Table.Briefing: Climate

Olympia: Grünes Vorbild? + Kolumbien: „Werden für klimapolitischen Ehrgeiz bestraft“ + Wasserstoff: Mögliche Importpfade

Liebe Leserin, lieber Leser,

am Freitag startet in Paris wieder die Jagd auf Medaillen und Weltrekorde. Bei den Olympischen Sommerspielen wetteifern aber nicht nur die Sportlerinnen und Sportler um Höchstleistungen. Auch die Organisatoren haben sich hohe Ziele gesetzt: Paris will die nachhaltigsten Spiele aller Zeiten ausrichten. Lisa Kuner und Lukas Scheid haben dieses Versprechen kritisch beleuchtet. Von Klimaanlagen über Transportinfrastruktur finden sie einige Aspekte, die weniger grün sein werden als zunächst erhofft oder als möglich wäre. Doch generell stellen die beiden den Organisatoren ein recht positives Zeugnis aus.

Einen ersten Weltrekord hat die Klimakrise am Sonntag und dann erneut am Montag aufgestellt. Beide Tage waren die weltweit heißesten jemals gemessenen Tage. Zuletzt war der Rekord in zwei El-Niño-Jahren 2023 und 2016 aufgestellt worden. Doch seit April hat sich die Welt aus dem El-Niño-Klimamuster herausbewegt.

Um immer neue Rekordwerte zu vermeiden, müsste der Verbrauch fossiler Energien schnell reduziert werden. Der Erdöl- und Kohleproduzent Kolumbien will diesen Wandel beschleunigen. Kolumbiens Umweltministerin Susana Muhamad erklärt im Interview mit Alexandra Endres, warum der fossile Ausstieg so schwierig ist und wie Deutschland das Land besser unterstützen könnte.

Mit besten Grüßen!

Ihr
Nico Beckert
Bild von Nico  Beckert

Analyse

Wie nachhaltig werden die Olympischen Spiele in Paris?

Nachhaltiges Bauen: Die Unterkünfte im Olympischen Dorf wurden zunächst ohne Klimaanlagen geplant – bis es Beschwerden gab.

Es sollen die grünsten Spiele aller Zeit werden. Michael Mronz, Mitglied im Internationalen Olympischen Komitee (IOC), sagte im Podcast Table.Today, dass die Spiele sowohl nachhaltiger als auch inklusiver werden sollen als frühere. Wenn die Weltöffentlichkeit nach Paris schaut, könnte es aber einige Überraschungen geben. Paris will zwar neue Maßstäbe setzen. Doch es gibt einige Zweifel an den Versprechungen.

Sportgroßveranstaltungen stehen heutzutage in einem kritischen Licht. Auf der einen Seite sollen sie die Menschen aus aller Welt zusammenbringen, auf der anderen Seite sind sie eine Belastung für die Umwelt und das Klima. Negativbeispiele von olympischen Sportstätten, die nach dem Ende der Spiele verwaist sind, gibt es viele. Paris hat sich für die Austragung der Olympischen Spiele 2024 vorgenommen, der Nachwelt kein solch schweres Erbe zu hinterlassen, und will “grüne Spiele” veranstalten. Im Idealfall sollen die Spiele auch ganz Paris grüner machen – die Stadt hat begonnen, Parkplätze zu reduzieren, die Flächen in Grün umzuwandeln sowie Radwege auszubauen und Tempolimits einzuführen. Ein Prestigeprojekt: Die Pariser Bürgermeisterin Anne Hidalgo wollte dafür sorgen, dass die Seine so sauber wird, dass Triathlon und Freiwasser-Schwimmwettbewerbe darin stattfinden können. Die Grenzwerte dafür wurden zuletzt eingehalten. “Eine saubere Seine wäre für die Pariser ein tolles Erbe der Spiele”, meint Walker J. Ross, der an der University of Edinburgh zu Sportökologie forscht.

Wichtig in Sachen Klimaschutz ist für Benja Faecks von der NGO Carbon Market Watch, dass sich die Veranstalter zum ersten Mal ein CO₂-Budget für die Spiele gesetzt haben: 1,58 Millionen Tonnen CO₂e. Damit wäre es ungefähr halb so hoch wie die Emissionen der vergangenen Spiele in Rio 2016 (3,6 Millionen Tonnen) und London 2012 (3,3 Millionen Tonnen). Das soll beispielsweise erreicht werden, indem 95 Prozent der Sportstätten bereits zuvor standen oder nur temporär aufgebaut werden. Für Neubauten gibt es laut den Veranstaltern eine Anschlussverwendung. Das Catering soll umweltfreundlich sein und Einwegplastik soll verboten werden.

Über den Anbieter Abatable sollen alle weiteren anfallenden Emissionen (inklusive Scope 3-Emissionen) kompensiert werden. Abatable will dafür in sechs “high-impact climate action”-Projekte investieren:

  • Kochöfen-Projekte in Nigeria, der Demokratischen Republik Kongo und Kenia,
  • ein Photovoltaikprojekt im Senegal sowie
  • Waldschutzprojekte in Kenia und Guatemala.

Probleme bei der Umsetzung

Soweit die Planung; die Realität sieht allerdings nicht ganz so positiv aus: Das Organisationskomitee steht in der Kritik, weil sie 500 Brennstoffzellen-Pkw und zehn Wasserstoff-Busse zum Transport von Athletinnen und Athleten sowie Besucher einsetzen wollen. In einem offenen Brief schrieben 120 Forschende und Ingenieure an das Internationale Olympische Komitee (IOC), dass “ein Wasserstoffauto wissenschaftlich nicht mit der Netto-Null-Problematik vereinbar ist”. Mit Wasserstoff betriebene Fahrzeuge benötigten dreimal so viel Strom wie Elektroautos und erzeugten somit dreimal so viel CO₂-Emissionen, so die Autoren des Briefes.

Für eine etwas polemische Diskussion sorgte außerdem das Vorhaben der Veranstalter, das Olympische Dorf ohne Klimaanlagen, aber dafür mit einem geothermalen Kühlungssystem zu bauen. Mit der Aussicht auf mögliche Rekordtemperaturen während der Spiele in Paris protestierten verschiedene Delegationen, die USA kündigten an, für ihre Athleten eigene Klimaanlagen mitzubringen. Daraufhin ruderten die Organisatoren zurück und sagten zu, dass tragbare Klimaanlagen auf Kosten der Teams bestellt werden könnten – rund 2,500 solcher Anlagen wurden reserviert.

Zudem gab es Kritik an fehlenden Maßnahmen für die Ziele der Organisatoren. Die NGO Carbon Market Watch und der französische Thinktank Éclaircies haben im Vorfeld die Klima- und Umweltmaßnahmen der Spiele analysiert. Benja Faecks von Carbon Market Watch betont: “Der größte Faktor ist die Größe der Spiele”. Die vielen Besucher, die oft per Flugzeug anreisen, sind einer der entscheidenden Faktoren. Und die Minderung der Verkehrsemissionen der Spiele (rund ein Drittel des gesamten CO₂-Budgets) würden kaum öffentlichkeitswirksam angegangen. Gleichzeitig sei mit sehr viel Sorgfalt eine nachhaltige Strategie für das Catering eingeplant worden, obwohl das nur für rund ein Prozent der Emissionen verantwortlich ist. Faecks meint: “Da werden die falschen Prioritäten gesetzt und der Elefant im Raum ignoriert”.

Ross ist etwas optimistischer. Durch die gute Lage in der Mitte von Europa gebe es die Möglichkeit, dass viele Menschen nachhaltig anreisen. Das britische Team reist beispielsweise mit dem Zug nach Paris. Trotzdem denkt Ross, dass der Claim der “nachhaltigsten Spiele aller Zeiten” übertrieben sei: Die ersten, viel kleineren Spiele 1896 hätten sicher weniger Emissionen verursacht.

Kritik am Sponsoring

Auch sollen die nicht eingesparten Emissionen auf freiwilligen CO₂-Märkten (VCM) durch Emissionszertifikate kompensiert werden. Dieses “Offsetting” wird jedoch bislang unzureichend reguliert. Zudem besteht die Gefahr, dass Offsetting-Projekte nicht halten, was sie an CO₂-Kompensation versprechen – beispielsweise, indem die aufgefangenen Emissionen falsch berechnet werden.

Auch gab es Kritik am Ausmaß des Plastikmülls während der Spiele und an der Beteiligung des Hauptsponsors Coca-Cola. Die NGO France Nature Environnement (FNE) warf Coca-Cola vor, Getränke aus recycelten Plastikflaschen in wiederverwendbare Plastikbecher zu füllen, sei ein “Täuschungsmanöver”. Faecks fügt hinzu, dass das Geschäftsmodell der meisten Sponsoren auf fossilen Energien beruhe.

Die Pariser Spiele werden voraussichtlich die grünsten Spiele seit langem sein, aber noch immer enorme Mengen an klimaschädlichen Treibhausgasen verursachen. Faecks sagt dazu: “Aus dem Emissionsstandpunkt wäre natürlich die nachhaltigste Alternative, keine Spiele zu veranstalten.” Sie will die Spiele aber nicht abschaffen, sondern kritisch darauf schauen, und sieht die Anstrengungen in Paris als wichtigen Schritt in Richtung mehr Nachhaltigkeit. Ross bescheinigt Olympia einen gewissen “Gigantismus“. Trotzdem hat Paris seiner Meinung nach einen ehrlichen Versuch unternommen, die Spiele so nachhaltig wie möglich zu gestalten. Wenn das Beispiel Schule macht und auch die nächsten Spiele 2028 in Los Angeles oder 2032 in Brisbane sich daran orientieren und ihre Umweltkonzepte weiter ausfeilen, könnte Paris in Sachen Klima durchaus ein wichtiges Vorbild sein.

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Kolumbiens Umweltministerin: “Wir werden für unseren klimapolitischen Ehrgeiz bestraft”

Susana Muhamad, die kolumbianische Umweltministerin, im Porträt. Sie spricht in ein Mikrofon
Susana Muhamad, Kolumbiens Ministerin für Umwelt und Nachhaltige Entwicklung.

Wie groß sind Kolumbiens Chancen auf eine klimafreundliche Entwicklung? Was bringt der UN-Biodiversitätsgipfel im Herbst? Was kommt nach der Präsidentschaftswahl 2026? Darüber spricht Ministerin Muhamad in einer Langversion des Interviews.

Frau Ministerin, Kolumbiens Wirtschaft hängt vom Öl- und Kohleexport ab, doch Ihre Regierung möchte aus den Fossilen aussteigen. Gibt es ein konkretes Ausstiegsdatum?

Unsere Politik hat kein exaktes Enddatum, aber es dürfte um die 15 Jahre dauern, den Ausstieg zu schaffen. Wir wollen nicht nur die Energieversorgung Kolumbiens ändern, sondern das ganze Wirtschaftsmodell. Dazu müssen wir die staatlichen Einnahmen ersetzen, die bisher aus Kohle und Öl kamen, und andere Quellen für Devisen auftun. Wir betreiben dazu eine nationale Politik der Re-Industrialisierung, die zum Ziel hat, andere aussichtsreiche Wirtschaftssektoren zu entwickeln.

