Table.Briefing: Climate

SB58: Heiße Eisen in Bonn + Messner: “CCS kein Gamechanger” + Senegal: Erneuerbare statt Gas

Liebe Leserin, lieber Leser,

wie schnell doch so ein halbes Jahr vergeht: Gefühlt ist die COP27 in Ägypten gerade erst vorbei, da ist es auch schon wieder Zeit für die Zwischenkonferenz SB58 in Bonn. Die Delegationen, Experten und Lobbyisten der verschiedenen Richtungen haben sich seit Sharm el Sheikh ohnehin praktisch dauernd getroffen, gemailt, gezoomt und verhandelt. Jetzt sitzen sie wieder in Person zusammen und versuchen, die größten Hindernisse auf dem Weg nach Dubai ein bisschen zu bewegen.

Das wird nicht einfach. Denn der Druck nimmt von allen Seiten zu: Mehr Klimaextreme, mehr Druck für einen Ausstieg aus den Fossilen, aber auch mehr Gegendruck der Länder und Unternehmen, die darauf ihr Geschäftsmodell gründen. Dazu kommen all die ungelösten Fragen nach Verantwortung des globalen Nordens, nach Finanzierung der globalen Energiewende. Und all das gipfelt nun in einer Bilanz, dem “Global Stocktake”, der in den nächsten Monaten zur entscheidenden Auseinandersetzung wird: Welche Lehren zieht die Staatengemeinschaft daraus, dass die Pariser Ziele bislang nicht ernst genommen werden?

Climate.Table ist in Bonn, wir berichten mit dieser Sonderausgabe und die ganzen zwei Wochen regelmäßig vom Ort des Geschehens. Vielleicht sehen wir uns da, oder aber wir versorgen Sie mit den wichtigsten Nachrichten.

Viel Spaß beim Lesen und behalten Sie einen langen Atem!

Ihr
Bernhard Pötter
Bild von Bernhard  Pötter

Analyse

Klima-Zwischenkonferenz in Bonn: Die wichtigsten Streitpunkte der SB58

Klimakonferenz Bonn 2022
Protest hat Tradition: Klimaaktivisten bei den Bonner Verhandlungen 2022.

Die Zeit drängt, diesmal noch mehr als sonst: Bei der diesjährigen “kleinen COP” in Bonn werden abends die Türen schon um 18 Uhr geschlossen. Denn im Etat der Konferenz fehlt nach Informationen der UN etwa eine Million Euro. Gespart wird also an den Abendschichten des Personals. Und Finanzen werden wieder einmal zu einem zentralen Thema.

Die 58. Sitzung der UN-Organisationen und Unterorgane zum Klimaschutz (SB58) startet am Montag mit einem Programm, das so voll ist wie noch nie. Vom 5. bis 15. Juni werden die Delegierten aus den knapp 200 Staaten der UN-Klimarahmenkonvention um Fortschritte für die COP28 ringen, die im November in Dubai stattfinden wird.

Weichenstellungen und harte Fronten

Konkrete und bindende Beschlüsse sind auf der Konferenz am Sitz des UN-Klimasekretariats UNFCCC traditionell nicht zu erwarten – wichtige Weichenstellungen allerdings sehr wohl. Die Delegierten und Experten haben sich wie üblich in den vergangenen Monaten in vielen Einzelforen, Arbeitsgruppen und bei Veranstaltungen wie dem Petersberger Klimadialog getroffen und kommen nun wieder offiziell und als umfassende Konferenz zusammen.

Auf der offiziellen Agenda steht besonders der dritte “technische Dialog” zur Globalen Bestandsaufnahme (“Global Stocktake”, GST) im Fokus. Dabei werden sich Delegierte und Beobachter zur Bilanz und Fortschritten bei zentralen Fragen von Emissionsreduzierung, Anpassung und Finanzierung austauschen. Der GST wird praktisch das “Dach” über allen anderen Verhandlungen:

  • Für das “Glasgow-Sharm-el-Sheik-Arbeitsprogramm”, bei dem es unter anderem darum geht, ein globales Ziel für die Anpassung an den Klimawandel zu formulieren.
  • Für die Verhandlungen im “Übergangskommittee“, das über Umfang, Zugang und Struktur des “Loss and Damage”-Fonds berät, der als “historischer Durchbruch” auf der COP27 im November 2022 beschlossen wurde.
  • Für das Klimaschutz-Sofortprogramm (“Mitigation Work Programm”), bei dem Wege gesucht werden, um etwa die Treibhausgas-Emissionen bis 2030 weltweit um gut 40 Prozent zu senken. Nur so bleibt nach IPCC-Berechnungen der Weg zur Erreichung des 1,5-Grad-Ziels offen.
  • Für Finanzierungsfragen rund um Anpassung, “Loss and Damage” und den “gerechten Übergang”.
  • Für technische Fragen zu Emissionsdaten und der Arbeit des IPCC.

Weniger Zeit, mehr Themen

Vor Beginn der Konferenz haben die Konferenzleiter, die derzeitigen Vorsitzenden der UN-Organisationen für Wissenschaft (SBSTA) und Umsetzung (SBI), Harry Vreuls und Nabeel Munir, in einem “Szenario” ihre Erwartungen ausgebreitet. Darin beschwören sie die Delegierten, angesichts der knappen Zeit und der drängenden Fragen, effizient und konsensorientiert zu arbeiten. “Zeit-Management ist von absoluter Wichtigkeit in unserem Prozess”, schreiben sie, “während die Arbeitsbelastung immer größer zu werden scheint und die Ressourcen begrenzt sind.”

Weil 70 Events mit jeweils drei Stunden angesetzt seien, so die Konferenzleiter, müsse man eine Regel aus der SB56 aufgeben – dass keine Veranstaltungen parallel zu den Verhandlungen stattfinden sollen, um allgemeine Teilnahme zu garantieren. “Wir erwarten von allen Parteien, dass sie die Zeit während der Verhandlungen effizient nutzen und sich darauf konzentrieren, die Arbeit voranzubringen und Übereinstimmung zu erreichen”, so Vreuls und Munir.

Ob die SB58 mit den üblichen Verzögerungstaktiken und Zeitüberschreitungen der Konferenzen bricht, ist indes fraglich. Und auch der angemahnte “konstruktive Geist” wird wohl dringend nötig sein bei den teilweise heftig umstrittenen Themen vor und hinter den Kulissen. Die Erwartungen an Dubai haben die Präsidentschaften von COP27 und COP28 zusammengefasst: Sie zeigen die ganze Bandbreite der üblichen Forderungen von schnellem Fortschritt bis hin zu “keine neuen Regeln”.

Strittig: Fossiler Ausstieg, CCS, Differenzierung, Geld

Beobachter erwarten auch, dass auf der Bonner Konferenz, wie üblich, der Ton fordernder und konfrontativer sein wird, ehe er auf der COP in Richtung Konsens umschwenken wird. Es wird um teilweise konträre Vorstellungen gehen:

  • Die EU und Verbündete der “High Ambition Coalition” wollen auf der COP28 einen Beschluss erreichen, der den Ausstieg aus den fossilen Brennstoffen, einen Zeitplan dafür und für das Ende fossiler Subventionen vorsieht.
  • Dagegen schmieden Ölstaaten unter der Führung des designierten COP28-Präsident Sultan al Jaber eine Front, um nur die CO₂-Emissionen und “Fossile Treibstoffe ohne CO₂-Abscheidung” (unabated fossil fuels) zu eliminieren – und öffnen damit den Raum für umstrittene Techniken wie CCS.
  • Ein globales Ziel für den Ausbau der Erneuerbaren wird eine Herausforderung in der Umsetzung (Verdreifachung des jetzigen Tempos) und der Finanzierung (eine Billion Dollar aus fossilen Subventionen umleiten, schlagen die kleinen Inselstaaten (AOSIS) vor).
  • Der Streit um “Differenzierung” zwischen alten Industrieländern (“Annex I”) und dem Rest der Welt lebt wieder auf. Nun auch, wenn es um Pflichten beim “gerechten Übergang” zu kohlenstofffreien Gesellschaften geht – also um die Idee, dass reiche Länder noch stärker die grüne Transformation der armen Staaten finanzieren sollen.
  • Hinzu kommt eine Debatte um Arbeit und Finanzierung des UN-Klimasekretariats, das ein neues Budget braucht und nach zwei Vorschlägen entweder mit Null-Wachstum oder einem Plus von 42 Prozent rechnen kann.
  • Es gibt eine Auseinandersetzung um Wege und Finanzierung von CO₂-Entfernung aus der Atmosphäre (“CDR”). Neben einem umstrittenen Vorschlag des Sekretariats soll CDR nun auch bei den Marktmechanismen diskutiert werden.
  • Immer wieder geht es um die Finanzierungsfragen: Die Aussage der Industriestaaten, die für 2020 versprochenen 100 Milliarden Dollar an Klimahilfen würden schließlich in diesem Jahr erreicht, sind bisher nicht mit Fakten unterlegt worden.
  • COP28
  • Dekarbonisierung
  • Klimafinanzierung
  • SB58

“CCS darf kein Schlupfloch für die Zukunft der Fossilen sein”

Herr Messner, ein großes Thema auf der SB58 in Bonn und bei der COP in Dubai wird das “Global Stocktake”. Aber was bringt diese Bestandsaufnahme außer der Erkenntnis, die wir schon haben – dass wir nicht auf dem richtigen Weg sind?

