die Klimakonferenz in Dubai hat heute ihren einzigen Ruhetag. Die Bilanz zur Halbzeit: COP-Präsident Al Jaber konnte mit dem Loss and Damage Fund einen frühen Treffer erzielen. In den Tagen danach bestand die Taktik der Präsidentschaft darin, ein Feuerwerk an neuen Initiativen, Pledges und “Accelerators” abzubrennen. Einmal lief Al Jaber mit seiner Aussage, die Wissenschaft liefere keinen Beleg für einen nötigen Ausstieg aus den fossilen Energien zum Einhalten der 1,5-Grad-Grenze, auch deutlich ins Abseits.
Bernhard Pötter und Lisa Kuner liefern heute eine Bilanz der ersten Woche. Und sie geben einen Ausblick darauf, was in der zweiten Halbzeit noch auf dem Programm steht und zu welchen Fragen die COP-Präsidentschaft noch mehr abliefern müsste, um die Konferenz zu einem Erfolg zu machen.
Die Öl- und Gasindustrie will sich derweil in die Verlängerung retten. Das Öl-Unternehmen Occidental will seine Emissionen mit Direct Air Capture-Anlagen ausgleichen. Auch von “emissionsfreiem Öl” war auf einem COP-Panel der fossilen Industrie die Rede. Klimaschützer bewerten diese Debatten als “teure, falsche Lösung”, berichtet Alexandra Endres.
Deutschland hat sich vor der COP28 in der High Ambition Coalition eher auf die Auswechselbank gesetzt und einige Beschlüsse der Klimavorreiter nicht mitgetragen. Teresa Ribera, die für die EU in Dubai verhandelt, sagt im Interview, man müsse als Vorreiter weitermachen und notfalls den Druck auf Deutschland erhöhen. Auch zum Ausstieg aus fossilen Energien hat sie eine klare Meinung,
Das Climate.Table-Team nutzt den heutigen Ruhetag, um die Fingergelenke zu massieren und die Kaffee-Vorräte aufzufüllen. Ab dem 9. Dezember geht es dann mit täglichen Ausgaben weiter.
Beste Grüße
Frau Ribera, wir haben einen fulminanten Start dieser COP28 erlebt. Zahlreiche Ankündigungen, die Einigung auf den Loss and Damage Fund und die ersten Finanzierungszusagen. Wo stehen wir jetzt, wo sich die Aufregung etwas gelegt hat?
Es ist eine sehr schwierige COP. Wir müssen dafür sorgen, dass der Pariser Mechanismus zum Abschluss kommt und die nächsten Schritte in Gang setzt. Wir haben Sharm el-Sheikh letztes Jahr mit gemischten Gefühlen verlassen. Zum ersten Mal gab es die Überzeugung, dass wir an Loss and Damage arbeiten müssen, aber gleichzeitig gab es kein einziges Wort zur Emissionsreduzierung. Und die wichtigste Maßnahme zur Senkung der Kosten für Schäden und zur Senkung der Verluste ist die Emissionsreduzierung.
Glasgow war die COP für die Industrieländer. Sharm el-Sheikh war die COP für die Entwicklungsländer, weil es dort um Verluste und Schäden und eben nicht um Emissionsreduzierung ging. Was wird diese COP sein?
Dies ist die COP des Pariser Abkommens. Sie wird zeigen, ob das Abkommen funktioniert oder nutzlos ist. Und ich denke, jeder versteht, dass sie Ergebnisse liefern muss. Aber die Frage ist, ob die Öffentlichkeit das auch findet, oder ob es nur “bla, bla, bla” ist. Und um etwas zu erreichen, müssen wir so konkret wie möglich sein. Wie geht es weiter mit dem Klimaschutz, und wie können wir sicherstellen, dass der weltweit wachsende Anteil der Finanzströme auf die Klimaziele einzahlt? 1,5 Grad bedeutet, dass wir den Klimawandel eindämmen und kluge Entscheidungen über öffentliche und private Investitionen treffen müssen.
Und konkrete Ergebnisse sind der Ausstieg aus den fossilen Brennstoffen?
Ja, wir müssen das Paket aus Verdreifachung der erneuerbaren Energien, Verdopplung der Energieeffizienz und Ausstieg aus fossilen Brennstoffen umsetzen. Aber was bedeutet der Ausstieg? Manche sagen, es gehe nicht um Energie, sondern um Emissionen. Aber wir müssen kohärent sein und dürfen nicht sagen, dass wir die Emissionen reduzieren müssen, während wir in Wirklichkeit über fossile Brennstoffe sprechen. Wir müssen die mit fossilen Brennstoffen zusammenhängenden Aspekte der Energiewende sehr deutlich machen. Wir brauchen einen starken Rückgang von Angebot und Nachfrage – beides ist wichtig.
Sie sprechen also nicht über einen Ausstieg aus den Emissionen fossiler Brennstoffe oder über CCS hier in Dubai?
Das EU-Mandat ist in dieser Hinsicht sehr eindeutig. Wenn wir über Abscheidung von Emissionen sprechen, sagen wir, dass diese Technologien nur in schwer zu reduzierenden Sektoren eingesetzt werden sollten. Was die Energiesysteme betrifft, so wissen wir, dass es viel intelligentere und schnellere Lösungen gibt.
Wo finden Sie dafür Verbündete, wenn sogar die USA CCS befürworten?
Wir glauben, dass es noch viel mehr Länder gibt, die eine deutliche Sprache zu fossilen Brennstoffen fordern. Das absolute Minimum sollte die Glasgow-Formulierung oder die G20-Formulierung sein. Einige der Länder, die sich nun am stärksten dagegenstellen, haben die G20-Sprache unterzeichnet.
Aber es war wirklich schwer, diese Formulierung zu erreichen, und die G20-Energieminister haben sie nicht einmal aufgenommen.
Aber die Staats- und Regierungschefs taten es. Es ist mir egal, was die Verhandlungsführer oder der Ratsvorsitz persönlich über jedes einzelne der hier diskutierten Elemente denken. Es geht darum, in gutem Glauben zu verhandeln und die Voraussetzungen für Verhandlungen zu schaffen. Der COP28-Vorsitzende hat die Rolle des ehrlichen Maklers.
Ist er der ehrliche Makler, der er vorgibt zu sein?
Ich hoffe es. Wir werden aufmerksam sein und das einfordern. Es ist gut, dass der Präsident weiß, was fossile Brennstoffe bedeuten, was erneuerbare Energien bedeuten, was Finanzen bedeuten und welche Rolle diese Themen für Afrika oder die OPEC-Länder spielen. Er ist ein sehr erfahrener Mann in diesem Bereich und hat im letzten Jahr viel darüber gelernt, wie wir Entscheidungen treffen müssen. Er ist weder gegenüber der einen noch der anderen Seite voreingenommen. Das haben wir in Sharm el-Sheikh ein wenig vermisst. Man hatte den Eindruck, dass das Ergebnis nicht sehr ausgewogen war. Wir haben uns so sehr auf die Verluste und Schäden konzentriert, dass wir die Schadensbegrenzung vergessen haben.
Wie hilfreich sind die Deutschen, wenn es darum geht, auf Emissionsreduzierungen zu drängen? Schließlich haben sie zwei Erklärungen der High Ambition Coalition nicht unterschrieben?
Die Deutschen haben eine komplizierte Zeit in Sachen Energie durchgemacht – mit der Frage, ob sie die Energiewende vorantreiben und die Energieabhängigkeit verringern sollen. Jetzt müssen sie sehen, wie sehr sie sich engagieren können.
Aber die HAC wird dadurch geschwächt.
Wir haben schon vor langer Zeit gelernt, dass Länder, die bereit sind, schneller zu sein, nicht auf die langsameren warten sollten. Es ist immer gut, auf die Deutschen zu zählen. Und sie sollten mitmachen, wann immer sie dazu bereit sind.
Und wenn man nicht auf die Deutschen zählen kann?
Dann macht man trotzdem weiter und hält den Druck aufrecht, damit sie so schnell wie möglich nachziehen.
Was ist mit der G77+China? Wir haben hier in Dubai eine Finanzierungszusage der Vereinigten Arabischen Emirate gesehen. Es ist das erste Mal, dass ein Non-Annex-I-Land eine solche Zusage macht. Sehen Sie Diskussionen in der Gruppe, die die Blöcke der Industrieländer gegen die Nicht-Industrieländer verändern könnten?