Welche Sektoren?

Erneuerbare Energien, um den kolumbianischen Bedarf zu decken und für den Export, die Landwirtschaft und den naturnahen Tourismus. Der Schutz der Biodiversität wird immer wichtiger. Entscheidend ist, dass unsere Politik den Umbau einleitet, auch wenn wir noch kein exaktes Enddatum benennen können. Wenn die Welt das Pariser Klimaabkommen erfüllt, werden die fossilen Märkte nach und nach ohnehin schließen.

Der Ölkonzern Ecopetrol soll Erneuerbare erzeugen

Ihre Regierung unter Präsident Gustavo Petro ist seit zwei Jahren im Amt – welche konkreten Fortschritte, etwa durch Gesetze, haben Sie erzielt?

Es gibt einen Gesetzentwurf, um unser wichtigstes Erdölunternehmen Ecopetrol (Anm. d. Red.: Ecopetrol ist zu 88,49 Prozent in Staatsbesitz) in einen Produzenten erneuerbarer Energien umzubauen. Er muss noch durchs Parlament. Unter der Regierung Petro wurden außerdem 23 neue Umweltlizenzen für Erneuerbare-Energie-Projekte – Wind- und Solarenergie und Stromleitungen, um sie zu verteilen – vergeben. Eine der wichtigsten Leitungen, La Colectora, ist von strategischer Bedeutung. Sie wird die erneuerbare Energie, die im Department La Guajira erzeugt wird, ins nationale Netz einspeisen – aber das Projekt lag fünf Jahre lang auf Eis. Jetzt wurde es umweltrechtlich genehmigt. Bis 2029 wollen wir den Anteil der erneuerbaren Energien an der heimischen Energieproduktion von derzeit vier, fünf Prozent auf 25 Prozent erhöhen.

Länder wie Deutschland haben ein großes Interesse an Rohstoffen wie Nickel oder Wasserstoff aus Kolumbien. Wie groß ist die Gefahr, dass der alte Extraktivismus hier nur durch eine ähnlich schädliche, grüne Variante ersetzt wird?

Das Risiko besteht ganz offensichtlich. Die Rohstoffe sind die dunkle Seite der Dekarbonisierung. Aber die deutsche Regierung arbeitet an Umwelt- und Sozialstandards für Wasserstoffimporte. In Kolumbien arbeiten wir an einer Reform des Bergbaugesetzes. Künftig sollen die Bundesbehörden gemeinsam mit den Regionen und Gemeinden die ökologischen und sozialen Bedingungen für Bergbauvorhaben festlegen und klar definieren, welche Vorteile diese Projekte den Menschen vor Ort bringen sollen. Dann wissen die Unternehmen, die investieren möchten, genau, unter welchen Bedingungen sie das tun.

Mögliche Investitionspartner Deutschland, USA, Norwegen, G7

Wenn der kolumbianische Staat stärker werden soll, braucht er auch mehr Geld. Woher soll es kommen?

Für Länder wie uns, die hoch verschuldet sind, hohe Zinsen zahlen müssen, um an Kapital zu kommen, und die sehr stark von den Einnahmen aus Öl und Kohle abhängen, ist der Übergang sehr kompliziert. Um die fossilen Einnahmen zu ersetzen, müssen wir nicht nur die Energieversorgung umbauen, sondern die ganze Wirtschaft. Das schaffen wir nicht allein. Deshalb arbeiten wir auf multilateraler Ebene daran, verschiedene Länder an einen Tisch zu holen, die sich als Partner an einem großen Investitionspaket beteiligen.

Wer sind diese Partner?

Wir sprechen mit den USA, Deutschland und Norwegen. Wir haben auch den G7 vorgeschlagen, dass Kolumbien eines der ersten Länder sein soll, deren klimafreundlicher Umbau der Wirtschaft von der internationalen Gemeinschaft finanziell unterstützt wird.

Grüner Wasserstoff und “Debt for Nature”

Wie kommt die Zusammenarbeit mit Deutschland im Energiebereich voran?

Wir schätzen die bisherigen gemeinsamen Projekte mit Deutschland sehr, und ebenso die deutsche Unterstützung für den Friedensprozess. Aber jetzt ist der Moment, zu einer stärker strukturierten Beziehung überzugehen. Im Energiebereich wird mit der Entwicklung des grünen Wasserstoffs bereits daran gearbeitet. Daneben streben wir einen Debt-for-Nature-Schuldentausch an. Er wäre ein wichtiges Signal, dass ehrgeizige Länder wie Kolumbien durch eine sehr starke Kooperation unterstützt werden. Heute werden wir für unseren klimapolitischen Ehrgeiz eher bestraft – und kein Land wird seine Wirtschaft und seine Menschen für eine Wende in Gefahr bringen, die einer globalen Anstrengung bedarf.

Die USA setzen für diese Entwicklungsschritte vor allem auf Privatkapital über freiwillige CO₂-Zertifikate. Was halten Sie davon?

In Kolumbien brauchen wir vor allem öffentliche Investitionen, die dann Anreize setzen können für private Beteiligungen. Selbstverständlich sind private Investitionen notwendig. Aber sie müssen klaren Regeln folgen, um wirklich nachhaltig sein zu können. Zertifikate sind nur ein Mittel. Sie können einen sehr kleinen Teil einer viel umfassenderen und komplexeren Wende finanzieren. Wir brauchen Verbündete, die langfristig bereit sind, gemeinsam mit uns in die Entwicklung neuer Arbeitsmärkte, technologischer Kapazitäten und auch in gesellschaftliche Themen zu investieren.

Susana Muhamad, Politikwissenschaftlerin und Umweltministerin Kolumbiens, gehört der von Präsident Gustavo Petro geführten Partei Colombia Humana an. Zu Petros Amtszeit als Bürgermeister von Bogotá war sie dort Umweltministerin, danach Stadträtin.

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Termine

25. Juli, 10 Uhr, Online
Schulung Treibhausgasbilanzierung mit ecocockpit
Transparenz über die eigenen Treibhausgas-Emissionen wird für den produzierenden Mittelstand immer wichtiger – ob unter dem Aspekt der Ressourcen- und Kosteneinsparung oder der Erfüllung von Kundenanforderungen. Das von der Effizienz-Agentur NRW (efa) entwickelte und erprobte Instrument ecocockpit, eine Möglichkeit für die Bilanzierung, wird hier von der Agentur vorgestellt. Infos

25. Juli, 13 Uhr, Online
Workshop Hitzeresilienz ins Qualitätsmanagement überführen
Wie kann Hitzeschutz im Qualitätsmanagement verankert werden? Darüber wird auf dieser Veranstaltung diskutiert. Sie findet im Rahmen des HIGELA-Projekts statt, das vom AWO Bundesverband e. V. und KLUG e. V. geleitet und vom BKK Dachverband e. V. gefördert wird. Infos

25. Juli, 16 Uhr, Online
Webinar Discover Climate Data: From Attribution to Target Setting
Das World Resources Institute veranstaltet dieses interaktive Training zusammen mit den Organisationen Climate Watch, Systems Change Lab und Climate Central. Es soll verschiedene Möglichkeiten vorstellen, wie Klimadaten genutzt werden können. Infos

28. Juli bis 5. August, Freiburg
Akademie Zukunftsakademie Freiburg
Die Akademie soll junge Menschen zusammenbringen, um Transformationsprojekte zu erdenken. Die im Rahmen der Zukunftsakademie erarbeiteten Projekte sollen Impulse für den Nachhaltigkeitswandel setzen und in die Gesellschaft wirken. Infos

31. Juli, 9 Uhr, Online
Briefing Klimaszenarioanalyse – wie und wozu?
Im Rahmen der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) sind Klimaszenario-Analysen für Unternehmen zukünftig Pflicht. Dadurch sollen die finanziellen Auswirkungen verschiedener Klimaszenarien auf das Unternehmen ermittelt werden. In diesem Breakfast Briefing von 4L Impact Strategies erklären Sarah Morlock und Mariano Calcabrini die Grundlagen der CSRD-konformen Klimaszenario-Analyse. Infos

31. Juli, 10 Uhr, Online
Webinar Klimaanpassung und Gesundheit
Auf diesem Webinar wird über die Zusammenhänge zwischen Gesundheit und Klimaanpassung mit einem Fokus auf übertragbare und nicht übertragbare Krankheiten diskutiert. Es wird von Zentrum Klimaanpassung organisiert. Infos

31. Juli, 17 Uhr, Online
Webinar Stadtnatur vor der eigenen Haustür – Klimaanpassung und Biodiversität in der eigenen Nachbarschaft fördern
Die Dürren und Hochwasser der letzten Jahre haben gezeigt, dass auch Deutschland sich bereits an den Klimawandel anpassen muss. Naturbasierte Lösungen, wie Stadtparks, Gründächer oder Flussrenaturierungen, stellen hierfür ein Mittel dar. Auf dem Webinar des Unabhängigen Institut für Umweltfragen wird diskutiert, wie solche Lösungen umgesetzt werden können. Infos

News

Klima in Zahlen: So soll der Wasserstoff nach Deutschland kommen

Deutschlands zukünftige Wasserstoffbedarfe lassen sich zu großen Teilen mit Pipelines aus der “erweiterten europäischen Nachbarschaft” decken. Das ist das Ergebnis einer Studie der Thinktanks Agora Energiewende und Agora Industrie. Allerdings müsste die Pipeline-Infrastruktur dafür zügig ausgebaut werden. Gelingt dies, könnten Mitte der 2030er-Jahre “rund 60 bis 100 Terawattstunden (TWh)” an grünem Wasserstoff aus benachbarten Ländern importiert werden. “Damit ließe sich ein wesentlicher Teil des von der Bundesregierung für 2030 angegebenen Neubedarfs an Wasserstoff und Derivaten decken”, so die Einschätzung der beiden Thinktanks.

In der Studie werden fünf Importkorridore untersucht. Planungen für einen Nordsee-Korridor, der Norwegen, Großbritannien und Dänemark anbinden würde, sind demnach am weitesten fortgeschritten. Sie könnten schon im Jahr 2030 zu Importen von 17 TWh führen, die im Idealfall bis 2035 auf bis zu 37 TWh erhöht werden könnten. Aus Portugal und Spanien könnten ab 2035 rund 32 TWh importiert werden. Schweden und Finnland könnten ab 2035 rund 14 TWh liefern, Algerien und Tunesien rund 16 TWh. Zwei TWh könnten ab 2035 aus der Ukraine und Griechenland stammen. Um diesen Idealfall zu erreichen, müsste es aber mehr Anstrengungen bei der Finanzierung der Pipeline-Infrastruktur und der Stimulation der Nachfrage geben, so Agora. Zudem würden die Pipelines natürlich auch Transitländern und europäischen Nachbarn zugutekommen (in der Grafik durch negative Zahlen gekennzeichnet).

