Table.Briefing: Climate

Sachsen: Kein Plan für Energiewende + EZB: Klimakrise bedroht Geldpolitik + Klimacheck: Bilanz der Bundesländer

Liebe Leserin, lieber Leser,

gespannt blickt das politische Deutschland am Wochenende nach Sachsen und Thüringen, wo neue Landtage gewählt werden. Trotz zunehmender Hitze und Regenfällen, trotz starkem Ausbau der Erneuerbaren und ehrgeizigen Plänen zur Klimaneutralität ist die Klimakrise kaum ein Thema im Wahlkampf gewesen. Oder wenn, dann nur als Anlass für Kritik an der Bundesregierung. Dabei wird schnell vergessen, wie wichtig gerade die Bundesländer für Energiewende und Klimaschutz sind. Die 16 Länder können eine erfolgreiche Klimapolitik zwar nicht allein durchsetzen – aber sie können alle Pläne dafür scheitern lassen, wenn sie bremsen und blockieren.

Und diese Gefahr besteht, wenn man die Voraussagen für die Wahlergebnisse und die Aussagen der wichtigsten Parteien in diesen Ländern ernst nimmt. Deshalb starten wir beim Climate.Table mit einer losen Serie über ein gern ignoriertes Thema: Wie sieht eigentlich die Klimabilanz der einzelnen Bundesländer aus? Wir beginnen mit einer allgemeinen Einordnung und einem Klimacheck für Sachsen. Thüringen und Brandenburg werden folgen, danach die anderen Länder.

Selbstverständlich betreiben wir keine deutsche Nabelschau, sondern schauen auch diesmal wieder über unsere regionalen Kirchtürme hinaus: Wir berichten von den Klimaplänen der Europäischen Zentralbank, vom Schmelzen der Antarktis und den Feuern im Amazonas-Wald. Aber wir blicken eben auch ganz genau hin, was in diesen entscheidenden Tagen in deutschen Landen passiert. Oder eben nicht.

Wir bleiben dran. Ihnen wünsche ich informative Lektüre!

Ihr
Bernhard Pötter
Bild von Bernhard  Pötter

Analyse

Bundesländer im Klimacheck: So groß ist der Einfluss der Länder

Ein Windpark bei Leipzig: Die Bundesländer müssen zwei Prozent der Landesfläche für Windkraft bereitstellen.

16 wichtige Akteure in der deutschen Klimapolitik werden in der öffentlichen Debatte kaum wahrgenommen – die Bundesländer. Dabei findet bundesdeutsche Klimapolitik nicht nur in Berlin oder in Brüssel statt – sondern vor allem auch in den 16 Ländern und knapp 11.000 Kommunen. Vor den Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg startet Table.Briefings deshalb eine Serie mit Klimachecks der Bundesländer.

Länder müssen umsetzen und können blockieren

In Landeshauptstädten und Rathäusern der Republik fallen wichtige klimapolitische Entscheidungen. Sie können die Klimaneutralität Deutschlands bis 2045 zwar nicht allein garantieren, sie aber im Zweifel scheitern lassen. Oft führen sie Bundesgesetze aus – und wie sie etwa Windflächen genehmigen, die Wärmewende vorantreiben oder Stromtrassen bauen, beeinflusst die gesamte Klimapolitik. Eine Landesregierung mit AfD-Beteiligung etwa könnte in vielen dieser Bereiche bremsen und blockieren, wie es etwa die CSU in Bayern beim Ausbau von Wind und Netzen getan hat. Ohne die Länder ist in einem föderalen System wie der Bundesrepublik eine erfolgreiche Klimapolitik nicht möglich.

Die Klimabilanz der Bundesländer ist sehr unterschiedlich, und die Datenlage ist nicht immer einfach. Denn die wirtschaftliche Struktur und das klimapolitische Engagement sind je nach Geschichte und politischen Mehrheiten ganz verschieden: Die Schwerindustrie und die dafür nötige Energieinfrastruktur haben etwa Nordrhein-Westfalen geprägt, so wie die Braunkohle-Zentren etwa Brandenburg und Sachsen dominieren. Ein Überblick über die Emissionsbilanzen der Länder zeigt, wo in der Vergangenheit am meisten Treibhausgase eingespart wurden:

Trotz aller regionaler Differenzen gibt es mit Blick auf die Bundesländer einige klare Trends:

  • Zusammenbruch und Abwicklung der extrem CO₂-lastigen Industrie der DDR nach der Wiedervereinigung haben zu massiven Emissionsrückgängen geführt. Lange hat Deutschlands Rolle als “Vorreiter in der Klimapolitik” auch davon gezehrt, dass ausgerechnet 1990 als Jahr der deutschen Vereinigung zum Ausgangspunkt vieler Berechnungen auf internationaler Ebene gemacht wurde.
  • Seit diesen “Wallfall-Profits” in den Ostländern haben dort häufig kaum weitere nennenswerte Reduzierung von Treibhausgasen stattgefunden.
  • In den Stadtstaaten Berlin, Hamburg und Bremen ist das Bild teilweise verzerrt. Denn die Daten werden im Normalfall dort berechnet, wo sie bei der Entstehung anfallen: Ein einziges neues Kohlekraftwerk (Moorburg) konnte etwa sehr schnell Hamburgs CO₂-Ausstoß nach oben treiben. Gleichzeitig importieren die Stadtstaaten ihre Energie aus dem Umland, ohne die damit verbundenen Emissionen zu importieren – oder sie exportieren ihre Emissionen, etwa beim Flughafen BER, der viel von Berlin genutzt wird, seine Emissionen aber Brandenburg zurechnet.
  • Stromexport und -import über Bundesländergrenzen hinweg kann die Bilanz ebenfalls verzerren: Ein Kohlekraftwerk jenseits der Grenze liefert Strom, aber nicht die CO₂-Emissionen für die Länderbilanz.
  • “Windländer” haben eine günstige Klimabilanz: Schleswig-Holstein etwa erzeugt doppelt so viel grünen Strom, wie es selbst nutzt, ist also in der Strombilanz teilweise bereits rechnerisch “klimaneutral” oder “klimapositiv”.
  • Es gibt bei Emissionen, aber auch bei Treibhausgasen große Unterschiede zwischen industriellen Zentren im Westen und Süden der Republik, “Transitländern” für den Verkehr und eher landwirtschaftlich geprägten Regionen im Norden und Nordosten: Emissionen aus der Tierhaltung oder aus trockenen Mooren haben dort teilweise höhere Klimawirkung als CO₂ aus Energie und Verkehr.

Akteure: EU, Bund, Länder, Kommunen

Die Abgrenzung zwischen Bund, Ländern und Kommunen beim Klimaschutz ist nicht immer einfach. Ein großer Teil auch deutscher Klimapolitik ist inzwischen Umsetzung von EU-Richtlinien, etwa bei:

  • Emissionshandel I und II
  • Richtlinien zu Erneuerbaren, Energieeffizienz oder zum “Effort Sharing”
  • “Green Deal” und Industriepolitik
  • EU-Netzplanung für Strom, Gas, Wasserstoff
  • UN-Verhandlungen und internationale Abkommen

Andere Bereiche regelt die deutsche Bundesregierung eigenständig, so beispielsweise:

  • Sektorale Klimaziele über das Klimaschutzgesetz
  • Emissionshandel II mit Preiskorridor bis 2027
  • Subventionen für klimafreundliche und klimaschädliche Tätigkeiten
  • Design des Strommarkts, etwa Kapazitätsmärkte
  • Förderung von Erneuerbaren über das EEG oder das Gebäudeenergie-Gesetz
  • Netzausbau über die Bundesnetzagentur
  • Gesetzliche Rahmen für Verkehr, Bauen oder Landwirtschaft.

Länder: Windflächen, Wärmewende, ÖPNV, Finanzierung der Kommunen

Die Länder beeinflussen die Klimapolitik weniger spektakulär, aber ebenfalls in wichtigen Bereichen:

  • Sie setzen Bundesgesetze mehr oder weniger ambitioniert um, etwa beim Immissionsschutz oder beim Flächenziel von zwei Prozent für die Windkraft.
  • Etwa die Hälfte des Stromnetzausbaus liegt bei den Ländern, wenn keine Landesgrenzen überschritten werden.
  • Die Länder stellen ihren Kommunen mehr oder weniger Finanzen, etwa für ÖPNV oder bei der Umsetzung der Wärmewende, zur Verfügung.
  • Bei der Raum- und Verkehrsplanung wirken sie im Wechselspiel mit den Kommunen, etwa bei Bauplanungen, die Verkehr reduzieren.
  • Sie regeln teilweise Bewirtschaftung und Vernässung von Forst- und Moorflächen.
  • Sie machen den Kommunen Vorgaben bei der Anpassung an den Klimawandel.

Keine Klagen möglich gegen Klimapolitik der Länder

Auch in der politischen Behandlung des Themas unterscheiden sich die Länder. Inzwischen haben mehr als 100 deutsche Gemeinden und Städte für sich den “Klimanotstand” erklärt, daraus sind aber sehr unterschiedliche Konsequenzen gezogen worden. Fast alle Länder haben inzwischen das Bundesziel der Klimaneutralität bis 2045 für sich festgeschrieben, einige wie Bayern, Baden-Württemberg und Niedersachsen wollen das Ziel sogar noch früher erreichen – nicht immer ist klar, wie das gelingen soll. Auch beim Ausbau der Erneuerbaren sind die Länder je nach Wind- und Sonnenpotenzial und nach politischen Einstellungen ganz unterschiedlich weit.

Dagegen hat nur ein Teil der Bundesländer eigene Klimaschutzgesetze. Andere regeln das Thema über eigene Klimastrategien, die per Regierungsbeschluss geändert werden können. Allerdings sind die Länder nicht verpflichtet, eigene Klimagesetze zu erlassen, wie Klagen vor dem Bundesverfassungsgericht aus dem Jahr 2022 ergeben haben. Das höchste deutsche Gericht, das ein Jahr zuvor den Bund zu mehr Klimaschutz zur Wahrung der Freiheit künftiger Generationen verpflichtet hatte, sah für die Länder keine grundrechtliche Verpflichtung, ein eigenes CO₂-Budget und Wege zur Einhaltung des 2-Grad-Ziels im Klimaschutz festzuschreiben.

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Sachsen im Klimacheck: Kein konkreter Plan für die Klimaneutralität

Sachsen nimmt seinen größten CO₂-Verursacher aus den Planungen zur CO₂-Reduzierung heraus und verweist auf den Plan zum Kohleausstieg.

Der Freistaat Sachsen ist weit entfernt von einem Pfad, der das Land seinem offiziell beschlossenen Ziel der Klimaneutralität bis 2045 nahebringen kann. Trotz großer Emissionsreduzierungen in der Wendezeit haben sich die Treibhausgase seit mehr als 20 Jahren praktisch nicht verringert, zeigt der Energie- und Klimaplan des Landes – auch weil die Verstromung von Braunkohle nach wie vor die Energie- und Klimapolitik des Landes bestimmt. Für die dominierenden Parteien CDU und AfD hat das Klimathema keine Priorität. Der noch zuständige (grüne) Umweltminister Wolfram Günther fordert, für die Erreichung der Klimaziele sei “ein Umdenken erforderlich”.

