die COP27 ist vorbei und auch Climate.Table ist wieder zurück im gewohnten Wochenrhythmus. Wir haben einmal kurz durchgeschnauft, die Koffer ausgepackt und uns gleich wieder an die Arbeit gemacht. Es gibt ja viel zu berichten.
Denn die COP endete ja nach schier endlosen Verhandlungen mit einem Durchbruch: Nach 30 Jahren harten Ringens beschlossen die Staaten einen Fonds zur Finanzierung von Klimaschäden, im UN-Jargon “Loss and Damage”. Die reichen Nationen machen einen wichtigen Schritt zu auf die verletzlichsten Staaten.
Wie sehr viele Länder des Globalen Südens Finanzhilfen brauchen, zeigt unser Gespräch mit Achim Steiner, dem Chef des UN-Entwicklungsprogramms: Über 50 Staaten stehen derzeit durch steigende Preise für Energie und Nahrungsmittel kurz vor dem Bankrott. Durch den Schuldendienst fehlt den Staaten das Geld für Energiewende und Klima-Anpassung. Steiner plädiert für einen Umbau des internationalen Finanzsystems und warnt davor, die Länder durch neue Kredite in immer größere Abhängigkeit zu treiben. Und der Chef der UNDP fordert auch, Übergewinne von fossilen Energie-Unternehmen abzuschöpfen.
Enttäuschend waren die COP-Ergebnisse allerdings bei der Emissionsminderung. Die Staaten konnten sich nicht zu höheren Ambitionen durchringen. Die Ukraine ist eines der wenigen Länder, denen man das derzeit verzeiht. Der russische Angriff hat große Teile der Energieinfrastruktur zerstört und die Milliarden-Investitionen in Erneuerbare der letzten Jahre zunichtegemacht, schreibt Komila Nabiyeva über die ukrainische Energiewende.
Aufmerksamen Lesern wird in unserer letzten COP-Ausgabe ein Fehler aufgefallen sein. In “Vier Klima-Aufgaben für 2023” hatten wir geschrieben, Indonesien habe im kommenden Jahr die G20-Präsidentschaft inne. Richtig ist natürlich Indien. Wir bitten, die Verwechslung zu entschuldigen. Indien könnte im nächsten Jahr als G20-Vorsitz ja eine ähnliche Partnerschaft mit den Industrieländern zum Kohle-Aus eingehen wie Indonesien 2022. Wir schauen da genau hin.
Viele neue Erkenntnisse bei der Lektüre!
Herr Steiner, Sie haben auf der COP27 auf ein brisantes Thema hingewiesen, das aber kaum debattiert wurde: Die enorme Verschuldung vieler Entwicklungsländer, die ihre Reaktionen auf die Klimakrise einschränkt. Wie schlimm ist die Situation?
Die Verschuldung vieler Länder hat sich dramatisch zugespitzt. Sie hat durch die Folgen der Corona-Krise begonnen. Der Anstieg von Energie- und Lebensmittelpreisen durch den Krieg Russlands in der Ukraine und nun auch noch der Anstieg der Zinsen auf den internationalen Finanzmärkten haben die Situation eskaliert. Unsere Daten aus dem letzten Weltentwicklungsbericht der UNDP sind klar: 54 Länder, vor allem in Afrika, befinden sich derzeit im Zustand des Debt Distress – sie stehen kurz davor, die Zins-Zahlungen oder sogar Tilgung ihrer Kredite nicht mehr leisten zu können. Der nächste Schritt ist die Zahlungsunfähigkeit.
Solche Krisen sollen Weltbank und IWF eigentlich verhindern.
Aber Weltbank und IWF konnten auf ihrer Herbsttagung aufgrund der geopolitischen Lage keine ausreichenden Maßnahmen treffen. Und auch die G20 sind vor allem durch den Ukraine-Krieg gelähmt. Es gibt derzeit keine Initiative, dieser Krise zu begegnen: Dutzende von Entwicklungsländern stehen kurz vor dem Zahlungsausfall. Die Aussicht auf eine globale Rezession macht das noch schwieriger.
Was hat diese Entwicklung mit dem Klimaschutz zu tun?
Wir verlangen von den Entwicklungsländern immer mehr Investitionen in den Klimaschutz und den Übergang zu einer klimaneutralen Wirtschaftsform. Gleichzeitig haben die Industrieländer ihr Versprechen nicht eingelöst, den armen Ländern jährlich 100 Milliarden Dollar zur Verfügung zu stellen. Jetzt sehen wir unter den Entwicklungsländern zunehmend Reflexe der Verzweiflung. Sie sagen: Ihr könnt nicht immer mehr von uns verlangen, wenn ihr eure eigenen Versprechen nicht einhaltet. Ihr schafft eure eigenen Emissionsziele nicht und verlangt von uns, immer schneller voranzugehen.
Wie wirkt sich die Situation auf die nachhaltige Entwicklung der Länder aus?
Das ist ein enormer Rückschlag. Unser UNDP-Weltentwicklungsbericht zeigt: Wir sind global auf den Stand von 2016 zurückgefallen, vor allem durch Covid. Und da ist die Entwicklung durch den Ukrainekrieg in diesem Jahr noch gar nicht berücksichtigt. Aber die Indikatoren 2022 für nachhaltige Entwicklung sind ganz klar: Wir sind eindeutig auf dem falschen Weg. Deshalb hat UN-Generalsekretär António Guterres auch ein Stimulus-Paket für Investitionen in die Nachhaltigkeitsziele der UN vorgeschlagen. Wir müssen einen Weg finden, die Schuldenkrise zu lösen und gleichzeitig die nötigen Investitionen für den Klimaschutz zu leisten.
Welche Folgen hätte es, wenn viele dieser Staaten bankrottgingen?
Politische Systeme können kollabieren, wenn der Staat nicht mehr für Nahrungsmittel oder Brennstoffe sorgen kann. Das haben wir gerade in Sri Lanka gesehen. Das kann sich sehr schnell in vielen Ländern ausbreiten. Aber die Auswirkungen solcher Entwicklungen können auf den Finanzmärkten zehn- bis zwanzigfache Verluste (der ursprünglichen Ausfälle, d. Red.) auslösen, wenn sich an den Börsen die Investoren zurückziehen. Das trifft dann selbst deutsche Sparer und Steuerzahler. Es ist wie in der Klimakrise: Besser jetzt eingreifen, als später eine sehr hohe Rechnung zu zahlen.
Wie spielt der Klimawandel in diese Krise hinein?
Die Handlungsspielräume der Staaten sind viel geringer geworden. In der Finanzkrise können die Länder ihre Klimaziele kaum erfüllen und sind noch anfälliger gegen Klimaschocks. Und der Ukrainekrieg scheidet die Geister. Die einen wollen zurück ins Zeitalter der Fossilen, die anderen noch schneller in die Erneuerbaren. Der Weg in die Erneuerbaren ist der richtige, aber wenn man sieht, wie unsere Emissionen für die Klimaziele bis 2030 sinken müssen, muss man sagen: Wir verlieren mindestens zwei, drei, vielleicht sogar fünf Jahre, die wir einfach nicht haben.
Die COP hat nun einen Hilfsfonds für Klimaschäden beschlossen. Reicht das aus?
Das ist eine historische Entscheidung und ein großer Schritt. Aber reicht er aus? Nein. Wir müssen das Finanzsystem umbauen, das hat auch der UN-Generalsekretär gefordert. Wir müssen auch über die internationalen Finanzorganisationen klären, wie diese Krise gemeinsam zu bewältigen ist. Nicht einmal Supermächte können diese Probleme allein lösen. Aber wenn sich die Mitglieder und Anteilseigner der Weltbank nicht einigen, können sie diese Probleme nicht angehen. Eine reformierte Weltbank könnte auf den Kapitalmärkten sehr viel, sehr dringend benötigtes Kapital für Entwicklung und Klimaschutz mobilisieren.
Es könnt die Lage aber auch verschlimmern, wenn die hoch verschuldeten Länder jetzt neue Kredite bekommen.
Das stimmt, wir können den Entwicklungsländern nicht einfach neue Kredite anbieten. Dadurch wird ihre Verschuldung ja nur noch größer. So ist das auch bei den versprochenen 100 Milliarden, das meiste davon sind Kredite, die die Verschuldung noch anheizen. Da ist bald ein Maximum erreicht. Es ist aber auch verzerrte Diskussion: Der globale Norden übersieht oft, dass die Entwicklungsländer schon heute hunderte von Milliarden ihrer eigenen finanziellen Mittel in Klimaschutz, Anpassung und Schadensbegrenzung investieren. Wenn Pakistan die Folgen der Flut bekämpft oder in Kenia Erneuerbare entstehen, dann sind das zum großen Teil ihre eigenen Mittel. Wir müssen von der falschen Vorstellung wegkommen, die einen geben Geld, und die anderen tun nichts und warten nur auf dieses Geld.