Auch die Wasserstoff-Importstrategie, die das Bundeskabinett am Mittwoch verabschiedet hat, setzt beim Import von molekularem Wasserstoff vor allem auf Pipelines aus Europa und Nordafrika. Zusätzlich sind darin Importe von Wasserstoff-Derivaten wie Ammoniak, Methanol oder E-Fuels per Schiff vorgesehen. Die Regierung geht davon aus, dass mittelfristig 50 bis 70 Prozent des deutschen Wasserstoff-Bedarfs importiert werden müssen.

Die Reaktionen auf die Strategie fielen gemischt aus: Aus der Industrie kam grundsätzlich Zustimmung, der Verband “Zukunft-Gas” vermisst darin aber “klare Prioritäten und konkrete Maßnahmen”. Umweltverbände bemängeln, dass die Strategie nicht nur auf grünen Wasserstoff aus Ökostrom setzt, sondern auch “blauen” Wasserstoff zulässt, der unter Abscheidung des CO₂ aus fossilem Erdgas gewonnen wird. Zudem vermissen sie verbindliche Nachhaltigkeitskriterien für importierten Wasserstoff. Ohne diese werde die Strategie “zur Gefahr für den Klimaschutz und die Menschen in den Exportländern”, kritisierte Christine Averbeck von der Klima-Allianz.

Deutsches Kernnetz kann starten

Einen wichtigen Fortschritt gibt es auch bei der Frage, wie der Wasserstoff künftig innerhalb von Deutschland verteilt werden soll: Die Fernleitungsnetzbetreiber (FNB) haben am Montag ihren gemeinsamen Antrag für das künftige Wasserstoff-Kernnetz bei der Bundesnetzagentur eingereicht. Es umfasst eine Leitungslänge von 9.666 Kilometern, wovon etwa 60 Prozent auf die Umrüstung bestehender Erdgas-Pipelines und 40 Prozent auf Neubauten entfallen. Erste Leitungen sollen laut FNB bereits im nächsten Jahr in Betrieb genommen werden; für das Gesamtnetz wird als Zieljahr 2032 genannt. Das Investitionsvolumen wird auf knapp 20 Milliarden Euro geschätzt. Diese sollen privatwirtschaftlich aufgebracht und über Nutzungsentgelte refinanziert werden, wobei der Staat eine Ausfallgarantie übernimmt. nib/mkr

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COP29-Troika will neue Klimapläne schon zur UN-Vollversammlung

In einem zweiten Brief an die UN-Staaten rief die COP-Troika am Dienstag zu einer früheren Abgabe der nationalen Klimapläne (NDCs) auf. Diese sollten möglichst bereits zur UN-Vollversammlung am 10. September in New York abgegeben werden, um ein Signal zur Einhaltung der 1,5-Grad-Grenze zu setzen. Die Troika will dabei beispielhaft vorangehen. COP29-Gastgeber Aserbaidschan sowie Brasilien (Gastgeber COP30) und die Vereinigten Arabischen Emirate (Gastgeber COP28) versprechen in dem Brief “entsprechende Signale innerhalb ihrer nationalen Möglichkeiten”.

Laut UN-Klimaabkommen müssen die aktualisierten NDCs spätestens bis zum 10. Februar 2025 an die UN übermittelt werden. Im Vorfeld der COP29 im November setzt die Troika gezielt auf größere Events wie die UN-Vollversammlung, das G20 Treffen der Klima- und Finanzminister und die Pre-COP29, um die Ambitionen zu erhöhen. Einen Fahrplan zur COP29 hatte Aserbaidschan erst vor einer Woche in einem ersten Brief an die UN-Staaten abgegeben – später als üblich, was teils auf Kritik stieß. Zentrale Themen der COP29 sollen neben den NDCs etwa das neue Klimafinanzziel NCQG, der Handel mit CO₂-Zertifikaten nach Artikel 6 des Pariser Abkommens und die Umsetzung des Loss-and-Damage-Fonds sein. lb

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Biodiesel: Das plant die EU-Kommission gegen China wegen Dumpings und Betrugs

Die Europäische Union wird ab dem 16. August vorläufige Strafzölle auf Biodiesel-Importe aus China erheben. Dies gab die Generaldirektion Handel der Europäischen Kommission am Freitag bekannt. Vorausgegangen war eine sechsmonatige Untersuchung wegen Dumpingvorwürfen gegen chinesische Unternehmen. Damit sollen Preisnachteile europäischer Hersteller ausgeglichen werden.

Branchenverbände begrüßen die Entscheidung. Der Verband der Deutschen Biokraftstoffindustrie (VDB) etwa fordert noch höhere Strafzölle und kritisiert, dass Hydrotreated Vegetable Oil (HVO), das als Sustainable Aviation Fuel (SAF) im Luftverkehr eingesetzt wird, zunächst von den Strafzöllen ausgenommen ist. “Ein solches Schlupfloch kann dazu führen, dass die Zölle ins Leere laufen”, meint Baumann. Der VDB fordert daher, auch SAF in die Maßnahmen einzubeziehen.

Betrugsvorwürfe: Biodiesel wurde umetikettiert

Neben Vorwürfen wegen Dumpings gibt es aber auch Betrugsvorwürfe. Seit Anfang 2023 sind die Importe von “fortschrittlichem Biodiesel” aus China sprunghaft angestiegen. Es wird vermutet, dass Biodiesel der ersten Generation einfach als “Biodiesel der zweiten Generation” beziehungsweise als “fortschrittlich” umetikettiert wurde. Es wird aus Biomasse-Rohstoffen wie Abfällen, Reststoffen und Waldholz hergestellt. Im Vergleich zu konventionellen Biokraftstoffen – etwa aus Raps, Soja oder Palmöl -, steht ihre Produktion nicht in Konkurrenz zur Nahrungsmittelversorgung und hat geringere Auswirkungen auf Umwelt und Landnutzung. Deshalb können sie doppelt auf die Treibhausgasminderungsquote (THG-Quote) angerechnet werden, was sie für Mineralölkonzerne besonders interessant macht.

So enthält der Dieselkraftstoff, der unter dem Namen B7 an Tankstellen erhältlich ist, eine Beimischung von maximal sieben Prozent Biodiesel. Biodiesel emittiert zwischen 65 und 90 Prozent weniger CO₂ als fossiler Diesel. Sogenannte Inverkehrbringer von Kraftstoffen, zumeist Mineralölkonzerne, sind in Deutschland gesetzlich verpflichtet, eine THG-Quote zu erfüllen, die schrittweise von derzeit sechs Prozent auf 25 Prozent im Jahr 2030 erhöht wird. Entsprechend wird die Nachfrage nach Biodiesel in den kommenden Jahren steigen. ch

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USA: Klimagesandter Podesta will China besuchen und über N₂O-Emissionen verhandeln

Der US-Klimasondergesandte John Podesta will “im weiteren Verlauf des Jahres” nach China reisen und die bilateralen Klimagespräche der beiden größten CO₂-Emittenten weiterführen. Im Fokus der Gespräche soll die Verminderung von Nicht-CO₂-Emissionen stehen, beispielsweise Methan-Emissionen und industrielles Distickstoffoxid (N₂O – auch Lachgas), wie die South China Morning Post berichtet. Die N₂O-Emissionen zu senken, sei ein “erschwinglicher und relativ unkomplizierter Weg” zur Verminderung von Treibhausgasen, sagte Podesta auf einer Veranstaltung. Die USA und China sind demnach für rund 80 Prozent der industriellen N₂O-Emissionen verantwortlich.

Schon bei früheren bilateralen Verhandlungen waren die N₂O- und Methan-Emissionen ein wichtiger Gesprächspunkt. Auf der COP29 wollen die USA und China einen weiteren “Summit” zu Methan und anderen Nicht-CO₂-Treibhausgasen veranstalten. Beide Treibhausgase sollen auch in Chinas neuem nationalen Klimaplan (NDC) enthalten sein, den Peking gerade entwirft und bis Februar 2025 an die UN übermitteln muss.

Die Biden-Administration gab am Dienstag bekannt, mehr gegen N₂O-Emissionen unternehmen zu wollen. Bis Anfang 2025 sollen die Emissionen im Vergleich zum Jahr 2020 halbiert werden. Laut US-Umweltschutzbehörde könnten 80 Prozent der N₂O-Emissionen für weniger als 20 US-Dollar pro Tonne vermieden werden. nib

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China: So will das Land den Aluminium-Sektor grüner machen

China hat einen Aktionsplan zur Energieeinsparung und CO₂-Reduktion im Aluminium-Sektor vorgelegt. Der Sektor ist für gut 550 Millionen Tonnen CO₂ verantwortlich (2022). Zum Vergleich: Deutschland verursachte 2023 insgesamt 674 Millionen Tonnen CO₂.

Der Plan beinhaltet folgende Punkte für den Aluminium-Sektor bis 2025:

  • Die CO₂-Emissionen sollen um insgesamt 6,5 Millionen Tonnen sinken.
  • Rund 11,5 Millionen Tonnen an recyceltem Aluminium sollen bis dahin produziert und somit im Vergleich zur Herstellung von Primär-Aluminium Energie eingespart werden. 2023 wurden etwa 9,5 Millionen Tonnen recyceltes Aluminium produziert, so die Analystin Xinyi Shen vom Centre for Research on Energy and Clean Air gegenüber Table.Briefings.
  • Der Anteil erneuerbarer Energien soll bei mindestens 25 Prozent liegen und 2,5 Millionen Tonnen Standard-Kohle sollen ersetzt werden. Bisher liegt der Anteil, größtenteils Wasserkraft, bei 19 Prozent. Laut Shen ist die Zielmarke von 25 Prozent nicht allzu ehrgeizig. Allerdings werde der Bau neuer Kohlekraftwerke direkt für die Aluminiumproduktion (“captive power plans”) verboten.
  • Sehr CO₂-intensive Produktionsanlagen sollen geschlossen und durch neue Anlagen ersetzt werden.
  • Bis 2030 soll zudem der Einsatz von erneuerbaren Energien weiter erhöht und neue, CO₂-ärmere Produktionsmethoden entwickelt werden. nib
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Südafrika: Neues Klimagesetz legt verbindliche Sektorziele und Obergrenzen fest

Nach Jahren der Verhandlungen hat Südafrikas Präsident Cyril Ramaphosa ein umfassendes Klimagesetz verabschiedet. Es legt Obergrenzen für große Emittenten fest und verpflichtet jede Stadt und Kommune dazu, einen Anpassungsplan zu veröffentlichen. Damit möchte man den Verpflichtungen des Pariser Abkommens nachkommen, hieß es am Dienstag in einer Erklärung. Bislang war der weltweit an fünfzehnter Stelle rangierende Emittent aufgrund seiner Kohleabhängigkeit abseits eines mit dem Pariser Klimaabkommen kompatiblen Pfads. Der Climate Action Tracker bewertet Südafrikas Klimapolitik als “unzureichend”.