Seit 20 Jahren Stillstand bei CO₂-Reduktion

In der Summe ist die CO₂-Reduktion in Sachsen seit 1990 beachtlich: Die klimaschädlichen Emissionen sind laut offiziellem “Fortschrittsbericht” der Regierung zwischen 1990 und 2021 um 55 Prozent gesunken – deutlich mehr als im Bundesschnitt, dort liegt das Minus bei etwa 40 Prozent. Allerdings liegen die pro-Kopf-Emissionen aus dem Energiebereich (Daten von 2020) mit etwa zehn Tonnen pro Jahr deutlich über dem bundesdeutschen Durchschnitt von etwa sieben Tonnen. Und seit über 20 Jahren ist der CO₂-Ausstoß des Landes nicht etwa gesunken, sondern praktisch gleich geblieben.

Beim Strom besteht inzwischen die Hälfte der installierten Leistung aus Erneuerbaren-Anlagen, und Sachsen hat die bundesweit beste pro-Kopf-Ausstattung mit Balkon-Solarkraftwerken. Trotzdem lag mit etwa 22 Prozent (Daten von 2021) der Anteil erneuerbaren Stroms am sächsischen Stromverbrauch deutlich unter dem damaligen Bundesschnitt von etwa 41 Prozent – 2023 waren das sogar bundesweit im Schnitt fast 60 Prozent. Und nur 15 Prozent des in Sachsen produzierten Stroms stammt aus Erneuerbaren.

Erneuerbare haben in Sachsen ein deutliches Akzeptanzproblem. Denn die AfD, die den menschengemachten Klimawandel leugnet, macht im Wahlkampf und auch sonst immer wieder Wind- und Solarenergie zur Zielscheibe von Kritik. CDU-Ministerpräsident Kretschmer, der sich vor der Wahl besonders scharf von seinem Koalitionspartner Grüne abgrenzt, wiederholt bei jeder Gelegenheit, die “Energiewende ist gescheitert“. Man müsse wieder über Atomkraft nachdenken – auch wenn das gar nicht in der Entscheidung des Freistaats Sachsen liegt, sondern Angelegenheit des Bundes wäre.

Solar boomt, Wind schwächelt, Maßnahmen unscharf

Der grüne Umweltminister Günther erklärte gegenüber Table.Briefings: “Wir haben in dieser Legislatur Sachsen umgesteuert, vom Kohleland zum Land der erneuerbaren Energien.” Klimaschutz sei “erstmals sichtbar Regierungsthema“. Die Photovoltaik boome, die Leistung habe sich verdoppelt, “mehr als eine Viertelmilliarde Euro” sei für Energiewende und Klimaschutz mobilisiert worden. Von knapp 200 Maßnahmen im “Energie- und Klimaplan” sind nach Regierungsangaben mehr als 80 Prozent umgesetzt oder in der Umsetzung – allerdings bringen nur knapp acht Prozent davon direkte CO₂-Einsparung.

Auch beim umkämpften Windausbau sei man “noch nicht am Ziel”, so Günther. Wie lange in Bayern gilt auch in Sachsen die Regel, dass Windanlagen mindestens 1.000 Meter Abstand von Siedlungen von mindestens drei Häusern einhalten müssen. In einer Studie der Energiewirtschaft liegt Sachsen mit nur 0,2 Prozent der Landesfläche für rechtswirksam ausgewiesene Windflächen weit hinter dem Bundesdurchschnitt von 0,9 Prozent.

Im Bericht an den Landtag vom Juli 2024, der rechtzeitig zur heißen Phase des Wahlkampfs erschien, aber nur auf der Website des Umweltressorts und ohne große Kommunikation veröffentlicht wurde, mahnte der Umweltminister, der Weg zur Treibhausneutralität müsse “deutlich intensiver und wesentlich schneller” beschritten werden. Wer diese Aufgabe in einer möglichen neuen Regierung ohne grüne Beteiligung vorantreiben könnte, ist allerdings unklar. Denn die Vorgaben im Klimaschutz sind kein Gesetz, an dem das Parlament mitwirken muss. Sie sind im “Energie- und Klimaplan” (EKP) festgelegt, den die nächste Regierung nach Belieben ändern kann.

Das größte Problem ausgeblendet: Die Braunkohle

Sachsen lehnt sich in vielen Klimafragen an die Vorgaben im Bund an: Der Freistaat hat keinen eigenen Fahrplan zur Erreichung der Klimaneutralität 2045, sondern verweist auf die Planungen im Bundes-Klimaschutzgesetz – allerdings mit einigen wichtigen Einschränkungen:

  • Sachsen bezieht sich in seinen Planungen nur auf die Zeit bis 2030 – nicht bis 2045, wie der Bund.
  • Sachsen hat ebenso wie der Bund keinen schlüssigen Plan, wie die hartnäckig viel zu hohen Emissionen aus dem Verkehr nachhaltig zu reduzieren wären.
  • Sachsen nimmt seinen größten CO₂-Verursacher, die Energiewirtschaft, ausdrücklich aus den Planungen zur CO₂-Reduzierung aus und verweist auf den Plan zum Kohleausstieg.

Das hat einen Grund: etwa 60 Prozent der Emissionen im Freistaat kommen aus den “Großfeuerungsanlagen”, 15 Prozent aus dem Verkehr und 13 Prozent aus dezentralen Heizanlagen. Die beiden Braunkohlekraftwerke Boxberg und Lippendorf machten 2018 etwa die Hälfte der Emissionen aus – und sie werden laut dem bundesweiten “Kohlekompromiss” aus dem Jahr 2020 noch lange laufen: Zwei Blöcke in Boxberg gehen bis 2030 vom Netz, zwei weitere bleiben bis 2038 aktiv. In Lippendorf soll 2035 Schluss sein.

Auch Sachsen hat sich immer wieder gegen Pläne gewehrt, statt 2038 früher aus der extrem klimaschädlichen Braunkohle auszusteigen. Ob so etwas aber dennoch passiert, liegt kaum in der Macht der Regierung in Dresden. Eine solche Entscheidung trifft im Zweifel die Betreiberfirma LEAG, wenn die CO₂-Zertifikate so teuer werden sollten, dass sich der Betrieb nicht mehr rechnet – oder der Bund, falls er einen vorgezogenen Ausstieg verhandeln und finanzieren würde.

Erneuerbare, Sanierungen und E-Autos

Klimapolitik in Sachsen sei “klein-klein, ohne ein Gesamtprojekt“, kritisiert Felix Ekardt, sächsischer BUND-Vorsitzender und Professor für Öffentliches Recht, der unter anderem die erfolgreiche Klimaklage vor dem Bundesverfassungsgericht 2021 vorbereitet hat. Das Land habe nur begrenzten Einfluss etwa auf die Energiepolitik, könnte aber vieles besser machen: mehr und schneller Flächen für Erneuerbare ausweisen, Moore wieder vernässen, die Bauplanung für kurze Wege in den Städten nutzen. “Und Ministerpräsident Kretschmer könnte aufhören, bei der Energiewende zu bremsen und dauernd zu erklären, sie sei gescheitert”, so Ekardt. Eine Klage gegen die Politik des Landes sei aussichtslos, seit das Bundesverfassungsgericht diesen Weg in einem Beschluss 2022 abgelehnt hat.

Wie dringend eine Verschärfung des Kurses wäre, um Sachsen auf den Pfad zur Klimaneutralität zu bringen, zeigt eine Studie, die die grüne Fraktion im Landtag bei der Münchner Forschungsstelle für Energiewirtschaft (FfE) beauftragt hat. Es hat die nötigen Veränderungen im Land aufgelistet. Demnach müssten in Sachsen zwischen 2022 und 2030:

  • die Solarkapazität um etwa 290 Prozent und die Windkapazität um 160 Prozent zunehmen,
  • die Zahl der E-Autos von 8.000 auf 81.000 steigen,
  • die Kapazität für Wasserstoff-Elektrolyseure von null auf 320 MW ansteigen,
  • pro Monat etwa 2.000 fossile Heizungen gegen CO₂-freie Systeme ausgetauscht werden,
  • jedes Jahr 11.000 Wohngebäude (die Größe von Plauen) energetisch saniert werden, und
  • doppelt so viele Großbatteriespeicher wie bisher entstehen.

Dabei spürt auch der Freistaat die Klimafolgen und investiert in Anpassung. Immerhin leistet der Wald in Sachsen (anders als im Bundesdurchschnitt) noch seinen Anteil an der CO₂-Speicherung. Doch seine Kapazität ist mit knapp zwei Millionen Tonnen pro Jahr gering und geht zurück, warnt die Regierung. Die Temperaturen sind deutlich gestiegen und Starkregenfälle werden häufiger und intensiver.

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Translation missing.

Inflationsschocks: Wie die Geldpolitik künftig reagieren sollte

Unsichere Zeiten fordern auch die EZB heraus.

Was Angebotsschocks mit der europäischen Wirtschaft anstellen können, erlebt Europa aktuell. 2022 schnellten zuerst die Energie- und dann die Lebensmittelpreise in die Höhe. Als die Preise sich nicht schnell genug normalisierten, sah sich die EZB gezwungen, ihre Zinsen zu erhöhen und damit die Nachfrage zu senken. Sie fürchtete, sonst ihre Glaubwürdigkeit zu verlieren.

Die Inflation hat sich seither wieder normalisiert, aber zum Preis einer schwachen Wirtschaftsentwicklung und erhöhtem Druck auf die Haushalte der EU-Mitgliedstaaten. Angesichts der geopolitischen Spannungen können auch weitere Angebotsschocks nicht ausgeschlossen werden.

Neue Ära der Inflationsbekämpfung

“Wir hatten eine 30 bis 40 Jahre andauernde wirtschaftliche Stabilität durch die Öffnung des Handels, die Einbindung Chinas in die Wertketten und das geopolitisch insgesamt ruhige Klima”, sagt Jens van ‘t Klooster über die Zeit, die spätestens 2022 zu Ende ging. In dieser Phase habe man die Preispolitik mangels Notwendigkeit immer mehr vernachlässigt, sagt der Assistenzprofessor für politische Ökonomie der Universität Amsterdam. Staaten hätten ihren Werkzeugkasten immer mehr vereinfacht, sodass man heute eigentlich nur noch den Leitzins der Zentralbank als Hebel gegen Inflation habe.

Mit diesen begrenzten Möglichkeiten sind die Zentralbanken nun in eine Zeit getreten, in der wieder mehr Angebotsschocks drohen – nicht nur durch Kriege, sondern auch durch den Klimawandel. Eine Studie des Internationalen Währungsfonds schätzt, dass der Klimawandel die Inflation um 0,1 bis 0,4 Prozentpunkte erhöhen wird. Forscher der EZB und des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung sind pessimistischer: In ihrer Studie errechnen sie eine zusätzliche Inflation von 0,3 bis 1,2 Prozentpunkten pro Jahr – unter anderem durch den Effekt des Klimawandels auf Lebensmittelpreise.

Wiederholte Angebotsschocks drohen

David Barmes, Policy Fellow beim Grantham Forschungsinstitut für Klima und Umwelt an der London School of Economics, fürchtet, dass die Zahlen aus diesen Studien das Risiko noch unterschätzen. “Es ist sehr schwierig, diese Zahlen zu projizieren, denn es hängt von so vielen Variablen ab”, sagt er zu Table.Briefings.

