Ob große Versprechen erfolgreich sind, hängt manchmal an kleinen Details. So geht es derzeit den hohen Zielen zum Ausbau der erneuerbaren Energien, die auf der COP28 in Dubai beschlossen wurden. Deren Erfolg hängt vor allem daran, ob es ausreichend Stromnetze gibt. Da hapert es so heftig, dass nun die beiden zuständigen Energieagenturen IEA und IRENA vor einem Scheitern der COP-Pläne warnen, hat Nico Beckert recherchiert.
Ein Signal gegen den Ausbau der Fossilen kommt dagegen aus Norwegen: Europas größter Öl- und Gasproduzent muss die Erschließung neuer Bohrfelder auf Eis legen, hat ein Gericht geurteilt. Der Grund: Die Pläne haben mögliche Auswirkungen aufs Klima nicht berücksichtigt.
Die EU wiederum plant laut internen Plänen noch bis 2050 mit fossilen Emissionen aus dem Stromsektor, die per CCS entsorgt werden müssen, schreiben wir heute. Dabei haben die Europäer eigentlich ein Stromsystem beschlossen, das vor allem “dekarbonisiert” sein soll.
Es geht also heftig hin und her in der Klima- und Energiepolitik. Wir halten für Sie die Augen offen. Spannende Lektüre bei diesem unseren 100. Climate.Table und allen weiteren Ausgaben wünscht Ihnen das ganze Team!
Einer der großen Erfolge der COP28 – der Beschluss zur Verdreifachung bei den Kapazitäten der erneuerbaren Energien bis 2030 – wird durch einen zu langsamen Ausbau der Stromnetze gefährdet. Nun warnt der Generaldirektor der Internationalen Organisation für erneuerbare Energien (IRENA), Francesco La Camera, im Gespräch mit Table.Media: “Ohne die dringenden Infrastrukturbedürfnisse anzugehen, wird die Welt nicht in der Lage sein, die Energiewende zur Begrenzung des Temperaturanstiegs auf 1,5 Grad zu beschleunigen“. La Camera fügt hinzu: “Weltweit sind die Investitionen in das Stromnetz hinter denen in die erneuerbaren Energien zurückgeblieben.” Sie müssten “deutlich erhöht werden”.
Die Internationale Energieagentur (IEA) liefert für diese Warnung konkrete Zahlen: Das Ziel der Verdreifachung der Erneuerbaren könnte weltweit um gut 20 Prozent verfehlt werden. “Unzureichende Investitionen in die Netzinfrastruktur verhindern einen schnelleren Ausbau der erneuerbaren Energien”, so die IEA. Das bedeutet: Fossile Energien müssten länger am Netz bleiben, die Emissionen wären höher als nötig.
Kristian Ruby ist Generalsekretär des Verbands Eurelectric, der 3.500 europäische Firmen aus den Bereichen Stromerzeugung, -verteilung und -versorgung vertritt. Er fordert für Europa einen “ambitionierten Investitions- und Expansionsplan für die Netze”. Die EU habe in den letzten fünf Jahren “extrem ambitionierte Ziele für den Ausbau der Erneuerbaren festgelegt”. Das “Tempo beim Ausbau der Stromnetze” müsse nun “deutlich erhöht werden”, sagt Ruby zu Table.Media. Andernfalls werde das Stromnetz ein “Engpass für die Energiewende”.
La Camera ruft die Staaten “nachdrücklich” auf, “sich auf die großen Mengen an erneuerbaren Energien vorzubereiten, die in den nächsten Jahrzehnten ans Netz gehen werden”. Netzinvestitionen müssten “drei bis fünf Jahre vor Investitionen in erneuerbare Energien getätigt werden”. Der stockende Netzausbau ist ein weltweites Problem. In den USA bedrohen überalterte und schlecht ausgebaute Netze die Klimaeffekte des milliardenschweren Klimapakets der Regierung (Inflation Reduction Act). In China können einige Provinzen und Städte neue Solarprojekte nicht mehr ans Netz bringen, weil die Kapazität nicht ausreicht. Auch in Japan, Südkorea und Australien müssen “Netzengpässe überwunden werden”, um die Erneuerbaren schneller ausbauen zu können, so die IEA.
Stabile und gut ausgebaute Stromnetze sind ein Grundbaustein für die Energiewende und eine dekarbonisierte Wirtschaft:
Doch der Netzausbau hält nicht mit dem Ausbau der erneuerbaren Energien Schritt. In der jüngsten Vergangenheit habe man die Reserven des Stromnetzes ausgenutzt, um Erneuerbare ans Netz zu bringen, sagt Leonhard Birnbaum, Präsident des Branchenverbands Eurelectric und CEO von Eon zu Reuters. Doch “in immer mehr Regionen Europas sind die Reserven einfach aufgebraucht“, meint Birnbaum.
Ein zu langsamer Netzausbau führt dazu, dass Solar- und Windkraftanlagen weniger Strom einspeisen oder erst gar nicht ans Netz angeschlossen werden können:
Die Ursachen des langsamen Ausbaus sind vielfältig. La Camera drängt zu “beschleunigten Genehmigungsverfahren, um rechtzeitige Investitionen in moderne Stromnetze zu gewährleisten”. Ruby von Eurelectric sieht diese Beschleunigung als “zentralen Punkt” für den Netzausbau.
Die Lizenzvergabe für drei norwegische Ölfelder ist von einem Gericht in Oslo für ungültig erklärt worden. Die Richter bemängeln, dass eine gesetzlich geforderte Abschätzung der Klimaschäden durch die geplante Verbrennung des Öls fehlt. Nach Ansicht von Experten wird das erstinstanzliche Urteil zwar keine direkten Auswirkungen auf die norwegische Ölförderung haben. Es könnte aber zu mehr Öffentlichkeit und einer Debatte über die Klima-Auswirkungen der norwegischen Ölproduktion führen.
Die Kläger, die Umweltorganisationen Greenpeace und Natur og Ungdom, hatten gegen die staatliche Genehmigung einer Lizenz (bekannt als “Plan für Entwicklung und Betrieb”) für die drei Ölfelder Breidablikk, Tyrving und Yggdrasil auf dem norwegischen Festlandsockel in der Nordsee geklagt.
Das Urteil des Bezirksgerichts von Oslo (tingrett) ist eine deutliche Niederlage für den Staat. Das Gericht hat klargemacht, dass eine Folgenabschätzung für die Emissionen aus der Verbrennung des geförderten Öls gesetzlich vorgeschrieben ist. Eine solche Studie war jedoch vom Staat nicht durchgeführt worden, bevor Lizenzen zur Erschließung und Förderung der Felder erteilt wurden.
Laut Gericht sind eine Abschätzung der Klimafolgen, unter anderem zum dadurch bewirkten Anstieg der globalen Temperatur, und eine öffentliche Konsultation wichtig für eine fundierte und korrekte Entscheidungsgrundlage. Dadurch werde sichergestellt, dass Gegenstimmen gehört und bewertet werden, und dass die Entscheidungsgrundlage überprüfbar und für die Öffentlichkeit zugänglich ist.
“Die unzureichende Folgenabschätzung der Verbrennungsemissionen und der Klimaauswirkungen bedeutet daher, dass die Entscheidungen ungültig sind“, heißt es in dem Urteil, das am 18. Januar gefällt wurde.
Die Ölförderung auf dem Breidablikk-Ölfeld, das von Equinor betrieben wird, begann im Oktober 2023. Die Förderlizenz wird jeweils für ein Jahr erteilt und läuft am 31. Dezember 2024 aus. Das Tyrving-Ölfeld soll 2025 in Betrieb genommen werden, das Yggdrasil-Feld 2027. Beide Felder werden von Aker BP betrieben. Yggdrasil wird Öl, Gas und NGL (Natural Gas Liquid) fördern.
Das Urteil stoppt die Produktion in Breidablikk nicht. Aber der Staat muss nun sicherstellen, dass die Entscheidung, die das Gericht für ungültig erklärt hat, “repariert” wird, bevor die Produktionslizenz erneuert werden kann, kommentiert Sigrid Eskeland Schütz, Rechtsprofessorin an der Universität Bergen, in einem Interview mit der Website Energi og Klima.
Laut Schütz bedeutet dies, dass zusätzliche Studien durchgeführt werden müssen, die sich mit den Umweltauswirkungen der Verbrennung des geförderten Erdöls im Ausland befassen. Die Treibhausgasemissionen bei der Verbrennung von Öl und Gas sind viel höher als die Emissionen, die bei der Produktion entstehen.
“Dann müssen die Berichte in die Konsultation geschickt werden, mit der üblichen Frist, und dann muss die Angelegenheit abschließend neu bewertet werden”, sagt Schütz. Sie glaubt, dass das Ministerium diesen Vorgang relativ schnell abschließen kann. Für Tyrving und Yggdrasil muss der Staat neue Entscheidungen treffen, bevor die Produktion beginnen kann.
Das Energieministerium erwägt, gegen das Urteil Berufung einzulegen. Experten gehen davon aus, dass der Fall bis vor den Obersten Gerichtshof gehen wird. Es sei jedoch kein Widerspruch, neue Analysen durchzuführen, wie es das Urteil vorschreibt, und gleichzeitig aus grundsätzlichen Erwägungen gegen das Urteil Berufung einzulegen, meint Schütz.
Ein Urteil des Obersten Gerichtshofs aus dem Jahr 2020 besagt, dass die Umweltauswirkungen eines Projekts geprüft werden müssen, einschließlich der Emissionen. Das Urteil des Gerichts in Oslo bezieht sich auf diese Entscheidung des Obersten Gerichtshofs.
Mehrere politische Parteien sind der Meinung, dass das Urteil Konsequenzen für alle Erdölprojekte haben sollte, die nach 2020 vom Staat genehmigt wurden. Insgesamt sind das 22 Projekte.
“Wir können es nur so verstehen, dass derselbe Verfahrensfehler für alle Lizenzen für neue Öl- und Gasförderung gilt, die nach dem Urteil des Obersten Gerichtshofs erteilt wurden”, so Lars Haltbrekken, energiepolitischer Sprecher der Sozialistischen Linkspartei im norwegischen Parlament, zu Aftenposten.
Experten geben den Parteien recht: Der gleiche Fehler gelte für alle Lizenzentscheidungen, die nach 2020 getroffen werden, sagt Rechtsanwalt Anders Flaatin Wilhelmsen von der Anwaltskanzlei Selmer gegenüber der Zeitung Dagens Næringsliv. Er vertrat als Anwalt 2020 im Namen des norwegischen Staates den Fall zu den Klimaauswirkungen der Ölförderung vor dem Obersten Gerichtshof.
Wilhelmsen sieht in dem Urteil einen großen Sieg für die Umweltbewegung. Dennoch glaubt er, dass die Folgen für die norwegische Erdölpolitik begrenzt sein werden. “Das Urteil hat für die norwegische Erdölindustrie keine Bedeutung. Es geht nur darum, auf welcher faktischen Grundlage man Entscheidungen über Produktion, Erschließung und so weiter treffen muss”, sagt er gegenüber Dagens Næringsliv.
Sigrid Schütz sieht das genauso: “Es ist immer noch eine politische Entscheidung. Das Ergebnis könnte also genau dasselbe sein wie heute, aber wahrscheinlich mehr wissensbasiert.” Langfristig könne man sich vorstellen, dass das zunehmende Wissen über die Auswirkungen auf das Klima die politischen Entscheidungen über die Erdölpolitik, die im Parlament getroffen werden, beeinflussen könnte, betont sie.
Die Signale der Regierung in den letzten Monaten deuten allerdings nicht auf eine Neuorientierung in der norwegischen Erdölpolitik hin. Die Entscheidung auf der COP28 im Dezember, eine globale Abkehr von fossilen Brennstoffen einzuleiten, “ändert nichts für Norwegen“, kommentierte Energieminister Terje Aasland die Einigung in Dubai.
Am 16. Januar, zwei Tage vor dem Urteil des Osloer Gerichts, gab Aaslands Ministerium die Ausweisung von 62 neuen Gebieten für die Erkundung von Erdölvorkommen auf dem norwegischen Festlandsockel bekannt. Wenn Funde gemacht werden, die für die Förderung relevant sind, wird ein Verfahren zur Ausbeutung des Fundes und zur endgültigen Vergabe einer Förderlizenz eingeleitet.
Eine Expertengruppe hat im November einen Plan für den Ausstieg aus der Öl- und Gasproduktion gefordert. Die Regierung hat den Vorschlag schnell abgelehnt. Wie üblich nach solchen Berichten wurde eine breite öffentliche Konsultation eingeleitet. Die erste Phase der Konsultation ist noch nicht abgeschlossen.
Frau Stiem-Bhatia, warum sind gesunde Böden so wichtig fürs Klima?
Sie sind noch vor den Wäldern die größten CO₂-Speicher und wichtige Wasserspeicher. Das ist für die Klimaanpassung sehr wichtig. Denn die meisten Ackerflächen – in Deutschland und weltweit – werden nicht künstlich bewässert. Sie müssen also mit den natürlichen Niederschlägen auskommen. Ein gesunder Boden hilft Pflanzen, Dürreperioden zu überstehen, nimmt Wasser auf und stärkt so den Hochwasserschutz.