Mit dem neuen Gesetz könnte sich dies ändern. “Es ist das erste Mal, dass unsere Maßnahmen gegen den Klimawandel direkt in nationales Recht umgesetzt werden”, sagt Brandon Abdinor, Anwalt der südafrikanischen NGO Centre for Environmental Rights. Das Gesetz sieht etwa verbindliche Sektorziele für die Landwirtschaft, den Verkehr und die Industrie vor. Die zuständigen Minister müssten hier entsprechende Maßnahmen ergreifen. Allerdings seien die Kohlenstoffbudgets für die jeweiligen Sektoren sowie für große Emittenten noch nicht festgelegt worden und es bestehe keine Straftat, wenn ein Grenzwert überschritten werde, erklärt Abdinor.

Das Gesetz ist das jüngste Anzeichen dafür, dass die neue südafrikanische Regierung auf eine ambitioniertere Klimapolitik als ihre Vorgänger setzt. Allerdings fehlen noch konkrete Pläne für den Übergang zu erneuerbaren Energien. Unklar ist auch, wie das neue Gesetz finanziert werden soll. Die Energiewende allein dürfte in den nächsten fünf Jahren rund 81 Milliarden US-Dollar kosten, berichtet die Nachrichtenagentur Bloomberg über Schätzungen der Regierung. Westliche Geber böten bereits Kredite in Milliardenhöhe an. Doch es seien weit größere Summen nötig, sagen südafrikanische Beamte. rtr/lb

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IEA: Warum der weltweite Kohleverbrauch hoch bleibt

Obwohl die erneuerbaren Energien weltweit rasch ausgebaut werden, bleibt die Nachfrage nach Kohle – und damit auch der Kohleverbrauch – 2024 und 2025 voraussichtlich konstant. Davon geht die Internationale Energieagentur IEA in ihrem halbjährlichen Update zum Kohlemarkt aus. Grund sei der “enorme Anstieg der Stromnachfrage in den wichtigsten Volkswirtschaften”, vor allem in Indien und China. Sie habe den weltweiten Kohleverbrauch schon 2023 um 2,6 Prozent auf ein Rekordhoch steigen lassen – obwohl andere große Volkswirtschaften wie die USA, die EU, Japan und Korea ihre Abhängigkeit von Kohle immer weiter reduzieren.

In China, auf das mehr als die Hälfte des weltweiten Kohleverbrauchs entfallen, hat sich die Stromerzeugung aus Wasserkraft im Jahr 2024 von den außergewöhnlich niedrigen Werten des Vorjahres erholt. Solar- und Windenergie würden “anhaltend rasch” ausgebaut. Deshalb wachse der Kohleverbrauch 2024 erheblich langsamer als zuvor. Dass er aber sinken werde, hält die IEA aufgrund der zugleich stark wachsenden Stromnachfrage für “unwahrscheinlich”.

In Indien, wo der Kohleverbrauch im ersten Halbjahr 2024 sehr hoch ausfiel, weil infolge extremer Hitzewellen und starken Wirtschaftswachstums sehr viel Strom verbraucht wurde, rechnet die IEA im zweiten Halbjahr ebenfalls mit einem langsameren Wachstum der Nachfrage – aber nicht mit einem Rückgang. ae

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Standpunkt

Marcin Korolec: Europa braucht einen Fonds für grüne industrielle Entwicklung

Von Marcin Korolec
Marcin Korolec leitet das Green Economy Institute in Warschau. Zuvor war er polnischer Umweltminister.

Im Jahr 2016 sagte der ehemalige Präsident der Europäischen Kommission, Jacques Delors, wenn die Politik der EU “den Zusammenhalt gefährdet und soziale Standards opfert“, dann “hat das Projekt Europa keine Chance, die Unterstützung der europäischen Bürger zu gewinnen.” Nach der Wahl zum Europäischen Parlament ist Delors Bemerkung treffender als je zuvor.

Nach den beträchtlichen Zugewinnen der extremen Rechten erwarten viele Beobachter, dass das neue Europäische Parlament sich eher um die Themen Migration, Sicherheit und die aktuelle Krise der Lebenshaltungskosten kümmert als um den Klimawandel. Und da viele der neu gewählten Abgeordneten die grüne Agenda ablehnen, könnte die EU am Ende gezwungen sein, das Erreichen der Klimaneutralität zu verschieben.

Anstatt ihren Kurs zu ändern, sollte sich die EU jedoch noch stärker für ihre Klimaziele einsetzen und sich ein Beispiel an China und den USA nehmen. Insbesondere sollte sie dem Inflation Reduction Act von US-Präsident Joe Biden nacheifern und die Energiewende mit einem “Kaufe grün und europäisch”-Programm sowie einem Europäischen Fonds für industrielle Entwicklung (EIDF) weiter ankurbeln.

China und USA setzen EU-Wirtschaft unter Druck

Die extreme Rechte führt gegen die Energiewende besonders gern an, der Europäische Grüne Deal sei zu stark von Produkten aus China und den USA abhängig. Die Einfuhren sauberer Technologien aus China sind in den letzten Jahren in die Höhe geschnellt und beliefen sich allein 2023 auf insgesamt 23,3 Milliarden US-Dollar für Lithium-Ionen-Akkus, 19,1 Milliarden US-Dollar für Solarmodule und 14,5 Milliarden US-Dollar für Elektrofahrzeuge.

In den USA dagegen wird dank Präsident Bidens Konjunkturpaket wieder mehr in erneuerbare Energien investiert. So haben die USA im zweiten Quartal 2023 beispielsweise fast zehn Milliarden US-Dollar in Technologie zur Batterieherstellung investiert. Das ist mehr als das Doppelte der Gesamtinvestitionen in den Sektoren Batterien, Solar- und Windkraft, kritische Rohstoffe und Elektrofahrzeuge im zweiten Quartal 2022.

Angesichts des immer stärkeren Wettbewerbs steht die europäische Wirtschaft von zwei Seiten unter Druck. Einerseits investieren die dynamischsten Unternehmen lieber in den USA als in Europa. Andererseits nehmen die Exporte aus China in die EU weiter zu, besonders nach Bidens neuesten Zöllen auf chinesische Waren.

Ein Europäischer Deal für die Industrie

Nun könnte man erwarten, dass ein stärker von Nationalisten geprägtes Europäisches Parlament die Aussichten für die europäische Industrie verbessert. Allerdings ließ die Befürchtung, der Erfolg der extremen Rechten könne die Klimawende ausbremsen, die Aktienkurse führender europäischer Unternehmen im Bereich der Erneuerbaren wie Vestas, Nordex und Orsted abstürzen.

Um die Wettbewerbsposition der EU zu stärken, muss die Politik kritische Industrien entschlossen unterstützen. Über 1.200 Organisationen, zu denen auch 840 führende Hersteller gehören, haben vor Kurzem die Antwerpener Erklärung unterzeichnet, die als wichtiges Element der strategischen Agenda für 2024-2029 einen “Europäischen Deal für die Industrie” fordert. Der belgische Premierminister Alexander De Croo brachte es auf den Punkt: “Wie sorgen wir dafür, dass unsere europäische Industrie weiter wächst? Die Antwort lautet: mit einem Europäischen Deal für die Industrie, der dem Europäischen Grünen Deal in nichts nachsteht.”

Gemeinsame Schulden und neue Einnahmequellen

Dazu sind vier Schritte erforderlich. Erstens muss die europäische Politik verstehen, dass jede Verzögerung der Klimawende die globale Wettbewerbsfähigkeit der EU schwächt. Die Nutzung klimaneutraler Technologien ist der beste Weg, um die Einfuhr fossiler Energieträger zu senken und unabhängig im Energiebereich zu werden. Die Beibehaltung des Status Quo dagegen untergräbt die europäische Sicherheitsstrategie und spielt dem russischen Präsidenten Wladimir Putin in die Hände.

Zweitens brauchen wir den Europäischen Industriefonds, um Energieautarkie und technische Souveränität zu erreichen. Wie die gesamteuropäischen Finanzhilfen in der Corona-Krise gezeigt haben, können die Institutionen der EU innerhalb weniger Monate kritische Entscheidungen treffen und umsetzen, wenn sie müssen.

Drittens sollte der EIDF über die Ausgabe gemeinsamer Schulden finanziert werden. Damit der Fonds auch wirklich die Produktion von Elektroautos, Wärmepumpen, PV-Modulen und anderen grünen Technologien ankurbelt, sollte dieser Fördermechanismus Unternehmen relativ einfach und ohne eine übertrieben detaillierte Berechtigungsprüfung zur Verfügung stehen. Entscheidend ist, dass der Europäische Industriefonds ohne angemessene Finanzierungsinstrumente für Unternehmen im Bereich der erneuerbaren Energien nicht funktionieren kann – ein Vorteil, den US-Unternehmen dank des Inflation Reduction Act bereits genießen. Allerdings sollte die Politik diese Fördermittel mit der Auflage verknüpfen, dass die Empfänger in Produktionskapazitäten investieren und neue Arbeitsplätze schaffen.

Und schließlich sollte die Aufnahme gemeinsamer Schulden durch die entschlossene Suche nach neuen Einnahmequellen ergänzt werden. Eine Option wäre die Einführung weiterer Einfuhrzölle auf chinesische Elektroautos. Oder man könnte anfangen, digitale Plattformen und Plastikimporte zu besteuern.

Mittelverteilung nach Bedarf und Größe der Industrie

Historisch gesehen wurden EU-Mittel stets gemäß der europäischen Kohäsionspolitik und anteilig zum Pro-Kopf-BIP der Mitgliedstaaten verteilt. Der NextGenerationEU-Fonds, der 2020 eingerichtet wurde, um die europäischen Länder beim Wiederaufbau nach der Pandemie zu unterstützen, berücksichtigte bei der Verteilung der Beihilfen und Kredite in Höhe von 800 Milliarden Euro die Auswirkungen der Corona-Krise auf die einzelnen Volkswirtschaften und schuf damit einen neuen Präzedenzfall.

Analog dazu sollten die Mittel aus dem EIDF nach dem Bedarf der einheimischen Industrien und dem Beitrag der Sektoren zum BIP des jeweiligen Mitgliedstaates verteilt werden. Das heißt, die meisten Mittel sollten in Länder mit einem relativ großen industriellen Sektor fließen, wie Deutschland, Italien, Spanien, Frankreich, Polen, die Niederlande, Irland und Belgien.

Auch wenn andere Mitgliedstaaten einen solchen Ansatz womöglich ablehnen, ist er für die industrielle Renaissance Europas unverzichtbar. Die EU kann in der globalen Wirtschaft von heute nur dann wettbewerbsfähig bleiben, wenn sie den Umbau zu einer klimaneutralen Wirtschaft noch schneller vorantreibt. Ein Europäischer Fonds für industrielle Entwicklung ist ein notwendiger Schritt in diese Richtung.

