Table.Briefing: Climate

Neubauer: Scholz muss Klima zur Chefsache machen + Forderungen der Staaten für COP-Beschluss

Liebe Leserin, lieber Leser,

endlich geht es los! Am heutigen Donnerstag startet die 28. UN-Klimakonferenz in Dubai. Wir werden Ihnen ab heute täglich die wichtigsten Entwicklungen schildern, Hintergründe liefern und die Details des COP-Prozesses darlegen. Bernhard Pötter, Alexandra Endres und Lukas Scheid sind vor Ort und werden zwei Wochen (plus x) aus Dubai berichten.

Zahlreiche wichtige Themen werden uns in den nächsten 14 Tagen beschäftigen: Wird sich die Weltgemeinschaft zu einem guten Kompromiss beim Global Stocktake zusammenraufen, der die Klimapolitik der kommenden Jahre bestimmen wird? Zu welchen Fortschritten ringen sich die Staaten bei der Klimafinanzierung durch? Wird COP-Präsident Al Jaber einen “Only Nixon Could Go To China”-Moment herbeiführen und mit Durchbrüchen überraschen? Wie werden die Debatten um den Gaza-Krieg die Konferenz und die Klimabewegung beeinflussen?

Im heutigen Interview schildert Luisa Neubauer die Gefahren der Klima-Resignation, was sie von Bundeskanzler Olaf Scholz erwartet und warum der Streit bei den Fridays um die richtige Position zum Gaza-Krieg auf der COP kaum einen Unterschied machen wird. Bernhard Pötter analysiert die Positionen verschiedener Staatengruppen bei der “Globalen Bestandsaufnahme” zum Fortschritt im Klimaschutz. Einmal mehr zeichnet sich ab: Der Raum für Kompromisse ist klein.

Beste Grüße

Ihr
Nico Beckert
Bild von Nico  Beckert

Analyse

Luisa Neubauer sieht Misstrauen gegen “weiße Klimaschützer”

Luisa Neubauer
Luisa Neubauer – Das Gesicht der deutschen “Fridays for Future”-Bewegung

Frau Neubauer, können Sie sich vorstellen, dass Greta Thunberg beim nächsten Klimastreik der Fridays for Future in Deutschland wieder auftritt?

Die Frage stellt sich derzeit nicht.

Was müsste dafür passieren?

Jeder in diesem Land kann Greta Thunberg einladen, das liegt ja nicht an mir, und das ist auch gut so. 

Unterschiedliche Positionen zum Gaza-Krieg haben für Konflikte zwischen der deutschen und internationalen Fridays for Future Gruppe geführt. Wird es während der COP28 zu klärenden Gesprächen kommen?

Ich bin sehr vorsichtig mit meinen Erwartungen an die Klimakonferenz, politisch und zwischenmenschlich. Die Konferenz hat nicht den Ruf, der heilsamste Ort für erschöpfte Aktivisten zu sein. Aber wir werden natürlich sehr viel darüber sprechen, was passiert ist und wie wir wieder zusammenkommen.

“International ist Deutschlands Haltung ein Problem”

Wird es gemeinsame Aktionen der jungen Protestbewegung geben?

Es wird natürlich Aktionen und Proteste geben, wie genau und in welcher Zusammensetzung, das weiß ich noch nicht. Aber es ist ja nicht so, als hätten vor allem wir aus Deutschland Probleme mit dem, was international gesagt wird. Aus internationaler Perspektive ist vor allem die Haltung Deutschlands ein Problem. 

Die deutschen Fridays sind international isoliert?

Nicht wirklich, auch die Partner aus Österreich, der Schweiz und Frankreich und andere stehen uns in unserer Haltung nahe. Der normative Durchschnitt der internationalen Klimabewegung steht bei dem Thema woanders.

“Der Vorwurf: Wir stehen nicht an der Seite unserer Freunde”

Was ist da passiert in den letzten sechs Wochen? Zeigt sich ein Riss, den es schon länger gibt?

Seit ich in der internationalen Bewegung arbeite, gibt es ein Misstrauen gegenüber weißen, europäischen Klimaschützern: Wie ernst meinen wir es mit der Klimagerechtigkeit? Das kann ich grundsätzlich gut verstehen, zu lange wurden falsche Versprechen gemacht von Generationen vor uns. Und das hat sich in den Augen mancher jetzt wieder bestätigt: Dass wir, wenn es hart auf hart kommt, nicht an der Seite unserer Partner und Freunde stehen. Aber wir erleben ja auch jenseits der Klimabewegung, wie verständnislos und enttäuscht auf die deutsche Position zu Israel und Gaza geschaut wird. Auch bei internationalen Organisationen: Früher wollten die Leute nicht für USAid arbeiten, jetzt hört man von einer ähnlichen Haltung gegenüber deutschen Organisationen.

Woran liegt dieses Misstrauen?

Viele fühlen sich verlassen davon, wie Deutschland durch diese Krise navigiert. Die Unterstützung der Zivilgesellschaft in Gaza sehen viele als nachrangig. Die Klimabewegung ist eine kleine Projektionsfläche davon. Es gibt aber noch einen zweiten Faktor für dieses Misstrauen: Gerade wir Fridays in Deutschland sind im aktivistischen Handwerk pragmatisch sozialisiert, weil wir früh gemerkt haben, dass wir etwas bewegen und verändern können. Ich habe das auch bei AktivistInnen erlebt, die in Kambodscha einen Staudamm verhindert haben. Sie waren dafür im Gefängnis und haben den alternativen Nobelpreis bekommen – aber den Damm haben sie verhindert. Die sind total realpolitisch orientiert. Wenn das eigene System einem den Anschein vermittelt, man könne unter keinen Umständen gewinnen und selbst kleine Fortschritte aussichtslos wirken, dann wird die eigene Radikalität im Zweifel identitätsstiftender, als das eigentliche Organisieren.

“Wir arbeiten daran, Nord-Süd-Fronten aufzubrechen”

Aber hat die internationale Klima-Gerechtigkeitsbewegung nicht schon lange die offiziellen Positionen des globalen Südens gegenüber dem globalen Norden eingenommen? Wenn es heißt “System change, not climate change” und damit eine grundsätzliche Ablehnung der Politik aus dem kapitalistischen Globalen Norden verbunden ist?

Bei uns war das nicht der Fall. Wir fordern auch in Deutschland “System change”, wenn wir mit “System” etwa ausbeuterische Verhältnisse meinen. Wir arbeiten weiter daran, diese Nord-Süd-Fronten aufzubrechen, indem wir sagen, wir erzählen eine neue Geschichte von jungen Leuten, die sich nicht auseinanderdividieren lassen von einer eindeutig ausbeuterischen Vergangenheit.

Aber passiert das nicht gerade – dass Sie sich auseinanderdividieren?

Die Gefahr besteht.

Was muss passieren, dass diese Kluft nicht weiter wächst?

Ich habe dafür keine einfache Formel. Sicher müssen wir sensibilisieren für historische Verantwortung, die nicht nur auf deutschen Schultern liegt, sondern eine Weltverantwortung ist. Das heißt auch Antisemitismus erkennen und das Existenzrecht Israels anerkennen. Aber wir sind auch gefragt, einen aufrichtigen und angemessenen politischen Umgang mit der Situation in Gaza zu finden. Ich kann es nachvollziehen, dass man Deutschland vorwirft, nicht klar genug dafür einzustehen, dass das Sterben in Gaza ein Ende findet. Es wäre ein wichtiger Schritt, wenn wir als Deutschland es schaffen könnten, in Richtung einer anhaltenden Feuerpause zum Schutz von Zivilisten hinzuwirken.

“Die Debatte in den Fridays wird nicht so einen Unterschied machen”

Ist die Klimabewegung in Dubai so sehr mit sich selbst beschäftigt, dass sie als treibende Kraft ausfällt?

Diese Haltung wundert mich schon: Die letzten drei Jahre hat sich niemand hat für die internationale Bewegung interessiert. Jetzt könnte man den Eindruck bekommen, die internationale Arbeit sei unser Dreh- und Angelpunkt. Die internationale Klimabewegung ist riesengroß, Fridays for Future ist da ein relativ überschaubarer Teil. Wir sind in Deutschland sehr groß, aber nur selten in anderen Ländern. Natürlich wird es Aktivisten aus anderen Ländern geben, die ihre Sachen machen. Ich glaube nicht, dass die Debatte innerhalb der Fridays einen solchen Unterschied macht. Es fährt auch nur ein kleiner Teil der Fridays zur COP. Und wir denken auch: Etwaige Versöhnungsprozesse müssen vielleicht nicht ausschließlich in den zwei Wochen stattfinden, wo wir die Chance haben, internationale Klimademokratie zu beeinflussen.

Sie sagen, die Fridays sind nicht so relevant, dass ihre Probleme die Konferenz beeinflussen?

Die Stimmung ist relevant, aber das ist kein Fridays-Thema, sondern weltweit. Das hat mit der  Klimabewegung weniger etwas zu tun, als mit der weltweiten Zivilgesellschaft. Die steht gerade woanders, als es die deutsche Staatsraison tut. Ich will nicht kleinreden, was wir leisten, aber internationale Dynamiken sind mächtiger als wir. Es gibt allerdings einen Unterschied: Wir als deutsche Fridays for Future Bewegung konnten bisher auf den COPs immer viel anstoßen: wir kennen uns gut aus, haben große Kapazitäten, kennen das Handwerk, das wir gut anwenden können. Vor einem Jahr bei der COP in Ägypten haben wir weite Teile der Proteste begleiten können. Diese Räume konnten wir gut öffnen, auch, weil wir als Menschen mit deutschem Pass privilegiert sind. Das wird jetzt schwieriger werden. Wir wurden in eine Situation gebracht, in der die Zusammenarbeit immer mit Erklärarbeit und Vermittlungsarbeit verbunden ist. Das widerspricht der Rushhour-Logik einer Klimakonferenz.

“50 Wochen zwischen den COPs so wichtig wie zwei Wochen Konferenz”

Wir wichtig sind die Konferenzen? Viele sind da skeptisch.

Es gibt riesige Defizite, aber es gibt aktuell keine Alternative. Es gibt den medialen Reflex, die COP zum singulären Höhepunkt des Jahres hochzuschreiben. Aber die fünfzig Wochen zwischen den COPs sind so wichtig wie die zwei Wochen bei der COP. Und was vorher nicht in Ansätzen geleistet wird, kann da nicht mehr ausgebügelt werden. Aber wir brauchen Orte, wo wir als Zivilgesellschaft zusammenkommen.

Sie sagen, die Fridays seien in Deutschland runtergeredet worden. Wo sehen Sie das?

Seit zwei oder drei Jahren gibt es in der Öffentlichkeit ein großes Erstaunen darüber, dass es ja gar nicht so einfach ist, Klima-Aktivismus in Deutschland zu machen. Ja, natürlich verlieren wir auch mal. Weil wir in einer so riesigen Krise sind, für die man 50 Jahre lang keine Lösung gefunden hat. Das  krempeln wir nicht mal so eben in ein paar Jahren um und surfen auf einer grünen Welle davon. Wir sind als FFF in einem unglaublichen Klima-Hype reingestartet, das war schon damals eine totale Ausnahme. Aber wenn wir keine harten Zeiten hätten, bräuchten wir keine Klimabewegung.

“Resignation ist die größte Gefahr für Klima und Demokratie”

Warum ist im letzten Jahr in Deutschland die Stimmung so gegen den Klimaschutz gekippt?

Dafür gibt es viele Erklärungen. Ein Grund ist sicherlich, dass ein Kanzler dachte, er könne das Klimaproblem an eine Partei und auch nur ein Ministerium outsourcen. Und wenn dann halb Deutschland auf diesen Minister einprügelt, dann sei das nicht das Problem des Kanzlers. Aber wenn man es nicht schafft, Klima demonstrativ zur Chefsache zu machen, dann fliegt dir halt dein Laden auseinander. Er müsste im Kabinett eine ökologische Mindestdisziplin durchzusetzen, die bedeutet, wir verhandeln nicht darüber, ob wir die Klimaziele einhalten. Und wer keinen besseren Vorschlag für einen aktuellen Plan  machen kann, der hat kein Vorschlagsrecht. Wenn man all das nicht tut, so wie es Kanzler Scholz versäumt hat, dann landen wir an einem Punkt, wo die Existenzkrise unserer Zeit zu einem Privatproblem von Robert Habeck gemacht wird. Und nebenbei die Zuversicht und das Vertrauen in die Ampel und auch in die Demokratie verloren gehen und Resignation in diese Gesellschaft einzieht.

Wie wehren Sie sich gegen diese Resignation?

Die meisten Menschen meinen es ja gut. Und geben ihr Bestes. Das sieht oft sehr unterschiedlich aus, das ist auch okay so. Wenn die Resignation der Anfang von Ende ist, und politisch gesprochen die größte Gefahr für Klima und Demokratie, weil es die Resignierten sein werden, die einen Rechtsrutsch und eine Klimakrise zulassen werden – dann ist der Kampf gegen die eigene Resignation ein ganz banaler Teil von meinem täglichen Aktivismus. Und im nächsten Schritt stehen ja alle Türen offen, wenn wir nur genau hingucken. 

Alle bisher erschienenen Texte zur COP28 lesen Sie hier. 

  • COP28
  • Fridays for Future
  • Klimastreik
  • Nobelpreis
  • USAID

Global Stocktake: Das fordern die Staaten von einem COP28-Beschluss

Fast 200 UN-Länder müssen sich auf eine Abschlusserklärung einigen. Die Erwartungen liegen weit auseinander.

Für die zentrale Entscheidung der COP28 zum “Global Stocktake” (GST) stehen den Delegationen harte Verhandlungen bevor. Denn die Vorstellungen der einzelnen Staaten und Ländergruppen, welche Folgen aus der ersten globalen Bestandsaufnahme zum Klimaschutz zu ziehen sind, gehen weit auseinander. Sie widersprechen sich teilweise sogar direkt. Das zeigt ein Überblick über die Vorschläge, die 23 UN-Staaten und Ländergruppen und etwa 50 internationale Organisationen dem Klimasekretariat UNFCCC vorgelegt haben. Table.Media hat die Dokumente ausgewertet.

Der GST zieht zum ersten Mal seit dem Beschluss des Pariser Abkommens 2015 eine Bilanz, was im Klimaschutz seitdem erreicht wurde und wie es weitergehen soll. Im September gab es eine Zusammenfassung der Erkenntnisse aus dem “technischen Dialog”. Dann fasste das UNFCCC-Sekretariat die Ergebnisse aus seiner Sicht zusammen. Auf der COP28 muss nun ein Dokument vorgelegt werden, das Grundlage für eine Entscheidung sein soll.

Konsens beim Rückblick

In den bisherigen Papieren gibt es große Übereinstimmung bei der Benennung von Lücken im bisherigen Klimaschutz. Aber auch viel Zustimmung bei anderen Themen:

  • Die Emissionsreduzierungen, die für einen Pfad zu 1,5 Grad Erderwärmung nötig wären – minus 43 Prozent global bis 2030 – sind bisher nicht abzusehen.
  • Anpassung an den Klimawandel ist massiv unterfinanziert. Versprechen dazu wurden nicht gehalten.
  • Die Industrieländer haben bislang ihre Zusage von 100 Milliarden Dollar Klimahilfen pro Jahr ab 2020 nicht eingehalten. Erst 2022 könnte es soweit sein, aber das war noch unklar, als die Statements eingereicht wurden.
  • Der Aufbau von Kapazitäten und technischem Know-how in den Entwicklungsländern bleibt weit hinter dem Nötigen zurück.
  • Ein großer Schub an Investitionen ist nötig: in erneuerbare Energien, Effizienztechnik, Naturschutz und Ernährungssicherheit, Anpassungsmaßnahmen und “Loss and Damage”-Finanzierung.

COP-Beschluss: Wer will was?

In anderen Punkten gehen die Vorstellungen und Sichtweisen weit auseinander. Das zeigt ein Überblick über die wichtigsten Akteure und ihre besonderen Schwerpunkte.