Sollten also nur noch Zuschüsse statt Kredite vergeben werden? Oder Schuldenschnitte, wie sie auch auf der COP gefordert wurden, etwa durch die “Bridgetown Agenda” von Mia Mottley, der Premierministerin von Barbados?
Diese Diskussion hat in Sharm el Sheikh begonnen, und das ist gut so. Aber sie reicht noch nicht aus und ist dringend. Spätestens bei Frühjahrstagung von Weltbank und IWF müssen wir da weiterkommen. Und ja, wir sollten die Idee von “Debt for Climate” viel stärker nutzen: Schulden abschreiben gegen höhere Investitionen der Entwicklungsländer in erneuerbare Energien oder Waldschutz.
Das wird teuer für die Länder, die die Kredite vergeben haben.
Es geht ja nicht nur um öffentliche Mittel. Aber mit ihnen müssen wir den Weg bereiten für private Investitionen in die erneuerbaren Energiesysteme für die nächsten 20 Jahre. Bisher fließt dieses Geld zum Beispiel an Afrika vorbei: 2021 gingen auf dem ganzen Kontinent 2,6 Milliarden Dollar in Erneuerbare – das sind 0,6 Prozent der weltweiten Erneuerbaren-Investitionen von 433 Milliarden. Und das auf einem Kontinent, wo 600 Millionen Menschen immer noch keinen Zugang zu Strom haben und demnächst 1,4 Milliarden Menschen ans Stromnetz angeschlossen werden sollen. Das ist fatal: Wenn wir diese Trends weiterlaufen lassen, dann zwingt man Afrika jetzt dazu, bei der Stromversorgung auf den fossilen Pfad zu setzen.
Viele der Länder haben hohe Schulden bei China. Auf der COP ist aber der Versuch gescheitert, auch China für die Finanzierung von Klimaschutz ins Boot zu holen. Was heißt das für die Schuldenproblematik?
Da muss man differenzieren: Der Großteil der Schulden der Entwicklungsländer liegt zum ersten Mal in der Geschichte bei privaten Kreditgebern. Bei den öffentlichen Gebern ist China in der Tat zum größten Kreditgeber geworden. Bisher weigern sich sowohl die privaten als auch die öffentlichen Kreditgeber, über Schuldenschnitte zu verhandeln. Aber das ändert sich gerade. Deshalb muss sich auch China stärker an der Lösung beteiligen. Aber auch bei den Finanzquellen muss man neu denken und abgestimmt vorgehen, etwa bei den exorbitanten Gewinnen der fossilen Konzerne in der momentanen Krise. Der Ölkonzern Saudi Aramco hat im letzten Quartal über 40 Milliarden Gewinn gemacht, die US-Konzerne für Öl und Gas 200 Milliarden. Und auch Norwegen nimmt in diesem Jahr aus seinen fossilen Exporten über 100 Milliarden mehr ein als geplant. Ein Teil dieser Zufallsgewinne sollten bei der Finanzierung von Klimaschutz eine wichtige Rolle spielen.
Kann es globalen Klimaschutz ohne eine globale Finanzreform geben?
Die Finanzierung für die nötigen Transformationen, die das Pariser Abkommen fordert, schaffen wir nicht auf den traditionellen Wegen. Es gibt zu wenig öffentliche Hilfe und der private Kapitalmarkt ist für viele arme Entwicklungsländer praktisch nicht zugänglich. So kommen wir nicht an die Finanzvolumen heran, die wir brauchen. Wir messen aber auch mit zweierlei Maß: Während der Pandemie haben die Industrieländer 16 Billionen Dollar für Konjunkturmaßnahmen mobilisiert. In der aktuellen Energiepreiskrise werden in Europa hunderte von Milliarden ausgegeben, um die Bürger abzusichern. Aber wie erklären wir es den armen Ländern, dass wir über den grünen Klimafonds und die Umweltfazilität im Jahr gerade mal zwei oder drei Milliarden Dollar als Zuschüsse mobilisieren? Das ist ein krasses Missverhältnis.
Hat die COP das begriffen? Vom Pariser Ziel, die großen Finanzflüsse Richtung Nachhaltigkeit umzulenken, war nicht viel zu hören.
Eine ernsthafte Debatte dazu hat auf der COP gefehlt. Deshalb habe ich immer darauf hingewiesen. Niemand widerspricht ja der Grundeinsicht. Aber es fehlt die Bereitschaft zum Handeln. Es gibt eine politische Lähmung in vielen Ländern, sich für internationale Belange so einzusetzen, wie es nötig ist, auch im Eigeninteresse dieser Staaten in einer globalisierten Wirtschafts- und Finanzwelt. Es gibt auf dieser Welt ein Kapital von insgesamt 430 Billionen Dollar. Davon müssten wir jährlich eine bis zwei Billionen für die Transformation mobilisieren. Das können wir leisten.
Achim Steiner leitet seit 2017 das UN-Entwicklungsprogramm. Der 61-Jährige blickt auf eine lange Karriere in internationalen Organisationen zurück. Zwischen 2006 und 2016 war er Exekutivdirektor des Umweltprogramms der UN (UNEP). Zuvor war er in hochrangigen Positionen in Kenia und Südafrika aktiv.
Vor dem Beginn der russischen Invasion hatte die Ukraine deutlich ambitioniertere Ziele in der Klimapolitik verkündet. Obwohl das Land von Climate Action Tracker (CAT) Ende 2021 immer noch als “höchst unzureichend” eingestuft wurde, bescheinigten die CAT-Analysten ihm auch “substanzielle Fortschritte”. Im Jahr 2021 hat die Ukraine:
Das NDC-Ziel der Ukraine war an die Bedingung geknüpft, Zugang zu internationalen Finanzmitteln zu erhalten Bereits 2021 schätzte die Regierung die Kosten für die Umsetzung des NDC auf 102 Milliarden Euro für den Zeitraum von 2020 bis 2030.
Unterdessen wachsen mit jedem Tag des Krieges die Schäden an der ukrainischen Wirtschaft, Energieinfrastruktur und Umwelt. Bis heute wurden fast 50 Prozent der gesamten Energieinfrastruktur in der Ukraine beschädigt, was zu regelmäßigen Stromausfällen und Engpässen in der Wasserversorgung im ganzen Land führt.
Als am 25. Oktober in Berlin eine internationale Konferenz über den Wiederaufbau der Ukraine begann, waren die Hoffnungen groß, dass neue Zusagen über dringend benötigte Mittel für den unmittelbaren Wiederaufbau und die Nachkriegszeit gemacht würden. Nach einer gemeinsamen Schätzung der Weltbank, der EU-Kommission und der ukrainischen Regierung von Anfang September belaufen sich die Kosten für den Wiederaufbau und die Erholung der Ukraine auf 349 Milliarden Euro. Auf der von der deutschen G7-Präsidentschaft und der Europäischen Kommission gemeinsam veranstalteten Konferenz schätzte der ukrainische Ministerpräsident Denys Smyhal die Summe bereits auf 700 Milliarden Euro.
Die Konferenz habe jedoch keine Klarheit über die langfristigen Pläne und die Finanzierung des Wiederaufbaus der Ukraine gebracht, sagte Jewhenija Zasiadko, Leiterin der Klimaabteilung der ukrainischen NGO Ecoaction. “Der Schwerpunkt lag auf dem kurzfristigen Bedarf. Wir haben auch keinen aktualisierten Entwurf des Wiederaufbauplans der Regierung gesehen.”
Der Krieg verschärft die bestehenden Hindernisse für den raschen Ausbau der erneuerbaren Energien. Laut einem Bericht des Renewable Energy Policy Network for the 21st Century (REN21) und der UN-Wirtschaftskommission für Europa (UNECE) aus dem Jahr 2022 hat die Ukraine zwischen 2017 und 2021 zwar 8,3 GW an neuen Solar- und Windkapazitäten installiert. Im Jahr 2019 belegte die Ukraine Platz 17 unter den 30 Ländern, die weltweit am meisten in erneuerbare Energien investieren, und im Jahr 2020 hat sie ihr Ziel von elf Prozent Anteil der erneuerbaren Energien an der Stromerzeugung, einschließlich großer Wasserkraft, mit 14 Prozent übererfüllt.
Das Wachstum wurde angetrieben durch äußerst lukrative grüne Stromtarife. Der größte Einzelinvestor DTEK – gleichzeitig das größte Kohleunternehmen, das von dem Oligarchen Rinat Achmetow kontrolliert wird – besitzt mehr als ein GW an Solar- und Windenergie-Anlagen.
