diesmal geht es bei uns ums Geld: Am Rande der Weltbanktagung, wo es um den Umbau des globalen Finanzsystems geht, arbeitet eine Taskforce an Konzepten für eine globale Klimasteuer. Welche Bereiche besteuert werden könnten, hat Bernhard Pötter für Sie analysiert. Er moderiert am kommenden Montag, 22. April, um 16.30 Uhr auch einen Live.Table zum Thema Klimafinanzierung. Seine Gäste: Jennifer Morgan, deutsche Klimagesandte, Avinash Persaud, Architekt der “Bridgetown Initiative” zur Finanzreform und Berater von Barbados und der Inter American Development Bank und Jan Kowalzig, Finanzexperte von Oxfam. Melden Sie sich gerne hier dazu an!
In Deutschland wiederum wird nur die Hälfte der im Klima- und Transformationsfond eingeplanten Gelder tatsächlich ausgegeben. Das gefährdet die Klimaziele, wie Malte Kreutzfeldt recherchiert hat. Er entlarvt bei uns auch die Gerüchte über den Strommangel in Oranienburg, die für Schlagzeilen sorgen.
Eine neue PIK-Studie zeigt zudem: Ein Fünftel des weltweiten Einkommens könnte 2050 durch den Klimawandel bedroht sein. Doch obwohl uns Klimaschäden wesentlich teurer zu stehen kommen als Klimaschutz, verliert das Thema bei der Europawahl im Juni an Relevanz – insbesondere in Deutschland. Das zeigen die neusten Zahlen des Eurobarometers.
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Am Rande der Frühjahrstagung von Weltbank und IWF in Washington beginnt eines der ehrgeizigsten Projekte der internationalen Klimafinanzierung: Mit der “Taskforce für internationale Besteuerung” will eine Gruppe von Industrie- und Entwicklungsländern die Optionen für globale Klimaabgaben erkunden und Allianzen für dieses Vorhaben ausloten.
Auf der COP30 in Brasilien, so die Pläne von Frankreich, Barbados, Kenia, Antigua und Barbuda und Spanien, soll das fertige Konzept für eine weltweite Klimasteuer verabschiedet werden. Jetzt zeichnet sich ab, welche neuen Abgaben dafür infrage kommen: Gesucht werden vor allem Maßnahmen, mit denen jeweils mindestens 0,1 Prozent der globalen Wirtschaftsleistung für nachhaltige Entwicklung und Klimaschutz aufgebracht werden kann – also jeweils mehr als 100 Milliarden US-Dollar.
Ins Leben gerufen wurde diese Taskforce auf der COP28 in Dubai im Dezember 2023, nach Vorbereitungen auf dem Finanzgipfel von Paris im Juni 2023 und dem afrikanischen Klima-Gipfel im September 2023. Die Taskforce soll Pläne vorlegen, wie dringend benötigtes Kapital für den Klimaschutz vor allem in den Entwicklungsländern zusammenkommen kann. Sie soll “Steuerinstrumente entwickeln, die sicherstellen, dass alle Sektoren der Wirtschaft, besonders die momentan schwach besteuerten, ihren fairen Anteil dazu beitragen, in Übereinstimmung mit ihrer Wirkung in Bezug auf Treibhausgasemissionen.”
Den Finanzbedarf für wirksame CO₂-Minderung und Anpassung vor allem in den Ländern des Globalen Südens (ohne China) schätzt eine Expertengruppe im UN-Auftrag auf jährlich eine Billion US-Dollar in 2025 – und auf bereits 2,4 Billionen für 2030. So verkündete die Weltbank am Mittwoch einen Plan, bis 2030 insgesamt 300 Millionen Menschen in Afrika mit Strom zu versorgen. Nötig dafür seien aber 30 Milliarden US-Dollar in öffentlichen Geldern und 9 Milliarden an privaten Investitionen.
Insgesamt haben die Industriestaaten aber bisher nur versprochen, bis 2025 jährlich 100 Milliarden US-Dollar als Klimahilfen für den Globalen Süden zu mobilisieren. Auf der COP29 in Baku soll in diesem Jahr beschlossen werden, wie es mit dieser Finanzierung langfristig mit einem “neuen kollektiven quantifizierten Ziel” (NCQG) weitergeht.
Gleichzeitig sind die staatlichen Budgets der Industrieländer durch Maßnahmen gegen Corona oder den Ukraine-Krieg angespannt. Fast 50 Entwicklungsländer stehen auch durch die Belastung aus Klimaschäden für ihren Haushalt vor dem Staatsbankrott. Die Taskforce sucht deshalb nach Einnahmen, die den bedrohten Menschen im Globalen Süden helfen, nicht die Konsumenten im Globalen Norden belasten und die “verschmutzenden Industrien” in Haftung für ihre Schäden nehmen, heißt es aus dem Umfeld der Taskforce. Das Kapital soll für “Entwicklung, Klimaschutz und Natur” eingesetzt werden.
Für die Chefin der europäischen Klimastiftung ECF, Laurence Tubiana, eröffnet die neue Taskforce eine Debatte, die bislang “ein totales Tabu” war. Tubiana, die als Klimagesandte der französischen Regierung maßgeblich das Pariser Abkommen verhandelte, weist darauf hin, dass jährlich sieben Billionen US-Dollar an staatlichen Subventionen in fossile Energien fließen, und dass die Gewinne der Öl- und Gaskonzerne derzeit bei vier Billionen US-Dollar im Jahr liegen – während der Klimawandel “einen enormen Verlust von Reichtum verursacht und es kein Geld gibt, das zu bezahlen.”
Mögliche Quellen für Klima- und Entwicklungsabgaben könnten sein:
Die Liste ähnelt den Vorschlägen, Geld für den “Loss and Damage“-Fonds der UN zusammenzubringen. Dieser Topf wurde aber bisher auf der COP28 durch freiwillige Zahlungen verschiedener Staaten mit insgesamt etwa 700 Millionen US-Dollar gefüllt. Als wahrscheinlichste Variante gilt unter Experten derzeit eine Abgabe auf Flugtickets, und zwar nur für erste Klasse und Business-Flüge, um die Belastung auf die höheren Einkommen zu begrenzen.
Selbst wenn eine solche Abgabe beschlossen wird, heißt das allerdings nicht, dass das Geld direkt für Klimaschutz oder Nachhaltigkeit in die armen Länder fließt. So hat die UN-Schifffahrtsorganisation IMO zwar angedeutet, ab 2025 eine Abgabe auf Schiffsverkehr zu erheben. Doch die Einnahmen daraus sollen dafür dienen, die Flotten klimaneutral zu modernisieren. Ein globaler CO₂-Preis wiederum würde in Regionen mit Emissionshandel wohl keine weiteren Einnahmen erzeugen, weil die bisherigen schon verplant sind.
Mit Kolumbien, den Marshallinseln und Irland wollen der Taskforce laut eigenen Angaben weitere Länder beitreten. Vor allem Entwicklungsländer sehen ihre Interessen in der OECD als Club der Industrieländer nicht vertreten, und in der UNO herrscht der Zwang zum Konsens. Die Taskforce aber soll zu den verschiedenen Varianten von neuen Klimasteuern Daten und Vorschläge sammeln, ohne auf den allgemeinen Konsens angewiesen zu sein. Der Vorteil: Je nach Interesse können sich dann verschiedene Koalitionen hinter einzelnen Ideen versammeln.
Das Sekretariat der Taskforce, angesiedelt bei der “European Climate Foundation”, will bis zur COP30 fertige Vorschläge vorlegen. Im Idealfall soll nicht nur klar sein, woher wie viel Geld kommen kann – sondern auch, wer es einsammelt und verwaltet und wohin es fließen soll.
Auch andere Akteure sind bestrebt, neue Geldquellen für internationale Klimafinanzen zu erkunden. Der brasilianische Finanzminister Fernando Haddad etwa hat eine “Milliardärssteuer” gefordert, mit der weltweit etwa 3.000 Superreiche belegt werden sollten. Brasilien hat derzeit die G20-Führerschaft und schlägt vor, mögliche Einnahmen daraus auch für den Klimaschutz zu verwenden. Die Befürworter dieser Abgabe verweisen auf Studien, die den Superreichen nicht nur viel Geld, sondern auch durch ihren Lebensstil und ihre Investments einen ungleich größeren CO₂-Fußabdruck als der Durchschnitt zuschreiben: Laut Oxfam verursachen die reichsten Milliardäre dadurch jährlich bis zu drei Millionen Tonnen CO₂-Emissionen pro Kopf.
Die Kürzungen, die aufgrund des Haushaltsurteils des Bundesverfassungsgerichts im Klima- und Transformationsfonds erforderlich sind, haben in den letzten Monaten viel Aufmerksamkeit bekommen. Eher unterbelichtet blieb dagegen ein mindestens ebenso wichtiges Problem bei der Klimaschutz-Finanzierung: Nur gut die Hälfte der eingeplanten Gelder wurde in den vergangenen beiden Jahren tatsächlich ausgegeben. 2022 waren es 49 Prozent, 2023 etwa 56 Prozent.
Diese Zahlen ergeben sich aus dem noch unveröffentlichten 13. KTF-Bericht des Bundesfinanzministeriums, über den Table.Briefings bereits berichtet hatte. In dieser Woche warnte nun der Expertenrat für Klimafragen, dass der schlechte Mittelabfluss das Erreichen der Klimaziele gefährde. Der Thinktank Forum Ökosoziale Marktwirtschaft (FÖS) veröffentlichte am Donnerstag zudem eine Analyse des Mittelabflusses, die Table.Briefings vorab vorlag – und fordert von der Bundesregierung Konsequenzen.
Der jüngste KTF-Bericht hatte gezeigt, dass von den vorgesehenen 36 Milliarden Euro nur rund 20 Milliarden Euro ausgegeben wurden. Das habe “Auswirkungen auf die im Klimaschutzprogramm unterstellte THG-Minderungswirkung”, schrieb der Expertenrat in seinem am Montag veröffentlichten Prüfbericht zur deutschen Klimabilanz 2023. “Diese kann auf jeden Fall nicht mehr im damals angegebenen Zeitrahmen und nicht mehr in vollem Umfang erwartet werden.” Eine Abschätzung, wie stark die Abweichung sein wird, wollte Brigitte Knopf als stellvertretende Vorsitzende des Gremiums auf Nachfragen von Table.Briefings nicht abgeben. Es sei aber klar, dass der Gesamteffekt geringer ausfalle, als in der Prognose des Umweltbundesamts unterstellt.