G77 und China

Die Position der G77 und China wird vom derzeitigen Vorsitz Kuba vorgetragen. Sie entspricht weitgehend den bekannten Positionen dieses großen Zusammenschlusses von Entwicklungsländern in der UNO (inzwischen etwa 130 Staaten). Auch ihre Untergruppen wie LDC oder Basic ebenso wie große Länder wie China oder Indien wiederholen viele dieser Standpunkte:

  • Die Klimakrise ist vor allem von den Industriestaaten verursacht worden. Diese haben weder ihre Verpflichtungen nach der Klimarahmenkonvention und dem Pariser Abkommen zur schnellen Reduktionsminderung noch zur ausreichenden Finanzierung von Klimapolitik im Globalen Süden erfüllt. Diese “historischen Lücken bei der Umsetzung von CO₂-Reduktion” und der Führungsrolle dabei durch die Industrieländer muss hervorgehoben werden.
  • Die Umsetzung von Maßnahmen im Klimaschutz (“Response Measures”) darf nicht zu sozio-ökonomischen Nachteilen für die armen Länder führen. Die Industriestaaten müssen für einen gerechten Übergang auch im Globalen Süden sorgen.
  • Eine schnelle Umsetzung des Loss and Damage-Fonds, die zugesagten 100 Milliarden für Klimafinanzierung, der Rückstand bei Technologietransfer und dem Aufbau von Kapazitäten müssen im Text an prominenter Stelle stehen.
  • “Einseitige Zwangsmaßnahmen sollten in der Klimapolitik nicht genutzt werden.” Dahinter verbirgt sich eine Ablehnung des europäischen CO₂-Außenzolls CBAM. Einzelne Länder sollen nicht an den Pranger gestellt werden und ihnen keine Vorschriften gemacht werden.
  • Die G77 beruft sich auf den aktuellen IPCC-Bericht. Es sollen die Auswirkungen des Klimawandels auf die verwundbaren Länder dargestellt werden. Außerdem sollen Beispiele für Fortschritte und Ideen für ein besseres Finanzsystem gemacht werden.
  • Alle Beschlüsse müssen sich auf die Formel der “gemeinsamen, aber differenzierten Verantwortung im Licht der länderspezifischen Umstände” (CBDR-RC) beziehen. Das ist die Teilung der Lasten und Verantwortungen zwischen Industrie- und Entwicklungsländern.

BASIC: Konfrontation mit dem Norden

Die Gruppe um Brasilien, Südafrika, Indien und China (BASIC) sieht sich als Führungsgruppe der G77/China. Gleichzeitig sind sie derzeit vor dem Hintergrund der geopolitischen Spannungen und der Vergrößerung der BRICS-Gruppe, die außerdem noch Russland enthält, deutlich selbstbewusster. Die Forderungen der BASIC sind deutlich schärfer formuliert als die Erklärung der G77. Für sie ist die Klimakrise “die abstoßende Erbschaft von Kolonialismus und Imperialismus der letzten fünf Jahrhunderte”.

  • Die BASIC fordern Ehrlichkeit bei der GST-Bilanz. Dazu gehört für sie, das Versagen des Globalen Nordens bei Emissionsreduktion und Finanzhilfen öffentlich anzuerkennen. Sie fordern eine Richtschnur, wie diese (Un)-Gerechtigkeit in Klimafragen umzusetzen ist.
  • Auch die BASIC betonen stark die Teilung der Welt in Globalen Norden und Rest der Welt laut dem Prinzip CBDR-RC – eine Teilung, die die Industriestaaten beim Klima mit dem Pariser Abkommen für beendet erklären – schließlich haben dort alle Staaten akzeptiert, dass sie handeln müssen. Allerdings darf auch für BASIC der Bezug auf CBDR-RC “nicht benutzt werden, um Nichthandeln zu entschuldigen”.
  • Sie beziehen sich ebenfalls auf den aktuellen IPCC-Bericht, warnen aber vor unkritischer Übernahme der Modellrechnungen, weil sie “keine Annahmen zu Klima-Gerechtigkeit und Einkommensverteilung machen”. Das heißt, sie werfen den IPCC-Szenarien vor, nicht im Sinne der CBDR-RC zu unterscheiden.
  • Auch bei der Betrachtung der historischen Emissionen sind die BASIC-Staaten nicht mit dem IPCC einverstanden. Zwar zitieren sie die Zahlen, nach denen inzwischen Industrie- und Entwicklungsländer insgesamt etwa gleich viel CO₂ in die Atmosphäre entlassen haben – sie verweisen aber auf eine pro-Kopf-Rechnung, die den Industrieländern mehr Verantwortung gibt.
  • Die BASIC-Staaten fordern, die Industriestaaten müssen ihre Netto-Null-Ziele “viel früher als 2050 erreichen” – damit die Schwellenländer sich länger Zeit lassen können. Und erstmal nur der Globale Norden soll seine Konsum- und Produktionsmuster klimaneutral und mit Blick auf die UN-Nachhaltigkeitsziele SDG umstellen.
  • Die Klimafinanzen müssen “deutlich über die 100 Milliarden hinausgehen”, um die “Billionen von Dollar” auszugleichen, die Klimaschutz und -schäden im Globalen Süden kosten. Nämlich neun Billionen für die Bedürfnisse der Schwellen- und Entwicklungsländer im Klimaschutz, oder allein sechs Billionen, wenn der globale Süden seine Klimapläne (NDC) umsetzen soll.  

Afrikanische Gruppe: Am schwersten getroffen

Die afrikanischen Länder legen größten Wert darauf, dass die Erklärung nachhaltige Entwicklung ihres Kontinents mit Klimazielen verbindet. Es müsse “Fortschritt bei den SDG” geben, eine Erklärung zum GST dürfe auf keinen Fall “die Unterentwicklung Afrikas vertiefen”. Oberstes Ziel müsse es sein, den 600 Millionen Menschen in Afrika ohne Zugang zu Strom und den 900 Millionen ohne sauberes Wasser zu helfen. Außerdem fordern sie:

  • anzuerkennen, dass Afrika etwa durch Meeresspiegelanstieg und Stürme verwundbarer in der Klimakrise sei als andere Regionen;
  • Investitionen in Erneuerbare in Afrika drastisch zu erhöhen, der Kontinent habe sehr gute Potenziale für grüne Energie;
  • ein globales Ziel für die Anpassung (GGA) an den Klimawandel;
  • deutlich mehr Kapital nach Afrika fließen zu lassen. Seit dem Pariser Abkommen haben sich demnach diese Finanzflüsse kaum erhöht: Im Schnitt waren das 18 Milliarden Dollar im Jahr, gebraucht würden 18 bis 30 Milliarden jährlich über 20 Jahre. Insgesamt bringt Afrika derzeit aus eigenen und internationalen Mitteln nur zwölf Prozent des nötigen Kapitals für den Klimaschutz auf;
  • anzuerkennen, dass selbst bei Einhaltung der 1,5 Grad-Grenze immer noch über 50 Prozent der afrikanischen Wirtschaftsleistung von Klimafolgen getroffen werden;
  • dass Afrika das Recht zugestanden werde, seine fossilen Ressourcen auszubeuten, um seine Entwicklung zu finanzieren. “Afrika steht davor, dieses Kapital als gestrandete Investitionen zu verlieren, wenn Maßnahmen wie CO₂-Steuern die Präferenzen der Konsumenten verändern”, warnt die Gruppe. Auch habe Afrika nicht die Instrumente, um Klimabilanzen etwa für das europäische CBAM aufzustellen.

Saudi-Arabien: Kein Zwang zum Klimaschutz

Saudi-Arabien findet sich in mehreren Rollen wieder. Als dominanter Ölproduzent, dem die momentanen Preise große Gewinne sichern, als traditioneller Bremser in den Verhandlungen, der taktisch klug agiert. Gleichzeitig will das Land global eine wichtigere Rolle spielen und auch in der Zukunft einer dekarbonisierten Wirtschaft eine wichtige Rolle einnehmen. Die Forderungen des Königreichs:   

  • Kein Zwang zu “besonderen Wegen und Zeitrahmen für irgendjemanden”, “keine neuen Kategorien, Sektorziele, Maßnahmen gegen einzelne Energiequellen oder Bestrafungsmaßnahmen”. Das ist eine Kritik an CO₂-Zöllen oder einem Beschluss zum fossilen Ausstieg.
  • Anerkennung, welchen “beträchtlichen Fortschritt” der Klimaschutz seit Paris gemacht hat. Mit den derzeitigen Ambitionen könnten die Klimaziele des Abkommens erreicht werden.
  • Kritik am IPCC: Emissionspfade und Szenarien sind demnach Projektionen, keine Vorhersagen oder Vorschriften, es fehlt Unterscheidung nach länderspezifischen Bedingungen.  
  • Die Erwähung im Text, der größte Anteil der historischen und derzeitigen Emissionen komme aus den Industriestaaten (was umstritten ist).
  • Alle technischen Möglichkeiten zur Emissionsreduzierung, vor allem auch CCUS oder CDR zu verstärken.
  • “keinen Raum” für die Abschaffung der Differenzierung der Länder nach CBDR-RC oder dafür “eine Lastenteilung zu etablieren”. Das widerspricht nach Ansicht Saudi-Arabiens der Klima-Rahmenkonvention und dem Pariser Abkommen. Das richtet sich gegen die Vorschläge, auch die reichen Schwellenländer wie etwa Ölstaaten zur Finanzierung des globalen Klimaschutzes zu bewegen.

Russland: Njet zu fossilem Ausstieg

Russland hält sich bei den Konferenzen traditionell im Hintergrund. Besonders seit dem Angriff auf die Ukraine suchen die Delegierten nicht die große Bühne, sind aber im Prozess immer präsent. Ihre Forderungen sind davon geprägt, dass die russische Volkswirtschaft zu einem großen Teil auf dem Export von Gas und Öl beruht. Deshalb:

  • Betont Russland, wie wichtig “Übergangsbrennstoffe” und naturbasierte Lösungen sind: Gas und die großen russischen Waldflächen.
  • Ein Njet kommt zu den Plänen für einen Ausstieg aus den Fossilen. “Wir wehren uns gegen jedes Ergebnis, das Brennstoffe unterscheidet oder nach einem Auslaufen einer spezifischen Energiequelle oder eines Brennstofftyps ruft”, heißt es.
  • Das Land, in dem inzwischen Umweltorganisationen an der Arbeit gehindert und ihre Arbeit verboten wird, erklärt, man “verstehe den Wert der Zusammenarbeit mit nichtstaatlichen Akteuren, um Transparenz und Verantwortung zu erhöhen”. Das sei wichtig, um “Vertrauen zwischen den Handelnden” zu schaffen und einen gerechten Umbau der Volkswirtschaft zu garantieren.
  • Bei Klimaschutz und Finanzierung sollten die Annex II-Länder der Rahmenkonvention vorangehen. Das sind die Industrieländer – allerdings ohne Russland und seine ehemaligen Republiken.
  • Die Umlenkung der Finanzflüsse in Klimaschutzmaßnahmen, wie im Pariser Abkommen vereinbart, dürfe nicht die “soziale und ökonomische Entwicklung” benachteiligen – etwa durch “einen Ausstieg oder eine Absenkung von kritischen fossilen Brennstoffen”.

China: Protektionismus schadet dem Klima

China ist der vielleicht mächtigste Player bei den Klimaverhandlungen. Die Großmacht verfolgt ihre eigenen Ziele, leidet unter den Klimafolgen und treibt zu Hause den Ausbau der Erneuerbaren massiv voran. Gleichzeitig ist es vom fossilen Wirtschaftsmodell und dem Export abhängig. Das Land definiert sich nach wie vor als Entwicklungsland, um die Verhandlungsgruppe der G77/China zusammenzuhalten. Diese Rolle kommt nun etwa bei den Finanzierungsfragen des “Loss and Damage” Fonds immer stärker unter Druck. China als derzeit bei weitem größter CO₂-Emittent will deshalb unter anderem:

  • Die Verantwortung für die Klimakrise vor allem den Industrieländern zuweisen. Es müsse anerkannt werden, dass die historischen Emissionen aus der Industrie zu 70 Prozent aus den Industrieländern stammen. Neuere Zahlen und der Blick auf Landnutzung zeichnen allerdings ein anderes Bild.
  • Betonen, welche Fortschritte im Klimaschutz bereits gemacht wurden. Steuerte die Welt vor dem Paris-Abkommen auf 3,5 Grad zu, liege sie nun im besten Fall bei 1,7 bis 2,5 Grad. Die Preise für Solarenergie und Batterien sind um 85 Prozent gefallen, für Windenergie um 55 Prozent, der Ausbau kommt schnell voran.
  • China fordert einen besonderen IPCC-Bericht dazu, wie die Ziele des Pariser Abkommens erreicht werden können und wie ein globales Anpassungsziel aussehen könnte.
  • Es will im Text erwähnt sehen, dass die Auslagerung der Produktion in die Schwellenländer deren CO₂-Emissionen nach oben treibt, um zwei Milliarden Tonnen CO₂ jährlich, etwa 15 Prozent der OECD-Emissionen
  • Festschreiben, dass die Finanzierung des Loss and Damage-Funds Sache der Industrieländer ist.
  • China warnt vor Protektionismus und Sanktionen auf Produkte zur Energiewende. Solarmodule könnten wegen dieses Maßnahmen 2030 bis zu 25 Prozent teurer werden und 160 bis 370 GW weniger produziert und installiert werden. Neue Handelshemmnisse könnten bedeuten, dass bis 2060 drei bis vier Milliarden Tonnen mehr CO₂ ausgesotßen wird als im Freihandel.

USA: Regeln für privates Kapital nötig

Die USA sind traditionell der große Gegenspieler Chinas. Mit dem politischen und ökonomischen Rivalen verbindet Washington Konkurrenz und Kooperation. Soll der Klimaprozess funktionieren, müssen sich China und die USA einig sein. Doch bei den Forderungen zum abschließenden GST-Beschluss der COP28 markiert die US-Regierung, die zu Hause vor einem Wahljahr steht, ihre Positionen:

  • Die Erklärung soll eine “angemessen Balance zwischen Sorge und Hoffnung” treffen und “ehrlich” sein. Keinesfalls dürfe durch die “Hintertür” das Pariser Abkommen geändert werden. Man sei “besorgt über Kommentare, dass nur die Industrieländer die Lücken zum Erreichen der Klimaziele füllen sollen”.
  • Ein “gerechter Übergang” bedeutet für die USA nicht, Netto-Null-Ziele nach hinten zu schieben, die Nutzung fossiler Brennstoffe auszuweiten oder einen “Bedarf für neue internationale Finanzen” zu begründen. “Just transition” sei eher ein Konzept für die Innenpolitik als international. Das verweist auf die IRA-Gelder in den USA und ihre Weigerung, im großen Stil zur globalen Finanzierung beizutragen.
  • Die USA sind für den fossilen Ausstieg bei “unverminderten” (“unabated”) Fossilen, unterstützen also den Kurs der VAE für den verstärkten Einsatz von CCS.
  • Bei der Anpassung raten sie, auch Projekte aufzuspüren, die schlecht funktionieren – und vor allem Projekte vorzustellen, die schnell umsetzbar sind und private Investitionen anreizen.
  • Auch beim heiß umstrittenen Thema Finanzen setzen die USA auf bessere Rahmenbedingungen für private Investitionen. Die USA zitieren IPCC-Daten: Es sei genug Geld da, es fließe nur in die fossile statt in die erneuerbare Infrastruktur.
  • Beim Rückgang der fossilen Subventionen gebe es für die Jahre 2019-20 Fortschritt, genauso wie beim Ziel der 100 Milliarden. Klimafinanzierung sei kein Wert an sich, sondern müsse gemessen werden an Emissionsreduzierung und Aufbau von Resilienz.
  • Aussagen zur Finanzierung des “Loss and Damage”-Fonds oder zu den historischen Emissionen der USA finden sich nicht.