Der anhaltende Krieg führte dann zur Stilllegung von 90 Prozent der Windkraft- und bis zu 50 Prozent der Solarkapazität, wobei die meisten Anlagen in den besetzten Gebieten oder im aktiven Kriegsgebiet stehen. Abgesehen von den physischen Schäden an den Anlagen habe der Krieg aber keine neuen Schwierigkeiten für den Sektor der erneuerbaren Energien mit sich gebracht, sondern die bestehenden Probleme eher vergrößert, sagte Kirill Trokhin, Leiter des Solarprojektentwicklers IPP.
Trokhin zufolge sind die größten Herausforderungen ein nicht liberalisierter Energiemarkt und subventionierte Stromtarife für Haushalte. Diese sind derzeit zwei- bis dreimal niedriger als die Tarife für die Industrie. Die Firmen müssen die Differenz teilweise ausgleichen.
Die Regierung war auch nicht auf das schnelle Wachstum der erneuerbaren Energien, einschließlich der Photovoltaik, vorbereitet, die von 742 MW im Jahr 2017 auf mehr als sieben GW bis Ende 2021 anstieg. Eine staatliche Einrichtung, die als “garantierter Käufer” den Strom aus erneuerbaren Energien zu garantierten Preisen abnimmt, machte deswegen hohe Schulden. Aufgrund des schnellen Wachstums des Sektors betrugen seine Schulden bei den Erzeugern schon vor dem Krieg bis zu 90 Prozent der Zahlungsverpflichtungen, sagt Trokhin.
“Die dunkle Zeit” für die erneuerbaren Energien habe schon im Jahr 2020 begonnen, sagte Oleksandr Kozakevich, Vorsitzender des ukrainischen Verbands für erneuerbare Energien (UARE). Damals verabschiedete die Regierung ein Gesetz zur rückwirkenden Kürzung der Tarife für Solar- und Windkraftanlagen. Die Strompreise wurden:
Die Regierung kündigte auch an, 2020 zu Auktionen überzugehen, aber der Termin wurde mehrmals verschoben. Infolge dieser Reform sanken die Investitionen in erneuerbare Energien im Jahr 2020 auf 1,4 Milliarden US-Dollar – von 4,1 Mrd. US-Dollar im Jahr 2019.
“Das Energieministerium sagte, dass es die Auktionsquoten für neue erneuerbare Energiekapazitäten erst nach dem Ende des Krieges bekannt geben wird. Derzeit gibt es also praktisch keine Rechtsvorschriften für die Entwicklung der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien im großen Maßstab”, sagte Olga Sukhopara, Entwicklungsdirektorin bei UARE.
Für ein weiteres Wachstum der erneuerbaren Energien, so Kirill Trokhin, müssen viele Herausforderungen angegangen werden, darunter:
“Wir haben keine andere Möglichkeit, energieunabhängig zu werden, als so viele erneuerbare Energien wie möglich einzusetzen”, so Kozakevich von UARE. Von Komila Nabiyeva
24. November, Berlin
Konferenz Deutsch-französisches Energieforum: EU-Energie- und Klimaziele für 2030
Am 24. November 2022 veranstaltet das Deutsch-französische Büro für die Energiewende, in Kooperation mit dem Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK), dem französischen Ministerium für den energetischen Wandel (MTE) und dem Auswärtigen Amt die fünfte Ausgabe des Deutsch-französischen Energieforums. Die Konferenz steht unter dem Motto “EU-Energie- und Klimaziele für 2030: Welcher Fahrplan für die Energiewende?” Infos
24. November, 14.30 Uhr, Berlin/online
Vorstellung und Diskussion The Global Energy Crisis and Pathways to Net-Zero – Insights from the World Energy Outlook 2022
Zusammen mit dem BMWK, dem AA und dem BDI diskutieren die Akteure den Energy Outlook 2022 unter dem Motto “The global energy crisis and pathways to net-zero”. Es geht dabei unter anderem um die Auswirkungen des Angriffskriegs von Russland auf die Ukraine sowie die Ergebnisse der COP27. Infos
24. November, 17 -19 Uhr, online
Diskussion Green Cities 2035: Wärmewende – Kommunale Lösungen für die europaweite Energiekrise?,
Vor dem Krieg in der Ukraine war die Wärmewende innerhalb der Energiewende eher vernachlässigt. Christian Maaß, Leiter der Abteilung Energiepolitik – Wärme und Effizienz im Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz, gibt einen Input, wie sie jetzt schnell und nachhaltig gelingen kann. Mit ihm zu dem Thema diskutieren Susanna Tausendfreund, Bürgermeisterin der Gemeinde Pullach, Philipp Hoicke, Dortmunder Energie- und Wasserversorgung GmbH (DEW21) und Felix Lüter, Unternehmensgruppe Nassauische Heimstätte/Wohnstadt, Geschäftsführender Vorstand, Initiative Wohnen.2050 e.V. Infos
24. November, 19 Uhr, Hamburg
Diskussion China: Klima-Pionier oder Klima-Sünder?
Beim Klimaschutz müssen EU und Deutschland mit China kooperieren. Über die Beziehungen mit einem Land, das Klima-Pionier und Klima-Sünder ist, diskutieren der Politiker Jürgen Trittin, die Journalistin Hongqiao Liu und Klimaaktivistin Annika Kruse. INFOS
25. November, Berlin
Thementag Europa im Wandel: Wo steht Deutschland?
EURACTIV will an diesem Tag verschiedene Themen diskutieren, die über Europas Zukunft entscheiden könnten. Eines davon ist “Zwischen Energieabhängigkeit und Energiewende: Wie kommen wir über den Winter?” Infos
27. November bis 1. Dezember, Beer-Sheva, Israel
Konferenz 8th International conference on deserts, drylands and desertification
Die Konferenz steht unter dem Motto “A global effort towards ecosystem restoration” und umfasst fünf Tage mit wissenschaftlichen und politischen Diskussionen und Workshops zu Themen wie: Erdbeobachtung, Ökologie, Wirtschaft, Ökosystemdienstleistungen, Bildung, Energie, Ernährung, Gesundheit, Gesellschaft und Wasser. INFOS
28. November bis 30. November, Apia, Samoa und online
Konferenz Pacific Small Island Developing States Solutions Forum
Unter dem Motto “Working together to leave no one behind” werden auf dem Forum länderspezifische und regionale Erfolge und Herausforderungen diskutiert. Außerdem werden nächste Schritte im Zusammenhang zur Verwirklichung des SAMOA-Wegs und der 2030-Agenda im Kontext von COVID-19 und der 5F-Krise (Nahrungsmittel, Treibstoff, Futtermittel, Dünger und Finanzierung) erläutert. INFOS
1. bis 3. Dezember, Bankok/Hybrid
Konferenz Water Security and Climate Change Conference
Die Water Security and Climate Change Conference ist eine Veranstaltung, auf der Wissenschaftler, Policy Maker und andere Akteure über den Zusammenhang zwischen Wassersicherheit und dem Klimawandel diskutieren. Dieses Jahr wird sie vom Asian Institut of Technology ausgerichtet. INFOS
Die EU-Kommission will in Kürze einen Vorschlag vorlegen, um Maßnahmen zur Kohlenstoffentnahme aus der Atmosphäre (“Carbon Removal”) zu zertifizieren. Dem Portal Euractiv liegt ein geleakter Entwurf des Vorschlags vor. Demzufolge sei die EU bei der Entnahme von CO2 aus der Atmosphäre “nicht auf dem richtigen Weg“, um die Netto-Null-Ziele zu erreichen. Die EU sieht dafür laut dem Entwurf “natürliche und industrielle Prozesse” vor, die sie in drei Kategorien unterteilt:
Laut Umweltgruppen haben die drei Wege nicht die gleiche Wirksamkeit und sollten in dem Kommissions-Vorschlag deutlicher getrennt werden. Andernfalls laufe die Kommission Gefahr, “minderwertige Entnahme-Maßnahmen zu zertifizieren und (…) die EU-Klima-Ziele zu unterlaufen”, zitiert Euractiv Wijnand Stoefs von der Umwelt-NGO Carbon Market Watch. Allerdings ist davon auszugehen, dass die Details in delegierten Rechtsakten geklärt werden und nicht schon im ersten EU-Vorschlag.
Laut Euractiv-Informationen kommen Maßnahmen zur Kohlenstoffentnahme für eine Zertifizierung infrage, wenn sie:
Die Kohlenstoffentnahme ist ein wichtiger Bestandteil der EU-Klimapolitik, da im Landwirtschafts- und Industriesektor selbst bei konsequenter Reduktion auch 2050 noch Restemissionen verursacht werden. Sie müssen durch CO2-Entnahme ausgeglichen werden. nib
Australien wird in Zukunft häufiger Extremwetter-Ereignisse und schnellere Veränderungen der Wettermuster erleben. Das geht aus einer Studie des Büros für Meteorologie und der nationalen Wissenschaftsagentur Commonwealth Scientific and Industrial Research Organisation (CSIRO) hervor, die am Mittwoch vorgestellt wurde.