Marcin Korolec war polnischer Umweltminister und leitet heute das Green Economy Institute in Warschau. Er ist Vorsitzender der Foundation for the Promotion of Electric Vehicles. Außerdem ist er Mitglied des Beraterausschusses für Umwelt und Klima der Europäischen Investitionsbank, und Aufsichtsratsmitglied beim Institute for Sustainable Development and International Relations (IDDRI) und bei MevaEnergy, InnoEnergy und Transport & Environment. Copyright: Project Syndicate

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Climate.Table Redaktion

CLIMATE.TABLE REDAKTION

Licenses:
    Liebe Leserin, lieber Leser,

    am Freitag startet in Paris wieder die Jagd auf Medaillen und Weltrekorde. Bei den Olympischen Sommerspielen wetteifern aber nicht nur die Sportlerinnen und Sportler um Höchstleistungen. Auch die Organisatoren haben sich hohe Ziele gesetzt: Paris will die nachhaltigsten Spiele aller Zeiten ausrichten. Lisa Kuner und Lukas Scheid haben dieses Versprechen kritisch beleuchtet. Von Klimaanlagen über Transportinfrastruktur finden sie einige Aspekte, die weniger grün sein werden als zunächst erhofft oder als möglich wäre. Doch generell stellen die beiden den Organisatoren ein recht positives Zeugnis aus.

    Einen ersten Weltrekord hat die Klimakrise am Sonntag und dann erneut am Montag aufgestellt. Beide Tage waren die weltweit heißesten jemals gemessenen Tage. Zuletzt war der Rekord in zwei El-Niño-Jahren 2023 und 2016 aufgestellt worden. Doch seit April hat sich die Welt aus dem El-Niño-Klimamuster herausbewegt.

    Um immer neue Rekordwerte zu vermeiden, müsste der Verbrauch fossiler Energien schnell reduziert werden. Der Erdöl- und Kohleproduzent Kolumbien will diesen Wandel beschleunigen. Kolumbiens Umweltministerin Susana Muhamad erklärt im Interview mit Alexandra Endres, warum der fossile Ausstieg so schwierig ist und wie Deutschland das Land besser unterstützen könnte.

    Mit besten Grüßen!

    Ihr
    Nico Beckert
    Bild von Nico  Beckert

    Analyse

    Wie nachhaltig werden die Olympischen Spiele in Paris?

    Nachhaltiges Bauen: Die Unterkünfte im Olympischen Dorf wurden zunächst ohne Klimaanlagen geplant – bis es Beschwerden gab.

    Es sollen die grünsten Spiele aller Zeit werden. Michael Mronz, Mitglied im Internationalen Olympischen Komitee (IOC), sagte im Podcast Table.Today, dass die Spiele sowohl nachhaltiger als auch inklusiver werden sollen als frühere. Wenn die Weltöffentlichkeit nach Paris schaut, könnte es aber einige Überraschungen geben. Paris will zwar neue Maßstäbe setzen. Doch es gibt einige Zweifel an den Versprechungen.

    Sportgroßveranstaltungen stehen heutzutage in einem kritischen Licht. Auf der einen Seite sollen sie die Menschen aus aller Welt zusammenbringen, auf der anderen Seite sind sie eine Belastung für die Umwelt und das Klima. Negativbeispiele von olympischen Sportstätten, die nach dem Ende der Spiele verwaist sind, gibt es viele. Paris hat sich für die Austragung der Olympischen Spiele 2024 vorgenommen, der Nachwelt kein solch schweres Erbe zu hinterlassen, und will “grüne Spiele” veranstalten. Im Idealfall sollen die Spiele auch ganz Paris grüner machen – die Stadt hat begonnen, Parkplätze zu reduzieren, die Flächen in Grün umzuwandeln sowie Radwege auszubauen und Tempolimits einzuführen. Ein Prestigeprojekt: Die Pariser Bürgermeisterin Anne Hidalgo wollte dafür sorgen, dass die Seine so sauber wird, dass Triathlon und Freiwasser-Schwimmwettbewerbe darin stattfinden können. Die Grenzwerte dafür wurden zuletzt eingehalten. “Eine saubere Seine wäre für die Pariser ein tolles Erbe der Spiele”, meint Walker J. Ross, der an der University of Edinburgh zu Sportökologie forscht.

    Wichtig in Sachen Klimaschutz ist für Benja Faecks von der NGO Carbon Market Watch, dass sich die Veranstalter zum ersten Mal ein CO₂-Budget für die Spiele gesetzt haben: 1,58 Millionen Tonnen CO₂e. Damit wäre es ungefähr halb so hoch wie die Emissionen der vergangenen Spiele in Rio 2016 (3,6 Millionen Tonnen) und London 2012 (3,3 Millionen Tonnen). Das soll beispielsweise erreicht werden, indem 95 Prozent der Sportstätten bereits zuvor standen oder nur temporär aufgebaut werden. Für Neubauten gibt es laut den Veranstaltern eine Anschlussverwendung. Das Catering soll umweltfreundlich sein und Einwegplastik soll verboten werden.

    Über den Anbieter Abatable sollen alle weiteren anfallenden Emissionen (inklusive Scope 3-Emissionen) kompensiert werden. Abatable will dafür in sechs “high-impact climate action”-Projekte investieren:

    • Kochöfen-Projekte in Nigeria, der Demokratischen Republik Kongo und Kenia,
    • ein Photovoltaikprojekt im Senegal sowie
    • Waldschutzprojekte in Kenia und Guatemala.

    Probleme bei der Umsetzung

    Soweit die Planung; die Realität sieht allerdings nicht ganz so positiv aus: Das Organisationskomitee steht in der Kritik, weil sie 500 Brennstoffzellen-Pkw und zehn Wasserstoff-Busse zum Transport von Athletinnen und Athleten sowie Besucher einsetzen wollen. In einem offenen Brief schrieben 120 Forschende und Ingenieure an das Internationale Olympische Komitee (IOC), dass “ein Wasserstoffauto wissenschaftlich nicht mit der Netto-Null-Problematik vereinbar ist”. Mit Wasserstoff betriebene Fahrzeuge benötigten dreimal so viel Strom wie Elektroautos und erzeugten somit dreimal so viel CO₂-Emissionen, so die Autoren des Briefes.

    Für eine etwas polemische Diskussion sorgte außerdem das Vorhaben der Veranstalter, das Olympische Dorf ohne Klimaanlagen, aber dafür mit einem geothermalen Kühlungssystem zu bauen. Mit der Aussicht auf mögliche Rekordtemperaturen während der Spiele in Paris protestierten verschiedene Delegationen, die USA kündigten an, für ihre Athleten eigene Klimaanlagen mitzubringen. Daraufhin ruderten die Organisatoren zurück und sagten zu, dass tragbare Klimaanlagen auf Kosten der Teams bestellt werden könnten – rund 2,500 solcher Anlagen wurden reserviert.

    Zudem gab es Kritik an fehlenden Maßnahmen für die Ziele der Organisatoren. Die NGO Carbon Market Watch und der französische Thinktank Éclaircies haben im Vorfeld die Klima- und Umweltmaßnahmen der Spiele analysiert. Benja Faecks von Carbon Market Watch betont: “Der größte Faktor ist die Größe der Spiele”. Die vielen Besucher, die oft per Flugzeug anreisen, sind einer der entscheidenden Faktoren. Und die Minderung der Verkehrsemissionen der Spiele (rund ein Drittel des gesamten CO₂-Budgets) würden kaum öffentlichkeitswirksam angegangen. Gleichzeitig sei mit sehr viel Sorgfalt eine nachhaltige Strategie für das Catering eingeplant worden, obwohl das nur für rund ein Prozent der Emissionen verantwortlich ist. Faecks meint: “Da werden die falschen Prioritäten gesetzt und der Elefant im Raum ignoriert”.

    Ross ist etwas optimistischer. Durch die gute Lage in der Mitte von Europa gebe es die Möglichkeit, dass viele Menschen nachhaltig anreisen. Das britische Team reist beispielsweise mit dem Zug nach Paris. Trotzdem denkt Ross, dass der Claim der “nachhaltigsten Spiele aller Zeiten” übertrieben sei: Die ersten, viel kleineren Spiele 1896 hätten sicher weniger Emissionen verursacht.

    Kritik am Sponsoring

    Auch sollen die nicht eingesparten Emissionen auf freiwilligen CO₂-Märkten (VCM) durch Emissionszertifikate kompensiert werden. Dieses “Offsetting” wird jedoch bislang unzureichend reguliert. Zudem besteht die Gefahr, dass Offsetting-Projekte nicht halten, was sie an CO₂-Kompensation versprechen – beispielsweise, indem die aufgefangenen Emissionen falsch berechnet werden.

    Auch gab es Kritik am Ausmaß des Plastikmülls während der Spiele und an der Beteiligung des Hauptsponsors Coca-Cola. Die NGO France Nature Environnement (FNE) warf Coca-Cola vor, Getränke aus recycelten Plastikflaschen in wiederverwendbare Plastikbecher zu füllen, sei ein “Täuschungsmanöver”. Faecks fügt hinzu, dass das Geschäftsmodell der meisten Sponsoren auf fossilen Energien beruhe.

    Die Pariser Spiele werden voraussichtlich die grünsten Spiele seit langem sein, aber noch immer enorme Mengen an klimaschädlichen Treibhausgasen verursachen. Faecks sagt dazu: “Aus dem Emissionsstandpunkt wäre natürlich die nachhaltigste Alternative, keine Spiele zu veranstalten.” Sie will die Spiele aber nicht abschaffen, sondern kritisch darauf schauen, und sieht die Anstrengungen in Paris als wichtigen Schritt in Richtung mehr Nachhaltigkeit. Ross bescheinigt Olympia einen gewissen “Gigantismus“. Trotzdem hat Paris seiner Meinung nach einen ehrlichen Versuch unternommen, die Spiele so nachhaltig wie möglich zu gestalten. Wenn das Beispiel Schule macht und auch die nächsten Spiele 2028 in Los Angeles oder 2032 in Brisbane sich daran orientieren und ihre Umweltkonzepte weiter ausfeilen, könnte Paris in Sachen Klima durchaus ein wichtiges Vorbild sein.

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    Kolumbiens Umweltministerin: “Wir werden für unseren klimapolitischen Ehrgeiz bestraft”

    Susana Muhamad, die kolumbianische Umweltministerin, im Porträt. Sie spricht in ein Mikrofon
    Susana Muhamad, Kolumbiens Ministerin für Umwelt und Nachhaltige Entwicklung.

    Wie groß sind Kolumbiens Chancen auf eine klimafreundliche Entwicklung? Was bringt der UN-Biodiversitätsgipfel im Herbst? Was kommt nach der Präsidentschaftswahl 2026? Darüber spricht Ministerin Muhamad in einer Langversion des Interviews.

    Frau Ministerin, Kolumbiens Wirtschaft hängt vom Öl- und Kohleexport ab, doch Ihre Regierung möchte aus den Fossilen aussteigen. Gibt es ein konkretes Ausstiegsdatum?

    Unsere Politik hat kein exaktes Enddatum, aber es dürfte um die 15 Jahre dauern, den Ausstieg zu schaffen. Wir wollen nicht nur die Energieversorgung Kolumbiens ändern, sondern das ganze Wirtschaftsmodell. Dazu müssen wir die staatlichen Einnahmen ersetzen, die bisher aus Kohle und Öl kamen, und andere Quellen für Devisen auftun. Wir betreiben dazu eine nationale Politik der Re-Industrialisierung, die zum Ziel hat, andere aussichtsreiche Wirtschaftssektoren zu entwickeln.

    Welche Sektoren?