EU: Vorreiter drängt Öl- und Gasindustrie

Die Europäische Uion sieht sich gern als Vorreiter in Sachen Klimaschutz. Der Block aus 27 Staaten hat seit 1990 seinen CO₂-Ausstoß um etwa 25 Prozent gesenkt, für 2030 mit dem “Green Deal” ein Minus von 55 Prozent angestrebt und für 2050 Netto-Null-Emissionen. Die Mitgliedsstaaten der EU sind die größten Finanziers im internationalen Klimaschutz und bemühen sich um strategische Bündnisse mit Schwellen- und Entwicklungsländern. In die Schlusserklärung gehört für Europa deshalb:

  • eine “Kurskorrektur” und der politische Willen, auf den 1,5 Grad-Pfad zu gelangen. Dafür aber brauche es “drastisch verbesserte Anstrengungen”. Der Emissionshöhepunkt müsse spätestens 2025 kommen – was vor allem China unter Druck setzt und von der IEA bereits als realistisch angekündigt wurde.
  • Die internationale Gemeinschaft müsse die Hürden für die Klimafinanzierung in den verschuldeten Ländern des Globalen Südens abbauen. Anpassung solle in allen Plänen und Investmentstrategien vorkommen.
  • Die EU möchte in der GST-Erklärung auch die Bereiche angesprochen sehen, die das Leben der Menschen direkt betreffen: Gesundheit, Wasser, Nahrung, Schutz von Ökosystemen, Geschlechtergerechtigkeit
  • Anders als etwa Saudi-Arabien will die EU eine Verteilung von Lasten und Vorteilen als zentral für den Klimaschutz genannt wissen. Auch zur “Gerechtigkeit” (equity) beim Klimaschutz, einem Buzz-Wort der Verhandlungen, müssten alle beitragen, die hohe Emissionen pro Kopf oder als Land aufweisen – also nicht nur die Industriestaaten.
  • Auch die EU sieht bei der Klimafinanzierung genügend Kapital vorhanden, nur in die falschen Bereiche investiert. Es sei dringend, die grünen Finanzströme von Milliarden in Billionen zu vergrößern und eine Wirtschaft ohne Fossile aufzubauen.
  • Die besten Beispiele aus dem GST will die EU in einem Anhang an die Erklärung veröffentlichen, der nicht den Verhandlungen unterliegt.
  • Verdreifachung der Erneuerbaren, Verdopplung der Effizienz, Verminderung des Methanausstoßes um 75 Prozent bis 2030 sollen als Ziele für 2030 verankert werden.
  • Die EU will die “Öl und Gasindustrie drängen, ihr Versprechen zu halten, die Energiewende voranzutreiben. 2030 mehr als 80 Prozent ihrer Upstream-Investitionen in saubere Energien zu stecken, im Vergleich zu weniger als 5 Prozent derzeit”.

CAN: Eine Billion Dollar jährlich fürs Klima

CAN International, der Zusammenschluss von mehr als 1900 Umwelt- und Entwicklungsorganisationen aus 130 Ländern unter dem Dach der “Climate Action Network” begleitet die COPs von Anfang an. Die Experten und Lobbyisten der Gruppen sitzen inzwischen in vielen Länderdelegationen. Die deutsche Klimabeauftragte Jennifer Morgan oder der kanadische Umweltminister Steven Guilbeault arbeiteten früher hier. CAN liefert traditionell neben Expertise auch die Stimme der armen Entwicklungsländer und des Naturschutzes. Konkret fordern sie von einer Erklärung zum GST:

  • Ein Auslaufen aller fossilen Energien bis 2050 unter Einhaltung der Menschenrechte und ohne Abhängigkeit von CCS.
  • Einen Beschluss, alle öffentlichen Mittel für Fossile und alle privaten Investitionen in ihren Ausbau zu stoppen.
  • Die Kapazität der Erneuerbaren jährlich um 1,5 Terrawatt und die Energieeffizienz um vier Prozent zu erhöhen.
  • Suffizienz (“was ist genug?”) in die Klimapläne besonders der großen Emittenten aufzunehmen.
  • Die OECD und Russland sollen Hilfen für Klimaschutz und Erneuerbare auf jährlich eine Billion Dollar erhöhen.
  • Einen Fahrplan für die Verdopplung der Anpassungsfinanzierung bis 2050.

LDCs: Schäden auch bei 1,5 Grad

Die am wenigsten entwickelten Länder (LDCs) sind oft auch jene, die von der Klimakrise am stärksten getroffen werden: Ihr geografische Lage, ihre oft schwachen Institutionen, ihre Wirtschaftsstruktur und geringer Wohlstand führen dazu, dass Verluste und Schäden kaum abgepuffert werden können. Daher sind ihre Forderungen teilweise noch weitergehend. Sie plädieren unter anderem für folgende Elemente in der Erklärung:

  • Selbst ernsthafter Klimaschutz und mehr Investitionen in Anpassung können “Verluste und Schäden” nur verringern, nicht verhindern. Ein Überschießen des Klimaziels von 1,5 Grad, von dem die Wissenschaft ausgeht, führt zu weiteren Verlusten und Schäden.
  • Das Ziel der Klima-Rahmenkonvention, die Erwärmung auf 2 Grad zu begrenzen, ist nicht mehr mit den Zielen der Konvention zum allgemeinen Klimaschutz vereinbar.
  • Es braucht kollektive Ziele für den Ausbau der Erneuerbaren und mehr Investitionen in den Entwicklungsländern.
  • Ein Ausstieg aus den fossilen Brennstoffen ist zentral für die Ziele von Netto-Null.
  • Als Anpassungsmaßnahme ist es wichtig, Frühwarnsysteme in allen Weltregionen zu installieren, wie es auch der UN-Generalsekretär fordert.
  • Eine konkrete Formulierung für das globale Anpassungsziel, das nächstes Jahr beschlossen werden soll, lautet für die LDC: “Bis 20xx die Verletzlichkeit gegenüber dem Klimawandel zu reduzieren, xx Milliarden Menschen damit in Schutz nehmen, xx Prozent von Land, Süßwasser und Ozeanen unter Schutz stellen und gleichzeitig die Hilfen im Klimaschutz auszudehnen”.
  • Bei den Finanzen sind an einer Stelle die Industrieländer und an einer anderen alle Länder aufgerufen, Anpassungsgelder zu verdoppeln, den Green Climate Fund aufzufüllen, den Loss and Damage Fonds zu finanzieren und über das neue Finanzziel ab 2025 verhandeln.

Alle bisher erschienenen Texte zur COP28 lesen Sie hier. 

  • CBAM
  • COP28
  • Global Stocktake
  • Green Climate Fund
  • SDG
  • UNFCCC

Termine

30. November, 10 Uhr, UN Climate Change Global Innovation Hub, Zone B2
Eröffnung UN Climate Change Global Innovation Hub COP 28 Infos

30. November, 12.30 Uhr, Press Conference 2, Zone B6
Pressekonferenz Local Governments and Municipal Authorities COP28 Position and expectations for multilevel action and urbanization Infos

30. November, 15 Uhr, Virtueller-OECD Pavillion
Diskussion Greening global energy grids with AI and connectivity
Künstliche Intelligenz kann dabei helfen die Klimaziele für das Jahr 2050 zu erreichen. Diese Podiumsdiskussion der OECD analysiert die Beziehung zwischen KI, dem Internet der Dinge (IoT) und der zugrunde liegenden Konnektivitätsinfrastruktur sowie deren Auswirkungen auf effiziente Energiesysteme. Infos

30. November, 16 Uhr, Meeting Room 3, Zone B1
Mandated Event Understanding the Effects of Response Measures to Support Just Transition and Economic Diversification: Case Studies Infos

News

Klima in Zahlen: Kaum neue Kohlekraftwerke – außer in China

Dieses von China mitfinanzierte Kohlekraftwerk in Patuakhali, Bangladesch, wurde im März in Betrieb genommen. Auch neue Bauprojekte werden noch gestartet - entgegen Xis Versprechen bei der UN, Kohle nicht weiter zu finanzieren.

In den ersten neun Monaten des Jahres 2023 wurde weltweit kaum noch mit dem Bau neuer Kohlekraftwerke begonnen – einzig in China hielt der 2022 gestartete Bauboom weiter an. Laut Recherchen der Organisation Global Energy Monitor wurden im laufenden Jahr außerhalb Chinas nur in drei weiteren Staaten Bauprojekte für neue Kohlekraftwerke mit einer Kapazität von weniger als 2 Gigawatt gestartet. Das liegt weit unter dem Durchschnitt von 16 Gigawatt in den letzten acht Jahren. Allerdings wurde in China in den letzten neun Monaten mit dem Bau von über 37 GW an neuer Kohlekapazität begonnen, was weit über dem Durchschnitt der letzten Jahre lag.

Außerhalb von China befinden sich aktuell noch 67 Gigawatt im Bau, deren Baubeginn teils schon vor dem Jahr 2023 lag. Insgesamt werden außerhalb Chinas allerdings immer weniger neue Kohlekraftwerke zugelassen oder geplant, wie langfristige Daten des Global Energy Monitors zeigen. Die Internationale Energieagentur (IEA) prognostiziert einen abnehmenden Kohleverbrauch für die kommenden Jahre. nib

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Al Jaber streitet ab, die COP für fossile Deals nutzen zu wollen

Sultan Al Jaber, Präsident der COP28, streitet ab, dass die Vereinigten Arabischen Emirate die Klimakonferenz dazu nutzen wollten, Öl und Gas-Deals auszuhandeln. Am Montag hatten die BBC und das Centre for Climate Reporting berichtet, dass Al Jaber sich auf Verhandlungen über Fossile mit mindestens 15 Ländern vorbereitet habe. Die Berichterstattung bezog sich auf geleakte Dokumente. Sie sollen beispielsweise Vorbereitungen für Gespräche mit China über LNG-Lieferungen aus Mosambik, Kanada und Australien zeigen. Die geleakten Dokumente beziehen sich auf vorbereitende Treffen mit Ministern aus verschiedenen Ländern.

Laut Al Jaber sind diese Vorwürfe “falsch, nicht wahr, unrichtig, nicht zutreffend”. Die Berichterstattung darüber sei ein Versuch, seine Präsidentschaft der COP zu untergraben. Schon im Vorfeld hatte es Kritik an Al Jabers COP-Präsidentschaft gegeben. Er hat eine Reihe von hochrangigen Positionen in der Regierung und in der Wirtschaft inne, unter anderem als Vorstandsvorsitzender des staatlichen Ölriesen Abu Dhabi National Oil Company (ADNOC). Al Jaber selbst sieht sich als Mediator zwischen Klimabewegung und der fossilen Industrie. Diese Kontroverse diskutieren wir auch im heutigen Portrait des COP-Präsidenten. rtr/kul

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Entwaldung im Amazonas geht deutlich zurück

Von Januar bis Anfang November wurde deutlich weniger Amazonas-Regenwald zerstört als im Vergleich zu den ersten elf Monaten des Vorjahres. Die Waldzerstörung ist um 56 Prozent zurückgegangen. In Brasilien, Kolumbien, Peru und Bolivien sank die Abholzungsrate. Das zeigt eine Analyse des Waldüberwachungsprogramms MAAP der gemeinnützigen Organisation Amazon Conservation.

Der Amazonas, der größte Regenwald der Welt, trägt zur Eindämmung der globalen Erwärmung bei, da seine Bäume große Mengen an Kohlendioxid absorbieren. Der Rückgang fällt mit einem Wechsel der Regierungen hin zu linksgerichteten Präsidenten in Brasilien und Kolumbien zusammen, die sich seit vergangenem Jahr verstärkt für den Naturschutz einsetzen. Analysten führen den Rückgang größtenteils auf die strengere Durchsetzung von Umweltgesetzen in Brasilien zurück. Dort liegt ein Großteil des Amazonas-Waldes. Präsident Luiz Inácio Lula da Silva trat am 1. Januar sein Amt an. Sein Vorgänger Jair Bolsonaro hatte die Abholzung des Regenwaldes für Bergbau, Viehzucht und andere Zwecke befürwortet.

Der Erfolg bei der Eindämmung der Entwaldung wird den Amazonas-Ländern mehr Einfluss geben, um auf der COP28 auf eine Finanzierung des Naturschutzes zu drängen, meinen Experten. 2021 hatten sich mehr als 100 Ländern auf der Klimakonferenz dazu verpflichtet, die globale Entwaldung bis 2030 zu beenden. Bisher hatten globale Daten nicht darauf hingedeutet, dass dieses Ziel in Reichweite ist.

Laut MAAP wurden im Amazonas-Gebiet zwischen dem 1. Januar und dem 8. November 9.117 Quadratkilometer weniger Wald zerstört – eine Fläche von der Größe Puerto Ricos. Carlos Nobre, Geowissenschaftler an der Universität von São Paulo und Mitbegründer des Science Panel for the Amazon Research Collective, bezeichnete die neuen Daten zur Entwaldung als “wunderbare Nachricht”. Die Entwaldung sank somit auf den niedrigsten Stand seit 2019, dem ersten Jahr, für das genaue Satellitendaten vorhanden sind. rtr/nib/kul

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Bericht: Deutschland gehört zu den Staaten mit den höchsten Wasserverlusten

Deutschland gehört zu den Regionen mit dem weltweit höchsten Verlust an Wasser durch die Klimaerhitzung. Die jährlichen Verluste betragen 2,5 Kubikkilometer. Zum Vergleich: Der Bodensee umfasst circa 48 Kubikkilometer Wasser. Wie der neue Monitoring-Bericht zur “Deutschen Anpassungsstrategie an den Klimawandel” (DAS) zeigt, sind die Folgen weitreichend. So waren die vergangenen Jahre von starken regionalen Dürren geprägt. Vielerorts sanken die Grundwasserstände auf Rekordtiefe. Die Folge waren in manchen Jahren ein Rückgang der Ernten von Weizen und Silomais von 15 bis 20 Prozent. Die Wälder, insbesondere Fichtenbestände, litten ebenfalls unter dem Trockenstress und starben teils flächig ab. Durch die Trockenheit kam es vor allem in den nordöstlichen Bundesländern zu großen Waldbränden. Hinzu kamen erstmals Hitzewellen mit Temperaturen über 40 Grad Celsius nördlich von Hamburg, sowie weitreichende Veränderungen in den Ökosystemen im Meer und an Land.

Bundesumweltministerin Steffi Lemke sprach von “verheerenden Folgen der Klimakrise”, die “sich auf die Gesundheit der Menschen, die Ökosysteme und die Wirtschaft” auswirken. Die Kommunen, so Lemke weiter, seien sich ihrer “entscheidenden Rolle” bei Vorsorgemaßnahmen zunehmend bewusst.

Dabei würden sie von der Bundesregierung durch das Klimaanpassungsgesetz und der zugehörigen Strategie unterstützt. Der Präsident des Bundesumweltamts, Dirk Messner, ergänzte mit optimistischen Einschätzungen: “Neben den Schäden zeigt der Bericht auch, dass Anpassungen vor Ort wirken. Die Zahl der Hitzetoten konnte durch gezielte Informationskampagnen reduziert werden.” Zudem arbeiteten Bund und Länder an der nachhaltigen Bewirtschaftung der Wasserressourcen und Böden. Die Bundesregierung legt künftig alle vier Jahre einen Monitoring-Bericht zur DAS vor, wie es das Klimaanpassungsgesetz verlangt. Damit soll die Umsetzung messbarer Ziele nachvollzogen werden können. av

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Standpunkt

Ölkonzerne und Ölstaaten sollten für internationalen Klimaschutz zahlen

Von Gordon Brown
Gordon Brown, ehemaliger britischer Premier und heute Sondergesandter der UN für Bildung

Mia Amor Mottley, die Ministerpräsidentin von Barbados, wurde mit ihrer ambitionierten Bridgetown-Agenda für die Reform der internationalen Finanzarchitektur zu einer mächtigen Verfechterin der Klimagerechtigkeit. Aber sie ist nicht die einzige Staatschefin, die sich den massiven Herausforderungen der heutigen Zeit stellt. Eine neue Generation Politiker aus dem Globalen Süden erhebt ihre Stimme.