In Paris haben wir uns darauf geeinigt, dass nicht nur die historische Verantwortung zählt – auch wenn sie sehr wichtig ist. Auch der aktuelle Anteil an der Umweltverschmutzung und der aktuelle Anteil am Pro-Kopf-Einkommen und an den Pro-Kopf-Emissionen zählen. Diese Debatte findet auch in der G77 statt. Die Länder der G77 wissen sehr wohl, dass China, die Emirate oder Saudi-Arabien nicht dasselbe sind wie Ruanda, Kuba oder die Philippinen. Wer zur Klimafinanzierung beiträgt, wird eines der heikelsten Themen bei den Verhandlungen sein. Und unsere Tür steht weit offen für ein aktualisiertes Verständnis von Fairness und Gerechtigkeit bei der Emissionsreduzierung und der Beteiligung an der Finanzierung.
Wäre es für Sie einfacher zu verhandeln, wenn sich der Block der G77 auflösen würde? Wenn China und die Entwicklungsländer getrennt wären?
Wir als Europäer müssen auf die unterschiedlichen Empfindlichkeiten achten und ihre eigene Governance-Plattform respektieren. Wir sollten nicht auf die schmutzige Art und Weise ihre eigenen Governance-Überlegungen torpedieren. Um zu verstehen, was vor sich geht, müssen wir mit jeder regionalen Gruppe und jedem Bündnis innerhalb der G77 sprechen. Wir machen einen Fehler, wenn wir annehmen, dass sie alle gleich denken.
Auch innerhalb Europas gibt es sehr unterschiedliche Meinungen und nicht jedes Land denkt gleich. Wie hält das Team Europa hier in Dubai zusammen?
Das ist unsere Aufgabe als Ratspräsidentschaft. Auch wenn es von Land zu Land Unterschiede geben mag, sind wir im Großen und Ganzen auf einer Wellenlänge. Denn wir wissen, dass wir viel effektiver sind, wenn wir zusammenarbeiten und mit verschiedenen Akzenten die gleiche Botschaft senden. Das ist etwas, das wir in den letzten Jahren versäumt haben und wir wieder lernen müssen.
Sie sprechen von der Zeit unter der Führung des ehemaligen Klimakommissars Frans Timmermans. Wie macht sich sein Nachfolger Wopke Hoekstra?
Nun, er hat gerade angefangen und ist mit der gemeinsamen Botschaft unseres Mandats durch die Welt gereist. Er arbeitet sehr ehrlich und konstruktiv, versteht, dass wir im Team Europa arbeiten müssen, und das tut er auch sehr gerne. Ich bin sicher, dass es sehr gut laufen wird.
Innerhalb Europas gab es Versuche, die grüne Agenda und die Gesetze des Green Deal zu verwässern. Sind Sie sicher, dass Europa in der grünen Politik noch mit einer Stimme spricht?
Es gab viele Gelegenheiten, bei denen die Dinge aufgrund der unterschiedlichen Empfindlichkeiten hätten explodieren können. Aber wir haben das auf vernünftige Art und Weise überwunden. Manchmal ist es schwierig, weil wir die Spannungen spüren, die in Europa herrschen. Die spanische Präsidentschaft hatte verschiedene Probleme innerhalb der Gesetzesvorschläge gelöst, von denen niemand dachte, dass wir sie lösen könnten. Aber es stimmt schon, manchmal kamen die Probleme von Ländern, bei denen wir es nicht erwartet hatten.
Sie sehen uns als Deutsche an …
(lacht) Die wichtige Lehre, die man daraus ziehen muss, ist, dass der Wandel so wichtig und so notwendig ist, dass man ihn nicht aufschieben kann. Man muss ihn beschleunigen. Aber es kann nur funktionieren, wenn die öffentliche Meinung, wenn die Bürger die Vorteile der grünen Agenda spüren und verstehen, was und warum wir tun, was wir tun.
Mehr als 2.400 Lobbyisten der Öl-, Gas- und Kohleindustrie besuchen den Klimagipfel in Dubai. Es sind viermal so viele wie auf der COP27, und so viele wie auf keinem Klimagipfel zuvor. Das geht aus einer Analyse von “Kick Big Polluters Out” hervor, einem Zusammenschluss internationaler Klimaorganisationen.
Auch die Lobbyisten debattieren auf der COP28 über mögliche Wege in eine treibhausgasneutrale Welt – und über ihren eigenen Beitrag zum Wandel. So beispielsweise auf einem Panel, an dem prominente Vertreter und eine Vertreterin der Branche teilnahmen. Auf dem Podium saßen unter anderem Vicki Hollub, die Präsidentin des US-Ölkonzerns Occidental Petroleum (Oxy) und Mohammed Hassani, der Leiter der OPEC-Umweltabteilung.
Die Diskussionsteilnehmer stellen sich eine klimafreundliche Zukunft so vor, dass Öl und Gas in ihr immer noch eine wichtige Rolle spielen – sie wollen mit technischen Neuerungen dafür sorgen, dass die fossilen Stoffe emissionsfrei verbrannt und gefördert werden.
Für diese Idee gab es wissenschaftliche Unterstützung von Myles Allen, einem Klimaforscher der Uni Oxford, spezialisiert unter anderem auf Attributionsforschung und CCS. Die Branche müsse “ihr Produkt emissionsfrei machen”, sagt Allen. “Diese Industrie hat es in sich, ihre Produkte so zu verändern, dass sie keine Erderwärmung mehr verursachen. Es ist die größte Industrie, die die Welt je gesehen hat. Wer sonst sollte in der Lage sein, das zu tun?”
Etwa 80 Prozent des weltweiten Energiebedarfs wird derzeit laut Branchenangaben durch Öl, Gas und Kohle gedeckt. Die Nachfrage werde nicht über Nacht verschwinden, sagte Moderatorin Olivia Azadegan vom Thinktank Clean Air Task Force (CATF). Sie hoffe auf eine “pragmatische Diskussion” darüber, wie das ganze Energiesystem so schnell wie möglich auf null Emissionen zu bringen sei. “Die COP ist dafür der perfekte Ort.”
Die Anwesenden waren sich einig, dass die neuen Technologien sehr bald zur Verfügung stehen müssen, um die im Pariser Abkommen festgelegten Klimaziele zu erreichen. Um sich schnell genug anzupassen, “unsere Technologien zu verfeinern und eigene Kapazitäten aufzubauen”, hätten vor allem die staatlichen Ölkonzerne aus Entwicklungsländern ein Recht auf die Unterstützung der Industriestaaten, sagte OPEC-Vertreter Mohammed Hassani.
Diese Entwicklungsländer bräuchten ihre Öleinkünfte, um den Staatshaushalt zu finanzieren. Kredite zur Entwicklung neuer Technologien seien wegen der hohen Zinsen kaum zu bezahlen, sagte Hassani. Er forderte deshalb, die Industrieländer müssten “die Führung übernehmen und tatsächlich Unterstützung für alle nationalen (staatlichen) Ölunternehmen in Entwicklungsländern bereitstellen”. Auch Artikel 6.4 des Pariser Abkommens, der die freiwilligen Kohlenstoffmärkte regelt, könne helfen, Finanzmittel zu “mobilisieren”.
Der Ölkonzern Oxy gilt in der Branche als ein Vorreiter der Idee, das fossile Geschäft durch neue Technologien emissionsfrei zu machen. Das Unternehmen hat angekündigt, alle Emissionen aus seinem Geschäft möglichst vor 2050 auf null zu senken – die Emissionen aus dem Ölverbrauch (Scope 3) eingeschlossen.
Dabei setzt Oxy laut Präsidentin Vicki Hollub auf vier verschiedene Technologien. Am “wichtigsten und größten” sei Direct Air Capture (DAC). Ohne DAC könne Oxy seine Ziele nicht erreichen: “Direct Air Capture muss passieren”, so Hollub.
Bisher ist die Technologie allerdings sehr teuer: Eine Tonne CO₂ mit ihr aus der Atmosphäre zu holen, kostet derzeit 600 bis 1.000 US-Dollar. Oxy setzt dennoch hohe Erwartungen in sie. Schon im vergangenen August hat das Unternehmen angekündigt, das Start-up Carbon Engineering, einen DAC-Spezialisten, zu einem Preis von 1,1 Milliarden US-Dollar zu erwerben.