Im Grunde genommen haben wir jedes Jahr Global Stocktake – den UNEP Emissions Gap Report. Dieses Mal wird die Bilanz der Emissionsreduzierung in großer Runde überprüft und von der Verhandlungscommunity diskutiert. Daraus müssen dann Schlüsse gezogen werden. Das heißt, auf der COP steht die Lücke zwischen Anspruch und Wirklichkeit im Zentrum. Das ist das Besondere. Und es zeigt: Die Emissionen steigen weiter, während sie bis 2030 halbiert werden müssten, um die globale Erwärmung auf einen 1,5-Grad-Pfad zu begrenzen. Alle Staaten müssen deutlich mehr tun.  

Aber sollte das Global Stocktake nicht auch sagen, wie wir unsere Ziele bis 2030 erreichen wollen? Und da bringen jetzt viele die CO₂-Speicherung (CCS) ins Spiel.

Wir werden CCS brauchen. Ich kenne keine globalen Szenarien, bei denen der globale Temperaturanstieg ohne CCS unter zwei Grad bleibt. Für bestimmte Sektoren gibt es zumindest heute noch keine emissionsfreien Lösungen. Das gilt etwa für die Landwirtschaft und bestimmte Industriesektoren wie die Zementherstellung. CCS kann residuale Emissionen ausgleichen, darf dabei jedoch kein Ersatz für die rasche Reduktion von Treibhausgasemissionen sein.

Aber genau das wird diskutiert. Zum Beispiel vom kommenden COP28-Präsidenten.

Und das ist falsch. Die CO₂-Speicherung darf kein Schlupfloch sein, um den fossilen Energien eine Zukunft zu geben. Eine solche Garantie für den Weiterbetrieb fossiler Energien lehnt das Umweltbundesamt ab. Wir diskutieren dazu mit vielen Beteiligten, vor Kurzem beispielsweise erst mit dem Botschafter der Vereinigten Arabischen Emirate. Auch Deutschland und Europa bewerten CCS oder auch die Bedeutung negativer Emissionen gerade neu. Wir werden beides benötigen, um globale Klimaneutralität vor Mitte des Jahrhunderts zu erreichen und residuale Emissionen auszugleichen. Letztendlich kommt die CO₂-Speicherung jedoch viel zu spät, da wir massive CO₂-Reduktionen schon bis 2030 und dann erneut bis 2040 brauchen. Wir verfügen nicht einmal über seriöse Forschung zum Potenzial weltweiter CCS-Lagerstätten, geschweige denn über eine entsprechende Infrastruktur. CCS ist kein Gamechanger, der den Ausstieg aus den Fossilen überflüssig macht, sondern eine Ergänzung zu rascher Senkung der Emissionen.

“Fossil-Ausstieg ist das Herz des Klimaschutzes”

Aber für CCS auch für Fossile gibt es eine breite Koalition: Ölstaaten, die USA, Russland, China. Es wird schwer, diesen Weg zu verhindern.

Ja, das werden schwierige Gespräche. Es ist wichtig, den breiten Konsens, auch in der Wissenschaft, zu stärken, dass der Ausstieg aus den Fossilen das Herzstück des Klimaschutzes ist. Das wird auch von den USA und China geteilt. Wir brauchen zudem eine Diskussion mit der Gruppe von Ländern, für die fossile Energieträger die wirtschaftliche Grundlage bilden. Wie diese Länder den Übergang zur Klimaneutralität schaffen, darf uns nicht egal sein, weil sie sonst nicht mitmachen, sondern den Markt mit billigem Öl und Gas überschwemmen könnten. Manche Öl- und Gasstaaten setzen zum Beispiel auf signifikante Investitionen in Erneuerbare und grünen Wasserstoff, das gilt auch für die Vereinigten Arabischen Emirate – bisher allerdings in Ergänzung zu den fossilen Geschäftsmodellen.

Wie wollen Sie ärmere Öl- und Gasexportländer etwa in Afrika davon überzeugen, die auf Fossile für ihre Entwicklung pochen?

Zunächst müssen OECD-Staaten und China bei der Beschleunigung der Emissionsreduktion liefern. Dann sind wir schnell bei den Finanzierungsfragen. Die Industrieländer haben eine schwierige Position. Sie können erst in diesem Jahr, mit zwei Jahren Verspätung, sagen, dass sie ihr Versprechen über Klimahilfen in Höhe von 100 Milliarden Dollar für ärmere Länder einhalten werden. Dass es so lange gedauert hat, hat uns viel Glaubwürdigkeit gekostet. Zudem müssen wir bei den Kosten für Loss and Damage als Zerstörung durch Klimafolgen liefern. Es gibt gute Ansätze, die ich zum Beispiel gerade mit afrikanischen Kolleginnen und Kollegen diskutiert habe, etwa die Umstrukturierung von Schulden, um diese an Emissionsreduktion und Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel zu knüpfen. Oder ambitionierte Klimapartnerschaften, die die Bundesregierung mit Ländern wie Südafrika, Indonesien, Indien aufbaut. Da ist noch viel zu tun.

“China und Ölstaaten sollten Geberländer werden”  

Werden bei diesen Fragen auch andere Staaten als die klassischen Industriestaaten zahlen?

Das ist nötig, weil sich die Gewichte in der Weltwirtschaft und bei den Hauptemittenten verschoben haben. Dann wären China und die wohlhabenden Ölstaaten auch im Kreis der Geberländer. Nicht dabei sind die 50 Prozent der Weltbevölkerung, die für nur zehn Prozent der Emissionen verantwortlich sind. Deutlich wird, Klimaschutz ist ein globales Gerechtigkeitsthema: Die reichen zehn Prozent der Weltbevölkerung sind für etwa die Hälfte der Emissionen verantwortlich.  

Gefährdet der Streit um CCS die nächste COP?

Die Frage der CO₂-Speicherung wird sicher ein hart umkämpfter Punkt, aber es gibt eine noch größere Gefahr: die Debatte um Geo-Engineering. Den Begriff höre ich plötzlich überall, und das macht mir Sorgen. Wenn die Entwicklungsländer den Eindruck haben, die Industrieländer meinen es nicht ernst mit ihren Reduktionsstrategien und wir schaffen es nicht, unter zwei Grad Temperaturanstieg zu bleiben, wird das ein Problem. Dann entsteht in ärmeren Ländern, in denen die Auswirkungen des Klimawandels von Jahr zu Jahr drastisch zunehmen, der Eindruck, Geo-Engineering, also zum Beispiel das Einbringen chemischer Stoffe in die Atmosphäre, um Sonneneinstrahlung zu reduzieren, könnte die letzte Verteidigungslinie sein. Den fossil getriebenen Erdsystemwandel mit einer neuen Runde menschengesteuerten Erdsystemwandels zu bekämpfen, ist gefährlich.

Bei der COP27 hat Indien als Land der G77 einen Vorstoß zum Absenken der fossilen Energien gemacht, die Inselstaaten waren auch dafür. Lösen sich die Blöcke bei den Verhandlungen auf?

Viele arme Entwicklungsländer sehen China nicht mehr immer als gleichberechtigten Partner, sondern als Staat, der derzeit für ein Drittel der globalen Emissionen verantwortlich ist. Wir müssen jetzt alles tun, um die Allianz der ambitionierten Staaten zu stärken, die auf den COPs zu Ergebnissen kommen wollen – die vom Untergang bedrohten Inselstaaten sollten dabei unser moralischer Kompass sein. 