Barmes’ Albtraum-Szenario: immer neue Angebotsschocks, in denen sich die Zentralbank zu wiederholten Zinssteigerungen gezwungen sieht, welche die Wirtschaft in die Depression drücken und gleichzeitig Investitionen in Klimaschutz und Klimaanpassung erschweren.

Diese Gefahr sieht auch Achim Wambach, Wirtschaftsprofessor an der Universität Mannheim und Präsident des Leibniz-Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW). “Deshalb spricht einiges dafür, den Kampf gegen den Klimawandel noch stärker voranzutreiben”, sagt er Table.Briefings.

EZB muss Glaubwürdigkeit wahren

Aber er warnt: “Auch Maßnahmen gegen den Klimawandel können inflationstreibend sein.” So werde die Erweiterung des EU-Emissionshandels, die für 2027 geplant ist, die Energiepreise stark anheben, was ebenfalls einen Inflationsschock auslösen könne.

Wambach nimmt die Regierungen in die Pflicht. Sie “müssen sich wieder bewusst werden, dass ihr Handeln Auswirkungen auf die Inflation hat”, sagt der ZEW-Präsident.

Was die Rolle der Zentralbank beim Klimaschutz angeht, bleibt Wambach zurückhaltend. “Die EZB muss sich klar auf ihr Preisstabilitätsmandat konzentrieren. Das Risiko ist hoch, dass sie sonst ihre Glaubwürdigkeit verliert”, sagt er. Wenn die Preissteigerungen drohen, die Inflationserwartungen in die Höhe zu treiben, müsse die EZB den Zinshammer anwenden, auch wenn der Grund ein Angebotsschock sei.

Zinserhöhungen benachteiligen Erneuerbaren-Ausbau

Jens van ‘t Klooster hingegen findet, dass Zinserhöhungen im aktuellen Kontext ein schlechtes Instrument darstellen. Statt das Angebot zu fördern, drücken sie die Nachfrage und treffen dabei vor allem Investitionen statt Konsumausgaben. Und weil erneuerbare Energien tendenziell höhere Anfangsinvestitionen benötigen, trifft es den Ausbau erneuerbarer Energien überproportional stark.

Der niederländische Ökonom erinnert daran, dass EZB-Zinserhöhungen bisher immer mit gestiegenen Ölpreisen in Verbindung standen. Das ist nicht weiter verwunderlich, denn Energiekosten haben von allen Preiskomponenten den stärksten Einfluss auf die Inflation in Europa. “Aus einer Preisstabilitätsperspektive ist die Abkehr von fossiler Energie ein no-brainer”, sagt van ‘t Klooster deshalb.

Er schlägt vor, dass die EZB Klimaschutzmaßnahmen von Zinserhöhungen verschonen soll. Das sei nichts Neues. “Sektor-spezifische Ausnahmen von Zinserhöhungen haben eine lange Geschichte”, sagt der Ökonom und verweist auf die Bundesbank, die Exportkredite bis 1996 von Zinserhöhungen verschont hatte – zu wichtig war der Außenhandel für die deutsche Wirtschaft.

Sektorieller Ansatz für Preisstabilität

Aber neben der EZB sieht van ‘t Klooster auch die Regierungen und die europäischen Institutionen in der Pflicht. Im Auftrag des Europäischen Parlaments hat er zusammen mit der deutschen Wirtschaftsprofessorin Isabella Weber in einer Studie skizziert, wie eine europäische Preispolitik funktionieren könnte. Wichtig sei ein sektorieller Ansatz, der sich auf jene Produkte und Sektoren fokussiert, bei denen ein Angebotsschock den größten Effekt auf die Gesamtinflation hat. Weber hatte in einer separaten Studie die Sektoren Energie, Wohnen, Großhandel und Lebensmittel identifiziert.

In jedem Sektor müsse dann spezifisch analysiert werden, wie die Resilienz vor Angebotsschocks verbessert werden könnte. Je nachdem können dann Subventionen zur Ausweitung der Produktionskapazitäten, Preiskontrollen, größere Pflichtlager oder andere Maßnahmen zum Zug kommen.

Die Voraussetzung für alle diese Maßnahmen ist jedoch eine bessere Datenlage. Weber und van ‘t Klooster fordern die EU-Kommission und die EZB deshalb auf, detailliertere Daten zu erheben, die einen besseren Einblick in die inflationsrelevanten Wertschöpfungsketten erlauben. Nur mit einer genauen Kenntnis der spezifischen Verhältnisse in jedem Sektor könnten die richtigen Maßnahmen identifiziert werden.

Widerstand aus den Mitgliedstaaten

Ähnliche Forderungen nach einer besseren Datenlage und mehr technischem Know-how innerhalb der europäischen und nationalen Verwaltungen kommen auch von Wirtschaftssicherheitsexperten. Erste Schritte in diese Richtung hat die EU mit dem Chips Act zum Beispiel schon in der Halbleiterindustrie unternommen sowie sektorübergreifend im Internal Market Emergency and Resilience Act (IMERA).

Bei Letzterem wurden die Kompetenzen, die sich die EU-Kommission gerne gegeben hätte, um Daten zu erheben sowie Produktion anzuordnen und Pflichtlager anzulegen, von den Mitgliedstaaten stark begrenzt. Das System, das Weber und van ‘t Klooster vorschlagen, dürfte also auf deutlichen Widerstand treffen.

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News

Solarenergie: Wieso Meyer Burger in Sachsen-Anhalt bleibt

Der Solarkonzern Meyer Burger hat seine Pläne zum Bau einer Solarzellenproduktion in den USA und damit die vorgesehene Verlagerung seines Kerngeschäfts nach Übersee ad acta gelegt. Das geplante Projekt in Colorado Springs sei derzeit nicht finanzierbar und daher gestoppt worden, teilte der Schweizer Konzern am Montag mit. 

Das Unternehmen werde sich auf den Betrieb der im Hochlauf befindlichen Modulproduktion in Goodyear, Arizona, mit einer Kapazität von 1,4 Gigawatt konzentrieren, heißt es weiter. Die drohende Schließung der Produktionsstätte in Bitterfeld-Wolfen in Sachsen-Anhalt sei damit vom Tisch. “Das ist die gute Nachricht zur Schlechten”, sagte Geschäftsführer Gunter Erfurt.

Meyer Burger hatte bereits im Frühjahr die nach Unternehmensangaben größte Solarmodulproduktion im sächsischen Freiberg geschlossen. Das Unternehmen machte damals den Druck durch chinesische Billigimporte nach Europa dafür verantwortlich. Zuvor hatte die Branche erfolglos an die Bundesregierung appelliert, europäische Hersteller zu fördern. Auch die Produktion von Solarzellen in Bitterfeld-Wolfen stand zur Disposition. Zuletzt hatte es geheißen, die Produktion dort werde noch bis 2025 gebraucht.

Kostensteigerungen verhindern Umzug in die USA

Es sei geplant gewesen, das Werk zurückzufahren, sobald die Fertigung in den USA hochläuft, sagte Erfurt. Dazu kommt es nun doch nicht. Hintergrund der Finanzierungsprobleme der Zellproduktion in den USA seien unter anderem Kostensteigerungen für Material, das zum Umbau einer Fabrik gebraucht wird.

Das Werk in Sachsen-Anhalt mit seinen 350 Mitarbeitern solle daher auch zukünftig das “Rückgrat” der Solarzellenversorgung von Meyer Burger sein und die Modulproduktion der Firma im US-Bundesstaat Arizona beliefern. Das sei aktuell die wirtschaftlichste Option, verkündete der Schweizer Konzern. Die Modulproduktion in Arizona habe eine Kapazität von 1,4 Gigawatt. Diese könne komplett aus Bitterfeld-Wolfen beliefert werden. 

Neue Regelungen in den USA hätten es lukrativer gemacht, Solarzellen für die Modulproduktion zu importieren, erklärte Erfurt. Die Logistikkosten für Zellen seien auch vergleichsweise gering. Zudem gebe es in den USA deutlich mehr Restriktionen und Zölle gegenüber den Importen aus Asien. “Das allgemeine Preisniveau in den USA ist daher vergleichsweise gesund im Vergleich zu Europa. Deswegen funktioniert es auch.” dpa/rtr

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Antarktis: Gletscher weniger gefährdet als gedacht

Der Thwaites-Gletscher in der Antarktis steht nicht unmittelbar vor einem Kollaps durch Abschmelzen des schützenden Schelfeises. Die Gletscher in der Region könnten stabiler sein als bisher gedacht. Zu diesen Ergebnissen kommt eine Studie, die in der vergangenen Woche im Fachmagazine Science Advances veröffentlicht wurde. Bis Ende des 21. Jahrhunderts prognostizieren die Modelle der Forschenden keinen weiteren, deutlichen Rückzug der Gletscher.

Ein Team vom Dartmouth College in New Hampshire hat dafür die Hypothese von der Marine Ice Cliff Instability (MICI) genauer untersucht. Nach dieser Hypothese könnte es durch das Abschmelzen von Schelfeis dazu kommen, dass freigelegte Eisklippen ohne die Stütze des Schelfeises einbrechen und so eine Kettenreaktion von zusammenbrechendem Eis auslösen. In relativ kurzer Zeit würde der Meeresspiegel dadurch sehr stark ansteigen. Diese Hypothese war bisher eine Befürchtung, weshalb der Thwaites auch den Beinamen als Doomsday-Gletscher trägt, konnte allerdings in der Realität noch nie beobachtet werden.

Am Beispiel des Thwaites-Gletschers haben die Forscher nun detailliert simuliert, was durch Abschmelzen des Schelfeises passieren würde. Anders als erwartet blieben die Eisklippen dahinter relativ stabil – selbst in negativen Szenarien mit einem sehr hohen CO₂-Ausstoß. Das vollständige Abschmelzen des Thwaites allein könnte zu einem Meeresspiegelanstieg von 60 cm führen. kul

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Diese Welterbestätten bedroht der Klimawandel

Der Klimawandel erhöht nach einer neuen Datenanalyse die Gefahr für viele Unesco-Welterbestätten, durch Fluten, Stürme oder extreme Hitze beschädigt zu werden. Unter den 50 gefährdetsten Stätten in der Region Asien-Pazifik, Nordamerika und Europa seien auch zwei Orte in Deutschland, teilte das britische Analysehaus Climate X am Donnerstag mit.

Auf Platz zwölf liegt demnach die ehemalige Steinkohlen-Zeche Zollverein in Essen. Dort bestehe die erhöhte Gefahr von Überflutungen. Der charakteristische Förderturm liegt einige Kilometer von der Ruhr und dem Rhein-Herne-Kanal entfernt. Auf Platz 22 listet Climate X die Altstädte von Stralsund und Wismar. Sie seien sowohl von über die Ufer tretenden Flüssen, Starkregen als auch Stürmen bedroht.