Der Bericht stützt sich auf neue Klimadaten und Prognosen und zeigt eine Zunahme:
Die Temperatur in Australien habe sich seit 1910 im Durchschnitt um 1,47 Grad erwärmt, sagte Karl Braganza vom Büro für Meteorologie. “Wir erwarten, dass die Feuersaison im Süden und Osten des Landes in Zukunft länger dauert und die Zahl der gefährlichen Feuertage zunimmt”.
Im südlichen Australien hätten die Regenfälle zwischen April und Oktober in den letzten Jahrzehnten abgenommen; im Norden hingegen zugenommen. Starkregen, Dürren, Hitzewellen und Buschbrände haben schon heute “weitreichende Auswirkungen” auf die Landwirtschaft, sagte Michael Robertson vom CSIRO. nib
In Zukunft könnten die Hälfte aller Emissionen aus der Schifffahrt in EU-Gewässern unter den Europäischen Emissionshandel fallen. Das sieht ein Kompromissvorschlag vor, den EU-Parlament und Rat am Montag getroffen, aber noch nicht abgeschlossen haben. Es gebe “eine Vorstellung davon, was Schlüsselelemente sind”, betonte der Berichterstatter Peter Liese (EVP). Er zeigte sich daher zuversichtlich, dass dazu beim nächsten EU-Trilog am 29. November ein Text verabschiedet werden könnte. Die Einigung sieht vor, dass 50 Prozent der Schiffsrouten in die und aus der Europäischen Union unter den ETS fallen. Es ist ein Kompromiss seitens des Europäischen Parlaments, das einen hundertprozentigen Geltungsbereich wollte.
Würde die Emissionen der Schifffahrt im ETS angerechnet, hätte das sowohl klimatisch als auch finanziell große Auswirkungen: Nach Schätzungen von Schattenberichterstatter Michael Bloss (Grüne) geht es um einen Ausstoß von 90 Millionen Tonnen CO2 – mehr als der Ausstoß des gesamten Haushaltssektors in Deutschland im Jahr 2021. Würde diese Menge in den EU-ETS integriert, brächte dies Einnahmen in Höhe von sechs Milliarden Euro.
An einer anderen Stelle der ETS-Verhandlungen hakt es: Eine Ausweitung des CO2-Marktes auf Straßen und Gebäude scheitert momentan vor allem am Widerstand Warschaus. Am 18. November hatte Polen einen Brief an die europäischen Verhandlungsführer geschickt, in dem es vor den zusätzlichen Kosten warnte, die die Ausweitung des ETS mit sich bringen würde. “Wir sind weit von einer Einigung entfernt und ich kann nicht erkennen, wo sich die Landezonen in Wirklichkeit befinden”, sagte Peter Liese.
Neben dem Trilog am 29. November ist auch ein “Jumbo-Trilog” vom 16. bis 17. Dezember geplant, bei dem versucht werden soll, eine Einigung über den ETS, den CO2-Grenzmechanismus (CBAM) und den Klimasozialfonds zu erzielen; diese drei Texte des Klimapakets sind ineinander verzahnt. cst
Man erkennt Christoph Bals bei Klimakonferenzen nicht nur an seinem charakteristischen grauen Haar und dem grauen Bart – sondern vor allem daran, dass meist irgendwo in einer Ecke ein Schwarm von Zuhörern um ihn herumsteht. Der politische Geschäftsführer der deutschen Umwelt- und Entwicklungsorganisation Germanwatch hat wieder zwei sehr intensive Wochen hinter sich. Auch in Sharm el Sheikh hat Christoph Bals wie schon auf allen bisherigen Klimakonferenzen die Entwicklungen genau beobachtet. Er hat mit Abgeordneten und Aktivisten geredet, sich vor und hinter den Kulissen bewegt, einen kurzen Draht in die deutsche und andere Delegation gehalten – und nicht zuletzt Journalisten mit Hintergründen versorgt.
Bals ist eine Institution der deutschen und internationalen Klimaszene. Auf der COP27 hat er einen großen Fortschritt erlebt: den Fonds zur Finanzierung von Verlusten und Schäden durch den Klimawandel (Loss and Damage). Endlich, sagt der 62-jährige: “Bisher haben die Industriestaaten das immer abgeblockt.” Germanwatch setzt sich seit mehr als 30 Jahren für eine gerechte Klimapolitik ein.
Gleichzeitig kritisiert Bals auch, dass die Länder viel zu wenig tun, um die Klimakrise zu bekämpfen. Und er empört sich über die ägyptische Präsidentschaft der COP27, die mit autoritärem Stil die Verhandlungen geführt hat, die Zivilgesellschaft knebelt und UN-Regeln bricht.
Bals hat Volkswirtschaft und Theologie studiert, später Vorlesungen in Soziologie, Philosophie und Physik besucht. Mitte der 1980er Jahre belegt er ein Seminar beim Bonner Physikprofessor und IPCC-Mitglied Klaus Heinloth. Es geht um die größten Herausforderungen für das kommende Jahrhundert. Der globale Klimawandel ist eine davon. “Das hat mich beeindruckt”, sagt Bals. “Damals war es noch kaum Thema, gleichzeitig würde es in Zukunft so relevant werden.”
Nach dem Studium engagiert sich Bals im Global Challenges Network und gründet ein Journalistenbüro für Klimathemen. Seit den 1990er Jahren arbeitet er für Germanwatch, baut dort zuerst den Klimabereich auf, dann den für Sustainable Finance. Heute ist er unter anderem Beobachter des Sustainable Finance-Beirates der Bundesregierung und Mitglied im Sprecherrat der Klima-Allianz Deutschland.
Bals hat Germanwatch 1991 mitgegründet, ursprünglich aus Sorge vor einem neuen Nationalismus im vereinigten Deutschland. Die Organisation finanziert sich über Mitgliedsbeiträge, Projektmittel, Spenden und Zuwendungen der “Stiftung Zukunftsfähigkeit”. “Wir wollten der Regierung nach der deutschen Einheit auf die Finger schauen, dass sie als deutsche Regierung und Partner in der EU solidarische Politik auch im globalen Süden vorantreibt.”
Gerade in den ärmeren Staaten sei der Klimawandel von Anfang an ein zentrales Thema gewesen, sagt Bals. 1991 galt es, den Earth Summit in Rio de Janeiro vorzubereiten, auf dem die Vereinten Nationen zum ersten Mal Umwelt- und Entwicklungsthemen verhandelten. “Für uns ging es darum, wie sich Deutschland diplomatisch in Rio einsetzt und das Zugesagte zu Hause umsetzt”, sagt Bals.
Bals ist ein scharfer Beobachter, seine Analysen gehen weit über die augenblicklichen Verhandlungen hinaus. Das macht ihn zu einem beliebten Gesprächspartner: Er beschreibt die großen Zusammenhänge, etwa zwischen Klimakonferenzen, Privatwirtschaft, Geopolitik und den politischen Entwicklungen in den betreffenden Staaten. Und er ist häufig konstruktiv. Wer ab und zu nach Hoffnung im quälend langsamen COP-Prozess sucht, bekommt bei ihm neue Einsichten.
Bals schaut auch der eigenen Regierung genau auf die Finger. “Deutschland hatte immer eine ambivalente Rolle”, sagt Bals: in den internationalen Verhandlungen progressiv, zu Hause schwerfällig. Erst seit dem europäischen Green Deal und dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes zum Klimaschutzgesetz 2021 ändere sich etwas an der Schwerfälligkeit in Deutschland. Germanwatch war damals eine der Organisationen, die gegen die Klimapolitik der Bundesregierung geklagt hatten. Das damalige Urteil gilt als epochal und verlangt Nachbesserungen beim Klimaschutzgesetz, da es mit Grundrechten unvereinbar ist.
Während der deutschen G7-Präsidentschaft in diesem Jahr hat die Bundesregierung einen “Globalen Schutzschirm gegen Klimarisiken” gestartet. Bals kann sich vorstellen, dass sich eine Vorreitergruppe aus Industriestaaten findet, die in einen Fonds für “Loss and Damage” einzahlt. Denn anders als bei vergangenen Klimakonferenzen geht es nicht um ein Abkommen, dem zwingend alle zustimmen müssen. “Gott sei Dank sind wir nicht mehr in einem Forum, wo man für jeden Schritt in der Umsetzung einen Konsens braucht”, sagt Bals, “sonst sähe es noch schlechter aus.” Jana Hemmersmeier/bpo
die COP27 ist vorbei und auch Climate.Table ist wieder zurück im gewohnten Wochenrhythmus. Wir haben einmal kurz durchgeschnauft, die Koffer ausgepackt und uns gleich wieder an die Arbeit gemacht. Es gibt ja viel zu berichten.