Auch das FÖS warnt in seiner neuen Studie vor den Folgen des schlechten Mittelabflusses. “Klimaschutzprojekte verschieben sich so mindestens in die Zukunft”, schreiben die Studienautoren. Die nicht ausgegebenen Gelder fließen zwar als Rücklage zurück in den KTF; in Folgejahren könnten sie aber für andere Programme genutzt werden. “Diese haben dann möglicherweise keine positive Klimaschutzwirkung oder sind Ausgleichsmaßnahmen für die energieintensive Industrie.”
Tatsächlich nehmen die KTF-Ausgaben für Programme ohne direkte zusätzliche Klimawirkung zu:
Die Studie zeigt zudem, dass es beim Mittelabfluss große Unterschiede zwischen verschiedenen Bereichen gibt. Programme, die sich auf Gebäude beziehen, wurden zu 64 Prozent ausgeschöpft; bei Förderprogrammen für den Individualverkehr waren es 67 Prozent, beim öffentlichen Personennahverkehr dagegen nur 48 Prozent. Industrieprogramme, bei denen es um Ausgleichszahlungen ging, hatten eine Abrufquote von 66 Prozent, beim Thema Wasserstoff waren es 48 Prozent, beim direkten Klimaschutz in der Industrie dagegen nur 19 Prozent.
Vergleichsweise besonders schlecht abgeschnitten hat der sogenannte natürliche Klimaschutz, zu dem etwa die Wiedervernässung von Mooren, die Wiederaufforstung und der klimagerechte Umbau der Wälder gezählt werden. Insgesamt wurden dort nach FÖS-Berechnungen im Jahr 2023 weniger als 20 Prozent der Gelder ausgegeben; beim größten Programm, den “Maßnahmen zum Natürlichen Klimaschutz” (ANK), das vom BMUV betreut wird, waren es sogar nur gut zwei Prozent.
Zur Begründung schreibt das Haus von Steffi Lemke, es hätten zunächst “Strukturen für die Umsetzung des ANK entwickelt und aufgebaut” werden müssen. Zudem habe die “Entwicklung von Fördermaßnahmen” länger gedauert als geplant, weil dabei “nicht auf etablierte und optimal abgestimmte Verfahrensweisen zwischen
den zu beteiligenden Akteuren zurückgegriffen werden” konnte. Wirklich überzeugend klingen diese Gründe nicht, weil die Probleme nicht überraschend gewesen sein dürften.
Daneben gab es aber offenbar auch Konflikte innerhalb der Koalition. Darauf deutet im Bericht der Hinweis hin, dass auch die “Abstimmung innerhalb der Bundesregierung” zu “langwierigen Prozessen” geführt habe. Offenbar hat das Finanzministerium zwischenzeitig infrage gestellt, ob der Bund überhaupt die Kompetenz für die entsprechende Förderung hatte. Darauf deutet hin, dass die Koalitionsfraktionen in einem Entschließungsantrag zum Klimaschutzgesetz nach Informationen von Table.Briefings folgende Klarstellung aufnehmen wollen: “Der Bundestag begrüßt, dass die Bundesregierung Maßnahmen des Natürlichen Klimaschutzes fördert.”
Für dieses Jahr erwartet das BMUV einen deutlich höheren Mittelabfluss. Mittlerweile seien 21 von 50 Programmen gestartet, der Rest solle bis zum Jahresende folgen, teilte eine Sprecherin mit. Und: “Die Programme werden stark nachgefragt.”
Um die Ausgabequote insgesamt zu verbessern, müsse die Regierung ihre Abläufe aber generell überprüfen, fordert Holger Bär, einer der Autoren der FÖS-Studie. “Förderbedingungen sollten möglichst früh veröffentlicht werden”, sagte er Table.Briefings. Notwendig seien zudem “niedrigschwellige Informationen und zielgruppengerechte Zugänge”. In einem ersten Schritt sei zudem mehr Transparenz bezüglich der Ausgaben und eine bessere Evaluation erforderlich.
Frau Bergmål, auf der COP28 hat sich Norwegen sehr für eine Resolution eingesetzt, in der es heißt, dass die Länder sich “von fossilen Brennstoffen wegbewegen” sollen. Was bedeutet dieses Ziel für Norwegen, das selbst viel Öl und Gas fördert?
Wir wollen Teil dieses Übergangs sein. Wir müssen die Emissionen weltweit reduzieren, und das gilt auch für die Produzenten fossiler Brennstoffe. Wir wollen weiterhin Öl und Gas fördern und arbeiten hart daran, die Emissionen aus unserer Produktion noch weiter zu reduzieren, um Norwegens Emissionen bis 2050 um 90 bis 95 Prozent zu senken. Nach den Berechnungen in der EU-Richtlinie über erneuerbare Energien hat Norwegen einen Anteil von über 70 Prozent an erneuerbaren Energien, und wir fahren mit dem Ausstieg aus den unverminderten fossilen Brennstoffen fort. Gleichzeitig ist es für uns wichtig, auch in Zukunft ein stabiler Öl- und Gaslieferant für Europa zu sein; wir müssen es schaffen, sowohl die Emissionen zu senken als auch die Energiesicherheit zu gewährleisten.
Ihr Chef, Energieminister Aasland, hat es gesagt: Dubai ändert nichts für Norwegen. Das klingt seltsam für ein Land, das sich angeblich von seinem Geschäftsmodell wegbewegt. Was hat er damit gemeint?
Schon vor Dubai haben wir uns auf neue Industrien wie Offshore-Wind, blauen Wasserstoff und CCS konzentriert. Wir bauen diese neuen Industrien auf den Schultern von Öl und Gas auf, und unsere Erfahrung in diesem Bereich hilft uns sehr. Ich glaube daher, dass er das so gemeint hat: Wir arbeiten bereits jeden Tag daran, die Emissionen zu reduzieren. Wir sehen, dass unsere Produktion fossiler Brennstoffe nach 2030 aufgrund der natürlichen Erschöpfung der Felder zurückgehen wird. Gleichzeitig werden Europa und der Rest der Welt noch lange Zeit Öl und Gas benötigen.
In Dubai drängte Norwegen darauf, sich von fossilen Brennstoffen zu verabschieden, baut aber seine eigene Öl- und Gasproduktion aus. In den letzten Jahren haben Sie 140 Lizenzen für neue Bohrungen erteilt. Die IEA hingegen sagt, dass es keine neue Infrastruktur für fossile Brennstoffe geben darf, wenn wir die 1,5-Grad-Marke nicht überschreiten wollen. Wie passt das zusammen?
Mir sind keine Prognosen bekannt, die mittelfristig völlig auf Öl und Gas verzichten. Die Frage ist, wie lange wir noch fossile Brennstoffe brauchen werden, und dazu gibt es unterschiedliche Ansichten. In Norwegen werden wir nach 2030 relativ schnell weniger Öl und Gas fördern. Selbst wenn wir neue Felder erschließen, werden wir insgesamt weniger fördern als heute. Und wir müssen auch feststellen, dass der internationale Ausbau der erneuerbaren Energien zwar schnell, aber für die Klimaziele zu langsam erfolgt. Der Übergang weg von den fossilen Brennstoffen muss fair und bezahlbar sein und den Zugang zu Energie sicherstellen. Wir müssen die Menschen mitnehmen. Wenn wir unsere Gasproduktion in Norwegen reduzieren, würde sich das auf die Verbraucher in Europa auswirken.
Wie sicher sind die Pläne Ihrer Regierung überhaupt? Ein Gericht hat gerade die Lizenzen für neue Ölfelder auf Eis gelegt. Und eine Expertengruppe der Regierung fordert ein Moratorium, bis die Pläne mit den Netto-Null-Zielen in Einklang stehen.
Ich äußere mich nicht zu laufenden Gerichtsverfahren, aber das Gericht hat kürzlich erklärt, dass die einstweilige Verfügung bis auf Weiteres nicht gilt. Die Entscheidung des Gerichts bezieht sich auf drei spezifische Entwicklungs- und Produktionspläne, die vom Ministerium für den Zeitraum 2021 bis 2023 genehmigt wurden. Bei dem Gerichtsverfahren geht es nicht um die Gesamtstrategie für die Öl- und Gasförderung. Und unsere Expertengruppe hat diesen Vorschlag gemacht, aber wir glauben, dass wir die Erweiterung brauchen, um den prognostizierten Rückgang der Produktion aus den derzeitigen Feldern zu kompensieren.
Die Einnahmen aus Öl und Gas sind für Norwegen sehr wichtig. 2023 stammten 36 Prozent der Staatseinnahmen aus diesem Sektor. Kann Ihr Land überhaupt ohne Öl und Gas auskommen, ohne das norwegische Geschäftsmodell zu ruinieren?
Natürlich sind Öl und Gas für Norwegen extrem wichtig. Das meiste Geld fließt in den staatlichen Ölfonds, aber der Sektor sorgt auch für viele Investitionen und sichert Arbeitsplätze. Gleichzeitig sind wir uns bewusst, dass wir uns in einer Übergangsphase befinden und dass wir den Netto-Null-Punkt erreichen müssen. Wir glauben, dass der Erdölsektor aufgrund der hohen Kompetenz der Arbeitnehmer und der technologischen Entwicklung in diesem Bereich eine Schlüsselrolle bei der Verwirklichung dieses Ziels spielt. Die Schlüsselfrage lautet: Wie schnell geht der Übergang vonstatten und wie können wir die neuen Industrien aufbauen?
Wie weit sind Sie dabei?
Wir sind dazu in einer hervorragenden Position: Wir haben weltweit einen großen Vorsprung bei CCS, weil wir seit 1997 Erfahrungen sammeln. Unser staatliches CCS-Pilotprojekt “Northern Lights” läuft nach Plan, es ist zu 70 Prozent fertiggestellt und kommerziell ausgebucht, und die CO₂-Speicherung soll Mitte 2025 beginnen. Northern Lights hat Verträge mit Unternehmen wie Yara in den Niederlanden und Örsted in Dänemark über die Lieferung von CO₂. Und jetzt haben wir gerade sechs Lizenzen an private Unternehmen vergeben, die CCS auf dem norwegischen Festlandsockel kommerziell betreiben werden. Für das Jahr 2030 haben die kommerziellen Unternehmen Pläne zur Speicherung von 40 Millionen Tonnen CO₂ pro Jahr vorgelegt. Wir glauben an diese Zukunftstechnologie, weil wir keine andere Möglichkeit sehen, mit Emissionen aus schwer zu bekämpfenden Sektoren umzugehen.
