Table.Briefing: Climate

Neuseeland verwässert Klimaziele + NGO-Kritik an Aserbaidschan + Studie: IPCC unterschätzt Erwärmung

Liebe Leserin, lieber Leser,

von schwarzen Schafen berichten wir Ihnen heute aus Neuseeland: Dort ist der bereits dritte Versuch gescheitert, die Klima-Emissionen in der Landwirtschaft zu bepreisen. Die neue Mitte-Rechts-Regierung hat zudem das Budget für Klimaschutz gestrichen. Nun soll auch noch die Suche nach Öl und Gas erleichtert werden. Marc Daalder analysiert, was die neue Politik für den Klimaschutz in Neuseeland bedeutet.

Inhaftierte Journalisten, Menschenrechtsverletzungen, Einfluss der Öllobby – am COP29-Gastgeber Aserbaidschan gibt es Kritik. Dem Land fehle es zudem an Erfahrung in der Klimapolitik, sagt Nugzar Kokhreidze vom Climate Action Network (CAN) im Interview mit Lisa Kuner und Samira El Hattab.

Außerdem berichten wir heute über eine Studie, die nahelegt, dass der UN-Klimarat IPCC wohl die Erderwärmung durch den Anstieg der CO₂-Konzentration unterschätzt hat. Falsch beurteilt wurde bislang auch, wie viele Jobs die Solarwirtschaft in Europa braucht. Zudem lesen Sie, was die USA und China in Sachen CO₂-Bepreisung planen. Und eine gute Nachricht gibt es auch – vom Ausbau der Windenergie in Deutschland.

Wir wünschen Ihnen eine aufschlussreiche Lektüre!

Ihr
Lukas Bayer
Bild von Lukas  Bayer

Analyse

Neuseeland: So baut die neue Regierung die Klimapolitik ab

Auch schwarze Schafe darunter: In Neuseeland scheitert der dritte Versuch, die Klima-Emissionen der Landwirtschaft zu bepreisen.

Erst vor kurzem hat die neue neuseeländische Regierung angekündigt, in ihrem ersten Haushalt Mittel für die Klimapolitik in Höhe von 3,7 Milliarden neuseeländische Dollar zu kürzen. Nun hat sie auch erklärt, sie werde zwei der wichtigsten Initiativen ihrer Vorgängerin zur Emissionsreduzierung aufgeben:

  • Das Verbot neuer Offshore-Suchen nach Erdöl- und Erdgas.
  • Die Einführung eines Preises auf Treibhausgasemissionen aus der Landwirtschaft. Damit verbunden ist wahrscheinlich die Aufweichung des Ziels für Methanemissionen.

Umstrittene Argumente zur Gassuche

Nach Angaben der Regierung gefährdet das sinkende Gasangebot die Energiesicherheit Neuseelands und ist eine Folge des 2018 verhängten Verbots neuer Offshore-Explorationen. Diese Ankündigung hat die konservative Partei in Großbritannien aufgegriffen, um damit im Wahlkampf ähnliche Pläne der dortigen Labour-Partei zu attackieren.

Die Argumente der neuseeländischen Regierung sind jedoch nicht ganz stichhaltig. In der Vergangenheit hat es mindestens ein Jahrzehnt gedauert, bis in Neuseeland die Förderung von neuen Offshore-Gasvorkommen begonnen hat. Neue Vorkommen wären also frühestens 2028 auf dem Markt. Außerdem gibt es bereits entdeckte Vorkommen, die noch legal ausgebeutet werden können. Ein neuseeländisches Energieunternehmen hat erst letztes Jahr eine entsprechende Genehmigung beantragt. Und ein Bericht aus dem Jahr 2023, der als Grundlage für den Plan der Vorgängerregierung zur Abkehr vom Gas diente, kam zu dem Ergebnis, dass die vorhandenen Onshore-Felder allein ausreichen, um den neuseeländischen Stromsektor bis 2050 emissionsfrei zu versorgen.

Kaum Öl und Gas, aber diplomatische Spannungen

Der Grund für das sinkende Angebot ist nicht das Verbot von 2018, sondern eine ökonomische Tatsache: Offshore-Exploration und -Produktion sind in Neuseeland eine schlechte Investition. Das Land hat verbindliche Netto-Null-Ziele und Kohlenstoffbudgets. Zudem hat die Opposition zugesagt, das Offshore-Verbot wieder einzuführen, sollte sie an die Macht kommen. Mit anderen Worten: Eine langfristige Nachfrage ist unwahrscheinlich. Das Risiko der Staatsverschuldung schreckt Investoren zusätzlich ab.

Deshalb wird in Neuseeland höchstwahrscheinlich kein neues Öl und Gas gefördert werden, selbst wenn die Regierung das Verbot aufhebt. Auch die Beziehungen Neuseelands zu den pazifischen Inseln könnten dadurch Schaden nehmen – traditionell hat Neuseeland mit ihnen eng zusammengearbeitet. Vanuatus Minister für Klimawandel, Ralph Regenvanu, forderte die neue Regierung im vergangenen Jahr auf, das Verbot nicht aufzuheben. Und Palaus Präsident Sonny Whipps Jr. bezeichnete den Schritt als “tragisch und rückwärtsgewandt”.

Agrar-Emissionen nicht in den Emissionshandel

In der gleichen Woche, in der die Aufhebung des Verbots bekannt gegeben wurde, gab es auch beim Klimaschutz in der Landwirtschaft eine drastische Veränderung. Landwirtschaftsminister Todd McClay und Klimaminister Simon Watts kündigten eine Änderung des neuseeländischen Zero Carbon Act an: Sie wollen eine Vorgabe abschaffen, nach der die Landwirtschaft spätestens 2025 in das neuseeländische Emissionshandelssystem (NZETS) aufgenommen werden muss.

Das NZETS gilt bisher für alle Sektoren außer der Landwirtschaft. Nach langen Verhandlungen wurde 2019 eine Vereinbarung getroffen, die Emissionen aus der Viehhaltung bis spätestens 2025 zu bepreisen. Allerdings kamen im Lauf der Zeit sowohl die Regierung als auch der Landwirtschaftssektor zu dem Schluss, dass das NZETS nicht das beste Instrument dafür sei. Stattdessen entwickelten sie einen maßgeschneiderten Preisplan, der bis 2030 eine Abgabe von nur 0,09 neuseeländischen Dollar pro Kilo Lammfleisch und einen halben Cent pro Liter Milch vorsieht – die Beträge würden im Laufe der Zeit steigen. Die Frist bis 2025 für den Beitritt zum NZETS sollte als “Backstop” sicherstellen, dass sich der Sektor auf die Form des maßgeschneiderten Preisbildungssystems einigt.

Zum dritten Mal scheitert ein Agrar-CO₂-Preis

Umweltschützer kritisierten diesen Plan wegen seines mangelnden Ehrgeizes. Zugleich begann auch der Branchenkonsens zu bröckeln: Die Führung der landwirtschaftlichen Lobbygruppen hatte übersehen, dass ihre Basis immer noch mehrheitlich gegen einen Emissionspreis war. Und sie nahmen an, dass sie unter einer Mitte-Rechts-Regierung nach den Wahlen 2023 ein besseres Ergebnis erzielen könnten. Und tatsächlich hat die neue Regierung auch versprochen, das maßgeschneiderte Preissystem zu überarbeiten und bis 2030 umzusetzen. Gleichzeitig hat sie den NZETS-Backstop aufgehoben, es fehlt also ein Druckmittel.

Damit sind zum dritten Mal Pläne zur Bepreisung von landwirtschaftlichen Emissionen in Neuseeland gescheitert. 2004 hatte die Industrie erfolgreich einen Plan für eine Kohlenstoffsteuer abgewehrt. 2013 strich eine frühere Mitte-Rechts-Regierung die Frist für den Beitritt zum NZETS im Jahr 2013.

Methanziele werden abgeschwächt

Darüber hinaus erklärte Landwirtschaftsminister McClay am 27. Juni, dass die Regierung die neuseeländischen Methanziele abschwächen werde. Damit würde sie sich über die Empfehlungen der unabhängigen Kommission für Klimawandel hinwegsetzen. Die bestehenden Methanziele wurden in Übereinstimmung mit den Pfaden aus dem IPCC-Sonderbericht zu 1,5 Grad festgelegt und sehen vor,

  • die Emissionen bis 2030 um zehn Prozent gegenüber 2017 zu senken und
  • sie bis 2050 um mindestens 24 Prozent, aber nicht um mehr als 47 Prozent gegenüber dem Niveau von 2017 zu reduzieren.

Die Regierung hat nun eine separate Prüfung in Auftrag gegeben, die zeigen soll, wie die Ziele aussehen würden, wenn sie nur “keine zusätzliche Erwärmung” durch die Landwirtschaft nach 2017 erreichen sollten. Das würde die bisherige Erwärmung aus dem Agrarsektor “einfrieren” – von der Landwirtschaft würde nur eine Reduzierung verlangt, die ausreichen würde, um ihren Beitrag zur Erwärmung konstant zu halten. Der bisherige Ansatz hingegen sah vor, dass die Methanreduktion zu einer Abkühlung des Planeten beitragen soll.

Die neuseeländische Kommission für Klimawandel hat erklärt, dass der neue Ansatz zu höheren Emissionen führen würde. Und die Zahlen des IPCC deuten darauf hin, dass die bisherigen ehrgeizigen Methanziele mehr als halbiert werden könnten, wenn der Ansatz “keine zusätzliche Erwärmung” gewählt wird. McClay erklärte kürzlich, die Regierung werde die Ziele des Überprüfungsgremiums annehmen – auch wenn sie im Widerspruch zu den Empfehlungen der Klimakommission stünden.

  • Agrarpolitik
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CAN-Experte: “Aserbaidschan weiß wenig über Klimadiplomatie”

Nugzar Kokhreidze
Nugzar Kokhreidze, Vorsitzender von CAN Osteuropa, Kaukasus und Zentralasien.

Herr Kokhreidze, ist Aserbaidschan eine gute Wahl als Gastgeber der COP29?

Nein, ich denke nicht, dass es eine gute Wahl ist, die COP in Aserbaidschan und in dieser Region zu veranstalten. Das ist wieder ein Land mit viel Öl und Gas. In den letzten Jahren haben die COPs immer in Ländern stattgefunden, die für sehr viele Emissionen verantwortlich sind. Ich denke, das ist der Einfluss der Öl- und Gaslobby und das ist ein Problem.  

Teilen Sie die Befürchtung, dass die COP29 eine Greenwashing-Veranstaltung wird?

Das ist aktuell die heiße Frage. Wir wollen nicht, dass es eine Greenwashing-Veranstaltung wird. Dafür setzen wir uns als Zivilgesellschaft ein und sehen auch einige Chancen dafür, dass das gelingt.

Welche Chancen sind das genau?

Es mag sein, dass Aserbaidschan die COP hauptsächlich nutzen will, um sein Image aufzubessern. Aber das klappt nur, wenn die COP-Verhandlungen erfolgreich sind und ambitionierte Klimaziele vereinbart werden. Wir von CAN organisieren uns aktuell mit anderen Akteuren, um auch die COP-Präsidentschaft davon zu überzeugen, dass das der beste Ansatz ist.

“Nur eine erfolgreiche COP hilft, das Image aufzubessern”

Vor welchen Herausforderungen stehen Sie dabei?

Zum einen ist Aserbaidschan ein Land mit vielen Problemen und mit einem Demokratiedefizit. Immer wieder wird von Menschenrechtsverletzungen berichtet. Viele Vertreter der Zivilgesellschaft mussten das Land verlassen. Außerdem sehen wir die turbulente Situation zwischen Armenien und Aserbaidschan, von der niemand weiß, wie es weiter gehen wird und ob der Krieg nochmals aufflammen könnte. Zum anderen steht das Land jetzt vor diesen riesigen, wichtigen Klimaverhandlungen. Wir sind uns nicht sicher, wie viel die Verantwortlichen tatsächlich über Klimadiplomatie wissen und darüber, wie sie Prozesse steuern und erleichtern können.

Sehen Sie große klimapolitische Ambitionen von Aserbaidschan?