Denn die COP endete ja nach schier endlosen Verhandlungen mit einem Durchbruch: Nach 30 Jahren harten Ringens beschlossen die Staaten einen Fonds zur Finanzierung von Klimaschäden, im UN-Jargon “Loss and Damage”. Die reichen Nationen machen einen wichtigen Schritt zu auf die verletzlichsten Staaten.
Wie sehr viele Länder des Globalen Südens Finanzhilfen brauchen, zeigt unser Gespräch mit Achim Steiner, dem Chef des UN-Entwicklungsprogramms: Über 50 Staaten stehen derzeit durch steigende Preise für Energie und Nahrungsmittel kurz vor dem Bankrott. Durch den Schuldendienst fehlt den Staaten das Geld für Energiewende und Klima-Anpassung. Steiner plädiert für einen Umbau des internationalen Finanzsystems und warnt davor, die Länder durch neue Kredite in immer größere Abhängigkeit zu treiben. Und der Chef der UNDP fordert auch, Übergewinne von fossilen Energie-Unternehmen abzuschöpfen.
Enttäuschend waren die COP-Ergebnisse allerdings bei der Emissionsminderung. Die Staaten konnten sich nicht zu höheren Ambitionen durchringen. Die Ukraine ist eines der wenigen Länder, denen man das derzeit verzeiht. Der russische Angriff hat große Teile der Energieinfrastruktur zerstört und die Milliarden-Investitionen in Erneuerbare der letzten Jahre zunichtegemacht, schreibt Komila Nabiyeva über die ukrainische Energiewende.
Aufmerksamen Lesern wird in unserer letzten COP-Ausgabe ein Fehler aufgefallen sein. In “Vier Klima-Aufgaben für 2023” hatten wir geschrieben, Indonesien habe im kommenden Jahr die G20-Präsidentschaft inne. Richtig ist natürlich Indien. Wir bitten, die Verwechslung zu entschuldigen. Indien könnte im nächsten Jahr als G20-Vorsitz ja eine ähnliche Partnerschaft mit den Industrieländern zum Kohle-Aus eingehen wie Indonesien 2022. Wir schauen da genau hin.
Viele neue Erkenntnisse bei der Lektüre!
Herr Steiner, Sie haben auf der COP27 auf ein brisantes Thema hingewiesen, das aber kaum debattiert wurde: Die enorme Verschuldung vieler Entwicklungsländer, die ihre Reaktionen auf die Klimakrise einschränkt. Wie schlimm ist die Situation?
Die Verschuldung vieler Länder hat sich dramatisch zugespitzt. Sie hat durch die Folgen der Corona-Krise begonnen. Der Anstieg von Energie- und Lebensmittelpreisen durch den Krieg Russlands in der Ukraine und nun auch noch der Anstieg der Zinsen auf den internationalen Finanzmärkten haben die Situation eskaliert. Unsere Daten aus dem letzten Weltentwicklungsbericht der UNDP sind klar: 54 Länder, vor allem in Afrika, befinden sich derzeit im Zustand des Debt Distress – sie stehen kurz davor, die Zins-Zahlungen oder sogar Tilgung ihrer Kredite nicht mehr leisten zu können. Der nächste Schritt ist die Zahlungsunfähigkeit.
Solche Krisen sollen Weltbank und IWF eigentlich verhindern.
Aber Weltbank und IWF konnten auf ihrer Herbsttagung aufgrund der geopolitischen Lage keine ausreichenden Maßnahmen treffen. Und auch die G20 sind vor allem durch den Ukraine-Krieg gelähmt. Es gibt derzeit keine Initiative, dieser Krise zu begegnen: Dutzende von Entwicklungsländern stehen kurz vor dem Zahlungsausfall. Die Aussicht auf eine globale Rezession macht das noch schwieriger.
Was hat diese Entwicklung mit dem Klimaschutz zu tun?
Wir verlangen von den Entwicklungsländern immer mehr Investitionen in den Klimaschutz und den Übergang zu einer klimaneutralen Wirtschaftsform. Gleichzeitig haben die Industrieländer ihr Versprechen nicht eingelöst, den armen Ländern jährlich 100 Milliarden Dollar zur Verfügung zu stellen. Jetzt sehen wir unter den Entwicklungsländern zunehmend Reflexe der Verzweiflung. Sie sagen: Ihr könnt nicht immer mehr von uns verlangen, wenn ihr eure eigenen Versprechen nicht einhaltet. Ihr schafft eure eigenen Emissionsziele nicht und verlangt von uns, immer schneller voranzugehen.
Wie wirkt sich die Situation auf die nachhaltige Entwicklung der Länder aus?
Das ist ein enormer Rückschlag. Unser UNDP-Weltentwicklungsbericht zeigt: Wir sind global auf den Stand von 2016 zurückgefallen, vor allem durch Covid. Und da ist die Entwicklung durch den Ukrainekrieg in diesem Jahr noch gar nicht berücksichtigt. Aber die Indikatoren 2022 für nachhaltige Entwicklung sind ganz klar: Wir sind eindeutig auf dem falschen Weg. Deshalb hat UN-Generalsekretär António Guterres auch ein Stimulus-Paket für Investitionen in die Nachhaltigkeitsziele der UN vorgeschlagen. Wir müssen einen Weg finden, die Schuldenkrise zu lösen und gleichzeitig die nötigen Investitionen für den Klimaschutz zu leisten.
Welche Folgen hätte es, wenn viele dieser Staaten bankrottgingen?
Politische Systeme können kollabieren, wenn der Staat nicht mehr für Nahrungsmittel oder Brennstoffe sorgen kann. Das haben wir gerade in Sri Lanka gesehen. Das kann sich sehr schnell in vielen Ländern ausbreiten. Aber die Auswirkungen solcher Entwicklungen können auf den Finanzmärkten zehn- bis zwanzigfache Verluste (der ursprünglichen Ausfälle, d. Red.) auslösen, wenn sich an den Börsen die Investoren zurückziehen. Das trifft dann selbst deutsche Sparer und Steuerzahler. Es ist wie in der Klimakrise: Besser jetzt eingreifen, als später eine sehr hohe Rechnung zu zahlen.
Wie spielt der Klimawandel in diese Krise hinein?
Die Handlungsspielräume der Staaten sind viel geringer geworden. In der Finanzkrise können die Länder ihre Klimaziele kaum erfüllen und sind noch anfälliger gegen Klimaschocks. Und der Ukrainekrieg scheidet die Geister. Die einen wollen zurück ins Zeitalter der Fossilen, die anderen noch schneller in die Erneuerbaren. Der Weg in die Erneuerbaren ist der richtige, aber wenn man sieht, wie unsere Emissionen für die Klimaziele bis 2030 sinken müssen, muss man sagen: Wir verlieren mindestens zwei, drei, vielleicht sogar fünf Jahre, die wir einfach nicht haben.
Die COP hat nun einen Hilfsfonds für Klimaschäden beschlossen. Reicht das aus?
Das ist eine historische Entscheidung und ein großer Schritt. Aber reicht er aus? Nein. Wir müssen das Finanzsystem umbauen, das hat auch der UN-Generalsekretär gefordert. Wir müssen auch über die internationalen Finanzorganisationen klären, wie diese Krise gemeinsam zu bewältigen ist. Nicht einmal Supermächte können diese Probleme allein lösen. Aber wenn sich die Mitglieder und Anteilseigner der Weltbank nicht einigen, können sie diese Probleme nicht angehen. Eine reformierte Weltbank könnte auf den Kapitalmärkten sehr viel, sehr dringend benötigtes Kapital für Entwicklung und Klimaschutz mobilisieren.
Es könnt die Lage aber auch verschlimmern, wenn die hoch verschuldeten Länder jetzt neue Kredite bekommen.
Das stimmt, wir können den Entwicklungsländern nicht einfach neue Kredite anbieten. Dadurch wird ihre Verschuldung ja nur noch größer. So ist das auch bei den versprochenen 100 Milliarden, das meiste davon sind Kredite, die die Verschuldung noch anheizen. Da ist bald ein Maximum erreicht. Es ist aber auch verzerrte Diskussion: Der globale Norden übersieht oft, dass die Entwicklungsländer schon heute hunderte von Milliarden ihrer eigenen finanziellen Mittel in Klimaschutz, Anpassung und Schadensbegrenzung investieren. Wenn Pakistan die Folgen der Flut bekämpft oder in Kenia Erneuerbare entstehen, dann sind das zum großen Teil ihre eigenen Mittel. Wir müssen von der falschen Vorstellung wegkommen, die einen geben Geld, und die anderen tun nichts und warten nur auf dieses Geld.