Zum Klimaschutz: Wie viel CO₂ ist in unseren Böden gespeichert?
Berechnungen aus dem Jahr 2017 kommen zu dem Schluss, dass insgesamt 680 Milliarden Tonnen CO₂ in den Böden und 560 Milliarden Tonnen in den Wäldern weltweit gespeichert sind. Modellrechnungen gehen davon aus, dass die Böden weltweit jährlich zwei bis fünf Milliarden weitere Tonnen CO₂ speichern können. Zum Vergleich: Weltweit betragen die CO₂-Emissionen derzeit etwa 57 Milliarden Tonnen.
Wie verlässlich sind solche Zahlen?
Böden sind ein sehr volatiler CO₂-Speicher, das muss man zugestehen. Sobald sich die Bewirtschaftungsmethoden ändern, aber auch durch Waldbrände oder Dürren, kann der Kohlenstoff sehr schnell wieder aus der Erde entweichen.
Und wie ist die Situation im Moment? Wird mehr CO₂ aus den Böden freigesetzt oder mehr gespeichert?
Es gibt keine Messungen, die ausreichend exakt und umfassend wären, um das weltweit zu bilanzieren. Ob ein Boden CO₂ freisetzt oder speichert, hängt von sehr vielen Faktoren ab. Nehmen Sie zum Beispiel die Moore in Deutschland: Sie sind zu einem sehr großen Teil entwässert und geben deshalb CO₂ ab. Aber wenn man Moore wiedervernässt, werden sie wieder zur CO₂-Senke.
Gesunde Böden tragen zum Hochwasserschutz bei. Hat das in der Überschwemmungskatastrophe dieses Winters geholfen?
Das war regional sehr unterschiedlich. Wir haben in Deutschland sehr viele natürliche Überflutungsflächen bebaut und versiegelt. Versiegelte Böden können praktisch kein Wasser aufnehmen. Trotzdem werden in Deutschland nach wie vor jeden Tag 55 Hektar Boden für Siedlungen und Verkehr umgewidmet. Wir sind weit vom Ziel der Regierung entfernt, das auf 30 Hektar bis 2030 und bis 2050 auf Netto-Null zu reduzieren. Diese Bodenpolitik ist ein Problem. Außerdem degradiert unsere intensive Landwirtschaft, die schwere Maschinen, übermäßig Mineraldünger und Pestizide nutzt, die Böden. Das verringert die Aufnahmefähigkeit für Wasser und behindert den wichtigen Humus-Aufbau.
Wie könnte die Politik eine Landwirtschaft honorieren, die den Humus im Boden erhält?
Die EU-Zahlungen der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) müssten stärker an die Schonung des Bodens oder den Humus-Gehalt gekoppelt werden. Generell müsste der Ökolandbau finanziell viel stärker unterstützt werden, damit es sich für die Bauern und Bäuerinnen lohnt, umzusteigen und in den Bodenschutz zu investieren. Letztlich erbringen sie dadurch ja auch eine Leistung für die ganze Gesellschaft.
Es gibt handelbare Zertifikate, die den Aufbau von Humus im Boden honorieren, ähnlich wie beim Emissionshandel. Was halten Sie davon?
Diese Boden-Zertifikate werden nicht von Behörden ausgegeben, sondern von privaten Institutionen. So wie sie derzeit konzipiert sind, sind sie problematisch für die Bauern und Bäuerinnen, für den Klimaschutz, für die Menschenrechte. Sie sind oft so billig, dass sie für Bauern und Bäuerinnen keine nennenswerte Einkommensalternative und kaum ein Anreiz für eine bodenschonende Landwirtschaft sind.
Was sind aus Ihrer Sicht die Probleme für den Klimaschutz?
Ich sehe drei Schwierigkeiten: Zunächst kann der Handel mit billigen Zertifikaten leicht dazu führen, dass Unternehmen sich vom Klimaschutz freikaufen. Sie erwerben Zertifikate und gleichen ihren Treibhausgasausstoß dadurch rechnerisch aus, statt ihre Emissionen tatsächlich zu senken. Daneben stellt sich die Frage, wie lange der Humus – und mit ihm das CO₂ – im Boden bleibt. Sobald ein Hof von der nachhaltigen Bewirtschaftung zurückgeht auf Monokulturen oder einen hohen Pestizid-Einsatz, kann der Humus-Gehalt im Boden wieder sehr schnell sinken. Dann wird auch das im Boden gespeicherte CO₂ wieder freigesetzt. Und es gibt die Gefahr von “Leakage”: Ein Hof bewirtschaftet eine bestimmte Fläche nachhaltig und erhält dafür Zertifikate – aber womöglich setzt er auf dem Nachbarfeld im Gegenzug umso stärker auf intensive Landwirtschaft. Er bekäme Zertifikate, auch wenn in der Summe der Humus-Gehalt seiner Böden gleich bliebe.
Und welche Menschenrechtsprobleme sehen Sie?
Es gab Fälle im Globalen Süden, in denen Menschen von Land vertrieben wurden, das sie seit Generationen bewirtschaften, um dort einen Zertifikatehandel zu ermöglichen. Zudem können solche Zertifikate Genderungerechtigkeiten verstärken. Denn in vielen Ländern sind Landbesitzende vorrangig Männer, und so profitieren Frauen selten von etwaigen Kompensationszahlungen. Es ist wichtig, dass der Zertifikatehandel einen menschenrechtsbasierten Ansatz verfolgt.
Land ist knapp, und für den Klimaschutz werden künftig weite Flächen als Senken benötigt. Wie groß sind diese Flächen?
Fast alle nationalen Klimaschutzverpflichtungen innerhalb der UNFCCC beziehen Maßnahmen zum naturbasierten Klimaschutz mit ein, also zur CO₂-Speicherung in Böden und Wäldern. Zählt man sie alle zusammen, kommt man auf einen Flächenbedarf von 1,2 Milliarden Hektar. Das ist etwa die dreifache Fläche der EU. Um dem Netto-Null-Ziel näherzukommen, müsste man auf etwa 630 Millionen Hektar die Art der Landnutzung ändern, also zum Beispiel Ackerflächen aufforsten. Aber das ist kein leeres Land. Dort leben Menschen, und die Äcker sind ihre Lebensgrundlage.
Gibt es überhaupt genügend Fläche für die Anforderungen von Klimaschutz, Naturschutz und Ernährungssicherheit?
Die verschiedenen Anforderungen widersprechen sich ja nicht zwangsläufig. Eine bodenschonende Landwirtschaft beispielsweise speichert mehr CO₂ im Boden, stärkt die Widerstandsfähigkeit gegenüber dem Klimawandel, kommt dem Naturschutz zugute, und kann Einkommen durch Diversifizierung von Anbaufrüchten steigern. Biodiversität, Klimaschutz und Ernährungssicherheit gehen also durchaus zusammen. Ob sie vereinbar sind, hängt letztlich sehr stark von der Art der Landwirtschaft ab, die man betreibt.
Wie realistisch ist es dann, die Böden in so großem Ausmaß als CO₂-Senke in die nationalen Klimaschutzziele mit einzuberechnen?
Die Böden mögen knapp sein. Aber wir brauchen sie für den Klimaschutz. Selbst, wenn es uns gelingt, so schnell wie möglich aus den fossilen Energien auszusteigen – um unsere Klimaziele einzuhalten, sind wir auf die Speicherung von CO₂ durch die Natur angewiesen. Gesündere Böden sichern langfristig landwirtschaftliche Erträge und ermöglichen auch noch eine bessere Anpassung an die Auswirkungen des Klimawandels. Es spricht also alles dafür, sie besser zu schützen.
Larissa Stiem-Bhatia leitet beim TMG Think Tank for Sustainability das Programm für naturbasierte Lösungen. Sie ist Autorin des jüngst erschienen, gemeinsam vom BUND, der Heinrich-Böll-Stiftung und TMG herausgegebenen Bodenatlas 2024.
25. Januar, 9.30 Uhr, Online
Konferenz Digitale Fachkonferenz zu Highlights der Umweltbewusstseinsstudie
Jedes Jahr untersucht die Umweltbewusstseinsstudie des Bundesumweltministeriums und des Umweltbundesamtes, wie die Menschen in Deutschland über die Umwelt denken. Die jüngste Studie zeigt: Auch wenn Krisen wie der Angriffskrieg gegen die Ukraine und die Inflation derzeit stärker im Vordergrund stehen, bleibt der Schutz von Umwelt und Klima ein wichtiges Thema für die Menschen in Deutschland. Auf der Fachkonferenz wird in vier Sessions tiefer über die Ergebnisse der Studie diskutiert. Infos
25. Januar, 18 Uhr, Köln/Online
Diskussion Grüner Wasserstoff: Sind Thyssenkrupp und Salzgitter Vorreiter für eine umweltfreundliche Stahlproduktion?
Mit Milliardenbeträgen subventioniert der Staat Unternehmen, die mithilfe von grünem Wasserstoff produzieren wollen. Der Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre diskutiert in dieser hybriden Infoveranstaltung mit zwei Experten, was an den Versprechungen dran ist. Infos
25. Januar, 18.30 Uhr, Mainz
Podiumsdiskussion CCS – falsche Weichenstellung verhindern
Die Landeszentrale für politische Bildung in Rheinland-Pfalz und der BUND veranstalten diese Podiumsdiskussion rund um CCS in Deutschland. Infos
29. Januar, 12 Uhr, Online
Webinar Next steps for offshore energy production
Das Webinar des Stockholm Environment Institute diskutiert die aktuelle Forschung zu Offshore-Windenergie. Es geht unter anderem um die Frage, wie der Ausbau beschleunigt werden kann. Infos
29. Januar, 16 Uhr, Online
Webinar Leveraging the Echo of the Global Stocktake
In diesem Online-Seminar wird erörtert, wie die Ergebnisse der Globalen Bestandsaufnahme (GST) für ehrgeizigere Klimaschutzmaßnahmen genutzt werden können. Das Seminar wird unter anderem vom Umweltbundesamt und dem Wuppertal Institut organisiert. Infos
31. Januar, 11.45 Uhr, Berlin/Online
Diskussion E-Autos, Wärmepumpen und Heimspeicher in Aktion: Mit dynamischen Strompreisen und dynamischen Netzentgelten schlummernde Potentiale heben
E-Autos, Wärmepumpen und Heimspeicher machen das Stromsystem künftig deutlich flexibler: 2035 können sie eine Strommenge in Höhe von zehn Prozent des Jahresverbrauchs zeitlich verschieben. Dabei können neue Tarifmodelle Anreize für Haushalte schaffen, diese Flexibilität bereitzustellen. Das spart Kosten bei der Erzeugung und senkt so die Strompreise für alle. Auf der Veranstaltung von Agora Energiewende wird darüber diskutiert, wie das in der Praxis aussehen kann. Infos
31. Januar bis 1. Februar, Berlin
Konferenz Sustainable Finance and Biodiversity
Während der Klimaschutz schon weit im Finanzsystem angekommen ist, besteht beim Thema biologische Vielfalt noch sehr viel Handlungsbedarf. Ohne das Finanzsystem kann jedoch eine Transformation hin zu einer naturpositiven Wirtschaftsweise nicht gelingen.
Der Sustainable-Finance-Beirat wird sich nun im Rahmen einer zweitägigen Konferenz mit Akteurinnen und Akteuren aus Finanzwirtschaft, Realwirtschaft, Umweltschutz und Verwaltung mit allen Aspekten eines biodiversitätsfreundlichen Finanzsystems auseinandersetzen. Infos
31. Januar, 14 Uhr, Online
Webinar Schuldenbremse reformieren – Zukunftsinvestitionen sicherstellen
In diesem Teil der Webinar-Reihe “Finanzpolitik für Klimaschutz und Gerechtigkeit” von Klima-Allianz Deutschland, Germanwatch und WWF Deutschland geht es um die Schuldenbremse und mögliche Reformoptionen. Infos
31. Januar, 19 Uhr, Online
Webinar 2023 in Review: A Report on the Booming US Clean Energy Tax Credit Market
Neue Studien zeigen die Folgen von Investitionen in saubere Energie durch übertragbare Steuergutschriften in den USA. Wohin steuert der Markt im Jahr 2024? Das wird auf dem digitalen Event von Latitude Media diskutiert. Infos
1. Februar, 16 Uhr, Augsburg/Online
Vortrag Warenketten im Kontext der Klimakrise
Die Soziologin Karin Fischer von der Universität Linz spricht über Waren- und Lieferketten in der Klimakrise. Der Vortrag gehört zu einer interdisziplinären Vortragsreihe des Zentrums für Klimaresilienz an der Universität Augsburg. Infos
Das rapide Wachstum beim Ausbau der erneuerbaren Energien wird in den nächsten Jahren weiter anhalten. Laut neuen Prognosen der Internationalen Energieagentur (IEA) werden viele Staaten in den nächsten sechs Jahren mehr als doppelt so viel Erneuerbare zubauen wie in den letzten sechs Jahren. Die Wachstumsprognosen für China sind besonders eindrücklich: In der Volksrepublik sollen demnach umgerechnet jede zweite weltweit installierte Solar- und Windkraftanlage gebaut werden. China werde 56 Prozent des globalen Zubaus ausmachen. “Im Zeitraum 2023 bis 2028 wird China fast viermal mehr Kapazitäten im Bereich der erneuerbaren Energien zubauen als die Europäische Union und fünfmal mehr als die Vereinigten Staaten”, schreiben die Analysten der IEA.
