Table.Briefing: Climate

SBTI: Greenwash-Alarm bei Carbon Credits + Methan: Jagd auf die Verschmutzer + Hitze: Heißes Pflaster, cooles Grün

Liebe Leserin, lieber Leser,

es ist Hochsommer und deshalb HEISS. Das ist auch in Ordnung so – wir wollen darüber gar nicht meckern. Aber WIE heiß es wird, und welche Folgen das für uns hat, hängt eben auch von unserem Verhalten ab. Deshalb schreiben wir heute über eine Studie, die zeigt, welche Städte sich in Deutschland besonders schnell aufheizen, und dass das auch daran liegt, wie viel Beton und wie wenig Grün diese Orte haben. Ebenso beleuchten wir, wie sehr die Klimakrise zur Hitzewelle am Mittelmeer beigetragen hat.

Was die Erderhitzung antreibt, und was sie bremsen soll – das ist das tägliche Brot unserer Berichterstattung. So analysieren wir heute unter anderem den Streit bei jener Rating-Stelle, die eigentlich Standards für Unternehmen setzen soll, die klimaneutral werden wollen – und über ihre Gratwanderung zwischen Greenwashing und Mitgliederinteressen. Wir berichten über neue Satelliten, die endlich der heimlichen Methan-Verschmutzung aus der Gasindustrie zu Leibe rücken. Und wir machen ein paar dicke Fragezeichen an die Methoden, mit denen der “Erdüberlastungstag” am 1. August kalkuliert wird.

Bleiben Sie cool und freuen Sie sich auf die Lektüre

Ihr
Bernhard Pötter
Bild von Bernhard  Pötter

Analyse

“Erdüberlastungstag”: Eine Statistik, die viele Fragen aufwirft

Beim Fischbedarf zeigt die Statistik riesige Unterschiede zwischen verschiedenen Ländern

Es ist eine Meldung, die in jedem Jahr zweimal verlässlich durch die Medien läuft: Der sogenannte Erdüberlastungstag oder “Earth Overshoot Day”, an dem nach Angaben der Initiatoren vom Global Footprint Network die natürlichen Ressourcen aufgebraucht sind, die innerhalb eines Jahres regeneriert werden können. Bezogen auf Deutschland lag dieser zuletzt Anfang Mai, global betrachtet fällt er in diesem Jahr auf den 1. August. Rechnerisch folgt daraus, dass global gesehen 1,7 Erden benötigt würden, um den Bedarf an natürlichen Ressourcen zu decken; würde die ganze Welt so leben wie Deutschland, wären es den Angaben zufolge knapp drei Erden.

Doch trotz der breiten Berichterstattung über diese Zahlen ist über die Hintergründe und Berechnungen, die ihnen zugrunde liegen, vergleichsweise wenig bekannt. Und bei genauer Analyse zeigt die Berechnungsmethode Schwächen:

  • Oft ist in der allgemeinen Öffentlichkeit unklar, um welche Rohstoffe es bei der Berechnung geht.
  • Die Angaben enthalten nicht nur Aussagen über realen Ressourcenverbrauch, sondern auch theoretische Umrechnungen der für den Klimaschutz nötigten CO₂-Senken auf die landwirtschaftlich genutzte Fläche.
  • Daten vor allem aus kleinen Staaten sind oft unzuverlässig und lückenhaft.
  • Die Angaben sind über Jahre zeitverzögert und bilden aktuelle Entwicklungen darum nicht ab.

Was genau misst der Überlastungstag?

Oft wird nicht verstanden, was genau der Erdüberlastungstag eigentlich misst. So erklärte die NGO Powershift zum diesjährigen deutschen Überlastungstag: “Rohstoffreduktion, insbesondere im Bereich metallischer Rohstoffe, kann eine entscheidende Rolle dabei spielen, die Überlastung der Erde durch die deutsche Industrie zu reduzieren und den Earth Overshoot Day nach hinten zu verschieben.” Auch die Deutsche Umwelthilfe forderte aus Anlass des Tages im vergangenen Jahr “spezifische Vorgaben für Primärrohstoffe wie Öl, Gas, Metalle oder Mineralien wie Sand und Kies”.

Doch um mineralische oder metallische Rohstoffe geht es beim Erdüberlastungstag überhaupt nicht; er betrachtet ausschließlich “natürliche Ressourcen”, zu denen das Global Footprint Network pflanzliche Lebensmittel, Weidefläche, Holz und Fische zählt. Nur für diese wird gegenübergestellt, wie viel pro Jahr verbraucht und wie viel von der Natur nachproduziert wird.

Doch interessanterweise ist es gar nicht der tatsächliche Verbrauch dieser natürlichen Ressourcen, der dazu führt, dass sie der Berechnung zufolge massiv übernutzt werden. Die detaillierten Daten des Global Footprint Network, die hier für die Welt sowie alle einzelnen Länder zu finden sind, zeigen, dass von den 1,7 Erden, die global gesehen angeblich notwendig sind, nur rund 0,65 Erden für Weiden, Wälder, Ackerflächen und Fischereigründe benötigt werden, um den Bedarf zu decken.

Flächenverbrauch für theoretische CO₂-Speicherung

Der größte Teil des angegebenen Bedarfs entfällt mit mehr als einer rechnerischen Erde auf das CO₂, das durch das Verbrennen von Kohle, Öl und Gas entsteht. Denn das Global Footprint Network bezieht in seine Berechnung der natürlichen Ressourcen ein, wie viel Fläche theoretisch aufgeforstet werden müsste, um dieses CO₂ wieder zu binden. Weil die dafür benötigten Flächen dann nicht zur Produktion von Lebensmitteln oder Holz zur Verfügung stünden, entsteht das große Defizit.

Faktisch ist der “Erdüberlastungstag” damit eher ein Indikator für die weiterhin hohen Treibhausgas-Emissionen als für den realen Verbrauch natürlicher Rohstoffe. Im Ländervergleich des Global Footprint Network stehen dementsprechend jene Länder weit vorn beim Ressourcenbedarf pro Person, die einen besonders hohen CO₂-Ausstoß pro Kopf haben – nämlich Katar (das rechnerisch 8,7 Erden bräuchte, um seinen Bedarf zu decken), Luxemburg, die Vereinigten Arabischen Emirate, Kuwait und Bahrain.

Noch sehr viel höher ist der berechnete Bedarf diverser kleiner Inselstaaten wie Nauru, Färöer, Mikronesien, Island und Kiribati. Bei diesen ist allerdings nicht der CO₂-Ausstoß entscheidend für den hohen Bedarf, sondern der Verbrauch an Fisch. Rechnerisch wären den Angaben zufolge mehr als zehn Erden erforderlich, um den Bedarf zu decken, wenn alle Menschen so viele Meeresprodukte verbrauchen würden wie die genannten Inselstaaten. Auf Anfrage von Table.Briefings erklärte Mathis Wackernagel, Gründer und Vorstandsmitglied des Global Carbon Network, dass die Daten dieser Klein-Staaten “oft unvollständig oder unzuverlässig” seien. Darum finden sich diese Länder auch nur in der Datenbank, aber nicht in der nach außen kommunizierten, grafischen Übersicht.

Dänemark: Fischkonsum 15-mal so hoch wie in Deutschland?

Allerdings gibt es auch zwischen Ländern, deren Daten als verlässlich eingestuft werden, Unterschiede, die schwer nachvollziehbar erscheinen. So geht aus den Daten des Global Carbon Network hervor, dass der Fisch-Bedarf pro Kopf in Dänemark mehr als 15-mal so hoch ist wie in Deutschland. Und dabei geht es den Angaben zufolge nicht um die insgesamt gefischte Menge, die in einem Land mit viel Küste tatsächlich deutlich höher sein dürfte, sondern um den Verbrauch im Land.

Wackernagel verweist auf Anfrage darauf, dass es zwar Unschärfen bei der Abgrenzung des Exports geben könnte; grundsätzlich hält er die Daten aber für glaubwürdig: “Küsten-Nationen essen mehr Fisch”, erklärt er. Das wird zwar durch Zahlen der Welt-Ernährungsorganisation FAO bestätigt, aber in einer ganz anderen Größenordnung: Demnach lag der Pro-Kopf-Konsum von Fisch in Dänemark nicht 15-mal so hoch wie in Deutschland, sondern knapp doppelt so hoch. Weil auch Bedarf an landwirtschaftlichen Produkten und Holz in Dänemark weitaus höher angegeben wird als in Deutschland, schneidet das Land insgesamt schlecht ab: Mit einem rechnerischen Bedarf von 4,8 Erden gehört Dänemark, das sonst oft als ökologisches Vorbild gehandelt wird, beim Erdüberlastungstag zu den fünf ressourcenintensivsten Ländern Europas.

In Deutschland entfallen den Daten zufolge rund 60 Prozent des Ressourcenbedarfs auf die theoretisch zum Ausgleich der CO₂-Emissionen benötigte Fläche. Darum wäre eigentlich zu erwarten gewesen, dass der Erdüberlastungstag in diesem Jahr deutlich später liegt als in den Vorjahren. Denn im Jahr 2023 ist der deutsche CO₂-Ausstoß vor allem aufgrund der Energiepreis- und Wirtschaftskrise ungewöhnlich stark gesunken, nämlich um mehr als zehn Prozent. Trotzdem lag der Überlastungstag sogar zwei Tage früher als im Vorjahr.

Weniger Emissionen, aber im Ranking keine Besserung

Grund dafür ist, dass es bei der Kalkulation des Erdüberlastungstags eine erhebliche Verzögerung gibt. Die Angaben für das Jahr 2024 beruhen laut Global Footprint Network auf Daten, die bis zum Jahr 2022 reichen, wobei selbst diese teilweise geschätzt sind; final bestätigt sind aktuell nur die von der UN zur Verfügung gestellten Daten bis zum Jahr 2020. Wichtige Verschiebungen auf Länderebene zeigen sich darum erst nach einigen Jahren, was die Aussagekraft des jährlich genannten Datums deutlich einschränkt.

Zudem werden auch die Daten der Überlastungstage früherer Jahre nachträglich geändert, wenn bessere Daten vorliegen oder die Berechnungsmethoden angepasst werden. Ein Datum, das in früheren Jahren als Overshoot Day genannt wurde, mit dem aktuellen zu vergleichen, ist darum nicht zulässig, warnen die Initiatoren. So wurde für den globalen Erdüberlastungstag im Jahr 2022 der 28. Juli genannt; im Vergleich dazu wäre der in diesem Jahr genannte 1. August eine leichte Verbesserung.

Tatsächlich wurde das Datum für 2022 mittlerweile aber auf den 1. August korrigiert, sodass es faktisch keinerlei Veränderung gibt. Insgesamt zeigen die korrigierten Daten für die Vergangenheit, dass das Datum sich in den letzten zehn Jahren – anders als viele Berichte nahelegen – kaum noch nach vorn verschoben hat. Der Umwelt- und Entwicklungsorganisation Germanwatch, der seit Jahren regelmäßig über den Erdüberlastungstag informiert, weist darauf in diesem Jahr ausdrücklich hin: “Die gute Nachricht ist, dass der Wendepunkt erreicht zu sein scheint”, erklärte Geschäftsführer Christoph Bals. “Vieles spricht dafür, dass die Überlastung bald sinkt.”

  • CO2-Speicher
  • Fischerei
  • Landwirtschaft
  • Rohstoffe
  • Umwelt
  • Wald
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SBTI: Deshalb sind Carbon Credits ein Risiko für die Transformation

Mögliches Objekt für Firmen zur CO₂-Kompensation: Regenwald am Amazonas.

Die “Science Based Target Intiative” (SBTI) – der de facto Standard für Klimaziele von Unternehmen – hat nach langem internen Streit jetzt den wohl umfangreichsten Bericht zur Wirksamkeit von CO₂-Kompensationen (Carbon Credits) vorgelegt. Sie kommt zu dem Schluss, dass “verschiedene Arten von Carbon Credits nicht ihre angestrebten Minderungsergebnisse liefern”. Es gebe außerdem keine Hinweise, mit welchen Eigenschaften und unter welchen Bedingungen sie wirksam sein könnten.

Die gesammelten Belege deuten laut SBTI darauf hin, dass die Verwendung von Carbon Credits mit einem “deutlichen Risiko” verbunden sei, die Netto-Null-Transformation eines Unternehmens zu behindern und/oder seine Klimafinanzierung zu verringern.