Der Kauf könnte die Aussichten von DAC auf lange Sicht verändern, erwartet Julia Attwood, Spezialistin für industrielle Dekarbonisierung bei BloombergNEF. Sie schätzt, dass der DAC-Markt bis 2050 jährlich 150 Milliarden US-Dollar umsetzen kann. Laut dem Branchendienst Argus Media erwartet Oxy mit DAC letztlich mehr Gewinn zu erzielen als mit der Chemieproduktion, die 2022 etwa ein Fünftel des Profits eingebracht habe. Auf lange Sicht will Oxy bis zu 135 DAC-Anlagen bauen.
Als Zweites nutzt Oxy eine vom Start-up Net Power entwickelte Technik, die es ermöglichen soll, emissionsfreien Strom aus Erdgas zu erzeugen. Drittens und Viertens investiert Oxy laut Hollub in zwei weitere Start-ups, um die Herstellung von Bioethylen aus CO₂ und die Gewinnung von Lithium aus den salzhaltigen Abwässern der Ölproduktion voranzutreiben.
Künftig werde es möglich sein, emissionsfreies Öl (net zero oil) zu fördern, sagte Hollub, oder sogar Öl, das den Treibhausgehalt der Luft am Ende reduziere (net negative oil). Dazu setzt das Unternehmen vor allem auf eine Kombination aus DAC und tertiärer Ölgewinnung (Enhanced Oil Recovery, EOR).
Bei EOR wird CO₂ in Ölreservoirs injiziert, die bereits zur Neige gehen, um den darin verbleibenden Rohstoff doch noch an die Erdoberfläche zu bringen. Die Technik wird bereits genutzt. Hollub plant aber, in Zukunft noch mehr – durch DAC gewonnenes – CO₂ dafür einzusetzen. Es gehe darum, die Nutzung von Öl zu verlängern, sagte sie. Doch Voraussetzung dafür sein, dass am Ende “mehr CO₂ in das Ölfeld injiziert” werde als am Ende durch den Gebrauch des geförderten Öls wieder in die Luft gelange.
Die Klimaorganisation Center for International Environmental Law (CIEL) kritisiert DAC als “unbewiesene und teure falsche Lösung”. Indem Oxy die Ölförderung verlängere, könnten letztlich mehrere hunderttausend zusätzliche Tonnen CO₂-Emissionen pro Jahr verursacht werden – nur durch eine einzige DAC-Anlage. Gerade die Kombination aus EOR und DAC füge der Atmosphäre mehr Kohlenstoff hinzu, als sie entferne.
Letztlich schade DAC dem Klima mehr, als es nutzt, weil die Technik die Lebensdauer der fossilen Infrastruktur verlängere und Ressourcen von effizienteren und bereits nutzbaren Lösungen weglenke, etwa dem Ausbau der erneuerbaren Energien und höherer Energieeffizienz.
Die Debatte auf dem Podium zeigte nur eine Seite des Kernkonflikts der diesjährigen Klimakonferenz, der auch zur Halbzeit noch besteht: Es geht um die Zukunft der fossilen Energie und die Frage, welche Rolle Technologien wie Carbon Capture and Storage (CCS) künftig spielen sollen. Während mehr als 100 Länder in Dubai fordern, dass die COP28 einen kompletten Ausstieg aus den fossilen Brennstoffen (fossil fuel phaseout) beschließen soll, könnte die Abschlusserklärung am Ende auch gar keinen Hinweis auf ein Ende des fossilen Zeitalters enthalten.
Zur Halbzeit der COP28 ist die Konferenz weiter, als viele andere Klimakonferenzen in der Vergangenheit. Aber wenn nach dem Ruhetag am Donnerstag die Ministerinnen und Minister eintreffen, wird es ernst. Dann treten die technischen Verhandlungen in die politische Phase. Im besten Fall haben die Unterhändler bis dann die Probleme so weit eingekreist, dass die politisch Verantwortlichen sich auf die wichtigsten Dinge konzentrieren können.
Bisher stehen in der Bilanz:
In den ersten fünf Tagen der COP wurden 83 Milliarden US-Dollar mobilisiert und es gab insgesamt elf Pledges und Erklärungen, darunter die ersten Erklärungen auf einer Klimakonferenz zu Ernährungssystemen und Gesundheit. Die Details dazu nach Climate Action Tracker Fact Sheet der COP-Präsidentschaft:
Bisherige Finanzversprechen:
Dieser Tracker vom Word Resources Institute erlaubt es, die Verhandlungstexte zu verfolgen.
7. Dezember, 9 Uhr, Online
Diskussion Die Rolle von Gesundheit bei der COP28
Der High Level Round Table klärt, welche Rolle die Gesundheit bei der Klima-COP28 spielt und welche Fortschritte es geben sollte bzw. zu erwarten sind. Diskutieren Sie mit Bernhard Pötter (Climate.Table, live aus Dubai), Maike Voss (Direktorin CPHP), Eckart von Hirschhausen (Stifter Gesunde Erde, gesunde Menschen), (weitere Teilnehmer) und Moderation Malte Kreutzfeldt, Table.Media die ganz frischen Ergebnisse des deutschen Planetary Health Forums von letzter Woche und nehmen Sie gemeinsam einen Ausblick auf die globale Diskussion bei der COP28 in Dubai. Infos & Anmeldung
8. Dezember, 10 Uhr, Presidency Roundtable – Al Saih
Runder Tisch From Most Vulnerable to Most Valuable: Placing Children’s Rights at the Heart of Climate Action
Auf der Veranstaltung wird über die Rolle von Kindern und Möglichkeiten zu Ihrem Schutz diskutiert. Der UN-Ausschuss für die Rechte des Kindes stellt Richtlinien vor, wie Kinder beim Klimaschutz besser berücksichtigt werden können. Info
8. Dezember, 11.30 Uhr, Europe Pavilion
Diskussion After the Global Stocktake: how the EU can advance global course correction and deliver on the phase out of oil and gas production
Die EU wird ihre eigenen Klimaziele im Rahmen des EU-Klimagesetzes überprüfen, das im Frühjahr 2024 in Kraft tritt. Auf dem Side-Event wird diskutiert, wie die EU fair aus Öl und Gas aussteigen kann. Infos
8. Dezember, 12 Uhr, Al Saih Roundtable
Ministerial High Level Ministerial Dialogue for Culture-Based Climate Action
Dieser Ministerial will nicht weniger als einen Paradigmenwechsel in der Frage erreichen, wie Klimawandel verstanden wird. Unter anderem wird dazu die Initiative “Group of Friends for Culture-based Climate Action at the UNFCCC” vorgestellt. Infos
8. Dezember, 14 Uhr, 16.30 Uhr, Resilience Hub
Diskussion Putting Principles into Practice: Government support for locally-led adaptation
Wie kann Klimaanpassung gelingen? Best Practices für lokale Anpassung vor allem aus Irland und den USA werden auf dieser Veranstaltung vorgestellt. Infos
Dänemark ist auf der COP28 vorgeprescht und hat ein EU-Klimaziel von 90 Prozent CO₂-Reduktion bis 2040 gegenüber dem Stand von 1990 gefordert. “Wir hoffen, dass andere EU-Länder sich uns anschließen”, sagte der dänische Klima- und Energieminister Lars Aagard am Mittwoch in Dubai. Es sei nun an der Zeit, diese Diskussion zu starten und man hoffe, dass auch andere Länder vortreten und sich dem Ziel anschließen, ergänzte er.
Auch gegen Widerstände innerhalb der Europäischen Union wolle er dieses Ziel verteidigen. “Die billigste Art, Strom zu erzeugen, ist heute die Solarenergie oder die Windenergie in großem Maßstab.” In nicht allzu vielen Jahren werde das kostengünstigste Auto ein Elektroauto sein, so Aagard. Klimaschutz schütze die Wettbewerbsfähigkeit. Da müsse Europa mehr wie China sein und weiter als nur an die kommenden fünf Jahre denken, forderte der Minister aus Dänemark.
