen wir die Gewinne und positiven Seiten der großen Transformation, die wir durchmachen, betonen können. Wir müssen uns weiterhin mit aller Kraft um das Einhalten von 1,5 Grad bemühen. Aber wir sollten unsere Hoffnung nicht aufgeben, wenn wir das Ziel doch überschreiten.

    Charlotte Unger erforscht am Research Institute for Sustainability – Helmholtz Centre Potsdam (RIFS) Prozesse der nationalen und internationalen Klimapolitik. Janna Hoppmann ist Psychologin und die Gründerin der Beratungsagentur ClimateMind und der dazugehörigen ClimateMind Academy. Die Autorinnen danken dem Deutschen Klima Konsortium für anregende Gespräche zum 1,5-Grad-Ziel.

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    • Pariser Klimaabkommen

    Climate.Table Redaktion

    CLIMATE.TABLE REDAKTION

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