Ich sehe schon Ambitionen. Aber aus dem bisherigen Vorgehen schließe ich, dass es nicht genügend Kenntnisse und Verständnis für die Prozesse gibt. Aserbaidschan hat die Vereinigten Arabischen Emirate und einige andere Regierungen deshalb um Hilfe gebeten. Das sind die richten Schritte, aber ein Jahr wird nicht genug sein, um sich auf so wichtige Verhandlungen vorzubereiten. Die COP ist sehr komplex, schon als teilnehmendes Land. Alles zu koordinieren und globale Ziele zu erreichen als Gastgeber, ist noch viel komplexer. Die Frage ist, wie gut das Aserbaidschan gelingt.

“Das Land ist mit dem fossilen Ausstieg schon konfrontiert”

Bei der diesjährigen COP wird es auch wieder um den weltweiten Ausstieg aus den fossilen Energien gehen. Wie gut kann ein ölexportierendes Land darin sein, den Ausstieg aus den Fossilen zu koordinieren?

Aserbaidschan ist selbst sowieso schon mit dem Ausstieg konfrontiert, die Ölressourcen gehen zurück. Die Ölbohrungen verursachen auch Probleme mit Trinkwasser und der Wasserstand im Kaspischen Meer geht zurück. In den nächsten Jahren wird sich das Land also auf Gas konzentrieren. Gleichzeitig wird Aserbaidschan aber auch Erneuerbare ausbauen: Nicht, weil es das unbedingt will, sondern aus wirtschaftlichen Interessen. Aktuell gibt es Planungen für Solarprojekte, um in Zukunft Exporteur für grüne Energie in die EU zu werden. Das ist die politische Vision, aber Gas ist Teil von ihr und das in ein Problem.

Denken Sie, Aserbaidschan tut genug, um den Ausstieg aus den Fossilen voranzutreiben?

Nein, natürlich nicht. Die fossile Lobby ist noch immer sehr stark, das wird sich in den kommenden Jahren auch nicht ändern.

“Das Narrativ der Friedens-COP ist Propaganda”

Aserbaidschan hat angekündigt, diese COP solle eine COP der Freiheit werden. Was sagen Sie dazu mit Blick auf die Menschenrechtslage?

Hoffen wir es. Es wäre sehr gut, wenn alle politischen Gefangenen und Vertreter von Menschenrechtsorganisationen, die aktuell gefangen sind und misshandelt werden, freigelassen würden. Ich bin allerdings sehr skeptisch, dass das passiert. Aber man kann ja hoffen.

Die COP29 wird auch als “COP des Friedens” beworben. Kann das gelingen?

Dieses Narrativ kommt von dem Konflikt in Bergkarabach. Aserbaidschan hat den Krieg gewonnen und ich denke, jetzt will es der Welt zeigen, was für ein friedliches Land es ist. Aber das ist klar geopolitische Propaganda: Tausende Armenier mussten Bergkarabach verlassen. Das sind jetzt Flüchtlinge, die nicht zurückkehren können. In dieser Situation von Frieden zu sprechen, ist sehr problematisch.

“Die Zivilgesellschaft braucht Hilfe”

Was ist nötig, um rund um die COP die Einhaltung der Menschenrechte und insbesondere Pressefreiheit zu garantieren?

Das ist eine der großen Fragen, an denen CAN mit Vertretern aus Aserbaidschan arbeitet. Wir hören immer: Alles wird gut, es ist alles sicher. Aserbaidschan ist eigentlich auch ein sehr gastfreundliches Land. Aber wir sehen auch, dass die Regierung nicht besonders offen ist. Ich bin also nicht zu optimistisch: Vielleicht gehen die Menschenrechtsverletzungen rund um die COP etwas zurück, aber danach wird wieder alles wie vorher sein. Darum wünschen wir uns internationale Unterstützung für die Zivilgesellschaft in der Region. Klimagerechtigkeit funktioniert nicht ohne Menschenrechte und ohne Zivilgesellschaft.

Gehen Sie davon aus, dass es bei Protesten und journalistischer Arbeit rund um die COP Probleme geben wird?

Zu solchen Situationen konnten wir ja in den vergangenen Jahren in Ägypten und in Dubai schon Erfahrung sammeln: Die Blue Zone bei der COP [der offizielle Raum der Verhandlungen, Anm.d.Red.] wird der Bereich sein, in dem Protest möglich ist. Im Rest des Landes gibt es keine Meinungsfreiheit, keine Demonstrationsfreiheit. Es ist auch schwierig, die lokale Bevölkerung mit einzubinden, wenn Proteste außerhalb des COP-Geländes nicht möglich sind. Die Lage wird sich bis zur COP nicht stark verbessern.

mit Mitarbeit von Samira El Hattab

  • COP29
  • Klimaaktivisten
  • Zivilgesellschaft
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Termine

4. Juli, Großbritannien
Wahlen Unterhauswahlen in Großbritannien
Großbritannien wählt das Unterhaus neu. Der britische Premierminister Rishi Sunak hatte am 22. Mai 2024 die vorzeitige Auflösung des britischen Unterhauses beantragt. Gewählt werden 650 Abgeordnete.

7. Juli, Frankreich
Wahlen Stichwahl Parlamentswahl in Frankreich
Nach den von Präsident Macron einberufenen Neuwahlen finden an diesem Sonntag die Stichwahlen statt.

8. bis 17. Juli, New York
UN-Treffen High-Level Political Forum on Sustainable Development
Der Wirtschafts- und Sozialrat der UN hält dieses High-Level Forum ab. Dort wird der Fortschritt zum Erreichen der Nachhaltigen Entwicklungsziele (SDGs) diskutiert. Im Fokus stehen in diesem Jahr die SDGs 1, 2, 13, 16 und 17. Infos

9. Juli, 11 Uhr, Online
Webinar What are the key climate priorities for the new UK government?
Nach den Wahlen in Großbritannien veranstaltet Carbon Brief ein Webinar, um die mögliche Klimapolitik der kommenden Regierung zu diskutieren. Infos

9. Juli, 18.30 Uhr, Online
Webinar Geothermische Technologien in Ballungsräumen – Möglichkeiten und Herausforderungen
Bei der Umstellung auf erneuerbare Energien kann der Geothermie in Deutschland eine besondere Rolle zukommen. Bei dem Webinar der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften (Acatech) wird über die Möglichkeiten und Herausforderungen dieser Technologie diskutiert. Infos

11. Juli, 13 Uhr, Online
Workshop Umgang mit Klimaskepsis und Verzögerungstaktiken
Diese Veranstaltung findet im Rahmen des HIGELA-Hitzeresilienzprojekts statt, das vom AWO Bundesverband e.V. und der Deutschen Allianz Klimawandel und Gesundheit (KLUG e.V.) geleitet wird. Darin wird darüber aufgeklärt, welche Verzögerungstaktiken genutzt werden, um ambitionierten Klimaschutz zu verhindern. Infos

11. Juli, 14 Uhr, Online
Webinar The Path to Net Zero: A Climate Mitigation Journey for Banks
In diesem Webinar des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (UNEP) wird der Bericht “Climate Mitigation Journey for Banks” vorgestellt. Er soll aufzeigen, wie Banken sich in den kommenden Jahren weiterentwickeln müssen, um sich an das Pariser Abkommen anzupassen. Infos

11. Juli, 14 Uhr, Online
Webinar Spotlighting Cost-Effective and Scalable Solutions to Reduce Methane in the Agriculture Sector
Die Climate and Clean Air Coalition (CCAC) richtet dieses Webinar aus, auf dem darüber diskutiert wird, wie Methanemissionen in der Landwirtschaft schnell und effizient reduziert werden können.  Infos

11. Juli, 19 Uhr, München / Online
Vortrag Klimaklagen als Ausweg aus der Klimakrise?
Die Anwältin Roda Verheyen spricht in diesem Vortrag darüber, welche Rolle Klimaklagen im Klimaschutz spielen. Der Vortrag wird von “Protect the Planet” organisiert. Infos

11. und 12. Juli, Belém
G20 Treffen Global Mobilization against Climate Change Task Force
Im G20-Zyklus trifft sich die Taskforce für “Global Mobilization against Climate Change” in Belém, Brasilien. Infos

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News

Klima in Zahlen: So viele Jobs braucht die Solarwirtschaft in Europa

Der Bedarf an qualifizierten Arbeitskräften in der europäischen Solarindustrie steigt nach Angaben der Branche schneller als erwartet. Deshalb hat die Europäische Kommission Ende Juni den Startschuss für eine Europäische Solarakademie gegeben. Ziel ist es, in den nächsten drei Jahren 100.000 Arbeitskräfte für die Solarbranche zu qualifizieren. Dabei soll die gesamte Wertschöpfungskette berücksichtigt werden. Allein in der Produktion von Modulen und Systemkomponenten werden nach Schätzungen der Kommission bis 2030 rund 66.000 Fachkräfte benötigt. Binnenmarktkommissar Thierry Breton sprach von einer “dringenden Qualifikationslücke“, er stellt aus seinem Etat neun Millionen Euro für die Gründung der Akademie zur Verfügung.

Aufgabe der Solarakademie ist es, gemeinsam mit der Industrie und anderen Branchenakteuren Lerninhalte und Qualifizierungsmaßnahmen zu entwickeln. Die europäische Solarwirtschaft muss viele zusätzliche Arbeitskräfte einstellen, um die Ausbauziele der EU zu erreichen. Der RePowerEU-Plan der Kommission sieht vor, bis 2025 eine Photovoltaik-Kapazität von mehr als 320 Gigawatt aufzubauen. Bis 2030 sollen es fast 600 Gigawatt sein. Laut dem aktuellen EU Market Outlook ihres Verbands wurden 2023 europaweit 55,9 Gigawatt Photovoltaik neu installiert, 40 Prozent mehr als im Vorjahr. Treiber der Entwicklung waren vor allem Deutschland und Spanien.

Solarpower Europe hatte ursprünglich angenommen, dass erst 2030 eine Million Arbeitskräfte in der europäischen Solarwirtschaft benötigt werden. Doch trotz leicht rückläufiger prognostizierter Wachstumsraten geht der Verband inzwischen davon aus, dass dieser Fachkräftebedarf bereits 2025 erreicht wird.

Die deutsche Solarwirtschaft hat nach Meinung von Experten den Fachkräftemangel überraschend gut gemeistert. Laut Carsten Körnig, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands Solarwirtschaft (BSW), wirke es entlastend, “dass in den letzten zwei Jahren nach unserer Schätzung weitere rund 5.000 Betriebe aus dem konventionellen Elektrohandwerk in die Solarbranche eingestiegen sind”. Nach Angaben des BSW arbeiten derzeit rund 118.000 Menschen in der deutschen Solarbranche. Bis 2030 rechnet der Verband mit einem Zuwachs auf 138.000 Beschäftigte. ch

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Studie: IPCC unterschätzt deutlich Klimasensitivität und Erwärmung

Die CO₂-Konzentration in der Atmosphäre wirkt sich wohl stärker auf den Temperaturanstieg aus als bisher angenommen, zeigt eine aktuelle Studie im Fachmagazin Nature. Demnach würde eine Verdopplung der CO₂-Konzentration zu einer langfristigen Erderwärmung von 7,2 Grad Celsius führen. Derzeit liegt die CO₂-Konzentration bei rund 420 ppm; vor der Industrialisierung waren es 280 ppm.

Die Ergebnisse seien konsistent mit ähnlichen Studien und “viel größer als die 2,3 bis 4,5 Grad Celsius, die der UN-Klimarat IPCC bisher geschätzt hat”, sagt Caitlyn Witkowsi. Sie forscht am ozeanografischen Royal Netherlands Institute for Sea Research (NIOZ) in den Niederlanden zur sogenannten Klimasensitivität und war Leitautorin der Studie. Die höheren Breiten und der Alpenraum würden sich demnach sogar um 11,6 Grad erwärmen. Die mittleren Breiten, zu denen Deutschland zählt, könnten um 8,6 Grad heißer werden und die Tropen um 5 Grad.