Sollten also nur noch Zuschüsse statt Kredite vergeben werden? Oder Schuldenschnitte, wie sie auch auf der COP gefordert wurden, etwa durch die “Bridgetown Agenda” von Mia Mottley, der Premierministerin von Barbados?
Diese Diskussion hat in Sharm el Sheikh begonnen, und das ist gut so. Aber sie reicht noch nicht aus und ist dringend. Spätestens bei Frühjahrstagung von Weltbank und IWF müssen wir da weiterkommen. Und ja, wir sollten die Idee von “Debt for Climate” viel stärker nutzen: Schulden abschreiben gegen höhere Investitionen der Entwicklungsländer in erneuerbare Energien oder Waldschutz.
Das wird teuer für die Länder, die die Kredite vergeben haben.
Es geht ja nicht nur um öffentliche Mittel. Aber mit ihnen müssen wir den Weg bereiten für private Investitionen in die erneuerbaren Energiesysteme für die nächsten 20 Jahre. Bisher fließt dieses Geld zum Beispiel an Afrika vorbei: 2021 gingen auf dem ganzen Kontinent 2,6 Milliarden Dollar in Erneuerbare – das sind 0,6 Prozent der weltweiten Erneuerbaren-Investitionen von 433 Milliarden. Und das auf einem Kontinent, wo 600 Millionen Menschen immer noch keinen Zugang zu Strom haben und demnächst 1,4 Milliarden Menschen ans Stromnetz angeschlossen werden sollen. Das ist fatal: Wenn wir diese Trends weiterlaufen lassen, dann zwingt man Afrika jetzt dazu, bei der Stromversorgung auf den fossilen Pfad zu setzen.
Viele der Länder haben hohe Schulden bei China. Auf der COP ist aber der Versuch gescheitert, auch China für die Finanzierung von Klimaschutz ins Boot zu holen. Was heißt das für die Schuldenproblematik?
Da muss man differenzieren: Der Großteil der Schulden der Entwicklungsländer liegt zum ersten Mal in der Geschichte bei privaten Kreditgebern. Bei den öffentlichen Gebern ist China in der Tat zum größten Kreditgeber geworden. Bisher weigern sich sowohl die privaten als auch die öffentlichen Kreditgeber, über Schuldenschnitte zu verhandeln. Aber das ändert sich gerade. Deshalb muss sich auch China stärker an der Lösung beteiligen. Aber auch bei den Finanzquellen muss man neu denken und abgestimmt vorgehen, etwa bei den exorbitanten Gewinnen der fossilen Konzerne in der momentanen Krise. Der Ölkonzern Saudi Aramco hat im letzten Quartal über 40 Milliarden Gewinn gemacht, die US-Konzerne für Öl und Gas 200 Milliarden. Und auch Norwegen nimmt in diesem Jahr aus seinen fossilen Exporten über 100 Milliarden mehr ein als geplant. Ein Teil dieser Zufallsgewinne sollten bei der Finanzierung von Klimaschutz eine wichtige Rolle spielen.
Kann es globalen Klimaschutz ohne eine globale Finanzreform geben?
Die Finanzierung für die nötigen Transformationen, die das Pariser Abkommen fordert, schaffen wir nicht auf den traditionellen Wegen. Es gibt zu wenig öffentliche Hilfe und der private Kapitalmarkt ist für viele arme Entwicklungsländer praktisch nicht zugänglich. So kommen wir nicht an die Finanzvolumen heran, die wir brauchen. Wir messen aber auch mit zweierlei Maß: Während der Pandemie haben die Industrieländer 16 Billionen Dollar für Konjunkturmaßnahmen mobilisiert. In der aktuellen Energiepreiskrise werden in Europa hunderte von Milliarden ausgegeben, um die Bürger abzusichern. Aber wie erklären wir es den armen Ländern, dass wir über den grünen Klimafonds und die Umweltfazilität im Jahr gerade mal zwei oder drei Milliarden Dollar als Zuschüsse mobilisieren? Das ist ein krasses Missverhältnis.
Hat die COP das begriffen? Vom Pariser Ziel, die großen Finanzflüsse Richtung Nachhaltigkeit umzulenken, war nicht viel zu hören.
Eine ernsthafte Debatte dazu hat auf der COP gefehlt. Deshalb habe ich immer darauf hingewiesen. Niemand widerspricht ja der Grundeinsicht. Aber es fehlt die Bereitschaft zum Handeln. Es gibt eine politische Lähmung in vielen Ländern, sich für internationale Belange so einzusetzen, wie es nötig ist, auch im Eigeninteresse dieser Staaten in einer globalisierten Wirtschafts- und Finanzwelt. Es gibt auf dieser Welt ein Kapital von insgesamt 430 Billionen Dollar. Davon müssten wir jährlich eine bis zwei Billionen für die Transformation mobilisieren. Das können wir leisten.
Achim Steiner leitet seit 2017 das UN-Entwicklungsprogramm. Der 61-Jährige blickt auf eine lange Karriere in internationalen Organisationen zurück. Zwischen 2006 und 2016 war er Exekutivdirektor des Umweltprogramms der UN (UNEP). Zuvor war er in hochrangigen Positionen in Kenia und Südafrika aktiv.
Vor dem Beginn der russischen Invasion hatte die Ukraine deutlich ambitioniertere Ziele in der Klimapolitik verkündet. Obwohl das Land von Climate Action Tracker (CAT) Ende 2021 immer noch als “höchst unzureichend” eingestuft wurde, bescheinigten die CAT-Analysten ihm auch “substanzielle Fortschritte”. Im Jahr 2021 hat die Ukraine:
Das NDC-Ziel der Ukraine war an die Bedingung geknüpft, Zugang zu internationalen Finanzmitteln zu erhalten Bereits 2021 schätzte die Regierung die Kosten für die Umsetzung des NDC auf 102 Milliarden Euro für den Zeitraum von 2020 bis 2030.
Unterdessen wachsen mit jedem Tag des Krieges die Schäden an der ukrainischen Wirtschaft, Energieinfrastruktur und Umwelt. Bis heute wurden fast 50 Prozent der gesamten Energieinfrastruktur in der Ukraine beschädigt, was zu regelmäßigen Stromausfällen und Engpässen in der Wasserversorgung im ganzen Land führt.
Als am 25. Oktober in Berlin eine internationale Konferenz über den Wiederaufbau der Ukraine begann, waren die Hoffnungen groß, dass neue Zusagen über dringend benötigte Mittel für den unmittelbaren Wiederaufbau und die Nachkriegszeit gemacht würden. Nach einer gemeinsamen Schätzung der Weltbank, der EU-Kommission und der ukrainischen Regierung von Anfang September belaufen sich die Kosten für den Wiederaufbau und die Erholung der Ukraine auf 349 Milliarden Euro. Auf der von der deutschen G7-Präsidentschaft und der Europäischen Kommission gemeinsam veranstalteten Konferenz schätzte der ukrainische Ministerpräsident Denys Smyhal die Summe bereits auf 700 Milliarden Euro.
Die Konferenz habe jedoch keine Klarheit über die langfristigen Pläne und die Finanzierung des Wiederaufbaus der Ukraine gebracht, sagte Jewhenija Zasiadko, Leiterin der Klimaabteilung der ukrainischen NGO Ecoaction. “Der Schwerpunkt lag auf dem kurzfristigen Bedarf. Wir haben auch keinen aktualisierten Entwurf des Wiederaufbauplans der Regierung gesehen.”
Der Krieg verschärft die bestehenden Hindernisse für den raschen Ausbau der erneuerbaren Energien. Laut einem Bericht des Renewable Energy Policy Network for the 21st Century (REN21) und der UN-Wirtschaftskommission für Europa (UNECE) aus dem Jahr 2022 hat die Ukraine zwischen 2017 und 2021 zwar 8,3 GW an neuen Solar- und Windkapazitäten installiert. Im Jahr 2019 belegte die Ukraine Platz 17 unter den 30 Ländern, die weltweit am meisten in erneuerbare Energien investieren, und im Jahr 2020 hat sie ihr Ziel von elf Prozent Anteil der erneuerbaren Energien an der Stromerzeugung, einschließlich großer Wasserkraft, mit 14 Prozent übererfüllt.
Das Wachstum wurde angetrieben durch äußerst lukrative grüne Stromtarife. Der größte Einzelinvestor DTEK – gleichzeitig das größte Kohleunternehmen, das von dem Oligarchen Rinat Achmetow kontrolliert wird – besitzt mehr als ein GW an Solar- und Windenergie-Anlagen.