Ein wissenschaftliches Expertengremium der EU hatte im Juni die Empfehlung für ein Klimaziel von 90 bis 95 Prozent CO₂-Reduktion bis 2040 ausgegeben. Der EU-Klimakommissar Wopke Hoekstra verkündete noch vor seiner Ernennung im Oktober, er wolle den Mitgliedstaaten 90 Prozent als Klimaziel für 2040 vorschlagen. Dieses Versprechen wiederholte er am Mittwoch in Dubai, betonte aber, dass die Co-Gesetzgeber der EU schlussendlich darüber entscheiden.
Dänemark ist das erste Land, das eine konkrete Zielmarke für das 2040er-Klimaziel ausgibt. Durch den rapiden Ausbau erneuerbarer Energien, dem Hochlauf der E-Mobilität und ein Ende der Nutzung fossiler Brennstoffe wolle man das Ziel erreichen, betonte Aagard. In Dänemark soll zudem ein flächendeckender CO₂-Preis über alle Sektoren hinweg für drastische Emissionsreduktionen sorgen. Auch die Landwirtschaft könne man dort nicht mehr ausklammern, so der Minister.
Im Frühjahr 2024 soll ein dänisches Expertengremium Empfehlungen vorlegen, wie der Agrarsektor in den Emissionshandel integriert werden kann. Sollte Dänemark die Bepreisung von Treibhausgasen aus der Landwirtschaft erfolgreich umsetzen, könnte dies auch ein Vorbild für die EU-weite Einbeziehung des Sektors sein. In Brüssel sträubt man sich bislang davor. luk
Start-ups im Bereich der Klimatechnologie fehlt zunehmend das Geld. Das geht aus der Studie “State of Climate Tech 2023” hervor, die die Unternehmensberatung PwC jetzt vorgelegt hat. Demnach sind die Investitionen in den Sektor auf den niedrigsten Stand seit fünf Jahren gefallen. Allein im Vergleich zum Vorjahr sanken private Mittel und öffentliche Förderungen um 40,5 Prozent.
“Technologien und Lösungen zu fördern, die uns beim Umgang mit den Folgen der Klimakrise helfen, ist wichtiger denn je. Dafür braucht es jetzt an den richtigen Stellen das erforderliche Kapital”, sagt Gunther Dütsch, Partner im Bereich Nachhaltigkeitsberatung bei PwC Deutschland. Die Studie basiert auf der Auswertung von über 32.000 Transaktionen, an denen mehr als 8.000 Klima-Start-ups beteiligt waren.
In Deutschland sind seit 2013 rund 50 Prozent aller Climate-Tech-Investitionen in den Mobilitätssektor geflossen. Daneben hat der Energiesektor mit rund 22 Prozent der investierten Mittel in diesem Zeitraum stark profitiert. Der Bereich Ernährung, Landwirtschaft und Landnutzung kommt dagegen trotz seines großen Anteils an den Emissionen (22 Prozent) lediglich auf acht Prozent. Auch der Industriesektor schneidet mit nur 3,3 Prozent sehr schlecht ab.
Die Anteile haben sich in diesem Jahr jedoch verschoben, wie die ersten drei Quartale zeigen. Danach flossen 35,5 Prozent der Mittel in den Energiesektor, gefolgt von Gebäuden und Infrastruktur (29,3 Prozent) und Mobilität (20,8 Prozent). Insgesamt wurden 2023 deutschlandweit rund 1.293 Milliarden US-Dollar in den Bereich Climate Tech investiert. Dies entspricht 11,4 Prozent aller Venture Capital- und Private Equity-Investitionen.
Laut der Studie braucht es aber mehr als nur eine Anschubfinanzierung. “Der Bedarf an Innovation im Bereich der Klimatechnologie ist enorm. Daher braucht es nicht nur Risikokapital, sondern zukünftig auch deutlich mehr Wachstumskapital, um vielversprechende Lösungen schnell zu skalieren”, so Dütsch. ch
Um mit Ingrid-Gabriela Hoven zu sprechen, muss man sie dieser Tage zwischen zwei Flügen erwischen. Das Mitglied der Geschäftsführung der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) war erst vor wenigen Wochen auf dem African Climate Summit in Nairobi. Ende November flog sie anlässlich der UN-Weltklimakonferenz nach Dubai (COP28). Beide Termine sagen bereits einiges über den Fokus aus, den Hoven bei der GIZ hat und mit dem sie das Aufgabenfeld der Organisation erweitern will. Stand in der Vergangenheit die wirtschaftliche Entwicklung stärker im Fokus, geht es mittlerweile bei der Organisation mit Sitz in Eschborn bei Frankfurt immer mehr um die Bekämpfung des Klimawandels. “Wir müssen bei der Entwicklungszusammenarbeit die verschiedenen Dimensionen zusammenbringen”, sagt sie. Und meint damit Dekarbonisierung, Wirtschaftsförderung, aber auch die Anpassung an Klimaveränderungen. “Seit Paris ist das auch die Erwartungshaltung an uns.”
Hoven war 2015 auf der Pariser Klimakonferenz selbst dabei, als Teil der deutschen Delegation. Die 63-Jährige ist einer der erfahrensten Köpfe in Deutschland, wenn es um das Thema internationale Zusammenarbeit geht. Entwicklungspolitik lernte sie quasi von der Pike auf: Sie studierte Politikwissenschaft und Ökonomie in Gießen und Paris. Im Anschluss absolvierte sie die Post-Graduierten-Ausbildung am Deutschen Institut für Entwicklungspolitik in Berlin. Hoven ist verheiratet und hat einen Sohn.
Von 1986 bis 2020 arbeitete sie im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ). Unterbrochen wurde diese Arbeit von einem fünfjährigen Wechsel zur Deutschen Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ), die 2011 mit der Internationalen Weiterbildung und Entwicklung gGmbH und dem Deutschen Entwicklungsdienst zur GIZ verschmolz – und von einer Stelle bei der Weltbankgruppe. Dort vertrat sie von 2010 bis 2014 Deutschland als Exekutivdirektorin.
Seit 2020 nun sitzt sie in der Geschäftsführung der GIZ. “Ich freue mich, dass ich mein breites klimapolitisches Netzwerk und meine Erfahrungen zum Beispiel aus meiner Zeit als Exekutivdirektorin bei der Weltbank in die Arbeit der GIZ einbringen kann”, erzählt Hoven. Sie führt die GIZ in schwierigen Zeiten, angesichts der Unsicherheit, die momentan den Bundeshaushalt umgibt. “Eines meiner Ziele für die kommenden Jahre ist, dass die GIZ weiterhin wirkungsvoll daran arbeitet, nachhaltige Entwicklung weltweit zu fördern. Der Klimawandel ist ein Treiber für soziale Ungleichheit, Konflikt und Migration. Es braucht mehr Anstrengungen und Kooperation mit dem globalen Süden, um dieser Herausforderung zu begegnen”, meint Hoven.
Die Organisation erfülle eine wichtige Rolle bei den Bemühungen der Bundesregierung, den Klimaschutz voranzubringen. Laut Hoven habe die GIZ ein einzigartiges Netzwerk in der ganzen Welt und “genießt einen hervorragenden Ruf”. Sie hofft, dass die GIZ diesen guten Ruf nutzen kann, um Transformationsprojekte voranzubringen.
So arbeitet man an der Umsetzung der Just Energy Transition Partnerships, die westliche Staaten unter anderem mit Südafrika und Indonesien vereinbart haben. “In der südafrikanischen Provinz Mpumalanga hängen 100.000 Arbeitsplätze unmittelbar von der Kohleproduktion ab”, erklärt Hoven. Da Südafrika aber die Dekarbonisierung wolle, brauche es hier Unterstützung: Umschulungen, Fazilitäten für Start-ups, Investoren für neue, zukunftsfähige Industriezweige, etwa im Ökotourismus oder im Bereich erneuerbare Energien. “Natürlich ist jede Transformation anders und länderspezifisch. Insofern passen wir unsere Unterstützung an die verschiedenen Situationen an, fördern aber auch den Erfahrungsaustausch zwischen Ländern, die ähnliche Prozesse durchlaufen.”