Für die Untersuchung hat das Forschungsteam einen 45 Jahre alten Bohrkern vom Grund des Pazifiks analysiert. In ihm hatte sich organisches Material besonders gut erhalten. Dadurch konnte die CO₂-Konzentration der vergangenen 15 Millionen Jahre ermittelt und die Temperatur abgeleitet werden. Der Geochemiker und Mitautor Jaap Sinninghe Damsté, ebenfalls vom NIOZ, sieht darin eine “eindeutige Warnung”. Die CO₂-Konzentration habe “wahrscheinlich einen stärkeren Einfluss auf die Temperatur, als wir derzeit berücksichtigen”, so Damsté. lb

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Gericht: US-Regierung muss LNG-Moratorium aufheben

Die US-Regierung muss Anträge auf die Genehmigung neuer LNG-Exportterminals ab sofort wieder bearbeiten. Das hat ein Gericht in Louisiana am vergangenen Montag entschieden. 16 republikanisch regierte Staaten, unter ihnen Louisiana, West Virginia, Oklahoma, Texas und Wyoming, hatten gegen das Moratorium geklagt. Das Gericht gab ihnen recht. Jetzt prüft die US-Bundesregierung, wie sie darauf reagiert.

In seinem Urteil kam der zuständige Richter zu dem Schluss: Die Staaten hätten ausreichend belegt, dass ihnen durch die Pause Steuer- und Lizenzeinnahmen sowie Jobs entgingen, die anderenfalls hätten entstehen können. Das Moratorium sei “völlig ohne Vernunft und Logik”. Indem sie es erließ, habe die US-Regierung zudem ihre Befugnisse überschritten.

Das Weiße Haus hatte das Moratorium im Januar verfügt, um die Auswirkungen der geplanten LNG-Exporte auf Klima, Sicherheit und die Wirtschaft zu prüfen. Wie die New York Times (NYT) berichtet, sollte die Prüfung laut US-Energieministerin Jennifer Granholm “spät in diesem Jahr” abgeschlossen sein – also womöglich erst nach der Präsidentschaftswahl Anfang November. Die klagenden Bundesstaaten hatten das Moratorium hingegen in ihrer Klage als “Exportbann” bezeichnet.

LNG-Boom in den USA auch unter Biden

Die USA sind der größte LNG-Exporteur weltweit. Der New York Times zufolge dürften allein die bereits genehmigten neuen Terminals ausreichen, um die bisher bestehenden Exportkapazitäten bis zum Ende des Jahrzehnts zu verdoppeln. Wie die Zeitung weiter schreibt, hat das Genehmigungsmoratorium “Öl- und Gasunternehmen gegen Herrn Biden mobilisiert, wie Branchenlobbyisten berichten”.

Dabei boomte die Branche unter Bidens Präsidentschaft, wie von der Nachrichtenagentur Reuters zusammengestellte Daten zeigen. Ex-Präsident Donald Trump hat auf einem Fundraising-Event im Mai bereits angekündigt, die Öl- und Gasindustrie im Falle seiner Wiederwahl durch neue Pipelines und die Wiederaufnahme von Fracking auf bundeseigenem Land zu unterstützen. ae

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Netzagentur: Rekord bei Genehmigungen für Windausbau an Land

Nach dem kräftigen Wachstum der Solarenergie in Deutschland zieht jetzt offenbar auch der Ausbau der Windenergie an Land deutlich an. Bis zum 1. Mai wurde nach Zahlen der Bundesnetzagentur in diesem Jahr der Neubau von knapp 2,4 Gigawatt an Leistung bewilligt. Damit wurde die Vorgabe des Erneuerbaren Energien-Gesetz (EEG) von 2,5 GW fast erfüllt.

Ausgeschrieben waren knapp 2,8 GW, eingereicht wurden Projekte mit einem Gesamtvolumen von knapp 2,5 GW. Ähnliche Mengen gab es laut BNetzA seit 2017 nicht mehr. “Die aktuelle Ausschreibungsrunde stellt mit fast 2,5 Gigawatt eingereichter Gebotsmenge einen Rekord dar und bestätigt den Trend steigender Gebots- und Genehmigungszahlen”, sagte BNetzA-Präsident Klaus Müller. “Bei einer Fortsetzung dieser positiven Entwicklung sind die Zubauziele bei Wind an Land erreichbar.”

Die Preise im Gebotsverfahren lagen laut Behördenanlagen zwischen 7,20 Cent und 7,35 Cent pro Kilowattstunde.  Die meisten Zuschläge gingen nach Nordrhein-Westfalen (727 MW), Niedersachsen (430 MW) und Schleswig-Holstein (318 MW). bpo   

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Studie: Investitionslücke für Klimaschutz in der EU bleibt bestehen

Trotz verschiedener EU-Programme zur Förderung der privaten und öffentlichen Finanzierung für Klimaschutzmaßnahmen besteht weiterhin eine erhebliche Investitionslücke. Um das Klimaziel für 2030 zu erreichen, müssten die Investitionen auf 800 Milliarden Dollar pro Jahr verdoppelt werden. Gleichzeitig steigen die Subventionen für fossile Brennstoffe in der EU. Das ist das Ergebnis einer Untersuchung des European Climate Neutrality Observatory (ECNO) – der Thinktank beobachtet Fortschritte bei den EU-Klimazielen. Unter anderem das Ecologic Institute und das New Climate Institute haben an der Studie mitgearbeitet.

Bei der Finanzierung von Klimaschutzmaßnahmen habe es im Vergleich zum Vorjahr kaum Verbesserungen und sogar einige Verschlechterungen gegeben, die weitere Fortschritte in anderen Sektoren gefährden, schreiben die Autoren. Die Renovierung von Gebäuden sowie die Umstellung auf emissionsfreie Mobilität gingen beispielsweise viel zu langsam voran. Emissionen im Straßenverkehr gingen gar in die falsche Richtung und hätten zugenommen.

Natürliche Senken nehmen ab

Auch bei CO₂-Entnahmen sei man “auf dem falschen Weg”. Natürliche CO₂-Senken nehmen weiter ab. “Für eine klimaneutrale Zukunft müssen sowohl die natürlichen als auch die technischen Möglichkeiten deutlich verbessert werden.”

Zwar habe es kleine Verbesserungen beim sozial gerechten Übergang gegeben, aber insgesamt seien die Fortschritte auch hier noch zu langsam. Es gebe mehr Arbeitsplätze im Erneuerbaren-Sektor, jedoch stiegen fossile Subventionen zuletzt stärker an als die Mittel zur Steigerung der Energieeffizienz.

Um die EU bis 2050 klimaneutral zu machen, empfehlen die ECNO-Autoren:

  • fossile Subventionen schrittweise abzubauen und die Investitionslücke zu schließen.
  • Mittel zu Unterstützung nachhaltiger Investitionen umzuschichten, die die Ursachen von Energiearmut und Energiesicherheitsrisiken angehen.
  • EU-Finanzierung für Elektrifizierung, Netzinfrastruktur und Energieeffizienz sowie ein umweltfreundliches öffentliches Beschaffungswesen.
  • die Verkehrsemissionen zu senken durch Konzentration auf Unternehmensflotten mit hoher Kilometerleistung sowie Ausweitung des grenzüberschreitenden öffentlichen Verkehrs.
  • strenge, standardisierte Kriterien für die Beschaffung und Kennzeichnung nachhaltiger Lebensmittel, um eine gesündere, pflanzliche Ernährung zu fördern.
  • Lebensmittelverschwendung zu verringern durch strengere Leitlinien für Geschäfts- und Vermarktungspraktiken.
  • Vorgaben für Emissionsreduzierungen bei den Händlern und Verarbeitern von Agrarerzeugnissen.
  • Abkehr von Monokulturen hin zu naturnahen Wäldern mit einer größeren Mischung von Baumarten, um biologische Vielfalt und Widerstandsfähigkeit der Wälder zu fördern. luk
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US-Regierung prüft CO₂-Preis auf Industrieimporte

Eine CO₂-Abgabe auf kohlenstoffintensiv erzeugte Industrieimporte sei eine Möglichkeit “aus einer Reihe von Optionen”, welche die US-Regierung derzeit prüfe, um die eigene Industriebasis vor einem “Trittbrettfahren” ausländischer Hersteller zu schützen. Das sagte John Podesta, der ranghöchste Klimadiplomat des Landes, in einem Interview mit der Financial Times (FT). Es wäre ein Kurswechsel in eine Politik, die versucht, den Klimaschutz mit dem Kampf gegen Konkurrenz aus China zu vereinbaren.

Eine Entscheidung über den “spezifischen politischen Mechanismus” sei noch nicht gefallen, sagte Podesta demnach. Aber es gebe eine “überparteiliche Diskussion darüber, wie wir diese Frage angehen”. Tatsächlich arbeiten in den USA sowohl demokratische als auch republikanische Politiker schon seit einiger Zeit an entsprechenden Vorschlägen. Doch die politische Spaltung des Landes scheint eine Einigung bislang zu erschweren.

Die USA würden ihre industrielle Basis “nicht einfach Leuten überlassen”, die von einem offenen Welthandel profitierten, der die hohen Kosten kohlenstoffintensiver Produktion “nicht berücksichtigt und sogar subventioniert”, sagte Podesta der FT weiter. Derzeit prüfe die US-Regierung die Daten, “die wir brauchen, um einen politischen Rahmen dafür zu schaffen”. Vor allem im Stahl-, Aluminium-, Zement-, Glas-, Düngemittel- und in anderen CO₂-intensiven Sektoren sei eine Entscheidung nötig. Die Europäische Union führt mit ihrem Carbon Border Adjustment Mechanism (CBAM) gerade einen Preis auf CO₂-intensive Importe ein. ae

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Emissionshandel: Wie China das Überangebot an CO₂-Rechten verknappen will

China will mit neuen Regeln das Überangebot an Emissionszertifikation in seinem Emissionshandelssystem (ETS) reduzieren. Der am Dienstag vorgestellte Regelentwurf verbietet das bisher übliche “Ausleihen” von Zertifikaten aus der Zukunft. Er stellt zudem strengere Regeln für die Übertragung ungenutzter Zertifikate aus früheren Jahren in die Gegenwart auf, wie Bloomberg berichtet. Die neuen Regeln sollten auf dem ETS-Markt eine “leichte Knappheit” an CO₂-Zertifikaten erzeugen, teilte das zuständige Umweltministerium mit.

Bislang werden die CO₂-Zertifikate den teilnehmenden Kraftwerken anhand eines komplizierten Schlüssels kostenlos zugeteilt. Durch das derzeitige Überangebot hat der 2021 gestartete Emissionshandel praktisch keine Klimawirkung, wie Kritiker monieren. Trete die geplante Angebotsverknappung der Zertifikate in Kraft, werde das daher “ein starkes Signal an die Marktteilnehmer senden”, zitierte Bloomberg Yan Qin, Analystin bei der London Stock Exchange Group. Die Börse schätzt das Überangebot in Chinas ETS auf rund 360 Millionen Tonnen CO₂.

Auch legte das Ministerium für die Teilnehmer neue Emissionsziele für 2023 und 2024 fest. Sie müssen die Einhaltung dieser Ziele nun einmal pro Jahr statt alle zwei Jahre melden. Im Februar hatte Peking bereits die Strafen verschärft, wenn Teilnehmer ihre Emissionsberichte manipulieren. Derzeit müssen 2.257 Unternehmen aus dem Energiesektor am ETS teilnehmen – hauptsächlich Kohlekraftwerke. Eine Ausweitung auf andere Sektoren ist geplant; im März wurden Vorbereitungen für die Aufnahme der Aluminiumbranche bekannt, die voraussichtlich 2025 erfolgen wird.

Dass China parallel zum Aufbau erneuerbarer Kapazitäten weiter an fossilen Energien festhält, zeigte am Dienstag unterdessen eine Meldung von Reuters: Demnach hat China eine Organisation gegründet, die nationale Ölproduzenten und andere staatliche Unternehmen zusammenbringt, um nach sehr tiefen Öl- und Gasvorkommen zu suchen und um schwer zu fördernde nicht-konventionelle Ressourcen zu erschließen. ck

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Experten: So gelingt der Markt-Hochlauf für nachhaltiges Kerosin

Um den Hochlauf von nachhaltigem Flugkerosin (Sustainable Aviation Fuel, SAF) zu beschleunigen, sollten die EU-Gesetzgeber die Herstellungs- und Lieferketten des Öko-Kraftstoffs neu organisieren. Das fordert das PtX-Lab Lausitz, ein Praxislabor für Kraftstoffe aus grünem Wasserstoff. Zwar gebe es mit Refuel-EU Aviation bereits ein Gesetz, das zum Angebot von SAF an EU-Flughäfen verpflichtet und so auch die Nachfrage erhöhen soll. Doch es fehle noch an Flexibilität für Airlines und Kraftstoffhersteller, CO₂-Einsparungen durch Herstellung und Verwendung von SAF zu beanspruchen.