Vorschläge zur eingeschränkten Nutzung

Der Evidenz-Bericht dient als Grundlage für die Entscheidung der SBTi, ob und wie sie CO₂-Zertifikate in ihrem neuen Netto-Null-Standard zulassen wird, der im Herbst erscheinen soll. Wo Carbon Credits verwendet werden könnten, legt die SBTI in einem zusätzlichen Diskussionspapier dar:

  • Zur CO₂-Reduzierung in der eigenen Wertschöpfungskette (wenn etwa ein Nahrungsmittelhersteller auf Agroforst umsteigt und Bäume auf Äckern pflanzt).
  • Zur Neutralisierung von Restemissionen (also Carbon Capture and Storage-Technologie).
  • Als zusätzlicher Beitrag zum “breiteren gesellschaftlichen Wandel hin zu Netto-Null”, aber jenseits der eigenen Wertschöpfungskette (Beyond Value Chain Mitigation).

Vorangegangen war dem Bericht ein monatelanges Kräftemessen. Vordergründig ging es um die Pros und Contras von Carbon Credits – eigentlich aber um Unterschiede in der europäischen und der US-amerikanischen Klimapolitik.

Internes Ringen und Aufstand in der SBT-Initiative

Im April veröffentlichte die Führung der SBTI überraschend ein Statement, dass man künftig verschiedene Arten von CO₂-Zertifikaten zulassen wolle. Der Protest folgte schnell: In einem offenen Brief warfen technische Mitarbeiter ihrer Führung vor, damit Kompetenzen überschritten zu haben. Der CEO ist mittlerweile zurückgetreten.

Im Raum stand dabei auch die Frage, ob die Führung der SBTI auf Druck von ihrem Geldgeber und der US-Regierung gehandelt hatte. Der Bezos Earth Fund (BEF), die Umweltstiftung des Amazon-Milliardärs Jeff Bezos, finanziert die SBTI mit 20 Millionen US-Dollar. Das State Department der USA und der BEF gelten als Verfechter von Carbon Credits: Zusammen haben sie den Energy Transition Accelerator aufgelegt, der Carbon Credits für Milliarden Dollar generieren soll, durch Förderung Erneuerbarer Energie in Entwicklungs- und Schwellenländern.

Kritik jetzt auch vom WWF

Eine Partei hielt sich dabei bedeckt: Der WWF, der die SBTI mit gegründet hat und personell unterstützt, teils in Schlüsselpositionen. Obwohl er selbst auf dem Kompensationsmarkt tätig ist, ist seine Haltung zu Carbon Credits ambivalent. Im Juli äußerte er sich jedoch überraschend kritisch: Abgesehen von wenigen Ausnahmen unterstützte er Carbon Credits für Klimaziele von Unternehmen nicht, da sie “Bemühungen von den Investitionen und Innovationen ablenken würden, die für systemische Veränderungen” notwendig seien.

Streitpunkt ist das sogenannte Scope 3, also indirekte Emissionen, etwa bei der Verwendung der Produkte eines Unternehmens. Diese Emissionen zu erfassen und zu reduzieren, ist komplex. Zu komplex, sagen Befürworter von Carbon Credits. Sie wollen nicht-reduzierbare Scope 3-Emissionen lieber kompensieren und dabei noch den Ländern im Globalen Süden durch diese Einnahmen finanziell helfen.

“Wir sind jetzt in einer Phase, in der wir anerkennen müssen, dass die Transformation und damit die Reduktion von Scope 3 schwierig ist”, räumt auch Sebastian Öttl ein, Leiter nachhaltiger Unternehmensentwicklung beim WWF Deutschland: “Vielleicht braucht es bei Scope 3 andere Formen der Zielsetzung, andere Mechanismen der Zielerreichung und auch eine andere Toleranz für Fehler.” Der WWF will aber nicht, dass stattdessen kompensiert wird: “Wir wollen mit SBTI Unternehmen befähigen, Emissionen in ihrer Wertschöpfungskette zu reduzieren und die Transformation ihrer Märkte voranzutreiben”, so Öttl. Man sieht SBTI als Innovationstreiber. Kompensation würde aus dieser Sicht nur vom eigentlichen Problem abhalten.

US-Regierung setzt auf Credits für Finanzierung

Ganz anders ist der Blick auf diese Frage in den USA. Die Biden-Regierung wirbt dafür, dass Unternehmen “hoch integre Carbon Credits” verwenden. Denn ein allgemeiner Emissionshandel oder eine CO₂-Steuer sind in den USA politisch aussichtslos. Die Credits könnten auch Geld in den Globalen Süden umlenken, das durch die politische Blockade im US-Kongress nicht fließt.

“Deshalb diese pragmatische, etwas resignierte Hinwendung zu einem Instrument, das nicht einer Haushaltsbewilligung bedarf”, meint Michael Mehling vom Center for Energy and Environmental Policy Research am Massachusetts Institute of Technology (MIT). Die US-Regierung könnte einem Teil der Kritik begegnen, dass sie wenig Geld für die internationale Klimafinanzierung aufbringt, wenn sie Firmen motiviert, sich freiwillig den Klimazielen von SBTI zu fügen und CO₂-Zertifikate für Waldschutz oder Windräder im Globalen Süden zu kaufen.

Das würde auch das Lobbying von John Kerry und des US-Außenministeriums (State Department) erklären, von dem die Financial Times berichtet, die SBTI dazu zu bewegen, Carbon Credits zu akzeptieren – trotz aller Kritik an der Zuverlässigkeit der Zertifikate.

Gratwanderung der SBTI

“Ich denke nicht, dass sie beim State Department zynisch denken, dass das alles Schmarrn ist”, sagt Mehling: “Man hat die Hoffnung, dass wenn man Carbon Credits richtig überwacht, mit ausreichend stringenten Regeln, dass dann die Vorteile die Risiken überwiegen.”

Offen ist, wie die USA reagieren, wenn die SBTI das anders sieht. Die Organisation befindet sich auf einer Gratwanderung. Ist der Standard zu schwach, zertifiziert sie Greenwashing. Ist er zu strikt, steigen womöglich vor allem US-Unternehmen aus. Dabei ist gerade das die Stärke der SBTI: Je mehr große Unternehmen dabei sind, desto mehr kleinere müssen ebenfalls mitmachen, um einander beim Erreichen der Klimaziele zu unterstützen.

  • Carbon Capture
  • CCS
  • CO2-Ausgleich
  • CO2-Zertifikate
  • Emissionshandel
  • Klimafinanzierung
  • Klimaziele
  • MIT
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Methan: Wie neue Satelliten Verschmutzer aufspüren sollen

Mit diesem Satelliten (Modellfoto) will eine NGO zu mehr Transparenz über Methan-Emissionen beitragen. Die Daten sollen kostenfrei zur Verfügung gestellt werden.
Mit diesem Satelliten (Modellbild) will eine NGO zu mehr Transparenz über Methanemissionen beitragen. Die Daten sollen kostenfrei zur Verfügung gestellt werden.

Es ist ein weiteres Warnsignal in der Klimakrise: Die globalen Methanemissionen sind seit 2020 rapide gestiegen, wie eine neue Studie zeigt. Das Wachstum des sehr starken Treibhausgases übersteigt die Prognosen “bei weitem”, wie die Wissenschaftler warnen. Der rapide Anstieg in den letzten Jahren gehe vor allem auf den fossilen Energiesektor und steigende Emissionen aus Feuchtgebieten zurück. Solche Klimawarnsignale sollen mit zwei neuen Satellitenprogrammen in Zukunft noch früher identifiziert werden. Die beiden Erdtrabanten von zwei NGOs sollen zeigen, welche Staaten und Öl- und Gaskonzerne besonders große Methanaustritte verursachen oder zu wenig gegen das Ausströmen des Treibhausgases unternehmen. Die Satellitendaten sollen im Herbst kostenfrei veröffentlicht werden und Regierungen, Medien und Umweltschützern als Druckmittel gegen Verschmutzer dienen. Eine bessere Datengrundlage und höhere Transparenz gelten als Bedingung, damit neue EU- und US-Regulierungen überhaupt wirksam werden können.

Die erste große Hürde ist überwunden: Der Satellit MethaneSat wurde im März 2024 in eine Umlaufbahn geschossen. Derzeit wird der Erdtrabant – von der Größe einer Waschmaschine – kalibriert, um bald erste Daten über Methanlecks zu sammeln. Der Satellit des Environmental Defense Fund (EDF) und ein neues Satellitenpaar von der Carbon Mapper Coalition sollen den Kampf gegen Methanlecks voranbringen. Auf kurze Sicht ist Methan 80-mal klimaschädlicher als CO₂ und für 30 Prozent der globalen Erwärmung verantwortlich. Die Reduktion der Methanemissionen gilt als effektivste Option, um die globale Erwärmung einzudämmen.

Erstmals schicken NGOs Methansatelliten ins All

Die Satelliten sind ein Novum: Erstmals haben Non-Profit-Organisationen Erdtrabanten in den Orbit geschickt, um zu mehr Transparenz über Methanemittenten beizutragen. MethaneSat soll einerseits einen breiten Blickwinkel haben und Methanaustritte in fossilen Fördergebieten, Regionen und auf Staatenebene hochauflösend sichtbar machen. Laut MethaneSat-Homepage kann der Satellit “die unzähligen kleinen Emissionen aufspüren, die andere Satelliten heute nicht sehen können”. Neben dem weiten Blickfeld soll der Satellit auch große Emissionen bei konzentrierten Punktquellen aufspüren.

Die beiden Tanager-Satelliten von Carbon Mapper sollen Methan- und CO₂-Lecks auf der Ebene einzelner Anlagen wie Pipelines, Raffinerien, Kraftwerke oder Mülldeponien aufspüren und quantifizieren. Ihre Instrumente erkennen auch kleinere Lecks als jene von MethaneSat. Die Auflösung soll bei 30 Metern liegen. Zukünftig soll sogar ein ganzer Schwarm von Tanager-Satelliten fast täglich bis zu 90 Prozent der weltweiten größeren Emissionsquellen überwachen. Der genaue Blick von Tanager könnte den Betreibern von fossiler Infrastruktur helfen, Lecks schnell ausfindig zu machen und zu schließen.

DLR-Expertin: Satelliten bieten deutlichen Mehrwert”

Laut Anke Roiger vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) versprechen die Daten von MethaneSat “einen deutlichen Mehrwert” zu bisherigen Satellitenmessungen. Der Ansatz des EDF ermögliche der DLR-Abteilungsleiterin für Atmosphärische Spurenstoffe zufolge eine “bessere Gesamtemissionseinschätzung für regionale Emissionen”. Laut Ralf Sussmann vom Karlsruhe Institute of Technology (KIT) wäre es aber übertrieben, den EDF-Satelliten aus technischer Sicht als “Gamechanger” zu bezeichnen, wie es EDF tut. Auch andere Satelliten hätten schon ähnliche Fähigkeiten gehabt, so der Leiter der KIT-Arbeitsgruppe Atmospheric Variability and Trends.

Die größte Stärke der Non-Profit-Satelliten soll in der Verfügbarkeit der Daten liegen. EDF will seine Daten der Industrie, Regierungen, Investoren und der Öffentlichkeit ab Anfang 2025 kostenlos zur Verfügung stellen. “Die Verschmutzer können sich nicht mehr verstecken”, so das Versprechen der NGO. Das sei wichtig, weil es in einigen Regionen keine zuverlässigen Möglichkeiten zur Messung der Methanemissionen gäbe und einige Staaten solche Messungen schlicht verbieten würden.

Mehr Transparenz soll Regulierungen vorantreiben

Laut EDF wollen die EU-Kommission, mehrere US-Staaten und die US-Umweltschutzbehörde (EPA) die Daten von MethaneSat nutzen. Die EU könnte mit den Daten beispielsweise die Einhaltung der Methanregulierung kontrollieren, die im April 2024 verabschiedet wurde. Die Regulierung schreibt europäischen und außereuropäischen Produzenten und Importeuren die Einhaltung und Überwachung bestimmter Grenzwerte vor. Die Satelliten liefern unabhängige Daten und erhöhen somit den Druck auf die regulierten Unternehmen, den Vorschriften nachzukommen.

Gleiches gilt für die USA. Ab 2025 müssen Öl- und Gasunternehmen Strafen zahlen, wenn ihre Produktion und die Weiterverarbeitung zu hohe Methanaustritte zulässt. Genaue Satellitendaten können zur Überwachung dieser Vorschriften beitragen. Warum das wichtig ist, zeigen neue Daten des Environmental Defense Fund. Demnach stoßen US-Öl- und Gasvorkommen viermal mehr Methan aus als die US-Umweltschutzbehörde (EPA) bisher angenommen hatte. Der EDF und Partnerorganisationen hatten dafür zwölf große Öl- und Gasfelder mit einem Flugzeug mit Methan-Messinstrumenten überwacht. Satelliten würden diesen Prozess automatisieren und könnten viel mehr Daten liefern.