Tropische Bewässerungsgemeinschaft auf Platz eins

Auf den ersten drei Plätzen liegen laut der Analyse:

  • das Subak-System, eine Bewässerungsgemeinschaft auf der indonesischen Insel Bali
  • der Kakadu-Nationalpark in Australien
  • das alte Handelszentrum im chinesischen Quanzhou

In Europa gibt es neben den deutschen mehrere weitere gefährdete Welterbestätten unter den Top 50. Auf Rang vier zum Beispiel die Eisenhütte im schwedischen Engelsberg und auf Platz sechs die bekannten Malereien in der Chauvet-Höhle in Südfrankreich, die von Starkregen und Erdrutschen bedroht seien. ber

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Industrie: Warum China erstmal keine neuen Stahlwerke mehr genehmigt

China hat das Genehmigungsverfahren für neue Stahlwerke ausgesetzt. Seit einigen Jahren dürfen in China nur dann neue Eisen- und Stahlwerke gebaut werden, wenn alte Anlagen stillgelegt werden. Damit wollte der Staat die Überkapazitäten im Stahlsektor begrenzen, was allerdings nicht gelungen ist.

China produziert mehr Stahl als alle anderen Staaten zusammen. Der chinesische Stahlsektor ist für rund 4,6 Prozent der weltweiten CO₂-Emissionen verantwortlich. Wäre er ein Staat, läge der Stahlsektor allein auf Rang 5 der weltweit größten Emittenten. Das Ministerium für Industrie und Informationstechnologie will nun das Genehmigungsverfahren überarbeiten. Ob dabei auch Klimabelange eine Rolle spielen werden, ist derzeit noch unklar.

Im ersten Halbjahr hat China ausschließlich Genehmigungen für CO₂-arme Stahlwerke erteilt. Erstmals seit September 2018 wurden somit keine Genehmigungen für CO₂-intensive Stahlwerke vergeben. Analysten deuten das als Anzeichen für eine Trendwende im Stahlsektor. Die kohlebasierten Kapazitäten, die zuvor genehmigt wurden, werden laut Bloomberg wahrscheinlich dennoch gebaut und sind von dem Aussetzen des Genehmigungsverfahrens nicht berührt. Aufgrund der Überkapazitäten und einer geringeren Nachfrage im Heimatmarkt sind Chinas Stahlexporte in jüngster Zeit gestiegen, worüber sich auch internationale Wettbewerber wie Arcelor Mittal beschwert haben. nib

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Neues Förderprogramm: Wie der Mittelstand dekarbonisiert werden soll

Mit einem neuen Förderprogramm will Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck kleine und mittlere Unternehmen bei der Umstellung auf klimafreundliche Produktionsverfahren unterstützen. Für das Programm “Bundesförderung Industrie und Klimaschutz” sollen bis zum Jahr 2030 insgesamt 3,3 Milliarden Euro aus dem Klima- und Transformationsfonds (KTF) zur Verfügung gestellt werden, kündigte Habeck am Freitag an. Das Programm soll die Klimaschutzverträge ergänzen, die sich vor allem an Großunternehmen richten. Gefördert werden Unternehmen, die ihre Emissionen bis zum Jahr 2030 um mindestens 40 Prozent reduzieren. Der Fördersatz beträgt je nach Größe des Unternehmens zwischen 30 und 50 Prozent der Investitionssumme; der Maximalbetrag pro Unternehmen beträgt 200 Millionen Euro.

Das Programm besteht aus zwei Modulen: Das erste mit dem Titel “Dekarbonisierung der Industrie” soll Investitionen fördern, die Emissionen vermeiden – etwa die Umstellung von bisher mit fossilen Energieträgern betriebenen Prozessen auf Strom oder Wasserstoff. Das zweite Modul mit dem Titel “Anwendung und Umsetzung von CCU und CCS” fördert Projekte zur Abspaltung, Nutzung und Speicherung von CO₂. Dies ist begrenzt auf Prozesse, bei denen die Emissionen nicht oder nur schwer vermeidbar sind, etwa in der Zementherstellung oder der Abfallbehandlung. Damit startet die CCS-Förderung für den Mittelstand schneller als für die Großindustrie: Dort sollen CCS-Projekte erst in der zweiten Gebotsrunde der Klimaschutzverträge gefördert werden, die sich derzeit noch in der Vorbereitung befindet. mkr

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Wasserstoff: Uniper testet Speicher in Ostfriesland

Der Energiekonzern Uniper nimmt demnächst einen unterirdischen Testspeicher für Wasserstoff im ostfriesischen Krummhörn in Betrieb. Etwa zwei Jahre lang soll dort unter anderem geprüft werden, wie Materialien und Technik mit dem Gas zurechtkommen. Auch die Einspeicherung von Wasserstoff unter realen Bedingungen wird erprobt.

Der im Zuge der Energiekrise verstaatlichte Energiekonzern Uniper ist Deutschlands größter Erdgasspeicher-Betreiber und sieht sich als Vorreiter beim Aufbau einer europäischen Wasserstoffwirtschaft. Der Testspeicher in Krummhörn befindet sich in einer Tiefe von etwa 1.700 Metern. Die sogenannte Kaverne ist etwa 30 Meter hoch und hat einen Durchmesser von 16 Metern. Das Volumen liegt bei 3.000 Kubikmetern. Die Kaverne ist günstig gelegen: In der Nähe soll das geplante Wasserstoffpipeline-Kernnetz vorbeiführen.

Erstbefüllung startet Ende September

Die Erstbefüllung der Testkaverne ist für Ende September geplant. Nach Angaben des technischen Leiters der Uniper-Gasspeichersparte, Frank Holschumacher, wird dafür grüner Wasserstoff verschiedener Hersteller verwendet, der mit Tankwagen angeliefert werden soll. 

Sollte sich die Wasserstoffspeicherung nach der zweijährigen Testphase wirtschaftlich lohnen, will Uniper die Kaverne für eine kommerzielle Nutzung vergrößern. Das sogenannte Aussolen wird laut Holschumacher voraussichtlich drei bis fünf Jahre dauern. Die nutzbare Menge liege dann bei 250 Gigawattstunden Wasserstoff. Für das Aussolen dieser neuen Kaverne rechnet er mit Kosten in Höhe von 350 Millionen bis 500 Millionen Euro.

Bis zu zehn Wasserstoff-Speicher in Krummhörn

Uniper gehören in dem Salzstock noch drei weitere Kavernen, die in der Vergangenheit als Erdgasspeicher genutzt wurden. Derzeit sind sie mit Wasser gefüllt. Falls es sich lohnt, sollen auch sie zu Wasserstoffspeichern ertüchtigt werden. Darüber hinaus können laut Uniper in dem Salzstock noch sechs weitere neue Kavernen gebaut werden. Insgesamt plant Uniper Energy Storage bis 2030 die Entwicklung von Salzkavernen zu Wasserstoff-Speichern mit einer Kapazität von bis zu 600 Gigawattstunden. Hierzu würden bestehende und neue Standorte entlang des Wasserstoff-Kernnetzes in Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen untersucht, hieß es. dpa

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Brasilien: So schlimm sind die Waldbrände aktuell

Im Südosten Brasiliens wüten schwere Brände. Die Regierung von São Paulo rief in 45 Gemeinden den Notstand aus. Nach Daten des für die Satellitenüberwachung zuständigen Instituts für Weltraumforschung (Inpe) wurden in dem Bundesstaat vom 1. bis 23. August 3.175 Brände registriert. Laut einem Bericht der Nachrichtenagentur Agência Brasil gab es dort zuletzt in keinem August seit 1998 so viele Brände.

Auch im Amazonas-Gebiet gibt es derzeit besonders schwere Brände. Das Feuchtgebiet Pantanal und die Savannenregion Cerrado sind ebenfalls betroffen. Mindestens zwei Menschen sind bereits in den Flammen ums Leben gekommen.

Von Juni bis Oktober ist in Brasilien Waldbrandsaison. Verschärft wird die Lage in diesem Jahr zudem von einer schweren Dürre. Sie steht Experten zufolge im Zusammenhang mit dem Wetterphänomen El Niño und dem Klimawandel. In der Amazonas-Region hat die Zahl der Brände im ersten Halbjahr 2024 im Vergleich zum Vorjahr um 60 Prozent zugenommen. Satellitendaten deuten darauf hin, dass das die schlimmste Waldbrandsaison der vergangenen 20 Jahre ist. dpa/kul

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Must-Reads

Handelsblatt: Diskussion um den Energiemarkt der Zukunft
Die Bundesregierung muss als Folge des Doppelausstiegs aus Kohle und Kernkraft den Strommarkt umbauen. Nach den Plänen der Ampel soll es künftig einen “hybriden Kapazitätsmarkt” geben. Energieversorger sollen Strom flexibel bereitstellen und die Industrie ihre Produktion herunterfahren, wenn Sonne und Wind nicht genug Energie liefern. Sowohl die Energieversorger als auch die Industrie sind skeptisch. Zum Artikel

Washington Post: Gletschersterben
Dass sich durch den Klimawandel Gletscher zurückziehen oder sterben, ist bekannt. Doch bislang gibt es keine Dokumentation, die den Menschen das gesamte Ausmaß dieser Katastrophe vor Augen führt. Das hat sich nun durch die Arbeit von Wissenschaftlern wie Matthias Huss, Cymene Howe und Dominic Boyer geändert. Sie alle dokumentieren das Ende der Gletscher. Allein in der kleinen Schweiz sind 1000 von ihnen verloren gegangen. Zum Artikel

Financial Times: Wirrer Elon
Lange Zeit war Elon Musk, zumindest was den Klimawandel betrifft, eine Stimme der Vernunft. Zwar trug er arg dick auf, wenn er sich als den Menschen bezeichnete, der am meisten gegen den Klimawandel getan hatte, aber er leugnete ihn nicht und setzte sich dafür ein, sich für das Klima zu engagieren. Diese Zeiten sind vorbei. Seitdem Musk Fan von Donald Trump geworden ist, hat der Kampf gegen den Klimawandel viel an Bedeutung verloren und ist überhaupt nicht mehr dringlich. Zum Artikel

New York Times: Klimawandel für Harris nur ein Nebenthema

Vor vier Jahren war der Klimawandel eines der wichtigen Themen, über die sich damals der Demokrat Joe Biden und der Republikaner Donald Trump stritten. In der diesjährigen Auseinandersetzung um das Präsidentenamt zwischen Kamal Harris und Donald Trump ist Klima bislang nur ein Randthema. Auf dem Demokratischen Nationalkongress in Chicago, auf dem Harris zur Präsidentschaftskandidatin ihrer Partei bestimmt wurde, erwähnte sie Klima nur ein Mal. Harris sagte, dass es zu den Freiheiten, die auf dem Spiel stünden, auch “die Freiheit, saubere Luft zu atmen und sauberes Wasser zu trinken und frei von der Verschmutzung zu leben, die die Klimakrise anheizt.” Zum Artikel

Süddeutsche Zeitung: Grüne Fonds

Fonds, die auf Nachhaltigkeit setzen, wollen Unternehmen dazu zwingen, auf CO₂ zu verzichten und ökologischer zu werden. Es soll sich sowohl für die Anleger als auch für die Unternehmen lohnen, auf die Umwelt zu setzen. Die Nachfrage nach solchen Fonds steigt. Zum Artikel

Climate.Table Redaktion

CLIMATE.TABLE REDAKTION

Licenses:
    Liebe Leserin, lieber Leser,

    gespannt blickt das politische Deutschland am Wochenende nach Sachsen und Thüringen, wo neue Landtage gewählt werden. Trotz zunehmender Hitze und Regenfällen, trotz starkem Ausbau der Erneuerbaren und ehrgeizigen Plänen zur Klimaneutralität ist die Klimakrise kaum ein Thema im Wahlkampf gewesen. Oder wenn, dann nur als Anlass für Kritik an der Bundesregierung. Dabei wird schnell vergessen, wie wichtig gerade die Bundesländer für Energiewende und Klimaschutz sind. Die 16 Länder können eine erfolgreiche Klimapolitik zwar nicht allein durchsetzen – aber sie können alle Pläne dafür scheitern lassen, wenn sie bremsen und blockieren.