Weltweit werden in den kommenden sechs Jahren fast 3.700 Gigawatt an neuer Kapazität zugebaut – das ist mehr als die derzeit weltweit installierte Gesamtkapazität an erneuerbaren Energien. Bis zum Jahr 2028 werden die Erneuerbaren demnach 42 Prozent der weltweiten Stromerzeugung ausmachen. Anfang 2025 werden sie die Kohle als größten Stromlieferanten ablösen. Windkraft werde schon im Jahr 2025 mehr Strom erzeugen als Atomkraft.
Das Wachstum beim Ausbau der Erneuerbaren werde vor allem durch die Solarenergie angetrieben. Hier erwartet die IEA über 2.600 Gigawatt an neuer Kapazität; hinzu kommen gut 800 Gigawatt an On- und Offshore-Windenergie. Zum Vergleich: Im Jahr 2023 wurden laut IEA fast 510 Gigawatt an neuen Erneuerbaren-Kapazitäten gebaut. Doch die IEA warnt auch: Das Wachstum könne noch schneller gehen, wenn Hürden aus dem Weg geräumt werden. Und in vielen Ländern stehe die Windkraftindustrie vor großen finanziellen Herausforderungen. nib
Die EU-Flottengesetzgebung für Pkw hat nicht dazu geführt, den CO₂-Ausstoß neu zugelassener Fahrzeuge im erwünschten Umfang zu senken. Erst nach 2020, also elf Jahre nach Inkrafttreten der ersten Flottenregeln, die den Herstellern spezifische Obergrenzen für den CO₂-Ausstoß ihrer Neuwagenflotte vorschreibt, begannen die CO₂-Emissionen von Pkw deutlich zurückzugehen. Der Rückgang war zudem nur dem höheren Marktanteil von batterieelektrischen Fahrzeugen geschuldet. Der CO₂-Ausstoß von neuen Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor nahm nicht nennenswert ab.
Dieses vernichtende Urteil fällt der Europäische Rechnungshof in seinem Sonderbericht “Reduktion der CO₂-Emissionen von Pkw”. Der Bericht basiert auf Recherchen in drei Mitgliedstaaten, Deutschland, Italien und Niederlande. Die CO₂-Flottengesetzgebung ist das zentrale Instrument der EU, um den CO₂-Ausstoß von neuen Fahrzeugen zur senken.
Der Bericht macht zudem deutlich, dass die Methodik der CO₂-Messung den Herstellern lange die falschen Anreize gesetzt hat. So seien im Zeitraum 2009 bis 2020 die durchschnittlichen, im praktischen Fahrbetrieb entstanden Emissionen nicht zurückgegangen. Das habe vor allem daran gelegen, “dass sich die Hersteller auf die Verringerung der im Labor gemessenen Emissionen statt auf die Verringerung der tatsächlichen Emissionen konzentrierten”. Erst 2017 wurde dann auf einen Testbetrieb umgestellt, der den realen Fahrbetrieb besser simuliert. Daher attestiert der Rechnungshof, dass vor 2020 “der angestrebte Nutzen der Verordnung weitgehend hinfällig” war. mgr
Europa plant, jährlich Millionen Tonnen CO₂ aus fossilen Kraftwerken technologisch abzuscheiden, um klimaneutral zu werden. Bis zum Jahr 2040 soll auf diesem Pfad die Menge des abgeschiedenen Treibhausgases auf 26 bis 41 Millionen Tonnen pro Jahr ansteigen. Das geht aus einem noch unveröffentlichten Entwurf einer Folgenabschätzung der EU-Kommission hervor, der Table.Media vorliegt.
Um das Ziel der Klimaneutralität bis 2050 zu erreichen, müssen sogar 55 Millionen Tonnen CO₂ jährlich aus Kraftwerksabgasen gefiltert werden. Ob das Kohlendioxid ausschließlich aus Erdgas- oder auch aus Kohlekraftwerken stammen soll, bleibt in der Analyse offen.
Insgesamt sollen laut dem 120-seitigen Dokument ab 2050 rund 450 Millionen Tonnen CO₂ pro Jahr abgeschieden werden, und zwar im Einzelnen aus:
Das abgeschiedene CO₂ soll anschließend unterirdisch gespeichert (247 Millionen Tonnen CO₂), für die Produktion von E-Fuels (147 Mt CO₂) oder für die Herstellung synthetischer Materialien (59 Mt CO₂) verwendet werden.
Die Kommission wird ihren Vorschlag zum Klimaziel der EU für 2040 am 6. Februar vorlegen. Das bisherige Ziel aus dem EU Green Deal für 2030 sieht eine CO₂-Minderung um 55 Prozent gegenüber 1990 vor. ber/luk
Nach zähen Verhandlungen, die am Schluss kurz vor dem Scheitern standen, hat der Weltklimarat IPCC Ende vergangener Woche beschlossen, die Arbeit am 7. Sachstandsbericht (AR7) zu beginnen. Bis Ende 2029 sollen die verschiedenen Teile des Berichts abgeschlossen sein und veröffentlicht werden. Das hat die 60. Sitzung des IPCC-Plenums vergangene Woche mit 375 Delegierten aus 120 Ländern in Istanbul beschlossen. Das Arbeitsprogramm, an dem wieder Hunderte von Autorinnen und Autoren arbeiten werden, sieht vor:
Die Entscheidung reflektiere “das Interesse der Mitgliedsregierungen an politikrelevanter, aktueller und umsetzbarer wissenschaftlicher Information”, sagte der IPCC-Vorsitzende Jim Skea nach der Sitzung. Der Beschluss sei “ein klares Signal an die wissenschaftliche Gemeinschaft, dass die Arbeit ernsthaft beginnen kann.”
Für die ernsthafte Arbeit haben die Autorinnen und Autoren einen knappen Zeitplan, hieß es aus den Delegationen. Einerseits sollen die Berichte der Arbeitsgruppen rechtzeitig erscheinen, um Informationen für den zweiten Global Stocktake (GST) zu liefern, der 2028 stattfindet – doch der gesamte Bericht soll erst Ende 2029 fertig sein. Dann aber steht bereits 2030 vor der Tür. Zu diesem Zeitpunkt müssen laut IPCC-Kalkulationen die globalen Treibhausgas-Emissionen gegenüber heute praktisch halbiert sein, wenn das 1,5-Grad-Ziel erreichbar bleiben soll.
Mit dem Beschluss hat sich das IPCC-Plenum für einen leicht gestrafften IPCC-Berichtszyklus entschieden. Vor der Sitzung waren auch andere Optionen erwogen worden: Eine “leichte” Kurzversion des Berichts, die übliche Abfolge von IPCC-Bericht plus zwei Sonderberichte oder eine “Galerie von Sonderberichten“: Statt eines umfassenden Berichts wären dort Reports zu Themen wie Klima-Kipppunkte, 1,5-Grad Overshoot, Loss and Damage, Anpassung CDR oder Geoengineering erstellt worden. Diese Idee setzte sich nicht durch. bpo
Der menschengemachte Klimawandel war die Hauptursache der ungewöhnlich starken Dürre, die im vergangenen Herbst im Amazonas-Becken herrschte. Zu dem Ergebnis kommt ein internationales Team von Klimawissenschaftlerinnen und -wissenschaftlern in einer Analyse der Initiative World Weather Attribution. Das natürliche Klimaphänomen El Niño, das üblicherweise trockenes Wetter in die Region bringt, hatte demnach einen sehr viel geringeren Einfluss.
Für ihre Analyse untersuchten die Forschenden zwei Indizes: Der Standard Precipitation Index (SPI) zeigt, wie sich die Niederschläge in der Region verändern. Er gilt als Maßstab für eine sogenannte meteorologische Dürre. Der Standardized Precipitation Evapotranspiration Index (SPEI) bezieht neben den Niederschlägen auch die Verdunstung aus Böden und Pflanzen mit ein, die durch höhere Temperaturen steigt. Er wird als Maßstab für die sogenannte landwirtschaftliche Dürre genutzt.
Das Ergebnis: Im Untersuchungszeitraum von Juni bis November 2023 führten El Niño und der Klimawandel gleichermaßen zu niedrigeren Regenfällen. Doch die höhere Temperatur, die eine stärkere Verdunstung verursachte, war fast ausschließlich auf den Klimawandel zurückzuführen. “Das bedeutet, dass El Niño die Dürre zwar verschlimmert hat, aber der Klimawandel der Haupttreiber war”, teilt die Forschungsgruppe mit. Durch die menschengemachte Erderwärmung sei die Trockenheit etwa 30-mal wahrscheinlicher geworden.
Besonders wichtig sei dabei: In Zukunft werde der Klimawandeleffekt mit fortschreitender Erwärmung weiter zunehmen. El Niño hingegen schwanke auf und ab. Deshalb sei nicht zu erwarten, dass seine Auswirkungen auf lange Sicht stärker oder schwächer würden. Der Amazonas ist der größte Regenwald der Erde und von entscheidender Bedeutung für die Artenvielfalt sowie als CO₂-Senke für den Klimaschutz. Abholzung und steigende Temperaturen durch den Klimawandel gefährden seine Zukunft. ae
Die Umstellung auf eine klimafreundlichere Wirtschaft ist in den Kreditbüchern großer Banken im Euroraum nach Einschätzung der EZB-Bankenaufsicht vielfach noch nicht angekommen. Eine Analyse von 95 bedeutenden Geldhäusern habe gezeigt, dass die Kreditbestände “derzeit in erheblichem Maße nicht mit den Zielen des Pariser Abkommens übereinstimmen”, schreibt der Vize-Chef der Bankenaufsicht der Europäischen Zentralbank (EZB), Frank Elderson, in einem am Dienstag veröffentlichten Beitrag.
Dies führe bei etwa 90 Prozent dieser Banken zu “erhöhten Übergangsrisiken”. Zudem könnten etwa 70 Prozent dieser Banken einem erhöhten Risiko von Rechtsstreitigkeiten ausgesetzt sein, “da sie sich zwar öffentlich zum Pariser Abkommen bekennen, ihr Kreditportfolio aber immer noch nicht messbar darauf abgestimmt ist”, fasste Elderson die Ergebnisse der Analyse zusammen. Die untersuchten Geldhäuser stehen nach EZB-Angaben für drei Viertel der Kredite im Euro-Währungsraum.
Die Übergangsrisiken bei den Geldhäusern resultieren der Analyse zufolge größtenteils aus Engagements gegenüber Unternehmen im Energiesektor, die bei der schrittweisen Abschaffung kohlenstoffintensiver Produktionsprozesse hinterherhinken und die Produktion erneuerbarer Energien erst spät einführen. “Die Wirtschaft braucht stabile Banken, insbesondere während des grünen Übergangs”, schreibt Elderson.
Für die Banken wiederum sei es von entscheidender Bedeutung, die Risiken zu erkennen und zu messen, die sich aus dem Übergang zu einer dekarbonisierten Wirtschaft ergäben. “Die Übergangsplanung muss zu einem Eckpfeiler des Standard-Risikomanagements werden, denn es ist nur eine Frage der Zeit, bis Übergangspläne obligatorisch werden”, mahnte Elderson. Die EZB-Bankenaufsicht war 2014 als Lehre aus der Banken- und Finanzkrise geschaffen worden. Aktuell überwacht die EZB-Bankenaufsicht 113 Banken im Euroraum direkt, die für 82 Prozent des Bankenmarktes im Währungsraum stehen. dpa
Der verstärkte Ausbau von erneuerbaren Energien in Deutschland schlägt sich auch auf dem Arbeitsmarkt nieder: Im Jahr 2022 waren gut 50.000 Personen mehr in der Branche tätig als im Vorjahr, sagte Wirtschaftsminister Robert Habeck am Mittwoch im Table.Media-Podcast Table.Today. Das ist ein Anstieg um 15 Prozent auf 387.700 Beschäftigte. “Die Anstrengungen, die wir im Klimaschutzbereich unternehmen, sorgen für neue Wertschöpfung”, so Habeck. Der Großteil der neuen Jobs entfällt nach Angaben des Wirtschaftsministeriums auf die Solarenergie und die Wärmepumpenbranche. Eine geringere Zunahme gab es im Bereich Biomasse; bei der Windkraft ging die Zahl der Arbeitsplätze dagegen trotz steigender Ausbauzahlen leicht zurück.
Auch für die Zukunft ist Habeck optimistisch. So zeige die Investitionsentscheidung von Northvolt für eine neue Batteriefabrik in Heide, dass Deutschland im Standortwettbewerb mithalten könne – wenn auch mit massiver staatlicher Unterstützung. “Ich glaube auch, dass dieser Subventionswettlauf nicht gesund ist”, sagte der Wirtschaftsminister im Podcast. “Andererseits will man auch nicht danebenstehen und zugucken und winke-winke sagen, wenn die Industrie weggeht.” Mit hohen Investitionen rechnet Habeck auch im Wasserstoff-Sektor.