  • CCS
  • COP28
  • Fossile Brennstoffe

Termine

5. Juni, 11.45 Uhr, Raum Bonn
Diskussion Insights for the Global Stocktake: System transformations and international cooperation
Wenn der Global Stocktake (GST) helfen soll, die Ziele des Pariser Abkommens zu erreichen, muss er den Wandel in allen Sektoren und Systemen vorantreiben. Auf dieser Veranstaltung des World Resources Institute werden sektorspezifische, mit dem Pariser Abkommen kompatible Ziele, Rahmenbedingungen und Möglichkeiten zur Verbesserung der internationalen Zusammenarbeit erörtert sowie die Frage, wie der GST sie vorantreiben kann. Infos

5. Juni. 11.45 Uhr, Raum Berlin
Diskussion Strategies to deliver gender responsive and socially inclusive climate finance to local levels
Der Umfang der geschlechtergerechten Klimafinanzierung reicht nicht, um Klimagerechtigkeit zu schaffen. Weniger als fünf Prozent der Klimafinanzierung waren zuletzt geschlechtsspezifisch ausgerichtet. In der Diskussion werden Lösungen auch im Hinblick auf Loss & Damage erörtert. Infos

6. Juni, 16.15 Uhr, Raum Bonn
Diskussion Unlocking the potential of alternative proteins for food system transformation
Lebensmittelsysteme sind für ⅓ der gesamten Treibhausgasemissionen verantwortlich. Das Erreichen des 1,5-Grad-Ziels des Pariser Abkommens ist ohne grundlegende Veränderungen in der Art und Weise, wie wir unsere Lebensmittel produzieren bzw. konsumieren, unmöglich. Alternative Proteine (pflanzliche, fermentierte und kultivierte Lebensmittel) haben das Potenzial, den Wandel der Lebensmittelsysteme zu beschleunigen und die internationalen Klimaziele zu erreichen. Ein Runder Tisch unter anderem mit Vertretern von ProVeg und dem Good Food Institute.  Infos

7. Juni, 11.45, Kaminzimmer
Diskussion Taking stock of Indigenous Peoples’ rights in global and national climate governance
Diese Veranstaltung ruft dazu auf, im Rahmen der Globalen Bestandsaufnahme (Global Stocktake) zu überprüfen, inwieweit die Rechte indigener Völker im Rahmen globaler Klimaschutzmaßnahmen anerkannt und gewahrt werden – sei es in Bezug auf Mitigation, Anpassung oder Verluste und Schäden. Die Empfehlungen der indigenen Völker aus den entsprechenden Eingaben werden von indigenen Aktivistinnen und Aktivisten vorgestellt. Infos

7. Juni, 14.45 Uhr, Raum Berlin
Diskussion Closing the Global Stocktake’s military and conflict emissions gap
Die Treibhausgasemissionen des Militärs werden auf 5,5 Prozent der weltweiten Emissionen geschätzt, und die Militärausgaben steigen stark an. Da die Meldung militärischer Emissionen an das UNFCCC freiwillig ist, fehlen oft Daten oder sind unvollständig – das ist die Lücke bei den militärischen Emissionen. Verschiedene NGOs diskutieren darüber, wie sich die Lücke schließen lässt.  Infos

8. Juni, 14.45 Uhr, Raum Berlin
Diskussion Linking local to global: Intersectionality as a driver for an inclusive loss and damage fund
Die COP27 endete mit der Einigung über die Bereitstellung von Finanzmitteln für Schäden und Verluste für gefährdete Länder, die von Überschwemmungen, Dürren und anderen Klimakatastrophen schwer getroffen wurden. Aber wie kann sichergestellt werden, dass Frauen, ältere Menschen, Jugendliche und andere Randgruppen von diesen Mitteln profitieren? Infos

10. Juni, 11.45 Uhr, Raum Bonn
Diskussion Real Zero pathways or dangerous distractions? Why geoengineering and risky removals are no path to 1.5
Geoengineering und Kompensationsmaßnahmen zur CO₂-Entnahme haben ein großes Risiko: Sie könnten nicht zu einer Verringerung der Emissionen führen, sondern zu einer Temperaturüberschreitung mit schwerwiegenden Auswirkungen auf die Rechte indigener Völker und von Frauen sowie auf das Recht auf Nahrung. Die Einhaltung der Rechte und die Beendigung der CO₂-Expansion haben sich als unsere wirksamste Maßnahme erwiesen. NGOs und Wissenschaftler diskutieren darüber, welche Gefahren von diesen Technologien im Kampf gegen die Klimakrise ausgehen. Infos

12. Juni, 11.45 Uhr, Raum Bonn
Diskussion The GST & Ocean-based Carbon Dioxide Removal: opportunities, uncertainties, risks and future needs
Um bis 2050 die Erwärmung auf etwa 1,5 °C zu begrenzen, müssen die CO₂-Emissionen massiv reduziert werden. Eine verstärkte Aufnahme von Kohlenstoff im Meer durch die gezielte Förderung natürlicher biologischer und geochemischer Prozesse bietet Chancen, birgt aber auch Unsicherheiten und Risiken. Forscherinnen und Forscher diskutieren darüber, ob und wie sich die Risiken minimieren lassen. Infos

News

Grüne fordern Aus für Gasdeal und 100 Prozent Grünstrom für Senegal

Die bündnisgrüne Regierungsfraktion im Bundestag erhöht den Druck auf Kanzler Scholz, seine Versprechen zur Hilfe beim Ausbau der Gasförderung im Senegal zurückzunehmen. Mit einer am Freitag veröffentlichten Studie der Thinktanks New Climate Institute und Germanwatch fordert die grüne Fraktion stattdessen, den Senegal beim Aufbau einer Stromversorgung zu unterstützten, die zu 100 Prozent auf erneuerbare Energien setzt.

“Wir fordern das Bundeskanzleramt auf, den Gasdeal mit dem Senegal zu beerdigen“, sagte die Obfrau im Klima-Ausschuss Lisa Badum. “Wir sollten diese einjährige Debatte jetzt beenden, denn die Vereinbarung widerspricht unseren Verpflichtungen aus dem Pariser Abkommen und unseren Zusagen vom Glasgow-Gipfel, kein Geld in neue fossile Infrastruktur zu investieren.” Auch Fraktionsvize Julia Verlinden stellt sich hinter diese Forderung.

Das Gutachten “Renewable Senegal” legt auch mit Rückgriff auf Daten der Weltbank und der internationalen Agentur für Erneuerbare IRENA dar, dass schon im Jahr 2030 etwa 90 Prozent der senegalesischen Stromproduktion vor allem aus Wind und Solar erzeugt werden könnten. Trotz deutlich steigendem Bedarf sei eine 100-prozentige Abdeckung aus erneuerbaren Quellen bis 2040 machbar. Die Potenziale seien bei Solar mit 37 Gigawatt (GW) und Wind am Land (4,5 GW) und vor der Küste (45 GW) so groß, dass Senegal in Zukunft auch Strom exportieren könne. Und langfristig sei ein regeneratives Stromsystem um knapp 500 Millionen Dollar günstiger als die fossile Versorgung.

Bundeskanzler Olaf Scholz hatte im Mai 2022 bei einem Besuch im Senegal erklärt, Deutschland wolle bei der Erschließung eines zweiten Gasfeldes vor Senegal mit dem Land kooperieren. Bisher sind dazu aber keine konkreten Absprachen oder Verträge bekannt. Auch eine JETP-Energiepartnerschaft europäischer Länder mit dem Senegal liegt seitdem auf Eis. Einer der Streitpunkte dabei war die Frage, ob die JETP, die Schwellenländern beim Ausstieg aus fossilen Energien helfen soll, auch Hilfen für die Ausweitung der Gasproduktion enthalten kann. bpo

  • Erdgas
  • IRENA
  • Senegal

Studie: Klimawandel beeinträchtigt Einsatzbereitschaft des US-Militärs

Laut einer neuen Studie beeinflusst der Klimawandel die Einsatzbereitschaft des US-Militärs. Doch das Problem werde in den militärischen Planungen noch nicht ausreichend berücksichtigt. Das geht aus einer kürzlich veröffentlichten Untersuchung der RAND Corporation hervor, einer einflussreichen Denkfabrik, die die Streitkräfte der USA berät.

Die Einsatzbereitschaft des Militärs hängt von der Ausbildung und Ausrüstung der Soldatinnen und Soldaten ab, aber auch vom Zustand der Militärbasen zu Hause und im Ausland. Extremwetter wie Hitze und Überschwemmungen können dazu führen, dass die militärischen Einrichtungen nicht mehr sicher genutzt werden können.

“Kurzfristige Wettereffekte” statt langfristiger Klimafolgen

In der RAND-Studie heißt es nun: Bislang würden Klima und Einsatzbereitschaft “im Verteidigungsministerium und den Diensten im Allgemeinen nicht zusammen gedacht“. Das sei vor allem der Fall, wenn es um die langfristigen Auswirkungen des Klimawandels gehe. Stattdessen konzentrierten sich die Verantwortlichen für die Einsatzbereitschaft der Truppe “auf kurzfristige Wettereffekte”. Die Behörden seien personell und inhaltlich noch nicht gut aufgestellt. Ein großer Teil der klimabezogenen Arbeit des Verteidigungsministeriums befände sich noch in der Entwicklung.

Neben dem Verteidigungsministerium beschäftigen sich auch weitere US-Behörden mit dem Zusammenhang zwischen Sicherheits- und Klimapolitik. In einem kürzlich vorgelegten Bericht des Departments of Homeland Security etwa stehen Extremwetter und der Meeresspiegelanstieg im Vordergrund.