    Und diese Gefahr besteht, wenn man die Voraussagen für die Wahlergebnisse und die Aussagen der wichtigsten Parteien in diesen Ländern ernst nimmt. Deshalb starten wir beim Climate.Table mit einer losen Serie über ein gern ignoriertes Thema: Wie sieht eigentlich die Klimabilanz der einzelnen Bundesländer aus? Wir beginnen mit einer allgemeinen Einordnung und einem Klimacheck für Sachsen. Thüringen und Brandenburg werden folgen, danach die anderen Länder.

    Selbstverständlich betreiben wir keine deutsche Nabelschau, sondern schauen auch diesmal wieder über unsere regionalen Kirchtürme hinaus: Wir berichten von den Klimaplänen der Europäischen Zentralbank, vom Schmelzen der Antarktis und den Feuern im Amazonas-Wald. Aber wir blicken eben auch ganz genau hin, was in diesen entscheidenden Tagen in deutschen Landen passiert. Oder eben nicht.

    Wir bleiben dran. Ihnen wünsche ich informative Lektüre!

    Ihr
    Bernhard Pötter
    Bild von Bernhard  Pötter

    Analyse

    Bundesländer im Klimacheck: So groß ist der Einfluss der Länder

    Ein Windpark bei Leipzig: Die Bundesländer müssen zwei Prozent der Landesfläche für Windkraft bereitstellen.

    16 wichtige Akteure in der deutschen Klimapolitik werden in der öffentlichen Debatte kaum wahrgenommen – die Bundesländer. Dabei findet bundesdeutsche Klimapolitik nicht nur in Berlin oder in Brüssel statt – sondern vor allem auch in den 16 Ländern und knapp 11.000 Kommunen. Vor den Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg startet Table.Briefings deshalb eine Serie mit Klimachecks der Bundesländer.

    Länder müssen umsetzen und können blockieren

    In Landeshauptstädten und Rathäusern der Republik fallen wichtige klimapolitische Entscheidungen. Sie können die Klimaneutralität Deutschlands bis 2045 zwar nicht allein garantieren, sie aber im Zweifel scheitern lassen. Oft führen sie Bundesgesetze aus – und wie sie etwa Windflächen genehmigen, die Wärmewende vorantreiben oder Stromtrassen bauen, beeinflusst die gesamte Klimapolitik. Eine Landesregierung mit AfD-Beteiligung etwa könnte in vielen dieser Bereiche bremsen und blockieren, wie es etwa die CSU in Bayern beim Ausbau von Wind und Netzen getan hat. Ohne die Länder ist in einem föderalen System wie der Bundesrepublik eine erfolgreiche Klimapolitik nicht möglich.

    Die Klimabilanz der Bundesländer ist sehr unterschiedlich, und die Datenlage ist nicht immer einfach. Denn die wirtschaftliche Struktur und das klimapolitische Engagement sind je nach Geschichte und politischen Mehrheiten ganz verschieden: Die Schwerindustrie und die dafür nötige Energieinfrastruktur haben etwa Nordrhein-Westfalen geprägt, so wie die Braunkohle-Zentren etwa Brandenburg und Sachsen dominieren. Ein Überblick über die Emissionsbilanzen der Länder zeigt, wo in der Vergangenheit am meisten Treibhausgase eingespart wurden:

    Trotz aller regionaler Differenzen gibt es mit Blick auf die Bundesländer einige klare Trends:

    • Zusammenbruch und Abwicklung der extrem CO₂-lastigen Industrie der DDR nach der Wiedervereinigung haben zu massiven Emissionsrückgängen geführt. Lange hat Deutschlands Rolle als “Vorreiter in der Klimapolitik” auch davon gezehrt, dass ausgerechnet 1990 als Jahr der deutschen Vereinigung zum Ausgangspunkt vieler Berechnungen auf internationaler Ebene gemacht wurde.
    • Seit diesen “Wallfall-Profits” in den Ostländern haben dort häufig kaum weitere nennenswerte Reduzierung von Treibhausgasen stattgefunden.
    • In den Stadtstaaten Berlin, Hamburg und Bremen ist das Bild teilweise verzerrt. Denn die Daten werden im Normalfall dort berechnet, wo sie bei der Entstehung anfallen: Ein einziges neues Kohlekraftwerk (Moorburg) konnte etwa sehr schnell Hamburgs CO₂-Ausstoß nach oben treiben. Gleichzeitig importieren die Stadtstaaten ihre Energie aus dem Umland, ohne die damit verbundenen Emissionen zu importieren – oder sie exportieren ihre Emissionen, etwa beim Flughafen BER, der viel von Berlin genutzt wird, seine Emissionen aber Brandenburg zurechnet.
    • Stromexport und -import über Bundesländergrenzen hinweg kann die Bilanz ebenfalls verzerren: Ein Kohlekraftwerk jenseits der Grenze liefert Strom, aber nicht die CO₂-Emissionen für die Länderbilanz.
    • “Windländer” haben eine günstige Klimabilanz: Schleswig-Holstein etwa erzeugt doppelt so viel grünen Strom, wie es selbst nutzt, ist also in der Strombilanz teilweise bereits rechnerisch “klimaneutral” oder “klimapositiv”.
    • Es gibt bei Emissionen, aber auch bei Treibhausgasen große Unterschiede zwischen industriellen Zentren im Westen und Süden der Republik, “Transitländern” für den Verkehr und eher landwirtschaftlich geprägten Regionen im Norden und Nordosten: Emissionen aus der Tierhaltung oder aus trockenen Mooren haben dort teilweise höhere Klimawirkung als CO₂ aus Energie und Verkehr.

    Akteure: EU, Bund, Länder, Kommunen

    Die Abgrenzung zwischen Bund, Ländern und Kommunen beim Klimaschutz ist nicht immer einfach. Ein großer Teil auch deutscher Klimapolitik ist inzwischen Umsetzung von EU-Richtlinien, etwa bei:

    • Emissionshandel I und II
    • Richtlinien zu Erneuerbaren, Energieeffizienz oder zum “Effort Sharing”
    • “Green Deal” und Industriepolitik
    • EU-Netzplanung für Strom, Gas, Wasserstoff
    • UN-Verhandlungen und internationale Abkommen

    Andere Bereiche regelt die deutsche Bundesregierung eigenständig, so beispielsweise:

    • Sektorale Klimaziele über das Klimaschutzgesetz
    • Emissionshandel II mit Preiskorridor bis 2027
    • Subventionen für klimafreundliche und klimaschädliche Tätigkeiten
    • Design des Strommarkts, etwa Kapazitätsmärkte
    • Förderung von Erneuerbaren über das EEG oder das Gebäudeenergie-Gesetz
    • Netzausbau über die Bundesnetzagentur
    • Gesetzliche Rahmen für Verkehr, Bauen oder Landwirtschaft.

    Länder: Windflächen, Wärmewende, ÖPNV, Finanzierung der Kommunen

    Die Länder beeinflussen die Klimapolitik weniger spektakulär, aber ebenfalls in wichtigen Bereichen:

    • Sie setzen Bundesgesetze mehr oder weniger ambitioniert um, etwa beim Immissionsschutz oder beim Flächenziel von zwei Prozent für die Windkraft.
    • Etwa die Hälfte des Stromnetzausbaus liegt bei den Ländern, wenn keine Landesgrenzen überschritten werden.
    • Die Länder stellen ihren Kommunen mehr oder weniger Finanzen, etwa für ÖPNV oder bei der Umsetzung der Wärmewende, zur Verfügung.
    • Bei der Raum- und Verkehrsplanung wirken sie im Wechselspiel mit den Kommunen, etwa bei Bauplanungen, die Verkehr reduzieren.
    • Sie regeln teilweise Bewirtschaftung und Vernässung von Forst- und Moorflächen.
    • Sie machen den Kommunen Vorgaben bei der Anpassung an den Klimawandel.

    Keine Klagen möglich gegen Klimapolitik der Länder

    Auch in der politischen Behandlung des Themas unterscheiden sich die Länder. Inzwischen haben mehr als 100 deutsche Gemeinden und Städte für sich den “Klimanotstand” erklärt, daraus sind aber sehr unterschiedliche Konsequenzen gezogen worden. Fast alle Länder haben inzwischen das Bundesziel der Klimaneutralität bis 2045 für sich festgeschrieben, einige wie Bayern, Baden-Württemberg und Niedersachsen wollen das Ziel sogar noch früher erreichen – nicht immer ist klar, wie das gelingen soll. Auch beim Ausbau der Erneuerbaren sind die Länder je nach Wind- und Sonnenpotenzial und nach politischen Einstellungen ganz unterschiedlich weit.

    Dagegen hat nur ein Teil der Bundesländer eigene Klimaschutzgesetze. Andere regeln das Thema über eigene Klimastrategien, die per Regierungsbeschluss geändert werden können. Allerdings sind die Länder nicht verpflichtet, eigene Klimagesetze zu erlassen, wie Klagen vor dem Bundesverfassungsgericht aus dem Jahr 2022 ergeben haben. Das höchste deutsche Gericht, das ein Jahr zuvor den Bund zu mehr Klimaschutz zur Wahrung der Freiheit künftiger Generationen verpflichtet hatte, sah für die Länder keine grundrechtliche Verpflichtung, ein eigenes CO₂-Budget und Wege zur Einhaltung des 2-Grad-Ziels im Klimaschutz festzuschreiben.

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    Sachsen im Klimacheck: Kein konkreter Plan für die Klimaneutralität

    Sachsen nimmt seinen größten CO₂-Verursacher aus den Planungen zur CO₂-Reduzierung heraus und verweist auf den Plan zum Kohleausstieg.

    Der Freistaat Sachsen ist weit entfernt von einem Pfad, der das Land seinem offiziell beschlossenen Ziel der Klimaneutralität bis 2045 nahebringen kann. Trotz großer Emissionsreduzierungen in der Wendezeit haben sich die Treibhausgase seit mehr als 20 Jahren praktisch nicht verringert, zeigt der Energie- und Klimaplan des Landes – auch weil die Verstromung von Braunkohle nach wie vor die Energie- und Klimapolitik des Landes bestimmt. Für die dominierenden Parteien CDU und AfD hat das Klimathema keine Priorität. Der noch zuständige (grüne) Umweltminister Wolfram Günther fordert, für die Erreichung der Klimaziele sei “ein Umdenken erforderlich”.