Auch dort sollten viele neue Jobs entstehen, zeigt eine neue Studie des Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW) im Auftrag des Regionalverbands Ruhr. Die Untersuchung wird am Donnerstag veröffentlicht und lag Table.Media vorab vor. Demnach entstehen durch den Aufbau der Wasserstoffwirtschaft allein im Ruhrgebiet bis 2023 rund 8700 neue Arbeitsplätze; bis 2045 könnten es über 25.000 sein. Daneben sichere der Umstieg auf Wasserstoff tausende bestehende Arbeitsplätze, etwa in der Stahlindustrie. “Wenn die ökologische Transformation gelingt, besteht die Chance, die Verlagerung von Produktion in Länder ohne CO₂-Emissionshandel zu verhindern”, sagte Ko-Studienautorin Vanessa Hünnemeyer. mkr
Die 1.000 CO₂-intensivsten Industrieanlagen der Welt könnten bei ihrer vollständigen Dekarbonisierung jährlich etwa acht Milliarden Tonnen CO₂ einsparen und so helfen, die 1,5-Grad-Grenze bei der Erderwärmung zu halten. Diese Umstellung würde je nach Technik von 2025 bis 2050 Investitionen zwischen 7,5 und 10,5 Billionen US-Dollar benötigen und etwa ein Drittel der nötigen Reduktion bei Treibhausgasen liefern. Das ist das Ergebnis der Studie “Global Carbon Restructuring Plan“, den die Unternehmensberatung Roland Berger vorgelegt hat.
Laut Studie stammen über drei Viertel (77 Prozent) der Emissionen aus der Stromerzeugung, 18 Prozent aus dem Eisen- und Stahlsektor und 3,5 Prozent aus der Öl- und Gasindustrie. Für über die Hälfte der Emissionen sind nur 40 Unternehmen verantwortlich. Das zeige das “große Klimaschutzpotenzial einer konzertierten Aktion zur Dekarbonisierung dieser Hauptemittenten”, heißt es. Allerdings gebe es bisher nur für elf Prozent der identifizierten Kraftwerke Dekarbonisierungspläne. In Europa haben demnach immerhin die Hälfte der Anlagen solche Pläne, in den USA ein knappes Drittel.
Die meisten der hoch emittierenden Anlagen stehen in China (54 Prozent) und Indien (13 Prozent), gefolgt von den USA (10 Prozent) und Europa (3 Prozent). Das ist ein Problem: Denn durch diese Standorte wären China und Indien von der Dekarbonisierung deutlich höher belastet. Sie müssten dafür zwischen 18 und über 30 Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts aufwenden, die USA und Europa nur zwischen zwei und fünf Prozent.
Bei den Techniken zur Dekarbonisierung sind
Über die Zeitspanne von 25 Jahren würde dieser Plan Investitionen von 300 bis 400 Milliarden US-Dollar jährlich bedeuten. Das wären weniger als 20 Prozent der globalen Ausgaben für Rüstung oder für Forschung und Entwicklung (jeweils etwa zwei Billionen US-Dollar 2021), schreiben die Autoren. bpo
China hat den freiwilligen Handel mit CO₂-Zertifikaten (Chinese Certified Emissions Reductions/CCER) wieder aufgenommen. Das überarbeitete CCER-System erlaubt es nun jedem Unternehmen, Emissionsgutschriften zu erwerben – und nicht nur den an Chinas Emissionshandelssystem (ETS) derzeit beteiligten Energiekonzernen. Nach Schätzung der Investmentbank Minsheng Securities könnte der CCER-Spotmarkt bis 2025 ein Volumen von etwa 20 Milliarden Yuan (2,56 Milliarden Euro) erreichen.
Zunächst sind für den Handel an der China Beijing Green Exchange nur Gutschriften für Projekte verfügbar, die vor 2017 genehmigt wurden, wie Bloomberg berichtet. Nun wird aber die Genehmigung für neue Projekte erwartet. Noch 2024 soll es Akkreditierungen für Institutionen zur Begutachtung und Zertifizierung von Emissionen geben.
CCER verifizieren Klimaschutzprojekte der am Emissionshandel (ETS) beteiligten Unternehmen zum Ausgleich (Offset) ihrer Emissionen, etwa durch Investitionen in erneuerbare Energien, Kohlenstoffsenken oder die Nutzung von Methan. Künftig sollen auch Projekte aus Solarthermie, Offshore-Windkraft, Aufforstung und Mangroven-Renaturierung dafür infrage kommen.
China hatte das CCER-System 2012 ins Leben gerufen; zwischen 2013 und 2017 wurden für 287 Projekte Gutschriften ausgestellt, vorwiegend für Windenergie, Photovoltaik und die Nutzung von Biogas in ländlichen Gebieten. Im März 2017 stoppte China die Ausgabe neuer Zertifikate aufgrund des geringen Transaktionsvolumens und mangelnder Standards bei der CO₂-Prüfung.
Damit das CCER – und auch das ETS – wirklich effektiv sein können, müsse China strengere Emissions-Obergrenzen festlegen, schreiben die Analysten der Beratungsfirma Trivium China. In Chinas ETS dürfen Unternehmen bis zu fünf Prozent ihrer Compliance-Verpflichtungen mit solchen CCER ausgleichen. Es umfasst bislang ausschließlich 2530 Unternehmen des Energiesektors, die 2022 für rund 40 Prozent der chinesischen Emissionen verantwortlich waren. Demnächst soll es auch auf acht Sektoren der Schwerindustrie ausgedehnt werden. Der durchschnittliche CO₂-Preis am ETS stieg seit Handelsbeginn Mitte 2021 von 43 Yuan pro Tonne auf 68 Yuan pro Tonne Ende 2023, was knapp 9 Euro entspricht. Der Unterschied zum EU-Emissionshandel, wo der Preis zum Jahresende bei gut 80 Euro lag, ist damit weiter erheblich, zudem gibt es immer wieder Probleme mit den übermittelten Emissionsdaten. ck
Der Umstieg auf eine weitgehend erdgasfreie Energieversorgung im Gebäude- und Industriesektor erfordert hohe Investitionen, und um diese zu erreichen, sind gezielte politische Maßnahmen erforderlich. Das ist die Kernaussage der Finanzierungsstrategie “Sicherheitsorientierte Energiepolitik”, die der Fachrat Energieunabhängigkeit am Dienstag veröffentlicht hat. Das achtköpfige Expertengremium, das vom Climate Finance Fund finanziert wird, drängt darauf, den Gasausstieg schnell und entschieden anzugehen – und zwar nicht nur aus Gründen des Klimaschutzes, sondern aus sicherheitspolitischen Überlegungen. Denn der Ersatz russischen Erdgases durch LNG führe zu neuen Inflationsrisiken und geopolitischen Abhängigkeiten, sagte Jonathan Barth als Sprecher des Fachrats bei der Präsentation des Berichts.
Um den Gebäudesektor erdgasfrei zu bekommen, sind dem Bericht zufolge Gesamtinvestitionen von rund 482 Milliarden Euro erforderlich; weitere 44 Milliarden Euro werden benötigt, um die Nutzung von Erdgas in der industriellen Prozesswärme zu beenden. Damit könnte der Gasverbrauch um bis zu 78 Prozent sinken. Wichtigste Hebel sind die Umstellung von Gasheizungen auf Wärmepumpen, die Dekarbonisierung der Fernwärme und die Elektrifizierung der Wärmeerzeugung in der Industrie. Aufgebracht werden müssen die Mittel zum Großteil von privaten Akteuren; doch um Investitionshemmnisse zu beseitigen, müsse der Staat eingreifen.
Der Bericht macht zehn Vorschläge, wie die Politik den Umstieg beschleunigen könnte. Dazu gehört ein “Skalierungsprogramm Wärmecontracting”. Damit sollen energetische Sanierungen oder der Austausch von Heizungen von Dienstleistern abgewickelt werden, zu denen künftig auch Stadtwerke gehören könnten. Um Kredite und Leasingangebote zu bündeln und damit Investitionen zu erleichtern, schlägt der Fachrat die Gründung regionaler Zweckgesellschaften vor. Um Investitionen in erdgasfreie Technologien umzuleiten, solle zudem die EU-Taxonomie um zusätzliche Sektoren erweitert werden. Vorgeschlagen wird darüber hinaus, dass die Europäische Zentralbank Zinsvorteile für entsprechende Investitionen bieten soll.
Weitere Vorschläge betreffen unter anderem die Umschulung von Fachkräften, den Abbau von Bürokratie, staatliche Ausfallbürgschaften für finanzschwache Eigentümer und die Einrichtung einer Expertenkommission für Erdgasunabhängigkeit durch die Bundesregierung. Die Vorschläge sollen nun mit den betroffenen Stakeholdern intensiv diskutiert werden, kündigte Barth an. Bei einer Diskussionsveranstaltung am Dienstagabend kündigte der Abteilungsleiter für Wirtschafts-, Finanz- und Klimapolitik im Kanzleramt, Steffen Meyer, an, die Empfehlungen sorgfältig zu prüfen. bpo
Zu Jahresbeginn hat die Argentinierin Celeste Saulo die Leitung der Weltwetterorganisation (WMO) in Genf übernommen. “Klimawandel und Ungleichheit – das muss zusammen gedacht werden”, betont die 59-jährige Meteorologin immer wieder. Als bisherige erste Vizedirektorin ist sie bestens mit dem Apparat der UN-Sonderorganisation vertraut und wurde vor einem halben Jahr mit großer Mehrheit zur WMO-Generalsekretärin gewählt.
Saulo ist Akademikerin und zugleich eine erfahrene Managerin. Geboren wurde sie 1964 in der argentinischen Hauptstadt, sie studierte an der öffentlichen Universität Buenos Aires Meteorologie und promovierte 1996 in Atmosphärenwissenschaften. An derselben Hochschule setzte sie ihre wissenschaftliche Karriere fort, leitete zweimal den Fachbereich für Atmosphären- und Meeresstudien. Als Mutter von zwei Kindern habe sie auf manchen Auslandsaufenthalt verzichten müssen, verriet sie nach ihrer Wahl.
Dafür engagierte sie sich für die Modernisierung des argentinischen Wetterdienstes, den sie von 2014 bis 2023 leitete. In dieser Funktion wurde sie Vertreterin Argentiniens in der WMO, stieg bald in deren Exekutivrat auf und wurde schließlich erste Vizedirektorin. Nun ist sie die erste Frau an der Spitze der WMO – 150 Jahre nach Gründung der Internationalen Wetterorganisation, ihrer Vorgängerin. Die Führungsposition in Genf, lange eine Domäne Europas, bekleidet sie jetzt als zweite Person aus dem Globalen Süden.
Zuhören und miteinander reden – das ist der Ansatz, mit dem die Argentinierin interne Blockaden der WMO aufbrechen will. Zwischen den Abteilungen herrsche übertriebenes Konkurrenzdenken, erklärte sie. Der Austausch zwischen den nationalen Wetterdiensten gehört zu den Kernaufgaben der Einrichtung. Zusammenarbeit will sie aber auch nach außen großschreiben, etwa mit anderen UN-Organisationen, NGOs oder privaten Unternehmen: “Ich bin dafür da, die gemeinsam beschlossene Agenda umzusetzen.”
In Zeiten des Klimawandels ist die WMO wichtiger denn je – besonders für den Globalen Süden: Am Horn von Afrika kamen im November bei Überschwemmungen Hunderte ums Leben, Hunderttausende wurden zu Klimaflüchtlingen. Vor einem Jahr bescherte eine lange Dürre argentinischen Farmern Verluste in Milliardenhöhe und beschleunigte die Waldzerstörung.
Die dringendste Aufgabe sei die umfassende Installierung von Frühwarnsystemen, um die Bevölkerung vor extremen meteorologischen Ereignissen zu schützen, “denn die Hälfte der Länder hat gar keine”. Am besten funktionierten solche Systeme, meint Saulo, “wenn sie von unten nach oben, mit Beteiligung der Betroffenen und gemäß dem jeweiligen kulturellen Kontext” eingerichtet werden. Auch die Datenerfassung müsse in vielen Ländern ausgeweitet werden.
Saulo hält angesichts knapper öffentlicher Kassen Public-Private-Partnerships für unverzichtbar, aber dabei dürften große Unternehmen nicht die Überhand bekommen. “Wissenschaft und Technik haben enorme Fortschritte gemacht”, sagte sie, als sie nach den Aussichten gefragt wurde, den Klimawandel zu bremsen. “Aber sobald die nötigen Beschlüsse heikel für wirtschaftliche Interessen werden könnten, wird es sehr kompliziert.”