Die Autoren des PtX Lab Lausitz fordern, ein sogenanntes “Book and Claim”-System (B&C) weitläufig einzuführen. Dabei kann eine Airline SAF bei einem Hersteller, wie zum Beispiel der neuen Anlage in Werlte, in Auftrag geben, muss sie aber nicht selbst verwenden, um den Eintrag für den Klimaschutz für sich zu beanspruchen. Die SAF werden anschließend in den Flughäfen bereitgestellt und dem fossilen Kerosin beigemischt. Wer den nachhaltigen Kraftstoff letztendlich verwendet, ist unerheblich. Der tatsächliche Verwender hat dementsprechend auch kein Anrecht, die CO₂-Einsparungen für sich zu beanspruchen.

Verknüpfung zum EU-ETS fehlt

Zwar enthalte Refuel-EU Aviation bereits B&C-Ansätze, die es Anbietern erlauben, die gesetzlich festgelegten SAF-Quoten zu erfüllen, indem der SAF-Anteil an der Gesamtmenge an Flugkraftstofflieferungen berücksichtigt wird. Allerdings fehlte noch die Verknüpfung dieses B&C-Prinzips mit dem europäischen Emissionshandel (ETS). Dafür müssten Airlines in der Lage sein, CO₂-Einsparungen durch SAF-Verwendung im ETS zu verbuchen, ohne dieses tanken zu müssen. Bisher sind Airlines nur bei der Verwendung von SAF von der Abgabe von Emissionszertifikaten im ETS befreit.

Darüber hinaus fordern die Autoren strenge Nachhaltigkeitskriterien für SAF, beispielsweise gemäß der EU-Erneuerbaren-Energien-Richtlinie (RED). Die Erfüllung der Kriterien sollte auch monetarisierbar sein, ohne dass weniger nachhaltige Kraftstoffe vollständig außen vor gelassen werden. So spricht sich das PtX-Lab Lausitz dafür aus, Anbietern, die beispielsweise nur eine 80-prozentige CO₂-Reduktion gegenüber fossilem Kerosin ermöglichen können, dennoch den Marktzugang zu gewähren. Jedoch würde dieser Anbieter nur 80 Prozent seiner Lieferung als SAF deklarieren können. luk

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Heads

Die entscheidenden Köpfe der Klima-Szene – Wissenschaft

Friederike Otto – Physikerin und Attributionsforscherin, Imperial College London

Als Pionierin auf dem Feld der Attributionsforschung hat Friederike Otto die Klimawissenschaft revolutioniert. Mit ihrem niederländischen Kollegen Geert Jan van Oldenborgh gründete sie 2015 die Initiative World Weather Attribution – und WWA gelang erstmals, woran die Forschung zuvor regelmäßig scheiterte: zu zeigen, ob und wie einzelne Extremwetterereignisse tatsächlich mit dem Kllimawandel zusammenhängen. Dafür wurde die Physikerin und Philosophin vielfach ausgezeichnet. Otto ist Leitautorin des sechsten IPCC-Sachstandsberichts, leitete bis 2021 das Environmental Change Institute der Uni Oxford und forscht seither am Grantham Institute in London. Ihr Antrieb: Das Streben nach Gerechtigkeit. 

Felix Creutzig – Professor für Sustainability Economics of Human Settlements und Leiter der Arbeitsgruppe Landnutzung, Infrastruktur und Transport, Technische Universität Berlin

In seiner Forschung untersucht Felix Creutzig, wie die klimafreundliche Gesellschaft der Zukunft aussehen könnte – also wie Siedlungen, Verkehrs- oder Energiesysteme gebaut sein müssten, damit ein klimafreundlicher Alltag gelingt. Creutzig hat Physik und Medizin studiert und zur Ökonomie des Klimawandels geforscht, bevor er 2012 beim Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change (MCC) in Berlin die Leitung der Arbeitsgruppe zu Landnutzung, Infrastrukturen und Transport übernahm. Er war an mehreren IPCC-Berichten beteiligt, unter anderem als koordinierender Leitautor eines Kapitels im sechsten Sachstandsbericht. Seit 2017 hat er an der TU Berlin den neuen Lehrstuhl für Sustainability Economics of Human Settlements inne.

Antje Boetius – Direktorin, Alfred-Wegener-Institut (AWI)

Die deutsche Meeresbiologin und Mikrobiologin hat sich auf Fragen mariner Stoffkreisläufe und Lebensvielfalt sowie auf die Erforschung von Tiefseeökosystemen spezialisiert. Seit 2017 ist sie wissenschaftliche Direktorin des Alfred-Wegener-Instituts am Helmholtz-Zentrum für Polar und Meeresforschung (AWI) in Bremerhaven. Derzeit beschäftigt sie sich vor allem mit den Auswirkungen des Klimawandels auf die Biogeochemie und die Biodiversität des Arktischen Ozeans. Boetius hat seit 1989 an mehr als 50 Expeditionen auf deutschen und ausländischen Forschungsschiffen teilgenommen und entdeckte unter anderem mikrobielle Lebensgemeinschaften, die Methan abbauen, ohne Sauerstoff zu benötigen. 2018 wurde sie mit dem Umweltpreis der Bundesstiftung Umwelt ausgezeichnet.

Ottmar Edenhofer – Direktor und Chefökonom, Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK)

Der Klimaökonom Ottmar Edenhofer ist eine der profiliertesten Stimmen für eine konsequente globale CO₂-Bepreisung. Er lehrt als Professor an der TU Berlin, führt den Thinktank “Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change” (MCC) und leitet zusammen mit Johan Rockström das PIK. Er ist Mitglied vieler Wissenschafts-Akademien und Beratungsgremien und war 2008 bis 2015 Ko-Vorsitzender der Arbeitsgruppe III des IPCC. Er konzentriert sich auf die Kosten der Klimakrise und die Chancen für ökonomisch effizienten Klimaschutz. Edenhofer gehörte in seiner Jugend dem Jesuitenorden an und berät Papst Franziskus in wissenschaftlichen Fragen, unter anderem bei der Vorbereitung von dessen Enzyklika “Laudato Si”. Edenhofer nimmt aktiv an politischen und gesellschaftlichen Debatten rund um Klimaschutz, globale Gerechtigkeit und Entwicklungspolitik teil.

Franziska Tanneberger – Leiterin, Greifswald Moor Centrum (GMC)

Franziska Tanneberger hat es mit ihren Mitstreitenden geschafft, ein sperriges und komplexes Thema, das hochrelevant ist, in kurzer Zeit positiv in der öffentlichen Debatte zu verankern: den Schutz von Mooren, die Wiedervernässung von trockenen Moorstandorten. Dieser Beitrag zu Klimaschutz, Artenvielfalt, nachhaltiger Landwirtschaft und Wasserwirtschaft steht auf der Agenda des von Tanneberger geleiteten “Greifwald Moor Centrums”. An der Universität Greifswald arbeitet die Landschaftsökologin als Dozentin mit ihrem Team, unterstützt von der Michael-Succow-Stiftung. Sie treiben Moorschutzprojekten weltweit voran, erstellen die erste Weltkarte der Moore und bilden ein Netz aus Wirtschaft und Wissenschaft, um Feuchtgebiete per “Paludikultur” zu nachhaltigen und klimaschonenden Standorten zu machen. Tanneberger leitete 2020/21 den Zukunftsrat in Mecklenburg-Vorpommern und ist seit 2023 Mitglied im Nachhaltigkeitsrat der Bundesregierung.

Joeri Rogelj – Director of Research, Imperial College London

Der belgische Klimawissenschaftler untersucht die Verknüpfungen von Erdsystemwissenschaften und sozial-gesellschaftlichem Wandel sowie die Wirksamkeit internationaler Klimaschutzvereinbarungen, Kohlenstoffbudgets und Netto-Null-Zielen. Als einer der weltweit führenden Forscher war er Lead-Autor der Arbeitsgruppe I (naturwissenschaftliche Grundlagen) im sechsten IPCC-Sachstandsbericht. Zudem ist er Mitglied im Europäischen Wissenschaftlichen Beirat zum Klimawandel (ESABCC), dem wichtigsten Beratungsgremium der EU-Kommission zu Klimafragen.

Carl-Friedrich Schleussner – Leiter Forschungsgruppe Integrated Climate Impacts, International Institute for Applied System Analysis (IIASA)

Carl-Friedrich Schleussner forscht zu naturwissenschaftlichen Fragen der Klimakrise ebenso wie zu ihren sozialen Auswirkungen. Vor seiner Arbeit am IIASA war er Chef der Abteilung Klimawissenschaft bei der Beratungsfirma Climate Analytics. Das Unternehmen arbeitet mit 130 Experten überall auf der Welt an Konzepten zu Energiewende und Dekarbonisierung und bewertet Klima-Maßnahmen der Staaten. Schleussner beschäftigt sich vor allem auch mit den Fragen der internationalen Klimaverhandlungen und der Möglichkeit des “Überschießens” des 1,5-Grad-Ziels. Derzeit forscht seine Arbeitsgruppe an Modellen, um “from attribution to accountablilty” zu gelangen – also von der Zuordnung von Ursachen des Klimawandels hin zur Übernahme von Verantwortung. Der promovierte Physiker ist außerdem Honorarprofessor für Geografie und die Transformation im Mensch-Umwelt-System an der Humboldt-Universität in Berlin. 

Matthias Duwe – Head of Climate, Ecologic Institut

Als Beobachter verfolgt Matthias Duwe seit 1999 die internationalen Klimaverhandlungen und hat mehr als zwanzig Jahre Erfahrung in der EU-Klimapolitik. Er arbeitet als Head of Climate für das Ecologic Institut und koordiniert dort die klimapolitische Arbeit des gemeinnützigen Instituts. Vor allem beschäftigt er sich mit internationalen Klimaverhandlungen und der Klima- und Energiepolitik der Europäischen Union – im Speziellen mit Klimarahmengesetzen, nationalen Energie- und Klimaplänen und internationaler Klimadiplomatie. Studiert hat Duwe unter anderem Sozialwissenschaften mit einem Schwerpunkt auf Umweltpolitik und Umweltplanung an der Universität Oldenburg.

Andreas Knie – Soziologe, Leiter der Forschungsgruppe Digitale Mobilität und gesellschaftliche Differenzierung, Wissenschaftszentrum Berlin (WZB)

Aus welchen gesellschaftlichen Zusammenhängen entsteht neue Technik? Das ist die große Frage, die sich der Soziologe Andreas Knie in seiner Forschung immer wieder stellt. Er hat zur Karriere des Dieselmotors promoviert und plädiert schon lange für eine Verkehrswende, die nicht mehr das Auto in den Mittelpunkt der Politik stellt, sondern bessere und flexiblere öffentliche Angebote. Digitalisierung soll dabei helfen. Knie lehrt Soziologie an der TU Berlin, ist Mitglied der Scientists for Future und sitzt im Rat des Thinktanks Agora Verkehrswende. Seit 2020 leitet er gemeinsam mit Weert Canzler die Forschungsgruppe “Digitale Mobilität und gesellschaftliche Differenzierung” am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB).

Angelika Humbert – Glaziologin, Leiterin der Gruppe zur Eismodellierung und Fernerkundung von Eisschilden, Alfred-Wegener-Institut (AWI) Bremen

Eis ist für Angelika Humbert ein einzigartiges Material, und daraus speist sich ihre Forschung. Die Glaziologin entwickelt – und nutzt – satellitengestützte Methoden, um die Gletscher und Eisschilde der Polarregionen zu beobachten. Das tut sie auch vor Ort, auf Expeditionen in die Antarktis und Arktis. Mithilfe der gewonnenen Daten simuliert sie, wie sich das Eis in Grönland und der Antarktis künftig verhalten könnte, um dadurch den Anstieg des Meeresspiegels zu projizieren und Risiken besser abschätzen zu können. Das ist nicht trivial: Bisher verändern sich die Eismassen schneller und stärker, als die Modelle zeigen. Humbert hat an der TU Darmstadt Physik studiert und dort über Schelfeis promoviert. In Hamburg hat sie eine Arbeitsgruppe Glaziologie etabliert, seit 2012 ist sie am AWI. An der Uni Bremen hat sie eine Professur für Eismodellierung inne.