Auch andere Think-Tanks widmen sich dem Thema unter einer weiter gefassten Perspektive. So veröffentlichte die Stiftung Carnegie Endowment for International Peace im April eine Einschätzung darüber, welche Risiken Extremwetter für die Sicherheit des Landes darstellen. Sie identifizierte vier Gefahren: Vertrauensverlust in grundlegendes Regierungshandeln, höhere Ungleichheit, interne und grenzüberschreitende Klimamigration und Korruption. ae

  • Klimaanpassung
  • Militär
  • Sicherheitspolitik
  • USA

RKI: Mehr Infektionskrankheiten durch Klimawandel

In Zukunft könnten Gesundheitsrisiken infolge des Klimawandels stark zunehmen:

  • Krankheitserregende Bakterien könnten sich in Deutschland wegen des Klimawandels künftig besser vermehren.
  • Insekten, die Viren übertragen – beispielsweise Mücken und Zecken -, könnten sich weiter ausbreiten.
  • Ebenso steige die Gesundheitsgefahr durch Lebensmittelvergiftungen, etwa aufgrund von Salmonellen.
  • Auch Antibiotikaresistenzen werden aller Voraussicht nach zunehmen.

Zu diesen Erkenntnissen kommt der erste Teil des Sachstandsberichts Klimawandel und Gesundheit, der kürzlich im “Journal of Health Monitoring” erschienen ist. Die Koordination des Berichts lag beim Robert Koch-Institut (RKI). Die Autorinnen und Autoren mahnen, die öffentlichen Gesundheitssysteme weltweit zu stärken, damit sie sich “dieser maßgeblichen und komplexen Belastung stellen” können. Dabei sei nicht jeder gleich anfällig für die Gesundheitsgefahren: Das Risiko könne je nach Alter, Geschlecht, Wohn- oder Arbeitsverhältnissen variieren.

Der Sachstandsbericht ist in drei Teile gegliedert. Der gerade veröffentlichte Teil eins beschäftigt sich mit den Auswirkungen des Klimawandels auf die Entstehung von Infektionskrankheiten. Die Teile zwei und drei sollen im Laufe des Jahres folgen. Teil zwei soll die Folgen des Klimawandels auf nicht-übertragbare Erkrankungen und die psychische Gesundheit behandeln, Teil drei soziale Faktoren, Kommunikation und Handlungsoptionen.

“Wir müssen unsere Gesundheitssysteme widerstandsfähiger machen”, sagt die Epidemiologin und Gesundheitsökonomin Marina Treskova, Post-Doc am Climate-Sensitive Infectious Diseases Lab der Universität Heidelberg und nicht als Autorin am Sachstandsbericht beteiligt. Die Eindämmung des Klimawandels bringe “enorme Vorteile für die Gesundheit und die Gesundheitssysteme mit sich und rettet Leben.” ae

  • Gesundheit
  • Klimaanpassung

Heads

Alden Meyer – Ewiger Optimist auf der Klimabühne

Alden Meyer bei der COP 2016
Alden Meyer bei der COP 2016

Alden Meyer sagt, er arbeite da, wo “Rhetorik die echte Welt trifft”. Und das ist in diesen Tagen natürlich die Klimakonferenz in Bonn. Zu der Alden Meyer wieder angereist ist. Und wo er wie immer durch die Korridore und Verhandlungsräume laufen wird, oft mit seinen kleinen Rollkoffer im Schlepptau. Weit kommt er oft nicht. Denn überall kennt Alden Meyer die Menschen und die Menschen kennen ihn: Freunde, Gegner, Bekannte.

Meyer ist seit Ende 2020 Senior Associate bei dem US-amerikanischen Thinktank Third Generation Environmentalism (E3G) und beschäftigt sich dort mit der amerikanischen und internationalen Klimapolitik. Seine Aufgabe sei es, die Forderungen von Klima- und Umweltbewegungen in konkrete Politikvorschläge zu übersetzen, erklärt der 71-jährige. “Zeit ist dabei unsere größte Herausforderung.”

Kaum jemand in den USA – oder weltweit – hat so viel Erfahrung in internationaler Klimadiplomatie und Energiepolitik wie der 71-jährige. Seit knapp 50 Jahren arbeitet Meyer zu beiden Themen. Anfang der 1970er studierte er Politik und Wirtschaft an der Eliteuniversität Yale. Dann schloss er einen Master in Human Resources und Organisationsentwicklung an der American University in Washington an. 1975 hatte er seinen Abschluss.

Mit seinen grauen Haaren und der gewählten, ruhigen Ausdrucksweise wirkt Meyer bei seinen Auftritten wie ein erfahrener Politiker. Doch inhaltlich unterscheiden sich seine Aussagen kaum von denen 50 Jahre jüngerer Klimaaktivistinnen und -aktivisten. Wer nicht traurig, nicht wütend sei, dass nicht genug gegen die Klimakrise getan werde, habe das Problem des Klimanotstands nicht richtig verstanden, sagt Meyer. Es habe Zeiten gegeben, da hätten ihm die vielen Rückschläge zu schaffen gemacht und ihn fast zum Verzweifeln gebracht. Wenn er an die riesigen, verpassten Chancen der vergangenen drei Jahrzehnte denke, sei er immer noch traurig.

Wer aber die Hoffnung verliere, der resigniere und das sei vielleicht genauso schlimm. “Wir müssen weiterkämpfen”, fügt er hinzu, jedes Zehntelgrad mache einen Unterschied. Darum setze er sich weiter für internationalen Klimaschutz ein.

Zwischen COPs und Kanufahrten

Damit hat er eine Menge Erfahrung: Nach der Uni organisierte Meyer erst mehrere Jahre lang eine Kampagne gegen Atomkraft in New England. Später, von 1989 bis 2020, arbeitete er in verschiedenen Positionen für die Union of Concerned Scientists in den USA. Auf die Fortschritte, die seine Kampagnen zum Ausbau der erneuerbaren Energien in den USA bewirkt haben, ist er besonders stolz.

International hat Meyer von Anfang an die COPs begleitet. Ihre Errungenschaften sieht er auch als persönliche Erfolge: etwa, als der damalige US-Präsident George Bush (Senior) auf dem Erdgipfel von Rio 1992 erklärte, sein Land werde sich am globalen Prozess zum Klimaschutz beteiligen. Oder, als 1997 das Kyoto-Protokoll verabschiedet wurde – das dann allerdings vom US-Senat nie ratifiziert wurde. Meyer sieht auch, wo es nicht rund lief: Ein Rückschlag seien die gescheiterten Verhandlungen 2009 in Kopenhagen gewesen, das Pariser Klimaabkommen sechs Jahre später habe ihm dann wieder neue Hoffnung gegeben.

Meyer ist viel unterwegs, aber wenn gerade kein internationaler Klimagipfel stattfindet, lebt er mit seiner Frau in Takoma Park im Staat Maryland. Oder er entspannt sich rund um den Lake Huron und den Bergen in Kanada. Schon als Kind verbrachte er seine Sommer dort, ging wandern oder Kajakfahren. Dadurch habe er eine tiefe Verbindung zur Natur aufgebaut, sagt er, und verstanden, wie wichtig es sei, unseren Planeten zu schützen.

Effizient beeinflussen

2020, nach mehr als 30 Jahren bei den Concerned Scientists, bekam er das Gefühl, zu viel Zeit mit Organisation und Bürokratie zu verbringen und zu wenig damit, sich wirklich für Inhalte einzusetzen. Er entschied sich nicht etwa für die Rente, sondern für einen weiteren Karriereschritt bei E3G. Er versuche bei der Beobachtung von klimapolitischen Prozessen herauszufinden, an welchem Punkt man das System zum jeweiligen Zeitpunkt besonders effizient beeinflussen könne, erklärt er den Kern seiner Arbeit für den Thinktank. Aktuell sei beispielsweise Klimafinanzierung ein wichtiger Ansatzpunkt.

Meyer sagt, er kämpfe für eine globale Transition, für eine vollständige dekarbonisierte Zukunft und wolle weiterhin versuchen, seinen Teil dazu beizutragen, dass das Pariser Klimaabkommen umgesetzt wird. Und da gebe es noch viel zu tun: Emissionen von Landwirtschaft oder von Land-Use-Change würden bisher nicht genügend berücksichtigt. “Außerdem müssen Länder in Europa und die USA endlich ihre globale Verantwortung ernst nehmen und die Verletzlichsten vor den Folgen der Klimakrise schützen”, sagt er. Dafür seien Veränderungen notwendig, wie sie Menschheit bisher nicht gesehen habe. Aber es gebe Hoffnung: Viele Menschen und Organisationen kooperierten immer besser, um der Klimakrise in dem Umfang und der Geschwindigkeit zu begegnen, die nötig sei. Lisa Kuner

  • Klimapolitik
  • Klimaschutz
  • USA

Climate.Table Redaktion

REDAKTION CLIMATE.TABLE

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    wie schnell doch so ein halbes Jahr vergeht: Gefühlt ist die COP27 in Ägypten gerade erst vorbei, da ist es auch schon wieder Zeit für die Zwischenkonferenz SB58 in Bonn. Die Delegationen, Experten und Lobbyisten der verschiedenen Richtungen haben sich seit Sharm el Sheikh ohnehin praktisch dauernd getroffen, gemailt, gezoomt und verhandelt. Jetzt sitzen sie wieder in Person zusammen und versuchen, die größten Hindernisse auf dem Weg nach Dubai ein bisschen zu bewegen.