Beispielsweise eröffnet der kenianische Präsident William Ruto neue Wege für klimapositives Wachstum in Afrika: Indem der Kontinent seine reichhaltigen natürlichen Ressourcen und sein grünes Produktionspotenzial nutze, könne er die industrialisierte Welt mit Waren und Dienstleistungen versorgen, um die Energiewende zu beschleunigen. In Lateinamerika hat der kolumbianische Präsident Gustavo Petro einen neuen Marshallplan zur Finanzierung globaler Klimamaßnahmen gefordert. Und Luiz Inácio Lula da Silva, der jetzt seine dritte Amtszeit als brasilianischer Präsident angetreten hat, will während der G20-Präsidentschaft seines Landes im nächsten Jahr nicht nur den Hunger, die Armut und die Ungleichheit bekämpfen, sondern auch nachhaltige Entwicklung fördern und überkommene globale Verwaltungsstrukturen reformieren.

Nach einem Jahrzehnt des Protektionismus und der Fragmentierung sollen diese Initiativen einen globalen Konsens dafür schaffen, dringend benötigte Reformen durchzuführen. Nach COVID-19 erlebt die Welt nun das, was die G20 “kaskadierende Krisen” genannt hat, darunter einen dramatischen Anstieg der Energie- und Lebensmittelpreise, untragbare Schuldenbelastung der weltweit ärmsten Länder und eine Rekordzahl klimabedingter Katastrophen. Um gegen den Klimawandel wesentliche Fortschritte zu machen und ihre Entwicklungsziele zu erreichen, benötigen die Entwicklungsländer jährlich mindestens eine Billion Dollar. Aber nichts zu tun, wäre sogar noch teurer.

Abgaben auf die Übergewinne fossiler Konzerne

Unsere gemeinsame Zukunft hängt von einer dramatischen Steigerung der Finanzierung ab, und dazu müssen zunächst einmal Abgaben auf die Übergewinne fossiler Energiekonzerne erhoben werden. Laut Fatih Birol, dem Vorsitzenden der Internationalen Energieagentur, hat die globale Öl- und Gasindustrie 2022 etwa vier Billionen Dollar verdient – erstaunliche 2,5 Billionen mehr als im Durchschnitt der letzten Jahre.

Woher kam dieses Geld? Die kurze Antwort ist, von den Verbrauchern. Einige der weltweit reichsten Unternehmen profitieren von einer Krise der Lebenshaltungskosten – die weitgehend durch hohe Energiepreise angetrieben wurde und überproportional die Armen und Bedürftigen traf. Die größten Profiteure dieser effektiven Sondersteuer auf die Weltwirtschaft waren die Ölstaaten, deren Exportgewinne – einschließlich jener von Ländern wie Kanada, Australien, Irak und Iran – 2022 insgesamt bei fast einer Billion Dollar lagen.

Exportsteuer für größte Ölstaaten brächte 25 Milliarden Dollar

Die größten dieser Länder, deren Pro-Kopf-Einkommen zu den weltweit höchsten zählt, wären durchaus in der Lage, auf ihre außerordentlich hohen Kohlenwasserstoffgewinne eine freiwillige Abgabe in einen globalen Fonds für nachhaltige Entwicklung zu zahlen. Eine dreiprozentige Steuer auf die Exportgewinne der Vereinigten Arabischen Emirate (VAE, 119 Milliarden Dollar), Katar (116 Milliarden), Kuwait (98 Milliarden), Norwegen (etwa 174 Milliarden) und Saudi-Arabien (311 Milliarden) für 2022 würde etwa 25 Milliarden Dollar einbringen – was kaum über dem liegt, was allein Saudi-Arabien in letzter Zeit für Fußball, Golf, Formel-Eins-Rennen und andere Sportgeschäfte ausgegeben hat.

Dass die diesjährige Klimawandelkonferenz der Vereinten Nationen (COP28) in einem dieser Länder, nämlich den VAE stattfindet, könnte ein glücklicher Zufall sein: Als der designierte COP28-Präsident Sultan Al Jaber im Juli seinen Aktionsplan vorstellte, nannte er als einen der vier wichtigsten Punkte die “Festlegung der Klimafinanzierung” und argumentierte, “alle Formen der Finanzierung” müssten “verfügbarer, zugänglicher und erschwinglicher” werden. Außerdem hat er die Geberländer, die ihre Versprechen noch nicht erfüllt haben, aufgefordert: “Zeigt mir das Geld.”

Gehen die VAE als COP28-Präsidentschaftsland voran?

Aber als designiertes Präsidentschaftsland haben die VAE die Verantwortung, mit gutem Beispiel voranzugehen. Um die COP28 in Gang zu bringen, sollte Al Jaber – der außerdem Geschäftsführer und Gruppen-CEO der nationalen Ölgesellschaft von Abu Dhabi ist – am besten ankündigen, sein Land werde drei Milliarden Dollar seiner Übergewinne an eine globale Finanzierungseinrichtung übertragen, und seine reichen Golfnachbarn davon überzeugen, dasselbe zu tun. Mehr als die Hälfte dieser Beiträge könnte in den Verlust- und Schadensfonds fließen, auf den sich die COP27 geeinigt hat, dessen Anfangsfinanzierung aber immer noch sehr gering ist. Der Rest könnte als Kapital- und Zuschussfinanzierung in neue Einrichtungen zur Klimaanpassung und Linderung der Folgeschäden fließen.

Mit einer solchen Abgabe müsste die internationale Gemeinschaft dann ein größeres Finanzierungsprogramm für die Entwicklungsländer ins Leben rufen – nach dem Prinzip, dass reiche, traditionell große und zahlungskräftige Verschmutzer mehr beitragen, um den ärmeren Ländern bei der Anpassung an die globale Erwärmung zu helfen. So sollten nicht nur die Hilfsbudgets vergrößert werden, sondern auch die Nachschubfinanzierung der Internationalen Entwicklungsorganisation – der Finanzierungsfazilität der Weltbank für die ärmsten Länder – für 2024.

Reform der Entwicklungsbanken

Der Ökonom N.K. Singh und der ehemalige US-Finanzminister Lawrence H. Summers haben zwei Berichte an die G20 erstellt, deren erster vor dem jüngsten Gipfel der Ländergruppe in Delhi veröffentlicht wurde. Ihr zentraler Vorschlag ist, 90 Milliarden Dollar in Form vergünstigter Finanzmittel bereitzustellen. Außerdem müsse die Gesamtkapazität des Systems der multilateralen Entwicklungsbanken (MEB) erhöht werden, was bedeutet, dessen jährliche Verpflichtungen auf 300 Milliarden Dollar regulärer Finanzmittel für Länder mittleren Einkommens zu verdreifachen.

Ebenso schlagen sie vor, die Weltbank zu rekapitalisieren und verstärkt Garantien einzusetzen. Diese könnten von den reichen Ländern vergeben werden, um es den MEB zu ermöglichen, auf den Kapitalmärkten zu attraktiven Bedingungen Kredite aufzunehmen.

Solche Initiativen können, wenn sie richtig durchgeführt werden, die Kreditvergabe durch den Privatsektor mobilisieren, was für unsere Klimaziele entscheidend ist. Die Abgabe auf Übergewinne und die Garantien könnten, wenn sie auf der COP28 beschlossen werden, gemeinsam als Grundlage dafür dienen, den Entwicklungsländern bis 2030 jährlich eine Billion Dollar Finanzmittel zur Verfügung zu stellen.

Ein neuer Marshallplan, finanziert von den reichen Ländern

Vor 75 Jahren haben die USA Europa im Rahmen ihres Marshallplans 13,3 Milliarden Dollar für den Wiederaufbau nach dem Krieg geliehen – eine Summe, die heute 169 Milliarden entsprechen würde. Dies war ein bemerkenswertes Beispiel globaler Führung, die zu Jahrzehnten stabilen Wirtschaftswachstums und internationaler Zusammenarbeit beigetragen hat.

Auch wenn die Welt und ihre Krisen heute sehr anders aussehen, muss die Antwort auf die Probleme ebenso ehrgeizig sein. Die Länder des Globalen Südens haben einen Weg nach vorn gezeigt. Jetzt müssen ihre reichen Partner aus dem Norden vorangehen und die nötigen Finanzmittel bereitstellen. Das Geld ist da, aber wir brauchen die politische Vision und den Willen, es einzusetzen, bevor die nächste Krise kommt.

Gordon Brown, ehemaliger Premierminister von Großbritannien, ist Sondergesandter für weltweite Bildung bei den Vereinten Nationen. Permacrisis: A Plan to Fix a Fractured World von Gordon Brown, Mohamed A. El-Erian, Michael Spence und Reid Lidow wurde am 28. September 2023 veröffentlicht. In Kooperation mit Project Syndicate, 2023. Aus dem Englischen von Harald Eckhoff.

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Sultan Ahmed Al Jaber – widersprüchlicher COP28-Präsident

COP28-Präsident Sultan Ahmed Al Jaber: Ein Ölmanager als Klimaschützer?

Die Ablehnung war deutlich und sie kam zügig, nur zwei Wochen nachdem die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) Sultan Ahmed Al Jaber Anfang Januar 2023 zum COP28-Präsidenten ernannt hatten. Mehr als 400 NGOs formulierten einen offenen Brief an UN-Generalsekretär António Guterres, in dem sie forderten, dass die Personalie rückgängig gemacht werden müsse. Denn: Al Jaber, der CEO der Abu Dhabi National Oil Company (ADNOC), sei alles Mögliche – aber kein Klimaschützer.

Zum Beweis listeten sie ein paar Fakten auf: Im weltweiten Ranking der größten Ölproduzenten liege ADNOC auf Platz 12, beim Ausstoß von Treibhausgasen nehme das Unternehmen Rang 14 ein. Und zur vorigen Klimakonferenz in Sharm el-Sheikh hätten die VAE mehr Lobbyisten der fossilen Industrie mitgebracht als jede andere Nation.

Geändert hat das nichts. Wenn die “Conference of Parties” (COP) heute in ihre 28. Runde geht, dann wird sie zum ersten Mal von einem Konzernchef geleitet. Von einem fossilen Konzernchef.

Dass der 50-Jährige einmal eine so prominente Rolle in der Weltpolitik übernehmen würde, war nicht unbedingt vorbestimmt. Er wuchs in Umm al-Qaiwan auf, dem kleinsten Scheichtum der Vereinigten Arabischen Emirate, abseits vom politisch dominierenden Dubai und dem erdölreichen Abu Dhabi. Für sein Studium – Chemieingenieurswesen und BWL – ging er nach Kalifornien. In England promovierte er in Wirtschaftswissenschaften. Dazwischen, 1998, begann er seine Arbeit beim staatlichen Ölkonzern ADNOC, zunächst als Prozess- und Planungsingenieur in der Erdgassparte.

Bilderbuchkarriere zwischen Öl und Politik

Dort stieg er schnell auf, wechselte als Manager zur staatlichen Investmentgesellschaft Mubadala, gründete Masdar, einen Versorger für erneuerbare Energien, und wurde von den damals neuen Herrschern auf Weltreise geschickt. Ihr Ziel: die Diversifizierung ihrer Wirtschaft voranzutreiben und das Geschäft mit der sauberen Energie auszubauen. Nach Besuchen in 15 Ländern auf vier Kontinenten kam Al Jaber mit einem Plan zurück: Nahe dem Flughafen Abu Dhabi solle Masdar City entstehen, eine CO₂-neutrale Stadt für 50.000 Einwohner, in der junge Menschen lernen, wie die nachhaltige Zukunft gestaltet werden kann.

Seitdem sind weitere Aufgaben dazugekommen. 2009 berief ihn der damalige UN-Generalsekretär Ban Ki-Moon in seine Advisory Group on Energy and Climate, 2010 wurde er zum Klima-Sondergesandten der VAE, 2016 Vorstandschef von ADNOC und 2020 Industrieminister. Zwischenzeitlich übernahm er noch den Chefposten des National Media Council, außerdem sitzt er in mehreren Aufsichtsräten.

Die Beschäftigung mit der Energiewende, seine Besuche bei vorigen Klimakonferenzen und seine verschiedenen Einblicke und Kontakte in die Wirtschaft sind es denn auch, die Befürworter Al Jabers betonen. Frans Timmermans etwa sagte ihm jegliche Unterstützung zu, als er noch EU-Kommissar für Klimaschutz war. John Kerry, der US-Sondergesandte für Klimafragen, bezeichnete ihn als “hervorragende Wahl”. Kerry sieht in ihm einen Mittler zwischen den Welten. “Wenn er das nicht hinbekommt, wenn die Öl- und Gasindustrie nicht teilnimmt und keinen ernsthaften Beitrag leistet, dann werden die Vereinigten Arabischen Emirate sehr schlecht aussehen, und er weiß das.” Sollten sie sich dazu jedoch durchringen, könnten die Emirate zu einem “all-time catalyst” werden, zu einem Akteur, der an entscheidender Stelle den Schalter umgelegt hat.

Bekenntnisse zur Energiewende

Öffentlich bekennt sich Al Jaber zur Energiewende. “Das Herunterfahren der fossilen Energien ist unerlässlich”, sagte er dem “Time Magazine”. “Das müssen wir akzeptieren.” Zugleich erklärte er, dass die Welt noch nicht bereit dafür sei, ganz auf Öl und Gas zu verzichten. “Wir können nicht den Stecker des bisherigen Energiesystems ziehen, bevor wir ein neues aufgebaut haben.”

Sätze wie diese lassen Kritiker aufhorchen. Noch können sie keine Belege für ein glaubwürdiges Umschwenken der arabischen Ölwelt erkennen, im Gegenteil. Sie verweisen auf die 150 Milliarden US-Dollar, die alleine ADNOC in seine Expansion stecken will. Bis 2030 plant das Unternehmen, seine tägliche Förderung von heute knapp drei auf fünf Millionen Barrel zu steigern.

Und dann sind da noch Recherchen von Medien. Dem “Guardian” zufolge landeten Mails, die nur für die Konferenzorganisation bestimmt waren, auch auf den ADNOC-Servern. Die “BBC” meldete, dass VAE-Verhandler die politischen Gespräche während der COP auch für neue Geschäftsabschlüsse, also den Verkauf von Öl und Gas, nutzen wollten. “Bloomberg” berichtete, dass das Unternehmen Masdar, laut eigener Aussage eines der größten für erneuerbare Energien, gemessen an der installierten Kapazität weltweit nur auf Platz 62 rangiert. Zudem wird Masdar City wohl frühestens erst 2030 fertig, und nicht wie geplant 2016. Bislang ist gerade mal ein Drittel der anvisierten Stadt errichtet.

Vor der Klimakonferenz war Sultan Ahmed Al Jaber wieder viel unterwegs, auf internationaler “Listening Tour”, wie es hieß. Emmanuel Macron, Olaf Scholz, Papst Franziskus, John Kerry, King Charles und andere hat er getroffen. Auf der COP28 muss er dieses Zuhören und Ausloten fortsetzen, wenn er die Konferenz zum Erfolg führen will. Erfahrung darin, die Interessen von fast 200 Staaten zu moderieren, hat er bislang nicht.

Wetten auf die Zukunft und neue Technologien

Seine eigenen Ziele – und die der Emirate – könnten dabei selbst zum Konfliktfeld werden. Das eine tun und das andere nicht lassen, das war bislang die Maxime: Die Erdölstaaten wollen das erneuerbare Business etablieren – und das fossile weiter ausbauen, bevor sie es dann womöglich zurückfahren. Gelingen soll der Spagat mit “Carbon Capture and Storage” (CCS), mit dem Abscheiden und unterirdischen Einlagern von klimaschädlichem Kohlendioxid. Die Technik soll das dreckige Verfeuern fossiler Rohstoffe künftig legitimieren.

Dass die teure, energieintensive und wenig ausgereifte CCS-Technologie zum Wandel bislang nur Kleinstmengen beigetragen hat, scheint Al Jaber nicht zu stören. Er wettet auf die Zukunft und darauf, dass die globale Marktreife in ein paar Jahren erreicht wird.

Deutlich früher dürfte sich dagegen zeigen, ob ihm tatsächlich daran gelegen ist, die Welt vor dem Klimawandel zu bewahren. In 14 Tagen wird man mehr wissen über Sultan Ahmed Al Jaber. Marc Winkelmann

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Climate.Table Redaktion

REDAKTION CLIMATE.TABLE

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    Liebe Leserin, lieber Leser,

    endlich geht es los! Am heutigen Donnerstag startet die 28. UN-Klimakonferenz in Dubai. Wir werden Ihnen ab heute täglich die wichtigsten Entwicklungen schildern, Hintergründe liefern und die Details des COP-Prozesses darlegen. Bernhard Pötter, Alexandra Endres und Lukas Scheid sind vor Ort und werden zwei Wochen (plus x) aus Dubai berichten.