    Seit 20 Jahren Stillstand bei CO₂-Reduktion

    In der Summe ist die CO₂-Reduktion in Sachsen seit 1990 beachtlich: Die klimaschädlichen Emissionen sind laut offiziellem “Fortschrittsbericht” der Regierung zwischen 1990 und 2021 um 55 Prozent gesunken – deutlich mehr als im Bundesschnitt, dort liegt das Minus bei etwa 40 Prozent. Allerdings liegen die pro-Kopf-Emissionen aus dem Energiebereich (Daten von 2020) mit etwa zehn Tonnen pro Jahr deutlich über dem bundesdeutschen Durchschnitt von etwa sieben Tonnen. Und seit über 20 Jahren ist der CO₂-Ausstoß des Landes nicht etwa gesunken, sondern praktisch gleich geblieben.

    Beim Strom besteht inzwischen die Hälfte der installierten Leistung aus Erneuerbaren-Anlagen, und Sachsen hat die bundesweit beste pro-Kopf-Ausstattung mit Balkon-Solarkraftwerken. Trotzdem lag mit etwa 22 Prozent (Daten von 2021) der Anteil erneuerbaren Stroms am sächsischen Stromverbrauch deutlich unter dem damaligen Bundesschnitt von etwa 41 Prozent – 2023 waren das sogar bundesweit im Schnitt fast 60 Prozent. Und nur 15 Prozent des in Sachsen produzierten Stroms stammt aus Erneuerbaren.

    Erneuerbare haben in Sachsen ein deutliches Akzeptanzproblem. Denn die AfD, die den menschengemachten Klimawandel leugnet, macht im Wahlkampf und auch sonst immer wieder Wind- und Solarenergie zur Zielscheibe von Kritik. CDU-Ministerpräsident Kretschmer, der sich vor der Wahl besonders scharf von seinem Koalitionspartner Grüne abgrenzt, wiederholt bei jeder Gelegenheit, die “Energiewende ist gescheitert“. Man müsse wieder über Atomkraft nachdenken – auch wenn das gar nicht in der Entscheidung des Freistaats Sachsen liegt, sondern Angelegenheit des Bundes wäre.

    Solar boomt, Wind schwächelt, Maßnahmen unscharf

    Der grüne Umweltminister Günther erklärte gegenüber Table.Briefings: “Wir haben in dieser Legislatur Sachsen umgesteuert, vom Kohleland zum Land der erneuerbaren Energien.” Klimaschutz sei “erstmals sichtbar Regierungsthema“. Die Photovoltaik boome, die Leistung habe sich verdoppelt, “mehr als eine Viertelmilliarde Euro” sei für Energiewende und Klimaschutz mobilisiert worden. Von knapp 200 Maßnahmen im “Energie- und Klimaplan” sind nach Regierungsangaben mehr als 80 Prozent umgesetzt oder in der Umsetzung – allerdings bringen nur knapp acht Prozent davon direkte CO₂-Einsparung.

    Auch beim umkämpften Windausbau sei man “noch nicht am Ziel”, so Günther. Wie lange in Bayern gilt auch in Sachsen die Regel, dass Windanlagen mindestens 1.000 Meter Abstand von Siedlungen von mindestens drei Häusern einhalten müssen. In einer Studie der Energiewirtschaft liegt Sachsen mit nur 0,2 Prozent der Landesfläche für rechtswirksam ausgewiesene Windflächen weit hinter dem Bundesdurchschnitt von 0,9 Prozent.

    Im Bericht an den Landtag vom Juli 2024, der rechtzeitig zur heißen Phase des Wahlkampfs erschien, aber nur auf der Website des Umweltressorts und ohne große Kommunikation veröffentlicht wurde, mahnte der Umweltminister, der Weg zur Treibhausneutralität müsse “deutlich intensiver und wesentlich schneller” beschritten werden. Wer diese Aufgabe in einer möglichen neuen Regierung ohne grüne Beteiligung vorantreiben könnte, ist allerdings unklar. Denn die Vorgaben im Klimaschutz sind kein Gesetz, an dem das Parlament mitwirken muss. Sie sind im “Energie- und Klimaplan” (EKP) festgelegt, den die nächste Regierung nach Belieben ändern kann.

    Das größte Problem ausgeblendet: Die Braunkohle

    Sachsen lehnt sich in vielen Klimafragen an die Vorgaben im Bund an: Der Freistaat hat keinen eigenen Fahrplan zur Erreichung der Klimaneutralität 2045, sondern verweist auf die Planungen im Bundes-Klimaschutzgesetz – allerdings mit einigen wichtigen Einschränkungen:

    • Sachsen bezieht sich in seinen Planungen nur auf die Zeit bis 2030 – nicht bis 2045, wie der Bund.
    • Sachsen hat ebenso wie der Bund keinen schlüssigen Plan, wie die hartnäckig viel zu hohen Emissionen aus dem Verkehr nachhaltig zu reduzieren wären.
    • Sachsen nimmt seinen größten CO₂-Verursacher, die Energiewirtschaft, ausdrücklich aus den Planungen zur CO₂-Reduzierung aus und verweist auf den Plan zum Kohleausstieg.

    Das hat einen Grund: etwa 60 Prozent der Emissionen im Freistaat kommen aus den “Großfeuerungsanlagen”, 15 Prozent aus dem Verkehr und 13 Prozent aus dezentralen Heizanlagen. Die beiden Braunkohlekraftwerke Boxberg und Lippendorf machten 2018 etwa die Hälfte der Emissionen aus – und sie werden laut dem bundesweiten “Kohlekompromiss” aus dem Jahr 2020 noch lange laufen: Zwei Blöcke in Boxberg gehen bis 2030 vom Netz, zwei weitere bleiben bis 2038 aktiv. In Lippendorf soll 2035 Schluss sein.

    Auch Sachsen hat sich immer wieder gegen Pläne gewehrt, statt 2038 früher aus der extrem klimaschädlichen Braunkohle auszusteigen. Ob so etwas aber dennoch passiert, liegt kaum in der Macht der Regierung in Dresden. Eine solche Entscheidung trifft im Zweifel die Betreiberfirma LEAG, wenn die CO₂-Zertifikate so teuer werden sollten, dass sich der Betrieb nicht mehr rechnet – oder der Bund, falls er einen vorgezogenen Ausstieg verhandeln und finanzieren würde.

    Erneuerbare, Sanierungen und E-Autos

    Klimapolitik in Sachsen sei “klein-klein, ohne ein Gesamtprojekt“, kritisiert Felix Ekardt, sächsischer BUND-Vorsitzender und Professor für Öffentliches Recht, der unter anderem die erfolgreiche Klimaklage vor dem Bundesverfassungsgericht 2021 vorbereitet hat. Das Land habe nur begrenzten Einfluss etwa auf die Energiepolitik, könnte aber vieles besser machen: mehr und schneller Flächen für Erneuerbare ausweisen, Moore wieder vernässen, die Bauplanung für kurze Wege in den Städten nutzen. “Und Ministerpräsident Kretschmer könnte aufhören, bei der Energiewende zu bremsen und dauernd zu erklären, sie sei gescheitert”, so Ekardt. Eine Klage gegen die Politik des Landes sei aussichtslos, seit das Bundesverfassungsgericht diesen Weg in einem Beschluss 2022 abgelehnt hat.

    Wie dringend eine Verschärfung des Kurses wäre, um Sachsen auf den Pfad zur Klimaneutralität zu bringen, zeigt eine Studie, die die grüne Fraktion im Landtag bei der Münchner Forschungsstelle für Energiewirtschaft (FfE) beauftragt hat. Es hat die nötigen Veränderungen im Land aufgelistet. Demnach müssten in Sachsen zwischen 2022 und 2030:

    • die Solarkapazität um etwa 290 Prozent und die Windkapazität um 160 Prozent zunehmen,
    • die Zahl der E-Autos von 8.000 auf 81.000 steigen,
    • die Kapazität für Wasserstoff-Elektrolyseure von null auf 320 MW ansteigen,
    • pro Monat etwa 2.000 fossile Heizungen gegen CO₂-freie Systeme ausgetauscht werden,
    • jedes Jahr 11.000 Wohngebäude (die Größe von Plauen) energetisch saniert werden, und
    • doppelt so viele Großbatteriespeicher wie bisher entstehen.

    Dabei spürt auch der Freistaat die Klimafolgen und investiert in Anpassung. Immerhin leistet der Wald in Sachsen (anders als im Bundesdurchschnitt) noch seinen Anteil an der CO₂-Speicherung. Doch seine Kapazität ist mit knapp zwei Millionen Tonnen pro Jahr gering und geht zurück, warnt die Regierung. Die Temperaturen sind deutlich gestiegen und Starkregenfälle werden häufiger und intensiver.

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    • Michael Kretschmer
    • Sachsen
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    Inflationsschocks: Wie die Geldpolitik künftig reagieren sollte

    Unsichere Zeiten fordern auch die EZB heraus.

    Was Angebotsschocks mit der europäischen Wirtschaft anstellen können, erlebt Europa aktuell. 2022 schnellten zuerst die Energie- und dann die Lebensmittelpreise in die Höhe. Als die Preise sich nicht schnell genug normalisierten, sah sich die EZB gezwungen, ihre Zinsen zu erhöhen und damit die Nachfrage zu senken. Sie fürchtete, sonst ihre Glaubwürdigkeit zu verlieren.

    Die Inflation hat sich seither wieder normalisiert, aber zum Preis einer schwachen Wirtschaftsentwicklung und erhöhtem Druck auf die Haushalte der EU-Mitgliedstaaten. Angesichts der geopolitischen Spannungen können auch weitere Angebotsschocks nicht ausgeschlossen werden.

    Neue Ära der Inflationsbekämpfung

    “Wir hatten eine 30 bis 40 Jahre andauernde wirtschaftliche Stabilität durch die Öffnung des Handels, die Einbindung Chinas in die Wertketten und das geopolitisch insgesamt ruhige Klima”, sagt Jens van ‘t Klooster über die Zeit, die spätestens 2022 zu Ende ging. In dieser Phase habe man die Preispolitik mangels Notwendigkeit immer mehr vernachlässigt, sagt der Assistenzprofessor für politische Ökonomie der Universität Amsterdam. Staaten hätten ihren Werkzeugkasten immer mehr vereinfacht, sodass man heute eigentlich nur noch den Leitzins der Zentralbank als Hebel gegen Inflation habe.

    Mit diesen begrenzten Möglichkeiten sind die Zentralbanken nun in eine Zeit getreten, in der wieder mehr Angebotsschocks drohen – nicht nur durch Kriege, sondern auch durch den Klimawandel. Eine Studie des Internationalen Währungsfonds schätzt, dass der Klimawandel die Inflation um 0,1 bis 0,4 Prozentpunkte erhöhen wird. Forscher der EZB und des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung sind pessimistischer: In ihrer Studie errechnen sie eine zusätzliche Inflation von 0,3 bis 1,2 Prozentpunkten pro Jahr – unter anderem durch den Effekt des Klimawandels auf Lebensmittelpreise.

    Wiederholte Angebotsschocks drohen

    David Barmes, Policy Fellow beim Grantham Forschungsinstitut für Klima und Umwelt an der London School of Economics, fürchtet, dass die Zahlen aus diesen Studien das Risiko noch unterschätzen. “Es ist sehr schwierig, diese Zahlen zu projizieren, denn es hängt von so vielen Variablen ab”, sagt er zu Table.Briefings.