Werden die Einnahmen aus CCS eines Tages für Norwegen so wichtig sein wie jetzt die Einnahmen aus Öl und Gas?
Mit Öl und Gas wird seit Jahren sehr viel Geld verdient. Es ist schwer vorstellbar, dass ein anderer Sektor dies wiederholen kann. Trotzdem arbeiten wir daran, denn die Zukunft ist Netto-Null.
Bislang sind die Treibhausgasemissionen Ihres Landes insgesamt jedoch kaum gesunken. Und was bedeutet Netto-Null für Norwegen? Wenn Ihr Land bis 2050 bei minus 90 bis 95 Prozent sein will, werden Sie dann noch Öl und Gas an andere Länder verkaufen?
Der Plan sieht vor, dass Norwegen im Jahr 2050 immer noch Öl und Gas fördert. Aber nicht mehr so viel wie heute. Und wir werden das hauptsächlich exportieren. Natürlich müssen diese Exporte dann emissionsfrei genutzt werden. Die Technologie dafür wird sich entwickeln, Norwegen hat sich verpflichtet, CCS-Lösungen zu entwickeln.
Wie sieht ein solcher CO₂-freier Export von fossilen Brennstoffen aus? Sie verkaufen Öl und Gas und garantieren, die entsprechende Menge an CO₂ in Norwegen zu speichern?
Wenn wir Öl und Gas ohne CO₂-Emissionen fördern und verbrennen können, können wir es auch weiterhin verkaufen. Wenn wir uns die Produktion von blauem Wasserstoff ansehen, bei dem CO₂ in Norwegen abgeschieden und gespeichert wird, könnte dies mit sehr geringen Emissionen möglich sein.
Norwegen ist der größte Gaslieferant Europas, aber die EU-Kommission will die Emissionen bis 2040 um 90 Prozent senken. Es gibt eine umfangreiche Studie, die von Umweltorganisationen in Auftrag gegeben wurde und die besagt: Norwegen will seinen Öl- und Gassektor ausbauen, aber Europa wird ab 2040 immer weniger Öl und Gas kaufen. Damit würde ein wichtiger Markt für Norwegens Exporte wegfallen.
Wenn es keinen Markt gibt, wird auch nichts mehr gefördert. Das ist auch der Grund, warum Norwegen sich dafür einsetzt, dass die Nachfrage nach unverminderten fossilen Brennstoffen weltweit gesenkt wird.
Riskieren Sie nicht eine riesige Welle von Fehlinvestitionen? Sie erschließen neue Felder und Ihr größter Kunde will sich von diesen Produkten verabschieden?
Auch in den ehrgeizigsten Klimaszenarien, die die Kommission vorgelegt hat, wird es einen Bedarf an Öl- und Gasimporten nach Europa geben. Natürlich besteht immer noch ein Risiko hinsichtlich der Marktpreise für Öl und Gas, aber die Unternehmen, die auf unserem norwegischen Festlandsockel tätig sind, sind sich dieses Risikos bei ihren Investitionsentscheidungen sehr bewusst.
Aber das größte norwegische Öl- und Gasunternehmen, Equinor, ist zu 67 Prozent in Staatsbesitz.
Ja, aber wir entscheiden nicht politisch, was sie tun. Sie werden als unabhängiges Unternehmen geführt.
Wenn ich der Eigentümer eines solchen Unternehmens wäre, würde ich sagen: Sei lieber vorsichtig, bevor du ein solches Risiko eingehst.
Aber Equinor hat seine eigenen Experten, die diese Berechnungen anstellen. Und wir sehen kein großes Risiko für gestrandete Investitionen.
Norwegen wettet also darauf, dass die EU ihre Klimaziele nicht erreichen wird?
Auch EU-Länder wie die Niederlande schmieden langfristige Pläne für fossile Brennstoffe. CCS kann die Lösung zur Erreichung der Klimaziele sein: Wenn wir die Öl- und Gasproduktion emissionsfrei machen können und wenn wir den Verbrauch emissionsfrei machen können, dann wäre es kein Problem, die Klimaziele zu erreichen.
Sind das nicht zwei sehr, sehr große “Wenns”?
Die Emissionen aus der norwegischen Öl- und Gasförderung sind bereits sehr niedrig. Und wir haben CCS im Einsatz. Alle unsere Prognosen besagen, dass Europa und die Welt auch im Jahr 2050 noch Öl und Gas brauchen werden. Das sind weitere 26 Jahre. Wer weiß, was die Welt bis dahin erfindet. Auf jeden Fall werden wir ein zuverlässiger Lieferant bleiben.
19. April, New York
Konferenz Global Stocktaking on Sustainable Energy
Das Event ist Teil der Nachhaltigkeitswoche der Vereinten Nationen in New York. Es soll zusammenfassen, was in der UN-Dekade “Sustainable Energy for All” zwischen 2014 und 2024 erreicht wurde. Infos
19. April, Indien
Wahlen Beginn der Wahlen in Indien
19. April, 10 Uhr, Berlin
Pressekonferenz Warum Deutschland eine Politik zur Wiederherstellung der Natur braucht
In der Bundespressekonferenz stellen Umweltministerin Steffi Lemke sowie Josef Settele und Wolfgang Köck vom Sachverständigenrat für Umweltfragen (SRU) vor, warum Deutschland eine Politik zur Wiederherstellung der Natur braucht. Infos
19. bis 21. April 2024, Washington
Tagung Frühjahrstagung von Weltbank und IWF
Die beiden Finanzinstitutionen Weltbank und Internationaler Währungsfonds (IWF) sind für wesentliche Fragen der Klimafinanzierung zuständig. Ihre Frühjahrstagung ist neben der Jahrestagung eines der wichtigen Events in Fragen der Klimafinanzierung. Infos
22. April
Aktionstag Earth Day
In diesem Jahr steht der Tag unter dem Motto “Wasser macht Leben möglich”. Infos
22. April, 14:30 Uhr, online
Pressekonferenz Die Zukunft von Pkw in Europa: Sicht des Europäischen Rechnungshofs
Bei der Pressekonferenz des Europäischen Rechnungshofs diskutieren fachkundige Prüfer und Mitglieder des Rechnungshofs über die Machbarkeit und Auswirkungen eines Verbrenner-Verbots ab 2035 in Europa. Infos
22. bis 26. April, Hannover
Messe Hannover Messe
Die Industriemesse findet in diesem Jahr unter dem Motto “Energizing a Sustainable Industry” statt. Infos
22. bis 23. April, Berlin/Online
Tagung On the Edge? Katastrophenvorsorge in unsicheren Zeiten
Das Deutsche Rote Kreuz richtet diese Veranstaltung aus, die sich mit Katastrophenvorsorge in unsicheren Zeiten beschäftigt. Infos
22. bis 23. April, Berlin
Seminar Klimawandel unter ökonomischen Aspekten
Ökonomische Aspekte von Klimaschutz und -anpassung werden unter Nachhaltigkeitsaspekten häufig noch zu wenig berücksichtigt. Daher beschäftigt sich das Seminar des Deutschen Instituts für Urbanistik damit und stellt die Frage: “Was kostet uns das Nichthandeln?”. Infos
23. bis 24. April, Berlin
Konferenz Zukunft Offshore 2024 – Grenzen überwinden
Die Konferenz des Bundesverbands Windenergie Offshore e. V. findet unter dem Motto “Grenzen überwinden” statt. Im Zentrum der Diskussionen steht, wie Rahmenbedingungen aussehen müssen, um die Potenziale der Offshore-Windenergie zu heben. Infos
25. und 26. April
Konferenz Petersberger Klimadialog
Beim traditionellen Petersberger Klimadialog sondieren 40 Staaten mögliche Ergebnisse des kommenden Verhandlungsjahres. Bei dem Dialog werden traditionell die diesjährigen Klimaverhandlungen vorbereitet, die im Juni in Bonn und im November bei der COP29 im Baku, Aserbaidschan, stattfinden. Infos
In den letzten zwei Jahrzehnten hat der Emissionshandel stetig an Bedeutung gewonnen. Aktuell planen viele Staaten die Einführung eines Emissionshandelssystems (ETS), wie die neue Studie Emission Trading Worldwide – Status Report 2024 der International Carbon Action Partnership aufzeigt.
Vor allem in Lateinamerika gibt es demnach einige Pläne zur Etablierung von Emissionshandelssystemen:
Auch in der Asien-Pazifik-Region sind zahlreiche Projekte in der Planung und Umsetzung:
Auch im bisher größten ETS in China gab es jüngst neue Entwicklungen. Die Regierung treibt Pläne voran, auch Teile der Zement– und Aluminium-Industrie in das ETS aufzunehmen. Zudem gibt es Reformpläne, um eines der größten Probleme des chinesischen ETS anzugehen: das Überangebot an CO₂-Zertifikaten. Bevor es allerdings zu einer Reform des Zuteilungsmechanismus kommt, wird Chinas ETS eher wirkungslos bleiben, da die teilnehmenden Kohle- und Gaskraftwerke nur Zertifikate kaufen müssen, wenn sie ineffizient Strom erzeugen. nib
Die Bundesnetzagentur geht davon aus, dass die Probleme bei der Stromversorgung in der brandenburgischen Stadt Oranienburg durch lokale Versäumnisse verursacht wurden. “Der verhängte Anschlussstopp geht auf ein erfreuliches, starkes Wachstum der Stadt Oranienburg in Kombination mit einer um Jahre verspäteten Planung der Stadtwerke Oranienburg zurück”, schreibt die Behörde in einer am Mittwoch veröffentlichten Stellungnahme. Sie widerspricht damit Berichten, die die Energiewende der Bundesregierung für die Probleme verantwortlich gemacht hatten.
Die Stadtwerke Oranienburg hatten in der vergangenen Woche mitgeteilt, dass in Teilen ihres Netzgebietes bis auf Weiteres keine neuen Netzanschlüsse und keine Leistungserhöhung bestehender Anschlüsse möglich seien. Die Stadt Oranienburg erklärte dies anschließend mit einem gestiegenen Strombedarf, zu dem “das starke wirtschaftliche Wachstum, der Zuzug von Neubürgern nach Oranienburg sowie der verstärkte Einbau von Wärmepumpen” beigetragen hatte. Der FDP-Bundestagsabgeordnete Michael Kruse hatte in der Bild-Zeitung daraufhin “neue Gesetze aus Berlin” für die Probleme verantwortlich gemacht, die Zeitung sprach in einem Kommentar von einer “Warnung an die Ampel-Regierung und Wirtschaftsminister Habeck”.