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Climate.Table Redaktion

CLIMATE.TABLE REDAKTION

Licenses:
    Liebe Leserin, lieber Leser,

    von schwarzen Schafen berichten wir Ihnen heute aus Neuseeland: Dort ist der bereits dritte Versuch gescheitert, die Klima-Emissionen in der Landwirtschaft zu bepreisen. Die neue Mitte-Rechts-Regierung hat zudem das Budget für Klimaschutz gestrichen. Nun soll auch noch die Suche nach Öl und Gas erleichtert werden. Marc Daalder analysiert, was die neue Politik für den Klimaschutz in Neuseeland bedeutet.

    Inhaftierte Journalisten, Menschenrechtsverletzungen, Einfluss der Öllobby – am COP29-Gastgeber Aserbaidschan gibt es Kritik. Dem Land fehle es zudem an Erfahrung in der Klimapolitik, sagt Nugzar Kokhreidze vom Climate Action Network (CAN) im Interview mit Lisa Kuner und Samira El Hattab.

    Außerdem berichten wir heute über eine Studie, die nahelegt, dass der UN-Klimarat IPCC wohl die Erderwärmung durch den Anstieg der CO₂-Konzentration unterschätzt hat. Falsch beurteilt wurde bislang auch, wie viele Jobs die Solarwirtschaft in Europa braucht. Zudem lesen Sie, was die USA und China in Sachen CO₂-Bepreisung planen. Und eine gute Nachricht gibt es auch – vom Ausbau der Windenergie in Deutschland.

    Wir wünschen Ihnen eine aufschlussreiche Lektüre!

    Ihr
    Lukas Bayer
    Bild von Lukas  Bayer

    Analyse

    Neuseeland: So baut die neue Regierung die Klimapolitik ab

    Auch schwarze Schafe darunter: In Neuseeland scheitert der dritte Versuch, die Klima-Emissionen der Landwirtschaft zu bepreisen.

    Erst vor kurzem hat die neue neuseeländische Regierung angekündigt, in ihrem ersten Haushalt Mittel für die Klimapolitik in Höhe von 3,7 Milliarden neuseeländische Dollar zu kürzen. Nun hat sie auch erklärt, sie werde zwei der wichtigsten Initiativen ihrer Vorgängerin zur Emissionsreduzierung aufgeben:

    • Das Verbot neuer Offshore-Suchen nach Erdöl- und Erdgas.
    • Die Einführung eines Preises auf Treibhausgasemissionen aus der Landwirtschaft. Damit verbunden ist wahrscheinlich die Aufweichung des Ziels für Methanemissionen.

    Umstrittene Argumente zur Gassuche

    Nach Angaben der Regierung gefährdet das sinkende Gasangebot die Energiesicherheit Neuseelands und ist eine Folge des 2018 verhängten Verbots neuer Offshore-Explorationen. Diese Ankündigung hat die konservative Partei in Großbritannien aufgegriffen, um damit im Wahlkampf ähnliche Pläne der dortigen Labour-Partei zu attackieren.

    Die Argumente der neuseeländischen Regierung sind jedoch nicht ganz stichhaltig. In der Vergangenheit hat es mindestens ein Jahrzehnt gedauert, bis in Neuseeland die Förderung von neuen Offshore-Gasvorkommen begonnen hat. Neue Vorkommen wären also frühestens 2028 auf dem Markt. Außerdem gibt es bereits entdeckte Vorkommen, die noch legal ausgebeutet werden können. Ein neuseeländisches Energieunternehmen hat erst letztes Jahr eine entsprechende Genehmigung beantragt. Und ein Bericht aus dem Jahr 2023, der als Grundlage für den Plan der Vorgängerregierung zur Abkehr vom Gas diente, kam zu dem Ergebnis, dass die vorhandenen Onshore-Felder allein ausreichen, um den neuseeländischen Stromsektor bis 2050 emissionsfrei zu versorgen.

    Kaum Öl und Gas, aber diplomatische Spannungen

    Der Grund für das sinkende Angebot ist nicht das Verbot von 2018, sondern eine ökonomische Tatsache: Offshore-Exploration und -Produktion sind in Neuseeland eine schlechte Investition. Das Land hat verbindliche Netto-Null-Ziele und Kohlenstoffbudgets. Zudem hat die Opposition zugesagt, das Offshore-Verbot wieder einzuführen, sollte sie an die Macht kommen. Mit anderen Worten: Eine langfristige Nachfrage ist unwahrscheinlich. Das Risiko der Staatsverschuldung schreckt Investoren zusätzlich ab.

    Deshalb wird in Neuseeland höchstwahrscheinlich kein neues Öl und Gas gefördert werden, selbst wenn die Regierung das Verbot aufhebt. Auch die Beziehungen Neuseelands zu den pazifischen Inseln könnten dadurch Schaden nehmen – traditionell hat Neuseeland mit ihnen eng zusammengearbeitet. Vanuatus Minister für Klimawandel, Ralph Regenvanu, forderte die neue Regierung im vergangenen Jahr auf, das Verbot nicht aufzuheben. Und Palaus Präsident Sonny Whipps Jr. bezeichnete den Schritt als “tragisch und rückwärtsgewandt”.

    Agrar-Emissionen nicht in den Emissionshandel

    In der gleichen Woche, in der die Aufhebung des Verbots bekannt gegeben wurde, gab es auch beim Klimaschutz in der Landwirtschaft eine drastische Veränderung. Landwirtschaftsminister Todd McClay und Klimaminister Simon Watts kündigten eine Änderung des neuseeländischen Zero Carbon Act an: Sie wollen eine Vorgabe abschaffen, nach der die Landwirtschaft spätestens 2025 in das neuseeländische Emissionshandelssystem (NZETS) aufgenommen werden muss.

    Das NZETS gilt bisher für alle Sektoren außer der Landwirtschaft. Nach langen Verhandlungen wurde 2019 eine Vereinbarung getroffen, die Emissionen aus der Viehhaltung bis spätestens 2025 zu bepreisen. Allerdings kamen im Lauf der Zeit sowohl die Regierung als auch der Landwirtschaftssektor zu dem Schluss, dass das NZETS nicht das beste Instrument dafür sei. Stattdessen entwickelten sie einen maßgeschneiderten Preisplan, der bis 2030 eine Abgabe von nur 0,09 neuseeländischen Dollar pro Kilo Lammfleisch und einen halben Cent pro Liter Milch vorsieht – die Beträge würden im Laufe der Zeit steigen. Die Frist bis 2025 für den Beitritt zum NZETS sollte als “Backstop” sicherstellen, dass sich der Sektor auf die Form des maßgeschneiderten Preisbildungssystems einigt.

    Zum dritten Mal scheitert ein Agrar-CO₂-Preis

    Umweltschützer kritisierten diesen Plan wegen seines mangelnden Ehrgeizes. Zugleich begann auch der Branchenkonsens zu bröckeln: Die Führung der landwirtschaftlichen Lobbygruppen hatte übersehen, dass ihre Basis immer noch mehrheitlich gegen einen Emissionspreis war. Und sie nahmen an, dass sie unter einer Mitte-Rechts-Regierung nach den Wahlen 2023 ein besseres Ergebnis erzielen könnten. Und tatsächlich hat die neue Regierung auch versprochen, das maßgeschneiderte Preissystem zu überarbeiten und bis 2030 umzusetzen. Gleichzeitig hat sie den NZETS-Backstop aufgehoben, es fehlt also ein Druckmittel.

    Damit sind zum dritten Mal Pläne zur Bepreisung von landwirtschaftlichen Emissionen in Neuseeland gescheitert. 2004 hatte die Industrie erfolgreich einen Plan für eine Kohlenstoffsteuer abgewehrt. 2013 strich eine frühere Mitte-Rechts-Regierung die Frist für den Beitritt zum NZETS im Jahr 2013.

    Methanziele werden abgeschwächt

    Darüber hinaus erklärte Landwirtschaftsminister McClay am 27. Juni, dass die Regierung die neuseeländischen Methanziele abschwächen werde. Damit würde sie sich über die Empfehlungen der unabhängigen Kommission für Klimawandel hinwegsetzen. Die bestehenden Methanziele wurden in Übereinstimmung mit den Pfaden aus dem IPCC-Sonderbericht zu 1,5 Grad festgelegt und sehen vor,

    • die Emissionen bis 2030 um zehn Prozent gegenüber 2017 zu senken und
    • sie bis 2050 um mindestens 24 Prozent, aber nicht um mehr als 47 Prozent gegenüber dem Niveau von 2017 zu reduzieren.

    Die Regierung hat nun eine separate Prüfung in Auftrag gegeben, die zeigen soll, wie die Ziele aussehen würden, wenn sie nur “keine zusätzliche Erwärmung” durch die Landwirtschaft nach 2017 erreichen sollten. Das würde die bisherige Erwärmung aus dem Agrarsektor “einfrieren” – von der Landwirtschaft würde nur eine Reduzierung verlangt, die ausreichen würde, um ihren Beitrag zur Erwärmung konstant zu halten. Der bisherige Ansatz hingegen sah vor, dass die Methanreduktion zu einer Abkühlung des Planeten beitragen soll.

    Die neuseeländische Kommission für Klimawandel hat erklärt, dass der neue Ansatz zu höheren Emissionen führen würde. Und die Zahlen des IPCC deuten darauf hin, dass die bisherigen ehrgeizigen Methanziele mehr als halbiert werden könnten, wenn der Ansatz “keine zusätzliche Erwärmung” gewählt wird. McClay erklärte kürzlich, die Regierung werde die Ziele des Überprüfungsgremiums annehmen – auch wenn sie im Widerspruch zu den Empfehlungen der Klimakommission stünden.

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    CAN-Experte: “Aserbaidschan weiß wenig über Klimadiplomatie”

    Nugzar Kokhreidze
    Nugzar Kokhreidze, Vorsitzender von CAN Osteuropa, Kaukasus und Zentralasien.

    Herr Kokhreidze, ist Aserbaidschan eine gute Wahl als Gastgeber der COP29?

    Nein, ich denke nicht, dass es eine gute Wahl ist, die COP in Aserbaidschan und in dieser Region zu veranstalten. Das ist wieder ein Land mit viel Öl und Gas. In den letzten Jahren haben die COPs immer in Ländern stattgefunden, die für sehr viele Emissionen verantwortlich sind. Ich denke, das ist der Einfluss der Öl- und Gaslobby und das ist ein Problem.  

    Teilen Sie die Befürchtung, dass die COP29 eine Greenwashing-Veranstaltung wird?

    Das ist aktuell die heiße Frage. Wir wollen nicht, dass es eine Greenwashing-Veranstaltung wird. Dafür setzen wir uns als Zivilgesellschaft ein und sehen auch einige Chancen dafür, dass das gelingt.

    Welche Chancen sind das genau?

    Es mag sein, dass Aserbaidschan die COP hauptsächlich nutzen will, um sein Image aufzubessern. Aber das klappt nur, wenn die COP-Verhandlungen erfolgreich sind und ambitionierte Klimaziele vereinbart werden. Wir von CAN organisieren uns aktuell mit anderen Akteuren, um auch die COP-Präsidentschaft davon zu überzeugen, dass das der beste Ansatz ist.

    “Nur eine erfolgreiche COP hilft, das Image aufzubessern”

    Vor welchen Herausforderungen stehen Sie dabei?

    Zum einen ist Aserbaidschan ein Land mit vielen Problemen und mit einem Demokratiedefizit. Immer wieder wird von Menschenrechtsverletzungen berichtet. Viele Vertreter der Zivilgesellschaft mussten das Land verlassen. Außerdem sehen wir die turbulente Situation zwischen Armenien und Aserbaidschan, von der niemand weiß, wie es weiter gehen wird und ob der Krieg nochmals aufflammen könnte. Zum anderen steht das Land jetzt vor diesen riesigen, wichtigen Klimaverhandlungen. Wir sind uns nicht sicher, wie viel die Verantwortlichen tatsächlich über Klimadiplomatie wissen und darüber, wie sie Prozesse steuern und erleichtern können.

    Sehen Sie große klimapolitische Ambitionen von Aserbaidschan?

    Ich sehe schon Ambitionen. Aber aus dem bisherigen Vorgehen schließe ich, dass es nicht genügend Kenntnisse und Verständnis für die Prozesse gibt. Aserbaidschan hat die Vereinigten Arabischen Emirate und einige andere Regierungen deshalb um Hilfe gebeten. Das sind die richten Schritte, aber ein Jahr wird nicht genug sein, um sich auf so wichtige Verhandlungen vorzubereiten. Die COP ist sehr komplex, schon als teilnehmendes Land. Alles zu koordinieren und globale Ziele zu erreichen als Gastgeber, ist noch viel komplexer. Die Frage ist, wie gut das Aserbaidschan gelingt.