    Das wird nicht einfach. Denn der Druck nimmt von allen Seiten zu: Mehr Klimaextreme, mehr Druck für einen Ausstieg aus den Fossilen, aber auch mehr Gegendruck der Länder und Unternehmen, die darauf ihr Geschäftsmodell gründen. Dazu kommen all die ungelösten Fragen nach Verantwortung des globalen Nordens, nach Finanzierung der globalen Energiewende. Und all das gipfelt nun in einer Bilanz, dem “Global Stocktake”, der in den nächsten Monaten zur entscheidenden Auseinandersetzung wird: Welche Lehren zieht die Staatengemeinschaft daraus, dass die Pariser Ziele bislang nicht ernst genommen werden?

    Climate.Table ist in Bonn, wir berichten mit dieser Sonderausgabe und die ganzen zwei Wochen regelmäßig vom Ort des Geschehens. Vielleicht sehen wir uns da, oder aber wir versorgen Sie mit den wichtigsten Nachrichten.

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    Bernhard Pötter
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    Klima-Zwischenkonferenz in Bonn: Die wichtigsten Streitpunkte der SB58

    Klimakonferenz Bonn 2022
    Protest hat Tradition: Klimaaktivisten bei den Bonner Verhandlungen 2022.

    Die Zeit drängt, diesmal noch mehr als sonst: Bei der diesjährigen “kleinen COP” in Bonn werden abends die Türen schon um 18 Uhr geschlossen. Denn im Etat der Konferenz fehlt nach Informationen der UN etwa eine Million Euro. Gespart wird also an den Abendschichten des Personals. Und Finanzen werden wieder einmal zu einem zentralen Thema.

    Die 58. Sitzung der UN-Organisationen und Unterorgane zum Klimaschutz (SB58) startet am Montag mit einem Programm, das so voll ist wie noch nie. Vom 5. bis 15. Juni werden die Delegierten aus den knapp 200 Staaten der UN-Klimarahmenkonvention um Fortschritte für die COP28 ringen, die im November in Dubai stattfinden wird.

    Weichenstellungen und harte Fronten

    Konkrete und bindende Beschlüsse sind auf der Konferenz am Sitz des UN-Klimasekretariats UNFCCC traditionell nicht zu erwarten – wichtige Weichenstellungen allerdings sehr wohl. Die Delegierten und Experten haben sich wie üblich in den vergangenen Monaten in vielen Einzelforen, Arbeitsgruppen und bei Veranstaltungen wie dem Petersberger Klimadialog getroffen und kommen nun wieder offiziell und als umfassende Konferenz zusammen.

    Auf der offiziellen Agenda steht besonders der dritte “technische Dialog” zur Globalen Bestandsaufnahme (“Global Stocktake”, GST) im Fokus. Dabei werden sich Delegierte und Beobachter zur Bilanz und Fortschritten bei zentralen Fragen von Emissionsreduzierung, Anpassung und Finanzierung austauschen. Der GST wird praktisch das “Dach” über allen anderen Verhandlungen:

    • Für das “Glasgow-Sharm-el-Sheik-Arbeitsprogramm”, bei dem es unter anderem darum geht, ein globales Ziel für die Anpassung an den Klimawandel zu formulieren.
    • Für die Verhandlungen im “Übergangskommittee“, das über Umfang, Zugang und Struktur des “Loss and Damage”-Fonds berät, der als “historischer Durchbruch” auf der COP27 im November 2022 beschlossen wurde.
    • Für das Klimaschutz-Sofortprogramm (“Mitigation Work Programm”), bei dem Wege gesucht werden, um etwa die Treibhausgas-Emissionen bis 2030 weltweit um gut 40 Prozent zu senken. Nur so bleibt nach IPCC-Berechnungen der Weg zur Erreichung des 1,5-Grad-Ziels offen.
    • Für Finanzierungsfragen rund um Anpassung, “Loss and Damage” und den “gerechten Übergang”.
    • Für technische Fragen zu Emissionsdaten und der Arbeit des IPCC.

    Weniger Zeit, mehr Themen

    Vor Beginn der Konferenz haben die Konferenzleiter, die derzeitigen Vorsitzenden der UN-Organisationen für Wissenschaft (SBSTA) und Umsetzung (SBI), Harry Vreuls und Nabeel Munir, in einem “Szenario” ihre Erwartungen ausgebreitet. Darin beschwören sie die Delegierten, angesichts der knappen Zeit und der drängenden Fragen, effizient und konsensorientiert zu arbeiten. “Zeit-Management ist von absoluter Wichtigkeit in unserem Prozess”, schreiben sie, “während die Arbeitsbelastung immer größer zu werden scheint und die Ressourcen begrenzt sind.”

    Weil 70 Events mit jeweils drei Stunden angesetzt seien, so die Konferenzleiter, müsse man eine Regel aus der SB56 aufgeben – dass keine Veranstaltungen parallel zu den Verhandlungen stattfinden sollen, um allgemeine Teilnahme zu garantieren. “Wir erwarten von allen Parteien, dass sie die Zeit während der Verhandlungen effizient nutzen und sich darauf konzentrieren, die Arbeit voranzubringen und Übereinstimmung zu erreichen”, so Vreuls und Munir.

    Ob die SB58 mit den üblichen Verzögerungstaktiken und Zeitüberschreitungen der Konferenzen bricht, ist indes fraglich. Und auch der angemahnte “konstruktive Geist” wird wohl dringend nötig sein bei den teilweise heftig umstrittenen Themen vor und hinter den Kulissen. Die Erwartungen an Dubai haben die Präsidentschaften von COP27 und COP28 zusammengefasst: Sie zeigen die ganze Bandbreite der üblichen Forderungen von schnellem Fortschritt bis hin zu “keine neuen Regeln”.

    Strittig: Fossiler Ausstieg, CCS, Differenzierung, Geld

    Beobachter erwarten auch, dass auf der Bonner Konferenz, wie üblich, der Ton fordernder und konfrontativer sein wird, ehe er auf der COP in Richtung Konsens umschwenken wird. Es wird um teilweise konträre Vorstellungen gehen:

    • Die EU und Verbündete der “High Ambition Coalition” wollen auf der COP28 einen Beschluss erreichen, der den Ausstieg aus den fossilen Brennstoffen, einen Zeitplan dafür und für das Ende fossiler Subventionen vorsieht.
    • Dagegen schmieden Ölstaaten unter der Führung des designierten COP28-Präsident Sultan al Jaber eine Front, um nur die CO₂-Emissionen und “Fossile Treibstoffe ohne CO₂-Abscheidung” (unabated fossil fuels) zu eliminieren – und öffnen damit den Raum für umstrittene Techniken wie CCS.
    • Ein globales Ziel für den Ausbau der Erneuerbaren wird eine Herausforderung in der Umsetzung (Verdreifachung des jetzigen Tempos) und der Finanzierung (eine Billion Dollar aus fossilen Subventionen umleiten, schlagen die kleinen Inselstaaten (AOSIS) vor).
    • Der Streit um “Differenzierung” zwischen alten Industrieländern (“Annex I”) und dem Rest der Welt lebt wieder auf. Nun auch, wenn es um Pflichten beim “gerechten Übergang” zu kohlenstofffreien Gesellschaften geht – also um die Idee, dass reiche Länder noch stärker die grüne Transformation der armen Staaten finanzieren sollen.
    • Hinzu kommt eine Debatte um Arbeit und Finanzierung des UN-Klimasekretariats, das ein neues Budget braucht und nach zwei Vorschlägen entweder mit Null-Wachstum oder einem Plus von 42 Prozent rechnen kann.
    • Es gibt eine Auseinandersetzung um Wege und Finanzierung von CO₂-Entfernung aus der Atmosphäre (“CDR”). Neben einem umstrittenen Vorschlag des Sekretariats soll CDR nun auch bei den Marktmechanismen diskutiert werden.
    • Immer wieder geht es um die Finanzierungsfragen: Die Aussage der Industriestaaten, die für 2020 versprochenen 100 Milliarden Dollar an Klimahilfen würden schließlich in diesem Jahr erreicht, sind bisher nicht mit Fakten unterlegt worden.
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    “CCS darf kein Schlupfloch für die Zukunft der Fossilen sein”

    Herr Messner, ein großes Thema auf der SB58 in Bonn und bei der COP in Dubai wird das “Global Stocktake”. Aber was bringt diese Bestandsaufnahme außer der Erkenntnis, die wir schon haben – dass wir nicht auf dem richtigen Weg sind?