Demgegenüber erklärt die Bundesnetzagentur nun: “Die neuen Bedarfe gehen insbesondere auf Industrie, Gewerbe und neue Baugebiete zurück. Der Ausbau oder Anschluss von Wärmepumpen oder Wallboxen spielt nur eine untergeordnete Rolle.” Im Gespräch mit der Aufsichtsbehörde räumten die Stadtwerke der Bundesnetzagentur zufolge ein, “dass die neuen Bedarfe viel zu spät erkannt und damit auch zu spät an den vorgelagerten Netzbetreiber, die E.DIS Netz GmbH, kommuniziert wurden”.
Gelöst werden soll das Problem durch ein neues Umspannwerk, das aber erst im Jahr 2026 fertiggestellt sein wird. Die Bundesnetzagentur hält aber auch kurzfristige Lösungen für möglich und hat die Stadtwerke entsprechend angewiesen. “So werden derzeit beispielsweise das Aufstellen von Batteriespeichern und Erzeugungsanlagen oder auch Vereinbarungen mit einzelnen Großkunden geprüft”, erklärt die Behörde. Zusätzlich würden aufsichtsrechtliche Maßnahmen gegen die Verantwortlichen geprüft. mkr
Mit der beschlossenen Änderung des Klimaschutzgesetzes entfällt nach Einschätzung des BMWK auch die Notwendigkeit, die unzureichenden Sofortprogramme der Vergangenheit nachzubessern. Das geht aus der Antwort des Ministeriums auf eine Anfrage der Unionsfraktion hervor, die Table.Briefings vorliegt. “Die aktuelle Regelung für eine Nachsteuerung besteht so lange, bis eine neue Rechtslage gegebenenfalls Sofortprogramme als Steuerungsinstrument ablöst”, schreibt Staatssekretär Philipp Nimmermann. Der CDU-Bundestagsabgeordnete und Klimaexperte Thomas Heilmann übt daran scharfe Kritik. “Es ist nicht akzeptabel, dass die Regierung sich bisher nicht an geltendes Recht gehalten hat”, sagte er Table.Briefings. “Und dass sie sich jetzt selbst amnestieren will, ist keine gute Idee.”
Im November war die Regierung zuletzt zu mehr Klimaschutz verurteilt worden. Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg hatte entschieden, dass die vorgelegten Sofortprogramme nicht ausreichend sind, um die Klimaziele im Verkehrs- und Gebäudesektor zu erreichen. Dagegen hatte der Bund Revision eingelegt. Die Frage der Union, welche Rechtsfehler die Regierung im Urteil sehe, ließ die Regierung unbeantwortet – was aus Heilmanns Sicht nahelegt, dass es bei der Revision primär darum ging, Zeit zu gewinnen, bis das Gesetz geändert ist.
Nach Ansicht der Kläger ist die Auswirkung der Gesetzesänderung noch offen. “Wir prüfen derzeit intensiv die Auswirkungen des neuen Klimaschutzgesetzes auf das Verfahren”, sagt der auf Umweltfragen spezialisierte Jurist Felix Ekardt, der den BUND in dem Verfahren vertreten hatte. Doch auch wenn die Revision durch die Gesetzesänderung tatsächlich hinfällig sein sollte, ist der juristische Streit um die Klimapolitik nach Einschätzung Ekardts keineswegs vorbei. “Ich halte das neue Klimaschutzgesetz wegen der unzureichenden Ziele für verfassungs- und völkerrechtswidrig”, sagte er Table.Media. Neue Klagen seien darum wahrscheinlich. Malte Kreutzfeldt
27 Prozent der EU-Bürger sehen im Klimaschutz das wichtigste Thema der Europawahlen 2024. Damit rutscht dieses vom zweiten auf den fünften Platz ab. Bei den vorigen Wahlen 2019 lagen die Umfragewerte noch bei 37 Prozent. In Deutschland war Klimaschutz damals mit 51 Prozent das wichtigste aller Themen, 2024 hingegen sank dieser Wert auf 26 Prozent.
Das aktuelle Eurobarometer des EU-Parlaments, für das 26.000 Menschen zwischen Februar und März befragt wurden, zeigt ein diffuses Bild: Kein Thema sticht heraus, insgesamt neun Themen liegen innerhalb von zehn Prozentpunkten, angeführt von Armutsbekämpfung mit 33 Prozent. Migration ist beispielsweise für 24 Prozent das wichtigste Wahlthema.
Mit Blick auf die Zukunft ist Verteidigung und Sicherheit mit 37 Prozent das wichtigste Thema, vor allem in Deutschland. Klimaschutz liegt EU-weit mit 24 Prozent auf dem fünften Platz – hinter Energiefragen, Ernährungssicherheit und Wirtschaftsthemen, die ebenso mit Klimathemen verbunden sind.
Auf die letzten 15 Jahre zurückblickend, sind sechs von zehn Befragten (61 Prozent) unzufrieden mit der EU-Klimapolitik. Jede dritte Person (33 Prozent) zeigte sich zufrieden, darunter vor allem Angestellte und Studierende (37 bzw. 36 Prozent). lb
Viele Staaten haben ihre auf der Kopenhagener Klimakonferenz (COP15 von 2009) versprochenen Klimaziele verfehlt. Das geht aus einer neuen Studie aus Nature Climate Change hervor. Die Autoren haben die Ziele von 34 Industrieländern (Annex-I-Staaten) untersucht:
Als wichtigsten Erfolgsfaktor benennt die Studie Verbesserungen bei der Energieintensität der Wirtschaften – also dem Energieeinsatz pro Einheit Wirtschaftsleistung. Acht der 15 erfolgreichen Staaten hätten ihre Emissionen primär durch Fortschritte bei der Energieintensität erreicht. Das Wirtschaftswachstum pro Kopf sei ein wichtiger Faktor für das Emissionswachstum in den Staaten, die ihre Ziele verfehlt haben. nib
Ob durch Ernteausfälle, Infrastrukturschäden oder eine geringere Arbeitsproduktivität: Durch den Klimawandel könnten im Jahr 2050 weltweit wirtschaftliche Schäden in Höhe von 38 Billionen US-Dollar entstehen, selbst wenn die Treibhausgasemissionen ab sofort drastisch sinken würden. Zu diesem Ergebnis kommen Forschende des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) in einer aktuellen Studie, die in der Fachzeitschrift Nature veröffentlicht wurde.
Im globalen Durchschnitt wären die Einkommen dann – mögliche Unsicherheiten mit eingerechnet – um etwa 19 Prozent niedriger. Besonders hoch wären die Einkommensverluste mit im Mittel 22 Prozent in Afrika und Südasien. In Nordamerika und Europa betrügen sie immer noch elf Prozent. Nur für Länder in der Nähe der Pole bringt die globale Erwärmung demnach Gewinne.
Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass es deutlich günstiger wäre, den Klimawandel zu bekämpfen, als die Verluste in Kauf zu nehmen. Die Kosten, um die globale Erwärmung auf zwei Grad zu begrenzen, betrügen etwa ein Sechstel der für das Jahr 2050 prognostizierten Schäden.
Die Schäden innerhalb der kommenden 25 Jahren seien “eine Folge unserer bisherigen Emissionen”, sagt PIK-Forscherin Leonie Wenz. “Wenn wir zumindest einige davon vermeiden wollen, brauchen wir mehr Anpassungsmaßnahmen. Zusätzlich müssen wir unsere CO₂-Emissionen drastisch und sofort reduzieren – andernfalls werden die wirtschaftlichen Verluste in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts noch höher sein und bis Ende des Jahrhunderts im globalen Durchschnitt bis zu 60 Prozent betragen.” ae
Die jüngste Hitzewelle in Westafrika und der Sahelregion, während der die Temperaturen auf über 45 Grad Celsius stiegen, wäre ohne den menschengemachten Klimawandel in dieser Form nicht möglich gewesen. Zu dem Schluss kommt eine schnelle Attributionsanalyse der Forschungsgruppe World Weather Attribution (WWA). Der Einfluss des Wetterphänomens El Niño auf die Hitze sei dagegen “nicht signifikant” gewesen.
Die höchsten Temperaturen in der Region wurden am 3. April 2024 mit 48,5 Grad in Mali gemessen. Durch den Klimawandel seien die Maximaltemperaturen tagsüber um 1,5 Grad höher gewesen als in einer hypothetischen Welt ohne globale Erwärmung, schreiben die Forschenden, und nachts in manchen Regionen sogar um zwei Grad höher. Weil es nicht ausreichend Daten gebe, sei es unmöglich, zu wissen, wie viele Menschen durch die Hitze gestorben seien. Dennoch geht WWA von “Hunderten oder möglicherweise Tausenden” Todesfällen im Zusammenhang mit der extremen Hitze aus.
Derzeit seien extreme Temperaturen wie in Mali und Burkina Faso, wo Menschen aufgrund der Hitze starben, nur etwa einmal alle 200 Jahre zu erwarten. Doch in einer Zwei-Grad-Welt würden ähnliche Ereignisse etwa zehnmal häufiger auftreten, schreiben die Forschenden.
Die extreme Dürre im südlichen Afrika dagegen wurde WWA zufolge vor allem durch das Wetterphänomen El Niño angetrieben – und nicht durch den Klimawandel. Regierungen in Simbabwe, Malawi und Sambia hatten zwischen Februar und Anfang April wegen Ernteausfällen, Hunger und Wasserknappheit den Notstand ausgerufen. Die WWA-Wissenschaftlerinnen und -Wissenschaftler warnen, dass es auch in künftigen El-Niño-Jahren zu Nahrungsknappheit in der Region kommen könne. Sie fordern die Staaten auf, sich besser auf die Gefahr vorzubereiten.