Hoven hofft, dass von der COP28 ein ambitioniertes Ergebnis bleiben wird. “Ich bin vorsichtig optimistisch, dass der Klimaschutz an Tempo zunehmen wird. Die Welt braucht gerade in diesen Zeiten ein Zeichen der Solidarität.” Lars-Thorben Niggehoff
die Klimakonferenz in Dubai hat heute ihren einzigen Ruhetag. Die Bilanz zur Halbzeit: COP-Präsident Al Jaber konnte mit dem Loss and Damage Fund einen frühen Treffer erzielen. In den Tagen danach bestand die Taktik der Präsidentschaft darin, ein Feuerwerk an neuen Initiativen, Pledges und “Accelerators” abzubrennen. Einmal lief Al Jaber mit seiner Aussage, die Wissenschaft liefere keinen Beleg für einen nötigen Ausstieg aus den fossilen Energien zum Einhalten der 1,5-Grad-Grenze, auch deutlich ins Abseits.
Bernhard Pötter und Lisa Kuner liefern heute eine Bilanz der ersten Woche. Und sie geben einen Ausblick darauf, was in der zweiten Halbzeit noch auf dem Programm steht und zu welchen Fragen die COP-Präsidentschaft noch mehr abliefern müsste, um die Konferenz zu einem Erfolg zu machen.
Die Öl- und Gasindustrie will sich derweil in die Verlängerung retten. Das Öl-Unternehmen Occidental will seine Emissionen mit Direct Air Capture-Anlagen ausgleichen. Auch von “emissionsfreiem Öl” war auf einem COP-Panel der fossilen Industrie die Rede. Klimaschützer bewerten diese Debatten als “teure, falsche Lösung”, berichtet Alexandra Endres.
Deutschland hat sich vor der COP28 in der High Ambition Coalition eher auf die Auswechselbank gesetzt und einige Beschlüsse der Klimavorreiter nicht mitgetragen. Teresa Ribera, die für die EU in Dubai verhandelt, sagt im Interview, man müsse als Vorreiter weitermachen und notfalls den Druck auf Deutschland erhöhen. Auch zum Ausstieg aus fossilen Energien hat sie eine klare Meinung,
Das Climate.Table-Team nutzt den heutigen Ruhetag, um die Fingergelenke zu massieren und die Kaffee-Vorräte aufzufüllen. Ab dem 9. Dezember geht es dann mit täglichen Ausgaben weiter.
Beste Grüße
Frau Ribera, wir haben einen fulminanten Start dieser COP28 erlebt. Zahlreiche Ankündigungen, die Einigung auf den Loss and Damage Fund und die ersten Finanzierungszusagen. Wo stehen wir jetzt, wo sich die Aufregung etwas gelegt hat?
Es ist eine sehr schwierige COP. Wir müssen dafür sorgen, dass der Pariser Mechanismus zum Abschluss kommt und die nächsten Schritte in Gang setzt. Wir haben Sharm el-Sheikh letztes Jahr mit gemischten Gefühlen verlassen. Zum ersten Mal gab es die Überzeugung, dass wir an Loss and Damage arbeiten müssen, aber gleichzeitig gab es kein einziges Wort zur Emissionsreduzierung. Und die wichtigste Maßnahme zur Senkung der Kosten für Schäden und zur Senkung der Verluste ist die Emissionsreduzierung.
Glasgow war die COP für die Industrieländer. Sharm el-Sheikh war die COP für die Entwicklungsländer, weil es dort um Verluste und Schäden und eben nicht um Emissionsreduzierung ging. Was wird diese COP sein?
Dies ist die COP des Pariser Abkommens. Sie wird zeigen, ob das Abkommen funktioniert oder nutzlos ist. Und ich denke, jeder versteht, dass sie Ergebnisse liefern muss. Aber die Frage ist, ob die Öffentlichkeit das auch findet, oder ob es nur “bla, bla, bla” ist. Und um etwas zu erreichen, müssen wir so konkret wie möglich sein. Wie geht es weiter mit dem Klimaschutz, und wie können wir sicherstellen, dass der weltweit wachsende Anteil der Finanzströme auf die Klimaziele einzahlt? 1,5 Grad bedeutet, dass wir den Klimawandel eindämmen und kluge Entscheidungen über öffentliche und private Investitionen treffen müssen.
Und konkrete Ergebnisse sind der Ausstieg aus den fossilen Brennstoffen?
Ja, wir müssen das Paket aus Verdreifachung der erneuerbaren Energien, Verdopplung der Energieeffizienz und Ausstieg aus fossilen Brennstoffen umsetzen. Aber was bedeutet der Ausstieg? Manche sagen, es gehe nicht um Energie, sondern um Emissionen. Aber wir müssen kohärent sein und dürfen nicht sagen, dass wir die Emissionen reduzieren müssen, während wir in Wirklichkeit über fossile Brennstoffe sprechen. Wir müssen die mit fossilen Brennstoffen zusammenhängenden Aspekte der Energiewende sehr deutlich machen. Wir brauchen einen starken Rückgang von Angebot und Nachfrage – beides ist wichtig.
Sie sprechen also nicht über einen Ausstieg aus den Emissionen fossiler Brennstoffe oder über CCS hier in Dubai?
Das EU-Mandat ist in dieser Hinsicht sehr eindeutig. Wenn wir über Abscheidung von Emissionen sprechen, sagen wir, dass diese Technologien nur in schwer zu reduzierenden Sektoren eingesetzt werden sollten. Was die Energiesysteme betrifft, so wissen wir, dass es viel intelligentere und schnellere Lösungen gibt.
Wo finden Sie dafür Verbündete, wenn sogar die USA CCS befürworten?
Wir glauben, dass es noch viel mehr Länder gibt, die eine deutliche Sprache zu fossilen Brennstoffen fordern. Das absolute Minimum sollte die Glasgow-Formulierung oder die G20-Formulierung sein. Einige der Länder, die sich nun am stärksten dagegenstellen, haben die G20-Sprache unterzeichnet.
Aber es war wirklich schwer, diese Formulierung zu erreichen, und die G20-Energieminister haben sie nicht einmal aufgenommen.
Aber die Staats- und Regierungschefs taten es. Es ist mir egal, was die Verhandlungsführer oder der Ratsvorsitz persönlich über jedes einzelne der hier diskutierten Elemente denken. Es geht darum, in gutem Glauben zu verhandeln und die Voraussetzungen für Verhandlungen zu schaffen. Der COP28-Vorsitzende hat die Rolle des ehrlichen Maklers.
Ist er der ehrliche Makler, der er vorgibt zu sein?
Ich hoffe es. Wir werden aufmerksam sein und das einfordern. Es ist gut, dass der Präsident weiß, was fossile Brennstoffe bedeuten, was erneuerbare Energien bedeuten, was Finanzen bedeuten und welche Rolle diese Themen für Afrika oder die OPEC-Länder spielen. Er ist ein sehr erfahrener Mann in diesem Bereich und hat im letzten Jahr viel darüber gelernt, wie wir Entscheidungen treffen müssen. Er ist weder gegenüber der einen noch der anderen Seite voreingenommen. Das haben wir in Sharm el-Sheikh ein wenig vermisst. Man hatte den Eindruck, dass das Ergebnis nicht sehr ausgewogen war. Wir haben uns so sehr auf die Verluste und Schäden konzentriert, dass wir die Schadensbegrenzung vergessen haben.
Wie hilfreich sind die Deutschen, wenn es darum geht, auf Emissionsreduzierungen zu drängen? Schließlich haben sie zwei Erklärungen der High Ambition Coalition nicht unterschrieben?
Die Deutschen haben eine komplizierte Zeit in Sachen Energie durchgemacht – mit der Frage, ob sie die Energiewende vorantreiben und die Energieabhängigkeit verringern sollen. Jetzt müssen sie sehen, wie sehr sie sich engagieren können.
Aber die HAC wird dadurch geschwächt.
Wir haben schon vor langer Zeit gelernt, dass Länder, die bereit sind, schneller zu sein, nicht auf die langsameren warten sollten. Es ist immer gut, auf die Deutschen zu zählen. Und sie sollten mitmachen, wann immer sie dazu bereit sind.
Und wenn man nicht auf die Deutschen zählen kann?
Dann macht man trotzdem weiter und hält den Druck aufrecht, damit sie so schnell wie möglich nachziehen.
Was ist mit der G77+China? Wir haben hier in Dubai eine Finanzierungszusage der Vereinigten Arabischen Emirate gesehen. Es ist das erste Mal, dass ein Non-Annex-I-Land eine solche Zusage macht. Sehen Sie Diskussionen in der Gruppe, die die Blöcke der Industrieländer gegen die Nicht-Industrieländer verändern könnten?