    “Das Land ist mit dem fossilen Ausstieg schon konfrontiert”

    Bei der diesjährigen COP wird es auch wieder um den weltweiten Ausstieg aus den fossilen Energien gehen. Wie gut kann ein ölexportierendes Land darin sein, den Ausstieg aus den Fossilen zu koordinieren?

    Aserbaidschan ist selbst sowieso schon mit dem Ausstieg konfrontiert, die Ölressourcen gehen zurück. Die Ölbohrungen verursachen auch Probleme mit Trinkwasser und der Wasserstand im Kaspischen Meer geht zurück. In den nächsten Jahren wird sich das Land also auf Gas konzentrieren. Gleichzeitig wird Aserbaidschan aber auch Erneuerbare ausbauen: Nicht, weil es das unbedingt will, sondern aus wirtschaftlichen Interessen. Aktuell gibt es Planungen für Solarprojekte, um in Zukunft Exporteur für grüne Energie in die EU zu werden. Das ist die politische Vision, aber Gas ist Teil von ihr und das in ein Problem.

    Denken Sie, Aserbaidschan tut genug, um den Ausstieg aus den Fossilen voranzutreiben?

    Nein, natürlich nicht. Die fossile Lobby ist noch immer sehr stark, das wird sich in den kommenden Jahren auch nicht ändern.

    “Das Narrativ der Friedens-COP ist Propaganda”

    Aserbaidschan hat angekündigt, diese COP solle eine COP der Freiheit werden. Was sagen Sie dazu mit Blick auf die Menschenrechtslage?

    Hoffen wir es. Es wäre sehr gut, wenn alle politischen Gefangenen und Vertreter von Menschenrechtsorganisationen, die aktuell gefangen sind und misshandelt werden, freigelassen würden. Ich bin allerdings sehr skeptisch, dass das passiert. Aber man kann ja hoffen.

    Die COP29 wird auch als “COP des Friedens” beworben. Kann das gelingen?

    Dieses Narrativ kommt von dem Konflikt in Bergkarabach. Aserbaidschan hat den Krieg gewonnen und ich denke, jetzt will es der Welt zeigen, was für ein friedliches Land es ist. Aber das ist klar geopolitische Propaganda: Tausende Armenier mussten Bergkarabach verlassen. Das sind jetzt Flüchtlinge, die nicht zurückkehren können. In dieser Situation von Frieden zu sprechen, ist sehr problematisch.

    “Die Zivilgesellschaft braucht Hilfe”

    Was ist nötig, um rund um die COP die Einhaltung der Menschenrechte und insbesondere Pressefreiheit zu garantieren?

    Das ist eine der großen Fragen, an denen CAN mit Vertretern aus Aserbaidschan arbeitet. Wir hören immer: Alles wird gut, es ist alles sicher. Aserbaidschan ist eigentlich auch ein sehr gastfreundliches Land. Aber wir sehen auch, dass die Regierung nicht besonders offen ist. Ich bin also nicht zu optimistisch: Vielleicht gehen die Menschenrechtsverletzungen rund um die COP etwas zurück, aber danach wird wieder alles wie vorher sein. Darum wünschen wir uns internationale Unterstützung für die Zivilgesellschaft in der Region. Klimagerechtigkeit funktioniert nicht ohne Menschenrechte und ohne Zivilgesellschaft.

    Gehen Sie davon aus, dass es bei Protesten und journalistischer Arbeit rund um die COP Probleme geben wird?

    Zu solchen Situationen konnten wir ja in den vergangenen Jahren in Ägypten und in Dubai schon Erfahrung sammeln: Die Blue Zone bei der COP [der offizielle Raum der Verhandlungen, Anm.d.Red.] wird der Bereich sein, in dem Protest möglich ist. Im Rest des Landes gibt es keine Meinungsfreiheit, keine Demonstrationsfreiheit. Es ist auch schwierig, die lokale Bevölkerung mit einzubinden, wenn Proteste außerhalb des COP-Geländes nicht möglich sind. Die Lage wird sich bis zur COP nicht stark verbessern.

    mit Mitarbeit von Samira El Hattab

    • COP29
    • Klimaaktivisten
    • Zivilgesellschaft
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    Termine

    4. Juli, Großbritannien
    Wahlen Unterhauswahlen in Großbritannien
    Großbritannien wählt das Unterhaus neu. Der britische Premierminister Rishi Sunak hatte am 22. Mai 2024 die vorzeitige Auflösung des britischen Unterhauses beantragt. Gewählt werden 650 Abgeordnete.

    7. Juli, Frankreich
    Wahlen Stichwahl Parlamentswahl in Frankreich
    Nach den von Präsident Macron einberufenen Neuwahlen finden an diesem Sonntag die Stichwahlen statt.

    8. bis 17. Juli, New York
    UN-Treffen High-Level Political Forum on Sustainable Development
    Der Wirtschafts- und Sozialrat der UN hält dieses High-Level Forum ab. Dort wird der Fortschritt zum Erreichen der Nachhaltigen Entwicklungsziele (SDGs) diskutiert. Im Fokus stehen in diesem Jahr die SDGs 1, 2, 13, 16 und 17. Infos

    9. Juli, 11 Uhr, Online
    Webinar What are the key climate priorities for the new UK government?
    Nach den Wahlen in Großbritannien veranstaltet Carbon Brief ein Webinar, um die mögliche Klimapolitik der kommenden Regierung zu diskutieren. Infos

    9. Juli, 18.30 Uhr, Online
    Webinar Geothermische Technologien in Ballungsräumen – Möglichkeiten und Herausforderungen
    Bei der Umstellung auf erneuerbare Energien kann der Geothermie in Deutschland eine besondere Rolle zukommen. Bei dem Webinar der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften (Acatech) wird über die Möglichkeiten und Herausforderungen dieser Technologie diskutiert. Infos

    11. Juli, 13 Uhr, Online
    Workshop Umgang mit Klimaskepsis und Verzögerungstaktiken
    Diese Veranstaltung findet im Rahmen des HIGELA-Hitzeresilienzprojekts statt, das vom AWO Bundesverband e.V. und der Deutschen Allianz Klimawandel und Gesundheit (KLUG e.V.) geleitet wird. Darin wird darüber aufgeklärt, welche Verzögerungstaktiken genutzt werden, um ambitionierten Klimaschutz zu verhindern. Infos

    11. Juli, 14 Uhr, Online
    Webinar The Path to Net Zero: A Climate Mitigation Journey for Banks
    In diesem Webinar des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (UNEP) wird der Bericht “Climate Mitigation Journey for Banks” vorgestellt. Er soll aufzeigen, wie Banken sich in den kommenden Jahren weiterentwickeln müssen, um sich an das Pariser Abkommen anzupassen. Infos

    11. Juli, 14 Uhr, Online
    Webinar Spotlighting Cost-Effective and Scalable Solutions to Reduce Methane in the Agriculture Sector
    Die Climate and Clean Air Coalition (CCAC) richtet dieses Webinar aus, auf dem darüber diskutiert wird, wie Methanemissionen in der Landwirtschaft schnell und effizient reduziert werden können.  Infos

    11. Juli, 19 Uhr, München / Online
    Vortrag Klimaklagen als Ausweg aus der Klimakrise?
    Die Anwältin Roda Verheyen spricht in diesem Vortrag darüber, welche Rolle Klimaklagen im Klimaschutz spielen. Der Vortrag wird von “Protect the Planet” organisiert. Infos

    11. und 12. Juli, Belém
    G20 Treffen Global Mobilization against Climate Change Task Force
    Im G20-Zyklus trifft sich die Taskforce für “Global Mobilization against Climate Change” in Belém, Brasilien. Infos

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    News

    Klima in Zahlen: So viele Jobs braucht die Solarwirtschaft in Europa

    Der Bedarf an qualifizierten Arbeitskräften in der europäischen Solarindustrie steigt nach Angaben der Branche schneller als erwartet. Deshalb hat die Europäische Kommission Ende Juni den Startschuss für eine Europäische Solarakademie gegeben. Ziel ist es, in den nächsten drei Jahren 100.000 Arbeitskräfte für die Solarbranche zu qualifizieren. Dabei soll die gesamte Wertschöpfungskette berücksichtigt werden. Allein in der Produktion von Modulen und Systemkomponenten werden nach Schätzungen der Kommission bis 2030 rund 66.000 Fachkräfte benötigt. Binnenmarktkommissar Thierry Breton sprach von einer “dringenden Qualifikationslücke“, er stellt aus seinem Etat neun Millionen Euro für die Gründung der Akademie zur Verfügung.

    Aufgabe der Solarakademie ist es, gemeinsam mit der Industrie und anderen Branchenakteuren Lerninhalte und Qualifizierungsmaßnahmen zu entwickeln. Die europäische Solarwirtschaft muss viele zusätzliche Arbeitskräfte einstellen, um die Ausbauziele der EU zu erreichen. Der RePowerEU-Plan der Kommission sieht vor, bis 2025 eine Photovoltaik-Kapazität von mehr als 320 Gigawatt aufzubauen. Bis 2030 sollen es fast 600 Gigawatt sein. Laut dem aktuellen EU Market Outlook ihres Verbands wurden 2023 europaweit 55,9 Gigawatt Photovoltaik neu installiert, 40 Prozent mehr als im Vorjahr. Treiber der Entwicklung waren vor allem Deutschland und Spanien.

    Solarpower Europe hatte ursprünglich angenommen, dass erst 2030 eine Million Arbeitskräfte in der europäischen Solarwirtschaft benötigt werden. Doch trotz leicht rückläufiger prognostizierter Wachstumsraten geht der Verband inzwischen davon aus, dass dieser Fachkräftebedarf bereits 2025 erreicht wird.

    Die deutsche Solarwirtschaft hat nach Meinung von Experten den Fachkräftemangel überraschend gut gemeistert. Laut Carsten Körnig, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands Solarwirtschaft (BSW), wirke es entlastend, “dass in den letzten zwei Jahren nach unserer Schätzung weitere rund 5.000 Betriebe aus dem konventionellen Elektrohandwerk in die Solarbranche eingestiegen sind”. Nach Angaben des BSW arbeiten derzeit rund 118.000 Menschen in der deutschen Solarbranche. Bis 2030 rechnet der Verband mit einem Zuwachs auf 138.000 Beschäftigte. ch

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    Studie: IPCC unterschätzt deutlich Klimasensitivität und Erwärmung

    Die CO₂-Konzentration in der Atmosphäre wirkt sich wohl stärker auf den Temperaturanstieg aus als bisher angenommen, zeigt eine aktuelle Studie im Fachmagazin Nature. Demnach würde eine Verdopplung der CO₂-Konzentration zu einer langfristigen Erderwärmung von 7,2 Grad Celsius führen. Derzeit liegt die CO₂-Konzentration bei rund 420 ppm; vor der Industrialisierung waren es 280 ppm.

    Die Ergebnisse seien konsistent mit ähnlichen Studien und “viel größer als die 2,3 bis 4,5 Grad Celsius, die der UN-Klimarat IPCC bisher geschätzt hat”, sagt Caitlyn Witkowsi. Sie forscht am ozeanografischen Royal Netherlands Institute for Sea Research (NIOZ) in den Niederlanden zur sogenannten Klimasensitivität und war Leitautorin der Studie. Die höheren Breiten und der Alpenraum würden sich demnach sogar um 11,6 Grad erwärmen. Die mittleren Breiten, zu denen Deutschland zählt, könnten um 8,6 Grad heißer werden und die Tropen um 5 Grad.