    Zahlreiche wichtige Themen werden uns in den nächsten 14 Tagen beschäftigen: Wird sich die Weltgemeinschaft zu einem guten Kompromiss beim Global Stocktake zusammenraufen, der die Klimapolitik der kommenden Jahre bestimmen wird? Zu welchen Fortschritten ringen sich die Staaten bei der Klimafinanzierung durch? Wird COP-Präsident Al Jaber einen “Only Nixon Could Go To China”-Moment herbeiführen und mit Durchbrüchen überraschen? Wie werden die Debatten um den Gaza-Krieg die Konferenz und die Klimabewegung beeinflussen?

    Im heutigen Interview schildert Luisa Neubauer die Gefahren der Klima-Resignation, was sie von Bundeskanzler Olaf Scholz erwartet und warum der Streit bei den Fridays um die richtige Position zum Gaza-Krieg auf der COP kaum einen Unterschied machen wird. Bernhard Pötter analysiert die Positionen verschiedener Staatengruppen bei der “Globalen Bestandsaufnahme” zum Fortschritt im Klimaschutz. Einmal mehr zeichnet sich ab: Der Raum für Kompromisse ist klein.

    Beste Grüße

    Ihr
    Nico Beckert
    Bild von Nico  Beckert

    Analyse

    Luisa Neubauer sieht Misstrauen gegen “weiße Klimaschützer”

    Luisa Neubauer
    Luisa Neubauer – Das Gesicht der deutschen “Fridays for Future”-Bewegung

    Frau Neubauer, können Sie sich vorstellen, dass Greta Thunberg beim nächsten Klimastreik der Fridays for Future in Deutschland wieder auftritt?

    Die Frage stellt sich derzeit nicht.

    Was müsste dafür passieren?

    Jeder in diesem Land kann Greta Thunberg einladen, das liegt ja nicht an mir, und das ist auch gut so. 

    Unterschiedliche Positionen zum Gaza-Krieg haben für Konflikte zwischen der deutschen und internationalen Fridays for Future Gruppe geführt. Wird es während der COP28 zu klärenden Gesprächen kommen?

    Ich bin sehr vorsichtig mit meinen Erwartungen an die Klimakonferenz, politisch und zwischenmenschlich. Die Konferenz hat nicht den Ruf, der heilsamste Ort für erschöpfte Aktivisten zu sein. Aber wir werden natürlich sehr viel darüber sprechen, was passiert ist und wie wir wieder zusammenkommen.

    “International ist Deutschlands Haltung ein Problem”

    Wird es gemeinsame Aktionen der jungen Protestbewegung geben?

    Es wird natürlich Aktionen und Proteste geben, wie genau und in welcher Zusammensetzung, das weiß ich noch nicht. Aber es ist ja nicht so, als hätten vor allem wir aus Deutschland Probleme mit dem, was international gesagt wird. Aus internationaler Perspektive ist vor allem die Haltung Deutschlands ein Problem. 

    Die deutschen Fridays sind international isoliert?

    Nicht wirklich, auch die Partner aus Österreich, der Schweiz und Frankreich und andere stehen uns in unserer Haltung nahe. Der normative Durchschnitt der internationalen Klimabewegung steht bei dem Thema woanders.

    “Der Vorwurf: Wir stehen nicht an der Seite unserer Freunde”

    Was ist da passiert in den letzten sechs Wochen? Zeigt sich ein Riss, den es schon länger gibt?

    Seit ich in der internationalen Bewegung arbeite, gibt es ein Misstrauen gegenüber weißen, europäischen Klimaschützern: Wie ernst meinen wir es mit der Klimagerechtigkeit? Das kann ich grundsätzlich gut verstehen, zu lange wurden falsche Versprechen gemacht von Generationen vor uns. Und das hat sich in den Augen mancher jetzt wieder bestätigt: Dass wir, wenn es hart auf hart kommt, nicht an der Seite unserer Partner und Freunde stehen. Aber wir erleben ja auch jenseits der Klimabewegung, wie verständnislos und enttäuscht auf die deutsche Position zu Israel und Gaza geschaut wird. Auch bei internationalen Organisationen: Früher wollten die Leute nicht für USAid arbeiten, jetzt hört man von einer ähnlichen Haltung gegenüber deutschen Organisationen.

    Woran liegt dieses Misstrauen?

    Viele fühlen sich verlassen davon, wie Deutschland durch diese Krise navigiert. Die Unterstützung der Zivilgesellschaft in Gaza sehen viele als nachrangig. Die Klimabewegung ist eine kleine Projektionsfläche davon. Es gibt aber noch einen zweiten Faktor für dieses Misstrauen: Gerade wir Fridays in Deutschland sind im aktivistischen Handwerk pragmatisch sozialisiert, weil wir früh gemerkt haben, dass wir etwas bewegen und verändern können. Ich habe das auch bei AktivistInnen erlebt, die in Kambodscha einen Staudamm verhindert haben. Sie waren dafür im Gefängnis und haben den alternativen Nobelpreis bekommen – aber den Damm haben sie verhindert. Die sind total realpolitisch orientiert. Wenn das eigene System einem den Anschein vermittelt, man könne unter keinen Umständen gewinnen und selbst kleine Fortschritte aussichtslos wirken, dann wird die eigene Radikalität im Zweifel identitätsstiftender, als das eigentliche Organisieren.

    “Wir arbeiten daran, Nord-Süd-Fronten aufzubrechen”

    Aber hat die internationale Klima-Gerechtigkeitsbewegung nicht schon lange die offiziellen Positionen des globalen Südens gegenüber dem globalen Norden eingenommen? Wenn es heißt “System change, not climate change” und damit eine grundsätzliche Ablehnung der Politik aus dem kapitalistischen Globalen Norden verbunden ist?

    Bei uns war das nicht der Fall. Wir fordern auch in Deutschland “System change”, wenn wir mit “System” etwa ausbeuterische Verhältnisse meinen. Wir arbeiten weiter daran, diese Nord-Süd-Fronten aufzubrechen, indem wir sagen, wir erzählen eine neue Geschichte von jungen Leuten, die sich nicht auseinanderdividieren lassen von einer eindeutig ausbeuterischen Vergangenheit.

    Aber passiert das nicht gerade – dass Sie sich auseinanderdividieren?

    Die Gefahr besteht.

    Was muss passieren, dass diese Kluft nicht weiter wächst?

    Ich habe dafür keine einfache Formel. Sicher müssen wir sensibilisieren für historische Verantwortung, die nicht nur auf deutschen Schultern liegt, sondern eine Weltverantwortung ist. Das heißt auch Antisemitismus erkennen und das Existenzrecht Israels anerkennen. Aber wir sind auch gefragt, einen aufrichtigen und angemessenen politischen Umgang mit der Situation in Gaza zu finden. Ich kann es nachvollziehen, dass man Deutschland vorwirft, nicht klar genug dafür einzustehen, dass das Sterben in Gaza ein Ende findet. Es wäre ein wichtiger Schritt, wenn wir als Deutschland es schaffen könnten, in Richtung einer anhaltenden Feuerpause zum Schutz von Zivilisten hinzuwirken.

    “Die Debatte in den Fridays wird nicht so einen Unterschied machen”

    Ist die Klimabewegung in Dubai so sehr mit sich selbst beschäftigt, dass sie als treibende Kraft ausfällt?

    Diese Haltung wundert mich schon: Die letzten drei Jahre hat sich niemand hat für die internationale Bewegung interessiert. Jetzt könnte man den Eindruck bekommen, die internationale Arbeit sei unser Dreh- und Angelpunkt. Die internationale Klimabewegung ist riesengroß, Fridays for Future ist da ein relativ überschaubarer Teil. Wir sind in Deutschland sehr groß, aber nur selten in anderen Ländern. Natürlich wird es Aktivisten aus anderen Ländern geben, die ihre Sachen machen. Ich glaube nicht, dass die Debatte innerhalb der Fridays einen solchen Unterschied macht. Es fährt auch nur ein kleiner Teil der Fridays zur COP. Und wir denken auch: Etwaige Versöhnungsprozesse müssen vielleicht nicht ausschließlich in den zwei Wochen stattfinden, wo wir die Chance haben, internationale Klimademokratie zu beeinflussen.

    Sie sagen, die Fridays sind nicht so relevant, dass ihre Probleme die Konferenz beeinflussen?

    Die Stimmung ist relevant, aber das ist kein Fridays-Thema, sondern weltweit. Das hat mit der  Klimabewegung weniger etwas zu tun, als mit der weltweiten Zivilgesellschaft. Die steht gerade woanders, als es die deutsche Staatsraison tut. Ich will nicht kleinreden, was wir leisten, aber internationale Dynamiken sind mächtiger als wir. Es gibt allerdings einen Unterschied: Wir als deutsche Fridays for Future Bewegung konnten bisher auf den COPs immer viel anstoßen: wir kennen uns gut aus, haben große Kapazitäten, kennen das Handwerk, das wir gut anwenden können. Vor einem Jahr bei der COP in Ägypten haben wir weite Teile der Proteste begleiten können. Diese Räume konnten wir gut öffnen, auch, weil wir als Menschen mit deutschem Pass privilegiert sind. Das wird jetzt schwieriger werden. Wir wurden in eine Situation gebracht, in der die Zusammenarbeit immer mit Erklärarbeit und Vermittlungsarbeit verbunden ist. Das widerspricht der Rushhour-Logik einer Klimakonferenz.

    “50 Wochen zwischen den COPs so wichtig wie zwei Wochen Konferenz”

    Wir wichtig sind die Konferenzen? Viele sind da skeptisch.

    Es gibt riesige Defizite, aber es gibt aktuell keine Alternative. Es gibt den medialen Reflex, die COP zum singulären Höhepunkt des Jahres hochzuschreiben. Aber die fünfzig Wochen zwischen den COPs sind so wichtig wie die zwei Wochen bei der COP. Und was vorher nicht in Ansätzen geleistet wird, kann da nicht mehr ausgebügelt werden. Aber wir brauchen Orte, wo wir als Zivilgesellschaft zusammenkommen.

    Sie sagen, die Fridays seien in Deutschland runtergeredet worden. Wo sehen Sie das?

    Seit zwei oder drei Jahren gibt es in der Öffentlichkeit ein großes Erstaunen darüber, dass es ja gar nicht so einfach ist, Klima-Aktivismus in Deutschland zu machen. Ja, natürlich verlieren wir auch mal. Weil wir in einer so riesigen Krise sind, für die man 50 Jahre lang keine Lösung gefunden hat. Das  krempeln wir nicht mal so eben in ein paar Jahren um und surfen auf einer grünen Welle davon. Wir sind als FFF in einem unglaublichen Klima-Hype reingestartet, das war schon damals eine totale Ausnahme. Aber wenn wir keine harten Zeiten hätten, bräuchten wir keine Klimabewegung.

    “Resignation ist die größte Gefahr für Klima und Demokratie”

    Warum ist im letzten Jahr in Deutschland die Stimmung so gegen den Klimaschutz gekippt?

    Dafür gibt es viele Erklärungen. Ein Grund ist sicherlich, dass ein Kanzler dachte, er könne das Klimaproblem an eine Partei und auch nur ein Ministerium outsourcen. Und wenn dann halb Deutschland auf diesen Minister einprügelt, dann sei das nicht das Problem des Kanzlers. Aber wenn man es nicht schafft, Klima demonstrativ zur Chefsache zu machen, dann fliegt dir halt dein Laden auseinander. Er müsste im Kabinett eine ökologische Mindestdisziplin durchzusetzen, die bedeutet, wir verhandeln nicht darüber, ob wir die Klimaziele einhalten. Und wer keinen besseren Vorschlag für einen aktuellen Plan  machen kann, der hat kein Vorschlagsrecht. Wenn man all das nicht tut, so wie es Kanzler Scholz versäumt hat, dann landen wir an einem Punkt, wo die Existenzkrise unserer Zeit zu einem Privatproblem von Robert Habeck gemacht wird. Und nebenbei die Zuversicht und das Vertrauen in die Ampel und auch in die Demokratie verloren gehen und Resignation in diese Gesellschaft einzieht.

    Wie wehren Sie sich gegen diese Resignation?

    Die meisten Menschen meinen es ja gut. Und geben ihr Bestes. Das sieht oft sehr unterschiedlich aus, das ist auch okay so. Wenn die Resignation der Anfang von Ende ist, und politisch gesprochen die größte Gefahr für Klima und Demokratie, weil es die Resignierten sein werden, die einen Rechtsrutsch und eine Klimakrise zulassen werden – dann ist der Kampf gegen die eigene Resignation ein ganz banaler Teil von meinem täglichen Aktivismus. Und im nächsten Schritt stehen ja alle Türen offen, wenn wir nur genau hingucken. 

    Alle bisher erschienenen Texte zur COP28 lesen Sie hier. 

    • COP28
    • Fridays for Future
    • Klimastreik
    • Nobelpreis
    • USAID

    Global Stocktake: Das fordern die Staaten von einem COP28-Beschluss

    Fast 200 UN-Länder müssen sich auf eine Abschlusserklärung einigen. Die Erwartungen liegen weit auseinander.

    Für die zentrale Entscheidung der COP28 zum “Global Stocktake” (GST) stehen den Delegationen harte Verhandlungen bevor. Denn die Vorstellungen der einzelnen Staaten und Ländergruppen, welche Folgen aus der ersten globalen Bestandsaufnahme zum Klimaschutz zu ziehen sind, gehen weit auseinander. Sie widersprechen sich teilweise sogar direkt. Das zeigt ein Überblick über die Vorschläge, die 23 UN-Staaten und Ländergruppen und etwa 50 internationale Organisationen dem Klimasekretariat UNFCCC vorgelegt haben. Table.Media hat die Dokumente ausgewertet.

    Der GST zieht zum ersten Mal seit dem Beschluss des Pariser Abkommens 2015 eine Bilanz, was im Klimaschutz seitdem erreicht wurde und wie es weitergehen soll. Im September gab es eine Zusammenfassung der Erkenntnisse aus dem “technischen Dialog”. Dann fasste das UNFCCC-Sekretariat die Ergebnisse aus seiner Sicht zusammen. Auf der COP28 muss nun ein Dokument vorgelegt werden, das Grundlage für eine Entscheidung sein soll.

    Konsens beim Rückblick

    In den bisherigen Papieren gibt es große Übereinstimmung bei der Benennung von Lücken im bisherigen Klimaschutz. Aber auch viel Zustimmung bei anderen Themen:

    • Die Emissionsreduzierungen, die für einen Pfad zu 1,5 Grad Erderwärmung nötig wären – minus 43 Prozent global bis 2030 – sind bisher nicht abzusehen.
    • Anpassung an den Klimawandel ist massiv unterfinanziert. Versprechen dazu wurden nicht gehalten.
    • Die Industrieländer haben bislang ihre Zusage von 100 Milliarden Dollar Klimahilfen pro Jahr ab 2020 nicht eingehalten. Erst 2022 könnte es soweit sein, aber das war noch unklar, als die Statements eingereicht wurden.
    • Der Aufbau von Kapazitäten und technischem Know-how in den Entwicklungsländern bleibt weit hinter dem Nötigen zurück.
    • Ein großer Schub an Investitionen ist nötig: in erneuerbare Energien, Effizienztechnik, Naturschutz und Ernährungssicherheit, Anpassungsmaßnahmen und “Loss and Damage”-Finanzierung.

    COP-Beschluss: Wer will was?

    In anderen Punkten gehen die Vorstellungen und Sichtweisen weit auseinander. Das zeigt ein Überblick über die wichtigsten Akteure und ihre besonderen Schwerpunkte.