Für ihre schnellen Analysen nutzt WWA Wetterdaten und Klimamodelle. Die Forschenden vergleichen dabei die tatsächlich auftretenden Wetterphänomene mit Modellberechnungen, die eine hypothetische Welt ohne die globale Erwärmung zeigen. Dafür nutzen sie durch Peer-Reviews wissenschaftlich geprüfte Methoden. Bisher hat sich die durchschnittliche Temperatur der Erde schon um rund 1,2 Grad erwärmt. ae
diesmal geht es bei uns ums Geld: Am Rande der Weltbanktagung, wo es um den Umbau des globalen Finanzsystems geht, arbeitet eine Taskforce an Konzepten für eine globale Klimasteuer. Welche Bereiche besteuert werden könnten, hat Bernhard Pötter für Sie analysiert. Er moderiert am kommenden Montag, 22. April, um 16.30 Uhr auch einen Live.Table zum Thema Klimafinanzierung. Seine Gäste: Jennifer Morgan, deutsche Klimagesandte, Avinash Persaud, Architekt der “Bridgetown Initiative” zur Finanzreform und Berater von Barbados und der Inter American Development Bank und Jan Kowalzig, Finanzexperte von Oxfam. Melden Sie sich gerne hier dazu an!
In Deutschland wiederum wird nur die Hälfte der im Klima- und Transformationsfond eingeplanten Gelder tatsächlich ausgegeben. Das gefährdet die Klimaziele, wie Malte Kreutzfeldt recherchiert hat. Er entlarvt bei uns auch die Gerüchte über den Strommangel in Oranienburg, die für Schlagzeilen sorgen.
Eine neue PIK-Studie zeigt zudem: Ein Fünftel des weltweiten Einkommens könnte 2050 durch den Klimawandel bedroht sein. Doch obwohl uns Klimaschäden wesentlich teurer zu stehen kommen als Klimaschutz, verliert das Thema bei der Europawahl im Juni an Relevanz – insbesondere in Deutschland. Das zeigen die neusten Zahlen des Eurobarometers.
Wir wünschen spannende Lektüre, die sich bestimmt auszahlt!
Am Rande der Frühjahrstagung von Weltbank und IWF in Washington beginnt eines der ehrgeizigsten Projekte der internationalen Klimafinanzierung: Mit der “Taskforce für internationale Besteuerung” will eine Gruppe von Industrie- und Entwicklungsländern die Optionen für globale Klimaabgaben erkunden und Allianzen für dieses Vorhaben ausloten.
Auf der COP30 in Brasilien, so die Pläne von Frankreich, Barbados, Kenia, Antigua und Barbuda und Spanien, soll das fertige Konzept für eine weltweite Klimasteuer verabschiedet werden. Jetzt zeichnet sich ab, welche neuen Abgaben dafür infrage kommen: Gesucht werden vor allem Maßnahmen, mit denen jeweils mindestens 0,1 Prozent der globalen Wirtschaftsleistung für nachhaltige Entwicklung und Klimaschutz aufgebracht werden kann – also jeweils mehr als 100 Milliarden US-Dollar.
Ins Leben gerufen wurde diese Taskforce auf der COP28 in Dubai im Dezember 2023, nach Vorbereitungen auf dem Finanzgipfel von Paris im Juni 2023 und dem afrikanischen Klima-Gipfel im September 2023. Die Taskforce soll Pläne vorlegen, wie dringend benötigtes Kapital für den Klimaschutz vor allem in den Entwicklungsländern zusammenkommen kann. Sie soll “Steuerinstrumente entwickeln, die sicherstellen, dass alle Sektoren der Wirtschaft, besonders die momentan schwach besteuerten, ihren fairen Anteil dazu beitragen, in Übereinstimmung mit ihrer Wirkung in Bezug auf Treibhausgasemissionen.”
Den Finanzbedarf für wirksame CO₂-Minderung und Anpassung vor allem in den Ländern des Globalen Südens (ohne China) schätzt eine Expertengruppe im UN-Auftrag auf jährlich eine Billion US-Dollar in 2025 – und auf bereits 2,4 Billionen für 2030. So verkündete die Weltbank am Mittwoch einen Plan, bis 2030 insgesamt 300 Millionen Menschen in Afrika mit Strom zu versorgen. Nötig dafür seien aber 30 Milliarden US-Dollar in öffentlichen Geldern und 9 Milliarden an privaten Investitionen.
Insgesamt haben die Industriestaaten aber bisher nur versprochen, bis 2025 jährlich 100 Milliarden US-Dollar als Klimahilfen für den Globalen Süden zu mobilisieren. Auf der COP29 in Baku soll in diesem Jahr beschlossen werden, wie es mit dieser Finanzierung langfristig mit einem “neuen kollektiven quantifizierten Ziel” (NCQG) weitergeht.
Gleichzeitig sind die staatlichen Budgets der Industrieländer durch Maßnahmen gegen Corona oder den Ukraine-Krieg angespannt. Fast 50 Entwicklungsländer stehen auch durch die Belastung aus Klimaschäden für ihren Haushalt vor dem Staatsbankrott. Die Taskforce sucht deshalb nach Einnahmen, die den bedrohten Menschen im Globalen Süden helfen, nicht die Konsumenten im Globalen Norden belasten und die “verschmutzenden Industrien” in Haftung für ihre Schäden nehmen, heißt es aus dem Umfeld der Taskforce. Das Kapital soll für “Entwicklung, Klimaschutz und Natur” eingesetzt werden.
Für die Chefin der europäischen Klimastiftung ECF, Laurence Tubiana, eröffnet die neue Taskforce eine Debatte, die bislang “ein totales Tabu” war. Tubiana, die als Klimagesandte der französischen Regierung maßgeblich das Pariser Abkommen verhandelte, weist darauf hin, dass jährlich sieben Billionen US-Dollar an staatlichen Subventionen in fossile Energien fließen, und dass die Gewinne der Öl- und Gaskonzerne derzeit bei vier Billionen US-Dollar im Jahr liegen – während der Klimawandel “einen enormen Verlust von Reichtum verursacht und es kein Geld gibt, das zu bezahlen.”
Mögliche Quellen für Klima- und Entwicklungsabgaben könnten sein:
Die Liste ähnelt den Vorschlägen, Geld für den “Loss and Damage“-Fonds der UN zusammenzubringen. Dieser Topf wurde aber bisher auf der COP28 durch freiwillige Zahlungen verschiedener Staaten mit insgesamt etwa 700 Millionen US-Dollar gefüllt. Als wahrscheinlichste Variante gilt unter Experten derzeit eine Abgabe auf Flugtickets, und zwar nur für erste Klasse und Business-Flüge, um die Belastung auf die höheren Einkommen zu begrenzen.
Selbst wenn eine solche Abgabe beschlossen wird, heißt das allerdings nicht, dass das Geld direkt für Klimaschutz oder Nachhaltigkeit in die armen Länder fließt. So hat die UN-Schifffahrtsorganisation IMO zwar angedeutet, ab 2025 eine Abgabe auf Schiffsverkehr zu erheben. Doch die Einnahmen daraus sollen dafür dienen, die Flotten klimaneutral zu modernisieren. Ein globaler CO₂-Preis wiederum würde in Regionen mit Emissionshandel wohl keine weiteren Einnahmen erzeugen, weil die bisherigen schon verplant sind.
Mit Kolumbien, den Marshallinseln und Irland wollen der Taskforce laut eigenen Angaben weitere Länder beitreten. Vor allem Entwicklungsländer sehen ihre Interessen in der OECD als Club der Industrieländer nicht vertreten, und in der UNO herrscht der Zwang zum Konsens. Die Taskforce aber soll zu den verschiedenen Varianten von neuen Klimasteuern Daten und Vorschläge sammeln, ohne auf den allgemeinen Konsens angewiesen zu sein. Der Vorteil: Je nach Interesse können sich dann verschiedene Koalitionen hinter einzelnen Ideen versammeln.
Das Sekretariat der Taskforce, angesiedelt bei der “European Climate Foundation”, will bis zur COP30 fertige Vorschläge vorlegen. Im Idealfall soll nicht nur klar sein, woher wie viel Geld kommen kann – sondern auch, wer es einsammelt und verwaltet und wohin es fließen soll.
Auch andere Akteure sind bestrebt, neue Geldquellen für internationale Klimafinanzen zu erkunden. Der brasilianische Finanzminister Fernando Haddad etwa hat eine “Milliardärssteuer” gefordert, mit der weltweit etwa 3.000 Superreiche belegt werden sollten. Brasilien hat derzeit die G20-Führerschaft und schlägt vor, mögliche Einnahmen daraus auch für den Klimaschutz zu verwenden. Die Befürworter dieser Abgabe verweisen auf Studien, die den Superreichen nicht nur viel Geld, sondern auch durch ihren Lebensstil und ihre Investments einen ungleich größeren CO₂-Fußabdruck als der Durchschnitt zuschreiben: Laut Oxfam verursachen die reichsten Milliardäre dadurch jährlich bis zu drei Millionen Tonnen CO₂-Emissionen pro Kopf.
Die Kürzungen, die aufgrund des Haushaltsurteils des Bundesverfassungsgerichts im Klima- und Transformationsfonds erforderlich sind, haben in den letzten Monaten viel Aufmerksamkeit bekommen. Eher unterbelichtet blieb dagegen ein mindestens ebenso wichtiges Problem bei der Klimaschutz-Finanzierung: Nur gut die Hälfte der eingeplanten Gelder wurde in den vergangenen beiden Jahren tatsächlich ausgegeben. 2022 waren es 49 Prozent, 2023 etwa 56 Prozent.
Diese Zahlen ergeben sich aus dem noch unveröffentlichten 13. KTF-Bericht des Bundesfinanzministeriums, über den Table.Briefings bereits berichtet hatte. In dieser Woche warnte nun der Expertenrat für Klimafragen, dass der schlechte Mittelabfluss das Erreichen der Klimaziele gefährde. Der Thinktank Forum Ökosoziale Marktwirtschaft (FÖS) veröffentlichte am Donnerstag zudem eine Analyse des Mittelabflusses, die Table.Briefings vorab vorlag – und fordert von der Bundesregierung Konsequenzen.
Der jüngste KTF-Bericht hatte gezeigt, dass von den vorgesehenen 36 Milliarden Euro nur rund 20 Milliarden Euro ausgegeben wurden. Das habe “Auswirkungen auf die im Klimaschutzprogramm unterstellte THG-Minderungswirkung”, schrieb der Expertenrat in seinem am Montag veröffentlichten Prüfbericht zur deutschen Klimabilanz 2023. “Diese kann auf jeden Fall nicht mehr im damals angegebenen Zeitrahmen und nicht mehr in vollem Umfang erwartet werden.” Eine Abschätzung, wie stark die Abweichung sein wird, wollte Brigitte Knopf als stellvertretende Vorsitzende des Gremiums auf Nachfragen von Table.Briefings nicht abgeben. Es sei aber klar, dass der Gesamteffekt geringer ausfalle, als in der Prognose des Umweltbundesamts unterstellt.