Dennoch ist Saulo Berufsoptimistin: “Jeder und jede kann etwas tun”, meint sie fast beschwörend, “wir denken ja nicht nur an uns selbst, sondern auch daran, dass die nachfolgenden Generationen einen lebenswerten Planeten verdienen.” Gerhard Dilger, Buenos Aires
Ob große Versprechen erfolgreich sind, hängt manchmal an kleinen Details. So geht es derzeit den hohen Zielen zum Ausbau der erneuerbaren Energien, die auf der COP28 in Dubai beschlossen wurden. Deren Erfolg hängt vor allem daran, ob es ausreichend Stromnetze gibt. Da hapert es so heftig, dass nun die beiden zuständigen Energieagenturen IEA und IRENA vor einem Scheitern der COP-Pläne warnen, hat Nico Beckert recherchiert.
Ein Signal gegen den Ausbau der Fossilen kommt dagegen aus Norwegen: Europas größter Öl- und Gasproduzent muss die Erschließung neuer Bohrfelder auf Eis legen, hat ein Gericht geurteilt. Der Grund: Die Pläne haben mögliche Auswirkungen aufs Klima nicht berücksichtigt.
Die EU wiederum plant laut internen Plänen noch bis 2050 mit fossilen Emissionen aus dem Stromsektor, die per CCS entsorgt werden müssen, schreiben wir heute. Dabei haben die Europäer eigentlich ein Stromsystem beschlossen, das vor allem “dekarbonisiert” sein soll.
Es geht also heftig hin und her in der Klima- und Energiepolitik. Wir halten für Sie die Augen offen. Spannende Lektüre bei diesem unseren 100. Climate.Table und allen weiteren Ausgaben wünscht Ihnen das ganze Team!
Einer der großen Erfolge der COP28 – der Beschluss zur Verdreifachung bei den Kapazitäten der erneuerbaren Energien bis 2030 – wird durch einen zu langsamen Ausbau der Stromnetze gefährdet. Nun warnt der Generaldirektor der Internationalen Organisation für erneuerbare Energien (IRENA), Francesco La Camera, im Gespräch mit Table.Media: “Ohne die dringenden Infrastrukturbedürfnisse anzugehen, wird die Welt nicht in der Lage sein, die Energiewende zur Begrenzung des Temperaturanstiegs auf 1,5 Grad zu beschleunigen“. La Camera fügt hinzu: “Weltweit sind die Investitionen in das Stromnetz hinter denen in die erneuerbaren Energien zurückgeblieben.” Sie müssten “deutlich erhöht werden”.
Die Internationale Energieagentur (IEA) liefert für diese Warnung konkrete Zahlen: Das Ziel der Verdreifachung der Erneuerbaren könnte weltweit um gut 20 Prozent verfehlt werden. “Unzureichende Investitionen in die Netzinfrastruktur verhindern einen schnelleren Ausbau der erneuerbaren Energien”, so die IEA. Das bedeutet: Fossile Energien müssten länger am Netz bleiben, die Emissionen wären höher als nötig.
Kristian Ruby ist Generalsekretär des Verbands Eurelectric, der 3.500 europäische Firmen aus den Bereichen Stromerzeugung, -verteilung und -versorgung vertritt. Er fordert für Europa einen “ambitionierten Investitions- und Expansionsplan für die Netze”. Die EU habe in den letzten fünf Jahren “extrem ambitionierte Ziele für den Ausbau der Erneuerbaren festgelegt”. Das “Tempo beim Ausbau der Stromnetze” müsse nun “deutlich erhöht werden”, sagt Ruby zu Table.Media. Andernfalls werde das Stromnetz ein “Engpass für die Energiewende”.
La Camera ruft die Staaten “nachdrücklich” auf, “sich auf die großen Mengen an erneuerbaren Energien vorzubereiten, die in den nächsten Jahrzehnten ans Netz gehen werden”. Netzinvestitionen müssten “drei bis fünf Jahre vor Investitionen in erneuerbare Energien getätigt werden”. Der stockende Netzausbau ist ein weltweites Problem. In den USA bedrohen überalterte und schlecht ausgebaute Netze die Klimaeffekte des milliardenschweren Klimapakets der Regierung (Inflation Reduction Act). In China können einige Provinzen und Städte neue Solarprojekte nicht mehr ans Netz bringen, weil die Kapazität nicht ausreicht. Auch in Japan, Südkorea und Australien müssen “Netzengpässe überwunden werden”, um die Erneuerbaren schneller ausbauen zu können, so die IEA.
Stabile und gut ausgebaute Stromnetze sind ein Grundbaustein für die Energiewende und eine dekarbonisierte Wirtschaft:
Doch der Netzausbau hält nicht mit dem Ausbau der erneuerbaren Energien Schritt. In der jüngsten Vergangenheit habe man die Reserven des Stromnetzes ausgenutzt, um Erneuerbare ans Netz zu bringen, sagt Leonhard Birnbaum, Präsident des Branchenverbands Eurelectric und CEO von Eon zu Reuters. Doch “in immer mehr Regionen Europas sind die Reserven einfach aufgebraucht“, meint Birnbaum.
Ein zu langsamer Netzausbau führt dazu, dass Solar- und Windkraftanlagen weniger Strom einspeisen oder erst gar nicht ans Netz angeschlossen werden können:
Die Ursachen des langsamen Ausbaus sind vielfältig. La Camera drängt zu “beschleunigten Genehmigungsverfahren, um rechtzeitige Investitionen in moderne Stromnetze zu gewährleisten”. Ruby von Eurelectric sieht diese Beschleunigung als “zentralen Punkt” für den Netzausbau.
Die Lizenzvergabe für drei norwegische Ölfelder ist von einem Gericht in Oslo für ungültig erklärt worden. Die Richter bemängeln, dass eine gesetzlich geforderte Abschätzung der Klimaschäden durch die geplante Verbrennung des Öls fehlt. Nach Ansicht von Experten wird das erstinstanzliche Urteil zwar keine direkten Auswirkungen auf die norwegische Ölförderung haben. Es könnte aber zu mehr Öffentlichkeit und einer Debatte über die Klima-Auswirkungen der norwegischen Ölproduktion führen.
Die Kläger, die Umweltorganisationen Greenpeace und Natur og Ungdom, hatten gegen die staatliche Genehmigung einer Lizenz (bekannt als “Plan für Entwicklung und Betrieb”) für die drei Ölfelder Breidablikk, Tyrving und Yggdrasil auf dem norwegischen Festlandsockel in der Nordsee geklagt.
Das Urteil des Bezirksgerichts von Oslo (tingrett) ist eine deutliche Niederlage für den Staat. Das Gericht hat klargemacht, dass eine Folgenabschätzung für die Emissionen aus der Verbrennung des geförderten Öls gesetzlich vorgeschrieben ist. Eine solche Studie war jedoch vom Staat nicht durchgeführt worden, bevor Lizenzen zur Erschließung und Förderung der Felder erteilt wurden.
Laut Gericht sind eine Abschätzung der Klimafolgen, unter anderem zum dadurch bewirkten Anstieg der globalen Temperatur, und eine öffentliche Konsultation wichtig für eine fundierte und korrekte Entscheidungsgrundlage. Dadurch werde sichergestellt, dass Gegenstimmen gehört und bewertet werden, und dass die Entscheidungsgrundlage überprüfbar und für die Öffentlichkeit zugänglich ist.
“Die unzureichende Folgenabschätzung der Verbrennungsemissionen und der Klimaauswirkungen bedeutet daher, dass die Entscheidungen ungültig sind“, heißt es in dem Urteil, das am 18. Januar gefällt wurde.
Die Ölförderung auf dem Breidablikk-Ölfeld, das von Equinor betrieben wird, begann im Oktober 2023. Die Förderlizenz wird jeweils für ein Jahr erteilt und läuft am 31. Dezember 2024 aus. Das Tyrving-Ölfeld soll 2025 in Betrieb genommen werden, das Yggdrasil-Feld 2027. Beide Felder werden von Aker BP betrieben. Yggdrasil wird Öl, Gas und NGL (Natural Gas Liquid) fördern.
Das Urteil stoppt die Produktion in Breidablikk nicht. Aber der Staat muss nun sicherstellen, dass die Entscheidung, die das Gericht für ungültig erklärt hat, “repariert” wird, bevor die Produktionslizenz erneuert werden kann, kommentiert Sigrid Eskeland Schütz, Rechtsprofessorin an der Universität Bergen, in einem Interview mit der Website Energi og Klima.
Laut Schütz bedeutet dies, dass zusätzliche Studien durchgeführt werden müssen, die sich mit den Umweltauswirkungen der Verbrennung des geförderten Erdöls im Ausland befassen. Die Treibhausgasemissionen bei der Verbrennung von Öl und Gas sind viel höher als die Emissionen, die bei der Produktion entstehen.
“Dann müssen die Berichte in die Konsultation geschickt werden, mit der üblichen Frist, und dann muss die Angelegenheit abschließend neu bewertet werden”, sagt Schütz. Sie glaubt, dass das Ministerium diesen Vorgang relativ schnell abschließen kann. Für Tyrving und Yggdrasil muss der Staat neue Entscheidungen treffen, bevor die Produktion beginnen kann.
Das Energieministerium erwägt, gegen das Urteil Berufung einzulegen. Experten gehen davon aus, dass der Fall bis vor den Obersten Gerichtshof gehen wird. Es sei jedoch kein Widerspruch, neue Analysen durchzuführen, wie es das Urteil vorschreibt, und gleichzeitig aus grundsätzlichen Erwägungen gegen das Urteil Berufung einzulegen, meint Schütz.
Ein Urteil des Obersten Gerichtshofs aus dem Jahr 2020 besagt, dass die Umweltauswirkungen eines Projekts geprüft werden müssen, einschließlich der Emissionen. Das Urteil des Gerichts in Oslo bezieht sich auf diese Entscheidung des Obersten Gerichtshofs.
Mehrere politische Parteien sind der Meinung, dass das Urteil Konsequenzen für alle Erdölprojekte haben sollte, die nach 2020 vom Staat genehmigt wurden. Insgesamt sind das 22 Projekte.
“Wir können es nur so verstehen, dass derselbe Verfahrensfehler für alle Lizenzen für neue Öl- und Gasförderung gilt, die nach dem Urteil des Obersten Gerichtshofs erteilt wurden”, so Lars Haltbrekken, energiepolitischer Sprecher der Sozialistischen Linkspartei im norwegischen Parlament, zu Aftenposten.
Experten geben den Parteien recht: Der gleiche Fehler gelte für alle Lizenzentscheidungen, die nach 2020 getroffen werden, sagt Rechtsanwalt Anders Flaatin Wilhelmsen von der Anwaltskanzlei Selmer gegenüber der Zeitung Dagens Næringsliv. Er vertrat als Anwalt 2020 im Namen des norwegischen Staates den Fall zu den Klimaauswirkungen der Ölförderung vor dem Obersten Gerichtshof.
Wilhelmsen sieht in dem Urteil einen großen Sieg für die Umweltbewegung. Dennoch glaubt er, dass die Folgen für die norwegische Erdölpolitik begrenzt sein werden. “Das Urteil hat für die norwegische Erdölindustrie keine Bedeutung. Es geht nur darum, auf welcher faktischen Grundlage man Entscheidungen über Produktion, Erschließung und so weiter treffen muss”, sagt er gegenüber Dagens Næringsliv.
Sigrid Schütz sieht das genauso: “Es ist immer noch eine politische Entscheidung. Das Ergebnis könnte also genau dasselbe sein wie heute, aber wahrscheinlich mehr wissensbasiert.” Langfristig könne man sich vorstellen, dass das zunehmende Wissen über die Auswirkungen auf das Klima die politischen Entscheidungen über die Erdölpolitik, die im Parlament getroffen werden, beeinflussen könnte, betont sie.
Die Signale der Regierung in den letzten Monaten deuten allerdings nicht auf eine Neuorientierung in der norwegischen Erdölpolitik hin. Die Entscheidung auf der COP28 im Dezember, eine globale Abkehr von fossilen Brennstoffen einzuleiten, “ändert nichts für Norwegen“, kommentierte Energieminister Terje Aasland die Einigung in Dubai.
Am 16. Januar, zwei Tage vor dem Urteil des Osloer Gerichts, gab Aaslands Ministerium die Ausweisung von 62 neuen Gebieten für die Erkundung von Erdölvorkommen auf dem norwegischen Festlandsockel bekannt. Wenn Funde gemacht werden, die für die Förderung relevant sind, wird ein Verfahren zur Ausbeutung des Fundes und zur endgültigen Vergabe einer Förderlizenz eingeleitet.
Eine Expertengruppe hat im November einen Plan für den Ausstieg aus der Öl- und Gasproduktion gefordert. Die Regierung hat den Vorschlag schnell abgelehnt. Wie üblich nach solchen Berichten wurde eine breite öffentliche Konsultation eingeleitet. Die erste Phase der Konsultation ist noch nicht abgeschlossen.
Frau Stiem-Bhatia, warum sind gesunde Böden so wichtig fürs Klima?
Sie sind noch vor den Wäldern die größten CO₂-Speicher und wichtige Wasserspeicher. Das ist für die Klimaanpassung sehr wichtig. Denn die meisten Ackerflächen – in Deutschland und weltweit – werden nicht künstlich bewässert. Sie müssen also mit den natürlichen Niederschlägen auskommen. Ein gesunder Boden hilft Pflanzen, Dürreperioden zu überstehen, nimmt Wasser auf und stärkt so den Hochwasserschutz.