    Erneuerbare Energien, um den kolumbianischen Bedarf zu decken und für den Export, die Landwirtschaft und den naturnahen Tourismus. Der Schutz der Biodiversität wird immer wichtiger. Entscheidend ist, dass unsere Politik den Umbau einleitet, auch wenn wir noch kein exaktes Enddatum benennen können. Wenn die Welt das Pariser Klimaabkommen erfüllt, werden die fossilen Märkte nach und nach ohnehin schließen.

    Der Ölkonzern Ecopetrol soll Erneuerbare erzeugen

    Ihre Regierung unter Präsident Gustavo Petro ist seit zwei Jahren im Amt – welche konkreten Fortschritte, etwa durch Gesetze, haben Sie erzielt?

    Es gibt einen Gesetzentwurf, um unser wichtigstes Erdölunternehmen Ecopetrol (Anm. d. Red.: Ecopetrol ist zu 88,49 Prozent in Staatsbesitz) in einen Produzenten erneuerbarer Energien umzubauen. Er muss noch durchs Parlament. Unter der Regierung Petro wurden außerdem 23 neue Umweltlizenzen für Erneuerbare-Energie-Projekte – Wind- und Solarenergie und Stromleitungen, um sie zu verteilen – vergeben. Eine der wichtigsten Leitungen, La Colectora, ist von strategischer Bedeutung. Sie wird die erneuerbare Energie, die im Department La Guajira erzeugt wird, ins nationale Netz einspeisen – aber das Projekt lag fünf Jahre lang auf Eis. Jetzt wurde es umweltrechtlich genehmigt. Bis 2029 wollen wir den Anteil der erneuerbaren Energien an der heimischen Energieproduktion von derzeit vier, fünf Prozent auf 25 Prozent erhöhen.

    Länder wie Deutschland haben ein großes Interesse an Rohstoffen wie Nickel oder Wasserstoff aus Kolumbien. Wie groß ist die Gefahr, dass der alte Extraktivismus hier nur durch eine ähnlich schädliche, grüne Variante ersetzt wird?

    Das Risiko besteht ganz offensichtlich. Die Rohstoffe sind die dunkle Seite der Dekarbonisierung. Aber die deutsche Regierung arbeitet an Umwelt- und Sozialstandards für Wasserstoffimporte. In Kolumbien arbeiten wir an einer Reform des Bergbaugesetzes. Künftig sollen die Bundesbehörden gemeinsam mit den Regionen und Gemeinden die ökologischen und sozialen Bedingungen für Bergbauvorhaben festlegen und klar definieren, welche Vorteile diese Projekte den Menschen vor Ort bringen sollen. Dann wissen die Unternehmen, die investieren möchten, genau, unter welchen Bedingungen sie das tun.

    Mögliche Investitionspartner Deutschland, USA, Norwegen, G7

    Wenn der kolumbianische Staat stärker werden soll, braucht er auch mehr Geld. Woher soll es kommen?

    Für Länder wie uns, die hoch verschuldet sind, hohe Zinsen zahlen müssen, um an Kapital zu kommen, und die sehr stark von den Einnahmen aus Öl und Kohle abhängen, ist der Übergang sehr kompliziert. Um die fossilen Einnahmen zu ersetzen, müssen wir nicht nur die Energieversorgung umbauen, sondern die ganze Wirtschaft. Das schaffen wir nicht allein. Deshalb arbeiten wir auf multilateraler Ebene daran, verschiedene Länder an einen Tisch zu holen, die sich als Partner an einem großen Investitionspaket beteiligen.

    Wer sind diese Partner?

    Wir sprechen mit den USA, Deutschland und Norwegen. Wir haben auch den G7 vorgeschlagen, dass Kolumbien eines der ersten Länder sein soll, deren klimafreundlicher Umbau der Wirtschaft von der internationalen Gemeinschaft finanziell unterstützt wird.

    Grüner Wasserstoff und “Debt for Nature”

    Wie kommt die Zusammenarbeit mit Deutschland im Energiebereich voran?

    Wir schätzen die bisherigen gemeinsamen Projekte mit Deutschland sehr, und ebenso die deutsche Unterstützung für den Friedensprozess. Aber jetzt ist der Moment, zu einer stärker strukturierten Beziehung überzugehen. Im Energiebereich wird mit der Entwicklung des grünen Wasserstoffs bereits daran gearbeitet. Daneben streben wir einen Debt-for-Nature-Schuldentausch an. Er wäre ein wichtiges Signal, dass ehrgeizige Länder wie Kolumbien durch eine sehr starke Kooperation unterstützt werden. Heute werden wir für unseren klimapolitischen Ehrgeiz eher bestraft – und kein Land wird seine Wirtschaft und seine Menschen für eine Wende in Gefahr bringen, die einer globalen Anstrengung bedarf.

    Die USA setzen für diese Entwicklungsschritte vor allem auf Privatkapital über freiwillige CO₂-Zertifikate. Was halten Sie davon?

    In Kolumbien brauchen wir vor allem öffentliche Investitionen, die dann Anreize setzen können für private Beteiligungen. Selbstverständlich sind private Investitionen notwendig. Aber sie müssen klaren Regeln folgen, um wirklich nachhaltig sein zu können. Zertifikate sind nur ein Mittel. Sie können einen sehr kleinen Teil einer viel umfassenderen und komplexeren Wende finanzieren. Wir brauchen Verbündete, die langfristig bereit sind, gemeinsam mit uns in die Entwicklung neuer Arbeitsmärkte, technologischer Kapazitäten und auch in gesellschaftliche Themen zu investieren.

    Susana Muhamad, Politikwissenschaftlerin und Umweltministerin Kolumbiens, gehört der von Präsident Gustavo Petro geführten Partei Colombia Humana an. Zu Petros Amtszeit als Bürgermeister von Bogotá war sie dort Umweltministerin, danach Stadträtin.

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    Termine

    25. Juli, 10 Uhr, Online
    Schulung Treibhausgasbilanzierung mit ecocockpit
    Transparenz über die eigenen Treibhausgas-Emissionen wird für den produzierenden Mittelstand immer wichtiger – ob unter dem Aspekt der Ressourcen- und Kosteneinsparung oder der Erfüllung von Kundenanforderungen. Das von der Effizienz-Agentur NRW (efa) entwickelte und erprobte Instrument ecocockpit, eine Möglichkeit für die Bilanzierung, wird hier von der Agentur vorgestellt. Infos

    25. Juli, 13 Uhr, Online
    Workshop Hitzeresilienz ins Qualitätsmanagement überführen
    Wie kann Hitzeschutz im Qualitätsmanagement verankert werden? Darüber wird auf dieser Veranstaltung diskutiert. Sie findet im Rahmen des HIGELA-Projekts statt, das vom AWO Bundesverband e. V. und KLUG e. V. geleitet und vom BKK Dachverband e. V. gefördert wird. Infos

    25. Juli, 16 Uhr, Online
    Webinar Discover Climate Data: From Attribution to Target Setting
    Das World Resources Institute veranstaltet dieses interaktive Training zusammen mit den Organisationen Climate Watch, Systems Change Lab und Climate Central. Es soll verschiedene Möglichkeiten vorstellen, wie Klimadaten genutzt werden können. Infos

    28. Juli bis 5. August, Freiburg
    Akademie Zukunftsakademie Freiburg
    Die Akademie soll junge Menschen zusammenbringen, um Transformationsprojekte zu erdenken. Die im Rahmen der Zukunftsakademie erarbeiteten Projekte sollen Impulse für den Nachhaltigkeitswandel setzen und in die Gesellschaft wirken. Infos

    31. Juli, 9 Uhr, Online
    Briefing Klimaszenarioanalyse – wie und wozu?
    Im Rahmen der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) sind Klimaszenario-Analysen für Unternehmen zukünftig Pflicht. Dadurch sollen die finanziellen Auswirkungen verschiedener Klimaszenarien auf das Unternehmen ermittelt werden. In diesem Breakfast Briefing von 4L Impact Strategies erklären Sarah Morlock und Mariano Calcabrini die Grundlagen der CSRD-konformen Klimaszenario-Analyse. Infos

    31. Juli, 10 Uhr, Online
    Webinar Klimaanpassung und Gesundheit
    Auf diesem Webinar wird über die Zusammenhänge zwischen Gesundheit und Klimaanpassung mit einem Fokus auf übertragbare und nicht übertragbare Krankheiten diskutiert. Es wird von Zentrum Klimaanpassung organisiert. Infos

    31. Juli, 17 Uhr, Online
    Webinar Stadtnatur vor der eigenen Haustür – Klimaanpassung und Biodiversität in der eigenen Nachbarschaft fördern
    Die Dürren und Hochwasser der letzten Jahre haben gezeigt, dass auch Deutschland sich bereits an den Klimawandel anpassen muss. Naturbasierte Lösungen, wie Stadtparks, Gründächer oder Flussrenaturierungen, stellen hierfür ein Mittel dar. Auf dem Webinar des Unabhängigen Institut für Umweltfragen wird diskutiert, wie solche Lösungen umgesetzt werden können. Infos

    News

    Klima in Zahlen: So soll der Wasserstoff nach Deutschland kommen

    Deutschlands zukünftige Wasserstoffbedarfe lassen sich zu großen Teilen mit Pipelines aus der “erweiterten europäischen Nachbarschaft” decken. Das ist das Ergebnis einer Studie der Thinktanks Agora Energiewende und Agora Industrie. Allerdings müsste die Pipeline-Infrastruktur dafür zügig ausgebaut werden. Gelingt dies, könnten Mitte der 2030er-Jahre “rund 60 bis 100 Terawattstunden (TWh)” an grünem Wasserstoff aus benachbarten Ländern importiert werden. “Damit ließe sich ein wesentlicher Teil des von der Bundesregierung für 2030 angegebenen Neubedarfs an Wasserstoff und Derivaten decken”, so die Einschätzung der beiden Thinktanks.

    In der Studie werden fünf Importkorridore untersucht. Planungen für einen Nordsee-Korridor, der Norwegen, Großbritannien und Dänemark anbinden würde, sind demnach am weitesten fortgeschritten. Sie könnten schon im Jahr 2030 zu Importen von 17 TWh führen, die im Idealfall bis 2035 auf bis zu 37 TWh erhöht werden könnten. Aus Portugal und Spanien könnten ab 2035 rund 32 TWh importiert werden. Schweden und Finnland könnten ab 2035 rund 14 TWh liefern, Algerien und Tunesien rund 16 TWh. Zwei TWh könnten ab 2035 aus der Ukraine und Griechenland stammen. Um diesen Idealfall zu erreichen, müsste es aber mehr Anstrengungen bei der Finanzierung der Pipeline-Infrastruktur und der Stimulation der Nachfrage geben, so Agora. Zudem würden die Pipelines natürlich auch Transitländern und europäischen Nachbarn zugutekommen (in der Grafik durch negative Zahlen gekennzeichnet).