    G77 und China

    Die Position der G77 und China wird vom derzeitigen Vorsitz Kuba vorgetragen. Sie entspricht weitgehend den bekannten Positionen dieses großen Zusammenschlusses von Entwicklungsländern in der UNO (inzwischen etwa 130 Staaten). Auch ihre Untergruppen wie LDC oder Basic ebenso wie große Länder wie China oder Indien wiederholen viele dieser Standpunkte:

    • Die Klimakrise ist vor allem von den Industriestaaten verursacht worden. Diese haben weder ihre Verpflichtungen nach der Klimarahmenkonvention und dem Pariser Abkommen zur schnellen Reduktionsminderung noch zur ausreichenden Finanzierung von Klimapolitik im Globalen Süden erfüllt. Diese “historischen Lücken bei der Umsetzung von CO₂-Reduktion” und der Führungsrolle dabei durch die Industrieländer muss hervorgehoben werden.
    • Die Umsetzung von Maßnahmen im Klimaschutz (“Response Measures”) darf nicht zu sozio-ökonomischen Nachteilen für die armen Länder führen. Die Industriestaaten müssen für einen gerechten Übergang auch im Globalen Süden sorgen.
    • Eine schnelle Umsetzung des Loss and Damage-Fonds, die zugesagten 100 Milliarden für Klimafinanzierung, der Rückstand bei Technologietransfer und dem Aufbau von Kapazitäten müssen im Text an prominenter Stelle stehen.
    • “Einseitige Zwangsmaßnahmen sollten in der Klimapolitik nicht genutzt werden.” Dahinter verbirgt sich eine Ablehnung des europäischen CO₂-Außenzolls CBAM. Einzelne Länder sollen nicht an den Pranger gestellt werden und ihnen keine Vorschriften gemacht werden.
    • Die G77 beruft sich auf den aktuellen IPCC-Bericht. Es sollen die Auswirkungen des Klimawandels auf die verwundbaren Länder dargestellt werden. Außerdem sollen Beispiele für Fortschritte und Ideen für ein besseres Finanzsystem gemacht werden.
    • Alle Beschlüsse müssen sich auf die Formel der “gemeinsamen, aber differenzierten Verantwortung im Licht der länderspezifischen Umstände” (CBDR-RC) beziehen. Das ist die Teilung der Lasten und Verantwortungen zwischen Industrie- und Entwicklungsländern.

    BASIC: Konfrontation mit dem Norden

    Die Gruppe um Brasilien, Südafrika, Indien und China (BASIC) sieht sich als Führungsgruppe der G77/China. Gleichzeitig sind sie derzeit vor dem Hintergrund der geopolitischen Spannungen und der Vergrößerung der BRICS-Gruppe, die außerdem noch Russland enthält, deutlich selbstbewusster. Die Forderungen der BASIC sind deutlich schärfer formuliert als die Erklärung der G77. Für sie ist die Klimakrise “die abstoßende Erbschaft von Kolonialismus und Imperialismus der letzten fünf Jahrhunderte”.

    • Die BASIC fordern Ehrlichkeit bei der GST-Bilanz. Dazu gehört für sie, das Versagen des Globalen Nordens bei Emissionsreduktion und Finanzhilfen öffentlich anzuerkennen. Sie fordern eine Richtschnur, wie diese (Un)-Gerechtigkeit in Klimafragen umzusetzen ist.
    • Auch die BASIC betonen stark die Teilung der Welt in Globalen Norden und Rest der Welt laut dem Prinzip CBDR-RC – eine Teilung, die die Industriestaaten beim Klima mit dem Pariser Abkommen für beendet erklären – schließlich haben dort alle Staaten akzeptiert, dass sie handeln müssen. Allerdings darf auch für BASIC der Bezug auf CBDR-RC “nicht benutzt werden, um Nichthandeln zu entschuldigen”.
    • Sie beziehen sich ebenfalls auf den aktuellen IPCC-Bericht, warnen aber vor unkritischer Übernahme der Modellrechnungen, weil sie “keine Annahmen zu Klima-Gerechtigkeit und Einkommensverteilung machen”. Das heißt, sie werfen den IPCC-Szenarien vor, nicht im Sinne der CBDR-RC zu unterscheiden.
    • Auch bei der Betrachtung der historischen Emissionen sind die BASIC-Staaten nicht mit dem IPCC einverstanden. Zwar zitieren sie die Zahlen, nach denen inzwischen Industrie- und Entwicklungsländer insgesamt etwa gleich viel CO₂ in die Atmosphäre entlassen haben – sie verweisen aber auf eine pro-Kopf-Rechnung, die den Industrieländern mehr Verantwortung gibt.
    • Die BASIC-Staaten fordern, die Industriestaaten müssen ihre Netto-Null-Ziele “viel früher als 2050 erreichen” – damit die Schwellenländer sich länger Zeit lassen können. Und erstmal nur der Globale Norden soll seine Konsum- und Produktionsmuster klimaneutral und mit Blick auf die UN-Nachhaltigkeitsziele SDG umstellen.
    • Die Klimafinanzen müssen “deutlich über die 100 Milliarden hinausgehen”, um die “Billionen von Dollar” auszugleichen, die Klimaschutz und -schäden im Globalen Süden kosten. Nämlich neun Billionen für die Bedürfnisse der Schwellen- und Entwicklungsländer im Klimaschutz, oder allein sechs Billionen, wenn der globale Süden seine Klimapläne (NDC) umsetzen soll.  

    Afrikanische Gruppe: Am schwersten getroffen

    Die afrikanischen Länder legen größten Wert darauf, dass die Erklärung nachhaltige Entwicklung ihres Kontinents mit Klimazielen verbindet. Es müsse “Fortschritt bei den SDG” geben, eine Erklärung zum GST dürfe auf keinen Fall “die Unterentwicklung Afrikas vertiefen”. Oberstes Ziel müsse es sein, den 600 Millionen Menschen in Afrika ohne Zugang zu Strom und den 900 Millionen ohne sauberes Wasser zu helfen. Außerdem fordern sie:

    • anzuerkennen, dass Afrika etwa durch Meeresspiegelanstieg und Stürme verwundbarer in der Klimakrise sei als andere Regionen;
    • Investitionen in Erneuerbare in Afrika drastisch zu erhöhen, der Kontinent habe sehr gute Potenziale für grüne Energie;
    • ein globales Ziel für die Anpassung (GGA) an den Klimawandel;
    • deutlich mehr Kapital nach Afrika fließen zu lassen. Seit dem Pariser Abkommen haben sich demnach diese Finanzflüsse kaum erhöht: Im Schnitt waren das 18 Milliarden Dollar im Jahr, gebraucht würden 18 bis 30 Milliarden jährlich über 20 Jahre. Insgesamt bringt Afrika derzeit aus eigenen und internationalen Mitteln nur zwölf Prozent des nötigen Kapitals für den Klimaschutz auf;
    • anzuerkennen, dass selbst bei Einhaltung der 1,5 Grad-Grenze immer noch über 50 Prozent der afrikanischen Wirtschaftsleistung von Klimafolgen getroffen werden;
    • dass Afrika das Recht zugestanden werde, seine fossilen Ressourcen auszubeuten, um seine Entwicklung zu finanzieren. “Afrika steht davor, dieses Kapital als gestrandete Investitionen zu verlieren, wenn Maßnahmen wie CO₂-Steuern die Präferenzen der Konsumenten verändern”, warnt die Gruppe. Auch habe Afrika nicht die Instrumente, um Klimabilanzen etwa für das europäische CBAM aufzustellen.

    Saudi-Arabien: Kein Zwang zum Klimaschutz

    Saudi-Arabien findet sich in mehreren Rollen wieder. Als dominanter Ölproduzent, dem die momentanen Preise große Gewinne sichern, als traditioneller Bremser in den Verhandlungen, der taktisch klug agiert. Gleichzeitig will das Land global eine wichtigere Rolle spielen und auch in der Zukunft einer dekarbonisierten Wirtschaft eine wichtige Rolle einnehmen. Die Forderungen des Königreichs:   

    • Kein Zwang zu “besonderen Wegen und Zeitrahmen für irgendjemanden”, “keine neuen Kategorien, Sektorziele, Maßnahmen gegen einzelne Energiequellen oder Bestrafungsmaßnahmen”. Das ist eine Kritik an CO₂-Zöllen oder einem Beschluss zum fossilen Ausstieg.
    • Anerkennung, welchen “beträchtlichen Fortschritt” der Klimaschutz seit Paris gemacht hat. Mit den derzeitigen Ambitionen könnten die Klimaziele des Abkommens erreicht werden.
    • Kritik am IPCC: Emissionspfade und Szenarien sind demnach Projektionen, keine Vorhersagen oder Vorschriften, es fehlt Unterscheidung nach länderspezifischen Bedingungen.  
    • Die Erwähung im Text, der größte Anteil der historischen und derzeitigen Emissionen komme aus den Industriestaaten (was umstritten ist).
    • Alle technischen Möglichkeiten zur Emissionsreduzierung, vor allem auch CCUS oder CDR zu verstärken.
    • “keinen Raum” für die Abschaffung der Differenzierung der Länder nach CBDR-RC oder dafür “eine Lastenteilung zu etablieren”. Das widerspricht nach Ansicht Saudi-Arabiens der Klima-Rahmenkonvention und dem Pariser Abkommen. Das richtet sich gegen die Vorschläge, auch die reichen Schwellenländer wie etwa Ölstaaten zur Finanzierung des globalen Klimaschutzes zu bewegen.

    Russland: Njet zu fossilem Ausstieg

    Russland hält sich bei den Konferenzen traditionell im Hintergrund. Besonders seit dem Angriff auf die Ukraine suchen die Delegierten nicht die große Bühne, sind aber im Prozess immer präsent. Ihre Forderungen sind davon geprägt, dass die russische Volkswirtschaft zu einem großen Teil auf dem Export von Gas und Öl beruht. Deshalb:

    • Betont Russland, wie wichtig “Übergangsbrennstoffe” und naturbasierte Lösungen sind: Gas und die großen russischen Waldflächen.
    • Ein Njet kommt zu den Plänen für einen Ausstieg aus den Fossilen. “Wir wehren uns gegen jedes Ergebnis, das Brennstoffe unterscheidet oder nach einem Auslaufen einer spezifischen Energiequelle oder eines Brennstofftyps ruft”, heißt es.
    • Das Land, in dem inzwischen Umweltorganisationen an der Arbeit gehindert und ihre Arbeit verboten wird, erklärt, man “verstehe den Wert der Zusammenarbeit mit nichtstaatlichen Akteuren, um Transparenz und Verantwortung zu erhöhen”. Das sei wichtig, um “Vertrauen zwischen den Handelnden” zu schaffen und einen gerechten Umbau der Volkswirtschaft zu garantieren.
    • Bei Klimaschutz und Finanzierung sollten die Annex II-Länder der Rahmenkonvention vorangehen. Das sind die Industrieländer – allerdings ohne Russland und seine ehemaligen Republiken.
    • Die Umlenkung der Finanzflüsse in Klimaschutzmaßnahmen, wie im Pariser Abkommen vereinbart, dürfe nicht die “soziale und ökonomische Entwicklung” benachteiligen – etwa durch “einen Ausstieg oder eine Absenkung von kritischen fossilen Brennstoffen”.

    China: Protektionismus schadet dem Klima

    China ist der vielleicht mächtigste Player bei den Klimaverhandlungen. Die Großmacht verfolgt ihre eigenen Ziele, leidet unter den Klimafolgen und treibt zu Hause den Ausbau der Erneuerbaren massiv voran. Gleichzeitig ist es vom fossilen Wirtschaftsmodell und dem Export abhängig. Das Land definiert sich nach wie vor als Entwicklungsland, um die Verhandlungsgruppe der G77/China zusammenzuhalten. Diese Rolle kommt nun etwa bei den Finanzierungsfragen des “Loss and Damage” Fonds immer stärker unter Druck. China als derzeit bei weitem größter CO₂-Emittent will deshalb unter anderem:

    • Die Verantwortung für die Klimakrise vor allem den Industrieländern zuweisen. Es müsse anerkannt werden, dass die historischen Emissionen aus der Industrie zu 70 Prozent aus den Industrieländern stammen. Neuere Zahlen und der Blick auf Landnutzung zeichnen allerdings ein anderes Bild.
    • Betonen, welche Fortschritte im Klimaschutz bereits gemacht wurden. Steuerte die Welt vor dem Paris-Abkommen auf 3,5 Grad zu, liege sie nun im besten Fall bei 1,7 bis 2,5 Grad. Die Preise für Solarenergie und Batterien sind um 85 Prozent gefallen, für Windenergie um 55 Prozent, der Ausbau kommt schnell voran.
    • China fordert einen besonderen IPCC-Bericht dazu, wie die Ziele des Pariser Abkommens erreicht werden können und wie ein globales Anpassungsziel aussehen könnte.
    • Es will im Text erwähnt sehen, dass die Auslagerung der Produktion in die Schwellenländer deren CO₂-Emissionen nach oben treibt, um zwei Milliarden Tonnen CO₂ jährlich, etwa 15 Prozent der OECD-Emissionen
    • Festschreiben, dass die Finanzierung des Loss and Damage-Funds Sache der Industrieländer ist.
    • China warnt vor Protektionismus und Sanktionen auf Produkte zur Energiewende. Solarmodule könnten wegen dieses Maßnahmen 2030 bis zu 25 Prozent teurer werden und 160 bis 370 GW weniger produziert und installiert werden. Neue Handelshemmnisse könnten bedeuten, dass bis 2060 drei bis vier Milliarden Tonnen mehr CO₂ ausgesotßen wird als im Freihandel.

    USA: Regeln für privates Kapital nötig

    Die USA sind traditionell der große Gegenspieler Chinas. Mit dem politischen und ökonomischen Rivalen verbindet Washington Konkurrenz und Kooperation. Soll der Klimaprozess funktionieren, müssen sich China und die USA einig sein. Doch bei den Forderungen zum abschließenden GST-Beschluss der COP28 markiert die US-Regierung, die zu Hause vor einem Wahljahr steht, ihre Positionen:

    • Die Erklärung soll eine “angemessen Balance zwischen Sorge und Hoffnung” treffen und “ehrlich” sein. Keinesfalls dürfe durch die “Hintertür” das Pariser Abkommen geändert werden. Man sei “besorgt über Kommentare, dass nur die Industrieländer die Lücken zum Erreichen der Klimaziele füllen sollen”.
    • Ein “gerechter Übergang” bedeutet für die USA nicht, Netto-Null-Ziele nach hinten zu schieben, die Nutzung fossiler Brennstoffe auszuweiten oder einen “Bedarf für neue internationale Finanzen” zu begründen. “Just transition” sei eher ein Konzept für die Innenpolitik als international. Das verweist auf die IRA-Gelder in den USA und ihre Weigerung, im großen Stil zur globalen Finanzierung beizutragen.
    • Die USA sind für den fossilen Ausstieg bei “unverminderten” (“unabated”) Fossilen, unterstützen also den Kurs der VAE für den verstärkten Einsatz von CCS.
    • Bei der Anpassung raten sie, auch Projekte aufzuspüren, die schlecht funktionieren – und vor allem Projekte vorzustellen, die schnell umsetzbar sind und private Investitionen anreizen.
    • Auch beim heiß umstrittenen Thema Finanzen setzen die USA auf bessere Rahmenbedingungen für private Investitionen. Die USA zitieren IPCC-Daten: Es sei genug Geld da, es fließe nur in die fossile statt in die erneuerbare Infrastruktur.
    • Beim Rückgang der fossilen Subventionen gebe es für die Jahre 2019-20 Fortschritt, genauso wie beim Ziel der 100 Milliarden. Klimafinanzierung sei kein Wert an sich, sondern müsse gemessen werden an Emissionsreduzierung und Aufbau von Resilienz.
    • Aussagen zur Finanzierung des “Loss and Damage”-Fonds oder zu den historischen Emissionen der USA finden sich nicht.