Zum Klimaschutz: Wie viel CO₂ ist in unseren Böden gespeichert?
Berechnungen aus dem Jahr 2017 kommen zu dem Schluss, dass insgesamt 680 Milliarden Tonnen CO₂ in den Böden und 560 Milliarden Tonnen in den Wäldern weltweit gespeichert sind. Modellrechnungen gehen davon aus, dass die Böden weltweit jährlich zwei bis fünf Milliarden weitere Tonnen CO₂ speichern können. Zum Vergleich: Weltweit betragen die CO₂-Emissionen derzeit etwa 57 Milliarden Tonnen.
Wie verlässlich sind solche Zahlen?
Böden sind ein sehr volatiler CO₂-Speicher, das muss man zugestehen. Sobald sich die Bewirtschaftungsmethoden ändern, aber auch durch Waldbrände oder Dürren, kann der Kohlenstoff sehr schnell wieder aus der Erde entweichen.
Und wie ist die Situation im Moment? Wird mehr CO₂ aus den Böden freigesetzt oder mehr gespeichert?
Es gibt keine Messungen, die ausreichend exakt und umfassend wären, um das weltweit zu bilanzieren. Ob ein Boden CO₂ freisetzt oder speichert, hängt von sehr vielen Faktoren ab. Nehmen Sie zum Beispiel die Moore in Deutschland: Sie sind zu einem sehr großen Teil entwässert und geben deshalb CO₂ ab. Aber wenn man Moore wiedervernässt, werden sie wieder zur CO₂-Senke.
Gesunde Böden tragen zum Hochwasserschutz bei. Hat das in der Überschwemmungskatastrophe dieses Winters geholfen?
Das war regional sehr unterschiedlich. Wir haben in Deutschland sehr viele natürliche Überflutungsflächen bebaut und versiegelt. Versiegelte Böden können praktisch kein Wasser aufnehmen. Trotzdem werden in Deutschland nach wie vor jeden Tag 55 Hektar Boden für Siedlungen und Verkehr umgewidmet. Wir sind weit vom Ziel der Regierung entfernt, das auf 30 Hektar bis 2030 und bis 2050 auf Netto-Null zu reduzieren. Diese Bodenpolitik ist ein Problem. Außerdem degradiert unsere intensive Landwirtschaft, die schwere Maschinen, übermäßig Mineraldünger und Pestizide nutzt, die Böden. Das verringert die Aufnahmefähigkeit für Wasser und behindert den wichtigen Humus-Aufbau.
Wie könnte die Politik eine Landwirtschaft honorieren, die den Humus im Boden erhält?
Die EU-Zahlungen der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) müssten stärker an die Schonung des Bodens oder den Humus-Gehalt gekoppelt werden. Generell müsste der Ökolandbau finanziell viel stärker unterstützt werden, damit es sich für die Bauern und Bäuerinnen lohnt, umzusteigen und in den Bodenschutz zu investieren. Letztlich erbringen sie dadurch ja auch eine Leistung für die ganze Gesellschaft.
Es gibt handelbare Zertifikate, die den Aufbau von Humus im Boden honorieren, ähnlich wie beim Emissionshandel. Was halten Sie davon?
Diese Boden-Zertifikate werden nicht von Behörden ausgegeben, sondern von privaten Institutionen. So wie sie derzeit konzipiert sind, sind sie problematisch für die Bauern und Bäuerinnen, für den Klimaschutz, für die Menschenrechte. Sie sind oft so billig, dass sie für Bauern und Bäuerinnen keine nennenswerte Einkommensalternative und kaum ein Anreiz für eine bodenschonende Landwirtschaft sind.
Was sind aus Ihrer Sicht die Probleme für den Klimaschutz?
Ich sehe drei Schwierigkeiten: Zunächst kann der Handel mit billigen Zertifikaten leicht dazu führen, dass Unternehmen sich vom Klimaschutz freikaufen. Sie erwerben Zertifikate und gleichen ihren Treibhausgasausstoß dadurch rechnerisch aus, statt ihre Emissionen tatsächlich zu senken. Daneben stellt sich die Frage, wie lange der Humus – und mit ihm das CO₂ – im Boden bleibt. Sobald ein Hof von der nachhaltigen Bewirtschaftung zurückgeht auf Monokulturen oder einen hohen Pestizid-Einsatz, kann der Humus-Gehalt im Boden wieder sehr schnell sinken. Dann wird auch das im Boden gespeicherte CO₂ wieder freigesetzt. Und es gibt die Gefahr von “Leakage”: Ein Hof bewirtschaftet eine bestimmte Fläche nachhaltig und erhält dafür Zertifikate – aber womöglich setzt er auf dem Nachbarfeld im Gegenzug umso stärker auf intensive Landwirtschaft. Er bekäme Zertifikate, auch wenn in der Summe der Humus-Gehalt seiner Böden gleich bliebe.
Und welche Menschenrechtsprobleme sehen Sie?
Es gab Fälle im Globalen Süden, in denen Menschen von Land vertrieben wurden, das sie seit Generationen bewirtschaften, um dort einen Zertifikatehandel zu ermöglichen. Zudem können solche Zertifikate Genderungerechtigkeiten verstärken. Denn in vielen Ländern sind Landbesitzende vorrangig Männer, und so profitieren Frauen selten von etwaigen Kompensationszahlungen. Es ist wichtig, dass der Zertifikatehandel einen menschenrechtsbasierten Ansatz verfolgt.
Land ist knapp, und für den Klimaschutz werden künftig weite Flächen als Senken benötigt. Wie groß sind diese Flächen?
Fast alle nationalen Klimaschutzverpflichtungen innerhalb der UNFCCC beziehen Maßnahmen zum naturbasierten Klimaschutz mit ein, also zur CO₂-Speicherung in Böden und Wäldern. Zählt man sie alle zusammen, kommt man auf einen Flächenbedarf von 1,2 Milliarden Hektar. Das ist etwa die dreifache Fläche der EU. Um dem Netto-Null-Ziel näherzukommen, müsste man auf etwa 630 Millionen Hektar die Art der Landnutzung ändern, also zum Beispiel Ackerflächen aufforsten. Aber das ist kein leeres Land. Dort leben Menschen, und die Äcker sind ihre Lebensgrundlage.
Gibt es überhaupt genügend Fläche für die Anforderungen von Klimaschutz, Naturschutz und Ernährungssicherheit?
Die verschiedenen Anforderungen widersprechen sich ja nicht zwangsläufig. Eine bodenschonende Landwirtschaft beispielsweise speichert mehr CO₂ im Boden, stärkt die Widerstandsfähigkeit gegenüber dem Klimawandel, kommt dem Naturschutz zugute, und kann Einkommen durch Diversifizierung von Anbaufrüchten steigern. Biodiversität, Klimaschutz und Ernährungssicherheit gehen also durchaus zusammen. Ob sie vereinbar sind, hängt letztlich sehr stark von der Art der Landwirtschaft ab, die man betreibt.
Wie realistisch ist es dann, die Böden in so großem Ausmaß als CO₂-Senke in die nationalen Klimaschutzziele mit einzuberechnen?
Die Böden mögen knapp sein. Aber wir brauchen sie für den Klimaschutz. Selbst, wenn es uns gelingt, so schnell wie möglich aus den fossilen Energien auszusteigen – um unsere Klimaziele einzuhalten, sind wir auf die Speicherung von CO₂ durch die Natur angewiesen. Gesündere Böden sichern langfristig landwirtschaftliche Erträge und ermöglichen auch noch eine bessere Anpassung an die Auswirkungen des Klimawandels. Es spricht also alles dafür, sie besser zu schützen.
Larissa Stiem-Bhatia leitet beim TMG Think Tank for Sustainability das Programm für naturbasierte Lösungen. Sie ist Autorin des jüngst erschienen, gemeinsam vom BUND, der Heinrich-Böll-Stiftung und TMG herausgegebenen Bodenatlas 2024.
25. Januar, 9.30 Uhr, Online
Konferenz Digitale Fachkonferenz zu Highlights der Umweltbewusstseinsstudie
Jedes Jahr untersucht die Umweltbewusstseinsstudie des Bundesumweltministeriums und des Umweltbundesamtes, wie die Menschen in Deutschland über die Umwelt denken. Die jüngste Studie zeigt: Auch wenn Krisen wie der Angriffskrieg gegen die Ukraine und die Inflation derzeit stärker im Vordergrund stehen, bleibt der Schutz von Umwelt und Klima ein wichtiges Thema für die Menschen in Deutschland. Auf der Fachkonferenz wird in vier Sessions tiefer über die Ergebnisse der Studie diskutiert. Infos
25. Januar, 18 Uhr, Köln/Online
Diskussion Grüner Wasserstoff: Sind Thyssenkrupp und Salzgitter Vorreiter für eine umweltfreundliche Stahlproduktion?
Mit Milliardenbeträgen subventioniert der Staat Unternehmen, die mithilfe von grünem Wasserstoff produzieren wollen. Der Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre diskutiert in dieser hybriden Infoveranstaltung mit zwei Experten, was an den Versprechungen dran ist. Infos
25. Januar, 18.30 Uhr, Mainz
Podiumsdiskussion CCS – falsche Weichenstellung verhindern
Die Landeszentrale für politische Bildung in Rheinland-Pfalz und der BUND veranstalten diese Podiumsdiskussion rund um CCS in Deutschland. Infos
29. Januar, 12 Uhr, Online
Webinar Next steps for offshore energy production
Das Webinar des Stockholm Environment Institute diskutiert die aktuelle Forschung zu Offshore-Windenergie. Es geht unter anderem um die Frage, wie der Ausbau beschleunigt werden kann. Infos
29. Januar, 16 Uhr, Online
Webinar Leveraging the Echo of the Global Stocktake
In diesem Online-Seminar wird erörtert, wie die Ergebnisse der Globalen Bestandsaufnahme (GST) für ehrgeizigere Klimaschutzmaßnahmen genutzt werden können. Das Seminar wird unter anderem vom Umweltbundesamt und dem Wuppertal Institut organisiert. Infos
31. Januar, 11.45 Uhr, Berlin/Online
Diskussion E-Autos, Wärmepumpen und Heimspeicher in Aktion: Mit dynamischen Strompreisen und dynamischen Netzentgelten schlummernde Potentiale heben
E-Autos, Wärmepumpen und Heimspeicher machen das Stromsystem künftig deutlich flexibler: 2035 können sie eine Strommenge in Höhe von zehn Prozent des Jahresverbrauchs zeitlich verschieben. Dabei können neue Tarifmodelle Anreize für Haushalte schaffen, diese Flexibilität bereitzustellen. Das spart Kosten bei der Erzeugung und senkt so die Strompreise für alle. Auf der Veranstaltung von Agora Energiewende wird darüber diskutiert, wie das in der Praxis aussehen kann. Infos
31. Januar bis 1. Februar, Berlin
Konferenz Sustainable Finance and Biodiversity
Während der Klimaschutz schon weit im Finanzsystem angekommen ist, besteht beim Thema biologische Vielfalt noch sehr viel Handlungsbedarf. Ohne das Finanzsystem kann jedoch eine Transformation hin zu einer naturpositiven Wirtschaftsweise nicht gelingen.
Der Sustainable-Finance-Beirat wird sich nun im Rahmen einer zweitägigen Konferenz mit Akteurinnen und Akteuren aus Finanzwirtschaft, Realwirtschaft, Umweltschutz und Verwaltung mit allen Aspekten eines biodiversitätsfreundlichen Finanzsystems auseinandersetzen. Infos
31. Januar, 14 Uhr, Online
Webinar Schuldenbremse reformieren – Zukunftsinvestitionen sicherstellen
In diesem Teil der Webinar-Reihe “Finanzpolitik für Klimaschutz und Gerechtigkeit” von Klima-Allianz Deutschland, Germanwatch und WWF Deutschland geht es um die Schuldenbremse und mögliche Reformoptionen. Infos
31. Januar, 19 Uhr, Online
Webinar 2023 in Review: A Report on the Booming US Clean Energy Tax Credit Market
Neue Studien zeigen die Folgen von Investitionen in saubere Energie durch übertragbare Steuergutschriften in den USA. Wohin steuert der Markt im Jahr 2024? Das wird auf dem digitalen Event von Latitude Media diskutiert. Infos
1. Februar, 16 Uhr, Augsburg/Online
Vortrag Warenketten im Kontext der Klimakrise
Die Soziologin Karin Fischer von der Universität Linz spricht über Waren- und Lieferketten in der Klimakrise. Der Vortrag gehört zu einer interdisziplinären Vortragsreihe des Zentrums für Klimaresilienz an der Universität Augsburg. Infos
Das rapide Wachstum beim Ausbau der erneuerbaren Energien wird in den nächsten Jahren weiter anhalten. Laut neuen Prognosen der Internationalen Energieagentur (IEA) werden viele Staaten in den nächsten sechs Jahren mehr als doppelt so viel Erneuerbare zubauen wie in den letzten sechs Jahren. Die Wachstumsprognosen für China sind besonders eindrücklich: In der Volksrepublik sollen demnach umgerechnet jede zweite weltweit installierte Solar- und Windkraftanlage gebaut werden. China werde 56 Prozent des globalen Zubaus ausmachen. “Im Zeitraum 2023 bis 2028 wird China fast viermal mehr Kapazitäten im Bereich der erneuerbaren Energien zubauen als die Europäische Union und fünfmal mehr als die Vereinigten Staaten”, schreiben die Analysten der IEA.