    Auch die Wasserstoff-Importstrategie, die das Bundeskabinett am Mittwoch verabschiedet hat, setzt beim Import von molekularem Wasserstoff vor allem auf Pipelines aus Europa und Nordafrika. Zusätzlich sind darin Importe von Wasserstoff-Derivaten wie Ammoniak, Methanol oder E-Fuels per Schiff vorgesehen. Die Regierung geht davon aus, dass mittelfristig 50 bis 70 Prozent des deutschen Wasserstoff-Bedarfs importiert werden müssen.

    Die Reaktionen auf die Strategie fielen gemischt aus: Aus der Industrie kam grundsätzlich Zustimmung, der Verband “Zukunft-Gas” vermisst darin aber “klare Prioritäten und konkrete Maßnahmen”. Umweltverbände bemängeln, dass die Strategie nicht nur auf grünen Wasserstoff aus Ökostrom setzt, sondern auch “blauen” Wasserstoff zulässt, der unter Abscheidung des CO₂ aus fossilem Erdgas gewonnen wird. Zudem vermissen sie verbindliche Nachhaltigkeitskriterien für importierten Wasserstoff. Ohne diese werde die Strategie “zur Gefahr für den Klimaschutz und die Menschen in den Exportländern”, kritisierte Christine Averbeck von der Klima-Allianz.

    Deutsches Kernnetz kann starten

    Einen wichtigen Fortschritt gibt es auch bei der Frage, wie der Wasserstoff künftig innerhalb von Deutschland verteilt werden soll: Die Fernleitungsnetzbetreiber (FNB) haben am Montag ihren gemeinsamen Antrag für das künftige Wasserstoff-Kernnetz bei der Bundesnetzagentur eingereicht. Es umfasst eine Leitungslänge von 9.666 Kilometern, wovon etwa 60 Prozent auf die Umrüstung bestehender Erdgas-Pipelines und 40 Prozent auf Neubauten entfallen. Erste Leitungen sollen laut FNB bereits im nächsten Jahr in Betrieb genommen werden; für das Gesamtnetz wird als Zieljahr 2032 genannt. Das Investitionsvolumen wird auf knapp 20 Milliarden Euro geschätzt. Diese sollen privatwirtschaftlich aufgebracht und über Nutzungsentgelte refinanziert werden, wobei der Staat eine Ausfallgarantie übernimmt. nib/mkr

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    COP29-Troika will neue Klimapläne schon zur UN-Vollversammlung

    In einem zweiten Brief an die UN-Staaten rief die COP-Troika am Dienstag zu einer früheren Abgabe der nationalen Klimapläne (NDCs) auf. Diese sollten möglichst bereits zur UN-Vollversammlung am 10. September in New York abgegeben werden, um ein Signal zur Einhaltung der 1,5-Grad-Grenze zu setzen. Die Troika will dabei beispielhaft vorangehen. COP29-Gastgeber Aserbaidschan sowie Brasilien (Gastgeber COP30) und die Vereinigten Arabischen Emirate (Gastgeber COP28) versprechen in dem Brief “entsprechende Signale innerhalb ihrer nationalen Möglichkeiten”.

    Laut UN-Klimaabkommen müssen die aktualisierten NDCs spätestens bis zum 10. Februar 2025 an die UN übermittelt werden. Im Vorfeld der COP29 im November setzt die Troika gezielt auf größere Events wie die UN-Vollversammlung, das G20 Treffen der Klima- und Finanzminister und die Pre-COP29, um die Ambitionen zu erhöhen. Einen Fahrplan zur COP29 hatte Aserbaidschan erst vor einer Woche in einem ersten Brief an die UN-Staaten abgegeben – später als üblich, was teils auf Kritik stieß. Zentrale Themen der COP29 sollen neben den NDCs etwa das neue Klimafinanzziel NCQG, der Handel mit CO₂-Zertifikaten nach Artikel 6 des Pariser Abkommens und die Umsetzung des Loss-and-Damage-Fonds sein. lb

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    Biodiesel: Das plant die EU-Kommission gegen China wegen Dumpings und Betrugs

    Die Europäische Union wird ab dem 16. August vorläufige Strafzölle auf Biodiesel-Importe aus China erheben. Dies gab die Generaldirektion Handel der Europäischen Kommission am Freitag bekannt. Vorausgegangen war eine sechsmonatige Untersuchung wegen Dumpingvorwürfen gegen chinesische Unternehmen. Damit sollen Preisnachteile europäischer Hersteller ausgeglichen werden.

    Branchenverbände begrüßen die Entscheidung. Der Verband der Deutschen Biokraftstoffindustrie (VDB) etwa fordert noch höhere Strafzölle und kritisiert, dass Hydrotreated Vegetable Oil (HVO), das als Sustainable Aviation Fuel (SAF) im Luftverkehr eingesetzt wird, zunächst von den Strafzöllen ausgenommen ist. “Ein solches Schlupfloch kann dazu führen, dass die Zölle ins Leere laufen”, meint Baumann. Der VDB fordert daher, auch SAF in die Maßnahmen einzubeziehen.

    Betrugsvorwürfe: Biodiesel wurde umetikettiert

    Neben Vorwürfen wegen Dumpings gibt es aber auch Betrugsvorwürfe. Seit Anfang 2023 sind die Importe von “fortschrittlichem Biodiesel” aus China sprunghaft angestiegen. Es wird vermutet, dass Biodiesel der ersten Generation einfach als “Biodiesel der zweiten Generation” beziehungsweise als “fortschrittlich” umetikettiert wurde. Es wird aus Biomasse-Rohstoffen wie Abfällen, Reststoffen und Waldholz hergestellt. Im Vergleich zu konventionellen Biokraftstoffen – etwa aus Raps, Soja oder Palmöl -, steht ihre Produktion nicht in Konkurrenz zur Nahrungsmittelversorgung und hat geringere Auswirkungen auf Umwelt und Landnutzung. Deshalb können sie doppelt auf die Treibhausgasminderungsquote (THG-Quote) angerechnet werden, was sie für Mineralölkonzerne besonders interessant macht.

    So enthält der Dieselkraftstoff, der unter dem Namen B7 an Tankstellen erhältlich ist, eine Beimischung von maximal sieben Prozent Biodiesel. Biodiesel emittiert zwischen 65 und 90 Prozent weniger CO₂ als fossiler Diesel. Sogenannte Inverkehrbringer von Kraftstoffen, zumeist Mineralölkonzerne, sind in Deutschland gesetzlich verpflichtet, eine THG-Quote zu erfüllen, die schrittweise von derzeit sechs Prozent auf 25 Prozent im Jahr 2030 erhöht wird. Entsprechend wird die Nachfrage nach Biodiesel in den kommenden Jahren steigen. ch

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    USA: Klimagesandter Podesta will China besuchen und über N₂O-Emissionen verhandeln

    Der US-Klimasondergesandte John Podesta will “im weiteren Verlauf des Jahres” nach China reisen und die bilateralen Klimagespräche der beiden größten CO₂-Emittenten weiterführen. Im Fokus der Gespräche soll die Verminderung von Nicht-CO₂-Emissionen stehen, beispielsweise Methan-Emissionen und industrielles Distickstoffoxid (N₂O – auch Lachgas), wie die South China Morning Post berichtet. Die N₂O-Emissionen zu senken, sei ein “erschwinglicher und relativ unkomplizierter Weg” zur Verminderung von Treibhausgasen, sagte Podesta auf einer Veranstaltung. Die USA und China sind demnach für rund 80 Prozent der industriellen N₂O-Emissionen verantwortlich.

    Schon bei früheren bilateralen Verhandlungen waren die N₂O- und Methan-Emissionen ein wichtiger Gesprächspunkt. Auf der COP29 wollen die USA und China einen weiteren “Summit” zu Methan und anderen Nicht-CO₂-Treibhausgasen veranstalten. Beide Treibhausgase sollen auch in Chinas neuem nationalen Klimaplan (NDC) enthalten sein, den Peking gerade entwirft und bis Februar 2025 an die UN übermitteln muss.

    Die Biden-Administration gab am Dienstag bekannt, mehr gegen N₂O-Emissionen unternehmen zu wollen. Bis Anfang 2025 sollen die Emissionen im Vergleich zum Jahr 2020 halbiert werden. Laut US-Umweltschutzbehörde könnten 80 Prozent der N₂O-Emissionen für weniger als 20 US-Dollar pro Tonne vermieden werden. nib

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    China: So will das Land den Aluminium-Sektor grüner machen

    China hat einen Aktionsplan zur Energieeinsparung und CO₂-Reduktion im Aluminium-Sektor vorgelegt. Der Sektor ist für gut 550 Millionen Tonnen CO₂ verantwortlich (2022). Zum Vergleich: Deutschland verursachte 2023 insgesamt 674 Millionen Tonnen CO₂.

    Der Plan beinhaltet folgende Punkte für den Aluminium-Sektor bis 2025:

    • Die CO₂-Emissionen sollen um insgesamt 6,5 Millionen Tonnen sinken.
    • Rund 11,5 Millionen Tonnen an recyceltem Aluminium sollen bis dahin produziert und somit im Vergleich zur Herstellung von Primär-Aluminium Energie eingespart werden. 2023 wurden etwa 9,5 Millionen Tonnen recyceltes Aluminium produziert, so die Analystin Xinyi Shen vom Centre for Research on Energy and Clean Air gegenüber Table.Briefings.
    • Der Anteil erneuerbarer Energien soll bei mindestens 25 Prozent liegen und 2,5 Millionen Tonnen Standard-Kohle sollen ersetzt werden. Bisher liegt der Anteil, größtenteils Wasserkraft, bei 19 Prozent. Laut Shen ist die Zielmarke von 25 Prozent nicht allzu ehrgeizig. Allerdings werde der Bau neuer Kohlekraftwerke direkt für die Aluminiumproduktion (“captive power plans”) verboten.
    • Sehr CO₂-intensive Produktionsanlagen sollen geschlossen und durch neue Anlagen ersetzt werden.
    • Bis 2030 soll zudem der Einsatz von erneuerbaren Energien weiter erhöht und neue, CO₂-ärmere Produktionsmethoden entwickelt werden. nib
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    Südafrika: Neues Klimagesetz legt verbindliche Sektorziele und Obergrenzen fest

    Nach Jahren der Verhandlungen hat Südafrikas Präsident Cyril Ramaphosa ein umfassendes Klimagesetz verabschiedet. Es legt Obergrenzen für große Emittenten fest und verpflichtet jede Stadt und Kommune dazu, einen Anpassungsplan zu veröffentlichen. Damit möchte man den Verpflichtungen des Pariser Abkommens nachkommen, hieß es am Dienstag in einer Erklärung. Bislang war der weltweit an fünfzehnter Stelle rangierende Emittent aufgrund seiner Kohleabhängigkeit abseits eines mit dem Pariser Klimaabkommen kompatiblen Pfads. Der Climate Action Tracker bewertet Südafrikas Klimapolitik als “unzureichend”.