    Barmes’ Albtraum-Szenario: immer neue Angebotsschocks, in denen sich die Zentralbank zu wiederholten Zinssteigerungen gezwungen sieht, welche die Wirtschaft in die Depression drücken und gleichzeitig Investitionen in Klimaschutz und Klimaanpassung erschweren.

    Diese Gefahr sieht auch Achim Wambach, Wirtschaftsprofessor an der Universität Mannheim und Präsident des Leibniz-Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW). “Deshalb spricht einiges dafür, den Kampf gegen den Klimawandel noch stärker voranzutreiben”, sagt er Table.Briefings.

    EZB muss Glaubwürdigkeit wahren

    Aber er warnt: “Auch Maßnahmen gegen den Klimawandel können inflationstreibend sein.” So werde die Erweiterung des EU-Emissionshandels, die für 2027 geplant ist, die Energiepreise stark anheben, was ebenfalls einen Inflationsschock auslösen könne.

    Wambach nimmt die Regierungen in die Pflicht. Sie “müssen sich wieder bewusst werden, dass ihr Handeln Auswirkungen auf die Inflation hat”, sagt der ZEW-Präsident.

    Was die Rolle der Zentralbank beim Klimaschutz angeht, bleibt Wambach zurückhaltend. “Die EZB muss sich klar auf ihr Preisstabilitätsmandat konzentrieren. Das Risiko ist hoch, dass sie sonst ihre Glaubwürdigkeit verliert”, sagt er. Wenn die Preissteigerungen drohen, die Inflationserwartungen in die Höhe zu treiben, müsse die EZB den Zinshammer anwenden, auch wenn der Grund ein Angebotsschock sei.

    Zinserhöhungen benachteiligen Erneuerbaren-Ausbau

    Jens van ‘t Klooster hingegen findet, dass Zinserhöhungen im aktuellen Kontext ein schlechtes Instrument darstellen. Statt das Angebot zu fördern, drücken sie die Nachfrage und treffen dabei vor allem Investitionen statt Konsumausgaben. Und weil erneuerbare Energien tendenziell höhere Anfangsinvestitionen benötigen, trifft es den Ausbau erneuerbarer Energien überproportional stark.

    Der niederländische Ökonom erinnert daran, dass EZB-Zinserhöhungen bisher immer mit gestiegenen Ölpreisen in Verbindung standen. Das ist nicht weiter verwunderlich, denn Energiekosten haben von allen Preiskomponenten den stärksten Einfluss auf die Inflation in Europa. “Aus einer Preisstabilitätsperspektive ist die Abkehr von fossiler Energie ein no-brainer”, sagt van ‘t Klooster deshalb.

    Er schlägt vor, dass die EZB Klimaschutzmaßnahmen von Zinserhöhungen verschonen soll. Das sei nichts Neues. “Sektor-spezifische Ausnahmen von Zinserhöhungen haben eine lange Geschichte”, sagt der Ökonom und verweist auf die Bundesbank, die Exportkredite bis 1996 von Zinserhöhungen verschont hatte – zu wichtig war der Außenhandel für die deutsche Wirtschaft.

    Sektorieller Ansatz für Preisstabilität

    Aber neben der EZB sieht van ‘t Klooster auch die Regierungen und die europäischen Institutionen in der Pflicht. Im Auftrag des Europäischen Parlaments hat er zusammen mit der deutschen Wirtschaftsprofessorin Isabella Weber in einer Studie skizziert, wie eine europäische Preispolitik funktionieren könnte. Wichtig sei ein sektorieller Ansatz, der sich auf jene Produkte und Sektoren fokussiert, bei denen ein Angebotsschock den größten Effekt auf die Gesamtinflation hat. Weber hatte in einer separaten Studie die Sektoren Energie, Wohnen, Großhandel und Lebensmittel identifiziert.

    In jedem Sektor müsse dann spezifisch analysiert werden, wie die Resilienz vor Angebotsschocks verbessert werden könnte. Je nachdem können dann Subventionen zur Ausweitung der Produktionskapazitäten, Preiskontrollen, größere Pflichtlager oder andere Maßnahmen zum Zug kommen.

    Die Voraussetzung für alle diese Maßnahmen ist jedoch eine bessere Datenlage. Weber und van ‘t Klooster fordern die EU-Kommission und die EZB deshalb auf, detailliertere Daten zu erheben, die einen besseren Einblick in die inflationsrelevanten Wertschöpfungsketten erlauben. Nur mit einer genauen Kenntnis der spezifischen Verhältnisse in jedem Sektor könnten die richtigen Maßnahmen identifiziert werden.

    Widerstand aus den Mitgliedstaaten

    Ähnliche Forderungen nach einer besseren Datenlage und mehr technischem Know-how innerhalb der europäischen und nationalen Verwaltungen kommen auch von Wirtschaftssicherheitsexperten. Erste Schritte in diese Richtung hat die EU mit dem Chips Act zum Beispiel schon in der Halbleiterindustrie unternommen sowie sektorübergreifend im Internal Market Emergency and Resilience Act (IMERA).

    Bei Letzterem wurden die Kompetenzen, die sich die EU-Kommission gerne gegeben hätte, um Daten zu erheben sowie Produktion anzuordnen und Pflichtlager anzulegen, von den Mitgliedstaaten stark begrenzt. Das System, das Weber und van ‘t Klooster vorschlagen, dürfte also auf deutlichen Widerstand treffen.

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    News

    Solarenergie: Wieso Meyer Burger in Sachsen-Anhalt bleibt

    Der Solarkonzern Meyer Burger hat seine Pläne zum Bau einer Solarzellenproduktion in den USA und damit die vorgesehene Verlagerung seines Kerngeschäfts nach Übersee ad acta gelegt. Das geplante Projekt in Colorado Springs sei derzeit nicht finanzierbar und daher gestoppt worden, teilte der Schweizer Konzern am Montag mit. 

    Das Unternehmen werde sich auf den Betrieb der im Hochlauf befindlichen Modulproduktion in Goodyear, Arizona, mit einer Kapazität von 1,4 Gigawatt konzentrieren, heißt es weiter. Die drohende Schließung der Produktionsstätte in Bitterfeld-Wolfen in Sachsen-Anhalt sei damit vom Tisch. “Das ist die gute Nachricht zur Schlechten”, sagte Geschäftsführer Gunter Erfurt.

    Meyer Burger hatte bereits im Frühjahr die nach Unternehmensangaben größte Solarmodulproduktion im sächsischen Freiberg geschlossen. Das Unternehmen machte damals den Druck durch chinesische Billigimporte nach Europa dafür verantwortlich. Zuvor hatte die Branche erfolglos an die Bundesregierung appelliert, europäische Hersteller zu fördern. Auch die Produktion von Solarzellen in Bitterfeld-Wolfen stand zur Disposition. Zuletzt hatte es geheißen, die Produktion dort werde noch bis 2025 gebraucht.

    Kostensteigerungen verhindern Umzug in die USA

    Es sei geplant gewesen, das Werk zurückzufahren, sobald die Fertigung in den USA hochläuft, sagte Erfurt. Dazu kommt es nun doch nicht. Hintergrund der Finanzierungsprobleme der Zellproduktion in den USA seien unter anderem Kostensteigerungen für Material, das zum Umbau einer Fabrik gebraucht wird.

    Das Werk in Sachsen-Anhalt mit seinen 350 Mitarbeitern solle daher auch zukünftig das “Rückgrat” der Solarzellenversorgung von Meyer Burger sein und die Modulproduktion der Firma im US-Bundesstaat Arizona beliefern. Das sei aktuell die wirtschaftlichste Option, verkündete der Schweizer Konzern. Die Modulproduktion in Arizona habe eine Kapazität von 1,4 Gigawatt. Diese könne komplett aus Bitterfeld-Wolfen beliefert werden. 

    Neue Regelungen in den USA hätten es lukrativer gemacht, Solarzellen für die Modulproduktion zu importieren, erklärte Erfurt. Die Logistikkosten für Zellen seien auch vergleichsweise gering. Zudem gebe es in den USA deutlich mehr Restriktionen und Zölle gegenüber den Importen aus Asien. “Das allgemeine Preisniveau in den USA ist daher vergleichsweise gesund im Vergleich zu Europa. Deswegen funktioniert es auch.” dpa/rtr

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    Antarktis: Gletscher weniger gefährdet als gedacht

    Der Thwaites-Gletscher in der Antarktis steht nicht unmittelbar vor einem Kollaps durch Abschmelzen des schützenden Schelfeises. Die Gletscher in der Region könnten stabiler sein als bisher gedacht. Zu diesen Ergebnissen kommt eine Studie, die in der vergangenen Woche im Fachmagazine Science Advances veröffentlicht wurde. Bis Ende des 21. Jahrhunderts prognostizieren die Modelle der Forschenden keinen weiteren, deutlichen Rückzug der Gletscher.

    Ein Team vom Dartmouth College in New Hampshire hat dafür die Hypothese von der Marine Ice Cliff Instability (MICI) genauer untersucht. Nach dieser Hypothese könnte es durch das Abschmelzen von Schelfeis dazu kommen, dass freigelegte Eisklippen ohne die Stütze des Schelfeises einbrechen und so eine Kettenreaktion von zusammenbrechendem Eis auslösen. In relativ kurzer Zeit würde der Meeresspiegel dadurch sehr stark ansteigen. Diese Hypothese war bisher eine Befürchtung, weshalb der Thwaites auch den Beinamen als Doomsday-Gletscher trägt, konnte allerdings in der Realität noch nie beobachtet werden.

    Am Beispiel des Thwaites-Gletschers haben die Forscher nun detailliert simuliert, was durch Abschmelzen des Schelfeises passieren würde. Anders als erwartet blieben die Eisklippen dahinter relativ stabil – selbst in negativen Szenarien mit einem sehr hohen CO₂-Ausstoß. Das vollständige Abschmelzen des Thwaites allein könnte zu einem Meeresspiegelanstieg von 60 cm führen. kul

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    Diese Welterbestätten bedroht der Klimawandel

    Der Klimawandel erhöht nach einer neuen Datenanalyse die Gefahr für viele Unesco-Welterbestätten, durch Fluten, Stürme oder extreme Hitze beschädigt zu werden. Unter den 50 gefährdetsten Stätten in der Region Asien-Pazifik, Nordamerika und Europa seien auch zwei Orte in Deutschland, teilte das britische Analysehaus Climate X am Donnerstag mit.

    Auf Platz zwölf liegt demnach die ehemalige Steinkohlen-Zeche Zollverein in Essen. Dort bestehe die erhöhte Gefahr von Überflutungen. Der charakteristische Förderturm liegt einige Kilometer von der Ruhr und dem Rhein-Herne-Kanal entfernt. Auf Platz 22 listet Climate X die Altstädte von Stralsund und Wismar. Sie seien sowohl von über die Ufer tretenden Flüssen, Starkregen als auch Stürmen bedroht.