Auch freiwillige Industriezusammenschlüsse wie die Oil and Gas Decarbonisation Charter, die auf der COP28 beschlossen wurde, können die Satellitendaten nutzen, um den eigenen Fortschritt zu kontrollieren. Ebenso können unabhängige Dritte die Daten nutzen, um die Unternehmen rechenschaftspflichtig zu halten.

Profitieren könnte auch die UNO und ihr Methane Alert and Response System (MARS), das auf der COP27 vorgestellt wurde. Mit dem MARS-Programm will das UN-Umweltprogramm (UNEP) für mehr Transparenz über Methanemissionen sorgen. Über mehrere Satelliten werden Methanaustritte lokalisiert und die verantwortlichen Unternehmen und Regierungen informiert. Nach 45 bis 75 Tagen sollen die Daten dann veröffentlicht werden – ebenso wie Antworten der Regierungen oder Unternehmen auf die UN-Hinweise über Methanlecks. Dadurch soll öffentlicher Druck entstehen, der die Verantwortlichen zu schnellerem Handeln bewegt. Allerdings beruht MARS bisher auf Satelliten, die lediglich “sehr große Lecks ausfindig machen können”, wie Anke Roiger vom DLR sagt. Mit MethaneSat und den Tanager-Satelliten sollen hingegen auch kleinere Lecks aufgespürt werden können, was das MARS-Programm weiter voranbringen könnte. Der EDF und die UNO haben dazu schon eine Kooperation abgeschlossen.

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Termine

4. bis 9. August, China
Kongress 17th International Peat Congress
Der 17. International Peat Congress findet in Taizhou, China, statt. Er bringt Experten aus verschiedenen Bereichen zum Thema Moorschutz zusammen. Es geht auch um die Rolle von Mooren im Klimawandel. Info

5. August, 9 Uhr, Berlin
Boots-Exkursion Klimapolitik in urbanen Räumen
Die Klimakrise in Berlin und der Umbau zur Schwammstadt – das möchte die Rosa-Luxemburg-Stiftung auf einer Boots-Exkursion durch Berlin zeigen. Info

5. August, 19 Uhr, Online
Webinar Fossile Energie und Klimwandel – Wie akut ist die Lage?
Der Bedarf an fossiler Energie scheint nicht abnehmen zu wollen, und das trotz der bereits sichtbaren Folgen des Klimawandels. Zusammen mit Nils Bartsch von der NGO Urgewald will sich die Friedrich-Naumann-Stiftung in diesem Webinar darum näher mit der Öl- und Gasindustrie beschäftigen. Info

7. August, 10 Uhr, Online
Webinar Arbeit(sschutz) und kommunales Klimaanpassungsmanagement – Was öffentliche Einrichtungen mitdenken sollten
Das Zentrum für Klimaanpassung führt dieses Webinar durch. Es soll unter anderem diskutiert werden, wie Arbeitsschutz, Klimawandel und Gesundheit zusammenhängen. Auch gibt es Einblicke in den Gesundheitsreport “Arbeitswelt im Klimawandel”.  Info

7. August, 16 Uhr, Online
Webinar Discovering Data on Net-Zero Commitments
Auf dem Webinar vom World Ressources Institute mit Vertretern von Net Zero Tracker wird darüber diskutiert, wie man die Net-Zero-Ziele von Ländern oder Firmen bewerten und überprüfen kann. Info

7. August, 17 Uhr, Online
Webinar Dachbegrünung – für ein besseres Klima am eigenen Haus
Dachbegrünung kann für ein besseres Mikroklima in Häusern sorgen und gleichzeitig dabei helfen, Kohlenstoff zu binden. Die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen richtet dieses Webinar aus. Es soll praktische Tipps dazu geben, wie Dachbegrünung umgesetzt werden kann.  Info

8. August, 15 Uhr, Online
Webinar Mobilizing Impact: How GFW Drives Innovation and Collaboration to Combat Deforestation
Die Datenbank Global Forest Watch macht es möglich, Entwaldung weltweit gut nachzuvollziehen. Auf dem Webinar des World Ressources Institute wird darüber diskutiert, wie die Daten genutzt werden können, um auf die Probleme durch Abholzung aufmerksam zu machen.  Info

News

Klima in Zahlen: Hitze in den Städten

Wie sich Städte sinnvoll an heißere Sommer anpassen können, wird gerade an mehreren Stellen intensiv debattiert. Eine Übersicht der Deutschen Umwelthilfe (DUH) bescheinigt vielen deutschen Städten mit über 50.000 Einwohnern, auf hohe Temperaturen nicht ausreichend vorbereitet zu sein. Zugleich legt das Bundesbauministerium eine “Strategie für Hitzeschutz” vor, welche die bisherigen Maßnahmen zusammenfasst und Aufgaben definiert, um Ortschaften zu kühlen und die Bevölkerung dadurch zu schützen. Neue Finanzmittel sind für die Strategie allerdings nicht eingeplant, teilt das Ministerium auf Anfrage von Table.Briefings mit.

Die DUH hat 190 deutsche Städte anhand von Luftbildern darauf untersuchen lassen, wie viele Flächen versiegelt sind und wie viel Grün es in der Stadt gibt. Ergebnis: 24 Städte bekamen eine “rote Karte”, weil sie zu viele versiegelte Abschnitte und zu wenige Grünflächen ausweisen. Eine grüne Karte für ausreichend Grün und freie Flächen bekamen insgesamt 84 Orte, 82 Städte wurden mit einer “gelben Karte” verwarnt, weil sie entweder zu stark versiegelt sind oder zu wenig Grün besitzen.

Die DUH fordert als Konsequenz ein “rechtlich verbindliches Ziel, um bis 2035 die Versiegelung in den Städten zu stoppen”, so Geschäftsführerin Barbara Metz. Nötig seien auch bundesweite Standards, etwa zur Begrünung von Schulhöfen. “In Zeiten der Klimakrise brauchen unsere Städte unversiegelte Böden zur Versickerung von Wasser und Grünflächen zur Kühlung.”

Täglich verschwinden 50 Hektar Boden unter Beton

In Deutschland werden täglich im Schnitt etwa 50 Hektar Oberfläche versiegelt. Das ist im Jahr knapp die Fläche von Hannover und weit mehr als in der Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesregierung offiziell beschlossen wurde: Bis 2030 soll demnach die Versiegelung auf unter 30 Hektar zurückgehen und 2050 bei netto Null liegen.

Einen Tag vor dem DUH-Test hatte das Bundesbauministerium in seiner “Strategie für Hitzeschutz” ebenfalls Vorschläge zur Kühlung von Städten vorgelegt. Darin empfiehlt es mehr Parks, Straßenbäume und grüne Dächer, um “Hitzeinseln” zu verhindern. Schon bei Städteplanung und Bau sollte darauf geachtet werden, genügend freien Boden zur Wasserspeicherung zu garantieren. Sensible Bereiche wie Plätze und Spielplätze könnten verschattet werden, kühle Gebäude wie Kirchen und Museen sollten offen sein. “Wer frisches Geld aus unseren Förderprogrammen will, muss Klimaanpassung mitdenken”, so Bundesbauministerin Klara Geywitz.

Der Sozialverband Deutschland fordert, besonders betroffene Gruppen wie Ältere, Kinder und Menschen mit Behinderungen sowie Bewohner in schlecht isolierten Gebäuden besser zu schützen. Bund, Länder und Kommunen müssten dafür zusammenarbeiten.

Die Hitze hat noch andere Auswirkungen auf die Gesundheit: Hohe Temperaturen lassen vor allem in den Innenstädten die Ozonwerte deutlich steigen, warnt eine aktuelle Übersicht des EU-Satellitendienstes Copernicus. Das aggressive Gas beeinträchtigt die Lungenfunktion, vor allem bei Kindern, alten und kranken Menschen. In dieser Woche werden Überschreitungen des EU-Grenzwerts vor allem in Paris, den Benelux-Staaten und Deutschland erwartet. bpo

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Warum die Schäden durch Naturkatastrophen steigen

Überschwemmungen, Unwetter und weitere Naturkatastrophen haben im ersten Halbjahr 2024 weltweite Schäden von insgesamt 120 Milliarden US-Dollar angerichtet. 4.500 Menschen kamen durch die Katastrophen ums Leben. Die Schäden sind laut Rückversicherer Munich Re zwar niedriger als im ersten Halbjahr 2023, aber höher als sowohl im zehnjährigen als auch im dreißigjährigen Schnitt. “Wenn man das in einen längeren Zeitraum einordnet, sind die Gesamtschäden deutlich steigend“, sagt Chefklimatologe Ernst Rauch. Für Versicherungsunternehmen wie die Munich Re bedeutet die Entwicklung höhere Kosten, denn sie müssen zunehmend hohe Auszahlungen für Schäden leisten.

Laut Munich Re waren im ersten Halbjahr 2024 mit 62 Milliarden US-Dollar etwas mehr als die Hälfte der Gesamtschäden versichert. Teuerstes Ereignis war das Neujahrs-Erdbeben der Stärke 7,5 in Japan, das geschätzte Gesamtschäden von rund 10 Milliarden US-Dollar verursachte. Im ersten Halbjahr 2023 waren die weltweiten Gesamtschäden durch Naturkatastrophen mit 140 Milliarden US-Dollar höher, die versicherten Schäden hingegen mit 60 Milliarden US-Dollar etwas niedriger. Ein Grund dafür war das verheerende Erdbeben in der Türkei und Syrien im Februar 2023 mit mehr als 50.000 Todesopfern. In der Region sind nur wenige Menschen und Firmen gegen Naturkatastrophen versichert.

Schwere Hurrikansaison erwartet

Der Zehnjahresdurchschnitt der volkswirtschaftlichen Schäden liege bei knapp unter 90 Milliarden US-Dollar, sagt Munich-Re-Chefklimatologe Rauch. “Die Summen der versicherten Schäden zeigen die Tendenz noch deutlicher: den 62 Milliarden Dollar im ersten Halbjahr dieses Jahres stehen im Zehnjahresdurchschnitt nur 37 Milliarden gegenüber. Wir sehen also fast schon eine Verdopplung.”

Dass die Schäden im längerfristigen Schnitt steigen, hängt mit der steigenden Häufigkeit und Stärke von Unwettern und damit indirekt mit dem Klimawandel zusammen. Rauch nannte zwei Auffälligkeiten in der ersten Jahreshälfte:

  • Die Überschwemmungen in Bayern, Baden-Württemberg und auch “in Ländern, in denen große Überschwemmungen atypisch sind wie die Vereinigten Arabischen Emirate, vor allem Dubai, aber auch angrenzende Regionen wie Oman”. Um überhaupt vergleichbare Ereignisse zu finden, müsse man in der Statistik 70 Jahre zurückgehen.
  • Die vielen schweren Unwetter in den USA, wo von Anfang Januar bis Ende Juni allein 1.250 Tornados gezählt worden seien.

Für das zweite Halbjahr wird der Verlauf der Hurrikansaison im Nordatlantik eine große Rolle spielen. Sie könnte in diesem Jahr aufgrund der ungewöhnlich hohen Wassertemperaturen und dem Beginn einer La-Niña-Phase – der Gegenbewegung, die auf El Niño folgt – schwerer ausfallen als sonst. dpa/ae

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Energieverbrauch: So viel Einfluss hat das milde deutsche Wetter

Der Energieverbrauch in Deutschland ist von Januar bis Juni 2024 weiter gesunken. Wie vorläufige Berechnungen der Arbeitsgemeinschaft (AG) Energiebilanzen zeigen, lag er um 3,4 Prozent unter dem vergleichbaren Vorjahreswert. In absoluten Zahlen wurden 5.428 Petajoule (PJ) beziehungsweise 185,2 Millionen Tonnen Steinkohleneinheiten (SKE) verbraucht.

Grund dafür sei vor allem die milde Witterung: Ohne die vergleichsweise hohen Temperaturen “wäre der Energieverbrauch in Deutschland nur um etwa 1,5 Prozent gesunken”, teilt die AG Energiebilanzen mit. “Aber auch die verhaltene Entwicklung des gesamtwirtschaftlichen Umfelds schlägt sich weiterhin in einer rückläufigen Entwicklung des Energieverbrauchs nieder.”

Aufgrund der “deutlich erkennbaren Veränderungen in der Struktur des Energieverbrauchs” erwartet die AG Energiebilanzen eine “Einsparung der energiebedingten CO₂-Emissionen um 17 Millionen Tonnen”. Rund sieben Millionen Tonnen davon seien allerdings der wärmeren Witterung zuzurechnen.