    Im Grunde genommen haben wir jedes Jahr Global Stocktake – den UNEP Emissions Gap Report. Dieses Mal wird die Bilanz der Emissionsreduzierung in großer Runde überprüft und von der Verhandlungscommunity diskutiert. Daraus müssen dann Schlüsse gezogen werden. Das heißt, auf der COP steht die Lücke zwischen Anspruch und Wirklichkeit im Zentrum. Das ist das Besondere. Und es zeigt: Die Emissionen steigen weiter, während sie bis 2030 halbiert werden müssten, um die globale Erwärmung auf einen 1,5-Grad-Pfad zu begrenzen. Alle Staaten müssen deutlich mehr tun.  

    Aber sollte das Global Stocktake nicht auch sagen, wie wir unsere Ziele bis 2030 erreichen wollen? Und da bringen jetzt viele die CO₂-Speicherung (CCS) ins Spiel.

    Wir werden CCS brauchen. Ich kenne keine globalen Szenarien, bei denen der globale Temperaturanstieg ohne CCS unter zwei Grad bleibt. Für bestimmte Sektoren gibt es zumindest heute noch keine emissionsfreien Lösungen. Das gilt etwa für die Landwirtschaft und bestimmte Industriesektoren wie die Zementherstellung. CCS kann residuale Emissionen ausgleichen, darf dabei jedoch kein Ersatz für die rasche Reduktion von Treibhausgasemissionen sein.

    Aber genau das wird diskutiert. Zum Beispiel vom kommenden COP28-Präsidenten.

    Und das ist falsch. Die CO₂-Speicherung darf kein Schlupfloch sein, um den fossilen Energien eine Zukunft zu geben. Eine solche Garantie für den Weiterbetrieb fossiler Energien lehnt das Umweltbundesamt ab. Wir diskutieren dazu mit vielen Beteiligten, vor Kurzem beispielsweise erst mit dem Botschafter der Vereinigten Arabischen Emirate. Auch Deutschland und Europa bewerten CCS oder auch die Bedeutung negativer Emissionen gerade neu. Wir werden beides benötigen, um globale Klimaneutralität vor Mitte des Jahrhunderts zu erreichen und residuale Emissionen auszugleichen. Letztendlich kommt die CO₂-Speicherung jedoch viel zu spät, da wir massive CO₂-Reduktionen schon bis 2030 und dann erneut bis 2040 brauchen. Wir verfügen nicht einmal über seriöse Forschung zum Potenzial weltweiter CCS-Lagerstätten, geschweige denn über eine entsprechende Infrastruktur. CCS ist kein Gamechanger, der den Ausstieg aus den Fossilen überflüssig macht, sondern eine Ergänzung zu rascher Senkung der Emissionen.

    “Fossil-Ausstieg ist das Herz des Klimaschutzes”

    Aber für CCS auch für Fossile gibt es eine breite Koalition: Ölstaaten, die USA, Russland, China. Es wird schwer, diesen Weg zu verhindern.

    Ja, das werden schwierige Gespräche. Es ist wichtig, den breiten Konsens, auch in der Wissenschaft, zu stärken, dass der Ausstieg aus den Fossilen das Herzstück des Klimaschutzes ist. Das wird auch von den USA und China geteilt. Wir brauchen zudem eine Diskussion mit der Gruppe von Ländern, für die fossile Energieträger die wirtschaftliche Grundlage bilden. Wie diese Länder den Übergang zur Klimaneutralität schaffen, darf uns nicht egal sein, weil sie sonst nicht mitmachen, sondern den Markt mit billigem Öl und Gas überschwemmen könnten. Manche Öl- und Gasstaaten setzen zum Beispiel auf signifikante Investitionen in Erneuerbare und grünen Wasserstoff, das gilt auch für die Vereinigten Arabischen Emirate – bisher allerdings in Ergänzung zu den fossilen Geschäftsmodellen.

    Wie wollen Sie ärmere Öl- und Gasexportländer etwa in Afrika davon überzeugen, die auf Fossile für ihre Entwicklung pochen?

    Zunächst müssen OECD-Staaten und China bei der Beschleunigung der Emissionsreduktion liefern. Dann sind wir schnell bei den Finanzierungsfragen. Die Industrieländer haben eine schwierige Position. Sie können erst in diesem Jahr, mit zwei Jahren Verspätung, sagen, dass sie ihr Versprechen über Klimahilfen in Höhe von 100 Milliarden Dollar für ärmere Länder einhalten werden. Dass es so lange gedauert hat, hat uns viel Glaubwürdigkeit gekostet. Zudem müssen wir bei den Kosten für Loss and Damage als Zerstörung durch Klimafolgen liefern. Es gibt gute Ansätze, die ich zum Beispiel gerade mit afrikanischen Kolleginnen und Kollegen diskutiert habe, etwa die Umstrukturierung von Schulden, um diese an Emissionsreduktion und Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel zu knüpfen. Oder ambitionierte Klimapartnerschaften, die die Bundesregierung mit Ländern wie Südafrika, Indonesien, Indien aufbaut. Da ist noch viel zu tun.

    “China und Ölstaaten sollten Geberländer werden”  

    Werden bei diesen Fragen auch andere Staaten als die klassischen Industriestaaten zahlen?

    Das ist nötig, weil sich die Gewichte in der Weltwirtschaft und bei den Hauptemittenten verschoben haben. Dann wären China und die wohlhabenden Ölstaaten auch im Kreis der Geberländer. Nicht dabei sind die 50 Prozent der Weltbevölkerung, die für nur zehn Prozent der Emissionen verantwortlich sind. Deutlich wird, Klimaschutz ist ein globales Gerechtigkeitsthema: Die reichen zehn Prozent der Weltbevölkerung sind für etwa die Hälfte der Emissionen verantwortlich.  

    Gefährdet der Streit um CCS die nächste COP?

    Die Frage der CO₂-Speicherung wird sicher ein hart umkämpfter Punkt, aber es gibt eine noch größere Gefahr: die Debatte um Geo-Engineering. Den Begriff höre ich plötzlich überall, und das macht mir Sorgen. Wenn die Entwicklungsländer den Eindruck haben, die Industrieländer meinen es nicht ernst mit ihren Reduktionsstrategien und wir schaffen es nicht, unter zwei Grad Temperaturanstieg zu bleiben, wird das ein Problem. Dann entsteht in ärmeren Ländern, in denen die Auswirkungen des Klimawandels von Jahr zu Jahr drastisch zunehmen, der Eindruck, Geo-Engineering, also zum Beispiel das Einbringen chemischer Stoffe in die Atmosphäre, um Sonneneinstrahlung zu reduzieren, könnte die letzte Verteidigungslinie sein. Den fossil getriebenen Erdsystemwandel mit einer neuen Runde menschengesteuerten Erdsystemwandels zu bekämpfen, ist gefährlich.

    Bei der COP27 hat Indien als Land der G77 einen Vorstoß zum Absenken der fossilen Energien gemacht, die Inselstaaten waren auch dafür. Lösen sich die Blöcke bei den Verhandlungen auf?

    Viele arme Entwicklungsländer sehen China nicht mehr immer als gleichberechtigten Partner, sondern als Staat, der derzeit für ein Drittel der globalen Emissionen verantwortlich ist. Wir müssen jetzt alles tun, um die Allianz der ambitionierten Staaten zu stärken, die auf den COPs zu Ergebnissen kommen wollen – die vom Untergang bedrohten Inselstaaten sollten dabei unser moralischer Kompass sein. 