    EU: Vorreiter drängt Öl- und Gasindustrie

    Die Europäische Uion sieht sich gern als Vorreiter in Sachen Klimaschutz. Der Block aus 27 Staaten hat seit 1990 seinen CO₂-Ausstoß um etwa 25 Prozent gesenkt, für 2030 mit dem “Green Deal” ein Minus von 55 Prozent angestrebt und für 2050 Netto-Null-Emissionen. Die Mitgliedsstaaten der EU sind die größten Finanziers im internationalen Klimaschutz und bemühen sich um strategische Bündnisse mit Schwellen- und Entwicklungsländern. In die Schlusserklärung gehört für Europa deshalb:

    • eine “Kurskorrektur” und der politische Willen, auf den 1,5 Grad-Pfad zu gelangen. Dafür aber brauche es “drastisch verbesserte Anstrengungen”. Der Emissionshöhepunkt müsse spätestens 2025 kommen – was vor allem China unter Druck setzt und von der IEA bereits als realistisch angekündigt wurde.
    • Die internationale Gemeinschaft müsse die Hürden für die Klimafinanzierung in den verschuldeten Ländern des Globalen Südens abbauen. Anpassung solle in allen Plänen und Investmentstrategien vorkommen.
    • Die EU möchte in der GST-Erklärung auch die Bereiche angesprochen sehen, die das Leben der Menschen direkt betreffen: Gesundheit, Wasser, Nahrung, Schutz von Ökosystemen, Geschlechtergerechtigkeit
    • Anders als etwa Saudi-Arabien will die EU eine Verteilung von Lasten und Vorteilen als zentral für den Klimaschutz genannt wissen. Auch zur “Gerechtigkeit” (equity) beim Klimaschutz, einem Buzz-Wort der Verhandlungen, müssten alle beitragen, die hohe Emissionen pro Kopf oder als Land aufweisen – also nicht nur die Industriestaaten.
    • Auch die EU sieht bei der Klimafinanzierung genügend Kapital vorhanden, nur in die falschen Bereiche investiert. Es sei dringend, die grünen Finanzströme von Milliarden in Billionen zu vergrößern und eine Wirtschaft ohne Fossile aufzubauen.
    • Die besten Beispiele aus dem GST will die EU in einem Anhang an die Erklärung veröffentlichen, der nicht den Verhandlungen unterliegt.
    • Verdreifachung der Erneuerbaren, Verdopplung der Effizienz, Verminderung des Methanausstoßes um 75 Prozent bis 2030 sollen als Ziele für 2030 verankert werden.
    • Die EU will die “Öl und Gasindustrie drängen, ihr Versprechen zu halten, die Energiewende voranzutreiben. 2030 mehr als 80 Prozent ihrer Upstream-Investitionen in saubere Energien zu stecken, im Vergleich zu weniger als 5 Prozent derzeit”.

    CAN: Eine Billion Dollar jährlich fürs Klima

    CAN International, der Zusammenschluss von mehr als 1900 Umwelt- und Entwicklungsorganisationen aus 130 Ländern unter dem Dach der “Climate Action Network” begleitet die COPs von Anfang an. Die Experten und Lobbyisten der Gruppen sitzen inzwischen in vielen Länderdelegationen. Die deutsche Klimabeauftragte Jennifer Morgan oder der kanadische Umweltminister Steven Guilbeault arbeiteten früher hier. CAN liefert traditionell neben Expertise auch die Stimme der armen Entwicklungsländer und des Naturschutzes. Konkret fordern sie von einer Erklärung zum GST:

    • Ein Auslaufen aller fossilen Energien bis 2050 unter Einhaltung der Menschenrechte und ohne Abhängigkeit von CCS.
    • Einen Beschluss, alle öffentlichen Mittel für Fossile und alle privaten Investitionen in ihren Ausbau zu stoppen.
    • Die Kapazität der Erneuerbaren jährlich um 1,5 Terrawatt und die Energieeffizienz um vier Prozent zu erhöhen.
    • Suffizienz (“was ist genug?”) in die Klimapläne besonders der großen Emittenten aufzunehmen.
    • Die OECD und Russland sollen Hilfen für Klimaschutz und Erneuerbare auf jährlich eine Billion Dollar erhöhen.
    • Einen Fahrplan für die Verdopplung der Anpassungsfinanzierung bis 2050.

    LDCs: Schäden auch bei 1,5 Grad

    Die am wenigsten entwickelten Länder (LDCs) sind oft auch jene, die von der Klimakrise am stärksten getroffen werden: Ihr geografische Lage, ihre oft schwachen Institutionen, ihre Wirtschaftsstruktur und geringer Wohlstand führen dazu, dass Verluste und Schäden kaum abgepuffert werden können. Daher sind ihre Forderungen teilweise noch weitergehend. Sie plädieren unter anderem für folgende Elemente in der Erklärung:

    • Selbst ernsthafter Klimaschutz und mehr Investitionen in Anpassung können “Verluste und Schäden” nur verringern, nicht verhindern. Ein Überschießen des Klimaziels von 1,5 Grad, von dem die Wissenschaft ausgeht, führt zu weiteren Verlusten und Schäden.
    • Das Ziel der Klima-Rahmenkonvention, die Erwärmung auf 2 Grad zu begrenzen, ist nicht mehr mit den Zielen der Konvention zum allgemeinen Klimaschutz vereinbar.
    • Es braucht kollektive Ziele für den Ausbau der Erneuerbaren und mehr Investitionen in den Entwicklungsländern.
    • Ein Ausstieg aus den fossilen Brennstoffen ist zentral für die Ziele von Netto-Null.
    • Als Anpassungsmaßnahme ist es wichtig, Frühwarnsysteme in allen Weltregionen zu installieren, wie es auch der UN-Generalsekretär fordert.
    • Eine konkrete Formulierung für das globale Anpassungsziel, das nächstes Jahr beschlossen werden soll, lautet für die LDC: “Bis 20xx die Verletzlichkeit gegenüber dem Klimawandel zu reduzieren, xx Milliarden Menschen damit in Schutz nehmen, xx Prozent von Land, Süßwasser und Ozeanen unter Schutz stellen und gleichzeitig die Hilfen im Klimaschutz auszudehnen”.
    • Bei den Finanzen sind an einer Stelle die Industrieländer und an einer anderen alle Länder aufgerufen, Anpassungsgelder zu verdoppeln, den Green Climate Fund aufzufüllen, den Loss and Damage Fonds zu finanzieren und über das neue Finanzziel ab 2025 verhandeln.

    Alle bisher erschienenen Texte zur COP28 lesen Sie hier. 

    • CBAM
    • COP28
    • Global Stocktake
    • Green Climate Fund
    • SDG
    • UNFCCC

    Termine

    30. November, 10 Uhr, UN Climate Change Global Innovation Hub, Zone B2
    Eröffnung UN Climate Change Global Innovation Hub COP 28 Infos

    30. November, 12.30 Uhr, Press Conference 2, Zone B6
    Pressekonferenz Local Governments and Municipal Authorities COP28 Position and expectations for multilevel action and urbanization Infos

    30. November, 15 Uhr, Virtueller-OECD Pavillion
    Diskussion Greening global energy grids with AI and connectivity
    Künstliche Intelligenz kann dabei helfen die Klimaziele für das Jahr 2050 zu erreichen. Diese Podiumsdiskussion der OECD analysiert die Beziehung zwischen KI, dem Internet der Dinge (IoT) und der zugrunde liegenden Konnektivitätsinfrastruktur sowie deren Auswirkungen auf effiziente Energiesysteme. Infos

    30. November, 16 Uhr, Meeting Room 3, Zone B1
    Mandated Event Understanding the Effects of Response Measures to Support Just Transition and Economic Diversification: Case Studies Infos

    News

    Klima in Zahlen: Kaum neue Kohlekraftwerke – außer in China

    Dieses von China mitfinanzierte Kohlekraftwerk in Patuakhali, Bangladesch, wurde im März in Betrieb genommen. Auch neue Bauprojekte werden noch gestartet - entgegen Xis Versprechen bei der UN, Kohle nicht weiter zu finanzieren.

    In den ersten neun Monaten des Jahres 2023 wurde weltweit kaum noch mit dem Bau neuer Kohlekraftwerke begonnen – einzig in China hielt der 2022 gestartete Bauboom weiter an. Laut Recherchen der Organisation Global Energy Monitor wurden im laufenden Jahr außerhalb Chinas nur in drei weiteren Staaten Bauprojekte für neue Kohlekraftwerke mit einer Kapazität von weniger als 2 Gigawatt gestartet. Das liegt weit unter dem Durchschnitt von 16 Gigawatt in den letzten acht Jahren. Allerdings wurde in China in den letzten neun Monaten mit dem Bau von über 37 GW an neuer Kohlekapazität begonnen, was weit über dem Durchschnitt der letzten Jahre lag.

    Außerhalb von China befinden sich aktuell noch 67 Gigawatt im Bau, deren Baubeginn teils schon vor dem Jahr 2023 lag. Insgesamt werden außerhalb Chinas allerdings immer weniger neue Kohlekraftwerke zugelassen oder geplant, wie langfristige Daten des Global Energy Monitors zeigen. Die Internationale Energieagentur (IEA) prognostiziert einen abnehmenden Kohleverbrauch für die kommenden Jahre. nib

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    Al Jaber streitet ab, die COP für fossile Deals nutzen zu wollen

    Sultan Al Jaber, Präsident der COP28, streitet ab, dass die Vereinigten Arabischen Emirate die Klimakonferenz dazu nutzen wollten, Öl und Gas-Deals auszuhandeln. Am Montag hatten die BBC und das Centre for Climate Reporting berichtet, dass Al Jaber sich auf Verhandlungen über Fossile mit mindestens 15 Ländern vorbereitet habe. Die Berichterstattung bezog sich auf geleakte Dokumente. Sie sollen beispielsweise Vorbereitungen für Gespräche mit China über LNG-Lieferungen aus Mosambik, Kanada und Australien zeigen. Die geleakten Dokumente beziehen sich auf vorbereitende Treffen mit Ministern aus verschiedenen Ländern.

    Laut Al Jaber sind diese Vorwürfe “falsch, nicht wahr, unrichtig, nicht zutreffend”. Die Berichterstattung darüber sei ein Versuch, seine Präsidentschaft der COP zu untergraben. Schon im Vorfeld hatte es Kritik an Al Jabers COP-Präsidentschaft gegeben. Er hat eine Reihe von hochrangigen Positionen in der Regierung und in der Wirtschaft inne, unter anderem als Vorstandsvorsitzender des staatlichen Ölriesen Abu Dhabi National Oil Company (ADNOC). Al Jaber selbst sieht sich als Mediator zwischen Klimabewegung und der fossilen Industrie. Diese Kontroverse diskutieren wir auch im heutigen Portrait des COP-Präsidenten. rtr/kul

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    Entwaldung im Amazonas geht deutlich zurück

    Von Januar bis Anfang November wurde deutlich weniger Amazonas-Regenwald zerstört als im Vergleich zu den ersten elf Monaten des Vorjahres. Die Waldzerstörung ist um 56 Prozent zurückgegangen. In Brasilien, Kolumbien, Peru und Bolivien sank die Abholzungsrate. Das zeigt eine Analyse des Waldüberwachungsprogramms MAAP der gemeinnützigen Organisation Amazon Conservation.

    Der Amazonas, der größte Regenwald der Welt, trägt zur Eindämmung der globalen Erwärmung bei, da seine Bäume große Mengen an Kohlendioxid absorbieren. Der Rückgang fällt mit einem Wechsel der Regierungen hin zu linksgerichteten Präsidenten in Brasilien und Kolumbien zusammen, die sich seit vergangenem Jahr verstärkt für den Naturschutz einsetzen. Analysten führen den Rückgang größtenteils auf die strengere Durchsetzung von Umweltgesetzen in Brasilien zurück. Dort liegt ein Großteil des Amazonas-Waldes. Präsident Luiz Inácio Lula da Silva trat am 1. Januar sein Amt an. Sein Vorgänger Jair Bolsonaro hatte die Abholzung des Regenwaldes für Bergbau, Viehzucht und andere Zwecke befürwortet.

    Der Erfolg bei der Eindämmung der Entwaldung wird den Amazonas-Ländern mehr Einfluss geben, um auf der COP28 auf eine Finanzierung des Naturschutzes zu drängen, meinen Experten. 2021 hatten sich mehr als 100 Ländern auf der Klimakonferenz dazu verpflichtet, die globale Entwaldung bis 2030 zu beenden. Bisher hatten globale Daten nicht darauf hingedeutet, dass dieses Ziel in Reichweite ist.

    Laut MAAP wurden im Amazonas-Gebiet zwischen dem 1. Januar und dem 8. November 9.117 Quadratkilometer weniger Wald zerstört – eine Fläche von der Größe Puerto Ricos. Carlos Nobre, Geowissenschaftler an der Universität von São Paulo und Mitbegründer des Science Panel for the Amazon Research Collective, bezeichnete die neuen Daten zur Entwaldung als “wunderbare Nachricht”. Die Entwaldung sank somit auf den niedrigsten Stand seit 2019, dem ersten Jahr, für das genaue Satellitendaten vorhanden sind. rtr/nib/kul

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    Bericht: Deutschland gehört zu den Staaten mit den höchsten Wasserverlusten

    Deutschland gehört zu den Regionen mit dem weltweit höchsten Verlust an Wasser durch die Klimaerhitzung. Die jährlichen Verluste betragen 2,5 Kubikkilometer. Zum Vergleich: Der Bodensee umfasst circa 48 Kubikkilometer Wasser. Wie der neue Monitoring-Bericht zur “Deutschen Anpassungsstrategie an den Klimawandel” (DAS) zeigt, sind die Folgen weitreichend. So waren die vergangenen Jahre von starken regionalen Dürren geprägt. Vielerorts sanken die Grundwasserstände auf Rekordtiefe. Die Folge waren in manchen Jahren ein Rückgang der Ernten von Weizen und Silomais von 15 bis 20 Prozent. Die Wälder, insbesondere Fichtenbestände, litten ebenfalls unter dem Trockenstress und starben teils flächig ab. Durch die Trockenheit kam es vor allem in den nordöstlichen Bundesländern zu großen Waldbränden. Hinzu kamen erstmals Hitzewellen mit Temperaturen über 40 Grad Celsius nördlich von Hamburg, sowie weitreichende Veränderungen in den Ökosystemen im Meer und an Land.

    Bundesumweltministerin Steffi Lemke sprach von “verheerenden Folgen der Klimakrise”, die “sich auf die Gesundheit der Menschen, die Ökosysteme und die Wirtschaft” auswirken. Die Kommunen, so Lemke weiter, seien sich ihrer “entscheidenden Rolle” bei Vorsorgemaßnahmen zunehmend bewusst.

    Dabei würden sie von der Bundesregierung durch das Klimaanpassungsgesetz und der zugehörigen Strategie unterstützt. Der Präsident des Bundesumweltamts, Dirk Messner, ergänzte mit optimistischen Einschätzungen: “Neben den Schäden zeigt der Bericht auch, dass Anpassungen vor Ort wirken. Die Zahl der Hitzetoten konnte durch gezielte Informationskampagnen reduziert werden.” Zudem arbeiteten Bund und Länder an der nachhaltigen Bewirtschaftung der Wasserressourcen und Böden. Die Bundesregierung legt künftig alle vier Jahre einen Monitoring-Bericht zur DAS vor, wie es das Klimaanpassungsgesetz verlangt. Damit soll die Umsetzung messbarer Ziele nachvollzogen werden können. av

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    Standpunkt

    Ölkonzerne und Ölstaaten sollten für internationalen Klimaschutz zahlen

    Von Gordon Brown
    Gordon Brown, ehemaliger britischer Premier und heute Sondergesandter der UN für Bildung

    Mia Amor Mottley, die Ministerpräsidentin von Barbados, wurde mit ihrer ambitionierten Bridgetown-Agenda für die Reform der internationalen Finanzarchitektur zu einer mächtigen Verfechterin der Klimagerechtigkeit. Aber sie ist nicht die einzige Staatschefin, die sich den massiven Herausforderungen der heutigen Zeit stellt. Eine neue Generation Politiker aus dem Globalen Süden erhebt ihre Stimme.