Der anhaltende Krieg führte dann zur Stilllegung von 90 Prozent der Windkraft- und bis zu 50 Prozent der Solarkapazität, wobei die meisten Anlagen in den besetzten Gebieten oder im aktiven Kriegsgebiet stehen. Abgesehen von den physischen Schäden an den Anlagen habe der Krieg aber keine neuen Schwierigkeiten für den Sektor der erneuerbaren Energien mit sich gebracht, sondern die bestehenden Probleme eher vergrößert, sagte Kirill Trokhin, Leiter des Solarprojektentwicklers IPP.
Trokhin zufolge sind die größten Herausforderungen ein nicht liberalisierter Energiemarkt und subventionierte Stromtarife für Haushalte. Diese sind derzeit zwei- bis dreimal niedriger als die Tarife für die Industrie. Die Firmen müssen die Differenz teilweise ausgleichen.
Die Regierung war auch nicht auf das schnelle Wachstum der erneuerbaren Energien, einschließlich der Photovoltaik, vorbereitet, die von 742 MW im Jahr 2017 auf mehr als sieben GW bis Ende 2021 anstieg. Eine staatliche Einrichtung, die als “garantierter Käufer” den Strom aus erneuerbaren Energien zu garantierten Preisen abnimmt, machte deswegen hohe Schulden. Aufgrund des schnellen Wachstums des Sektors betrugen seine Schulden bei den Erzeugern schon vor dem Krieg bis zu 90 Prozent der Zahlungsverpflichtungen, sagt Trokhin.
“Die dunkle Zeit” für die erneuerbaren Energien habe schon im Jahr 2020 begonnen, sagte Oleksandr Kozakevich, Vorsitzender des ukrainischen Verbands für erneuerbare Energien (UARE). Damals verabschiedete die Regierung ein Gesetz zur rückwirkenden Kürzung der Tarife für Solar- und Windkraftanlagen. Die Strompreise wurden:
Die Regierung kündigte auch an, 2020 zu Auktionen überzugehen, aber der Termin wurde mehrmals verschoben. Infolge dieser Reform sanken die Investitionen in erneuerbare Energien im Jahr 2020 auf 1,4 Milliarden US-Dollar – von 4,1 Mrd. US-Dollar im Jahr 2019.
“Das Energieministerium sagte, dass es die Auktionsquoten für neue erneuerbare Energiekapazitäten erst nach dem Ende des Krieges bekannt geben wird. Derzeit gibt es also praktisch keine Rechtsvorschriften für die Entwicklung der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien im großen Maßstab”, sagte Olga Sukhopara, Entwicklungsdirektorin bei UARE.
Für ein weiteres Wachstum der erneuerbaren Energien, so Kirill Trokhin, müssen viele Herausforderungen angegangen werden, darunter:
“Wir haben keine andere Möglichkeit, energieunabhängig zu werden, als so viele erneuerbare Energien wie möglich einzusetzen”, so Kozakevich von UARE. Von Komila Nabiyeva
24. November, Berlin
Konferenz Deutsch-französisches Energieforum: EU-Energie- und Klimaziele für 2030
Am 24. November 2022 veranstaltet das Deutsch-französische Büro für die Energiewende, in Kooperation mit dem Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK), dem französischen Ministerium für den energetischen Wandel (MTE) und dem Auswärtigen Amt die fünfte Ausgabe des Deutsch-französischen Energieforums. Die Konferenz steht unter dem Motto “EU-Energie- und Klimaziele für 2030: Welcher Fahrplan für die Energiewende?” Infos
24. November, 14.30 Uhr, Berlin/online
Vorstellung und Diskussion The Global Energy Crisis and Pathways to Net-Zero – Insights from the World Energy Outlook 2022
Zusammen mit dem BMWK, dem AA und dem BDI diskutieren die Akteure den Energy Outlook 2022 unter dem Motto “The global energy crisis and pathways to net-zero”. Es geht dabei unter anderem um die Auswirkungen des Angriffskriegs von Russland auf die Ukraine sowie die Ergebnisse der COP27. Infos
24. November, 17 -19 Uhr, online
Diskussion Green Cities 2035: Wärmewende – Kommunale Lösungen für die europaweite Energiekrise?,
Vor dem Krieg in der Ukraine war die Wärmewende innerhalb der Energiewende eher vernachlässigt. Christian Maaß, Leiter der Abteilung Energiepolitik – Wärme und Effizienz im Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz, gibt einen Input, wie sie jetzt schnell und nachhaltig gelingen kann. Mit ihm zu dem Thema diskutieren Susanna Tausendfreund, Bürgermeisterin der Gemeinde Pullach, Philipp Hoicke, Dortmunder Energie- und Wasserversorgung GmbH (DEW21) und Felix Lüter, Unternehmensgruppe Nassauische Heimstätte/Wohnstadt, Geschäftsführender Vorstand, Initiative Wohnen.2050 e.V. Infos
24. November, 19 Uhr, Hamburg
Diskussion China: Klima-Pionier oder Klima-Sünder?
Beim Klimaschutz müssen EU und Deutschland mit China kooperieren. Über die Beziehungen mit einem Land, das Klima-Pionier und Klima-Sünder ist, diskutieren der Politiker Jürgen Trittin, die Journalistin Hongqiao Liu und Klimaaktivistin Annika Kruse. INFOS
25. November, Berlin
Thementag Europa im Wandel: Wo steht Deutschland?
EURACTIV will an diesem Tag verschiedene Themen diskutieren, die über Europas Zukunft entscheiden könnten. Eines davon ist “Zwischen Energieabhängigkeit und Energiewende: Wie kommen wir über den Winter?” Infos
27. November bis 1. Dezember, Beer-Sheva, Israel
Konferenz 8th International conference on deserts, drylands and desertification
Die Konferenz steht unter dem Motto “A global effort towards ecosystem restoration” und umfasst fünf Tage mit wissenschaftlichen und politischen Diskussionen und Workshops zu Themen wie: Erdbeobachtung, Ökologie, Wirtschaft, Ökosystemdienstleistungen, Bildung, Energie, Ernährung, Gesundheit, Gesellschaft und Wasser. INFOS
28. November bis 30. November, Apia, Samoa und online
Konferenz Pacific Small Island Developing States Solutions Forum
Unter dem Motto “Working together to leave no one behind” werden auf dem Forum länderspezifische und regionale Erfolge und Herausforderungen diskutiert. Außerdem werden nächste Schritte im Zusammenhang zur Verwirklichung des SAMOA-Wegs und der 2030-Agenda im Kontext von COVID-19 und der 5F-Krise (Nahrungsmittel, Treibstoff, Futtermittel, Dünger und Finanzierung) erläutert. INFOS
1. bis 3. Dezember, Bankok/Hybrid
Konferenz Water Security and Climate Change Conference
Die Water Security and Climate Change Conference ist eine Veranstaltung, auf der Wissenschaftler, Policy Maker und andere Akteure über den Zusammenhang zwischen Wassersicherheit und dem Klimawandel diskutieren. Dieses Jahr wird sie vom Asian Institut of Technology ausgerichtet. INFOS
Die EU-Kommission will in Kürze einen Vorschlag vorlegen, um Maßnahmen zur Kohlenstoffentnahme aus der Atmosphäre (“Carbon Removal”) zu zertifizieren. Dem Portal Euractiv liegt ein geleakter Entwurf des Vorschlags vor. Demzufolge sei die EU bei der Entnahme von CO2 aus der Atmosphäre “nicht auf dem richtigen Weg“, um die Netto-Null-Ziele zu erreichen. Die EU sieht dafür laut dem Entwurf “natürliche und industrielle Prozesse” vor, die sie in drei Kategorien unterteilt:
Laut Umweltgruppen haben die drei Wege nicht die gleiche Wirksamkeit und sollten in dem Kommissions-Vorschlag deutlicher getrennt werden. Andernfalls laufe die Kommission Gefahr, “minderwertige Entnahme-Maßnahmen zu zertifizieren und (…) die EU-Klima-Ziele zu unterlaufen”, zitiert Euractiv Wijnand Stoefs von der Umwelt-NGO Carbon Market Watch. Allerdings ist davon auszugehen, dass die Details in delegierten Rechtsakten geklärt werden und nicht schon im ersten EU-Vorschlag.
Laut Euractiv-Informationen kommen Maßnahmen zur Kohlenstoffentnahme für eine Zertifizierung infrage, wenn sie:
Die Kohlenstoffentnahme ist ein wichtiger Bestandteil der EU-Klimapolitik, da im Landwirtschafts- und Industriesektor selbst bei konsequenter Reduktion auch 2050 noch Restemissionen verursacht werden. Sie müssen durch CO2-Entnahme ausgeglichen werden. nib
Australien wird in Zukunft häufiger Extremwetter-Ereignisse und schnellere Veränderungen der Wettermuster erleben. Das geht aus einer Studie des Büros für Meteorologie und der nationalen Wissenschaftsagentur Commonwealth Scientific and Industrial Research Organisation (CSIRO) hervor, die am Mittwoch vorgestellt wurde.