    Tropische Bewässerungsgemeinschaft auf Platz eins

    Auf den ersten drei Plätzen liegen laut der Analyse:

    • das Subak-System, eine Bewässerungsgemeinschaft auf der indonesischen Insel Bali
    • der Kakadu-Nationalpark in Australien
    • das alte Handelszentrum im chinesischen Quanzhou

    In Europa gibt es neben den deutschen mehrere weitere gefährdete Welterbestätten unter den Top 50. Auf Rang vier zum Beispiel die Eisenhütte im schwedischen Engelsberg und auf Platz sechs die bekannten Malereien in der Chauvet-Höhle in Südfrankreich, die von Starkregen und Erdrutschen bedroht seien. ber

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    Industrie: Warum China erstmal keine neuen Stahlwerke mehr genehmigt

    China hat das Genehmigungsverfahren für neue Stahlwerke ausgesetzt. Seit einigen Jahren dürfen in China nur dann neue Eisen- und Stahlwerke gebaut werden, wenn alte Anlagen stillgelegt werden. Damit wollte der Staat die Überkapazitäten im Stahlsektor begrenzen, was allerdings nicht gelungen ist.

    China produziert mehr Stahl als alle anderen Staaten zusammen. Der chinesische Stahlsektor ist für rund 4,6 Prozent der weltweiten CO₂-Emissionen verantwortlich. Wäre er ein Staat, läge der Stahlsektor allein auf Rang 5 der weltweit größten Emittenten. Das Ministerium für Industrie und Informationstechnologie will nun das Genehmigungsverfahren überarbeiten. Ob dabei auch Klimabelange eine Rolle spielen werden, ist derzeit noch unklar.

    Im ersten Halbjahr hat China ausschließlich Genehmigungen für CO₂-arme Stahlwerke erteilt. Erstmals seit September 2018 wurden somit keine Genehmigungen für CO₂-intensive Stahlwerke vergeben. Analysten deuten das als Anzeichen für eine Trendwende im Stahlsektor. Die kohlebasierten Kapazitäten, die zuvor genehmigt wurden, werden laut Bloomberg wahrscheinlich dennoch gebaut und sind von dem Aussetzen des Genehmigungsverfahrens nicht berührt. Aufgrund der Überkapazitäten und einer geringeren Nachfrage im Heimatmarkt sind Chinas Stahlexporte in jüngster Zeit gestiegen, worüber sich auch internationale Wettbewerber wie Arcelor Mittal beschwert haben. nib

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    Neues Förderprogramm: Wie der Mittelstand dekarbonisiert werden soll

    Mit einem neuen Förderprogramm will Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck kleine und mittlere Unternehmen bei der Umstellung auf klimafreundliche Produktionsverfahren unterstützen. Für das Programm “Bundesförderung Industrie und Klimaschutz” sollen bis zum Jahr 2030 insgesamt 3,3 Milliarden Euro aus dem Klima- und Transformationsfonds (KTF) zur Verfügung gestellt werden, kündigte Habeck am Freitag an. Das Programm soll die Klimaschutzverträge ergänzen, die sich vor allem an Großunternehmen richten. Gefördert werden Unternehmen, die ihre Emissionen bis zum Jahr 2030 um mindestens 40 Prozent reduzieren. Der Fördersatz beträgt je nach Größe des Unternehmens zwischen 30 und 50 Prozent der Investitionssumme; der Maximalbetrag pro Unternehmen beträgt 200 Millionen Euro.

    Das Programm besteht aus zwei Modulen: Das erste mit dem Titel “Dekarbonisierung der Industrie” soll Investitionen fördern, die Emissionen vermeiden – etwa die Umstellung von bisher mit fossilen Energieträgern betriebenen Prozessen auf Strom oder Wasserstoff. Das zweite Modul mit dem Titel “Anwendung und Umsetzung von CCU und CCS” fördert Projekte zur Abspaltung, Nutzung und Speicherung von CO₂. Dies ist begrenzt auf Prozesse, bei denen die Emissionen nicht oder nur schwer vermeidbar sind, etwa in der Zementherstellung oder der Abfallbehandlung. Damit startet die CCS-Förderung für den Mittelstand schneller als für die Großindustrie: Dort sollen CCS-Projekte erst in der zweiten Gebotsrunde der Klimaschutzverträge gefördert werden, die sich derzeit noch in der Vorbereitung befindet. mkr

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    Wasserstoff: Uniper testet Speicher in Ostfriesland

    Der Energiekonzern Uniper nimmt demnächst einen unterirdischen Testspeicher für Wasserstoff im ostfriesischen Krummhörn in Betrieb. Etwa zwei Jahre lang soll dort unter anderem geprüft werden, wie Materialien und Technik mit dem Gas zurechtkommen. Auch die Einspeicherung von Wasserstoff unter realen Bedingungen wird erprobt.

    Der im Zuge der Energiekrise verstaatlichte Energiekonzern Uniper ist Deutschlands größter Erdgasspeicher-Betreiber und sieht sich als Vorreiter beim Aufbau einer europäischen Wasserstoffwirtschaft. Der Testspeicher in Krummhörn befindet sich in einer Tiefe von etwa 1.700 Metern. Die sogenannte Kaverne ist etwa 30 Meter hoch und hat einen Durchmesser von 16 Metern. Das Volumen liegt bei 3.000 Kubikmetern. Die Kaverne ist günstig gelegen: In der Nähe soll das geplante Wasserstoffpipeline-Kernnetz vorbeiführen.

    Erstbefüllung startet Ende September

    Die Erstbefüllung der Testkaverne ist für Ende September geplant. Nach Angaben des technischen Leiters der Uniper-Gasspeichersparte, Frank Holschumacher, wird dafür grüner Wasserstoff verschiedener Hersteller verwendet, der mit Tankwagen angeliefert werden soll. 

    Sollte sich die Wasserstoffspeicherung nach der zweijährigen Testphase wirtschaftlich lohnen, will Uniper die Kaverne für eine kommerzielle Nutzung vergrößern. Das sogenannte Aussolen wird laut Holschumacher voraussichtlich drei bis fünf Jahre dauern. Die nutzbare Menge liege dann bei 250 Gigawattstunden Wasserstoff. Für das Aussolen dieser neuen Kaverne rechnet er mit Kosten in Höhe von 350 Millionen bis 500 Millionen Euro.

    Bis zu zehn Wasserstoff-Speicher in Krummhörn

    Uniper gehören in dem Salzstock noch drei weitere Kavernen, die in der Vergangenheit als Erdgasspeicher genutzt wurden. Derzeit sind sie mit Wasser gefüllt. Falls es sich lohnt, sollen auch sie zu Wasserstoffspeichern ertüchtigt werden. Darüber hinaus können laut Uniper in dem Salzstock noch sechs weitere neue Kavernen gebaut werden. Insgesamt plant Uniper Energy Storage bis 2030 die Entwicklung von Salzkavernen zu Wasserstoff-Speichern mit einer Kapazität von bis zu 600 Gigawattstunden. Hierzu würden bestehende und neue Standorte entlang des Wasserstoff-Kernnetzes in Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen untersucht, hieß es. dpa

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    Brasilien: So schlimm sind die Waldbrände aktuell

    Im Südosten Brasiliens wüten schwere Brände. Die Regierung von São Paulo rief in 45 Gemeinden den Notstand aus. Nach Daten des für die Satellitenüberwachung zuständigen Instituts für Weltraumforschung (Inpe) wurden in dem Bundesstaat vom 1. bis 23. August 3.175 Brände registriert. Laut einem Bericht der Nachrichtenagentur Agência Brasil gab es dort zuletzt in keinem August seit 1998 so viele Brände.

    Auch im Amazonas-Gebiet gibt es derzeit besonders schwere Brände. Das Feuchtgebiet Pantanal und die Savannenregion Cerrado sind ebenfalls betroffen. Mindestens zwei Menschen sind bereits in den Flammen ums Leben gekommen.

    Von Juni bis Oktober ist in Brasilien Waldbrandsaison. Verschärft wird die Lage in diesem Jahr zudem von einer schweren Dürre. Sie steht Experten zufolge im Zusammenhang mit dem Wetterphänomen El Niño und dem Klimawandel. In der Amazonas-Region hat die Zahl der Brände im ersten Halbjahr 2024 im Vergleich zum Vorjahr um 60 Prozent zugenommen. Satellitendaten deuten darauf hin, dass das die schlimmste Waldbrandsaison der vergangenen 20 Jahre ist. dpa/kul

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    Must-Reads

    Handelsblatt: Diskussion um den Energiemarkt der Zukunft
    Die Bundesregierung muss als Folge des Doppelausstiegs aus Kohle und Kernkraft den Strommarkt umbauen. Nach den Plänen der Ampel soll es künftig einen “hybriden Kapazitätsmarkt” geben. Energieversorger sollen Strom flexibel bereitstellen und die Industrie ihre Produktion herunterfahren, wenn Sonne und Wind nicht genug Energie liefern. Sowohl die Energieversorger als auch die Industrie sind skeptisch. Zum Artikel

    Washington Post: Gletschersterben
    Dass sich durch den Klimawandel Gletscher zurückziehen oder sterben, ist bekannt. Doch bislang gibt es keine Dokumentation, die den Menschen das gesamte Ausmaß dieser Katastrophe vor Augen führt. Das hat sich nun durch die Arbeit von Wissenschaftlern wie Matthias Huss, Cymene Howe und Dominic Boyer geändert. Sie alle dokumentieren das Ende der Gletscher. Allein in der kleinen Schweiz sind 1000 von ihnen verloren gegangen. Zum Artikel

    Financial Times: Wirrer Elon
    Lange Zeit war Elon Musk, zumindest was den Klimawandel betrifft, eine Stimme der Vernunft. Zwar trug er arg dick auf, wenn er sich als den Menschen bezeichnete, der am meisten gegen den Klimawandel getan hatte, aber er leugnete ihn nicht und setzte sich dafür ein, sich für das Klima zu engagieren. Diese Zeiten sind vorbei. Seitdem Musk Fan von Donald Trump geworden ist, hat der Kampf gegen den Klimawandel viel an Bedeutung verloren und ist überhaupt nicht mehr dringlich. Zum Artikel

    New York Times: Klimawandel für Harris nur ein Nebenthema

    Vor vier Jahren war der Klimawandel eines der wichtigen Themen, über die sich damals der Demokrat Joe Biden und der Republikaner Donald Trump stritten. In der diesjährigen Auseinandersetzung um das Präsidentenamt zwischen Kamal Harris und Donald Trump ist Klima bislang nur ein Randthema. Auf dem Demokratischen Nationalkongress in Chicago, auf dem Harris zur Präsidentschaftskandidatin ihrer Partei bestimmt wurde, erwähnte sie Klima nur ein Mal. Harris sagte, dass es zu den Freiheiten, die auf dem Spiel stünden, auch “die Freiheit, saubere Luft zu atmen und sauberes Wasser zu trinken und frei von der Verschmutzung zu leben, die die Klimakrise anheizt.” Zum Artikel

    Süddeutsche Zeitung: Grüne Fonds

    Fonds, die auf Nachhaltigkeit setzen, wollen Unternehmen dazu zwingen, auf CO₂ zu verzichten und ökologischer zu werden. Es soll sich sowohl für die Anleger als auch für die Unternehmen lohnen, auf die Umwelt zu setzen. Die Nachfrage nach solchen Fonds steigt. Zum Artikel

    Climate.Table Redaktion

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