    Mit dem neuen Gesetz könnte sich dies ändern. “Es ist das erste Mal, dass unsere Maßnahmen gegen den Klimawandel direkt in nationales Recht umgesetzt werden”, sagt Brandon Abdinor, Anwalt der südafrikanischen NGO Centre for Environmental Rights. Das Gesetz sieht etwa verbindliche Sektorziele für die Landwirtschaft, den Verkehr und die Industrie vor. Die zuständigen Minister müssten hier entsprechende Maßnahmen ergreifen. Allerdings seien die Kohlenstoffbudgets für die jeweiligen Sektoren sowie für große Emittenten noch nicht festgelegt worden und es bestehe keine Straftat, wenn ein Grenzwert überschritten werde, erklärt Abdinor.

    Das Gesetz ist das jüngste Anzeichen dafür, dass die neue südafrikanische Regierung auf eine ambitioniertere Klimapolitik als ihre Vorgänger setzt. Allerdings fehlen noch konkrete Pläne für den Übergang zu erneuerbaren Energien. Unklar ist auch, wie das neue Gesetz finanziert werden soll. Die Energiewende allein dürfte in den nächsten fünf Jahren rund 81 Milliarden US-Dollar kosten, berichtet die Nachrichtenagentur Bloomberg über Schätzungen der Regierung. Westliche Geber böten bereits Kredite in Milliardenhöhe an. Doch es seien weit größere Summen nötig, sagen südafrikanische Beamte. rtr/lb

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    IEA: Warum der weltweite Kohleverbrauch hoch bleibt

    Obwohl die erneuerbaren Energien weltweit rasch ausgebaut werden, bleibt die Nachfrage nach Kohle – und damit auch der Kohleverbrauch – 2024 und 2025 voraussichtlich konstant. Davon geht die Internationale Energieagentur IEA in ihrem halbjährlichen Update zum Kohlemarkt aus. Grund sei der “enorme Anstieg der Stromnachfrage in den wichtigsten Volkswirtschaften”, vor allem in Indien und China. Sie habe den weltweiten Kohleverbrauch schon 2023 um 2,6 Prozent auf ein Rekordhoch steigen lassen – obwohl andere große Volkswirtschaften wie die USA, die EU, Japan und Korea ihre Abhängigkeit von Kohle immer weiter reduzieren.

    In China, auf das mehr als die Hälfte des weltweiten Kohleverbrauchs entfallen, hat sich die Stromerzeugung aus Wasserkraft im Jahr 2024 von den außergewöhnlich niedrigen Werten des Vorjahres erholt. Solar- und Windenergie würden “anhaltend rasch” ausgebaut. Deshalb wachse der Kohleverbrauch 2024 erheblich langsamer als zuvor. Dass er aber sinken werde, hält die IEA aufgrund der zugleich stark wachsenden Stromnachfrage für “unwahrscheinlich”.

    In Indien, wo der Kohleverbrauch im ersten Halbjahr 2024 sehr hoch ausfiel, weil infolge extremer Hitzewellen und starken Wirtschaftswachstums sehr viel Strom verbraucht wurde, rechnet die IEA im zweiten Halbjahr ebenfalls mit einem langsameren Wachstum der Nachfrage – aber nicht mit einem Rückgang. ae

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    Standpunkt

    Marcin Korolec: Europa braucht einen Fonds für grüne industrielle Entwicklung

    Von Marcin Korolec
    Marcin Korolec leitet das Green Economy Institute in Warschau. Zuvor war er polnischer Umweltminister.

    Im Jahr 2016 sagte der ehemalige Präsident der Europäischen Kommission, Jacques Delors, wenn die Politik der EU “den Zusammenhalt gefährdet und soziale Standards opfert“, dann “hat das Projekt Europa keine Chance, die Unterstützung der europäischen Bürger zu gewinnen.” Nach der Wahl zum Europäischen Parlament ist Delors Bemerkung treffender als je zuvor.

    Nach den beträchtlichen Zugewinnen der extremen Rechten erwarten viele Beobachter, dass das neue Europäische Parlament sich eher um die Themen Migration, Sicherheit und die aktuelle Krise der Lebenshaltungskosten kümmert als um den Klimawandel. Und da viele der neu gewählten Abgeordneten die grüne Agenda ablehnen, könnte die EU am Ende gezwungen sein, das Erreichen der Klimaneutralität zu verschieben.

    Anstatt ihren Kurs zu ändern, sollte sich die EU jedoch noch stärker für ihre Klimaziele einsetzen und sich ein Beispiel an China und den USA nehmen. Insbesondere sollte sie dem Inflation Reduction Act von US-Präsident Joe Biden nacheifern und die Energiewende mit einem “Kaufe grün und europäisch”-Programm sowie einem Europäischen Fonds für industrielle Entwicklung (EIDF) weiter ankurbeln.

    China und USA setzen EU-Wirtschaft unter Druck

    Die extreme Rechte führt gegen die Energiewende besonders gern an, der Europäische Grüne Deal sei zu stark von Produkten aus China und den USA abhängig. Die Einfuhren sauberer Technologien aus China sind in den letzten Jahren in die Höhe geschnellt und beliefen sich allein 2023 auf insgesamt 23,3 Milliarden US-Dollar für Lithium-Ionen-Akkus, 19,1 Milliarden US-Dollar für Solarmodule und 14,5 Milliarden US-Dollar für Elektrofahrzeuge.

    In den USA dagegen wird dank Präsident Bidens Konjunkturpaket wieder mehr in erneuerbare Energien investiert. So haben die USA im zweiten Quartal 2023 beispielsweise fast zehn Milliarden US-Dollar in Technologie zur Batterieherstellung investiert. Das ist mehr als das Doppelte der Gesamtinvestitionen in den Sektoren Batterien, Solar- und Windkraft, kritische Rohstoffe und Elektrofahrzeuge im zweiten Quartal 2022.

    Angesichts des immer stärkeren Wettbewerbs steht die europäische Wirtschaft von zwei Seiten unter Druck. Einerseits investieren die dynamischsten Unternehmen lieber in den USA als in Europa. Andererseits nehmen die Exporte aus China in die EU weiter zu, besonders nach Bidens neuesten Zöllen auf chinesische Waren.

    Ein Europäischer Deal für die Industrie

    Nun könnte man erwarten, dass ein stärker von Nationalisten geprägtes Europäisches Parlament die Aussichten für die europäische Industrie verbessert. Allerdings ließ die Befürchtung, der Erfolg der extremen Rechten könne die Klimawende ausbremsen, die Aktienkurse führender europäischer Unternehmen im Bereich der Erneuerbaren wie Vestas, Nordex und Orsted abstürzen.

    Um die Wettbewerbsposition der EU zu stärken, muss die Politik kritische Industrien entschlossen unterstützen. Über 1.200 Organisationen, zu denen auch 840 führende Hersteller gehören, haben vor Kurzem die Antwerpener Erklärung unterzeichnet, die als wichtiges Element der strategischen Agenda für 2024-2029 einen “Europäischen Deal für die Industrie” fordert. Der belgische Premierminister Alexander De Croo brachte es auf den Punkt: “Wie sorgen wir dafür, dass unsere europäische Industrie weiter wächst? Die Antwort lautet: mit einem Europäischen Deal für die Industrie, der dem Europäischen Grünen Deal in nichts nachsteht.”

    Gemeinsame Schulden und neue Einnahmequellen

    Dazu sind vier Schritte erforderlich. Erstens muss die europäische Politik verstehen, dass jede Verzögerung der Klimawende die globale Wettbewerbsfähigkeit der EU schwächt. Die Nutzung klimaneutraler Technologien ist der beste Weg, um die Einfuhr fossiler Energieträger zu senken und unabhängig im Energiebereich zu werden. Die Beibehaltung des Status Quo dagegen untergräbt die europäische Sicherheitsstrategie und spielt dem russischen Präsidenten Wladimir Putin in die Hände.

    Zweitens brauchen wir den Europäischen Industriefonds, um Energieautarkie und technische Souveränität zu erreichen. Wie die gesamteuropäischen Finanzhilfen in der Corona-Krise gezeigt haben, können die Institutionen der EU innerhalb weniger Monate kritische Entscheidungen treffen und umsetzen, wenn sie müssen.

    Drittens sollte der EIDF über die Ausgabe gemeinsamer Schulden finanziert werden. Damit der Fonds auch wirklich die Produktion von Elektroautos, Wärmepumpen, PV-Modulen und anderen grünen Technologien ankurbelt, sollte dieser Fördermechanismus Unternehmen relativ einfach und ohne eine übertrieben detaillierte Berechtigungsprüfung zur Verfügung stehen. Entscheidend ist, dass der Europäische Industriefonds ohne angemessene Finanzierungsinstrumente für Unternehmen im Bereich der erneuerbaren Energien nicht funktionieren kann – ein Vorteil, den US-Unternehmen dank des Inflation Reduction Act bereits genießen. Allerdings sollte die Politik diese Fördermittel mit der Auflage verknüpfen, dass die Empfänger in Produktionskapazitäten investieren und neue Arbeitsplätze schaffen.

    Und schließlich sollte die Aufnahme gemeinsamer Schulden durch die entschlossene Suche nach neuen Einnahmequellen ergänzt werden. Eine Option wäre die Einführung weiterer Einfuhrzölle auf chinesische Elektroautos. Oder man könnte anfangen, digitale Plattformen und Plastikimporte zu besteuern.

    Mittelverteilung nach Bedarf und Größe der Industrie

    Historisch gesehen wurden EU-Mittel stets gemäß der europäischen Kohäsionspolitik und anteilig zum Pro-Kopf-BIP der Mitgliedstaaten verteilt. Der NextGenerationEU-Fonds, der 2020 eingerichtet wurde, um die europäischen Länder beim Wiederaufbau nach der Pandemie zu unterstützen, berücksichtigte bei der Verteilung der Beihilfen und Kredite in Höhe von 800 Milliarden Euro die Auswirkungen der Corona-Krise auf die einzelnen Volkswirtschaften und schuf damit einen neuen Präzedenzfall.

    Analog dazu sollten die Mittel aus dem EIDF nach dem Bedarf der einheimischen Industrien und dem Beitrag der Sektoren zum BIP des jeweiligen Mitgliedstaates verteilt werden. Das heißt, die meisten Mittel sollten in Länder mit einem relativ großen industriellen Sektor fließen, wie Deutschland, Italien, Spanien, Frankreich, Polen, die Niederlande, Irland und Belgien.

    Auch wenn andere Mitgliedstaaten einen solchen Ansatz womöglich ablehnen, ist er für die industrielle Renaissance Europas unverzichtbar. Die EU kann in der globalen Wirtschaft von heute nur dann wettbewerbsfähig bleiben, wenn sie den Umbau zu einer klimaneutralen Wirtschaft noch schneller vorantreibt. Ein Europäischer Fonds für industrielle Entwicklung ist ein notwendiger Schritt in diese Richtung.

    Marcin Korolec war polnischer Umweltminister und leitet heute das Green Economy Institute in Warschau. Er ist Vorsitzender der Foundation for the Promotion of Electric Vehicles. Außerdem ist er Mitglied des Beraterausschusses für Umwelt und Klima der Europäischen Investitionsbank, und Aufsichtsratsmitglied beim Institute for Sustainable Development and International Relations (IDDRI) und bei MevaEnergy, InnoEnergy und Transport & Environment. Copyright: Project Syndicate

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