Mehr Flugbenzin, mehr Steinkohle für Stahl – und mehr Erneuerbare

Die Entwicklung der Energieträger im Einzelnen:

  • Der Verbrauch von Mineralöl stieg leicht um 0,4 Prozent – dahinter steckt vor allem ein um 7,2 Prozent höherer Absatz von Flugbenzin.
  • Der Erdgasverbrauch nahm um 0,7 Prozent zu – weil die Nachfrage durch den Schalttag am 29. Februar stieg, und weil die produzierende Industrie und Strom- sowie Wärmekraftwerke insgesamt mehr Erdgas nachfragten.
  • Der Verbrauch von Braun- und Steinkohle fiel jeweils um 18,7 Prozent. Das liegt in erster Linie daran, dass die Stromerzeugung aus Kohle stark zurückgeht – der Einsatz von Steinkohle in der Eisen- und Stahlindustrie hingegen nahm um 2,7 Prozent zu.
  • Der Beitrag von erneuerbaren Energien stieg um ein Prozent – insbesondere aufgrund einer um sieben Prozent höheren Stromproduktion aus Wasser, Wind und Solar. Wegen der milden Temperaturen sank die Wärmeerzeugung aus Erneuerbaren hingegen um fünf Prozent. ae
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Erneuerbare: Mehr Strom als aus Fossilien

Im ersten Halbjahr 2024 wurde in der EU erstmals mehr Strom aus erneuerbaren als aus fossilen Energiequellen hergestellt. Wind- und Solarenergie steuerten 30 Prozent der europäischen Stromerzeugung bei. Der Anteil der Fossilen lag bei 27 Prozent, 17 Prozent unter dem Wert des vergleichbaren Vorjahreszeitraums. Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle Studie des Thinktanks Ember.

Der Rückgang der fossilen Energien geht demnach hauptsächlich auf den Ausbau von Wind- und Solarenergie zurück. Daneben haben auch das milde Wetter und die gute Performance der Wasserkraft dazu beigetragen. Ember stuft die Wasserkraft nicht als erneuerbare Energiequelle ein. Besonders stark gefallen ist laut Ember die Nutzung von Kohle (minus 24 Prozent), aber es wurde auch weniger Gas genutzt (minus 14 Prozent).

Neben der EU insgesamt produzierten auch 13 Mitgliedsländer zuletzt mehr Strom aus Erneuerbaren als aus Fossilen. Besonders gut schnitt Spanien ab: Das Land produzierte im Mai erstmals mehr als 50 Prozent seines Stroms aus Wind- und Solarkraft. Erst am Montag autorisierte die spanische Regierung weitere 300 erneuerbare Projekte. Sie haben zusammen eine Kapazität von 28 Gigawatt und es werden mehr als 17 Milliarden Euro investiert. Darunter ist auch ein Wasserkraftprojekt. Wie nachhaltig Wasserkraft ist, ist allerdings umstritten. kul

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Hitze am Mittelmeer: So viel hat der Klimawandel beigetragen

Der menschengemachte Klimawandel hat die extrem hohen Temperaturen erst ermöglicht, die im Juli rund um das Mittelmeer aufgetreten sind. Ohne ihn wäre die Hitzewelle bis zu 3,3 Grad Celsius kühler ausgefallen. Das sind die wichtigsten Ergebnisse einer neuen Schnellanalyse der Forschungsgruppe World Weather Attribution (WWA). “Einst unmöglich, sind diese Hitzewellen aufgrund der vom Menschen verursachten Erwärmung inzwischen relativ häufig und werden voraussichtlich einmal pro Jahrzehnt auftreten”, schreiben die Forschenden außerdem. “Bei weiterer Erwärmung werden sie noch häufiger.”

Im Juli waren in Griechenland, Italien, Spanien, Portugal, Frankreich und Marokko extrem hohe Temperaturen gemessen worden. Laut WWA starben aufgrund der Hitze mindestens 23 Menschen. Bei den Olympischen Spielen in Paris seien die Temperaturen am Dienstag auf 35 Grad gestiegen, sagte die Attributionsforscherin Friederike Otto vom Imperial College London: “Wäre die Atmosphäre nicht mit Emissionen aus der Verbrennung von fossilen Treibstoffen überladen, wäre Paris um etwa drei Grad kühler und für den Sport viel sicherer. Viele Menschen am Mittelmeer verfügen allerdings nicht über den Luxus von Eispackungen, Klimaanlagen oder Arbeitspausen, um sich abzukühlen. Für diese Menschen kann extreme Hitze tödlich sein.”

Schon im vergangenen Jahr zeigten WWA-Analysen zu Hitzewellen im Mittelmeerraum sowie Europa und andernorts, dass der menschengemachte Klimawandel die Hitzewellen heißer und tödlicher werden lässt. In vielen Regionen seien die extrem hohen Temperaturen ohne die durch die Verbrennung fossiler Energien verursachte Erwärmung nicht möglich, so die Forschungsgruppe. ae

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Fernwärme: Neue Verordnung soll Preistransparenz und Kundenrechte stärken

Das Bundeswirtschaftsministerium reagiert auf die Kritik an der Preis- und Vertragsgestaltung von Fernwärme-Anbietern. Diese müssen ihre Preise künftig nach einem einheitlichen Verfahren aufgeschlüsselt darstellen und Musterrechnungen für typische Kundenprofile vorlegen. Preiserhöhungen müssen anhand vorgegebener Kriterien nachvollziehbar belegt werden. Das geht aus dem Entwurf für eine Reform der Fernwärme-Verordnung hervor, die Table.Briefings vorliegt.

Zudem können Kunden den Fernwärme-Bezug künftig leichter anpassen. Die Erstlaufzeit eines Fernwärme-Vertrags wird zwar, anders als teilweise gefordert, nicht reduziert, sondern bleibt bei zehn Jahren. Anschließend darf sich der Vertrag anders als bisher nicht mehr stillschweigend um jeweils fünf Jahre verlängern, sondern nur um zwei. Darüber hinaus können Kunden die bezogene Fernwärmemenge reduzieren, wenn ihr Energiebedarf durch Sanierungen sinkt oder sie andere klimafreundliche Heizmöglichkeiten nutzen. Lediglich in sehr kleinen Wärmenetzen, deren Wirtschaftlichkeit andernfalls gefährdet würde, sind Ausnahmen von dieser Regelung möglich.

Fernwärme-Betreiber dürfen Öko-Angebote künftig gesondert vermarkten. Zwar sind sie gesetzlich ohnehin verpflichtet, die Wärmeerzeugung schrittweise auf erneuerbare Energien umzustellen. Um dafür zusätzliche Anreize zu geben, können die Anbieter klimafreundlich erzeugte Wärme künftig mit gesonderten Verträgen zu höheren Preisen verkaufen; etwa an Firmen, die damit ihre CO₂-Bilanz verbessern wollen. Der Entwurf geht nun zunächst in die Länder- und Verbändeanhörung; nach der Sommerpause soll er zunächst vom Kabinett und anschließend von Bundestag und Bundesrat beschlossen werden. mkr

E-Mobilität: Warum Agora Verkehrswende vor Importzöllen warnt

Will die Bundesregierung ihr Ziel von 15 Millionen Elektroautos bis 2030 erreichen, ist Deutschland auf chinesische Hersteller angewiesen. Das zeigt eine Studie der Denkfabrik Agora Verkehrswende und der Strategieberatung Boston Consulting Group (BCG). Mit seinem aktuellen Kurs werde Deutschland die Zielmarke um rund sechs Millionen Fahrzeuge verfehlen.

Die Autoren kritisieren insbesondere die höheren Importzölle, die die EU auf Elektroautos aus China erheben will. Sie würden zu höheren Preisen für Kunden führen und die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Automobilindustrie gefährden. “Wer Klimaziele erreichen und den Automobilstandort Deutschland langfristig sichern will, sollte sich für einen schnellen Hochlauf der Elektromobilität unter Einbeziehung chinesischer Unternehmen einsetzen”, fordert Christian Hochfeld, Direktor von Agora Verkehrswende.

“Das mag auf den ersten Blick paradox klingen, aber ein schneller Strukturwandel zu Elektromobilität trägt auch zu mehr Souveränität und Wettbewerbsfähigkeit gegenüber China bei”, sagte Hochfeld. Aber gerade im Bereich niedrigpreisiger Kleinfahrzeuge könnten chinesische Produkte helfen, den Markthochlauf für E-Autos in Europa zu beschleunigen.

Hochfeld plädiert zugleich für eine “rasche Ansiedlung chinesischer Unternehmen in Europa nach gemeinsamen Spielregeln”. Dies würde mehr Wertschöpfung bringen als Importe. Damit biete sich die Gelegenheit, in Technologiebereichen wie der Batterie durch Kooperationen Entwicklungsrückstände aufzuholen. flee

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Übermäßige Hitze: Mehr Arbeitskräfte in Europa und Zentralasien betroffen

Ein Temperaturrekord jagt den nächsten. Am 21. Juli war erneut der heißeste Tag seit Beginn der Wetteraufzeichnung. Die Folgen treffen auch Arbeitskräfte rund um den Globus immer stärker. Ein Bericht der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) zeigt, dass inzwischen in Europa und Zentralasien deutlich mehr Arbeitnehmende betroffen sind. Zwischen 2000 und 2020 stieg demnach in Europa und Zentralasien die Zahl der Arbeitskräfte, die übermäßiger Hitze ausgesetzt sind, um rund 17 Prozent. Global lag der Zuwachs bei fast neun Prozent.

Auch der Anteil von Arbeitsunfällen, die auf hohe Temperaturen zurückzuführen sind, stieg im gleichen Zeitraum in Europa und Zentralasien deutlicher als in anderen Regionen – um mehr als 16 Prozent. Auf dem amerikanischen Kontinent hat sich die Zahl solcher Arbeitsunfälle um ein Drittel erhöht. Laut ILO könnte das damit zu tun haben, dass Arbeitskräfte in Regionen mit bisher niedrigeren Temperaturen weniger an Hitze gewöhnt sind.

Weltweit 2,4 Milliarden Vollzeitkräfte übermäßiger Hitze ausgesetzt

Gleichzeitig leiden in keiner Region anteilig weniger Arbeitnehmer unter Hitze als in Europa und Zentralasien. Während es dort 29 Prozent sind, haben in Afrika fast 93 Prozent der Arbeiter mit übermäßiger Hitze zu kämpfen. In allen anderen Weltregionen sind es mindestens 70 Prozent. In absoluten Zahlen beträgt der Anstieg an unter Hitze leidenden Arbeitskräften weltweit fast 35 Prozent. Waren 2000 nur 1,8 Milliarden Vollzeitkräfte betroffen, waren es 2020 rund 2,4 Milliarden.

Die ILO fordert daher vor allem, dass Präventions- und Kontrollstrategien für Hitzestress in der Arbeitswelt dringend verstärkt werden müssen. Ein wichtiger Teil davon seien angepasste Regeln und Maßnahmen, die sich nach den Bedingungen in den verschiedenen Sektoren und je nach Tätigkeitsort (drinnen oder draußen) der Arbeitskräfte richten. Priorität sollten der soziale Dialog sowie die internationale, zwischenstaatliche und sektorübergreifende Zusammenarbeit haben. Würden alle Schutzmaßnahmen umgesetzt, könnte die Ersparnis 361 Milliarden US-Dollar betragen, schätzt die ILO. nh

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Windenergie-Aktionsplan: Wie die EIB die Branche stärkt

Europäische Hersteller von Windenergieanlagen profitieren ab sofort von besseren Finanzierungsbedingungen durch die Europäische Investitionsbank. Die EIB habe am Mittwoch eine erste Rückbürgschaft an die Deutsche Bank in Höhe von 500 Millionen Euro vergeben, wie die EIB mitteilte. Durch die Rückbürgschaft sollen die Hersteller ihre hohen Auftragsbestände leichter abarbeiten können, was den Ausbau der Windenergie absichern und beschleunigen soll.

Zum ersten Mal setzt die EIB damit eine Maßnahme aus dem Windkraft-Aktionsplan der EU-Kommission von Oktober 2023 um. Insgesamt will die EIB fünf Milliarden Euro für Rückbürgschaften in der Windindustrie bereitstellen. Allein durch die nun beschlossene erste Tranche würden private Investitionen in Höhe von acht Milliarden Euro gehebelt.