Auch das FÖS warnt in seiner neuen Studie vor den Folgen des schlechten Mittelabflusses. “Klimaschutzprojekte verschieben sich so mindestens in die Zukunft”, schreiben die Studienautoren. Die nicht ausgegebenen Gelder fließen zwar als Rücklage zurück in den KTF; in Folgejahren könnten sie aber für andere Programme genutzt werden. “Diese haben dann möglicherweise keine positive Klimaschutzwirkung oder sind Ausgleichsmaßnahmen für die energieintensive Industrie.”
Tatsächlich nehmen die KTF-Ausgaben für Programme ohne direkte zusätzliche Klimawirkung zu:
Die Studie zeigt zudem, dass es beim Mittelabfluss große Unterschiede zwischen verschiedenen Bereichen gibt. Programme, die sich auf Gebäude beziehen, wurden zu 64 Prozent ausgeschöpft; bei Förderprogrammen für den Individualverkehr waren es 67 Prozent, beim öffentlichen Personennahverkehr dagegen nur 48 Prozent. Industrieprogramme, bei denen es um Ausgleichszahlungen ging, hatten eine Abrufquote von 66 Prozent, beim Thema Wasserstoff waren es 48 Prozent, beim direkten Klimaschutz in der Industrie dagegen nur 19 Prozent.
Vergleichsweise besonders schlecht abgeschnitten hat der sogenannte natürliche Klimaschutz, zu dem etwa die Wiedervernässung von Mooren, die Wiederaufforstung und der klimagerechte Umbau der Wälder gezählt werden. Insgesamt wurden dort nach FÖS-Berechnungen im Jahr 2023 weniger als 20 Prozent der Gelder ausgegeben; beim größten Programm, den “Maßnahmen zum Natürlichen Klimaschutz” (ANK), das vom BMUV betreut wird, waren es sogar nur gut zwei Prozent.
Zur Begründung schreibt das Haus von Steffi Lemke, es hätten zunächst “Strukturen für die Umsetzung des ANK entwickelt und aufgebaut” werden müssen. Zudem habe die “Entwicklung von Fördermaßnahmen” länger gedauert als geplant, weil dabei “nicht auf etablierte und optimal abgestimmte Verfahrensweisen zwischen
den zu beteiligenden Akteuren zurückgegriffen werden” konnte. Wirklich überzeugend klingen diese Gründe nicht, weil die Probleme nicht überraschend gewesen sein dürften.
Daneben gab es aber offenbar auch Konflikte innerhalb der Koalition. Darauf deutet im Bericht der Hinweis hin, dass auch die “Abstimmung innerhalb der Bundesregierung” zu “langwierigen Prozessen” geführt habe. Offenbar hat das Finanzministerium zwischenzeitig infrage gestellt, ob der Bund überhaupt die Kompetenz für die entsprechende Förderung hatte. Darauf deutet hin, dass die Koalitionsfraktionen in einem Entschließungsantrag zum Klimaschutzgesetz nach Informationen von Table.Briefings folgende Klarstellung aufnehmen wollen: “Der Bundestag begrüßt, dass die Bundesregierung Maßnahmen des Natürlichen Klimaschutzes fördert.”
Für dieses Jahr erwartet das BMUV einen deutlich höheren Mittelabfluss. Mittlerweile seien 21 von 50 Programmen gestartet, der Rest solle bis zum Jahresende folgen, teilte eine Sprecherin mit. Und: “Die Programme werden stark nachgefragt.”
Um die Ausgabequote insgesamt zu verbessern, müsse die Regierung ihre Abläufe aber generell überprüfen, fordert Holger Bär, einer der Autoren der FÖS-Studie. “Förderbedingungen sollten möglichst früh veröffentlicht werden”, sagte er Table.Briefings. Notwendig seien zudem “niedrigschwellige Informationen und zielgruppengerechte Zugänge”. In einem ersten Schritt sei zudem mehr Transparenz bezüglich der Ausgaben und eine bessere Evaluation erforderlich.
Frau Bergmål, auf der COP28 hat sich Norwegen sehr für eine Resolution eingesetzt, in der es heißt, dass die Länder sich “von fossilen Brennstoffen wegbewegen” sollen. Was bedeutet dieses Ziel für Norwegen, das selbst viel Öl und Gas fördert?
Wir wollen Teil dieses Übergangs sein. Wir müssen die Emissionen weltweit reduzieren, und das gilt auch für die Produzenten fossiler Brennstoffe. Wir wollen weiterhin Öl und Gas fördern und arbeiten hart daran, die Emissionen aus unserer Produktion noch weiter zu reduzieren, um Norwegens Emissionen bis 2050 um 90 bis 95 Prozent zu senken. Nach den Berechnungen in der EU-Richtlinie über erneuerbare Energien hat Norwegen einen Anteil von über 70 Prozent an erneuerbaren Energien, und wir fahren mit dem Ausstieg aus den unverminderten fossilen Brennstoffen fort. Gleichzeitig ist es für uns wichtig, auch in Zukunft ein stabiler Öl- und Gaslieferant für Europa zu sein; wir müssen es schaffen, sowohl die Emissionen zu senken als auch die Energiesicherheit zu gewährleisten.
Ihr Chef, Energieminister Aasland, hat es gesagt: Dubai ändert nichts für Norwegen. Das klingt seltsam für ein Land, das sich angeblich von seinem Geschäftsmodell wegbewegt. Was hat er damit gemeint?
Schon vor Dubai haben wir uns auf neue Industrien wie Offshore-Wind, blauen Wasserstoff und CCS konzentriert. Wir bauen diese neuen Industrien auf den Schultern von Öl und Gas auf, und unsere Erfahrung in diesem Bereich hilft uns sehr. Ich glaube daher, dass er das so gemeint hat: Wir arbeiten bereits jeden Tag daran, die Emissionen zu reduzieren. Wir sehen, dass unsere Produktion fossiler Brennstoffe nach 2030 aufgrund der natürlichen Erschöpfung der Felder zurückgehen wird. Gleichzeitig werden Europa und der Rest der Welt noch lange Zeit Öl und Gas benötigen.
In Dubai drängte Norwegen darauf, sich von fossilen Brennstoffen zu verabschieden, baut aber seine eigene Öl- und Gasproduktion aus. In den letzten Jahren haben Sie 140 Lizenzen für neue Bohrungen erteilt. Die IEA hingegen sagt, dass es keine neue Infrastruktur für fossile Brennstoffe geben darf, wenn wir die 1,5-Grad-Marke nicht überschreiten wollen. Wie passt das zusammen?
Mir sind keine Prognosen bekannt, die mittelfristig völlig auf Öl und Gas verzichten. Die Frage ist, wie lange wir noch fossile Brennstoffe brauchen werden, und dazu gibt es unterschiedliche Ansichten. In Norwegen werden wir nach 2030 relativ schnell weniger Öl und Gas fördern. Selbst wenn wir neue Felder erschließen, werden wir insgesamt weniger fördern als heute. Und wir müssen auch feststellen, dass der internationale Ausbau der erneuerbaren Energien zwar schnell, aber für die Klimaziele zu langsam erfolgt. Der Übergang weg von den fossilen Brennstoffen muss fair und bezahlbar sein und den Zugang zu Energie sicherstellen. Wir müssen die Menschen mitnehmen. Wenn wir unsere Gasproduktion in Norwegen reduzieren, würde sich das auf die Verbraucher in Europa auswirken.
Wie sicher sind die Pläne Ihrer Regierung überhaupt? Ein Gericht hat gerade die Lizenzen für neue Ölfelder auf Eis gelegt. Und eine Expertengruppe der Regierung fordert ein Moratorium, bis die Pläne mit den Netto-Null-Zielen in Einklang stehen.
Ich äußere mich nicht zu laufenden Gerichtsverfahren, aber das Gericht hat kürzlich erklärt, dass die einstweilige Verfügung bis auf Weiteres nicht gilt. Die Entscheidung des Gerichts bezieht sich auf drei spezifische Entwicklungs- und Produktionspläne, die vom Ministerium für den Zeitraum 2021 bis 2023 genehmigt wurden. Bei dem Gerichtsverfahren geht es nicht um die Gesamtstrategie für die Öl- und Gasförderung. Und unsere Expertengruppe hat diesen Vorschlag gemacht, aber wir glauben, dass wir die Erweiterung brauchen, um den prognostizierten Rückgang der Produktion aus den derzeitigen Feldern zu kompensieren.
Die Einnahmen aus Öl und Gas sind für Norwegen sehr wichtig. 2023 stammten 36 Prozent der Staatseinnahmen aus diesem Sektor. Kann Ihr Land überhaupt ohne Öl und Gas auskommen, ohne das norwegische Geschäftsmodell zu ruinieren?
Natürlich sind Öl und Gas für Norwegen extrem wichtig. Das meiste Geld fließt in den staatlichen Ölfonds, aber der Sektor sorgt auch für viele Investitionen und sichert Arbeitsplätze. Gleichzeitig sind wir uns bewusst, dass wir uns in einer Übergangsphase befinden und dass wir den Netto-Null-Punkt erreichen müssen. Wir glauben, dass der Erdölsektor aufgrund der hohen Kompetenz der Arbeitnehmer und der technologischen Entwicklung in diesem Bereich eine Schlüsselrolle bei der Verwirklichung dieses Ziels spielt. Die Schlüsselfrage lautet: Wie schnell geht der Übergang vonstatten und wie können wir die neuen Industrien aufbauen?
Wie weit sind Sie dabei?
Wir sind dazu in einer hervorragenden Position: Wir haben weltweit einen großen Vorsprung bei CCS, weil wir seit 1997 Erfahrungen sammeln. Unser staatliches CCS-Pilotprojekt “Northern Lights” läuft nach Plan, es ist zu 70 Prozent fertiggestellt und kommerziell ausgebucht, und die CO₂-Speicherung soll Mitte 2025 beginnen. Northern Lights hat Verträge mit Unternehmen wie Yara in den Niederlanden und Örsted in Dänemark über die Lieferung von CO₂. Und jetzt haben wir gerade sechs Lizenzen an private Unternehmen vergeben, die CCS auf dem norwegischen Festlandsockel kommerziell betreiben werden. Für das Jahr 2030 haben die kommerziellen Unternehmen Pläne zur Speicherung von 40 Millionen Tonnen CO₂ pro Jahr vorgelegt. Wir glauben an diese Zukunftstechnologie, weil wir keine andere Möglichkeit sehen, mit Emissionen aus schwer zu bekämpfenden Sektoren umzugehen.