    Für die Untersuchung hat das Forschungsteam einen 45 Jahre alten Bohrkern vom Grund des Pazifiks analysiert. In ihm hatte sich organisches Material besonders gut erhalten. Dadurch konnte die CO₂-Konzentration der vergangenen 15 Millionen Jahre ermittelt und die Temperatur abgeleitet werden. Der Geochemiker und Mitautor Jaap Sinninghe Damsté, ebenfalls vom NIOZ, sieht darin eine “eindeutige Warnung”. Die CO₂-Konzentration habe “wahrscheinlich einen stärkeren Einfluss auf die Temperatur, als wir derzeit berücksichtigen”, so Damsté. lb

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    Gericht: US-Regierung muss LNG-Moratorium aufheben

    Die US-Regierung muss Anträge auf die Genehmigung neuer LNG-Exportterminals ab sofort wieder bearbeiten. Das hat ein Gericht in Louisiana am vergangenen Montag entschieden. 16 republikanisch regierte Staaten, unter ihnen Louisiana, West Virginia, Oklahoma, Texas und Wyoming, hatten gegen das Moratorium geklagt. Das Gericht gab ihnen recht. Jetzt prüft die US-Bundesregierung, wie sie darauf reagiert.

    In seinem Urteil kam der zuständige Richter zu dem Schluss: Die Staaten hätten ausreichend belegt, dass ihnen durch die Pause Steuer- und Lizenzeinnahmen sowie Jobs entgingen, die anderenfalls hätten entstehen können. Das Moratorium sei “völlig ohne Vernunft und Logik”. Indem sie es erließ, habe die US-Regierung zudem ihre Befugnisse überschritten.

    Das Weiße Haus hatte das Moratorium im Januar verfügt, um die Auswirkungen der geplanten LNG-Exporte auf Klima, Sicherheit und die Wirtschaft zu prüfen. Wie die New York Times (NYT) berichtet, sollte die Prüfung laut US-Energieministerin Jennifer Granholm “spät in diesem Jahr” abgeschlossen sein – also womöglich erst nach der Präsidentschaftswahl Anfang November. Die klagenden Bundesstaaten hatten das Moratorium hingegen in ihrer Klage als “Exportbann” bezeichnet.

    LNG-Boom in den USA auch unter Biden

    Die USA sind der größte LNG-Exporteur weltweit. Der New York Times zufolge dürften allein die bereits genehmigten neuen Terminals ausreichen, um die bisher bestehenden Exportkapazitäten bis zum Ende des Jahrzehnts zu verdoppeln. Wie die Zeitung weiter schreibt, hat das Genehmigungsmoratorium “Öl- und Gasunternehmen gegen Herrn Biden mobilisiert, wie Branchenlobbyisten berichten”.

    Dabei boomte die Branche unter Bidens Präsidentschaft, wie von der Nachrichtenagentur Reuters zusammengestellte Daten zeigen. Ex-Präsident Donald Trump hat auf einem Fundraising-Event im Mai bereits angekündigt, die Öl- und Gasindustrie im Falle seiner Wiederwahl durch neue Pipelines und die Wiederaufnahme von Fracking auf bundeseigenem Land zu unterstützen. ae

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    Netzagentur: Rekord bei Genehmigungen für Windausbau an Land

    Nach dem kräftigen Wachstum der Solarenergie in Deutschland zieht jetzt offenbar auch der Ausbau der Windenergie an Land deutlich an. Bis zum 1. Mai wurde nach Zahlen der Bundesnetzagentur in diesem Jahr der Neubau von knapp 2,4 Gigawatt an Leistung bewilligt. Damit wurde die Vorgabe des Erneuerbaren Energien-Gesetz (EEG) von 2,5 GW fast erfüllt.

    Ausgeschrieben waren knapp 2,8 GW, eingereicht wurden Projekte mit einem Gesamtvolumen von knapp 2,5 GW. Ähnliche Mengen gab es laut BNetzA seit 2017 nicht mehr. “Die aktuelle Ausschreibungsrunde stellt mit fast 2,5 Gigawatt eingereichter Gebotsmenge einen Rekord dar und bestätigt den Trend steigender Gebots- und Genehmigungszahlen”, sagte BNetzA-Präsident Klaus Müller. “Bei einer Fortsetzung dieser positiven Entwicklung sind die Zubauziele bei Wind an Land erreichbar.”

    Die Preise im Gebotsverfahren lagen laut Behördenanlagen zwischen 7,20 Cent und 7,35 Cent pro Kilowattstunde.  Die meisten Zuschläge gingen nach Nordrhein-Westfalen (727 MW), Niedersachsen (430 MW) und Schleswig-Holstein (318 MW). bpo   

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    Studie: Investitionslücke für Klimaschutz in der EU bleibt bestehen

    Trotz verschiedener EU-Programme zur Förderung der privaten und öffentlichen Finanzierung für Klimaschutzmaßnahmen besteht weiterhin eine erhebliche Investitionslücke. Um das Klimaziel für 2030 zu erreichen, müssten die Investitionen auf 800 Milliarden Dollar pro Jahr verdoppelt werden. Gleichzeitig steigen die Subventionen für fossile Brennstoffe in der EU. Das ist das Ergebnis einer Untersuchung des European Climate Neutrality Observatory (ECNO) – der Thinktank beobachtet Fortschritte bei den EU-Klimazielen. Unter anderem das Ecologic Institute und das New Climate Institute haben an der Studie mitgearbeitet.

    Bei der Finanzierung von Klimaschutzmaßnahmen habe es im Vergleich zum Vorjahr kaum Verbesserungen und sogar einige Verschlechterungen gegeben, die weitere Fortschritte in anderen Sektoren gefährden, schreiben die Autoren. Die Renovierung von Gebäuden sowie die Umstellung auf emissionsfreie Mobilität gingen beispielsweise viel zu langsam voran. Emissionen im Straßenverkehr gingen gar in die falsche Richtung und hätten zugenommen.

    Natürliche Senken nehmen ab

    Auch bei CO₂-Entnahmen sei man “auf dem falschen Weg”. Natürliche CO₂-Senken nehmen weiter ab. “Für eine klimaneutrale Zukunft müssen sowohl die natürlichen als auch die technischen Möglichkeiten deutlich verbessert werden.”

    Zwar habe es kleine Verbesserungen beim sozial gerechten Übergang gegeben, aber insgesamt seien die Fortschritte auch hier noch zu langsam. Es gebe mehr Arbeitsplätze im Erneuerbaren-Sektor, jedoch stiegen fossile Subventionen zuletzt stärker an als die Mittel zur Steigerung der Energieeffizienz.

    Um die EU bis 2050 klimaneutral zu machen, empfehlen die ECNO-Autoren:

    • fossile Subventionen schrittweise abzubauen und die Investitionslücke zu schließen.
    • Mittel zu Unterstützung nachhaltiger Investitionen umzuschichten, die die Ursachen von Energiearmut und Energiesicherheitsrisiken angehen.
    • EU-Finanzierung für Elektrifizierung, Netzinfrastruktur und Energieeffizienz sowie ein umweltfreundliches öffentliches Beschaffungswesen.
    • die Verkehrsemissionen zu senken durch Konzentration auf Unternehmensflotten mit hoher Kilometerleistung sowie Ausweitung des grenzüberschreitenden öffentlichen Verkehrs.
    • strenge, standardisierte Kriterien für die Beschaffung und Kennzeichnung nachhaltiger Lebensmittel, um eine gesündere, pflanzliche Ernährung zu fördern.
    • Lebensmittelverschwendung zu verringern durch strengere Leitlinien für Geschäfts- und Vermarktungspraktiken.
    • Vorgaben für Emissionsreduzierungen bei den Händlern und Verarbeitern von Agrarerzeugnissen.
    • Abkehr von Monokulturen hin zu naturnahen Wäldern mit einer größeren Mischung von Baumarten, um biologische Vielfalt und Widerstandsfähigkeit der Wälder zu fördern. luk
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    US-Regierung prüft CO₂-Preis auf Industrieimporte

    Eine CO₂-Abgabe auf kohlenstoffintensiv erzeugte Industrieimporte sei eine Möglichkeit “aus einer Reihe von Optionen”, welche die US-Regierung derzeit prüfe, um die eigene Industriebasis vor einem “Trittbrettfahren” ausländischer Hersteller zu schützen. Das sagte John Podesta, der ranghöchste Klimadiplomat des Landes, in einem Interview mit der Financial Times (FT). Es wäre ein Kurswechsel in eine Politik, die versucht, den Klimaschutz mit dem Kampf gegen Konkurrenz aus China zu vereinbaren.

    Eine Entscheidung über den “spezifischen politischen Mechanismus” sei noch nicht gefallen, sagte Podesta demnach. Aber es gebe eine “überparteiliche Diskussion darüber, wie wir diese Frage angehen”. Tatsächlich arbeiten in den USA sowohl demokratische als auch republikanische Politiker schon seit einiger Zeit an entsprechenden Vorschlägen. Doch die politische Spaltung des Landes scheint eine Einigung bislang zu erschweren.

    Die USA würden ihre industrielle Basis “nicht einfach Leuten überlassen”, die von einem offenen Welthandel profitierten, der die hohen Kosten kohlenstoffintensiver Produktion “nicht berücksichtigt und sogar subventioniert”, sagte Podesta der FT weiter. Derzeit prüfe die US-Regierung die Daten, “die wir brauchen, um einen politischen Rahmen dafür zu schaffen”. Vor allem im Stahl-, Aluminium-, Zement-, Glas-, Düngemittel- und in anderen CO₂-intensiven Sektoren sei eine Entscheidung nötig. Die Europäische Union führt mit ihrem Carbon Border Adjustment Mechanism (CBAM) gerade einen Preis auf CO₂-intensive Importe ein. ae

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    Emissionshandel: Wie China das Überangebot an CO₂-Rechten verknappen will

    China will mit neuen Regeln das Überangebot an Emissionszertifikation in seinem Emissionshandelssystem (ETS) reduzieren. Der am Dienstag vorgestellte Regelentwurf verbietet das bisher übliche “Ausleihen” von Zertifikaten aus der Zukunft. Er stellt zudem strengere Regeln für die Übertragung ungenutzter Zertifikate aus früheren Jahren in die Gegenwart auf, wie Bloomberg berichtet. Die neuen Regeln sollten auf dem ETS-Markt eine “leichte Knappheit” an CO₂-Zertifikaten erzeugen, teilte das zuständige Umweltministerium mit.

    Bislang werden die CO₂-Zertifikate den teilnehmenden Kraftwerken anhand eines komplizierten Schlüssels kostenlos zugeteilt. Durch das derzeitige Überangebot hat der 2021 gestartete Emissionshandel praktisch keine Klimawirkung, wie Kritiker monieren. Trete die geplante Angebotsverknappung der Zertifikate in Kraft, werde das daher “ein starkes Signal an die Marktteilnehmer senden”, zitierte Bloomberg Yan Qin, Analystin bei der London Stock Exchange Group. Die Börse schätzt das Überangebot in Chinas ETS auf rund 360 Millionen Tonnen CO₂.

    Auch legte das Ministerium für die Teilnehmer neue Emissionsziele für 2023 und 2024 fest. Sie müssen die Einhaltung dieser Ziele nun einmal pro Jahr statt alle zwei Jahre melden. Im Februar hatte Peking bereits die Strafen verschärft, wenn Teilnehmer ihre Emissionsberichte manipulieren. Derzeit müssen 2.257 Unternehmen aus dem Energiesektor am ETS teilnehmen – hauptsächlich Kohlekraftwerke. Eine Ausweitung auf andere Sektoren ist geplant; im März wurden Vorbereitungen für die Aufnahme der Aluminiumbranche bekannt, die voraussichtlich 2025 erfolgen wird.

    Dass China parallel zum Aufbau erneuerbarer Kapazitäten weiter an fossilen Energien festhält, zeigte am Dienstag unterdessen eine Meldung von Reuters: Demnach hat China eine Organisation gegründet, die nationale Ölproduzenten und andere staatliche Unternehmen zusammenbringt, um nach sehr tiefen Öl- und Gasvorkommen zu suchen und um schwer zu fördernde nicht-konventionelle Ressourcen zu erschließen. ck

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    Experten: So gelingt der Markt-Hochlauf für nachhaltiges Kerosin

    Um den Hochlauf von nachhaltigem Flugkerosin (Sustainable Aviation Fuel, SAF) zu beschleunigen, sollten die EU-Gesetzgeber die Herstellungs- und Lieferketten des Öko-Kraftstoffs neu organisieren. Das fordert das PtX-Lab Lausitz, ein Praxislabor für Kraftstoffe aus grünem Wasserstoff. Zwar gebe es mit Refuel-EU Aviation bereits ein Gesetz, das zum Angebot von SAF an EU-Flughäfen verpflichtet und so auch die Nachfrage erhöhen soll. Doch es fehle noch an Flexibilität für Airlines und Kraftstoffhersteller, CO₂-Einsparungen durch Herstellung und Verwendung von SAF zu beanspruchen.