Mit der Rückbürgschaft von 500 Millionen Euro wird die Deutsche Bank nach Angaben der EIB Garantien in Höhe von einer Milliarde Euro stellen: “Die Hersteller können somit ihre Lieferanten im Voraus bezahlen, beispielsweise für Komponenten wie Turbinen, Netzanschlussinfrastruktur, Kabel und Spannungswandler.” Der Verband WindEurope begrüßte den Schritt. “Die Unterstützung der EIB wird die europäische Windenergieindustrie weiter stärken und sicherstellen, dass wir die Windenergiemengen liefern können, die Europa braucht”, sagte Phil Cole, Direktor für Industrieangelegenheiten. ber

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Climate.Table Redaktion

CLIMATE.TABLE REDAKTION

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    Liebe Leserin, lieber Leser,

    es ist Hochsommer und deshalb HEISS. Das ist auch in Ordnung so – wir wollen darüber gar nicht meckern. Aber WIE heiß es wird, und welche Folgen das für uns hat, hängt eben auch von unserem Verhalten ab. Deshalb schreiben wir heute über eine Studie, die zeigt, welche Städte sich in Deutschland besonders schnell aufheizen, und dass das auch daran liegt, wie viel Beton und wie wenig Grün diese Orte haben. Ebenso beleuchten wir, wie sehr die Klimakrise zur Hitzewelle am Mittelmeer beigetragen hat.

    Was die Erderhitzung antreibt, und was sie bremsen soll – das ist das tägliche Brot unserer Berichterstattung. So analysieren wir heute unter anderem den Streit bei jener Rating-Stelle, die eigentlich Standards für Unternehmen setzen soll, die klimaneutral werden wollen – und über ihre Gratwanderung zwischen Greenwashing und Mitgliederinteressen. Wir berichten über neue Satelliten, die endlich der heimlichen Methan-Verschmutzung aus der Gasindustrie zu Leibe rücken. Und wir machen ein paar dicke Fragezeichen an die Methoden, mit denen der “Erdüberlastungstag” am 1. August kalkuliert wird.

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    Ihr
    Bernhard Pötter
    Bild von Bernhard  Pötter

    Analyse

    “Erdüberlastungstag”: Eine Statistik, die viele Fragen aufwirft

    Beim Fischbedarf zeigt die Statistik riesige Unterschiede zwischen verschiedenen Ländern

    Es ist eine Meldung, die in jedem Jahr zweimal verlässlich durch die Medien läuft: Der sogenannte Erdüberlastungstag oder “Earth Overshoot Day”, an dem nach Angaben der Initiatoren vom Global Footprint Network die natürlichen Ressourcen aufgebraucht sind, die innerhalb eines Jahres regeneriert werden können. Bezogen auf Deutschland lag dieser zuletzt Anfang Mai, global betrachtet fällt er in diesem Jahr auf den 1. August. Rechnerisch folgt daraus, dass global gesehen 1,7 Erden benötigt würden, um den Bedarf an natürlichen Ressourcen zu decken; würde die ganze Welt so leben wie Deutschland, wären es den Angaben zufolge knapp drei Erden.

    Doch trotz der breiten Berichterstattung über diese Zahlen ist über die Hintergründe und Berechnungen, die ihnen zugrunde liegen, vergleichsweise wenig bekannt. Und bei genauer Analyse zeigt die Berechnungsmethode Schwächen:

    • Oft ist in der allgemeinen Öffentlichkeit unklar, um welche Rohstoffe es bei der Berechnung geht.
    • Die Angaben enthalten nicht nur Aussagen über realen Ressourcenverbrauch, sondern auch theoretische Umrechnungen der für den Klimaschutz nötigten CO₂-Senken auf die landwirtschaftlich genutzte Fläche.
    • Daten vor allem aus kleinen Staaten sind oft unzuverlässig und lückenhaft.
    • Die Angaben sind über Jahre zeitverzögert und bilden aktuelle Entwicklungen darum nicht ab.

    Was genau misst der Überlastungstag?

    Oft wird nicht verstanden, was genau der Erdüberlastungstag eigentlich misst. So erklärte die NGO Powershift zum diesjährigen deutschen Überlastungstag: “Rohstoffreduktion, insbesondere im Bereich metallischer Rohstoffe, kann eine entscheidende Rolle dabei spielen, die Überlastung der Erde durch die deutsche Industrie zu reduzieren und den Earth Overshoot Day nach hinten zu verschieben.” Auch die Deutsche Umwelthilfe forderte aus Anlass des Tages im vergangenen Jahr “spezifische Vorgaben für Primärrohstoffe wie Öl, Gas, Metalle oder Mineralien wie Sand und Kies”.

    Doch um mineralische oder metallische Rohstoffe geht es beim Erdüberlastungstag überhaupt nicht; er betrachtet ausschließlich “natürliche Ressourcen”, zu denen das Global Footprint Network pflanzliche Lebensmittel, Weidefläche, Holz und Fische zählt. Nur für diese wird gegenübergestellt, wie viel pro Jahr verbraucht und wie viel von der Natur nachproduziert wird.

    Doch interessanterweise ist es gar nicht der tatsächliche Verbrauch dieser natürlichen Ressourcen, der dazu führt, dass sie der Berechnung zufolge massiv übernutzt werden. Die detaillierten Daten des Global Footprint Network, die hier für die Welt sowie alle einzelnen Länder zu finden sind, zeigen, dass von den 1,7 Erden, die global gesehen angeblich notwendig sind, nur rund 0,65 Erden für Weiden, Wälder, Ackerflächen und Fischereigründe benötigt werden, um den Bedarf zu decken.

    Flächenverbrauch für theoretische CO₂-Speicherung

    Der größte Teil des angegebenen Bedarfs entfällt mit mehr als einer rechnerischen Erde auf das CO₂, das durch das Verbrennen von Kohle, Öl und Gas entsteht. Denn das Global Footprint Network bezieht in seine Berechnung der natürlichen Ressourcen ein, wie viel Fläche theoretisch aufgeforstet werden müsste, um dieses CO₂ wieder zu binden. Weil die dafür benötigten Flächen dann nicht zur Produktion von Lebensmitteln oder Holz zur Verfügung stünden, entsteht das große Defizit.

    Faktisch ist der “Erdüberlastungstag” damit eher ein Indikator für die weiterhin hohen Treibhausgas-Emissionen als für den realen Verbrauch natürlicher Rohstoffe. Im Ländervergleich des Global Footprint Network stehen dementsprechend jene Länder weit vorn beim Ressourcenbedarf pro Person, die einen besonders hohen CO₂-Ausstoß pro Kopf haben – nämlich Katar (das rechnerisch 8,7 Erden bräuchte, um seinen Bedarf zu decken), Luxemburg, die Vereinigten Arabischen Emirate, Kuwait und Bahrain.

    Noch sehr viel höher ist der berechnete Bedarf diverser kleiner Inselstaaten wie Nauru, Färöer, Mikronesien, Island und Kiribati. Bei diesen ist allerdings nicht der CO₂-Ausstoß entscheidend für den hohen Bedarf, sondern der Verbrauch an Fisch. Rechnerisch wären den Angaben zufolge mehr als zehn Erden erforderlich, um den Bedarf zu decken, wenn alle Menschen so viele Meeresprodukte verbrauchen würden wie die genannten Inselstaaten. Auf Anfrage von Table.Briefings erklärte Mathis Wackernagel, Gründer und Vorstandsmitglied des Global Carbon Network, dass die Daten dieser Klein-Staaten “oft unvollständig oder unzuverlässig” seien. Darum finden sich diese Länder auch nur in der Datenbank, aber nicht in der nach außen kommunizierten, grafischen Übersicht.

    Dänemark: Fischkonsum 15-mal so hoch wie in Deutschland?

    Allerdings gibt es auch zwischen Ländern, deren Daten als verlässlich eingestuft werden, Unterschiede, die schwer nachvollziehbar erscheinen. So geht aus den Daten des Global Carbon Network hervor, dass der Fisch-Bedarf pro Kopf in Dänemark mehr als 15-mal so hoch ist wie in Deutschland. Und dabei geht es den Angaben zufolge nicht um die insgesamt gefischte Menge, die in einem Land mit viel Küste tatsächlich deutlich höher sein dürfte, sondern um den Verbrauch im Land.

    Wackernagel verweist auf Anfrage darauf, dass es zwar Unschärfen bei der Abgrenzung des Exports geben könnte; grundsätzlich hält er die Daten aber für glaubwürdig: “Küsten-Nationen essen mehr Fisch”, erklärt er. Das wird zwar durch Zahlen der Welt-Ernährungsorganisation FAO bestätigt, aber in einer ganz anderen Größenordnung: Demnach lag der Pro-Kopf-Konsum von Fisch in Dänemark nicht 15-mal so hoch wie in Deutschland, sondern knapp doppelt so hoch. Weil auch Bedarf an landwirtschaftlichen Produkten und Holz in Dänemark weitaus höher angegeben wird als in Deutschland, schneidet das Land insgesamt schlecht ab: Mit einem rechnerischen Bedarf von 4,8 Erden gehört Dänemark, das sonst oft als ökologisches Vorbild gehandelt wird, beim Erdüberlastungstag zu den fünf ressourcenintensivsten Ländern Europas.

    In Deutschland entfallen den Daten zufolge rund 60 Prozent des Ressourcenbedarfs auf die theoretisch zum Ausgleich der CO₂-Emissionen benötigte Fläche. Darum wäre eigentlich zu erwarten gewesen, dass der Erdüberlastungstag in diesem Jahr deutlich später liegt als in den Vorjahren. Denn im Jahr 2023 ist der deutsche CO₂-Ausstoß vor allem aufgrund der Energiepreis- und Wirtschaftskrise ungewöhnlich stark gesunken, nämlich um mehr als zehn Prozent. Trotzdem lag der Überlastungstag sogar zwei Tage früher als im Vorjahr.

    Weniger Emissionen, aber im Ranking keine Besserung

    Grund dafür ist, dass es bei der Kalkulation des Erdüberlastungstags eine erhebliche Verzögerung gibt. Die Angaben für das Jahr 2024 beruhen laut Global Footprint Network auf Daten, die bis zum Jahr 2022 reichen, wobei selbst diese teilweise geschätzt sind; final bestätigt sind aktuell nur die von der UN zur Verfügung gestellten Daten bis zum Jahr 2020. Wichtige Verschiebungen auf Länderebene zeigen sich darum erst nach einigen Jahren, was die Aussagekraft des jährlich genannten Datums deutlich einschränkt.

    Zudem werden auch die Daten der Überlastungstage früherer Jahre nachträglich geändert, wenn bessere Daten vorliegen oder die Berechnungsmethoden angepasst werden. Ein Datum, das in früheren Jahren als Overshoot Day genannt wurde, mit dem aktuellen zu vergleichen, ist darum nicht zulässig, warnen die Initiatoren. So wurde für den globalen Erdüberlastungstag im Jahr 2022 der 28. Juli genannt; im Vergleich dazu wäre der in diesem Jahr genannte 1. August eine leichte Verbesserung.

    Tatsächlich wurde das Datum für 2022 mittlerweile aber auf den 1. August korrigiert, sodass es faktisch keinerlei Veränderung gibt. Insgesamt zeigen die korrigierten Daten für die Vergangenheit, dass das Datum sich in den letzten zehn Jahren – anders als viele Berichte nahelegen – kaum noch nach vorn verschoben hat. Der Umwelt- und Entwicklungsorganisation Germanwatch, der seit Jahren regelmäßig über den Erdüberlastungstag informiert, weist darauf in diesem Jahr ausdrücklich hin: “Die gute Nachricht ist, dass der Wendepunkt erreicht zu sein scheint”, erklärte Geschäftsführer Christoph Bals. “Vieles spricht dafür, dass die Überlastung bald sinkt.”

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    SBTI: Deshalb sind Carbon Credits ein Risiko für die Transformation

    Mögliches Objekt für Firmen zur CO₂-Kompensation: Regenwald am Amazonas.

    Die “Science Based Target Intiative” (SBTI) – der de facto Standard für Klimaziele von Unternehmen – hat nach langem internen Streit jetzt den wohl umfangreichsten Bericht zur Wirksamkeit von CO₂-Kompensationen (Carbon Credits) vorgelegt. Sie kommt zu dem Schluss, dass “verschiedene Arten von Carbon Credits nicht ihre angestrebten Minderungsergebnisse liefern”. Es gebe außerdem keine Hinweise, mit welchen Eigenschaften und unter welchen Bedingungen sie wirksam sein könnten.

    Die gesammelten Belege deuten laut SBTI darauf hin, dass die Verwendung von Carbon Credits mit einem “deutlichen Risiko” verbunden sei, die Netto-Null-Transformation eines Unternehmens zu behindern und/oder seine Klimafinanzierung zu verringern.

    Vorschläge zur eingeschränkten Nutzung

    Der Evidenz-Bericht dient als Grundlage für die Entscheidung der SBTi, ob und wie sie CO₂-Zertifikate in ihrem neuen Netto-Null-Standard zulassen wird, der im Herbst erscheinen soll. Wo Carbon Credits verwendet werden könnten, legt die SBTI in einem zusätzlichen Diskussionspapier dar:

    • Zur CO₂-Reduzierung in der eigenen Wertschöpfungskette (wenn etwa ein Nahrungsmittelhersteller auf Agroforst umsteigt und Bäume auf Äckern pflanzt).
    • Zur Neutralisierung von Restemissionen (also Carbon Capture and Storage-Technologie).
    • Als zusätzlicher Beitrag zum “breiteren gesellschaftlichen Wandel hin zu Netto-Null”, aber jenseits der eigenen Wertschöpfungskette (Beyond Value Chain Mitigation).