    • CCS
    • COP28
    • Fossile Brennstoffe

    Termine

    5. Juni, 11.45 Uhr, Raum Bonn
    Diskussion Insights for the Global Stocktake: System transformations and international cooperation
    Wenn der Global Stocktake (GST) helfen soll, die Ziele des Pariser Abkommens zu erreichen, muss er den Wandel in allen Sektoren und Systemen vorantreiben. Auf dieser Veranstaltung des World Resources Institute werden sektorspezifische, mit dem Pariser Abkommen kompatible Ziele, Rahmenbedingungen und Möglichkeiten zur Verbesserung der internationalen Zusammenarbeit erörtert sowie die Frage, wie der GST sie vorantreiben kann. Infos

    5. Juni. 11.45 Uhr, Raum Berlin
    Diskussion Strategies to deliver gender responsive and socially inclusive climate finance to local levels
    Der Umfang der geschlechtergerechten Klimafinanzierung reicht nicht, um Klimagerechtigkeit zu schaffen. Weniger als fünf Prozent der Klimafinanzierung waren zuletzt geschlechtsspezifisch ausgerichtet. In der Diskussion werden Lösungen auch im Hinblick auf Loss & Damage erörtert. Infos

    6. Juni, 16.15 Uhr, Raum Bonn
    Diskussion Unlocking the potential of alternative proteins for food system transformation
    Lebensmittelsysteme sind für ⅓ der gesamten Treibhausgasemissionen verantwortlich. Das Erreichen des 1,5-Grad-Ziels des Pariser Abkommens ist ohne grundlegende Veränderungen in der Art und Weise, wie wir unsere Lebensmittel produzieren bzw. konsumieren, unmöglich. Alternative Proteine (pflanzliche, fermentierte und kultivierte Lebensmittel) haben das Potenzial, den Wandel der Lebensmittelsysteme zu beschleunigen und die internationalen Klimaziele zu erreichen. Ein Runder Tisch unter anderem mit Vertretern von ProVeg und dem Good Food Institute.  Infos

    7. Juni, 11.45, Kaminzimmer
    Diskussion Taking stock of Indigenous Peoples’ rights in global and national climate governance
    Diese Veranstaltung ruft dazu auf, im Rahmen der Globalen Bestandsaufnahme (Global Stocktake) zu überprüfen, inwieweit die Rechte indigener Völker im Rahmen globaler Klimaschutzmaßnahmen anerkannt und gewahrt werden – sei es in Bezug auf Mitigation, Anpassung oder Verluste und Schäden. Die Empfehlungen der indigenen Völker aus den entsprechenden Eingaben werden von indigenen Aktivistinnen und Aktivisten vorgestellt. Infos

    7. Juni, 14.45 Uhr, Raum Berlin
    Diskussion Closing the Global Stocktake’s military and conflict emissions gap
    Die Treibhausgasemissionen des Militärs werden auf 5,5 Prozent der weltweiten Emissionen geschätzt, und die Militärausgaben steigen stark an. Da die Meldung militärischer Emissionen an das UNFCCC freiwillig ist, fehlen oft Daten oder sind unvollständig – das ist die Lücke bei den militärischen Emissionen. Verschiedene NGOs diskutieren darüber, wie sich die Lücke schließen lässt.  Infos

    8. Juni, 14.45 Uhr, Raum Berlin
    Diskussion Linking local to global: Intersectionality as a driver for an inclusive loss and damage fund
    Die COP27 endete mit der Einigung über die Bereitstellung von Finanzmitteln für Schäden und Verluste für gefährdete Länder, die von Überschwemmungen, Dürren und anderen Klimakatastrophen schwer getroffen wurden. Aber wie kann sichergestellt werden, dass Frauen, ältere Menschen, Jugendliche und andere Randgruppen von diesen Mitteln profitieren? Infos

    10. Juni, 11.45 Uhr, Raum Bonn
    Diskussion Real Zero pathways or dangerous distractions? Why geoengineering and risky removals are no path to 1.5
    Geoengineering und Kompensationsmaßnahmen zur CO₂-Entnahme haben ein großes Risiko: Sie könnten nicht zu einer Verringerung der Emissionen führen, sondern zu einer Temperaturüberschreitung mit schwerwiegenden Auswirkungen auf die Rechte indigener Völker und von Frauen sowie auf das Recht auf Nahrung. Die Einhaltung der Rechte und die Beendigung der CO₂-Expansion haben sich als unsere wirksamste Maßnahme erwiesen. NGOs und Wissenschaftler diskutieren darüber, welche Gefahren von diesen Technologien im Kampf gegen die Klimakrise ausgehen. Infos

    12. Juni, 11.45 Uhr, Raum Bonn
    Diskussion The GST & Ocean-based Carbon Dioxide Removal: opportunities, uncertainties, risks and future needs
    Um bis 2050 die Erwärmung auf etwa 1,5 °C zu begrenzen, müssen die CO₂-Emissionen massiv reduziert werden. Eine verstärkte Aufnahme von Kohlenstoff im Meer durch die gezielte Förderung natürlicher biologischer und geochemischer Prozesse bietet Chancen, birgt aber auch Unsicherheiten und Risiken. Forscherinnen und Forscher diskutieren darüber, ob und wie sich die Risiken minimieren lassen. Infos

    News

    Grüne fordern Aus für Gasdeal und 100 Prozent Grünstrom für Senegal

    Die bündnisgrüne Regierungsfraktion im Bundestag erhöht den Druck auf Kanzler Scholz, seine Versprechen zur Hilfe beim Ausbau der Gasförderung im Senegal zurückzunehmen. Mit einer am Freitag veröffentlichten Studie der Thinktanks New Climate Institute und Germanwatch fordert die grüne Fraktion stattdessen, den Senegal beim Aufbau einer Stromversorgung zu unterstützten, die zu 100 Prozent auf erneuerbare Energien setzt.

    “Wir fordern das Bundeskanzleramt auf, den Gasdeal mit dem Senegal zu beerdigen“, sagte die Obfrau im Klima-Ausschuss Lisa Badum. “Wir sollten diese einjährige Debatte jetzt beenden, denn die Vereinbarung widerspricht unseren Verpflichtungen aus dem Pariser Abkommen und unseren Zusagen vom Glasgow-Gipfel, kein Geld in neue fossile Infrastruktur zu investieren.” Auch Fraktionsvize Julia Verlinden stellt sich hinter diese Forderung.

    Das Gutachten “Renewable Senegal” legt auch mit Rückgriff auf Daten der Weltbank und der internationalen Agentur für Erneuerbare IRENA dar, dass schon im Jahr 2030 etwa 90 Prozent der senegalesischen Stromproduktion vor allem aus Wind und Solar erzeugt werden könnten. Trotz deutlich steigendem Bedarf sei eine 100-prozentige Abdeckung aus erneuerbaren Quellen bis 2040 machbar. Die Potenziale seien bei Solar mit 37 Gigawatt (GW) und Wind am Land (4,5 GW) und vor der Küste (45 GW) so groß, dass Senegal in Zukunft auch Strom exportieren könne. Und langfristig sei ein regeneratives Stromsystem um knapp 500 Millionen Dollar günstiger als die fossile Versorgung.

    Bundeskanzler Olaf Scholz hatte im Mai 2022 bei einem Besuch im Senegal erklärt, Deutschland wolle bei der Erschließung eines zweiten Gasfeldes vor Senegal mit dem Land kooperieren. Bisher sind dazu aber keine konkreten Absprachen oder Verträge bekannt. Auch eine JETP-Energiepartnerschaft europäischer Länder mit dem Senegal liegt seitdem auf Eis. Einer der Streitpunkte dabei war die Frage, ob die JETP, die Schwellenländern beim Ausstieg aus fossilen Energien helfen soll, auch Hilfen für die Ausweitung der Gasproduktion enthalten kann. bpo

    • Erdgas
    • IRENA
    • Senegal

    Studie: Klimawandel beeinträchtigt Einsatzbereitschaft des US-Militärs

    Laut einer neuen Studie beeinflusst der Klimawandel die Einsatzbereitschaft des US-Militärs. Doch das Problem werde in den militärischen Planungen noch nicht ausreichend berücksichtigt. Das geht aus einer kürzlich veröffentlichten Untersuchung der RAND Corporation hervor, einer einflussreichen Denkfabrik, die die Streitkräfte der USA berät.

    Die Einsatzbereitschaft des Militärs hängt von der Ausbildung und Ausrüstung der Soldatinnen und Soldaten ab, aber auch vom Zustand der Militärbasen zu Hause und im Ausland. Extremwetter wie Hitze und Überschwemmungen können dazu führen, dass die militärischen Einrichtungen nicht mehr sicher genutzt werden können.

    “Kurzfristige Wettereffekte” statt langfristiger Klimafolgen

    In der RAND-Studie heißt es nun: Bislang würden Klima und Einsatzbereitschaft “im Verteidigungsministerium und den Diensten im Allgemeinen nicht zusammen gedacht“. Das sei vor allem der Fall, wenn es um die langfristigen Auswirkungen des Klimawandels gehe. Stattdessen konzentrierten sich die Verantwortlichen für die Einsatzbereitschaft der Truppe “auf kurzfristige Wettereffekte”. Die Behörden seien personell und inhaltlich noch nicht gut aufgestellt. Ein großer Teil der klimabezogenen Arbeit des Verteidigungsministeriums befände sich noch in der Entwicklung.

    Neben dem Verteidigungsministerium beschäftigen sich auch weitere US-Behörden mit dem Zusammenhang zwischen Sicherheits- und Klimapolitik. In einem kürzlich vorgelegten Bericht des Departments of Homeland Security etwa stehen Extremwetter und der Meeresspiegelanstieg im Vordergrund.