Der Bericht stützt sich auf neue Klimadaten und Prognosen und zeigt eine Zunahme:
Die Temperatur in Australien habe sich seit 1910 im Durchschnitt um 1,47 Grad erwärmt, sagte Karl Braganza vom Büro für Meteorologie. “Wir erwarten, dass die Feuersaison im Süden und Osten des Landes in Zukunft länger dauert und die Zahl der gefährlichen Feuertage zunimmt”.
Im südlichen Australien hätten die Regenfälle zwischen April und Oktober in den letzten Jahrzehnten abgenommen; im Norden hingegen zugenommen. Starkregen, Dürren, Hitzewellen und Buschbrände haben schon heute “weitreichende Auswirkungen” auf die Landwirtschaft, sagte Michael Robertson vom CSIRO. nib
In Zukunft könnten die Hälfte aller Emissionen aus der Schifffahrt in EU-Gewässern unter den Europäischen Emissionshandel fallen. Das sieht ein Kompromissvorschlag vor, den EU-Parlament und Rat am Montag getroffen, aber noch nicht abgeschlossen haben. Es gebe “eine Vorstellung davon, was Schlüsselelemente sind”, betonte der Berichterstatter Peter Liese (EVP). Er zeigte sich daher zuversichtlich, dass dazu beim nächsten EU-Trilog am 29. November ein Text verabschiedet werden könnte. Die Einigung sieht vor, dass 50 Prozent der Schiffsrouten in die und aus der Europäischen Union unter den ETS fallen. Es ist ein Kompromiss seitens des Europäischen Parlaments, das einen hundertprozentigen Geltungsbereich wollte.
Würde die Emissionen der Schifffahrt im ETS angerechnet, hätte das sowohl klimatisch als auch finanziell große Auswirkungen: Nach Schätzungen von Schattenberichterstatter Michael Bloss (Grüne) geht es um einen Ausstoß von 90 Millionen Tonnen CO2 – mehr als der Ausstoß des gesamten Haushaltssektors in Deutschland im Jahr 2021. Würde diese Menge in den EU-ETS integriert, brächte dies Einnahmen in Höhe von sechs Milliarden Euro.
An einer anderen Stelle der ETS-Verhandlungen hakt es: Eine Ausweitung des CO2-Marktes auf Straßen und Gebäude scheitert momentan vor allem am Widerstand Warschaus. Am 18. November hatte Polen einen Brief an die europäischen Verhandlungsführer geschickt, in dem es vor den zusätzlichen Kosten warnte, die die Ausweitung des ETS mit sich bringen würde. “Wir sind weit von einer Einigung entfernt und ich kann nicht erkennen, wo sich die Landezonen in Wirklichkeit befinden”, sagte Peter Liese.
Neben dem Trilog am 29. November ist auch ein “Jumbo-Trilog” vom 16. bis 17. Dezember geplant, bei dem versucht werden soll, eine Einigung über den ETS, den CO2-Grenzmechanismus (CBAM) und den Klimasozialfonds zu erzielen; diese drei Texte des Klimapakets sind ineinander verzahnt. cst
Man erkennt Christoph Bals bei Klimakonferenzen nicht nur an seinem charakteristischen grauen Haar und dem grauen Bart – sondern vor allem daran, dass meist irgendwo in einer Ecke ein Schwarm von Zuhörern um ihn herumsteht. Der politische Geschäftsführer der deutschen Umwelt- und Entwicklungsorganisation Germanwatch hat wieder zwei sehr intensive Wochen hinter sich. Auch in Sharm el Sheikh hat Christoph Bals wie schon auf allen bisherigen Klimakonferenzen die Entwicklungen genau beobachtet. Er hat mit Abgeordneten und Aktivisten geredet, sich vor und hinter den Kulissen bewegt, einen kurzen Draht in die deutsche und andere Delegation gehalten – und nicht zuletzt Journalisten mit Hintergründen versorgt.
Bals ist eine Institution der deutschen und internationalen Klimaszene. Auf der COP27 hat er einen großen Fortschritt erlebt: den Fonds zur Finanzierung von Verlusten und Schäden durch den Klimawandel (Loss and Damage). Endlich, sagt der 62-jährige: “Bisher haben die Industriestaaten das immer abgeblockt.” Germanwatch setzt sich seit mehr als 30 Jahren für eine gerechte Klimapolitik ein.
Gleichzeitig kritisiert Bals auch, dass die Länder viel zu wenig tun, um die Klimakrise zu bekämpfen. Und er empört sich über die ägyptische Präsidentschaft der COP27, die mit autoritärem Stil die Verhandlungen geführt hat, die Zivilgesellschaft knebelt und UN-Regeln bricht.
Bals hat Volkswirtschaft und Theologie studiert, später Vorlesungen in Soziologie, Philosophie und Physik besucht. Mitte der 1980er Jahre belegt er ein Seminar beim Bonner Physikprofessor und IPCC-Mitglied Klaus Heinloth. Es geht um die größten Herausforderungen für das kommende Jahrhundert. Der globale Klimawandel ist eine davon. “Das hat mich beeindruckt”, sagt Bals. “Damals war es noch kaum Thema, gleichzeitig würde es in Zukunft so relevant werden.”
Nach dem Studium engagiert sich Bals im Global Challenges Network und gründet ein Journalistenbüro für Klimathemen. Seit den 1990er Jahren arbeitet er für Germanwatch, baut dort zuerst den Klimabereich auf, dann den für Sustainable Finance. Heute ist er unter anderem Beobachter des Sustainable Finance-Beirates der Bundesregierung und Mitglied im Sprecherrat der Klima-Allianz Deutschland.
Bals hat Germanwatch 1991 mitgegründet, ursprünglich aus Sorge vor einem neuen Nationalismus im vereinigten Deutschland. Die Organisation finanziert sich über Mitgliedsbeiträge, Projektmittel, Spenden und Zuwendungen der “Stiftung Zukunftsfähigkeit”. “Wir wollten der Regierung nach der deutschen Einheit auf die Finger schauen, dass sie als deutsche Regierung und Partner in der EU solidarische Politik auch im globalen Süden vorantreibt.”
Gerade in den ärmeren Staaten sei der Klimawandel von Anfang an ein zentrales Thema gewesen, sagt Bals. 1991 galt es, den Earth Summit in Rio de Janeiro vorzubereiten, auf dem die Vereinten Nationen zum ersten Mal Umwelt- und Entwicklungsthemen verhandelten. “Für uns ging es darum, wie sich Deutschland diplomatisch in Rio einsetzt und das Zugesagte zu Hause umsetzt”, sagt Bals.
Bals ist ein scharfer Beobachter, seine Analysen gehen weit über die augenblicklichen Verhandlungen hinaus. Das macht ihn zu einem beliebten Gesprächspartner: Er beschreibt die großen Zusammenhänge, etwa zwischen Klimakonferenzen, Privatwirtschaft, Geopolitik und den politischen Entwicklungen in den betreffenden Staaten. Und er ist häufig konstruktiv. Wer ab und zu nach Hoffnung im quälend langsamen COP-Prozess sucht, bekommt bei ihm neue Einsichten.
Bals schaut auch der eigenen Regierung genau auf die Finger. “Deutschland hatte immer eine ambivalente Rolle”, sagt Bals: in den internationalen Verhandlungen progressiv, zu Hause schwerfällig. Erst seit dem europäischen Green Deal und dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes zum Klimaschutzgesetz 2021 ändere sich etwas an der Schwerfälligkeit in Deutschland. Germanwatch war damals eine der Organisationen, die gegen die Klimapolitik der Bundesregierung geklagt hatten. Das damalige Urteil gilt als epochal und verlangt Nachbesserungen beim Klimaschutzgesetz, da es mit Grundrechten unvereinbar ist.
Während der deutschen G7-Präsidentschaft in diesem Jahr hat die Bundesregierung einen “Globalen Schutzschirm gegen Klimarisiken” gestartet. Bals kann sich vorstellen, dass sich eine Vorreitergruppe aus Industriestaaten findet, die in einen Fonds für “Loss and Damage” einzahlt. Denn anders als bei vergangenen Klimakonferenzen geht es nicht um ein Abkommen, dem zwingend alle zustimmen müssen. “Gott sei Dank sind wir nicht mehr in einem Forum, wo man für jeden Schritt in der Umsetzung einen Konsens braucht”, sagt Bals, “sonst sähe es noch schlechter aus.” Jana Hemmersmeier/bpo