    Die Autoren des PtX Lab Lausitz fordern, ein sogenanntes “Book and Claim”-System (B&C) weitläufig einzuführen. Dabei kann eine Airline SAF bei einem Hersteller, wie zum Beispiel der neuen Anlage in Werlte, in Auftrag geben, muss sie aber nicht selbst verwenden, um den Eintrag für den Klimaschutz für sich zu beanspruchen. Die SAF werden anschließend in den Flughäfen bereitgestellt und dem fossilen Kerosin beigemischt. Wer den nachhaltigen Kraftstoff letztendlich verwendet, ist unerheblich. Der tatsächliche Verwender hat dementsprechend auch kein Anrecht, die CO₂-Einsparungen für sich zu beanspruchen.

    Verknüpfung zum EU-ETS fehlt

    Zwar enthalte Refuel-EU Aviation bereits B&C-Ansätze, die es Anbietern erlauben, die gesetzlich festgelegten SAF-Quoten zu erfüllen, indem der SAF-Anteil an der Gesamtmenge an Flugkraftstofflieferungen berücksichtigt wird. Allerdings fehlte noch die Verknüpfung dieses B&C-Prinzips mit dem europäischen Emissionshandel (ETS). Dafür müssten Airlines in der Lage sein, CO₂-Einsparungen durch SAF-Verwendung im ETS zu verbuchen, ohne dieses tanken zu müssen. Bisher sind Airlines nur bei der Verwendung von SAF von der Abgabe von Emissionszertifikaten im ETS befreit.

    Darüber hinaus fordern die Autoren strenge Nachhaltigkeitskriterien für SAF, beispielsweise gemäß der EU-Erneuerbaren-Energien-Richtlinie (RED). Die Erfüllung der Kriterien sollte auch monetarisierbar sein, ohne dass weniger nachhaltige Kraftstoffe vollständig außen vor gelassen werden. So spricht sich das PtX-Lab Lausitz dafür aus, Anbietern, die beispielsweise nur eine 80-prozentige CO₂-Reduktion gegenüber fossilem Kerosin ermöglichen können, dennoch den Marktzugang zu gewähren. Jedoch würde dieser Anbieter nur 80 Prozent seiner Lieferung als SAF deklarieren können. luk

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    Heads

    Die entscheidenden Köpfe der Klima-Szene – Wissenschaft

    Friederike Otto – Physikerin und Attributionsforscherin, Imperial College London

    Als Pionierin auf dem Feld der Attributionsforschung hat Friederike Otto die Klimawissenschaft revolutioniert. Mit ihrem niederländischen Kollegen Geert Jan van Oldenborgh gründete sie 2015 die Initiative World Weather Attribution – und WWA gelang erstmals, woran die Forschung zuvor regelmäßig scheiterte: zu zeigen, ob und wie einzelne Extremwetterereignisse tatsächlich mit dem Kllimawandel zusammenhängen. Dafür wurde die Physikerin und Philosophin vielfach ausgezeichnet. Otto ist Leitautorin des sechsten IPCC-Sachstandsberichts, leitete bis 2021 das Environmental Change Institute der Uni Oxford und forscht seither am Grantham Institute in London. Ihr Antrieb: Das Streben nach Gerechtigkeit. 

    Felix Creutzig – Professor für Sustainability Economics of Human Settlements und Leiter der Arbeitsgruppe Landnutzung, Infrastruktur und Transport, Technische Universität Berlin

    In seiner Forschung untersucht Felix Creutzig, wie die klimafreundliche Gesellschaft der Zukunft aussehen könnte – also wie Siedlungen, Verkehrs- oder Energiesysteme gebaut sein müssten, damit ein klimafreundlicher Alltag gelingt. Creutzig hat Physik und Medizin studiert und zur Ökonomie des Klimawandels geforscht, bevor er 2012 beim Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change (MCC) in Berlin die Leitung der Arbeitsgruppe zu Landnutzung, Infrastrukturen und Transport übernahm. Er war an mehreren IPCC-Berichten beteiligt, unter anderem als koordinierender Leitautor eines Kapitels im sechsten Sachstandsbericht. Seit 2017 hat er an der TU Berlin den neuen Lehrstuhl für Sustainability Economics of Human Settlements inne.

    Antje Boetius – Direktorin, Alfred-Wegener-Institut (AWI)

    Die deutsche Meeresbiologin und Mikrobiologin hat sich auf Fragen mariner Stoffkreisläufe und Lebensvielfalt sowie auf die Erforschung von Tiefseeökosystemen spezialisiert. Seit 2017 ist sie wissenschaftliche Direktorin des Alfred-Wegener-Instituts am Helmholtz-Zentrum für Polar und Meeresforschung (AWI) in Bremerhaven. Derzeit beschäftigt sie sich vor allem mit den Auswirkungen des Klimawandels auf die Biogeochemie und die Biodiversität des Arktischen Ozeans. Boetius hat seit 1989 an mehr als 50 Expeditionen auf deutschen und ausländischen Forschungsschiffen teilgenommen und entdeckte unter anderem mikrobielle Lebensgemeinschaften, die Methan abbauen, ohne Sauerstoff zu benötigen. 2018 wurde sie mit dem Umweltpreis der Bundesstiftung Umwelt ausgezeichnet.

    Ottmar Edenhofer – Direktor und Chefökonom, Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK)

    Der Klimaökonom Ottmar Edenhofer ist eine der profiliertesten Stimmen für eine konsequente globale CO₂-Bepreisung. Er lehrt als Professor an der TU Berlin, führt den Thinktank “Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change” (MCC) und leitet zusammen mit Johan Rockström das PIK. Er ist Mitglied vieler Wissenschafts-Akademien und Beratungsgremien und war 2008 bis 2015 Ko-Vorsitzender der Arbeitsgruppe III des IPCC. Er konzentriert sich auf die Kosten der Klimakrise und die Chancen für ökonomisch effizienten Klimaschutz. Edenhofer gehörte in seiner Jugend dem Jesuitenorden an und berät Papst Franziskus in wissenschaftlichen Fragen, unter anderem bei der Vorbereitung von dessen Enzyklika “Laudato Si”. Edenhofer nimmt aktiv an politischen und gesellschaftlichen Debatten rund um Klimaschutz, globale Gerechtigkeit und Entwicklungspolitik teil.

    Franziska Tanneberger – Leiterin, Greifswald Moor Centrum (GMC)

    Franziska Tanneberger hat es mit ihren Mitstreitenden geschafft, ein sperriges und komplexes Thema, das hochrelevant ist, in kurzer Zeit positiv in der öffentlichen Debatte zu verankern: den Schutz von Mooren, die Wiedervernässung von trockenen Moorstandorten. Dieser Beitrag zu Klimaschutz, Artenvielfalt, nachhaltiger Landwirtschaft und Wasserwirtschaft steht auf der Agenda des von Tanneberger geleiteten “Greifwald Moor Centrums”. An der Universität Greifswald arbeitet die Landschaftsökologin als Dozentin mit ihrem Team, unterstützt von der Michael-Succow-Stiftung. Sie treiben Moorschutzprojekten weltweit voran, erstellen die erste Weltkarte der Moore und bilden ein Netz aus Wirtschaft und Wissenschaft, um Feuchtgebiete per “Paludikultur” zu nachhaltigen und klimaschonenden Standorten zu machen. Tanneberger leitete 2020/21 den Zukunftsrat in Mecklenburg-Vorpommern und ist seit 2023 Mitglied im Nachhaltigkeitsrat der Bundesregierung.

    Joeri Rogelj – Director of Research, Imperial College London

    Der belgische Klimawissenschaftler untersucht die Verknüpfungen von Erdsystemwissenschaften und sozial-gesellschaftlichem Wandel sowie die Wirksamkeit internationaler Klimaschutzvereinbarungen, Kohlenstoffbudgets und Netto-Null-Zielen. Als einer der weltweit führenden Forscher war er Lead-Autor der Arbeitsgruppe I (naturwissenschaftliche Grundlagen) im sechsten IPCC-Sachstandsbericht. Zudem ist er Mitglied im Europäischen Wissenschaftlichen Beirat zum Klimawandel (ESABCC), dem wichtigsten Beratungsgremium der EU-Kommission zu Klimafragen.

    Carl-Friedrich Schleussner – Leiter Forschungsgruppe Integrated Climate Impacts, International Institute for Applied System Analysis (IIASA)

    Carl-Friedrich Schleussner forscht zu naturwissenschaftlichen Fragen der Klimakrise ebenso wie zu ihren sozialen Auswirkungen. Vor seiner Arbeit am IIASA war er Chef der Abteilung Klimawissenschaft bei der Beratungsfirma Climate Analytics. Das Unternehmen arbeitet mit 130 Experten überall auf der Welt an Konzepten zu Energiewende und Dekarbonisierung und bewertet Klima-Maßnahmen der Staaten. Schleussner beschäftigt sich vor allem auch mit den Fragen der internationalen Klimaverhandlungen und der Möglichkeit des “Überschießens” des 1,5-Grad-Ziels. Derzeit forscht seine Arbeitsgruppe an Modellen, um “from attribution to accountablilty” zu gelangen – also von der Zuordnung von Ursachen des Klimawandels hin zur Übernahme von Verantwortung. Der promovierte Physiker ist außerdem Honorarprofessor für Geografie und die Transformation im Mensch-Umwelt-System an der Humboldt-Universität in Berlin. 

    Matthias Duwe – Head of Climate, Ecologic Institut

    Als Beobachter verfolgt Matthias Duwe seit 1999 die internationalen Klimaverhandlungen und hat mehr als zwanzig Jahre Erfahrung in der EU-Klimapolitik. Er arbeitet als Head of Climate für das Ecologic Institut und koordiniert dort die klimapolitische Arbeit des gemeinnützigen Instituts. Vor allem beschäftigt er sich mit internationalen Klimaverhandlungen und der Klima- und Energiepolitik der Europäischen Union – im Speziellen mit Klimarahmengesetzen, nationalen Energie- und Klimaplänen und internationaler Klimadiplomatie. Studiert hat Duwe unter anderem Sozialwissenschaften mit einem Schwerpunkt auf Umweltpolitik und Umweltplanung an der Universität Oldenburg.

    Andreas Knie – Soziologe, Leiter der Forschungsgruppe Digitale Mobilität und gesellschaftliche Differenzierung, Wissenschaftszentrum Berlin (WZB)

    Aus welchen gesellschaftlichen Zusammenhängen entsteht neue Technik? Das ist die große Frage, die sich der Soziologe Andreas Knie in seiner Forschung immer wieder stellt. Er hat zur Karriere des Dieselmotors promoviert und plädiert schon lange für eine Verkehrswende, die nicht mehr das Auto in den Mittelpunkt der Politik stellt, sondern bessere und flexiblere öffentliche Angebote. Digitalisierung soll dabei helfen. Knie lehrt Soziologie an der TU Berlin, ist Mitglied der Scientists for Future und sitzt im Rat des Thinktanks Agora Verkehrswende. Seit 2020 leitet er gemeinsam mit Weert Canzler die Forschungsgruppe “Digitale Mobilität und gesellschaftliche Differenzierung” am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB).

    Angelika Humbert – Glaziologin, Leiterin der Gruppe zur Eismodellierung und Fernerkundung von Eisschilden, Alfred-Wegener-Institut (AWI) Bremen

    Eis ist für Angelika Humbert ein einzigartiges Material, und daraus speist sich ihre Forschung. Die Glaziologin entwickelt – und nutzt – satellitengestützte Methoden, um die Gletscher und Eisschilde der Polarregionen zu beobachten. Das tut sie auch vor Ort, auf Expeditionen in die Antarktis und Arktis. Mithilfe der gewonnenen Daten simuliert sie, wie sich das Eis in Grönland und der Antarktis künftig verhalten könnte, um dadurch den Anstieg des Meeresspiegels zu projizieren und Risiken besser abschätzen zu können. Das ist nicht trivial: Bisher verändern sich die Eismassen schneller und stärker, als die Modelle zeigen. Humbert hat an der TU Darmstadt Physik studiert und dort über Schelfeis promoviert. In Hamburg hat sie eine Arbeitsgruppe Glaziologie etabliert, seit 2012 ist sie am AWI. An der Uni Bremen hat sie eine Professur für Eismodellierung inne.

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