In Paris haben wir uns darauf geeinigt, dass nicht nur die historische Verantwortung zählt – auch wenn sie sehr wichtig ist. Auch der aktuelle Anteil an der Umweltverschmutzung und der aktuelle Anteil am Pro-Kopf-Einkommen und an den Pro-Kopf-Emissionen zählen. Diese Debatte findet auch in der G77 statt. Die Länder der G77 wissen sehr wohl, dass China, die Emirate oder Saudi-Arabien nicht dasselbe sind wie Ruanda, Kuba oder die Philippinen. Wer zur Klimafinanzierung beiträgt, wird eines der heikelsten Themen bei den Verhandlungen sein. Und unsere Tür steht weit offen für ein aktualisiertes Verständnis von Fairness und Gerechtigkeit bei der Emissionsreduzierung und der Beteiligung an der Finanzierung.
Wäre es für Sie einfacher zu verhandeln, wenn sich der Block der G77 auflösen würde? Wenn China und die Entwicklungsländer getrennt wären?
Wir als Europäer müssen auf die unterschiedlichen Empfindlichkeiten achten und ihre eigene Governance-Plattform respektieren. Wir sollten nicht auf die schmutzige Art und Weise ihre eigenen Governance-Überlegungen torpedieren. Um zu verstehen, was vor sich geht, müssen wir mit jeder regionalen Gruppe und jedem Bündnis innerhalb der G77 sprechen. Wir machen einen Fehler, wenn wir annehmen, dass sie alle gleich denken.
Auch innerhalb Europas gibt es sehr unterschiedliche Meinungen und nicht jedes Land denkt gleich. Wie hält das Team Europa hier in Dubai zusammen?
Das ist unsere Aufgabe als Ratspräsidentschaft. Auch wenn es von Land zu Land Unterschiede geben mag, sind wir im Großen und Ganzen auf einer Wellenlänge. Denn wir wissen, dass wir viel effektiver sind, wenn wir zusammenarbeiten und mit verschiedenen Akzenten die gleiche Botschaft senden. Das ist etwas, das wir in den letzten Jahren versäumt haben und wir wieder lernen müssen.
Sie sprechen von der Zeit unter der Führung des ehemaligen Klimakommissars Frans Timmermans. Wie macht sich sein Nachfolger Wopke Hoekstra?
Nun, er hat gerade angefangen und ist mit der gemeinsamen Botschaft unseres Mandats durch die Welt gereist. Er arbeitet sehr ehrlich und konstruktiv, versteht, dass wir im Team Europa arbeiten müssen, und das tut er auch sehr gerne. Ich bin sicher, dass es sehr gut laufen wird.
Innerhalb Europas gab es Versuche, die grüne Agenda und die Gesetze des Green Deal zu verwässern. Sind Sie sicher, dass Europa in der grünen Politik noch mit einer Stimme spricht?
Es gab viele Gelegenheiten, bei denen die Dinge aufgrund der unterschiedlichen Empfindlichkeiten hätten explodieren können. Aber wir haben das auf vernünftige Art und Weise überwunden. Manchmal ist es schwierig, weil wir die Spannungen spüren, die in Europa herrschen. Die spanische Präsidentschaft hatte verschiedene Probleme innerhalb der Gesetzesvorschläge gelöst, von denen niemand dachte, dass wir sie lösen könnten. Aber es stimmt schon, manchmal kamen die Probleme von Ländern, bei denen wir es nicht erwartet hatten.
Sie sehen uns als Deutsche an …
(lacht) Die wichtige Lehre, die man daraus ziehen muss, ist, dass der Wandel so wichtig und so notwendig ist, dass man ihn nicht aufschieben kann. Man muss ihn beschleunigen. Aber es kann nur funktionieren, wenn die öffentliche Meinung, wenn die Bürger die Vorteile der grünen Agenda spüren und verstehen, was und warum wir tun, was wir tun.
Mehr als 2.400 Lobbyisten der Öl-, Gas- und Kohleindustrie besuchen den Klimagipfel in Dubai. Es sind viermal so viele wie auf der COP27, und so viele wie auf keinem Klimagipfel zuvor. Das geht aus einer Analyse von “Kick Big Polluters Out” hervor, einem Zusammenschluss internationaler Klimaorganisationen.
Auch die Lobbyisten debattieren auf der COP28 über mögliche Wege in eine treibhausgasneutrale Welt – und über ihren eigenen Beitrag zum Wandel. So beispielsweise auf einem Panel, an dem prominente Vertreter und eine Vertreterin der Branche teilnahmen. Auf dem Podium saßen unter anderem Vicki Hollub, die Präsidentin des US-Ölkonzerns Occidental Petroleum (Oxy) und Mohammed Hassani, der Leiter der OPEC-Umweltabteilung.
Die Diskussionsteilnehmer stellen sich eine klimafreundliche Zukunft so vor, dass Öl und Gas in ihr immer noch eine wichtige Rolle spielen – sie wollen mit technischen Neuerungen dafür sorgen, dass die fossilen Stoffe emissionsfrei verbrannt und gefördert werden.
Für diese Idee gab es wissenschaftliche Unterstützung von Myles Allen, einem Klimaforscher der Uni Oxford, spezialisiert unter anderem auf Attributionsforschung und CCS. Die Branche müsse “ihr Produkt emissionsfrei machen”, sagt Allen. “Diese Industrie hat es in sich, ihre Produkte so zu verändern, dass sie keine Erderwärmung mehr verursachen. Es ist die größte Industrie, die die Welt je gesehen hat. Wer sonst sollte in der Lage sein, das zu tun?”
Etwa 80 Prozent des weltweiten Energiebedarfs wird derzeit laut Branchenangaben durch Öl, Gas und Kohle gedeckt. Die Nachfrage werde nicht über Nacht verschwinden, sagte Moderatorin Olivia Azadegan vom Thinktank Clean Air Task Force (CATF). Sie hoffe auf eine “pragmatische Diskussion” darüber, wie das ganze Energiesystem so schnell wie möglich auf null Emissionen zu bringen sei. “Die COP ist dafür der perfekte Ort.”
Die Anwesenden waren sich einig, dass die neuen Technologien sehr bald zur Verfügung stehen müssen, um die im Pariser Abkommen festgelegten Klimaziele zu erreichen. Um sich schnell genug anzupassen, “unsere Technologien zu verfeinern und eigene Kapazitäten aufzubauen”, hätten vor allem die staatlichen Ölkonzerne aus Entwicklungsländern ein Recht auf die Unterstützung der Industriestaaten, sagte OPEC-Vertreter Mohammed Hassani.
Diese Entwicklungsländer bräuchten ihre Öleinkünfte, um den Staatshaushalt zu finanzieren. Kredite zur Entwicklung neuer Technologien seien wegen der hohen Zinsen kaum zu bezahlen, sagte Hassani. Er forderte deshalb, die Industrieländer müssten “die Führung übernehmen und tatsächlich Unterstützung für alle nationalen (staatlichen) Ölunternehmen in Entwicklungsländern bereitstellen”. Auch Artikel 6.4 des Pariser Abkommens, der die freiwilligen Kohlenstoffmärkte regelt, könne helfen, Finanzmittel zu “mobilisieren”.
Der Ölkonzern Oxy gilt in der Branche als ein Vorreiter der Idee, das fossile Geschäft durch neue Technologien emissionsfrei zu machen. Das Unternehmen hat angekündigt, alle Emissionen aus seinem Geschäft möglichst vor 2050 auf null zu senken – die Emissionen aus dem Ölverbrauch (Scope 3) eingeschlossen.
Dabei setzt Oxy laut Präsidentin Vicki Hollub auf vier verschiedene Technologien. Am “wichtigsten und größten” sei Direct Air Capture (DAC). Ohne DAC könne Oxy seine Ziele nicht erreichen: “Direct Air Capture muss passieren”, so Hollub.
Bisher ist die Technologie allerdings sehr teuer: Eine Tonne CO₂ mit ihr aus der Atmosphäre zu holen, kostet derzeit 600 bis 1.000 US-Dollar. Oxy setzt dennoch hohe Erwartungen in sie. Schon im vergangenen August hat das Unternehmen angekündigt, das Start-up Carbon Engineering, einen DAC-Spezialisten, zu einem Preis von 1,1 Milliarden US-Dollar zu erwerben.