    Vorangegangen war dem Bericht ein monatelanges Kräftemessen. Vordergründig ging es um die Pros und Contras von Carbon Credits – eigentlich aber um Unterschiede in der europäischen und der US-amerikanischen Klimapolitik.

    Internes Ringen und Aufstand in der SBT-Initiative

    Im April veröffentlichte die Führung der SBTI überraschend ein Statement, dass man künftig verschiedene Arten von CO₂-Zertifikaten zulassen wolle. Der Protest folgte schnell: In einem offenen Brief warfen technische Mitarbeiter ihrer Führung vor, damit Kompetenzen überschritten zu haben. Der CEO ist mittlerweile zurückgetreten.

    Im Raum stand dabei auch die Frage, ob die Führung der SBTI auf Druck von ihrem Geldgeber und der US-Regierung gehandelt hatte. Der Bezos Earth Fund (BEF), die Umweltstiftung des Amazon-Milliardärs Jeff Bezos, finanziert die SBTI mit 20 Millionen US-Dollar. Das State Department der USA und der BEF gelten als Verfechter von Carbon Credits: Zusammen haben sie den Energy Transition Accelerator aufgelegt, der Carbon Credits für Milliarden Dollar generieren soll, durch Förderung Erneuerbarer Energie in Entwicklungs- und Schwellenländern.

    Kritik jetzt auch vom WWF

    Eine Partei hielt sich dabei bedeckt: Der WWF, der die SBTI mit gegründet hat und personell unterstützt, teils in Schlüsselpositionen. Obwohl er selbst auf dem Kompensationsmarkt tätig ist, ist seine Haltung zu Carbon Credits ambivalent. Im Juli äußerte er sich jedoch überraschend kritisch: Abgesehen von wenigen Ausnahmen unterstützte er Carbon Credits für Klimaziele von Unternehmen nicht, da sie “Bemühungen von den Investitionen und Innovationen ablenken würden, die für systemische Veränderungen” notwendig seien.

    Streitpunkt ist das sogenannte Scope 3, also indirekte Emissionen, etwa bei der Verwendung der Produkte eines Unternehmens. Diese Emissionen zu erfassen und zu reduzieren, ist komplex. Zu komplex, sagen Befürworter von Carbon Credits. Sie wollen nicht-reduzierbare Scope 3-Emissionen lieber kompensieren und dabei noch den Ländern im Globalen Süden durch diese Einnahmen finanziell helfen.

    “Wir sind jetzt in einer Phase, in der wir anerkennen müssen, dass die Transformation und damit die Reduktion von Scope 3 schwierig ist”, räumt auch Sebastian Öttl ein, Leiter nachhaltiger Unternehmensentwicklung beim WWF Deutschland: “Vielleicht braucht es bei Scope 3 andere Formen der Zielsetzung, andere Mechanismen der Zielerreichung und auch eine andere Toleranz für Fehler.” Der WWF will aber nicht, dass stattdessen kompensiert wird: “Wir wollen mit SBTI Unternehmen befähigen, Emissionen in ihrer Wertschöpfungskette zu reduzieren und die Transformation ihrer Märkte voranzutreiben”, so Öttl. Man sieht SBTI als Innovationstreiber. Kompensation würde aus dieser Sicht nur vom eigentlichen Problem abhalten.

    US-Regierung setzt auf Credits für Finanzierung

    Ganz anders ist der Blick auf diese Frage in den USA. Die Biden-Regierung wirbt dafür, dass Unternehmen “hoch integre Carbon Credits” verwenden. Denn ein allgemeiner Emissionshandel oder eine CO₂-Steuer sind in den USA politisch aussichtslos. Die Credits könnten auch Geld in den Globalen Süden umlenken, das durch die politische Blockade im US-Kongress nicht fließt.

    “Deshalb diese pragmatische, etwas resignierte Hinwendung zu einem Instrument, das nicht einer Haushaltsbewilligung bedarf”, meint Michael Mehling vom Center for Energy and Environmental Policy Research am Massachusetts Institute of Technology (MIT). Die US-Regierung könnte einem Teil der Kritik begegnen, dass sie wenig Geld für die internationale Klimafinanzierung aufbringt, wenn sie Firmen motiviert, sich freiwillig den Klimazielen von SBTI zu fügen und CO₂-Zertifikate für Waldschutz oder Windräder im Globalen Süden zu kaufen.

    Das würde auch das Lobbying von John Kerry und des US-Außenministeriums (State Department) erklären, von dem die Financial Times berichtet, die SBTI dazu zu bewegen, Carbon Credits zu akzeptieren – trotz aller Kritik an der Zuverlässigkeit der Zertifikate.

    Gratwanderung der SBTI

    “Ich denke nicht, dass sie beim State Department zynisch denken, dass das alles Schmarrn ist”, sagt Mehling: “Man hat die Hoffnung, dass wenn man Carbon Credits richtig überwacht, mit ausreichend stringenten Regeln, dass dann die Vorteile die Risiken überwiegen.”

    Offen ist, wie die USA reagieren, wenn die SBTI das anders sieht. Die Organisation befindet sich auf einer Gratwanderung. Ist der Standard zu schwach, zertifiziert sie Greenwashing. Ist er zu strikt, steigen womöglich vor allem US-Unternehmen aus. Dabei ist gerade das die Stärke der SBTI: Je mehr große Unternehmen dabei sind, desto mehr kleinere müssen ebenfalls mitmachen, um einander beim Erreichen der Klimaziele zu unterstützen.

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    Methan: Wie neue Satelliten Verschmutzer aufspüren sollen

    Mit diesem Satelliten (Modellfoto) will eine NGO zu mehr Transparenz über Methan-Emissionen beitragen. Die Daten sollen kostenfrei zur Verfügung gestellt werden.
    Mit diesem Satelliten (Modellbild) will eine NGO zu mehr Transparenz über Methanemissionen beitragen. Die Daten sollen kostenfrei zur Verfügung gestellt werden.

    Es ist ein weiteres Warnsignal in der Klimakrise: Die globalen Methanemissionen sind seit 2020 rapide gestiegen, wie eine neue Studie zeigt. Das Wachstum des sehr starken Treibhausgases übersteigt die Prognosen “bei weitem”, wie die Wissenschaftler warnen. Der rapide Anstieg in den letzten Jahren gehe vor allem auf den fossilen Energiesektor und steigende Emissionen aus Feuchtgebieten zurück. Solche Klimawarnsignale sollen mit zwei neuen Satellitenprogrammen in Zukunft noch früher identifiziert werden. Die beiden Erdtrabanten von zwei NGOs sollen zeigen, welche Staaten und Öl- und Gaskonzerne besonders große Methanaustritte verursachen oder zu wenig gegen das Ausströmen des Treibhausgases unternehmen. Die Satellitendaten sollen im Herbst kostenfrei veröffentlicht werden und Regierungen, Medien und Umweltschützern als Druckmittel gegen Verschmutzer dienen. Eine bessere Datengrundlage und höhere Transparenz gelten als Bedingung, damit neue EU- und US-Regulierungen überhaupt wirksam werden können.

    Die erste große Hürde ist überwunden: Der Satellit MethaneSat wurde im März 2024 in eine Umlaufbahn geschossen. Derzeit wird der Erdtrabant – von der Größe einer Waschmaschine – kalibriert, um bald erste Daten über Methanlecks zu sammeln. Der Satellit des Environmental Defense Fund (EDF) und ein neues Satellitenpaar von der Carbon Mapper Coalition sollen den Kampf gegen Methanlecks voranbringen. Auf kurze Sicht ist Methan 80-mal klimaschädlicher als CO₂ und für 30 Prozent der globalen Erwärmung verantwortlich. Die Reduktion der Methanemissionen gilt als effektivste Option, um die globale Erwärmung einzudämmen.

    Erstmals schicken NGOs Methansatelliten ins All

    Die Satelliten sind ein Novum: Erstmals haben Non-Profit-Organisationen Erdtrabanten in den Orbit geschickt, um zu mehr Transparenz über Methanemittenten beizutragen. MethaneSat soll einerseits einen breiten Blickwinkel haben und Methanaustritte in fossilen Fördergebieten, Regionen und auf Staatenebene hochauflösend sichtbar machen. Laut MethaneSat-Homepage kann der Satellit “die unzähligen kleinen Emissionen aufspüren, die andere Satelliten heute nicht sehen können”. Neben dem weiten Blickfeld soll der Satellit auch große Emissionen bei konzentrierten Punktquellen aufspüren.

    Die beiden Tanager-Satelliten von Carbon Mapper sollen Methan- und CO₂-Lecks auf der Ebene einzelner Anlagen wie Pipelines, Raffinerien, Kraftwerke oder Mülldeponien aufspüren und quantifizieren. Ihre Instrumente erkennen auch kleinere Lecks als jene von MethaneSat. Die Auflösung soll bei 30 Metern liegen. Zukünftig soll sogar ein ganzer Schwarm von Tanager-Satelliten fast täglich bis zu 90 Prozent der weltweiten größeren Emissionsquellen überwachen. Der genaue Blick von Tanager könnte den Betreibern von fossiler Infrastruktur helfen, Lecks schnell ausfindig zu machen und zu schließen.

    DLR-Expertin: Satelliten bieten deutlichen Mehrwert”

    Laut Anke Roiger vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) versprechen die Daten von MethaneSat “einen deutlichen Mehrwert” zu bisherigen Satellitenmessungen. Der Ansatz des EDF ermögliche der DLR-Abteilungsleiterin für Atmosphärische Spurenstoffe zufolge eine “bessere Gesamtemissionseinschätzung für regionale Emissionen”. Laut Ralf Sussmann vom Karlsruhe Institute of Technology (KIT) wäre es aber übertrieben, den EDF-Satelliten aus technischer Sicht als “Gamechanger” zu bezeichnen, wie es EDF tut. Auch andere Satelliten hätten schon ähnliche Fähigkeiten gehabt, so der Leiter der KIT-Arbeitsgruppe Atmospheric Variability and Trends.

    Die größte Stärke der Non-Profit-Satelliten soll in der Verfügbarkeit der Daten liegen. EDF will seine Daten der Industrie, Regierungen, Investoren und der Öffentlichkeit ab Anfang 2025 kostenlos zur Verfügung stellen. “Die Verschmutzer können sich nicht mehr verstecken”, so das Versprechen der NGO. Das sei wichtig, weil es in einigen Regionen keine zuverlässigen Möglichkeiten zur Messung der Methanemissionen gäbe und einige Staaten solche Messungen schlicht verbieten würden.

    Mehr Transparenz soll Regulierungen vorantreiben

    Laut EDF wollen die EU-Kommission, mehrere US-Staaten und die US-Umweltschutzbehörde (EPA) die Daten von MethaneSat nutzen. Die EU könnte mit den Daten beispielsweise die Einhaltung der Methanregulierung kontrollieren, die im April 2024 verabschiedet wurde. Die Regulierung schreibt europäischen und außereuropäischen Produzenten und Importeuren die Einhaltung und Überwachung bestimmter Grenzwerte vor. Die Satelliten liefern unabhängige Daten und erhöhen somit den Druck auf die regulierten Unternehmen, den Vorschriften nachzukommen.

    Gleiches gilt für die USA. Ab 2025 müssen Öl- und Gasunternehmen Strafen zahlen, wenn ihre Produktion und die Weiterverarbeitung zu hohe Methanaustritte zulässt. Genaue Satellitendaten können zur Überwachung dieser Vorschriften beitragen. Warum das wichtig ist, zeigen neue Daten des Environmental Defense Fund. Demnach stoßen US-Öl- und Gasvorkommen viermal mehr Methan aus als die US-Umweltschutzbehörde (EPA) bisher angenommen hatte. Der EDF und Partnerorganisationen hatten dafür zwölf große Öl- und Gasfelder mit einem Flugzeug mit Methan-Messinstrumenten überwacht. Satelliten würden diesen Prozess automatisieren und könnten viel mehr Daten liefern.

    Auch freiwillige Industriezusammenschlüsse wie die Oil and Gas Decarbonisation Charter, die auf der COP28 beschlossen wurde, können die Satellitendaten nutzen, um den eigenen Fortschritt zu kontrollieren. Ebenso können unabhängige Dritte die Daten nutzen, um die Unternehmen rechenschaftspflichtig zu halten.