    Auch andere Think-Tanks widmen sich dem Thema unter einer weiter gefassten Perspektive. So veröffentlichte die Stiftung Carnegie Endowment for International Peace im April eine Einschätzung darüber, welche Risiken Extremwetter für die Sicherheit des Landes darstellen. Sie identifizierte vier Gefahren: Vertrauensverlust in grundlegendes Regierungshandeln, höhere Ungleichheit, interne und grenzüberschreitende Klimamigration und Korruption. ae

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    • Sicherheitspolitik
    • USA

    RKI: Mehr Infektionskrankheiten durch Klimawandel

    In Zukunft könnten Gesundheitsrisiken infolge des Klimawandels stark zunehmen:

    • Krankheitserregende Bakterien könnten sich in Deutschland wegen des Klimawandels künftig besser vermehren.
    • Insekten, die Viren übertragen – beispielsweise Mücken und Zecken -, könnten sich weiter ausbreiten.
    • Ebenso steige die Gesundheitsgefahr durch Lebensmittelvergiftungen, etwa aufgrund von Salmonellen.
    • Auch Antibiotikaresistenzen werden aller Voraussicht nach zunehmen.

    Zu diesen Erkenntnissen kommt der erste Teil des Sachstandsberichts Klimawandel und Gesundheit, der kürzlich im “Journal of Health Monitoring” erschienen ist. Die Koordination des Berichts lag beim Robert Koch-Institut (RKI). Die Autorinnen und Autoren mahnen, die öffentlichen Gesundheitssysteme weltweit zu stärken, damit sie sich “dieser maßgeblichen und komplexen Belastung stellen” können. Dabei sei nicht jeder gleich anfällig für die Gesundheitsgefahren: Das Risiko könne je nach Alter, Geschlecht, Wohn- oder Arbeitsverhältnissen variieren.

    Der Sachstandsbericht ist in drei Teile gegliedert. Der gerade veröffentlichte Teil eins beschäftigt sich mit den Auswirkungen des Klimawandels auf die Entstehung von Infektionskrankheiten. Die Teile zwei und drei sollen im Laufe des Jahres folgen. Teil zwei soll die Folgen des Klimawandels auf nicht-übertragbare Erkrankungen und die psychische Gesundheit behandeln, Teil drei soziale Faktoren, Kommunikation und Handlungsoptionen.

    “Wir müssen unsere Gesundheitssysteme widerstandsfähiger machen”, sagt die Epidemiologin und Gesundheitsökonomin Marina Treskova, Post-Doc am Climate-Sensitive Infectious Diseases Lab der Universität Heidelberg und nicht als Autorin am Sachstandsbericht beteiligt. Die Eindämmung des Klimawandels bringe “enorme Vorteile für die Gesundheit und die Gesundheitssysteme mit sich und rettet Leben.” ae

    • Gesundheit
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    Heads

    Alden Meyer – Ewiger Optimist auf der Klimabühne

    Alden Meyer bei der COP 2016
    Alden Meyer bei der COP 2016

    Alden Meyer sagt, er arbeite da, wo “Rhetorik die echte Welt trifft”. Und das ist in diesen Tagen natürlich die Klimakonferenz in Bonn. Zu der Alden Meyer wieder angereist ist. Und wo er wie immer durch die Korridore und Verhandlungsräume laufen wird, oft mit seinen kleinen Rollkoffer im Schlepptau. Weit kommt er oft nicht. Denn überall kennt Alden Meyer die Menschen und die Menschen kennen ihn: Freunde, Gegner, Bekannte.

    Meyer ist seit Ende 2020 Senior Associate bei dem US-amerikanischen Thinktank Third Generation Environmentalism (E3G) und beschäftigt sich dort mit der amerikanischen und internationalen Klimapolitik. Seine Aufgabe sei es, die Forderungen von Klima- und Umweltbewegungen in konkrete Politikvorschläge zu übersetzen, erklärt der 71-jährige. “Zeit ist dabei unsere größte Herausforderung.”

    Kaum jemand in den USA – oder weltweit – hat so viel Erfahrung in internationaler Klimadiplomatie und Energiepolitik wie der 71-jährige. Seit knapp 50 Jahren arbeitet Meyer zu beiden Themen. Anfang der 1970er studierte er Politik und Wirtschaft an der Eliteuniversität Yale. Dann schloss er einen Master in Human Resources und Organisationsentwicklung an der American University in Washington an. 1975 hatte er seinen Abschluss.

    Mit seinen grauen Haaren und der gewählten, ruhigen Ausdrucksweise wirkt Meyer bei seinen Auftritten wie ein erfahrener Politiker. Doch inhaltlich unterscheiden sich seine Aussagen kaum von denen 50 Jahre jüngerer Klimaaktivistinnen und -aktivisten. Wer nicht traurig, nicht wütend sei, dass nicht genug gegen die Klimakrise getan werde, habe das Problem des Klimanotstands nicht richtig verstanden, sagt Meyer. Es habe Zeiten gegeben, da hätten ihm die vielen Rückschläge zu schaffen gemacht und ihn fast zum Verzweifeln gebracht. Wenn er an die riesigen, verpassten Chancen der vergangenen drei Jahrzehnte denke, sei er immer noch traurig.

    Wer aber die Hoffnung verliere, der resigniere und das sei vielleicht genauso schlimm. “Wir müssen weiterkämpfen”, fügt er hinzu, jedes Zehntelgrad mache einen Unterschied. Darum setze er sich weiter für internationalen Klimaschutz ein.

    Zwischen COPs und Kanufahrten

    Damit hat er eine Menge Erfahrung: Nach der Uni organisierte Meyer erst mehrere Jahre lang eine Kampagne gegen Atomkraft in New England. Später, von 1989 bis 2020, arbeitete er in verschiedenen Positionen für die Union of Concerned Scientists in den USA. Auf die Fortschritte, die seine Kampagnen zum Ausbau der erneuerbaren Energien in den USA bewirkt haben, ist er besonders stolz.

    International hat Meyer von Anfang an die COPs begleitet. Ihre Errungenschaften sieht er auch als persönliche Erfolge: etwa, als der damalige US-Präsident George Bush (Senior) auf dem Erdgipfel von Rio 1992 erklärte, sein Land werde sich am globalen Prozess zum Klimaschutz beteiligen. Oder, als 1997 das Kyoto-Protokoll verabschiedet wurde – das dann allerdings vom US-Senat nie ratifiziert wurde. Meyer sieht auch, wo es nicht rund lief: Ein Rückschlag seien die gescheiterten Verhandlungen 2009 in Kopenhagen gewesen, das Pariser Klimaabkommen sechs Jahre später habe ihm dann wieder neue Hoffnung gegeben.

    Meyer ist viel unterwegs, aber wenn gerade kein internationaler Klimagipfel stattfindet, lebt er mit seiner Frau in Takoma Park im Staat Maryland. Oder er entspannt sich rund um den Lake Huron und den Bergen in Kanada. Schon als Kind verbrachte er seine Sommer dort, ging wandern oder Kajakfahren. Dadurch habe er eine tiefe Verbindung zur Natur aufgebaut, sagt er, und verstanden, wie wichtig es sei, unseren Planeten zu schützen.

    Effizient beeinflussen

    2020, nach mehr als 30 Jahren bei den Concerned Scientists, bekam er das Gefühl, zu viel Zeit mit Organisation und Bürokratie zu verbringen und zu wenig damit, sich wirklich für Inhalte einzusetzen. Er entschied sich nicht etwa für die Rente, sondern für einen weiteren Karriereschritt bei E3G. Er versuche bei der Beobachtung von klimapolitischen Prozessen herauszufinden, an welchem Punkt man das System zum jeweiligen Zeitpunkt besonders effizient beeinflussen könne, erklärt er den Kern seiner Arbeit für den Thinktank. Aktuell sei beispielsweise Klimafinanzierung ein wichtiger Ansatzpunkt.

    Meyer sagt, er kämpfe für eine globale Transition, für eine vollständige dekarbonisierte Zukunft und wolle weiterhin versuchen, seinen Teil dazu beizutragen, dass das Pariser Klimaabkommen umgesetzt wird. Und da gebe es noch viel zu tun: Emissionen von Landwirtschaft oder von Land-Use-Change würden bisher nicht genügend berücksichtigt. “Außerdem müssen Länder in Europa und die USA endlich ihre globale Verantwortung ernst nehmen und die Verletzlichsten vor den Folgen der Klimakrise schützen”, sagt er. Dafür seien Veränderungen notwendig, wie sie Menschheit bisher nicht gesehen habe. Aber es gebe Hoffnung: Viele Menschen und Organisationen kooperierten immer besser, um der Klimakrise in dem Umfang und der Geschwindigkeit zu begegnen, die nötig sei. Lisa Kuner

    • Klimapolitik
    • Klimaschutz
    • USA

    Climate.Table Redaktion

    REDAKTION CLIMATE.TABLE

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