    Beispielsweise eröffnet der kenianische Präsident William Ruto neue Wege für klimapositives Wachstum in Afrika: Indem der Kontinent seine reichhaltigen natürlichen Ressourcen und sein grünes Produktionspotenzial nutze, könne er die industrialisierte Welt mit Waren und Dienstleistungen versorgen, um die Energiewende zu beschleunigen. In Lateinamerika hat der kolumbianische Präsident Gustavo Petro einen neuen Marshallplan zur Finanzierung globaler Klimamaßnahmen gefordert. Und Luiz Inácio Lula da Silva, der jetzt seine dritte Amtszeit als brasilianischer Präsident angetreten hat, will während der G20-Präsidentschaft seines Landes im nächsten Jahr nicht nur den Hunger, die Armut und die Ungleichheit bekämpfen, sondern auch nachhaltige Entwicklung fördern und überkommene globale Verwaltungsstrukturen reformieren.

    Nach einem Jahrzehnt des Protektionismus und der Fragmentierung sollen diese Initiativen einen globalen Konsens dafür schaffen, dringend benötigte Reformen durchzuführen. Nach COVID-19 erlebt die Welt nun das, was die G20 “kaskadierende Krisen” genannt hat, darunter einen dramatischen Anstieg der Energie- und Lebensmittelpreise, untragbare Schuldenbelastung der weltweit ärmsten Länder und eine Rekordzahl klimabedingter Katastrophen. Um gegen den Klimawandel wesentliche Fortschritte zu machen und ihre Entwicklungsziele zu erreichen, benötigen die Entwicklungsländer jährlich mindestens eine Billion Dollar. Aber nichts zu tun, wäre sogar noch teurer.

    Abgaben auf die Übergewinne fossiler Konzerne

    Unsere gemeinsame Zukunft hängt von einer dramatischen Steigerung der Finanzierung ab, und dazu müssen zunächst einmal Abgaben auf die Übergewinne fossiler Energiekonzerne erhoben werden. Laut Fatih Birol, dem Vorsitzenden der Internationalen Energieagentur, hat die globale Öl- und Gasindustrie 2022 etwa vier Billionen Dollar verdient – erstaunliche 2,5 Billionen mehr als im Durchschnitt der letzten Jahre.

    Woher kam dieses Geld? Die kurze Antwort ist, von den Verbrauchern. Einige der weltweit reichsten Unternehmen profitieren von einer Krise der Lebenshaltungskosten – die weitgehend durch hohe Energiepreise angetrieben wurde und überproportional die Armen und Bedürftigen traf. Die größten Profiteure dieser effektiven Sondersteuer auf die Weltwirtschaft waren die Ölstaaten, deren Exportgewinne – einschließlich jener von Ländern wie Kanada, Australien, Irak und Iran – 2022 insgesamt bei fast einer Billion Dollar lagen.

    Exportsteuer für größte Ölstaaten brächte 25 Milliarden Dollar

    Die größten dieser Länder, deren Pro-Kopf-Einkommen zu den weltweit höchsten zählt, wären durchaus in der Lage, auf ihre außerordentlich hohen Kohlenwasserstoffgewinne eine freiwillige Abgabe in einen globalen Fonds für nachhaltige Entwicklung zu zahlen. Eine dreiprozentige Steuer auf die Exportgewinne der Vereinigten Arabischen Emirate (VAE, 119 Milliarden Dollar), Katar (116 Milliarden), Kuwait (98 Milliarden), Norwegen (etwa 174 Milliarden) und Saudi-Arabien (311 Milliarden) für 2022 würde etwa 25 Milliarden Dollar einbringen – was kaum über dem liegt, was allein Saudi-Arabien in letzter Zeit für Fußball, Golf, Formel-Eins-Rennen und andere Sportgeschäfte ausgegeben hat.

    Dass die diesjährige Klimawandelkonferenz der Vereinten Nationen (COP28) in einem dieser Länder, nämlich den VAE stattfindet, könnte ein glücklicher Zufall sein: Als der designierte COP28-Präsident Sultan Al Jaber im Juli seinen Aktionsplan vorstellte, nannte er als einen der vier wichtigsten Punkte die “Festlegung der Klimafinanzierung” und argumentierte, “alle Formen der Finanzierung” müssten “verfügbarer, zugänglicher und erschwinglicher” werden. Außerdem hat er die Geberländer, die ihre Versprechen noch nicht erfüllt haben, aufgefordert: “Zeigt mir das Geld.”

    Gehen die VAE als COP28-Präsidentschaftsland voran?

    Aber als designiertes Präsidentschaftsland haben die VAE die Verantwortung, mit gutem Beispiel voranzugehen. Um die COP28 in Gang zu bringen, sollte Al Jaber – der außerdem Geschäftsführer und Gruppen-CEO der nationalen Ölgesellschaft von Abu Dhabi ist – am besten ankündigen, sein Land werde drei Milliarden Dollar seiner Übergewinne an eine globale Finanzierungseinrichtung übertragen, und seine reichen Golfnachbarn davon überzeugen, dasselbe zu tun. Mehr als die Hälfte dieser Beiträge könnte in den Verlust- und Schadensfonds fließen, auf den sich die COP27 geeinigt hat, dessen Anfangsfinanzierung aber immer noch sehr gering ist. Der Rest könnte als Kapital- und Zuschussfinanzierung in neue Einrichtungen zur Klimaanpassung und Linderung der Folgeschäden fließen.

    Mit einer solchen Abgabe müsste die internationale Gemeinschaft dann ein größeres Finanzierungsprogramm für die Entwicklungsländer ins Leben rufen – nach dem Prinzip, dass reiche, traditionell große und zahlungskräftige Verschmutzer mehr beitragen, um den ärmeren Ländern bei der Anpassung an die globale Erwärmung zu helfen. So sollten nicht nur die Hilfsbudgets vergrößert werden, sondern auch die Nachschubfinanzierung der Internationalen Entwicklungsorganisation – der Finanzierungsfazilität der Weltbank für die ärmsten Länder – für 2024.

    Reform der Entwicklungsbanken

    Der Ökonom N.K. Singh und der ehemalige US-Finanzminister Lawrence H. Summers haben zwei Berichte an die G20 erstellt, deren erster vor dem jüngsten Gipfel der Ländergruppe in Delhi veröffentlicht wurde. Ihr zentraler Vorschlag ist, 90 Milliarden Dollar in Form vergünstigter Finanzmittel bereitzustellen. Außerdem müsse die Gesamtkapazität des Systems der multilateralen Entwicklungsbanken (MEB) erhöht werden, was bedeutet, dessen jährliche Verpflichtungen auf 300 Milliarden Dollar regulärer Finanzmittel für Länder mittleren Einkommens zu verdreifachen.

    Ebenso schlagen sie vor, die Weltbank zu rekapitalisieren und verstärkt Garantien einzusetzen. Diese könnten von den reichen Ländern vergeben werden, um es den MEB zu ermöglichen, auf den Kapitalmärkten zu attraktiven Bedingungen Kredite aufzunehmen.

    Solche Initiativen können, wenn sie richtig durchgeführt werden, die Kreditvergabe durch den Privatsektor mobilisieren, was für unsere Klimaziele entscheidend ist. Die Abgabe auf Übergewinne und die Garantien könnten, wenn sie auf der COP28 beschlossen werden, gemeinsam als Grundlage dafür dienen, den Entwicklungsländern bis 2030 jährlich eine Billion Dollar Finanzmittel zur Verfügung zu stellen.

    Ein neuer Marshallplan, finanziert von den reichen Ländern

    Vor 75 Jahren haben die USA Europa im Rahmen ihres Marshallplans 13,3 Milliarden Dollar für den Wiederaufbau nach dem Krieg geliehen – eine Summe, die heute 169 Milliarden entsprechen würde. Dies war ein bemerkenswertes Beispiel globaler Führung, die zu Jahrzehnten stabilen Wirtschaftswachstums und internationaler Zusammenarbeit beigetragen hat.

    Auch wenn die Welt und ihre Krisen heute sehr anders aussehen, muss die Antwort auf die Probleme ebenso ehrgeizig sein. Die Länder des Globalen Südens haben einen Weg nach vorn gezeigt. Jetzt müssen ihre reichen Partner aus dem Norden vorangehen und die nötigen Finanzmittel bereitstellen. Das Geld ist da, aber wir brauchen die politische Vision und den Willen, es einzusetzen, bevor die nächste Krise kommt.

    Gordon Brown, ehemaliger Premierminister von Großbritannien, ist Sondergesandter für weltweite Bildung bei den Vereinten Nationen. Permacrisis: A Plan to Fix a Fractured World von Gordon Brown, Mohamed A. El-Erian, Michael Spence und Reid Lidow wurde am 28. September 2023 veröffentlicht. In Kooperation mit Project Syndicate, 2023. Aus dem Englischen von Harald Eckhoff.

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    Sultan Ahmed Al Jaber – widersprüchlicher COP28-Präsident

    COP28-Präsident Sultan Ahmed Al Jaber: Ein Ölmanager als Klimaschützer?

    Die Ablehnung war deutlich und sie kam zügig, nur zwei Wochen nachdem die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) Sultan Ahmed Al Jaber Anfang Januar 2023 zum COP28-Präsidenten ernannt hatten. Mehr als 400 NGOs formulierten einen offenen Brief an UN-Generalsekretär António Guterres, in dem sie forderten, dass die Personalie rückgängig gemacht werden müsse. Denn: Al Jaber, der CEO der Abu Dhabi National Oil Company (ADNOC), sei alles Mögliche – aber kein Klimaschützer.

    Zum Beweis listeten sie ein paar Fakten auf: Im weltweiten Ranking der größten Ölproduzenten liege ADNOC auf Platz 12, beim Ausstoß von Treibhausgasen nehme das Unternehmen Rang 14 ein. Und zur vorigen Klimakonferenz in Sharm el-Sheikh hätten die VAE mehr Lobbyisten der fossilen Industrie mitgebracht als jede andere Nation.

    Geändert hat das nichts. Wenn die “Conference of Parties” (COP) heute in ihre 28. Runde geht, dann wird sie zum ersten Mal von einem Konzernchef geleitet. Von einem fossilen Konzernchef.

    Dass der 50-Jährige einmal eine so prominente Rolle in der Weltpolitik übernehmen würde, war nicht unbedingt vorbestimmt. Er wuchs in Umm al-Qaiwan auf, dem kleinsten Scheichtum der Vereinigten Arabischen Emirate, abseits vom politisch dominierenden Dubai und dem erdölreichen Abu Dhabi. Für sein Studium – Chemieingenieurswesen und BWL – ging er nach Kalifornien. In England promovierte er in Wirtschaftswissenschaften. Dazwischen, 1998, begann er seine Arbeit beim staatlichen Ölkonzern ADNOC, zunächst als Prozess- und Planungsingenieur in der Erdgassparte.

    Bilderbuchkarriere zwischen Öl und Politik

    Dort stieg er schnell auf, wechselte als Manager zur staatlichen Investmentgesellschaft Mubadala, gründete Masdar, einen Versorger für erneuerbare Energien, und wurde von den damals neuen Herrschern auf Weltreise geschickt. Ihr Ziel: die Diversifizierung ihrer Wirtschaft voranzutreiben und das Geschäft mit der sauberen Energie auszubauen. Nach Besuchen in 15 Ländern auf vier Kontinenten kam Al Jaber mit einem Plan zurück: Nahe dem Flughafen Abu Dhabi solle Masdar City entstehen, eine CO₂-neutrale Stadt für 50.000 Einwohner, in der junge Menschen lernen, wie die nachhaltige Zukunft gestaltet werden kann.

    Seitdem sind weitere Aufgaben dazugekommen. 2009 berief ihn der damalige UN-Generalsekretär Ban Ki-Moon in seine Advisory Group on Energy and Climate, 2010 wurde er zum Klima-Sondergesandten der VAE, 2016 Vorstandschef von ADNOC und 2020 Industrieminister. Zwischenzeitlich übernahm er noch den Chefposten des National Media Council, außerdem sitzt er in mehreren Aufsichtsräten.

    Die Beschäftigung mit der Energiewende, seine Besuche bei vorigen Klimakonferenzen und seine verschiedenen Einblicke und Kontakte in die Wirtschaft sind es denn auch, die Befürworter Al Jabers betonen. Frans Timmermans etwa sagte ihm jegliche Unterstützung zu, als er noch EU-Kommissar für Klimaschutz war. John Kerry, der US-Sondergesandte für Klimafragen, bezeichnete ihn als “hervorragende Wahl”. Kerry sieht in ihm einen Mittler zwischen den Welten. “Wenn er das nicht hinbekommt, wenn die Öl- und Gasindustrie nicht teilnimmt und keinen ernsthaften Beitrag leistet, dann werden die Vereinigten Arabischen Emirate sehr schlecht aussehen, und er weiß das.” Sollten sie sich dazu jedoch durchringen, könnten die Emirate zu einem “all-time catalyst” werden, zu einem Akteur, der an entscheidender Stelle den Schalter umgelegt hat.

    Bekenntnisse zur Energiewende

    Öffentlich bekennt sich Al Jaber zur Energiewende. “Das Herunterfahren der fossilen Energien ist unerlässlich”, sagte er dem “Time Magazine”. “Das müssen wir akzeptieren.” Zugleich erklärte er, dass die Welt noch nicht bereit dafür sei, ganz auf Öl und Gas zu verzichten. “Wir können nicht den Stecker des bisherigen Energiesystems ziehen, bevor wir ein neues aufgebaut haben.”

    Sätze wie diese lassen Kritiker aufhorchen. Noch können sie keine Belege für ein glaubwürdiges Umschwenken der arabischen Ölwelt erkennen, im Gegenteil. Sie verweisen auf die 150 Milliarden US-Dollar, die alleine ADNOC in seine Expansion stecken will. Bis 2030 plant das Unternehmen, seine tägliche Förderung von heute knapp drei auf fünf Millionen Barrel zu steigern.

    Und dann sind da noch Recherchen von Medien. Dem “Guardian” zufolge landeten Mails, die nur für die Konferenzorganisation bestimmt waren, auch auf den ADNOC-Servern. Die “BBC” meldete, dass VAE-Verhandler die politischen Gespräche während der COP auch für neue Geschäftsabschlüsse, also den Verkauf von Öl und Gas, nutzen wollten. “Bloomberg” berichtete, dass das Unternehmen Masdar, laut eigener Aussage eines der größten für erneuerbare Energien, gemessen an der installierten Kapazität weltweit nur auf Platz 62 rangiert. Zudem wird Masdar City wohl frühestens erst 2030 fertig, und nicht wie geplant 2016. Bislang ist gerade mal ein Drittel der anvisierten Stadt errichtet.

    Vor der Klimakonferenz war Sultan Ahmed Al Jaber wieder viel unterwegs, auf internationaler “Listening Tour”, wie es hieß. Emmanuel Macron, Olaf Scholz, Papst Franziskus, John Kerry, King Charles und andere hat er getroffen. Auf der COP28 muss er dieses Zuhören und Ausloten fortsetzen, wenn er die Konferenz zum Erfolg führen will. Erfahrung darin, die Interessen von fast 200 Staaten zu moderieren, hat er bislang nicht.

    Wetten auf die Zukunft und neue Technologien

    Seine eigenen Ziele – und die der Emirate – könnten dabei selbst zum Konfliktfeld werden. Das eine tun und das andere nicht lassen, das war bislang die Maxime: Die Erdölstaaten wollen das erneuerbare Business etablieren – und das fossile weiter ausbauen, bevor sie es dann womöglich zurückfahren. Gelingen soll der Spagat mit “Carbon Capture and Storage” (CCS), mit dem Abscheiden und unterirdischen Einlagern von klimaschädlichem Kohlendioxid. Die Technik soll das dreckige Verfeuern fossiler Rohstoffe künftig legitimieren.

    Dass die teure, energieintensive und wenig ausgereifte CCS-Technologie zum Wandel bislang nur Kleinstmengen beigetragen hat, scheint Al Jaber nicht zu stören. Er wettet auf die Zukunft und darauf, dass die globale Marktreife in ein paar Jahren erreicht wird.

    Deutlich früher dürfte sich dagegen zeigen, ob ihm tatsächlich daran gelegen ist, die Welt vor dem Klimawandel zu bewahren. In 14 Tagen wird man mehr wissen über Sultan Ahmed Al Jaber. Marc Winkelmann

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    Climate.Table Redaktion

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