Der Kauf könnte die Aussichten von DAC auf lange Sicht verändern, erwartet Julia Attwood, Spezialistin für industrielle Dekarbonisierung bei BloombergNEF. Sie schätzt, dass der DAC-Markt bis 2050 jährlich 150 Milliarden US-Dollar umsetzen kann. Laut dem Branchendienst Argus Media erwartet Oxy mit DAC letztlich mehr Gewinn zu erzielen als mit der Chemieproduktion, die 2022 etwa ein Fünftel des Profits eingebracht habe. Auf lange Sicht will Oxy bis zu 135 DAC-Anlagen bauen.
Als Zweites nutzt Oxy eine vom Start-up Net Power entwickelte Technik, die es ermöglichen soll, emissionsfreien Strom aus Erdgas zu erzeugen. Drittens und Viertens investiert Oxy laut Hollub in zwei weitere Start-ups, um die Herstellung von Bioethylen aus CO₂ und die Gewinnung von Lithium aus den salzhaltigen Abwässern der Ölproduktion voranzutreiben.
Künftig werde es möglich sein, emissionsfreies Öl (net zero oil) zu fördern, sagte Hollub, oder sogar Öl, das den Treibhausgehalt der Luft am Ende reduziere (net negative oil). Dazu setzt das Unternehmen vor allem auf eine Kombination aus DAC und tertiärer Ölgewinnung (Enhanced Oil Recovery, EOR).
Bei EOR wird CO₂ in Ölreservoirs injiziert, die bereits zur Neige gehen, um den darin verbleibenden Rohstoff doch noch an die Erdoberfläche zu bringen. Die Technik wird bereits genutzt. Hollub plant aber, in Zukunft noch mehr – durch DAC gewonnenes – CO₂ dafür einzusetzen. Es gehe darum, die Nutzung von Öl zu verlängern, sagte sie. Doch Voraussetzung dafür sein, dass am Ende “mehr CO₂ in das Ölfeld injiziert” werde als am Ende durch den Gebrauch des geförderten Öls wieder in die Luft gelange.
Die Klimaorganisation Center for International Environmental Law (CIEL) kritisiert DAC als “unbewiesene und teure falsche Lösung”. Indem Oxy die Ölförderung verlängere, könnten letztlich mehrere hunderttausend zusätzliche Tonnen CO₂-Emissionen pro Jahr verursacht werden – nur durch eine einzige DAC-Anlage. Gerade die Kombination aus EOR und DAC füge der Atmosphäre mehr Kohlenstoff hinzu, als sie entferne.
Letztlich schade DAC dem Klima mehr, als es nutzt, weil die Technik die Lebensdauer der fossilen Infrastruktur verlängere und Ressourcen von effizienteren und bereits nutzbaren Lösungen weglenke, etwa dem Ausbau der erneuerbaren Energien und höherer Energieeffizienz.
Die Debatte auf dem Podium zeigte nur eine Seite des Kernkonflikts der diesjährigen Klimakonferenz, der auch zur Halbzeit noch besteht: Es geht um die Zukunft der fossilen Energie und die Frage, welche Rolle Technologien wie Carbon Capture and Storage (CCS) künftig spielen sollen. Während mehr als 100 Länder in Dubai fordern, dass die COP28 einen kompletten Ausstieg aus den fossilen Brennstoffen (fossil fuel phaseout) beschließen soll, könnte die Abschlusserklärung am Ende auch gar keinen Hinweis auf ein Ende des fossilen Zeitalters enthalten.
Zur Halbzeit der COP28 ist die Konferenz weiter, als viele andere Klimakonferenzen in der Vergangenheit. Aber wenn nach dem Ruhetag am Donnerstag die Ministerinnen und Minister eintreffen, wird es ernst. Dann treten die technischen Verhandlungen in die politische Phase. Im besten Fall haben die Unterhändler bis dann die Probleme so weit eingekreist, dass die politisch Verantwortlichen sich auf die wichtigsten Dinge konzentrieren können.
Bisher stehen in der Bilanz:
In den ersten fünf Tagen der COP wurden 83 Milliarden US-Dollar mobilisiert und es gab insgesamt elf Pledges und Erklärungen, darunter die ersten Erklärungen auf einer Klimakonferenz zu Ernährungssystemen und Gesundheit. Die Details dazu nach Climate Action Tracker Fact Sheet der COP-Präsidentschaft:
Bisherige Finanzversprechen:
Dieser Tracker vom Word Resources Institute erlaubt es, die Verhandlungstexte zu verfolgen.
7. Dezember, 9 Uhr, Online
Diskussion Die Rolle von Gesundheit bei der COP28
Der High Level Round Table klärt, welche Rolle die Gesundheit bei der Klima-COP28 spielt und welche Fortschritte es geben sollte bzw. zu erwarten sind. Diskutieren Sie mit Bernhard Pötter (Climate.Table, live aus Dubai), Maike Voss (Direktorin CPHP), Eckart von Hirschhausen (Stifter Gesunde Erde, gesunde Menschen), (weitere Teilnehmer) und Moderation Malte Kreutzfeldt, Table.Media die ganz frischen Ergebnisse des deutschen Planetary Health Forums von letzter Woche und nehmen Sie gemeinsam einen Ausblick auf die globale Diskussion bei der COP28 in Dubai. Infos & Anmeldung
8. Dezember, 10 Uhr, Presidency Roundtable – Al Saih
Runder Tisch From Most Vulnerable to Most Valuable: Placing Children’s Rights at the Heart of Climate Action
Auf der Veranstaltung wird über die Rolle von Kindern und Möglichkeiten zu Ihrem Schutz diskutiert. Der UN-Ausschuss für die Rechte des Kindes stellt Richtlinien vor, wie Kinder beim Klimaschutz besser berücksichtigt werden können. Info
8. Dezember, 11.30 Uhr, Europe Pavilion
Diskussion After the Global Stocktake: how the EU can advance global course correction and deliver on the phase out of oil and gas production
Die EU wird ihre eigenen Klimaziele im Rahmen des EU-Klimagesetzes überprüfen, das im Frühjahr 2024 in Kraft tritt. Auf dem Side-Event wird diskutiert, wie die EU fair aus Öl und Gas aussteigen kann. Infos
8. Dezember, 12 Uhr, Al Saih Roundtable
Ministerial High Level Ministerial Dialogue for Culture-Based Climate Action
Dieser Ministerial will nicht weniger als einen Paradigmenwechsel in der Frage erreichen, wie Klimawandel verstanden wird. Unter anderem wird dazu die Initiative “Group of Friends for Culture-based Climate Action at the UNFCCC” vorgestellt. Infos
8. Dezember, 14 Uhr, 16.30 Uhr, Resilience Hub
Diskussion Putting Principles into Practice: Government support for locally-led adaptation
Wie kann Klimaanpassung gelingen? Best Practices für lokale Anpassung vor allem aus Irland und den USA werden auf dieser Veranstaltung vorgestellt. Infos
Dänemark ist auf der COP28 vorgeprescht und hat ein EU-Klimaziel von 90 Prozent CO₂-Reduktion bis 2040 gegenüber dem Stand von 1990 gefordert. “Wir hoffen, dass andere EU-Länder sich uns anschließen”, sagte der dänische Klima- und Energieminister Lars Aagard am Mittwoch in Dubai. Es sei nun an der Zeit, diese Diskussion zu starten und man hoffe, dass auch andere Länder vortreten und sich dem Ziel anschließen, ergänzte er.
Auch gegen Widerstände innerhalb der Europäischen Union wolle er dieses Ziel verteidigen. “Die billigste Art, Strom zu erzeugen, ist heute die Solarenergie oder die Windenergie in großem Maßstab.” In nicht allzu vielen Jahren werde das kostengünstigste Auto ein Elektroauto sein, so Aagard. Klimaschutz schütze die Wettbewerbsfähigkeit. Da müsse Europa mehr wie China sein und weiter als nur an die kommenden fünf Jahre denken, forderte der Minister aus Dänemark.