Weltweit werden in den kommenden sechs Jahren fast 3.700 Gigawatt an neuer Kapazität zugebaut – das ist mehr als die derzeit weltweit installierte Gesamtkapazität an erneuerbaren Energien. Bis zum Jahr 2028 werden die Erneuerbaren demnach 42 Prozent der weltweiten Stromerzeugung ausmachen. Anfang 2025 werden sie die Kohle als größten Stromlieferanten ablösen. Windkraft werde schon im Jahr 2025 mehr Strom erzeugen als Atomkraft.
Das Wachstum beim Ausbau der Erneuerbaren werde vor allem durch die Solarenergie angetrieben. Hier erwartet die IEA über 2.600 Gigawatt an neuer Kapazität; hinzu kommen gut 800 Gigawatt an On- und Offshore-Windenergie. Zum Vergleich: Im Jahr 2023 wurden laut IEA fast 510 Gigawatt an neuen Erneuerbaren-Kapazitäten gebaut. Doch die IEA warnt auch: Das Wachstum könne noch schneller gehen, wenn Hürden aus dem Weg geräumt werden. Und in vielen Ländern stehe die Windkraftindustrie vor großen finanziellen Herausforderungen. nib
Die EU-Flottengesetzgebung für Pkw hat nicht dazu geführt, den CO₂-Ausstoß neu zugelassener Fahrzeuge im erwünschten Umfang zu senken. Erst nach 2020, also elf Jahre nach Inkrafttreten der ersten Flottenregeln, die den Herstellern spezifische Obergrenzen für den CO₂-Ausstoß ihrer Neuwagenflotte vorschreibt, begannen die CO₂-Emissionen von Pkw deutlich zurückzugehen. Der Rückgang war zudem nur dem höheren Marktanteil von batterieelektrischen Fahrzeugen geschuldet. Der CO₂-Ausstoß von neuen Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor nahm nicht nennenswert ab.
Dieses vernichtende Urteil fällt der Europäische Rechnungshof in seinem Sonderbericht “Reduktion der CO₂-Emissionen von Pkw”. Der Bericht basiert auf Recherchen in drei Mitgliedstaaten, Deutschland, Italien und Niederlande. Die CO₂-Flottengesetzgebung ist das zentrale Instrument der EU, um den CO₂-Ausstoß von neuen Fahrzeugen zur senken.
Der Bericht macht zudem deutlich, dass die Methodik der CO₂-Messung den Herstellern lange die falschen Anreize gesetzt hat. So seien im Zeitraum 2009 bis 2020 die durchschnittlichen, im praktischen Fahrbetrieb entstanden Emissionen nicht zurückgegangen. Das habe vor allem daran gelegen, “dass sich die Hersteller auf die Verringerung der im Labor gemessenen Emissionen statt auf die Verringerung der tatsächlichen Emissionen konzentrierten”. Erst 2017 wurde dann auf einen Testbetrieb umgestellt, der den realen Fahrbetrieb besser simuliert. Daher attestiert der Rechnungshof, dass vor 2020 “der angestrebte Nutzen der Verordnung weitgehend hinfällig” war. mgr
Europa plant, jährlich Millionen Tonnen CO₂ aus fossilen Kraftwerken technologisch abzuscheiden, um klimaneutral zu werden. Bis zum Jahr 2040 soll auf diesem Pfad die Menge des abgeschiedenen Treibhausgases auf 26 bis 41 Millionen Tonnen pro Jahr ansteigen. Das geht aus einem noch unveröffentlichten Entwurf einer Folgenabschätzung der EU-Kommission hervor, der Table.Media vorliegt.
Um das Ziel der Klimaneutralität bis 2050 zu erreichen, müssen sogar 55 Millionen Tonnen CO₂ jährlich aus Kraftwerksabgasen gefiltert werden. Ob das Kohlendioxid ausschließlich aus Erdgas- oder auch aus Kohlekraftwerken stammen soll, bleibt in der Analyse offen.
Insgesamt sollen laut dem 120-seitigen Dokument ab 2050 rund 450 Millionen Tonnen CO₂ pro Jahr abgeschieden werden, und zwar im Einzelnen aus:
Das abgeschiedene CO₂ soll anschließend unterirdisch gespeichert (247 Millionen Tonnen CO₂), für die Produktion von E-Fuels (147 Mt CO₂) oder für die Herstellung synthetischer Materialien (59 Mt CO₂) verwendet werden.
Die Kommission wird ihren Vorschlag zum Klimaziel der EU für 2040 am 6. Februar vorlegen. Das bisherige Ziel aus dem EU Green Deal für 2030 sieht eine CO₂-Minderung um 55 Prozent gegenüber 1990 vor. ber/luk
Nach zähen Verhandlungen, die am Schluss kurz vor dem Scheitern standen, hat der Weltklimarat IPCC Ende vergangener Woche beschlossen, die Arbeit am 7. Sachstandsbericht (AR7) zu beginnen. Bis Ende 2029 sollen die verschiedenen Teile des Berichts abgeschlossen sein und veröffentlicht werden. Das hat die 60. Sitzung des IPCC-Plenums vergangene Woche mit 375 Delegierten aus 120 Ländern in Istanbul beschlossen. Das Arbeitsprogramm, an dem wieder Hunderte von Autorinnen und Autoren arbeiten werden, sieht vor:
Die Entscheidung reflektiere “das Interesse der Mitgliedsregierungen an politikrelevanter, aktueller und umsetzbarer wissenschaftlicher Information”, sagte der IPCC-Vorsitzende Jim Skea nach der Sitzung. Der Beschluss sei “ein klares Signal an die wissenschaftliche Gemeinschaft, dass die Arbeit ernsthaft beginnen kann.”
Für die ernsthafte Arbeit haben die Autorinnen und Autoren einen knappen Zeitplan, hieß es aus den Delegationen. Einerseits sollen die Berichte der Arbeitsgruppen rechtzeitig erscheinen, um Informationen für den zweiten Global Stocktake (GST) zu liefern, der 2028 stattfindet – doch der gesamte Bericht soll erst Ende 2029 fertig sein. Dann aber steht bereits 2030 vor der Tür. Zu diesem Zeitpunkt müssen laut IPCC-Kalkulationen die globalen Treibhausgas-Emissionen gegenüber heute praktisch halbiert sein, wenn das 1,5-Grad-Ziel erreichbar bleiben soll.
Mit dem Beschluss hat sich das IPCC-Plenum für einen leicht gestrafften IPCC-Berichtszyklus entschieden. Vor der Sitzung waren auch andere Optionen erwogen worden: Eine “leichte” Kurzversion des Berichts, die übliche Abfolge von IPCC-Bericht plus zwei Sonderberichte oder eine “Galerie von Sonderberichten“: Statt eines umfassenden Berichts wären dort Reports zu Themen wie Klima-Kipppunkte, 1,5-Grad Overshoot, Loss and Damage, Anpassung CDR oder Geoengineering erstellt worden. Diese Idee setzte sich nicht durch. bpo
Der menschengemachte Klimawandel war die Hauptursache der ungewöhnlich starken Dürre, die im vergangenen Herbst im Amazonas-Becken herrschte. Zu dem Ergebnis kommt ein internationales Team von Klimawissenschaftlerinnen und -wissenschaftlern in einer Analyse der Initiative World Weather Attribution. Das natürliche Klimaphänomen El Niño, das üblicherweise trockenes Wetter in die Region bringt, hatte demnach einen sehr viel geringeren Einfluss.
Für ihre Analyse untersuchten die Forschenden zwei Indizes: Der Standard Precipitation Index (SPI) zeigt, wie sich die Niederschläge in der Region verändern. Er gilt als Maßstab für eine sogenannte meteorologische Dürre. Der Standardized Precipitation Evapotranspiration Index (SPEI) bezieht neben den Niederschlägen auch die Verdunstung aus Böden und Pflanzen mit ein, die durch höhere Temperaturen steigt. Er wird als Maßstab für die sogenannte landwirtschaftliche Dürre genutzt.
Das Ergebnis: Im Untersuchungszeitraum von Juni bis November 2023 führten El Niño und der Klimawandel gleichermaßen zu niedrigeren Regenfällen. Doch die höhere Temperatur, die eine stärkere Verdunstung verursachte, war fast ausschließlich auf den Klimawandel zurückzuführen. “Das bedeutet, dass El Niño die Dürre zwar verschlimmert hat, aber der Klimawandel der Haupttreiber war”, teilt die Forschungsgruppe mit. Durch die menschengemachte Erderwärmung sei die Trockenheit etwa 30-mal wahrscheinlicher geworden.
Besonders wichtig sei dabei: In Zukunft werde der Klimawandeleffekt mit fortschreitender Erwärmung weiter zunehmen. El Niño hingegen schwanke auf und ab. Deshalb sei nicht zu erwarten, dass seine Auswirkungen auf lange Sicht stärker oder schwächer würden. Der Amazonas ist der größte Regenwald der Erde und von entscheidender Bedeutung für die Artenvielfalt sowie als CO₂-Senke für den Klimaschutz. Abholzung und steigende Temperaturen durch den Klimawandel gefährden seine Zukunft. ae
Die Umstellung auf eine klimafreundlichere Wirtschaft ist in den Kreditbüchern großer Banken im Euroraum nach Einschätzung der EZB-Bankenaufsicht vielfach noch nicht angekommen. Eine Analyse von 95 bedeutenden Geldhäusern habe gezeigt, dass die Kreditbestände “derzeit in erheblichem Maße nicht mit den Zielen des Pariser Abkommens übereinstimmen”, schreibt der Vize-Chef der Bankenaufsicht der Europäischen Zentralbank (EZB), Frank Elderson, in einem am Dienstag veröffentlichten Beitrag.
Dies führe bei etwa 90 Prozent dieser Banken zu “erhöhten Übergangsrisiken”. Zudem könnten etwa 70 Prozent dieser Banken einem erhöhten Risiko von Rechtsstreitigkeiten ausgesetzt sein, “da sie sich zwar öffentlich zum Pariser Abkommen bekennen, ihr Kreditportfolio aber immer noch nicht messbar darauf abgestimmt ist”, fasste Elderson die Ergebnisse der Analyse zusammen. Die untersuchten Geldhäuser stehen nach EZB-Angaben für drei Viertel der Kredite im Euro-Währungsraum.
Die Übergangsrisiken bei den Geldhäusern resultieren der Analyse zufolge größtenteils aus Engagements gegenüber Unternehmen im Energiesektor, die bei der schrittweisen Abschaffung kohlenstoffintensiver Produktionsprozesse hinterherhinken und die Produktion erneuerbarer Energien erst spät einführen. “Die Wirtschaft braucht stabile Banken, insbesondere während des grünen Übergangs”, schreibt Elderson.
Für die Banken wiederum sei es von entscheidender Bedeutung, die Risiken zu erkennen und zu messen, die sich aus dem Übergang zu einer dekarbonisierten Wirtschaft ergäben. “Die Übergangsplanung muss zu einem Eckpfeiler des Standard-Risikomanagements werden, denn es ist nur eine Frage der Zeit, bis Übergangspläne obligatorisch werden”, mahnte Elderson. Die EZB-Bankenaufsicht war 2014 als Lehre aus der Banken- und Finanzkrise geschaffen worden. Aktuell überwacht die EZB-Bankenaufsicht 113 Banken im Euroraum direkt, die für 82 Prozent des Bankenmarktes im Währungsraum stehen. dpa
Der verstärkte Ausbau von erneuerbaren Energien in Deutschland schlägt sich auch auf dem Arbeitsmarkt nieder: Im Jahr 2022 waren gut 50.000 Personen mehr in der Branche tätig als im Vorjahr, sagte Wirtschaftsminister Robert Habeck am Mittwoch im Table.Media-Podcast Table.Today. Das ist ein Anstieg um 15 Prozent auf 387.700 Beschäftigte. “Die Anstrengungen, die wir im Klimaschutzbereich unternehmen, sorgen für neue Wertschöpfung”, so Habeck. Der Großteil der neuen Jobs entfällt nach Angaben des Wirtschaftsministeriums auf die Solarenergie und die Wärmepumpenbranche. Eine geringere Zunahme gab es im Bereich Biomasse; bei der Windkraft ging die Zahl der Arbeitsplätze dagegen trotz steigender Ausbauzahlen leicht zurück.
Auch für die Zukunft ist Habeck optimistisch. So zeige die Investitionsentscheidung von Northvolt für eine neue Batteriefabrik in Heide, dass Deutschland im Standortwettbewerb mithalten könne – wenn auch mit massiver staatlicher Unterstützung. “Ich glaube auch, dass dieser Subventionswettlauf nicht gesund ist”, sagte der Wirtschaftsminister im Podcast. “Andererseits will man auch nicht danebenstehen und zugucken und winke-winke sagen, wenn die Industrie weggeht.” Mit hohen Investitionen rechnet Habeck auch im Wasserstoff-Sektor.