Werden die Einnahmen aus CCS eines Tages für Norwegen so wichtig sein wie jetzt die Einnahmen aus Öl und Gas?
Mit Öl und Gas wird seit Jahren sehr viel Geld verdient. Es ist schwer vorstellbar, dass ein anderer Sektor dies wiederholen kann. Trotzdem arbeiten wir daran, denn die Zukunft ist Netto-Null.
Bislang sind die Treibhausgasemissionen Ihres Landes insgesamt jedoch kaum gesunken. Und was bedeutet Netto-Null für Norwegen? Wenn Ihr Land bis 2050 bei minus 90 bis 95 Prozent sein will, werden Sie dann noch Öl und Gas an andere Länder verkaufen?
Der Plan sieht vor, dass Norwegen im Jahr 2050 immer noch Öl und Gas fördert. Aber nicht mehr so viel wie heute. Und wir werden das hauptsächlich exportieren. Natürlich müssen diese Exporte dann emissionsfrei genutzt werden. Die Technologie dafür wird sich entwickeln, Norwegen hat sich verpflichtet, CCS-Lösungen zu entwickeln.
Wie sieht ein solcher CO₂-freier Export von fossilen Brennstoffen aus? Sie verkaufen Öl und Gas und garantieren, die entsprechende Menge an CO₂ in Norwegen zu speichern?
Wenn wir Öl und Gas ohne CO₂-Emissionen fördern und verbrennen können, können wir es auch weiterhin verkaufen. Wenn wir uns die Produktion von blauem Wasserstoff ansehen, bei dem CO₂ in Norwegen abgeschieden und gespeichert wird, könnte dies mit sehr geringen Emissionen möglich sein.
Norwegen ist der größte Gaslieferant Europas, aber die EU-Kommission will die Emissionen bis 2040 um 90 Prozent senken. Es gibt eine umfangreiche Studie, die von Umweltorganisationen in Auftrag gegeben wurde und die besagt: Norwegen will seinen Öl- und Gassektor ausbauen, aber Europa wird ab 2040 immer weniger Öl und Gas kaufen. Damit würde ein wichtiger Markt für Norwegens Exporte wegfallen.
Wenn es keinen Markt gibt, wird auch nichts mehr gefördert. Das ist auch der Grund, warum Norwegen sich dafür einsetzt, dass die Nachfrage nach unverminderten fossilen Brennstoffen weltweit gesenkt wird.
Riskieren Sie nicht eine riesige Welle von Fehlinvestitionen? Sie erschließen neue Felder und Ihr größter Kunde will sich von diesen Produkten verabschieden?
Auch in den ehrgeizigsten Klimaszenarien, die die Kommission vorgelegt hat, wird es einen Bedarf an Öl- und Gasimporten nach Europa geben. Natürlich besteht immer noch ein Risiko hinsichtlich der Marktpreise für Öl und Gas, aber die Unternehmen, die auf unserem norwegischen Festlandsockel tätig sind, sind sich dieses Risikos bei ihren Investitionsentscheidungen sehr bewusst.
Aber das größte norwegische Öl- und Gasunternehmen, Equinor, ist zu 67 Prozent in Staatsbesitz.
Ja, aber wir entscheiden nicht politisch, was sie tun. Sie werden als unabhängiges Unternehmen geführt.
Wenn ich der Eigentümer eines solchen Unternehmens wäre, würde ich sagen: Sei lieber vorsichtig, bevor du ein solches Risiko eingehst.
Aber Equinor hat seine eigenen Experten, die diese Berechnungen anstellen. Und wir sehen kein großes Risiko für gestrandete Investitionen.
Norwegen wettet also darauf, dass die EU ihre Klimaziele nicht erreichen wird?
Auch EU-Länder wie die Niederlande schmieden langfristige Pläne für fossile Brennstoffe. CCS kann die Lösung zur Erreichung der Klimaziele sein: Wenn wir die Öl- und Gasproduktion emissionsfrei machen können und wenn wir den Verbrauch emissionsfrei machen können, dann wäre es kein Problem, die Klimaziele zu erreichen.
Sind das nicht zwei sehr, sehr große “Wenns”?
Die Emissionen aus der norwegischen Öl- und Gasförderung sind bereits sehr niedrig. Und wir haben CCS im Einsatz. Alle unsere Prognosen besagen, dass Europa und die Welt auch im Jahr 2050 noch Öl und Gas brauchen werden. Das sind weitere 26 Jahre. Wer weiß, was die Welt bis dahin erfindet. Auf jeden Fall werden wir ein zuverlässiger Lieferant bleiben.
19. April, New York
Konferenz Global Stocktaking on Sustainable Energy
Das Event ist Teil der Nachhaltigkeitswoche der Vereinten Nationen in New York. Es soll zusammenfassen, was in der UN-Dekade “Sustainable Energy for All” zwischen 2014 und 2024 erreicht wurde. Infos
19. April, Indien
Wahlen Beginn der Wahlen in Indien
19. April, 10 Uhr, Berlin
Pressekonferenz Warum Deutschland eine Politik zur Wiederherstellung der Natur braucht
In der Bundespressekonferenz stellen Umweltministerin Steffi Lemke sowie Josef Settele und Wolfgang Köck vom Sachverständigenrat für Umweltfragen (SRU) vor, warum Deutschland eine Politik zur Wiederherstellung der Natur braucht. Infos
19. bis 21. April 2024, Washington
Tagung Frühjahrstagung von Weltbank und IWF
Die beiden Finanzinstitutionen Weltbank und Internationaler Währungsfonds (IWF) sind für wesentliche Fragen der Klimafinanzierung zuständig. Ihre Frühjahrstagung ist neben der Jahrestagung eines der wichtigen Events in Fragen der Klimafinanzierung. Infos
22. April
Aktionstag Earth Day
In diesem Jahr steht der Tag unter dem Motto “Wasser macht Leben möglich”. Infos
22. April, 14:30 Uhr, online
Pressekonferenz Die Zukunft von Pkw in Europa: Sicht des Europäischen Rechnungshofs
Bei der Pressekonferenz des Europäischen Rechnungshofs diskutieren fachkundige Prüfer und Mitglieder des Rechnungshofs über die Machbarkeit und Auswirkungen eines Verbrenner-Verbots ab 2035 in Europa. Infos
22. bis 26. April, Hannover
Messe Hannover Messe
Die Industriemesse findet in diesem Jahr unter dem Motto “Energizing a Sustainable Industry” statt. Infos
22. bis 23. April, Berlin/Online
Tagung On the Edge? Katastrophenvorsorge in unsicheren Zeiten
Das Deutsche Rote Kreuz richtet diese Veranstaltung aus, die sich mit Katastrophenvorsorge in unsicheren Zeiten beschäftigt. Infos
22. bis 23. April, Berlin
Seminar Klimawandel unter ökonomischen Aspekten
Ökonomische Aspekte von Klimaschutz und -anpassung werden unter Nachhaltigkeitsaspekten häufig noch zu wenig berücksichtigt. Daher beschäftigt sich das Seminar des Deutschen Instituts für Urbanistik damit und stellt die Frage: “Was kostet uns das Nichthandeln?”. Infos
23. bis 24. April, Berlin
Konferenz Zukunft Offshore 2024 – Grenzen überwinden
Die Konferenz des Bundesverbands Windenergie Offshore e. V. findet unter dem Motto “Grenzen überwinden” statt. Im Zentrum der Diskussionen steht, wie Rahmenbedingungen aussehen müssen, um die Potenziale der Offshore-Windenergie zu heben. Infos
25. und 26. April
Konferenz Petersberger Klimadialog
Beim traditionellen Petersberger Klimadialog sondieren 40 Staaten mögliche Ergebnisse des kommenden Verhandlungsjahres. Bei dem Dialog werden traditionell die diesjährigen Klimaverhandlungen vorbereitet, die im Juni in Bonn und im November bei der COP29 im Baku, Aserbaidschan, stattfinden. Infos
In den letzten zwei Jahrzehnten hat der Emissionshandel stetig an Bedeutung gewonnen. Aktuell planen viele Staaten die Einführung eines Emissionshandelssystems (ETS), wie die neue Studie Emission Trading Worldwide – Status Report 2024 der International Carbon Action Partnership aufzeigt.
Vor allem in Lateinamerika gibt es demnach einige Pläne zur Etablierung von Emissionshandelssystemen:
Auch in der Asien-Pazifik-Region sind zahlreiche Projekte in der Planung und Umsetzung:
Auch im bisher größten ETS in China gab es jüngst neue Entwicklungen. Die Regierung treibt Pläne voran, auch Teile der Zement– und Aluminium-Industrie in das ETS aufzunehmen. Zudem gibt es Reformpläne, um eines der größten Probleme des chinesischen ETS anzugehen: das Überangebot an CO₂-Zertifikaten. Bevor es allerdings zu einer Reform des Zuteilungsmechanismus kommt, wird Chinas ETS eher wirkungslos bleiben, da die teilnehmenden Kohle- und Gaskraftwerke nur Zertifikate kaufen müssen, wenn sie ineffizient Strom erzeugen. nib
Die Bundesnetzagentur geht davon aus, dass die Probleme bei der Stromversorgung in der brandenburgischen Stadt Oranienburg durch lokale Versäumnisse verursacht wurden. “Der verhängte Anschlussstopp geht auf ein erfreuliches, starkes Wachstum der Stadt Oranienburg in Kombination mit einer um Jahre verspäteten Planung der Stadtwerke Oranienburg zurück”, schreibt die Behörde in einer am Mittwoch veröffentlichten Stellungnahme. Sie widerspricht damit Berichten, die die Energiewende der Bundesregierung für die Probleme verantwortlich gemacht hatten.
Die Stadtwerke Oranienburg hatten in der vergangenen Woche mitgeteilt, dass in Teilen ihres Netzgebietes bis auf Weiteres keine neuen Netzanschlüsse und keine Leistungserhöhung bestehender Anschlüsse möglich seien. Die Stadt Oranienburg erklärte dies anschließend mit einem gestiegenen Strombedarf, zu dem “das starke wirtschaftliche Wachstum, der Zuzug von Neubürgern nach Oranienburg sowie der verstärkte Einbau von Wärmepumpen” beigetragen hatte. Der FDP-Bundestagsabgeordnete Michael Kruse hatte in der Bild-Zeitung daraufhin “neue Gesetze aus Berlin” für die Probleme verantwortlich gemacht, die Zeitung sprach in einem Kommentar von einer “Warnung an die Ampel-Regierung und Wirtschaftsminister Habeck”.