    Profitieren könnte auch die UNO und ihr Methane Alert and Response System (MARS), das auf der COP27 vorgestellt wurde. Mit dem MARS-Programm will das UN-Umweltprogramm (UNEP) für mehr Transparenz über Methanemissionen sorgen. Über mehrere Satelliten werden Methanaustritte lokalisiert und die verantwortlichen Unternehmen und Regierungen informiert. Nach 45 bis 75 Tagen sollen die Daten dann veröffentlicht werden – ebenso wie Antworten der Regierungen oder Unternehmen auf die UN-Hinweise über Methanlecks. Dadurch soll öffentlicher Druck entstehen, der die Verantwortlichen zu schnellerem Handeln bewegt. Allerdings beruht MARS bisher auf Satelliten, die lediglich “sehr große Lecks ausfindig machen können”, wie Anke Roiger vom DLR sagt. Mit MethaneSat und den Tanager-Satelliten sollen hingegen auch kleinere Lecks aufgespürt werden können, was das MARS-Programm weiter voranbringen könnte. Der EDF und die UNO haben dazu schon eine Kooperation abgeschlossen.

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    • Treibhausgase

    Termine

    4. bis 9. August, China
    Kongress 17th International Peat Congress
    Der 17. International Peat Congress findet in Taizhou, China, statt. Er bringt Experten aus verschiedenen Bereichen zum Thema Moorschutz zusammen. Es geht auch um die Rolle von Mooren im Klimawandel. Info

    5. August, 9 Uhr, Berlin
    Boots-Exkursion Klimapolitik in urbanen Räumen
    Die Klimakrise in Berlin und der Umbau zur Schwammstadt – das möchte die Rosa-Luxemburg-Stiftung auf einer Boots-Exkursion durch Berlin zeigen. Info

    5. August, 19 Uhr, Online
    Webinar Fossile Energie und Klimwandel – Wie akut ist die Lage?
    Der Bedarf an fossiler Energie scheint nicht abnehmen zu wollen, und das trotz der bereits sichtbaren Folgen des Klimawandels. Zusammen mit Nils Bartsch von der NGO Urgewald will sich die Friedrich-Naumann-Stiftung in diesem Webinar darum näher mit der Öl- und Gasindustrie beschäftigen. Info

    7. August, 10 Uhr, Online
    Webinar Arbeit(sschutz) und kommunales Klimaanpassungsmanagement – Was öffentliche Einrichtungen mitdenken sollten
    Das Zentrum für Klimaanpassung führt dieses Webinar durch. Es soll unter anderem diskutiert werden, wie Arbeitsschutz, Klimawandel und Gesundheit zusammenhängen. Auch gibt es Einblicke in den Gesundheitsreport “Arbeitswelt im Klimawandel”.  Info

    7. August, 16 Uhr, Online
    Webinar Discovering Data on Net-Zero Commitments
    Auf dem Webinar vom World Ressources Institute mit Vertretern von Net Zero Tracker wird darüber diskutiert, wie man die Net-Zero-Ziele von Ländern oder Firmen bewerten und überprüfen kann. Info

    7. August, 17 Uhr, Online
    Webinar Dachbegrünung – für ein besseres Klima am eigenen Haus
    Dachbegrünung kann für ein besseres Mikroklima in Häusern sorgen und gleichzeitig dabei helfen, Kohlenstoff zu binden. Die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen richtet dieses Webinar aus. Es soll praktische Tipps dazu geben, wie Dachbegrünung umgesetzt werden kann.  Info

    8. August, 15 Uhr, Online
    Webinar Mobilizing Impact: How GFW Drives Innovation and Collaboration to Combat Deforestation
    Die Datenbank Global Forest Watch macht es möglich, Entwaldung weltweit gut nachzuvollziehen. Auf dem Webinar des World Ressources Institute wird darüber diskutiert, wie die Daten genutzt werden können, um auf die Probleme durch Abholzung aufmerksam zu machen.  Info

    News

    Klima in Zahlen: Hitze in den Städten

    Wie sich Städte sinnvoll an heißere Sommer anpassen können, wird gerade an mehreren Stellen intensiv debattiert. Eine Übersicht der Deutschen Umwelthilfe (DUH) bescheinigt vielen deutschen Städten mit über 50.000 Einwohnern, auf hohe Temperaturen nicht ausreichend vorbereitet zu sein. Zugleich legt das Bundesbauministerium eine “Strategie für Hitzeschutz” vor, welche die bisherigen Maßnahmen zusammenfasst und Aufgaben definiert, um Ortschaften zu kühlen und die Bevölkerung dadurch zu schützen. Neue Finanzmittel sind für die Strategie allerdings nicht eingeplant, teilt das Ministerium auf Anfrage von Table.Briefings mit.

    Die DUH hat 190 deutsche Städte anhand von Luftbildern darauf untersuchen lassen, wie viele Flächen versiegelt sind und wie viel Grün es in der Stadt gibt. Ergebnis: 24 Städte bekamen eine “rote Karte”, weil sie zu viele versiegelte Abschnitte und zu wenige Grünflächen ausweisen. Eine grüne Karte für ausreichend Grün und freie Flächen bekamen insgesamt 84 Orte, 82 Städte wurden mit einer “gelben Karte” verwarnt, weil sie entweder zu stark versiegelt sind oder zu wenig Grün besitzen.

    Die DUH fordert als Konsequenz ein “rechtlich verbindliches Ziel, um bis 2035 die Versiegelung in den Städten zu stoppen”, so Geschäftsführerin Barbara Metz. Nötig seien auch bundesweite Standards, etwa zur Begrünung von Schulhöfen. “In Zeiten der Klimakrise brauchen unsere Städte unversiegelte Böden zur Versickerung von Wasser und Grünflächen zur Kühlung.”

    Täglich verschwinden 50 Hektar Boden unter Beton

    In Deutschland werden täglich im Schnitt etwa 50 Hektar Oberfläche versiegelt. Das ist im Jahr knapp die Fläche von Hannover und weit mehr als in der Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesregierung offiziell beschlossen wurde: Bis 2030 soll demnach die Versiegelung auf unter 30 Hektar zurückgehen und 2050 bei netto Null liegen.

    Einen Tag vor dem DUH-Test hatte das Bundesbauministerium in seiner “Strategie für Hitzeschutz” ebenfalls Vorschläge zur Kühlung von Städten vorgelegt. Darin empfiehlt es mehr Parks, Straßenbäume und grüne Dächer, um “Hitzeinseln” zu verhindern. Schon bei Städteplanung und Bau sollte darauf geachtet werden, genügend freien Boden zur Wasserspeicherung zu garantieren. Sensible Bereiche wie Plätze und Spielplätze könnten verschattet werden, kühle Gebäude wie Kirchen und Museen sollten offen sein. “Wer frisches Geld aus unseren Förderprogrammen will, muss Klimaanpassung mitdenken”, so Bundesbauministerin Klara Geywitz.

    Der Sozialverband Deutschland fordert, besonders betroffene Gruppen wie Ältere, Kinder und Menschen mit Behinderungen sowie Bewohner in schlecht isolierten Gebäuden besser zu schützen. Bund, Länder und Kommunen müssten dafür zusammenarbeiten.

    Die Hitze hat noch andere Auswirkungen auf die Gesundheit: Hohe Temperaturen lassen vor allem in den Innenstädten die Ozonwerte deutlich steigen, warnt eine aktuelle Übersicht des EU-Satellitendienstes Copernicus. Das aggressive Gas beeinträchtigt die Lungenfunktion, vor allem bei Kindern, alten und kranken Menschen. In dieser Woche werden Überschreitungen des EU-Grenzwerts vor allem in Paris, den Benelux-Staaten und Deutschland erwartet. bpo

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    Warum die Schäden durch Naturkatastrophen steigen

    Überschwemmungen, Unwetter und weitere Naturkatastrophen haben im ersten Halbjahr 2024 weltweite Schäden von insgesamt 120 Milliarden US-Dollar angerichtet. 4.500 Menschen kamen durch die Katastrophen ums Leben. Die Schäden sind laut Rückversicherer Munich Re zwar niedriger als im ersten Halbjahr 2023, aber höher als sowohl im zehnjährigen als auch im dreißigjährigen Schnitt. “Wenn man das in einen längeren Zeitraum einordnet, sind die Gesamtschäden deutlich steigend“, sagt Chefklimatologe Ernst Rauch. Für Versicherungsunternehmen wie die Munich Re bedeutet die Entwicklung höhere Kosten, denn sie müssen zunehmend hohe Auszahlungen für Schäden leisten.

    Laut Munich Re waren im ersten Halbjahr 2024 mit 62 Milliarden US-Dollar etwas mehr als die Hälfte der Gesamtschäden versichert. Teuerstes Ereignis war das Neujahrs-Erdbeben der Stärke 7,5 in Japan, das geschätzte Gesamtschäden von rund 10 Milliarden US-Dollar verursachte. Im ersten Halbjahr 2023 waren die weltweiten Gesamtschäden durch Naturkatastrophen mit 140 Milliarden US-Dollar höher, die versicherten Schäden hingegen mit 60 Milliarden US-Dollar etwas niedriger. Ein Grund dafür war das verheerende Erdbeben in der Türkei und Syrien im Februar 2023 mit mehr als 50.000 Todesopfern. In der Region sind nur wenige Menschen und Firmen gegen Naturkatastrophen versichert.

    Schwere Hurrikansaison erwartet

    Der Zehnjahresdurchschnitt der volkswirtschaftlichen Schäden liege bei knapp unter 90 Milliarden US-Dollar, sagt Munich-Re-Chefklimatologe Rauch. “Die Summen der versicherten Schäden zeigen die Tendenz noch deutlicher: den 62 Milliarden Dollar im ersten Halbjahr dieses Jahres stehen im Zehnjahresdurchschnitt nur 37 Milliarden gegenüber. Wir sehen also fast schon eine Verdopplung.”

    Dass die Schäden im längerfristigen Schnitt steigen, hängt mit der steigenden Häufigkeit und Stärke von Unwettern und damit indirekt mit dem Klimawandel zusammen. Rauch nannte zwei Auffälligkeiten in der ersten Jahreshälfte:

    • Die Überschwemmungen in Bayern, Baden-Württemberg und auch “in Ländern, in denen große Überschwemmungen atypisch sind wie die Vereinigten Arabischen Emirate, vor allem Dubai, aber auch angrenzende Regionen wie Oman”. Um überhaupt vergleichbare Ereignisse zu finden, müsse man in der Statistik 70 Jahre zurückgehen.
    • Die vielen schweren Unwetter in den USA, wo von Anfang Januar bis Ende Juni allein 1.250 Tornados gezählt worden seien.

    Für das zweite Halbjahr wird der Verlauf der Hurrikansaison im Nordatlantik eine große Rolle spielen. Sie könnte in diesem Jahr aufgrund der ungewöhnlich hohen Wassertemperaturen und dem Beginn einer La-Niña-Phase – der Gegenbewegung, die auf El Niño folgt – schwerer ausfallen als sonst. dpa/ae

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    Energieverbrauch: So viel Einfluss hat das milde deutsche Wetter

    Der Energieverbrauch in Deutschland ist von Januar bis Juni 2024 weiter gesunken. Wie vorläufige Berechnungen der Arbeitsgemeinschaft (AG) Energiebilanzen zeigen, lag er um 3,4 Prozent unter dem vergleichbaren Vorjahreswert. In absoluten Zahlen wurden 5.428 Petajoule (PJ) beziehungsweise 185,2 Millionen Tonnen Steinkohleneinheiten (SKE) verbraucht.

    Grund dafür sei vor allem die milde Witterung: Ohne die vergleichsweise hohen Temperaturen “wäre der Energieverbrauch in Deutschland nur um etwa 1,5 Prozent gesunken”, teilt die AG Energiebilanzen mit. “Aber auch die verhaltene Entwicklung des gesamtwirtschaftlichen Umfelds schlägt sich weiterhin in einer rückläufigen Entwicklung des Energieverbrauchs nieder.”

    Aufgrund der “deutlich erkennbaren Veränderungen in der Struktur des Energieverbrauchs” erwartet die AG Energiebilanzen eine “Einsparung der energiebedingten CO₂-Emissionen um 17 Millionen Tonnen”. Rund sieben Millionen Tonnen davon seien allerdings der wärmeren Witterung zuzurechnen.