Ein wissenschaftliches Expertengremium der EU hatte im Juni die Empfehlung für ein Klimaziel von 90 bis 95 Prozent CO₂-Reduktion bis 2040 ausgegeben. Der EU-Klimakommissar Wopke Hoekstra verkündete noch vor seiner Ernennung im Oktober, er wolle den Mitgliedstaaten 90 Prozent als Klimaziel für 2040 vorschlagen. Dieses Versprechen wiederholte er am Mittwoch in Dubai, betonte aber, dass die Co-Gesetzgeber der EU schlussendlich darüber entscheiden.
Dänemark ist das erste Land, das eine konkrete Zielmarke für das 2040er-Klimaziel ausgibt. Durch den rapiden Ausbau erneuerbarer Energien, dem Hochlauf der E-Mobilität und ein Ende der Nutzung fossiler Brennstoffe wolle man das Ziel erreichen, betonte Aagard. In Dänemark soll zudem ein flächendeckender CO₂-Preis über alle Sektoren hinweg für drastische Emissionsreduktionen sorgen. Auch die Landwirtschaft könne man dort nicht mehr ausklammern, so der Minister.
Im Frühjahr 2024 soll ein dänisches Expertengremium Empfehlungen vorlegen, wie der Agrarsektor in den Emissionshandel integriert werden kann. Sollte Dänemark die Bepreisung von Treibhausgasen aus der Landwirtschaft erfolgreich umsetzen, könnte dies auch ein Vorbild für die EU-weite Einbeziehung des Sektors sein. In Brüssel sträubt man sich bislang davor. luk
Start-ups im Bereich der Klimatechnologie fehlt zunehmend das Geld. Das geht aus der Studie “State of Climate Tech 2023” hervor, die die Unternehmensberatung PwC jetzt vorgelegt hat. Demnach sind die Investitionen in den Sektor auf den niedrigsten Stand seit fünf Jahren gefallen. Allein im Vergleich zum Vorjahr sanken private Mittel und öffentliche Förderungen um 40,5 Prozent.
“Technologien und Lösungen zu fördern, die uns beim Umgang mit den Folgen der Klimakrise helfen, ist wichtiger denn je. Dafür braucht es jetzt an den richtigen Stellen das erforderliche Kapital”, sagt Gunther Dütsch, Partner im Bereich Nachhaltigkeitsberatung bei PwC Deutschland. Die Studie basiert auf der Auswertung von über 32.000 Transaktionen, an denen mehr als 8.000 Klima-Start-ups beteiligt waren.
In Deutschland sind seit 2013 rund 50 Prozent aller Climate-Tech-Investitionen in den Mobilitätssektor geflossen. Daneben hat der Energiesektor mit rund 22 Prozent der investierten Mittel in diesem Zeitraum stark profitiert. Der Bereich Ernährung, Landwirtschaft und Landnutzung kommt dagegen trotz seines großen Anteils an den Emissionen (22 Prozent) lediglich auf acht Prozent. Auch der Industriesektor schneidet mit nur 3,3 Prozent sehr schlecht ab.
Die Anteile haben sich in diesem Jahr jedoch verschoben, wie die ersten drei Quartale zeigen. Danach flossen 35,5 Prozent der Mittel in den Energiesektor, gefolgt von Gebäuden und Infrastruktur (29,3 Prozent) und Mobilität (20,8 Prozent). Insgesamt wurden 2023 deutschlandweit rund 1.293 Milliarden US-Dollar in den Bereich Climate Tech investiert. Dies entspricht 11,4 Prozent aller Venture Capital- und Private Equity-Investitionen.
Laut der Studie braucht es aber mehr als nur eine Anschubfinanzierung. “Der Bedarf an Innovation im Bereich der Klimatechnologie ist enorm. Daher braucht es nicht nur Risikokapital, sondern zukünftig auch deutlich mehr Wachstumskapital, um vielversprechende Lösungen schnell zu skalieren”, so Dütsch. ch
Um mit Ingrid-Gabriela Hoven zu sprechen, muss man sie dieser Tage zwischen zwei Flügen erwischen. Das Mitglied der Geschäftsführung der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) war erst vor wenigen Wochen auf dem African Climate Summit in Nairobi. Ende November flog sie anlässlich der UN-Weltklimakonferenz nach Dubai (COP28). Beide Termine sagen bereits einiges über den Fokus aus, den Hoven bei der GIZ hat und mit dem sie das Aufgabenfeld der Organisation erweitern will. Stand in der Vergangenheit die wirtschaftliche Entwicklung stärker im Fokus, geht es mittlerweile bei der Organisation mit Sitz in Eschborn bei Frankfurt immer mehr um die Bekämpfung des Klimawandels. “Wir müssen bei der Entwicklungszusammenarbeit die verschiedenen Dimensionen zusammenbringen”, sagt sie. Und meint damit Dekarbonisierung, Wirtschaftsförderung, aber auch die Anpassung an Klimaveränderungen. “Seit Paris ist das auch die Erwartungshaltung an uns.”
Hoven war 2015 auf der Pariser Klimakonferenz selbst dabei, als Teil der deutschen Delegation. Die 63-Jährige ist einer der erfahrensten Köpfe in Deutschland, wenn es um das Thema internationale Zusammenarbeit geht. Entwicklungspolitik lernte sie quasi von der Pike auf: Sie studierte Politikwissenschaft und Ökonomie in Gießen und Paris. Im Anschluss absolvierte sie die Post-Graduierten-Ausbildung am Deutschen Institut für Entwicklungspolitik in Berlin. Hoven ist verheiratet und hat einen Sohn.
Von 1986 bis 2020 arbeitete sie im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ). Unterbrochen wurde diese Arbeit von einem fünfjährigen Wechsel zur Deutschen Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ), die 2011 mit der Internationalen Weiterbildung und Entwicklung gGmbH und dem Deutschen Entwicklungsdienst zur GIZ verschmolz – und von einer Stelle bei der Weltbankgruppe. Dort vertrat sie von 2010 bis 2014 Deutschland als Exekutivdirektorin.
Seit 2020 nun sitzt sie in der Geschäftsführung der GIZ. “Ich freue mich, dass ich mein breites klimapolitisches Netzwerk und meine Erfahrungen zum Beispiel aus meiner Zeit als Exekutivdirektorin bei der Weltbank in die Arbeit der GIZ einbringen kann”, erzählt Hoven. Sie führt die GIZ in schwierigen Zeiten, angesichts der Unsicherheit, die momentan den Bundeshaushalt umgibt. “Eines meiner Ziele für die kommenden Jahre ist, dass die GIZ weiterhin wirkungsvoll daran arbeitet, nachhaltige Entwicklung weltweit zu fördern. Der Klimawandel ist ein Treiber für soziale Ungleichheit, Konflikt und Migration. Es braucht mehr Anstrengungen und Kooperation mit dem globalen Süden, um dieser Herausforderung zu begegnen”, meint Hoven.
Die Organisation erfülle eine wichtige Rolle bei den Bemühungen der Bundesregierung, den Klimaschutz voranzubringen. Laut Hoven habe die GIZ ein einzigartiges Netzwerk in der ganzen Welt und “genießt einen hervorragenden Ruf”. Sie hofft, dass die GIZ diesen guten Ruf nutzen kann, um Transformationsprojekte voranzubringen.
So arbeitet man an der Umsetzung der Just Energy Transition Partnerships, die westliche Staaten unter anderem mit Südafrika und Indonesien vereinbart haben. “In der südafrikanischen Provinz Mpumalanga hängen 100.000 Arbeitsplätze unmittelbar von der Kohleproduktion ab”, erklärt Hoven. Da Südafrika aber die Dekarbonisierung wolle, brauche es hier Unterstützung: Umschulungen, Fazilitäten für Start-ups, Investoren für neue, zukunftsfähige Industriezweige, etwa im Ökotourismus oder im Bereich erneuerbare Energien. “Natürlich ist jede Transformation anders und länderspezifisch. Insofern passen wir unsere Unterstützung an die verschiedenen Situationen an, fördern aber auch den Erfahrungsaustausch zwischen Ländern, die ähnliche Prozesse durchlaufen.”
Hoven hofft, dass von der COP28 ein ambitioniertes Ergebnis bleiben wird. “Ich bin vorsichtig optimistisch, dass der Klimaschutz an Tempo zunehmen wird. Die Welt braucht gerade in diesen Zeiten ein Zeichen der Solidarität.” Lars-Thorben Niggehoff