Demgegenüber erklärt die Bundesnetzagentur nun: “Die neuen Bedarfe gehen insbesondere auf Industrie, Gewerbe und neue Baugebiete zurück. Der Ausbau oder Anschluss von Wärmepumpen oder Wallboxen spielt nur eine untergeordnete Rolle.” Im Gespräch mit der Aufsichtsbehörde räumten die Stadtwerke der Bundesnetzagentur zufolge ein, “dass die neuen Bedarfe viel zu spät erkannt und damit auch zu spät an den vorgelagerten Netzbetreiber, die E.DIS Netz GmbH, kommuniziert wurden”.
Gelöst werden soll das Problem durch ein neues Umspannwerk, das aber erst im Jahr 2026 fertiggestellt sein wird. Die Bundesnetzagentur hält aber auch kurzfristige Lösungen für möglich und hat die Stadtwerke entsprechend angewiesen. “So werden derzeit beispielsweise das Aufstellen von Batteriespeichern und Erzeugungsanlagen oder auch Vereinbarungen mit einzelnen Großkunden geprüft”, erklärt die Behörde. Zusätzlich würden aufsichtsrechtliche Maßnahmen gegen die Verantwortlichen geprüft. mkr
Mit der beschlossenen Änderung des Klimaschutzgesetzes entfällt nach Einschätzung des BMWK auch die Notwendigkeit, die unzureichenden Sofortprogramme der Vergangenheit nachzubessern. Das geht aus der Antwort des Ministeriums auf eine Anfrage der Unionsfraktion hervor, die Table.Briefings vorliegt. “Die aktuelle Regelung für eine Nachsteuerung besteht so lange, bis eine neue Rechtslage gegebenenfalls Sofortprogramme als Steuerungsinstrument ablöst”, schreibt Staatssekretär Philipp Nimmermann. Der CDU-Bundestagsabgeordnete und Klimaexperte Thomas Heilmann übt daran scharfe Kritik. “Es ist nicht akzeptabel, dass die Regierung sich bisher nicht an geltendes Recht gehalten hat”, sagte er Table.Briefings. “Und dass sie sich jetzt selbst amnestieren will, ist keine gute Idee.”
Im November war die Regierung zuletzt zu mehr Klimaschutz verurteilt worden. Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg hatte entschieden, dass die vorgelegten Sofortprogramme nicht ausreichend sind, um die Klimaziele im Verkehrs- und Gebäudesektor zu erreichen. Dagegen hatte der Bund Revision eingelegt. Die Frage der Union, welche Rechtsfehler die Regierung im Urteil sehe, ließ die Regierung unbeantwortet – was aus Heilmanns Sicht nahelegt, dass es bei der Revision primär darum ging, Zeit zu gewinnen, bis das Gesetz geändert ist.
Nach Ansicht der Kläger ist die Auswirkung der Gesetzesänderung noch offen. “Wir prüfen derzeit intensiv die Auswirkungen des neuen Klimaschutzgesetzes auf das Verfahren”, sagt der auf Umweltfragen spezialisierte Jurist Felix Ekardt, der den BUND in dem Verfahren vertreten hatte. Doch auch wenn die Revision durch die Gesetzesänderung tatsächlich hinfällig sein sollte, ist der juristische Streit um die Klimapolitik nach Einschätzung Ekardts keineswegs vorbei. “Ich halte das neue Klimaschutzgesetz wegen der unzureichenden Ziele für verfassungs- und völkerrechtswidrig”, sagte er Table.Media. Neue Klagen seien darum wahrscheinlich. Malte Kreutzfeldt
27 Prozent der EU-Bürger sehen im Klimaschutz das wichtigste Thema der Europawahlen 2024. Damit rutscht dieses vom zweiten auf den fünften Platz ab. Bei den vorigen Wahlen 2019 lagen die Umfragewerte noch bei 37 Prozent. In Deutschland war Klimaschutz damals mit 51 Prozent das wichtigste aller Themen, 2024 hingegen sank dieser Wert auf 26 Prozent.
Das aktuelle Eurobarometer des EU-Parlaments, für das 26.000 Menschen zwischen Februar und März befragt wurden, zeigt ein diffuses Bild: Kein Thema sticht heraus, insgesamt neun Themen liegen innerhalb von zehn Prozentpunkten, angeführt von Armutsbekämpfung mit 33 Prozent. Migration ist beispielsweise für 24 Prozent das wichtigste Wahlthema.
Mit Blick auf die Zukunft ist Verteidigung und Sicherheit mit 37 Prozent das wichtigste Thema, vor allem in Deutschland. Klimaschutz liegt EU-weit mit 24 Prozent auf dem fünften Platz – hinter Energiefragen, Ernährungssicherheit und Wirtschaftsthemen, die ebenso mit Klimathemen verbunden sind.
Auf die letzten 15 Jahre zurückblickend, sind sechs von zehn Befragten (61 Prozent) unzufrieden mit der EU-Klimapolitik. Jede dritte Person (33 Prozent) zeigte sich zufrieden, darunter vor allem Angestellte und Studierende (37 bzw. 36 Prozent). lb
Viele Staaten haben ihre auf der Kopenhagener Klimakonferenz (COP15 von 2009) versprochenen Klimaziele verfehlt. Das geht aus einer neuen Studie aus Nature Climate Change hervor. Die Autoren haben die Ziele von 34 Industrieländern (Annex-I-Staaten) untersucht:
Als wichtigsten Erfolgsfaktor benennt die Studie Verbesserungen bei der Energieintensität der Wirtschaften – also dem Energieeinsatz pro Einheit Wirtschaftsleistung. Acht der 15 erfolgreichen Staaten hätten ihre Emissionen primär durch Fortschritte bei der Energieintensität erreicht. Das Wirtschaftswachstum pro Kopf sei ein wichtiger Faktor für das Emissionswachstum in den Staaten, die ihre Ziele verfehlt haben. nib
Ob durch Ernteausfälle, Infrastrukturschäden oder eine geringere Arbeitsproduktivität: Durch den Klimawandel könnten im Jahr 2050 weltweit wirtschaftliche Schäden in Höhe von 38 Billionen US-Dollar entstehen, selbst wenn die Treibhausgasemissionen ab sofort drastisch sinken würden. Zu diesem Ergebnis kommen Forschende des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) in einer aktuellen Studie, die in der Fachzeitschrift Nature veröffentlicht wurde.
Im globalen Durchschnitt wären die Einkommen dann – mögliche Unsicherheiten mit eingerechnet – um etwa 19 Prozent niedriger. Besonders hoch wären die Einkommensverluste mit im Mittel 22 Prozent in Afrika und Südasien. In Nordamerika und Europa betrügen sie immer noch elf Prozent. Nur für Länder in der Nähe der Pole bringt die globale Erwärmung demnach Gewinne.
Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass es deutlich günstiger wäre, den Klimawandel zu bekämpfen, als die Verluste in Kauf zu nehmen. Die Kosten, um die globale Erwärmung auf zwei Grad zu begrenzen, betrügen etwa ein Sechstel der für das Jahr 2050 prognostizierten Schäden.
Die Schäden innerhalb der kommenden 25 Jahren seien “eine Folge unserer bisherigen Emissionen”, sagt PIK-Forscherin Leonie Wenz. “Wenn wir zumindest einige davon vermeiden wollen, brauchen wir mehr Anpassungsmaßnahmen. Zusätzlich müssen wir unsere CO₂-Emissionen drastisch und sofort reduzieren – andernfalls werden die wirtschaftlichen Verluste in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts noch höher sein und bis Ende des Jahrhunderts im globalen Durchschnitt bis zu 60 Prozent betragen.” ae
Die jüngste Hitzewelle in Westafrika und der Sahelregion, während der die Temperaturen auf über 45 Grad Celsius stiegen, wäre ohne den menschengemachten Klimawandel in dieser Form nicht möglich gewesen. Zu dem Schluss kommt eine schnelle Attributionsanalyse der Forschungsgruppe World Weather Attribution (WWA). Der Einfluss des Wetterphänomens El Niño auf die Hitze sei dagegen “nicht signifikant” gewesen.
Die höchsten Temperaturen in der Region wurden am 3. April 2024 mit 48,5 Grad in Mali gemessen. Durch den Klimawandel seien die Maximaltemperaturen tagsüber um 1,5 Grad höher gewesen als in einer hypothetischen Welt ohne globale Erwärmung, schreiben die Forschenden, und nachts in manchen Regionen sogar um zwei Grad höher. Weil es nicht ausreichend Daten gebe, sei es unmöglich, zu wissen, wie viele Menschen durch die Hitze gestorben seien. Dennoch geht WWA von “Hunderten oder möglicherweise Tausenden” Todesfällen im Zusammenhang mit der extremen Hitze aus.
Derzeit seien extreme Temperaturen wie in Mali und Burkina Faso, wo Menschen aufgrund der Hitze starben, nur etwa einmal alle 200 Jahre zu erwarten. Doch in einer Zwei-Grad-Welt würden ähnliche Ereignisse etwa zehnmal häufiger auftreten, schreiben die Forschenden.
Die extreme Dürre im südlichen Afrika dagegen wurde WWA zufolge vor allem durch das Wetterphänomen El Niño angetrieben – und nicht durch den Klimawandel. Regierungen in Simbabwe, Malawi und Sambia hatten zwischen Februar und Anfang April wegen Ernteausfällen, Hunger und Wasserknappheit den Notstand ausgerufen. Die WWA-Wissenschaftlerinnen und -Wissenschaftler warnen, dass es auch in künftigen El-Niño-Jahren zu Nahrungsknappheit in der Region kommen könne. Sie fordern die Staaten auf, sich besser auf die Gefahr vorzubereiten.
Für ihre schnellen Analysen nutzt WWA Wetterdaten und Klimamodelle. Die Forschenden vergleichen dabei die tatsächlich auftretenden Wetterphänomene mit Modellberechnungen, die eine hypothetische Welt ohne die globale Erwärmung zeigen. Dafür nutzen sie durch Peer-Reviews wissenschaftlich geprüfte Methoden. Bisher hat sich die durchschnittliche Temperatur der Erde schon um rund 1,2 Grad erwärmt. ae