Auch dort sollten viele neue Jobs entstehen, zeigt eine neue Studie des Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW) im Auftrag des Regionalverbands Ruhr. Die Untersuchung wird am Donnerstag veröffentlicht und lag Table.Media vorab vor. Demnach entstehen durch den Aufbau der Wasserstoffwirtschaft allein im Ruhrgebiet bis 2023 rund 8700 neue Arbeitsplätze; bis 2045 könnten es über 25.000 sein. Daneben sichere der Umstieg auf Wasserstoff tausende bestehende Arbeitsplätze, etwa in der Stahlindustrie. “Wenn die ökologische Transformation gelingt, besteht die Chance, die Verlagerung von Produktion in Länder ohne CO₂-Emissionshandel zu verhindern”, sagte Ko-Studienautorin Vanessa Hünnemeyer. mkr
Die 1.000 CO₂-intensivsten Industrieanlagen der Welt könnten bei ihrer vollständigen Dekarbonisierung jährlich etwa acht Milliarden Tonnen CO₂ einsparen und so helfen, die 1,5-Grad-Grenze bei der Erderwärmung zu halten. Diese Umstellung würde je nach Technik von 2025 bis 2050 Investitionen zwischen 7,5 und 10,5 Billionen US-Dollar benötigen und etwa ein Drittel der nötigen Reduktion bei Treibhausgasen liefern. Das ist das Ergebnis der Studie “Global Carbon Restructuring Plan“, den die Unternehmensberatung Roland Berger vorgelegt hat.
Laut Studie stammen über drei Viertel (77 Prozent) der Emissionen aus der Stromerzeugung, 18 Prozent aus dem Eisen- und Stahlsektor und 3,5 Prozent aus der Öl- und Gasindustrie. Für über die Hälfte der Emissionen sind nur 40 Unternehmen verantwortlich. Das zeige das “große Klimaschutzpotenzial einer konzertierten Aktion zur Dekarbonisierung dieser Hauptemittenten”, heißt es. Allerdings gebe es bisher nur für elf Prozent der identifizierten Kraftwerke Dekarbonisierungspläne. In Europa haben demnach immerhin die Hälfte der Anlagen solche Pläne, in den USA ein knappes Drittel.
Die meisten der hoch emittierenden Anlagen stehen in China (54 Prozent) und Indien (13 Prozent), gefolgt von den USA (10 Prozent) und Europa (3 Prozent). Das ist ein Problem: Denn durch diese Standorte wären China und Indien von der Dekarbonisierung deutlich höher belastet. Sie müssten dafür zwischen 18 und über 30 Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts aufwenden, die USA und Europa nur zwischen zwei und fünf Prozent.
Bei den Techniken zur Dekarbonisierung sind
Über die Zeitspanne von 25 Jahren würde dieser Plan Investitionen von 300 bis 400 Milliarden US-Dollar jährlich bedeuten. Das wären weniger als 20 Prozent der globalen Ausgaben für Rüstung oder für Forschung und Entwicklung (jeweils etwa zwei Billionen US-Dollar 2021), schreiben die Autoren. bpo
China hat den freiwilligen Handel mit CO₂-Zertifikaten (Chinese Certified Emissions Reductions/CCER) wieder aufgenommen. Das überarbeitete CCER-System erlaubt es nun jedem Unternehmen, Emissionsgutschriften zu erwerben – und nicht nur den an Chinas Emissionshandelssystem (ETS) derzeit beteiligten Energiekonzernen. Nach Schätzung der Investmentbank Minsheng Securities könnte der CCER-Spotmarkt bis 2025 ein Volumen von etwa 20 Milliarden Yuan (2,56 Milliarden Euro) erreichen.
Zunächst sind für den Handel an der China Beijing Green Exchange nur Gutschriften für Projekte verfügbar, die vor 2017 genehmigt wurden, wie Bloomberg berichtet. Nun wird aber die Genehmigung für neue Projekte erwartet. Noch 2024 soll es Akkreditierungen für Institutionen zur Begutachtung und Zertifizierung von Emissionen geben.
CCER verifizieren Klimaschutzprojekte der am Emissionshandel (ETS) beteiligten Unternehmen zum Ausgleich (Offset) ihrer Emissionen, etwa durch Investitionen in erneuerbare Energien, Kohlenstoffsenken oder die Nutzung von Methan. Künftig sollen auch Projekte aus Solarthermie, Offshore-Windkraft, Aufforstung und Mangroven-Renaturierung dafür infrage kommen.
China hatte das CCER-System 2012 ins Leben gerufen; zwischen 2013 und 2017 wurden für 287 Projekte Gutschriften ausgestellt, vorwiegend für Windenergie, Photovoltaik und die Nutzung von Biogas in ländlichen Gebieten. Im März 2017 stoppte China die Ausgabe neuer Zertifikate aufgrund des geringen Transaktionsvolumens und mangelnder Standards bei der CO₂-Prüfung.
Damit das CCER – und auch das ETS – wirklich effektiv sein können, müsse China strengere Emissions-Obergrenzen festlegen, schreiben die Analysten der Beratungsfirma Trivium China. In Chinas ETS dürfen Unternehmen bis zu fünf Prozent ihrer Compliance-Verpflichtungen mit solchen CCER ausgleichen. Es umfasst bislang ausschließlich 2530 Unternehmen des Energiesektors, die 2022 für rund 40 Prozent der chinesischen Emissionen verantwortlich waren. Demnächst soll es auch auf acht Sektoren der Schwerindustrie ausgedehnt werden. Der durchschnittliche CO₂-Preis am ETS stieg seit Handelsbeginn Mitte 2021 von 43 Yuan pro Tonne auf 68 Yuan pro Tonne Ende 2023, was knapp 9 Euro entspricht. Der Unterschied zum EU-Emissionshandel, wo der Preis zum Jahresende bei gut 80 Euro lag, ist damit weiter erheblich, zudem gibt es immer wieder Probleme mit den übermittelten Emissionsdaten. ck
Der Umstieg auf eine weitgehend erdgasfreie Energieversorgung im Gebäude- und Industriesektor erfordert hohe Investitionen, und um diese zu erreichen, sind gezielte politische Maßnahmen erforderlich. Das ist die Kernaussage der Finanzierungsstrategie “Sicherheitsorientierte Energiepolitik”, die der Fachrat Energieunabhängigkeit am Dienstag veröffentlicht hat. Das achtköpfige Expertengremium, das vom Climate Finance Fund finanziert wird, drängt darauf, den Gasausstieg schnell und entschieden anzugehen – und zwar nicht nur aus Gründen des Klimaschutzes, sondern aus sicherheitspolitischen Überlegungen. Denn der Ersatz russischen Erdgases durch LNG führe zu neuen Inflationsrisiken und geopolitischen Abhängigkeiten, sagte Jonathan Barth als Sprecher des Fachrats bei der Präsentation des Berichts.
Um den Gebäudesektor erdgasfrei zu bekommen, sind dem Bericht zufolge Gesamtinvestitionen von rund 482 Milliarden Euro erforderlich; weitere 44 Milliarden Euro werden benötigt, um die Nutzung von Erdgas in der industriellen Prozesswärme zu beenden. Damit könnte der Gasverbrauch um bis zu 78 Prozent sinken. Wichtigste Hebel sind die Umstellung von Gasheizungen auf Wärmepumpen, die Dekarbonisierung der Fernwärme und die Elektrifizierung der Wärmeerzeugung in der Industrie. Aufgebracht werden müssen die Mittel zum Großteil von privaten Akteuren; doch um Investitionshemmnisse zu beseitigen, müsse der Staat eingreifen.
Der Bericht macht zehn Vorschläge, wie die Politik den Umstieg beschleunigen könnte. Dazu gehört ein “Skalierungsprogramm Wärmecontracting”. Damit sollen energetische Sanierungen oder der Austausch von Heizungen von Dienstleistern abgewickelt werden, zu denen künftig auch Stadtwerke gehören könnten. Um Kredite und Leasingangebote zu bündeln und damit Investitionen zu erleichtern, schlägt der Fachrat die Gründung regionaler Zweckgesellschaften vor. Um Investitionen in erdgasfreie Technologien umzuleiten, solle zudem die EU-Taxonomie um zusätzliche Sektoren erweitert werden. Vorgeschlagen wird darüber hinaus, dass die Europäische Zentralbank Zinsvorteile für entsprechende Investitionen bieten soll.
Weitere Vorschläge betreffen unter anderem die Umschulung von Fachkräften, den Abbau von Bürokratie, staatliche Ausfallbürgschaften für finanzschwache Eigentümer und die Einrichtung einer Expertenkommission für Erdgasunabhängigkeit durch die Bundesregierung. Die Vorschläge sollen nun mit den betroffenen Stakeholdern intensiv diskutiert werden, kündigte Barth an. Bei einer Diskussionsveranstaltung am Dienstagabend kündigte der Abteilungsleiter für Wirtschafts-, Finanz- und Klimapolitik im Kanzleramt, Steffen Meyer, an, die Empfehlungen sorgfältig zu prüfen. bpo
Zu Jahresbeginn hat die Argentinierin Celeste Saulo die Leitung der Weltwetterorganisation (WMO) in Genf übernommen. “Klimawandel und Ungleichheit – das muss zusammen gedacht werden”, betont die 59-jährige Meteorologin immer wieder. Als bisherige erste Vizedirektorin ist sie bestens mit dem Apparat der UN-Sonderorganisation vertraut und wurde vor einem halben Jahr mit großer Mehrheit zur WMO-Generalsekretärin gewählt.
Saulo ist Akademikerin und zugleich eine erfahrene Managerin. Geboren wurde sie 1964 in der argentinischen Hauptstadt, sie studierte an der öffentlichen Universität Buenos Aires Meteorologie und promovierte 1996 in Atmosphärenwissenschaften. An derselben Hochschule setzte sie ihre wissenschaftliche Karriere fort, leitete zweimal den Fachbereich für Atmosphären- und Meeresstudien. Als Mutter von zwei Kindern habe sie auf manchen Auslandsaufenthalt verzichten müssen, verriet sie nach ihrer Wahl.
Dafür engagierte sie sich für die Modernisierung des argentinischen Wetterdienstes, den sie von 2014 bis 2023 leitete. In dieser Funktion wurde sie Vertreterin Argentiniens in der WMO, stieg bald in deren Exekutivrat auf und wurde schließlich erste Vizedirektorin. Nun ist sie die erste Frau an der Spitze der WMO – 150 Jahre nach Gründung der Internationalen Wetterorganisation, ihrer Vorgängerin. Die Führungsposition in Genf, lange eine Domäne Europas, bekleidet sie jetzt als zweite Person aus dem Globalen Süden.
Zuhören und miteinander reden – das ist der Ansatz, mit dem die Argentinierin interne Blockaden der WMO aufbrechen will. Zwischen den Abteilungen herrsche übertriebenes Konkurrenzdenken, erklärte sie. Der Austausch zwischen den nationalen Wetterdiensten gehört zu den Kernaufgaben der Einrichtung. Zusammenarbeit will sie aber auch nach außen großschreiben, etwa mit anderen UN-Organisationen, NGOs oder privaten Unternehmen: “Ich bin dafür da, die gemeinsam beschlossene Agenda umzusetzen.”
In Zeiten des Klimawandels ist die WMO wichtiger denn je – besonders für den Globalen Süden: Am Horn von Afrika kamen im November bei Überschwemmungen Hunderte ums Leben, Hunderttausende wurden zu Klimaflüchtlingen. Vor einem Jahr bescherte eine lange Dürre argentinischen Farmern Verluste in Milliardenhöhe und beschleunigte die Waldzerstörung.
Die dringendste Aufgabe sei die umfassende Installierung von Frühwarnsystemen, um die Bevölkerung vor extremen meteorologischen Ereignissen zu schützen, “denn die Hälfte der Länder hat gar keine”. Am besten funktionierten solche Systeme, meint Saulo, “wenn sie von unten nach oben, mit Beteiligung der Betroffenen und gemäß dem jeweiligen kulturellen Kontext” eingerichtet werden. Auch die Datenerfassung müsse in vielen Ländern ausgeweitet werden.
Saulo hält angesichts knapper öffentlicher Kassen Public-Private-Partnerships für unverzichtbar, aber dabei dürften große Unternehmen nicht die Überhand bekommen. “Wissenschaft und Technik haben enorme Fortschritte gemacht”, sagte sie, als sie nach den Aussichten gefragt wurde, den Klimawandel zu bremsen. “Aber sobald die nötigen Beschlüsse heikel für wirtschaftliche Interessen werden könnten, wird es sehr kompliziert.”
Dennoch ist Saulo Berufsoptimistin: “Jeder und jede kann etwas tun”, meint sie fast beschwörend, “wir denken ja nicht nur an uns selbst, sondern auch daran, dass die nachfolgenden Generationen einen lebenswerten Planeten verdienen.” Gerhard Dilger, Buenos Aires