    Mehr Flugbenzin, mehr Steinkohle für Stahl – und mehr Erneuerbare

    Die Entwicklung der Energieträger im Einzelnen:

    • Der Verbrauch von Mineralöl stieg leicht um 0,4 Prozent – dahinter steckt vor allem ein um 7,2 Prozent höherer Absatz von Flugbenzin.
    • Der Erdgasverbrauch nahm um 0,7 Prozent zu – weil die Nachfrage durch den Schalttag am 29. Februar stieg, und weil die produzierende Industrie und Strom- sowie Wärmekraftwerke insgesamt mehr Erdgas nachfragten.
    • Der Verbrauch von Braun- und Steinkohle fiel jeweils um 18,7 Prozent. Das liegt in erster Linie daran, dass die Stromerzeugung aus Kohle stark zurückgeht – der Einsatz von Steinkohle in der Eisen- und Stahlindustrie hingegen nahm um 2,7 Prozent zu.
    • Der Beitrag von erneuerbaren Energien stieg um ein Prozent – insbesondere aufgrund einer um sieben Prozent höheren Stromproduktion aus Wasser, Wind und Solar. Wegen der milden Temperaturen sank die Wärmeerzeugung aus Erneuerbaren hingegen um fünf Prozent. ae
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    Erneuerbare: Mehr Strom als aus Fossilien

    Im ersten Halbjahr 2024 wurde in der EU erstmals mehr Strom aus erneuerbaren als aus fossilen Energiequellen hergestellt. Wind- und Solarenergie steuerten 30 Prozent der europäischen Stromerzeugung bei. Der Anteil der Fossilen lag bei 27 Prozent, 17 Prozent unter dem Wert des vergleichbaren Vorjahreszeitraums. Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle Studie des Thinktanks Ember.

    Der Rückgang der fossilen Energien geht demnach hauptsächlich auf den Ausbau von Wind- und Solarenergie zurück. Daneben haben auch das milde Wetter und die gute Performance der Wasserkraft dazu beigetragen. Ember stuft die Wasserkraft nicht als erneuerbare Energiequelle ein. Besonders stark gefallen ist laut Ember die Nutzung von Kohle (minus 24 Prozent), aber es wurde auch weniger Gas genutzt (minus 14 Prozent).

    Neben der EU insgesamt produzierten auch 13 Mitgliedsländer zuletzt mehr Strom aus Erneuerbaren als aus Fossilen. Besonders gut schnitt Spanien ab: Das Land produzierte im Mai erstmals mehr als 50 Prozent seines Stroms aus Wind- und Solarkraft. Erst am Montag autorisierte die spanische Regierung weitere 300 erneuerbare Projekte. Sie haben zusammen eine Kapazität von 28 Gigawatt und es werden mehr als 17 Milliarden Euro investiert. Darunter ist auch ein Wasserkraftprojekt. Wie nachhaltig Wasserkraft ist, ist allerdings umstritten. kul

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    Hitze am Mittelmeer: So viel hat der Klimawandel beigetragen

    Der menschengemachte Klimawandel hat die extrem hohen Temperaturen erst ermöglicht, die im Juli rund um das Mittelmeer aufgetreten sind. Ohne ihn wäre die Hitzewelle bis zu 3,3 Grad Celsius kühler ausgefallen. Das sind die wichtigsten Ergebnisse einer neuen Schnellanalyse der Forschungsgruppe World Weather Attribution (WWA). “Einst unmöglich, sind diese Hitzewellen aufgrund der vom Menschen verursachten Erwärmung inzwischen relativ häufig und werden voraussichtlich einmal pro Jahrzehnt auftreten”, schreiben die Forschenden außerdem. “Bei weiterer Erwärmung werden sie noch häufiger.”

    Im Juli waren in Griechenland, Italien, Spanien, Portugal, Frankreich und Marokko extrem hohe Temperaturen gemessen worden. Laut WWA starben aufgrund der Hitze mindestens 23 Menschen. Bei den Olympischen Spielen in Paris seien die Temperaturen am Dienstag auf 35 Grad gestiegen, sagte die Attributionsforscherin Friederike Otto vom Imperial College London: “Wäre die Atmosphäre nicht mit Emissionen aus der Verbrennung von fossilen Treibstoffen überladen, wäre Paris um etwa drei Grad kühler und für den Sport viel sicherer. Viele Menschen am Mittelmeer verfügen allerdings nicht über den Luxus von Eispackungen, Klimaanlagen oder Arbeitspausen, um sich abzukühlen. Für diese Menschen kann extreme Hitze tödlich sein.”

    Schon im vergangenen Jahr zeigten WWA-Analysen zu Hitzewellen im Mittelmeerraum sowie Europa und andernorts, dass der menschengemachte Klimawandel die Hitzewellen heißer und tödlicher werden lässt. In vielen Regionen seien die extrem hohen Temperaturen ohne die durch die Verbrennung fossiler Energien verursachte Erwärmung nicht möglich, so die Forschungsgruppe. ae

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    Fernwärme: Neue Verordnung soll Preistransparenz und Kundenrechte stärken

    Das Bundeswirtschaftsministerium reagiert auf die Kritik an der Preis- und Vertragsgestaltung von Fernwärme-Anbietern. Diese müssen ihre Preise künftig nach einem einheitlichen Verfahren aufgeschlüsselt darstellen und Musterrechnungen für typische Kundenprofile vorlegen. Preiserhöhungen müssen anhand vorgegebener Kriterien nachvollziehbar belegt werden. Das geht aus dem Entwurf für eine Reform der Fernwärme-Verordnung hervor, die Table.Briefings vorliegt.

    Zudem können Kunden den Fernwärme-Bezug künftig leichter anpassen. Die Erstlaufzeit eines Fernwärme-Vertrags wird zwar, anders als teilweise gefordert, nicht reduziert, sondern bleibt bei zehn Jahren. Anschließend darf sich der Vertrag anders als bisher nicht mehr stillschweigend um jeweils fünf Jahre verlängern, sondern nur um zwei. Darüber hinaus können Kunden die bezogene Fernwärmemenge reduzieren, wenn ihr Energiebedarf durch Sanierungen sinkt oder sie andere klimafreundliche Heizmöglichkeiten nutzen. Lediglich in sehr kleinen Wärmenetzen, deren Wirtschaftlichkeit andernfalls gefährdet würde, sind Ausnahmen von dieser Regelung möglich.

    Fernwärme-Betreiber dürfen Öko-Angebote künftig gesondert vermarkten. Zwar sind sie gesetzlich ohnehin verpflichtet, die Wärmeerzeugung schrittweise auf erneuerbare Energien umzustellen. Um dafür zusätzliche Anreize zu geben, können die Anbieter klimafreundlich erzeugte Wärme künftig mit gesonderten Verträgen zu höheren Preisen verkaufen; etwa an Firmen, die damit ihre CO₂-Bilanz verbessern wollen. Der Entwurf geht nun zunächst in die Länder- und Verbändeanhörung; nach der Sommerpause soll er zunächst vom Kabinett und anschließend von Bundestag und Bundesrat beschlossen werden. mkr

    E-Mobilität: Warum Agora Verkehrswende vor Importzöllen warnt

    Will die Bundesregierung ihr Ziel von 15 Millionen Elektroautos bis 2030 erreichen, ist Deutschland auf chinesische Hersteller angewiesen. Das zeigt eine Studie der Denkfabrik Agora Verkehrswende und der Strategieberatung Boston Consulting Group (BCG). Mit seinem aktuellen Kurs werde Deutschland die Zielmarke um rund sechs Millionen Fahrzeuge verfehlen.

    Die Autoren kritisieren insbesondere die höheren Importzölle, die die EU auf Elektroautos aus China erheben will. Sie würden zu höheren Preisen für Kunden führen und die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Automobilindustrie gefährden. “Wer Klimaziele erreichen und den Automobilstandort Deutschland langfristig sichern will, sollte sich für einen schnellen Hochlauf der Elektromobilität unter Einbeziehung chinesischer Unternehmen einsetzen”, fordert Christian Hochfeld, Direktor von Agora Verkehrswende.

    “Das mag auf den ersten Blick paradox klingen, aber ein schneller Strukturwandel zu Elektromobilität trägt auch zu mehr Souveränität und Wettbewerbsfähigkeit gegenüber China bei”, sagte Hochfeld. Aber gerade im Bereich niedrigpreisiger Kleinfahrzeuge könnten chinesische Produkte helfen, den Markthochlauf für E-Autos in Europa zu beschleunigen.

    Hochfeld plädiert zugleich für eine “rasche Ansiedlung chinesischer Unternehmen in Europa nach gemeinsamen Spielregeln”. Dies würde mehr Wertschöpfung bringen als Importe. Damit biete sich die Gelegenheit, in Technologiebereichen wie der Batterie durch Kooperationen Entwicklungsrückstände aufzuholen. flee

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    Übermäßige Hitze: Mehr Arbeitskräfte in Europa und Zentralasien betroffen

    Ein Temperaturrekord jagt den nächsten. Am 21. Juli war erneut der heißeste Tag seit Beginn der Wetteraufzeichnung. Die Folgen treffen auch Arbeitskräfte rund um den Globus immer stärker. Ein Bericht der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) zeigt, dass inzwischen in Europa und Zentralasien deutlich mehr Arbeitnehmende betroffen sind. Zwischen 2000 und 2020 stieg demnach in Europa und Zentralasien die Zahl der Arbeitskräfte, die übermäßiger Hitze ausgesetzt sind, um rund 17 Prozent. Global lag der Zuwachs bei fast neun Prozent.

    Auch der Anteil von Arbeitsunfällen, die auf hohe Temperaturen zurückzuführen sind, stieg im gleichen Zeitraum in Europa und Zentralasien deutlicher als in anderen Regionen – um mehr als 16 Prozent. Auf dem amerikanischen Kontinent hat sich die Zahl solcher Arbeitsunfälle um ein Drittel erhöht. Laut ILO könnte das damit zu tun haben, dass Arbeitskräfte in Regionen mit bisher niedrigeren Temperaturen weniger an Hitze gewöhnt sind.

    Weltweit 2,4 Milliarden Vollzeitkräfte übermäßiger Hitze ausgesetzt

    Gleichzeitig leiden in keiner Region anteilig weniger Arbeitnehmer unter Hitze als in Europa und Zentralasien. Während es dort 29 Prozent sind, haben in Afrika fast 93 Prozent der Arbeiter mit übermäßiger Hitze zu kämpfen. In allen anderen Weltregionen sind es mindestens 70 Prozent. In absoluten Zahlen beträgt der Anstieg an unter Hitze leidenden Arbeitskräften weltweit fast 35 Prozent. Waren 2000 nur 1,8 Milliarden Vollzeitkräfte betroffen, waren es 2020 rund 2,4 Milliarden.

    Die ILO fordert daher vor allem, dass Präventions- und Kontrollstrategien für Hitzestress in der Arbeitswelt dringend verstärkt werden müssen. Ein wichtiger Teil davon seien angepasste Regeln und Maßnahmen, die sich nach den Bedingungen in den verschiedenen Sektoren und je nach Tätigkeitsort (drinnen oder draußen) der Arbeitskräfte richten. Priorität sollten der soziale Dialog sowie die internationale, zwischenstaatliche und sektorübergreifende Zusammenarbeit haben. Würden alle Schutzmaßnahmen umgesetzt, könnte die Ersparnis 361 Milliarden US-Dollar betragen, schätzt die ILO. nh

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    Windenergie-Aktionsplan: Wie die EIB die Branche stärkt

    Europäische Hersteller von Windenergieanlagen profitieren ab sofort von besseren Finanzierungsbedingungen durch die Europäische Investitionsbank. Die EIB habe am Mittwoch eine erste Rückbürgschaft an die Deutsche Bank in Höhe von 500 Millionen Euro vergeben, wie die EIB mitteilte. Durch die Rückbürgschaft sollen die Hersteller ihre hohen Auftragsbestände leichter abarbeiten können, was den Ausbau der Windenergie absichern und beschleunigen soll.

    Zum ersten Mal setzt die EIB damit eine Maßnahme aus dem Windkraft-Aktionsplan der EU-Kommission von Oktober 2023 um. Insgesamt will die EIB fünf Milliarden Euro für Rückbürgschaften in der Windindustrie bereitstellen. Allein durch die nun beschlossene erste Tranche würden private Investitionen in Höhe von acht Milliarden Euro gehebelt.

    Mit der Rückbürgschaft von 500 Millionen Euro wird die Deutsche Bank nach Angaben der EIB Garantien in Höhe von einer Milliarde Euro stellen: “Die Hersteller können somit ihre Lieferanten im Voraus bezahlen, beispielsweise für Komponenten wie Turbinen, Netzanschlussinfrastruktur, Kabel und Spannungswandler.” Der Verband WindEurope begrüßte den Schritt. “Die Unterstützung der EIB wird die europäische Windenergieindustrie weiter stärken und sicherstellen, dass wir die Windenergiemengen liefern können, die Europa braucht”, sagte Phil Cole, Direktor für Industrieangelegenheiten. ber

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    Climate.Table Redaktion

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